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German Pages 270 [271] Year 2022
Beiträge zum Wirtschaftsstrafrecht Band 4
Der Vermögensnachteil in der Untreue – Möglichkeit einer Kompensation durch rechtlich missbilligte Vorteile Eine Untersuchung vor dem Hintergrund der neueren Entwicklung der Rechtsprechung
Von
Judith Maurer
Duncker & Humblot · Berlin
JUDITH MAURER
Der Vermögensnachteil in der Untreue – Möglichkeit einer Kompensation durch rechtlich missbilligte Vorteile
Beiträge zum Wirtschaftsstrafrecht Herausgegeben von Nikolaus Bosch und Nina Nestler
Band 4
Der Vermögensnachteil in der Untreue – Möglichkeit einer Kompensation durch rechtlich missbilligte Vorteile Eine Untersuchung vor dem Hintergrund der neueren Entwicklung der Rechtsprechung
Von
Judith Maurer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
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Für Antje und Matthias
Vorwort Diese Arbeit lag im Sommersemester 2021 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg vor. Die Arbeit wurde im April 2021 fertiggestellt. Das Rigorosum fand am 12. Juli 2021 statt. Rechtsprechung und erschienene Literatur konnten bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater Professor Dr. Dr. h.c. Walter Perron möchte ich für die Übernahme und Betreuung der Arbeit, die wertvolle Diskussion, seine Anregungen und seine stete Bereitschaft zu persönlicher Hilfestellung besonders danken. Er hat mir die Freiheit gelassen, mich fachlich und letztlich auch persönlich selbständig weiterzuentwickeln. Gleichzeitig konnte er bei Bedarf die Entwicklung dieser Arbeit durch neue Denkanstöße stets voranbringen. Professor Dr. Gerson Trüg danke ich für die Erstattung des Zweitgutachtens. Mein persönlicher Dank gilt den Herausgebern der Schriftenreihe „Beiträge zum Wirtschaftsstrafrecht“ für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe. Nicht zuletzt möchte ich meinen Eltern für die fortlaufende Unterstützung während meines gesamten Lebenswegs danken. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Ohne sie und die Unterstützung meines privaten Umfelds wäre der erfolgreiche Abschluss dieser Arbeit und meiner Ausbildung im Allgemeinen nicht denkbar gewesen. Mein Dank gebührt deshalb auch Jonas, Benjamin, Alexander und Hannah. Hamburg, im August 2021
Judith Maurer
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung in die Problematik
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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Gang der Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Teil 2 Analyse der uneinheitlichen Rechtsprechung zum Vermögensnachteil
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A. BGH (4. Strafsenat), NJW 1975, 1234 ff. – „Bundesliga-Entscheidung“ . . . . . . . . . . . 23 B. BGH (2. Strafsenat), NStZ 2009, 95 ff. – „Siemens/Enel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 C. BVerfG, NJW 2010, 3209 ff. – „Grundsatzentscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 D. BGH (2. Strafsenat), NJW 2010, 3458 ff. – „Trienekens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 E. BGH (1. Strafsenat), NJW 2011, 88 ff. – „Siemens/AUB“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 F. BGH (2. Strafsenat), NJW 2013, 401 ff. – „Telekom-Spitzelaffäre“ . . . . . . . . . . . . . . . 31 G. BGH (1. Strafsenat), BeckRS 2018, 37760 – „Arzneimittel/Russlandgeschäft“ . . . . . 32 H. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Teil 3 Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
36
A. Grundsatzfragen des Untreuetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Strafwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Geschütztes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Grundsätzlich einheitliche Betrachtung des Vermögensstrafrechts . . . . . . . . . . . . 38 IV. Untreue als Auffangtatbestand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 V. Verschleifungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
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Inhaltsverzeichnis
B. Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Besondere Pflichtenstellung gegenüber fremdem Vermögen – Täterqualifikation
40
II. Pflichtwidrige Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Treubruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Art der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Gravierende Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Spezifisch vermögensschützende Betreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Einverständnis des Treugebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Juristischer Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 d) Integrierter Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 e) Nach der Entscheidung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 f) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Feststellung der Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Prinzip der Gesamtsaldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Besonderheiten des Untreue-Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Unterlassen der Gewinnmehrung: Verlust von Exspektanzen . . . . . . . . . 54 bb) Berechnung des Nachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 cc) Berechnungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (1) Vorher-Nachher-Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (2) Hypothetischer Sollzustand (korrigierte ex post-Betrachtung) . . . . . 58 (3) Nach dem BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (4) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 c) Kausalität und Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Unmittelbarkeit des Vermögensabflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (1) Keine Übertragbarkeit des Betrugs-Spezifikums der Unmittelbarkeit 64 (2) Unmittelbar entstehender Vermögensabfluss zur Begrenzung . . . . . 65 (3) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 cc) Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Sonderproblem: Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Personalisierung des Vermögensnachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5. Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 IV. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 V. Schlussfolgerung: „Verengung“ auf zwei Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . 77
Inhaltsverzeichnis
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Teil 4 Grundsätze der Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz
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A. Generelle Bedeutung der Kompensation im Wirtschaftsstrafrecht und Definition . . . . 79 B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Wirtschaftliche Gleichwertigkeit von Vermögensabfluss und Vermögenszufluss
80
1. Bestimmung einer Werthaltigkeit: Der Vermögensbegriff auf Vorteilsseite . . . 80 a) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Rein wirtschaftlicher Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Wertminderung bei rechtlicher Missbilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Grundsatz: Anwendung einer Wertminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Abgrenzung individueller Schadenseinschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 bb) Berücksichtigte Minderungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (1) Aufdeckungs- und Sanktionsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (2) „Reduzierung auf Null“: Fehlende Nutzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (3) Einpreisung durch die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (4) Einschätzung und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Vorliegend zu untersuchende Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Grundvoraussetzung: Risiko des Wertabflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 d) Konkrete Berechnung der Wertminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Anforderungen an das Entdeckungs- und Verlustrisiko . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) Hoof: Unterschiedliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (2) 4. Strafsenat (Bundesliga-Entscheidung): 51 % . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (3) Schreiber/Beulke: Hohe Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (4) Ransiek: In dubio pro reo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (5) Velten: Wie bei Risikogeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (6) Saliger/Gaede: Kritik an der „schadensgleiche[n] Kompensationsgefährdung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (7) Burger: Eigene Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (8) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Beurteilungszeitpunkt: Ex ante/Ex post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 cc) Bewertung der Kompensationseinbuße durch das Entdeckungsrisiko . . 107 (1) Relation zwischen Kompensationsgefährdung und effektivem Wertverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Unmittelbarkeit der drohenden Minderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (3) Konkrete Bezifferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (4) Heranziehung des Bilanzrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
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Inhaltsverzeichnis (5) Anwendung auf die vorliegende Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (a) Sanktionshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (aa) Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (bb) Bußgeld nach OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (b) Entdeckungswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 e) Zwischenergebnis: Keine Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Unterschiedliche Auswirkung verschiedener Nichtigkeitsgründe? . . . . . . . . . . . . . 118
Teil 5 Konkrete Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile 121 A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Zurechnung kompensationsfähiger Vermögenszuflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Kausalität/Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Einzel-/Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Sonderfall: Ansprüche gegen den Treunehmer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) (Schadens-)Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Ausgleichsfähiger und -bereiter Treunehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 d) Zeitabhängiger Zinsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Werthaltigkeit des Vermögenszuflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Relevante Vermögensbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Allgemeine Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Exspektanzen auf Zuflussseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Unterschiedliche Betrachtung bei Abfluss und Zufluss? . . . . . . . . . . . . . 135 (1) Unterschiedliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (2) Einheitliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (3) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Spiegelbildliche Behandlung: Verhältnis zur Vermögensgefährdung . . . 143 2. Wertbestimmung des Vermögenszuflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Exakte Bezifferung auch des Vorteils? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Rückgriff auf Sachverständige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Anwendung in der Grundsatzentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Kein „bilanzrechtsakzessorisches“ Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 cc) Die relative Bilanzwahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Inhaltsverzeichnis
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dd) Eignung einzelner Bewertungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (1) Bewertungsgrundsätze des HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (2) Bewertungsgrundsätze der IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 ee) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 ff) Sonderproblem: Zweifelssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 gg) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Konkrete strafrechtliche Wertbestimmung der zugeflossenen Position . . . . . 161 aa) Zufluss allgemeiner Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) „Marktwert“ eines Vermögensgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (b) Bewertungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (2) IFRS 13: Bemessung des beizulegenden Zeitwerts . . . . . . . . . . . . . . 165 (3) Illegale Positionen – „Schwarzmarktwert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (4) Singuläre Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (5) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Zufluss von Forderungen und Exspektanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (1) Rechtlich abgesicherte Exspektanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (a) Nennwert der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (b) Konkreter wirtschaftlicher Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (aa) Marktwert einer Forderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (bb) Singuläres Ereignis – Einbringlichkeit der Forderung . . . . . . 175 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Faktisch abgesicherte Exspektanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (a) Sonderproblem: Beherrschbarkeit durch den Treunehmer . . . . . 178 (b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (c) Marktwert einer faktischen Exspektanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (d) Singuläres Ereignis: Wahrscheinlichkeit der Realisierung . . . . . 180 (3) Zwischenfazit für die Bewertung von Exspektanzen . . . . . . . . . . . . . 183 cc) Zwischenfazit für die Wertbestimmung von Vermögenszuflüssen . . . . . 183 e) Exkurs: Folgerung für die Bezifferung der Kompensationsgefährdung . . . . 184 B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff? . . . . . . . . . . . . 186 I. Zulasten des Treunehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Das Einrichten schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Die Entwicklung der BGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Kritische Prüfung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Vermögensabfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (1) Einrichtung der schwarzen Kasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (a) Totalverlust durch Aussonderung der Gelder . . . . . . . . . . . . . . . 189 (b) Kein Vermögensabfluss durch Aussonderung . . . . . . . . . . . . . . . 190
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Inhaltsverzeichnis (c) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Zinsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (3) Konkrete Ausgestaltung – Zugriff Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Vermögenszufluss/Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Chance auf zukünftige Zuflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (a) Verwendungsabsicht des Treunehmers – vermögenswerte Exspektanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (b) Rechtliche Missbilligung der erlangten Chance? . . . . . . . . . . . . 203 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (2) Rückgabefähigkeit und -bereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Individueller Schadenseinschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Zweckverfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Einseitiger Vermögensabfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Gegenseitiger gleichwertiger Mittelaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. Zugunsten des Treunehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Bewertung immaterieller Vermögenspositionen – Ausnahme von der Geldwertsaldierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Immaterielle Vermögenspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Bewertung nach den obigen Grundsätzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Vermögenswerte Exspektanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 d) Abweichung von der Geldwertsaldierung – Geldwertäquivalentes Vorteilsbestimmungsinstrument? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 e) Lösung über die Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Befreiung von einer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Vorleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
C. Exkurs: Folge für den Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
Teil 6 Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
227
A. Bundesliga-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 B. Siemens/Enel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
Inhaltsverzeichnis
15
C. BVerfG-Grundsatzentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D. Trienekens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 E. Siemens/AUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 F. Telekom-Spitzelaffäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 G. Arzneimittel/Russlandgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 H. Abschließende Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Teil 7 Fazit dieser Arbeit
251
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Internetquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
Abkürzungsverzeichnis Abs. a. E. AG AG
Absatz am Ende Aktiengesellschaft (Rechtsform) Die Aktiengesellschaft – Zeitschrift für deutsches, europäisches und internationales Aktien-, Unternehmens- und Kapitalmarktrecht BeckOK BGB Beck’scher Online-Kommentar BGB BeckOK GG Beck’scher Online-Kommentar GG BeckOK OWiG Beck’scher Online-Kommentar OWiG BeckOK StGB Beck’scher Online-Kommentar StGB BeckRS Beck-online Rechtsprechung Beck’scher Bilanz-Komm Beck’scher Bilanz-Kommentar BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof Bruns-FS Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag BVerfG Bundesverfassungsgericht CCZ Corporate Compliance Zeitschrift DJZ Deutsche Juristen-Zeitung Dreher-FS Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag am 29. April 1977 DStR Deutsches Steuerrecht f. folgende ff. fortfolgende Fischer/Hoven Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, Hrsg. Fischer, Thomas/Hoven, Elisa Frisch-FS Grundlagen und Dogmatik des gesamten Strafrechtssystems – Festschrift für Wolfgang Frisch zum 70. Geburtstag GA Goldtammer’s Archiv für Strafrecht Graf/Jäger/WittigWirtschafts- und Steuerstrafrecht Bearbeiter Hamm-FS Festschrift für Rainer Hamm zum 65. Geburtstag am 24. Februar 2008 Heinz-FS Festschrift für Wolfgang Heinz zum 70. Geburtstag Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, Beck’sche Kurzkommentare, Band 62 h. L. herrschende Lehre h. M. herrschende Meinung HRRS Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht HWSt-Bearbeiter Handbuch Wirtschaftsstrafrecht i. E. im Ergebnis i. H. d. in Höhe des/der
Abkürzungsverzeichnis Imme Roxin-FS i. R. d. i. S. d. i. w. S. JA JR Jura JuS JZ Karlsruher Kommentar OWiG Karlsruher Kommentar StPO Kindhäuser-FS Kohlmann-FS Lackner-FS
17
Festschrift für Imme Roxin im Rahmen des/der im Sinne des/der im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung
Festschrift für Urs Kindhäuser zum 70. Geburtstag Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag am 18. Februar 1987 Lackner/Kühl-Bearbeiter Lackner/Kühl Strafgesetzbuch Lampe-FS Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag LK-Bearbeiter Strafgesetzbuch – Leipziger Kommentar LK(10.Aufl.)-Bearbeiter Strafgesetzbuch – Leipziger Kommentar, in der 10. Auflage, Berlin 1988 Lüderssen-FS Festschrift für Klaus Lüderssen zum 70. Geburtstag am 2. Mai 2002 Michalski/Heidinger/ Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beLeible/J. Schmidt, schränkter Haftung (GmbH-Gesetz), Hrsg. Heidinger, Andreas u. a. GmbHG Momsen/GrütznerWirtschafts- und Steuerstrafrecht, Handbuch für die UnternehBearbeiter mens- und Anwaltspraxis, Hrsg. Momsen, Carsten/Grützner, Thomas MüKo AktG-Bearbeiter Münchener Kommentar zum Aktiengesetz MüKo-Bearbeiter Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch MüKo BGB-Bearbeiter Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MüKo HGB-Bearbeiter Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch Müller-Dietz-FS Grundfragen staatlichen Strafens – Festschrift für Heinz MüllerDietz zum 70. Geburtstag NJW Neue Juristische Wochenschrift NK-Bearbeiter Nomos Kommentar Strafgesetzbuch NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZWiSt Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht PKS Polizeiliche Kriminalstatistik Puppe-FS Strafrechtswissenschaft als Analyse und Konstruktion – Festschrift für Ingeborg Puppe zum 70. Geburtstag Rissing-van Saan-FS Festschrift für Ruth Rissing-van Saan zum 65. Geburtstag am 25. Januar 2011 S. Seite oder Satz
18 Samson-FS Sch/Sch-Bearbeiter Seebode-FS SK-Bearbeiter S/S/W-Bearbeiter StGB StraFo St. Rspr. StV Tiedemann-FS vgl. Volk-FS Weber-FS wistra WM WPg ZiS ZstW ZWH
Abkürzungsverzeichnis Recht – Wirtschaft – Strafe, Festschrift für Erich Samson zum 70. Geburtstag Schönke/Schröder Strafgesetzbuch Kommentar Festschrift für Manfred Seebode zum 70. Geburtstag am 15. September 2008 SK-StGB – Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch Kommentar, Hrsg. Satzger, Helmut/Schluckebier, Wilhelm Strafgesetzbuch Strafverteidiger Forum Ständige Rechtsprechung Strafverteidiger, Zeitschrift Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht – Dogmatik, Rechtsvergleich, Rechtstatsachen – Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag vergleiche In dubio pro libertate: Festschrift für Klaus Volk zum 65. Geburtstag Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag, 18. September 2004 Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Die Wirtschaftsprüfung Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen
Teil 1
Einführung in die Problematik A. Einleitung Die Untreue stellt in der heutigen Wirtschaftsordnung den zentralen strafrechtlichen Tatbestand dar. Denn das moderne Wirtschaftssystem funktioniert arbeitsteilig. Die den Markt beherrschenden Großunternehmen sind meist als juristische Person organisiert, sodass die Vermögensinhaberschaft und die Vermögensverwaltung auseinanderfallen. In diesem Zusammenhang bietet der Untreuetatbestand Schutz vor einer vorsätzlichen, pflichtwidrigen und mit Vermögensnachteilen verbundenen Ausübung der anvertrauten internen Machtstellung in der fremden Vermögenssphäre.1 Es wird also vor einem Vermögensangriff „von innen heraus“2 geschützt. Die Globalisierung der Wirtschaft und ein stark wettbewerbsorientiertes Marktumfeld setzen die Wirtschaftsteilnehmer unter Druck und begünstigen es, dass immer „kreativere“ Wege der Gewinnsteigerung gefunden werden. Dies hat zum einen dazu geführt, dass die Rechtsprechung immer neue und bis dahin unbekannte Konstellationen rechtlich bewerten muss. Zum anderen hat sich gezeigt, dass der Untreuetatbestand aufgrund seiner abstrakten Formulierung häufig der einzige – zumindest dem Wortlaut nach – einschlägige Tatbestand ist. Die Untreue konnte so genutzt werden, um „das traditionelle Unterschichtsstrafrecht durch ein Oberschichtsstrafrecht zu ergänzen“.3 In diesem Zusammenhang ist eine Vielzahl von Fällen öffentlich bekannt geworden, in denen leitende Angestellte von bekannten Großunternehmen Gelder in enormer Höhe auf illegale Weise ausgesondert und eingesetzt haben, um so den Gewinn ihrer „Geschäftsherren“ zu maximieren. Das Ausmaß, die Verbreitung und die Selbstverständlichkeit dieser Praxis riefen berechtigter Weise große Empörung hervor. So waren mehrere Vereine der Fußballbundesliga4, führende Politiker5 und
1 2 3 4 5
S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 3. Schünemann, in: NStZ 2005, 473, 474; so auch Saliger, in: HRRS 2006, 10, 17 m. w. N. Vgl. Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 44 m. w. N. Vgl. BGH, NJW 1975, 1234 ff. BGH, NJW 2007, 1760 ff. (Kanther); LG Bonn, NStZ 2001, 375 ff. (Kohl).
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Teil 1: Einführung in die Problematik
bekannte Wirtschaftsunternehmen wie Siemens6 oder VW7 in derartige Skandale verstrickt. Dies hat zu einer Vielzahl von BGH-Entscheidungen geführt, die sich mit dem Tatbestand der Untreue beschäftigten (wenn es nicht zu einer vorzeitigen Beendigung durch Einstellungen oder zu Verständigungen kam). Diese Entscheidungen lassen allerdings keine einheitliche Rechtsprechungslinie erkennen.8 Dies mag vor allem an den sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen liegen, da eine Vermögensschädigung „von innen heraus“ in den verschiedensten Zusammenhängen auftreten kann. Auch das BVerfG hat in diesem Zusammenhang eine Grundsatzentscheidung9 zur Vereinbarkeit des Untreuetatbestands mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG gefällt. Hierin beurteilte es den Tatbestand der Untreue als verfassungsgemäß, betonte allerdings die Notwendigkeit einer präzisierenden Auslegung durch die Rechtsprechung.10 Auch in den für die vorliegende Arbeit relevanten Fällen handelt es sich meist um Konstellationen der sogenannten „Organuntreue i. w. S.“.11 Der potentielle Untreuetäter (Treunehmer) ist demnach entweder ein Organ einer juristischen Person im zivilrechtlich strikten Sinne oder ein leitender Angestellter mit großem Handlungsspielraum. Diese leitenden Angestellten versuchen häufig, den Profit des Unternehmens (Treugeber) „um jeden Preis“ – auch auf rechtlich verbotene Weise – zu steigern. In den hier untersuchten Fällen werden daher weder die besondere Pflichtenstellung, noch die Verletzung einer Pflicht besonders problematisch sein. Auch ein zumindest bedingter Vorsatz dürfte meist zu bejahen sein. Die Frage der Untreuestrafbarkeit entscheidet sich dann letztlich vorrangig an dem Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils. Bei einer Vielzahl der beschriebenen „Organuntreue“-Konstellationen ist dabei zu berücksichtigen, dass der handelnde Angestellte im (vermeintlichen) Interesse des Unternehmens agiert. Er gibt zwar Unternehmensvermögen unter Verstoß gegen rechtliche Vorgaben aus. Diese Ausgaben generieren teilweise aber wirtschaftlich betrachtet erhebliche Vorteile für das betreffende Unternehmen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils aus zwei Komponenten besteht. Es muss ein Vermögensabfluss stattgefunden haben und dieser darf nicht durch gleichzeitig zugeflossene Vorteile ausgeglichen worden sein. Es kommt also darauf an, ob im Wege einer Gesamtsaldierung letztlich ein negativer Saldo „übrigbleibt“. Es ist daher in den darge6
BGH, NStZ 2009, 95 ff. und BGH, NJW 2011, 88 ff. BGH, NJW 2010, 92 ff. 8 Siehe zur detaillierten Auseinandersetzung mit der uneinheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung unten, S. 22 ff. 9 BVerfG, NJW 2010, 3209 ff. 10 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3212 ff. 11 Schünemann, in: StraFo 2010, 1, 2. 7
A. Einleitung
21
stellten Fällen der „Organuntreue“ zu klären, ob die illegal erlangten Vorteile, die wirtschaftlich gesehen einen Vermögenswert haben, die vorangegangene Weggabe von legalen Unternehmensgeldern kompensieren kann und daher ein Vermögensnachteil insgesamt zu verneinen wäre. Hierbei handelt es sich letztlich um die Frage, welches Vermögensverständnis innerhalb des kompensierenden Vermögenszuflusses anzuwenden ist. Hierzu gibt der Wortlaut der Untreue keine Auskunft. Es kommt daher, auch nach Ansicht des BVerfG12, auf eine präzisierende Auslegung durch die Rechtsprechung an. Es wird in dieser Arbeit zu zeigen sein, dass die Rechtsprechung dem, in Bezug auf die Beurteilung vermögensmehrender Zuflüsse, bisher nicht nachgekommen ist. Zwar hatten die Strafsenate des BGH in den letzten Jahren eine Fülle von potentiellen Untreuekonstellationen aus dem Wirtschaftsleben zu beurteilen.13 Innerhalb der Prüfung des Vermögensnachteils haben sich die Strafsenate allerdings auf den Vermögensabfluss konzentriert und dem Vermögenszufluss keine eigenständige Bedeutung zuerkannt. Sie haben keine einheitlichen Beurteilungskriterien oder Bewertungsverfahren entwickelt, wonach ein potentieller, werthaltiger Vermögenszufluss verlässlich bestimmt werden könnte. Dies ist problematisch, da die Schadenskompensation anerkannter Teil des Nachteilsmerkmals ist und bei ihrer Bejahung eine Strafbarkeit zu verneinen wäre.14 Denn die Untreue ist ein reines Erfolgsdelikt, in dem der Vermögensnachteil zwingendes Tatbestandsmerkmal und damit strafbegründend ist. Die relevanten Vermögenszuflüsse wurden in den Urteilen häufig pauschal und mit normativer Begründung aufgrund ihrer illegalen Erlangung abgelehnt, ohne dass eine eingehende Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Wert der erlangten Zuflüsse stattgefunden hat. Dieses Vorgehen wurde der wirtschaftlichen Wirklichkeit häufig nicht gerecht. Es wurde dem BGH in diesem Zusammenhang vorgeworfen, er schütze mit dieser Rechtsprechung die Redlichkeit des Wirtschaftsverkehrs und nicht das individuelle Vermögen.15 In einer neueren Entscheidung hat sich allerdings der 1. Strafsenat16 eingehender mit der wirtschaftlichen Bedeutung illegal erlangter Vorteile beschäftigt, sodass die Frage der berücksichtigungsfähigen Vermögenszuflüsse bzw. des geltenden Vermögensbegriffs auf Kompensationsseite aktuell erneut aufgeworfen wurde. Dies soll in der vorliegenden Arbeit zum Anlass genommen werden, einheitliche, stringente und abstrakte Beurteilungskriterien für Vermögenszuflüsse zu erarbeiten. 12
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3212 ff. Siehe beispielsweise die untersuchten Fälle ab S. 22 ff. 14 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3214; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 41 m. w. N.; MüKoDierlamm, § 266 Rn. 206; vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 103, 106. 15 Siehe hierzu unten, S. 22 ff. 16 Siehe hierzu unten, S. 32 ff. 13
22
Teil 1: Einführung in die Problematik
Hierbei soll auch ein Schwerpunkt auf die Möglichkeit der Bewertung von illegal erlangten Vorteilen gelegt werden, um eine Gesamtsaldierung mit den abgeflossenen Vermögenswerten zu ermöglichen und einen Vermögensnachteil verlässlich beurteilen zu können.
B. Gang der Bearbeitung In dieser Arbeit soll zunächst eine Auswahl der höchstrichterlichen Rechtsprechung dargestellt werden (Teil 2). Die Erläuterung der jeweils zugrundliegenden Sachverhalte und der ergangenen Entscheidungen wird verdeutlichen, dass ein einheitlicher Umgang der Rechtsprechung mit illegal erlangten Vorteilen innerhalb des Untreuetatbestands bisher nicht existiert. Anschließend soll der Tatbestand der Untreue in der gebotenen Kürze und unter Schwerpunktsetzung auf die für den Vermögensnachteil und seine Kompensation relevanten Probleme untersucht werden (Teil 3). Der Schwerpunkt dieser Arbeit soll sodann auf den Vermögensnachteil und noch genauer auf die Kompensation des Vermögensabflusses gelegt werden (Teil 4). In diesem Teil wird zunächst untersucht werden, welche Vermögenspositionen grundsätzlich im Rahmen der Gesamtsaldierung auf der Zuflussseite berücksichtigt werden können. Anschließend wird die mögliche Auswirkung einer illegalen Erlangung auf den Wert zugeflossener Positionen erörtert. Daraufhin wird untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen eine grundsätzlich berücksichtigungsfähige zugeflossene Position im konkreten Fall tatsächlich zur Kompensation herangezogen und wie ihr konkreter Wert bestimmt werden kann (Teil 5). In der schlussfolgernden Zusammenfassung werden die eingangs dargestellten BGH-Entscheidungen noch einmal im Lichte der erarbeiteten abstrakten Bewertungskriterien untersucht und dargestellt werden, wie eine Bewertung nach den hier gefundenen Kriterien hätte vorgenommen werden müssen (Teil 6). Die Arbeit soll mit einem abschließenden Fazit über die herausgearbeiteten Ergebnisse hinsichtlich des Untreuetatbestands und seiner Anwendung in der Praxis enden (Teil 7).
Teil 2
Analyse der uneinheitlichen Rechtsprechung zum Vermögensnachteil Aufgrund der Weite des Untreuetatbestands und der darunter subsumierbaren Sachverhalte sowie aufgrund der fortschreitenden Globalisierung, welche dazu führt, dass wirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten und somit Fallkonstruktionen entstehen, die so bisher noch nicht aufgetreten sind, ist die Rechtsprechung stetig mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Es fällt offensichtlich schwer, die zu entscheidenden Fälle auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und dadurch eine einheitliche Entscheidungslinie zu finden. Dies hat zu einer uneinheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung geführt. Auch die Grundsatzentscheidungen des BVerfG1 vermochten es nicht, Stringenz in die Rechtsprechung zu bringen. Im Folgenden soll eine Auswahl relevanter BGH-Entscheidungen sowie die BVerfG-Grundsatzentscheidung dargestellt werden. Es werden sowohl die zugrundeliegenden Sachverhalte, als auch die rechtlichen Erwägungen der verschiedenen Senate erörtert, um so die Entscheidungslinie der höchstrichterlichen Rechtsprechung und die Problematik im Hinblick auf die Auslegung des Vermögensnachteils zu verdeutlichen.
A. BGH (4. Strafsenat), NJW 1975, 1234 ff. – „Bundesliga-Entscheidung“ In diesem Fall hat der 4. Strafsenat einen rein ökonomischen Vermögensbegriff2 vertreten und anerkannt, dass die Chance auf Vermögensgewinn einen Vermögensvorteil darstellen kann, der einen Vermögensabfluss kompensiert. Ein Fußballverein der Bundesliga befand sich zum Ende der Saison in Abstiegsgefahr. Mit einer Niederlage am letzten Spieltag bestand die Wahrscheinlichkeit des Abstiegs aus der Bundesliga. Der 1. Vorsitzende des Vereins wollte dies durch Beeinflussung von Spielern des gegnerischen Vereins verhindern. Hierzu hob er (unter anderem) eine Summe vom Vereinskonto unter Verschleierung der wahren Verwendungsabsicht ab. Er veranlasste die Zahlung eines Teils der Bestechungssumme vor dem besagten Spiel an zwei Spieler des gegnerischen Vereins. Nachdem 1 2
Besonders BVerfG, NJW 2010, 3209 ff. Siehe hierzu S. 50.
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Teil 2: Analyse der uneinheitlichen Rechtsprechung zum Vermögensnachteil
der eigene Verein gewonnen und somit den Abstieg verhindert hatte, zahlte der 1. Vorsitzende die restliche Summe aus. Der 4. Strafsenat ging, entgegen der Vorinstanz, davon aus, dass das Risiko der Entdeckung der Manipulation bei der Nachteilsberechnung nicht zu berücksichtigen sei. Die für die Untreuestrafbarkeit relevante Folge der Entdeckung sei der Entzug der Bundesliga-Lizenz (wie letztlich auch geschehen) und damit der Verlust einer besonders lukrativen Einnahmequelle gewesen. Dieser Entzug habe aber frühestens nach Ablauf der neuen Saison gedroht. Laut dem 4. Strafsenat komme es für die Frage des Vermögensnachteils daher allein darauf an, ob der durch die Manipulation erreichte Erhalt der Bundesligazugehörigkeit für ein weiteres Jahr (denn danach drohte der Lizenzentzug) die „geopferte“ Summe, welche an die gegnerischen Spieler gezahlt worden war, wert gewesen sei.3 Ob also eine Kompensation des Nachteils in Höhe der Geldzahlung erfolgt sei. Der 4. Strafsenat hat dabei einen rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff zugrunde gelegt. Denn er hat untersucht, ob der durch die illegale Bestechungszahlung erlangte Erhalt der Bundesligazugehörigkeit den erlittenen Vermögensverlust ausgleichen konnte. Er hat der erlangten Aussicht auf höhere Gewinne aus einem weiteren Jahr im „Bundesliga-Geschäft“ nicht bereits aufgrund ihrer illegalen Erlangung einen berücksichtigungsfähigen Wert abgesprochen. Der 4. Strafsenat ist davon ausgegangen, dass die erfolgreiche Spielmanipulation aufgrund beider Teilzahlungen erreicht worden war. Die zweite (deutlich höhere) Rate sei zwar erst gezahlt worden, nachdem der Klassenerhalt bereits gesichert gewesen sei, sodass mit der zweiten Zahlung keine nachfolgende Gegenleistung habe erlangt werden können. Allerdings werde eine derartige Einschätzung dem Konstrukt eines Manipulationsgeschäfts nicht gerecht. Denn es handele sich wirtschaftlich gesehen um einen einheitlichen, zusammenhängenden Vorgang. Dieser lasse es nicht zu, dass im Rahmen des Vermögensvergleichs zur Schadensbestimmung die Bewertung von Nachteilen und Vorteilen in einzelne, unabhängig zu beurteilende Abschnitte aufgeteilt werde. Gerade weil bei einem solchen Manipulationsgeschäft keine verwertbaren Ansprüche entstünden, seien beide Seiten mit einem besonderen Risiko belastet, welches sinnvoll verteilt werden müsse. Daher sei zur Sicherung der gegenseitigen Leistungserbringung eine Teilzahlung vereinbart worden. Die Spielmanipulation und somit der Erhalt der Bundesligazugehörigkeit sei nur durch die „Schmiergeldzahlung“ insgesamt erlangt worden. Darüber hinaus weist der 4. Strafsenat bereits der reinen Aussicht auf einen Gewinn einen kompensierenden Vermögenswert zu. Dass diese erlangte Gewinnaussicht aus einem rechtlich missbilligten Geschäft resultierte, war für den 4. Strafsenat aufgrund der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise unerheblich.4 Allein entscheidend sei, ob der durch die Manipulation erreichte Erhalt der 3 4
BGH, NJW 1975, 1234, 1235. BGH, NJW 1975, 1234, 1235.
B. BGH (2. Strafsenat), NStZ 2009, 95 ff. – „Siemens/Enel“
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Bundesligazugehörigkeit die Bestechungssumme wert gewesen sei. Der Wert der Gewinnchance sei für den Zeitpunkt der Preisgabe des Geldes zu beurteilen. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation sei, dass die tatsächliche Erlangung eines Vermögensvorteils mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Der 4. Strafsenat bezog sich in diesem Zusammenhang auf die Beurteilung von Risikogeschäften. Es komme für die Beurteilung des Vermögensnachteils insgesamt darauf an, ob bei wirtschaftlich vernünftiger Gesamtbetrachtung die Gefahr eines Verlustgeschäfts wahrscheinlicher sei als die Aussicht auf Gewinnzuwachs.5 Der Senat hat verschiedene relevante Faktoren benannt, die für und gegen eine werthaltige Gewinnchance sprachen, sah sich allerdings zu einer abschließenden Entscheidung aufgrund unzureichender Feststellungen des Tatgerichts nicht imstande. Er hat daher das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
B. BGH (2. Strafsenat), NStZ 2009, 95 ff. – „Siemens/Enel“ Der 2. Strafsenat hat sich in dieser Entscheidung mit der Einrichtung bzw. Fortführung einer sogenannten verdeckten „schwarzen Kasse“ zu Bestechungszwecken befasst. Er hat bei der Schadensfeststellung normative Erwägungen angestellt und die Möglichkeit der Disposition über das eigene Vermögen als Kern des von § 266 StGB geschützten Rechtsguts festgelegt.6 Da die sogenannte „schwarze Kasse“ in dieser Arbeit noch mehrfach behandelt werden wird, soll diese kurz definiert werden. „[…] von einer schwarzen Kasse spricht man, wenn Teile eines treuhänderisch verwalteten Vermögens aus der Buchhaltung des Geschäftsherrn zu dem Zweck heraus gehalten (häufig auf ein nicht auf dessen Namen lautendes Konto verlagert) werden, die Gelder im tatsächlichen oder vermeintlichen Interesse des Geschäftsherrn unter Vermeidung externer Kontrollen zu verwenden.“7
Der Handelnde war in diesem Fall einer von vier sogenannten „Bereichsvorständen“, die unmittelbar unter der Ebene des („Zentral“-)Vorstands der Siemens AG tätig waren. In dem Geschäftsbetrieb existierte nach den gerichtlichen Feststellungen bereits bei Amtsantritt des Bereichsvorstands ein verdecktes „etabliertes System [bestehend aus verschiedenen Auslandskonten] zur Leistung von Bestechungsgeldern (sogenannte nützliche Aufwendungen)“.8 Der Bereichsvorstand löste dieses System auf, nachdem einige Finanzaffären in Liechtenstein aufgedeckt worden 5 6 7 8
BGH, NJW 1975, 1234, 1236. BGH, NStZ 2009, 95, 98 f. LK-Schünemann, § 266 Rn. 179; vgl. Bernsmann, in: GA 2009, 296, 300. BGH, NStZ 2009, 95, 96.
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Teil 2: Analyse der uneinheitlichen Rechtsprechung zum Vermögensnachteil
waren, und richtete ein neues, auf dieselbe Weise funktionierendes System unter anderem in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein. Der italienische Konzern Enel, ein vormals staatlicher Stromversorger, schrieb zweimal Aufträge zur Lieferung von Gasturbinen europaweit aus. Die Siemens AG gab beide Male als einziger deutscher Bewerber ein Angebot ab. Die Auftragsvergabe repräsentierte in beiden Fällen für die Siemens AG einen Auftragswert von (weit) über 100 Mio. Euro. Der Geschäftsführer der Enel machte gegenüber den Verantwortlichen der Siemens AG deutlich, dass er für eine Vergabe des Auftrags an diese sorgen könne, wenn eine „Schmiergeldzahlung“ in Millionenhöhe an ihn und weitere Enel-Mitarbeiter erfolgen würde. Der Bereichsvorstand billigte diese Zahlungen in beiden Fällen und man einigte sich auf eine „Schmiergeldzahlung“ in Höhe von insgesamt ca. 6 Mio. Euro. Beide Aufträge wurden der Siemens AG letztlich erteilt und erst anschließend die jeweils vereinbarten „Schmiergelder“ über das bestehende Auslandskonten-Geflecht an die Enel-Mitarbeiter ausgezahlt. Das vorwerfbare Verhalten hat der 2. Strafsenat hier in der unterlassenen Aufdeckung der bereits bestehenden geheimen schwarzen Kassen gesehen. Er hat eine Begehung durch Unterlassen angenommen. Bereits in dem Führen, bzw. Weiterführen einer solchen verdeckten Kasse finde ein endgültiger Entzug der Mittel gegenüber dem Treugeber statt. Die daran anschließende Verwendung der Gelder in den einzelnen Fällen sei „lediglich“ eine Schadensvertiefung gewesen. Denn grundsätzlich stehe es allein dem Treugeber zu, über die Verwendung von Mitteln zu bestimmen. Der handelnde Bereichsvorstand sei für eine derartige Verwendung der Unternehmensgelder nicht befugt gewesen, da er nicht das hierfür zuständige Organ (also der Zentralvorstand) der Aktiengesellschaft gewesen sei. Die Schadensfeststellung habe, so der 2. Strafsenat, auch normative Erwägungen zu berücksichtigen. Die pflichtwidrige Vorenthaltung oder Wegnahme von Mitteln und damit einhergehend die Verhinderung der Verwendung der Mittel durch den Treugeber stelle einen Vermögensnachteil dar. Hierbei handele es sich auch nicht um eine reine Verletzung einer (von § 266 StGB nicht geschützten9) Dispositionsbefugnis. Denn die Befugnis über das Vermögen selbst zu bestimmen sei Kern des Schutzguts Vermögen i. S. d. § 266 StGB.10 Dieser Vermögensnachteil könne auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn der Treunehmer die Mittel später so einsetze, dass letztlich ein Vermögensvorteil für den Treugeber erwirtschaftet werde. Dies gelte vor allem dann, wenn der anvisierte Vorteil nur durch einen rechtlich missbilligten Einsatz der Mittel erzielt werden könne.11 Eine Kompensation kam daher nach der rechtlichen Bewertung des 2. Strafsenats nicht in Betracht. Dies wurde weiterhin damit begründet, dass mit der Aufrechterhaltung der schwarzen Konten bereits ein Schaden eingetreten und in diesem Mo9
Siehe hierzu S. 37 f. BGH, NStZ 2009, 95, 99. 11 Vgl. BGH, NStZ 2009, 95, 98. 10
C. BVerfG, NJW 2010, 3209 ff. – „Grundsatzentscheidung“
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ment noch keine konkrete Gegenleistung ersichtlich gewesen sei, die einen geeigneten gegenwärtigen Vermögensvorteil hätte darstellen können. Vielmehr habe es sich allein um eine vage Chance auf ein möglicherweise im Ergebnis wirtschaftlich vorteilhaftes Geschäft gehandelt. Die später erlangten wirtschaftlichen Vorteile könnten laut dem 2. Strafsenat höchstens als Schadenswiedergutmachung gelten.
C. BVerfG, NJW 2010, 3209 ff. – „Grundsatzentscheidung“ In dieser Entscheidung hat das BVerfG drei verschiedene BGH-Entscheidungen zum Untreuetatbestand überprüft. Eine dieser Entscheidungen war der unter (B.) erläuterte Fall Siemens/Enel.12 Die Beschwerdeführer waren alle wegen Untreue zu Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt worden und hatten die Verletzung des Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG gerügt. Das BVerfG hat lediglich die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu III. als begründet erachtet.13 Es überprüfte in einem ersten Teil, ob der Tatbestand der Untreue an sich dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG entspreche, obwohl es sich hierbei um eine „sehr weit gefasste[n] und verhältnismäßig unscharfe[n] Strafvorschrift“14 handele. Nach Ansicht des BVerfG sei der Untreuetatbestand in seiner geltenden Fassung mit dem Bestimmtheitsgebot noch zu vereinbaren.15 Der Gesetzgeber habe im Sinne eines „wirksamen und umfassenden“ Vermögensschutzes einen sehr weit gefassten Straftatbestand geschaffen. Dieser lasse aber eine konkretisierende Auslegung zu, welche die Rechtsprechung in langjähriger Praxis umgesetzt und die sich in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktion als tragfähig erwiesen habe.16 Das geschützte Rechtsgut sei das Vermögen im Sinne der Gesamtheit der geldwerten Güter einer Person, sodass „Nachteil“ i. S. d. Tatbestands nur ein „Vermögensnachteil“ sein könne.17 Hinsichtlich der Beurteilung des Vermögensnachteils hat das BVerfG dargelegt, dass normative Erwägungen bei der Bestimmung der zu beachtenden Vermögenspositionen eine Rolle spielen könnten.18 Allerdings dürften sie wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen, wenn der Charakter der Untreue als Vermögens- und Erfolgsdelikt bewahrt werden solle. Hiernach könne die
12 13 14 15 16 17 18
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3216 ff., Rn. 117 ff. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3217 ff., Rn. 129 ff. BVerfG, NJW 2009, 3209, 3212, Rn. 90. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3212. BVerfG, NJW 2009, 3209, 3214, Rn. 106. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3212. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3214 ff.
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Teil 2: Analyse der uneinheitlichen Rechtsprechung zum Vermögensnachteil „Verwendung anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden; vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen erforderlich, zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilhaft war.“19
Im zweiten Teil der Grundsatzentscheidung überprüfte das BVerfG sodann die vom jeweiligen Instanzgericht vorgenommene Auslegung des § 266 StGB im konkreten Einzelfall und deren Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG. Dabei billigte es die Entscheidung des 2. Strafsenats im Fall Siemens/Enel (B.) vollumfänglich. Allein in der dritten Entscheidung sah das BVerfG eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots. In diesem Fall ging es um die Annahme eines Vermögensnachteils in Form einer Vermögensgefährdung in einer Konstellation der sogenannten Kredituntreue.20 Nach Ansicht des BVerfG sei die Bejahung eines Nachteils aufgrund einer „bloßen“ Vermögensgefährdung verfassungsrechtlich nicht prinzipiell zu beanstanden. Allerdings könne auch bei der Annahme einer „bloßen“ Vermögensgefährdung nicht auf die konkrete Feststellung der Schadenshöhe nach anerkannten Bewertungsmaßstäben verzichtet werden. Das BVerfG hat an dieser Stelle die Anforderungen an die Annahme eines Nachteils in Form einer Vermögensgefährdung deutlich verschärft und die Anwendung einer rein wirtschaftlichen Bewertung betont.21
D. BGH (2. Strafsenat), NJW 2010, 3458 ff. – „Trienekens“ Diese Entscheidung ist die Fortführung der Rechtsprechung des 2. Strafsenats im Fall Siemens/Enel (B.). Der 2. Strafsenat hat hier die Anwendung des § 266 StGB noch einmal erweitert. Er hat entschieden, dass einem Treugeberunternehmen bereits durch die Einrichtung einer schwarzen Kasse ein endgültiger Nachteil entsteht, selbst wenn diese Kasse durch das hierfür zuständige und willensbildende Organ eingerichtet wird. Den endgültigen Verlust hat es mit der Zugriffsmöglichkeit Dritter auf die verdeckte Kasse begründet. In dem vorliegenden Fall hatte ein alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH bzw. Vorstandsvorsitzender einer AG, Herr Trienekens (Leitungsorgan), ein außerhalb seines Konzerns geführtes Konto eingerichtet, das er vor allem im Ausland als „Kriegskasse“ für die Finanzierung sogenannter „nützlicher Aufwendungen“ nutzen wollte, um so eine „politische Grundbereitschaft“22 bei inländischen und ausländischen Entscheidungsträgern herzustellen. Hierfür setzte er eine „Briefkastenfirma“ in der Schweiz ein. Deren Alleingesellschafter stellte Scheinrechnungen an den Konzern und brachte diesen so zur Zahlung hoher Summen, die 19 20 21 22
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3217 ff., Rn. 129 ff. BVerfG, NJW 3209, 3220. BGH, NJW 2010, 3458.
E. BGH (1. Strafsenat), NJW 2011, 88 ff. – „Siemens/AUB“
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wiederum auf ein Schweizer Bankkonto eines Dritten weitergeleitet wurden, in die sogenannte „Kriegskasse“. Das Leitungsorgan hatte nach Feststellung des 2. Strafsenats allein die Kontrolle über die Verwendung der Gelder. Sowohl der Gesellschafter der „Briefkastenfirma“ als auch der Kontoinhaber handelten auf seine Weisung. Der 2. Strafsenat hatte sich allerdings nicht mit der Strafbarkeit des Leitungsorgans selbst zu befassen. Das Verfahren gegen ihn war zur gesonderten Verhandlung abgetrennt worden. Inhalt der BGH-Entscheidung war die Verurteilung zweier leitender Angestellter von Tochtergesellschaften, welche die Gelder auf Anweisung des Leitungsorgans an die „Briefkastenfirma“ gegen Vorlage von Scheinrechnungen auszahlten (bzw. die Gewinnabführung von der Tochter- auf die Muttergesellschaft minderten). Das Leitungsorgan war wegen Untreue und die beiden leitenden Angestellten wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt worden. Hinsichtlich der Haupttat des Leitungsorgans sah der 2. Strafsenat die Verletzung der Treupflicht darin, dass er Vermögensgegenstände durch inhaltlich falsche Buchungsvorgänge aus der Buchhaltung aussonderte, um so unter gezielter Umgehung der gesellschaftsinternen Kontrollen und seiner Rechenschaftspflichten über Vermögensbestandteile der Treugeberin frei verfügen zu können.23 Der 2. Strafsenat ging wiederum davon aus, dass durch die Einrichtung und Unterhaltung der schwarzen Kasse bereits ein endgültiger Vermögensschaden eingetreten sei.24 Da vorliegend allerdings – anders als im Fall Siemens/Enel – das alleinvertretungsberechtigte Leitungsorgan die Gelder „abgezweigt“ hatte und dieses das für derartige Zahlungen zuständige Organ der Kapitalgesellschaft ist, begründete der Strafsenat den endgültigen Schaden mit der konkreten Ausgestaltung der verdeckten Kasse. Die vom Leitungsorgan eingesetzten Strohmänner und Boten hätten eigenmächtigen Zugriff auf die Gelder des Treugeberunternehmens gehabt, ohne dass hiergegen ein Kontroll- und Sicherungsmechanismus eingerichtet gewesen sei. Auch in diesem Fall hat der 2. Strafsenat angenommen, dass die durch die Zahlung aus den „Kriegskassen“ letztlich erlangten Vorteile den bereits endgültig eingetretenen Schaden nicht im Wege der Kompensation beseitigen könnten.
E. BGH (1. Strafsenat), NJW 2011, 88 ff. – „Siemens/AUB“ In dieser Entscheidung ist der 1. Strafsenat von einem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff25 ausgegangen. Allerdings hat er, im Anschluss an das BVerfG26, betont, dass normative Erwägungen die wirtschaftlichen Überlegungen nicht ver23 24 25 26
Vgl. BGH, NJW 2010, 3458, 3460. Vgl. BGH, NJW 2010, 3458, 3462. Vgl. zur Begriffsbestimmung näher unten, S. 50 ff. Vgl. oben, S. 27 ff.
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Teil 2: Analyse der uneinheitlichen Rechtsprechung zum Vermögensnachteil
drängen dürften. Darüber hinaus ist der 1. Strafsenat auf die Möglichkeit der Kompensation eines Vermögensabflusses eingegangen. Er hat deutlich gemacht, dass eine geforderte unmittelbare Kompensation nicht stets in zeitlich engem Zusammenhang mit der Nachteilszufügung stehen müsse, da „unmittelbar“ nicht gleichbedeutend sei mit „zeitgleich“. In diesem Fall hatten Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte der Siemens AG gemeinsam mit einem ehemaligen Angestellten und späteren Vorsitzenden der AUB („Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger – AUB – die Unabhängigen e. V.“) diesen Verein mit Geldern, die über verschleierte Scheinrechnungen von der Siemens AG selbst abgezweigt worden waren, wirtschaftlich unterstützt und umgebaut. Durch die Unterstützung der AUB, die Kandidaten für den Betriebsrat und den Aufsichtsrat der Siemens AG stellte, und die Beeinflussung ihrer Mitglieder, sollten die Arbeitnehmervertreter im Betriebs- und Aufsichtsrat, welche von der IG Metall gestellt wurden, zurückgedrängt und verstärkt die Arbeitgeberinteressen vertreten werden. Hierfür wurden Gelder der Siemens AG durch Stellung von Scheinrechnungen umgeleitet und so eingesetzt, dass Anreize für eine Kandidatur als Betriebsrat für die AUB bei Siemens-Mitarbeitern geschaffen wurden. Dies führte an den Standorten, an denen die AUB im Betriebsrat vertreten war, dazu, dass dort auf betrieblicher Ebene eine Vielzahl von Vereinbarungen geschlossen werden konnten, die aus Arbeitgebersicht erhebliche wirtschaftliche Vorteile einbrachten und firmenstrategische Maßnahmen erleichterten.27 Die Pflichtverletzung des letztlich Angeklagten, eines Bereichsvorstands der Siemens AG, der die Zahlungen aufgrund von Scheinrechnungen veranlasste, sah der 1. Strafsenat darin, dass er diese Zahlungen genehmigte, ohne selbst eine ausreichende inhaltliche Kontrolle durchgeführt zu haben.28 Der 1. Strafsenat wendete zur Feststellung eines Vermögensnachteils das Prinzip der Gesamtsaldierung an.29 Demnach stellten zwar die auf Grundlage der Scheinrechnung erfolgten Zahlungen der Siemens AG an die AUB einen Vermögensnachteil dar, dieser hätte aber durch einen unmittelbaren Vermögensvorteil kompensiert werden können. Dabei sei zu beachten, dass „unmittelbar“ nicht „zeitgleich“ bedeute. Eine unmittelbare Schadenkompensation sei vielmehr auch dann anzunehmen, wenn keine weiteren selbständigen Handlungen mehr hinzutreten müssten, damit der kompensationsfähige Vermögenszuwachs entstehe.30 Der 1. Strafsenat führte aus, dass bereits durch die Geldzahlungen an den AUB-Vorsitzenden, welche den Fortbestand und die Etablierung der AUB sicherten, ein Vermögenszuwachs entstanden sein könnte und nicht nur eine vage Chance auf eine eventuell günstige Entwicklung für die Siemens AG. 27 28 29 30
BGH, NJW 2011, 88, 90. BGH, NJW 2011, 88, 92. Vgl. BGH, NJW 2011, 88, 92. Vgl. BGH, NJW 2011, 88, 92.
F. BGH (2. Strafsenat), NJW 2013, 401 ff. – „Telekom-Spitzelaffäre“
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Allerdings reichten die Feststellungen des Landgerichts für eine Beurteilung dieser Frage nicht aus. Es hätte, nach Ansicht des 1. Strafsenats, weiterer Feststellungen bedurft. So hätten die von der Siemens AG erlangten Vorteile in betriebswirtschaftlicher Hinsicht bewertet und mit den geleisteten Zahlungen saldiert werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei aus verfahrensökonomischen Gründen das Verfahren gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Betrugs zu beschränken gewesen.31 Eine Entscheidung über die Strafbarkeit nach § 266 StGB hat der 1. Strafsenat hier demnach nicht getroffen.
F. BGH (2. Strafsenat), NJW 2013, 401 ff. – „Telekom-Spitzelaffäre“ Der 2. Strafsenat hat in dieser Entscheidung ein rein normatives Vermögensverständnis32 vertreten und klargestellt, dass eine Leistung auf eine wegen § 134 BGB nichtige Forderung zu einem Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB führe. Nachdem vertrauliche, nur dem Vorstand bekannte, Planungsdetails der Deutschen Telekom AG (Telekom AG) an die Öffentlichkeit gelangt waren, hatte ein leitender Angestellter im Bereich der Konzernsicherheit den Auftrag erhalten, den Urheber dieser Indiskretionen zu identifizieren. Dazu veranlasste der leitende Angestellte unter anderem über mehrere Monate hinweg die Erhebung der MobilfunkVerbindungsdaten zweier Aufsichtsratsmitglieder sowie zweier Journalisten in Kenntnis der Strafbarkeit dieses Vorgehens. Die hierdurch erlangten Verbindungsdaten leitete er an ein Dritt-Unternehmen weiter, welches durch Abgleich dieser Verbindungsdaten den Informanten identifizieren sollte. Dies gelang auch. Das DrittUnternehmen stellte für die Auswertung der Daten eine Rechnung, die der leitende Angestellte, dem ein eigenständiger Verfügungsrahmen eingeräumt war, trotz der ihm bekannten (Teil-)Nichtigkeit der Zahlungsforderung bestätigte und so die Telekom AG zur Zahlung veranlasste. Der 2. Strafsenat sah die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht in der Begleichung einer nichtigen (§ 134 BGB) Forderung durch die rechtsgrundlose Zahlung an die auswertende Firma.33 Der Vermögensnachteil ergebe sich aus der Zahlung einer Rechnung, welche eine Vergütung für die Begehung einer Straftat einfordere. Dieser Nachteil werde nicht durch einen gleichwertigen Vorteil, nämlich das Erlöschen einer wirksamen Forderung, kompensiert. Dem auswertenden Dritt-Unternehmen hätten wegen § 134 BGB weder primäre noch bereicherungsrechtliche Ansprüche auf die Zahlung zugestanden. Zwar habe die auswertende Firma aufgrund der Nichtigkeit des Auftrags 31 32 33
BGH, NJW 2011, 88, 93. Siehe hierzu ab S. 50 ff. BGH, NJW 2013, 401, 403.
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Teil 2: Analyse der uneinheitlichen Rechtsprechung zum Vermögensnachteil
die Herausgabe, bzw. Wertersatz für die geleisteten Dienste von der Telekom AG verlangen können. Diese Kondiktion sei aber gemäß § 817 S. 2 BGB gesperrt, wonach eine Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn der Leistungsempfänger durch die Annahme gegen ein Verbot verstößt und dem Leistenden (also dem auswertenden Dritt-Unternehmen) gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt. Da der auswertenden Firma bewusst oder leichtfertig unbewusst gewesen sei, dass die Auswertung im konkreten Fall verbotswidrig gewesen sei, habe auch diese gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sodass eine Wertersatzforderung i. S. d. § 818 Abs. 2 BGB gesperrt gewesen sei.34 Mangels Kompensation des Vermögensabflusses lag, nach Ansicht des 2. Strafsenats, ein Vermögensnachteil in Höhe des gezahlten Entgelts vor.
G. BGH (1. Strafsenat), BeckRS 2018, 37760 – „Arzneimittel/Russlandgeschäft“ Der 1. Strafsenat hat in seiner jüngsten Entscheidung einen anderen Weg gewählt, ohne allerdings dem 2. Strafsenat direkt zu widersprechen. Er hat einen vornehmlich wirtschaftlichen Vermögensbegriff angewendet.35 Eine normative Korrektur sei in diesem speziellen Fall nicht geboten gewesen.36 In dem entschiedenen Fall ging es um die Verurteilung einer leitenden Angestellten eines Unternehmens (und deren Ehemanns) wegen Beihilfe zur Untreue. Das Unternehmen stellt Arzneimittel her und vermarktet sie. Haupttäter waren, nach Feststellung des Landgerichts, Angestellte desselben Unternehmens ab der Hierarchieebene der Area-Manager einschließlich des Finanzvorstands, der auch Mitglied des Zentralvorstands war. Die leitende Angestellte war zuständig für das Russlandgeschäft des Unternehmens und Leiterin der dortigen Repräsentanz. Ihr oblagen die Vertragsverhandlungen mit den russischen Importeuren, über die allein in Russland Handel getrieben werden kann, da Hersteller ihre Produkte in Russland nicht selbst vertreiben dürfen. Diese Importeure verlangten als Gegenleistung für den Abschluss von Lieferverträgen sogenannte „Kaufpreisrückerstattungen“. Hierzu wurde mit den Importeuren ein offizieller „Bruttopreis“ vereinbart, von dem das Unternehmen unter Einschaltung von Offshore-Gesellschaften sodann einen Teil zurückerstattete. Beim Unternehmen verblieb dabei der „Nettopreis“, welcher dem tatsächlichen Marktwert der gelieferten Medikamente entsprach. Für diese Praxis der Kaufpreisrückerstattung und zur weiteren Steigerung des Umsatzes in Russland richteten die Haupttäter mithilfe der leitenden Angestellten 34 35 36
Vgl. BGH, NJW 2013, 401, 403 f. Siehe zur Begriffsbestimmung näher ab S. 50 ff. Vgl. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 42.
G. BGH (1. Strafsenat), BeckRS 2018, 37760 – „Arzneimittel/Russlandgeschäft“
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ein „Schmiergeld-Kassen-System“ ein. Über die Zahlung von nicht leistungshinterlegten Scheinrechnungen an Offshore-Gesellschaften wurden Gelder verschleiert aus dem Unternehmen ausgesondert und auf den Konten dieser Offshore-Gesellschaften „geparkt“. Diese Gelder wurden dann zur Rückerstattung der Kaufpreisanteile und zur Bestechung von Behörden und medizinischen Meinungsführern eingesetzt. Wirtschaftlich Berechtigter der Konten der Offshore-Gesellschaft war der Ehemann der leitenden Angestellten. Die gestellten Scheinrechnungen wurden auf Veranlassung der Area-Manager und unter Billigung des Finanzvorstands ungeprüft beglichen. Die Pflichtverletzung sah der 1. Strafsenat in der Freigabe der Rechnungen in Kenntnis darüber, dass es sich um nicht leistungshinterlegte Scheinrechnungen gehandelt habe bzw. in den sonstigen Mitwirkungshandlungen an der Schaffung des Verschleierungssystems.37 Dem Unternehmen sei allerdings lediglich durch die Aussonderung der Unternehmensgelder zu Bestechungszwecken ein Nachteil entstanden, nicht jedoch durch die Praxis der Kaufpreisrückerstattung. Durch Letztere sei dem Unternehmen überhaupt kein Vermögen abgeflossen. Die Kaufpreisrückerstattungen seien, so der 1. Strafsenat, auf Verlangen der Importeure verabredet worden, da der maximale staatliche Handelsaufschlag in Russland auf Grundlage der offiziellen Einkaufspreise, also hier der „Bruttopreise“, ermittelt werde. Durch die Vereinbarung eines höheren offiziellen Kaufpreises erhielten die Importeure einen höheren Handelsaufschlag vom russischen Staat, sodass sich ihre Gewinnspanne erhöhte. Die Kaufpreisrückerstattung habe sich nicht negativ auf den Gewinn des Verkäufer-Unternehmens ausgewirkt. Ein höherer Gewinn sei nicht zu erzielen gewesen und der Nettopreis habe dem Marktwert der Medikamente entsprochen. Der 1. Strafsenat hat zwischen der Erlangung der Nettopreise für die Lieferung von Medikamenten und der erlangten Möglichkeit der Teilhabe am russischen Markt differenziert. Das Treugeberunternehmen habe für die Lieferung von Medikamenten den angemessenen „Nettopreis“ erhalten. Hier sei kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden.38 Die rückgeleiteten Kaufpreisanteile seien nie dem Vermögen des Unternehmens zugeordnet gewesen, sodass es sich hierbei um einen durchlaufenden Posten gehandelt habe, dessen Abfluss keinen Nachteil darstellen könne. Vielmehr habe das Unternehmen hier lediglich die kostenneutrale Leistung der Rückleitung der Gelder erbracht und dafür als Gegenleistung überhaupt erst die Möglichkeit erhalten Verträge mit den russischen Importeuren abschließen zu können.39 Durch die Kauf37 38 39
Vgl. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 29. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 43. Vgl. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 43 ff.
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preisrückerstattung habe sich in gleichem Maße das Bankguthaben verringert wie die Verpflichtung zur Rückleitung gesunken sei. Darüber hinaus habe kein zu bilanzierendes Risiko einer etwaigen Rückforderung der zurückgeleiteten Gelder gedroht, da die Gelder ursprünglich ja auch von den Importeuren gestammt hätten. Dieses Ergebnis müsse auch nicht deshalb normativ korrigiert werden, weil durch die Rückerstattung eine gemäß § 138 BGB nichtige Rückzahlungsforderung bedient worden sei.40 Nach Ansicht des 1. Strafsenats ließe die uneingeschränkte Übertragung der bereicherungsrechtlichen Wertung des § 817 S. 2 BGB auf die strafrechtliche Vermögensbewertung, wie im Fall der Telekom-Spitzelaffäre41 geschehen, wirtschaftliche Aspekte völlig in den Hintergrund treten und würde einen einheitlichen Geschäftsvorgang künstlich aufspalten.42 Darüber hinaus würde so „jeder Sittenverstoß, der zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts führt, im Fall der dennoch erfolgten Leistung den Tatbestand der Untreue erfüllen“.43 Der 1. Strafsenat sieht hierin eine Gefährdung des Vermögensdelikt-Charakters der Untreue und warnt, dass angesichts der Unbestimmtheit und Wandelbarkeit sittlicher Maßstäbe eine hohe Unsicherheit im Rahmen der Strafbarkeitsbeurteilung zu erwarten sei. In diesem Zusammenhang weist der 1. Strafsenat darauf hin, dass er sich mit seiner Entscheidung nicht gegen die unter (F.) dargelegte Entscheidung des 2. Strafsenats stelle, da die Nichtigkeit der erfüllten Forderung in diesem Fall aus dem Verstoß gegen ein Verbotsgesetzes gemäß § 134 BGB resultiert habe. Der Normzweckvorbehalt des § 134 BGB beziehe sich, anders als bei § 138 BGB, auf ein konkretes Verbotsgesetz, auf dessen Auslegung es ankomme, wohingegen die Nichtigkeit nach § 138 BGB auf dem Verstoß gegen ungeschriebene „Sittennormen“ beruhe. Der 1. Strafsenat macht deutlich, dass ein „Gleichlauf der sich aus der Unwirksamkeit beider Vorschriften ergebenden Konsequenzen im strafrechtlichen Bereich“44 daher nicht unabdingbar sei. In Bezug auf die Aussonderung von zusätzlichem Treugebervermögen auf die verdeckten Konten der Offshore „Scheinfirmen“ zu Bestechungszwecken hat der 1. Strafsenat allerdings einen endgültigen Vermögensnachteil bei dem Treugeberunternehmen angenommen. Hierbei betont der 1. Strafsenat, dass nicht jedes Einrichten und Unterhalten einer schwarzen Kasse bereits eine Untreue i. S. d. § 266 StGB darstelle. Dies sei nur dann der Fall, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu einem Vermögensnachteil des Treugebers komme.45 Dementsprechend sieht der 1. Strafsenat in der Veranlassung der Überweisung von Geldern zu noch nicht näher konkretisierten Bestechungszahlungen auf Konten, die nicht von 40 41 42 43 44 45
Vgl. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 45 ff. Vgl. oben, S. 31 ff. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 46. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 46. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 47, mit Verweis auf BGH, BeckRS 2016, 8605 Rn. 99. Vgl. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 51.
H. Zwischenfazit
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einem mit dem Unternehmen verbundenen Angestellten, sondern allein von Strohmännern beherrscht würden, einen Vermögensnachteil. Denn die Kontrolle und die Aufsicht durch das Unternehmen seien hier bewusst vollständig ausgeschlossen worden. In diesem Fall habe das Unternehmen im Moment der Aussonderung einen Nachteil in Höhe der gesamten abgeflossenen Gelder erlitten.
H. Zwischenfazit Nach diesen Ausführungen wird deutlich, dass eine einheitliche Argumentationslinie der BGH-Senate in Bezug auf die Nachteilsbestimmung in der Untreue nicht erkennbar ist. Dies ist problematisch, denn Adressaten der Rechtsprechung sind die Bürger. Diese müssen sich grundsätzlich darauf verlassen können, dass die Rechtsprechung auf einer vorhersehbaren Linie bleibt, sodass sie ihr Handeln dementsprechend ausrichten können.46 Wenn die Rechtsprechung sich ständig an wechselnden Parametern ausrichtet und nicht erkennen lässt, welche die entscheidenden Kriterien für eine Strafbarkeit sind, kann ein Bürger nicht einschätzen, ob sein Handeln legal oder illegal ist.
46
So auch Bernsmann, in: GA 2009, 296, 297.
Teil 3
Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue „Untreue bedeutet die vorsätzliche Verletzung der Pflicht zur Betreuung fremder Vermögensinteressen mit der Konsequenz einer Benachteiligung des zu betreuenden Vermögens.“1
Teil 3 dieser Arbeit soll sich ausschließlich mit dem Tatbestand der Untreue i. S. d. § 266 StGB befassen. In der gebotenen Kürze soll im Folgenden ein Überblick über die Struktur und die grundlegenden Probleme dieses Tatbestands gegeben werden, um so ein besseres Verständnis für die anschließenden Teile 4 und 5, die vertiefte Auseinandersetzung mit der Kompensation von Vermögensnachteilen, zu schaffen und die Grundlagen zu vermitteln, auf denen diese Arbeit aufbaut.
A. Grundsatzfragen des Untreuetatbestands I. Strafwürdigkeit In der heutigen globalisierten, hoch differenzierten Wirtschaft und der damit einhergehenden Arbeitsteilung ist es häufig notwendig, zur Erledigung eigener Angelegenheiten Dritte einzusetzen.2 Dadurch ist das Vermögen gegenüber diesen Dritten besonders angreifbar. Der Strafgrund der Untreue liegt daher in der besonderen Abhängigkeit und Anfälligkeit des Vermögensinhabers – auch Treugeber genannt –, der seine wirtschaftlich werthaltigen Positionen in fremde Obhut gegeben hat und daher auf die Redlichkeit dieses Beauftragten – des Treunehmers – angewiesen ist.3 Der spezifische Unrechtsgehalt ergibt sich bei der Untreue also nicht auf der Erfolgsseite, sondern auf Seiten des Handlungsunrechts.4 Der Untreuetatbestand soll Schutz vor Vermögensangriffen „von innen heraus“5 gewähren und hat somit eine eigene „Schutzfunktion“ innerhalb der Vermögensdelikte, die von den übrigen Tatbeständen nicht abgedeckt wird.6
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MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 1. Vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 1; Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 892. LK-Schünemann, § 266 Rn. 1; vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 3. Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 890. Schünemann, in: NStZ 2005, 473, 474; so auch Saliger, in: HRRS 2006, 10, 17 m. w. N. Vgl. Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 891.
A. Grundsatzfragen des Untreuetatbestands
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II. Geschütztes Rechtsgut Geschütztes Rechtsgut der Untreue ist, wie bereits angedeutet, nach ganz herrschender Meinung allein das individuelle Vermögen des Treugebers.7 Obwohl der Wortlaut des Tatbestands einen „Nachteil“ fordert und hierunter nicht zwangsläufig nur Vermögennachteile fallen, wird durch die Bezugnahme auf „fremdes Vermögen“ und „fremde Vermögensinteressen“ deutlich, dass nicht vor einem darüberhinausgehenden Nachteil geschützt werden soll.8 Die Dispositionsfreiheit über das Vermögen ist daher kein eigenständig geschütztes Rechtsgut der Untreue.9 Hierunter versteht man die Freiheit nach eigenem Ermessen über das eigene Vermögen zu verfügen.10 Sie findet ihren Niederschlag „nur“ in dem Erfordernis einer pflichtwidrigen Handlung des Treunehmers.11 Gleiches gilt auch für das Vertrauen in die Pflichttreue des Treunehmers, denn die allgemeine Pflichttreue als solche ist kein anerkanntes Schutzgut des Strafrechts.12 Es liegt daher in diesem Fall nur eine zivilrechtlich zu bewertende enttäuschte Erwartung vor.13 Die von beiden Tatbestandsalternativen vorausgesetzte Treuwidrigkeit stellt also lediglich den der Untreue eigenen Angriffsmodus auf das geschützte Vermögen dar und nicht eine zusätzliche Rechtsgutsverletzung.14 Die Untreue schützt dasselbe Rechtsgut wie die Tatbestände des Betrugs und der Erpressung. Gemeinsam stellen diese Tatbestände einen einheitlichen und umfassenden strafrechtlichen Vermögensschutz sicher.15
7 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3212; BGH, NStZ 1998, 514, 515; vgl. BGH, NJW 2006, 522, 525; Fischer, § 266 Rn. 2; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 1; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 1; S/S/WSaliger, § 266 Rn. 1; LK-Schünemann, § 266 Rn. 23 jeweils m. w. N. 8 Vgl. Szebrowski, Kick-Back, S. 9. 9 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3212; Sch/Sch-Perron § 266 Rn. 1; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 1; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 1. Anders wohl BGH, NStZ 2009, 95, 98 f., vgl. oben, S. 25 ff. 10 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 27. 11 Vgl. dazu unten, S. 42 ff. 12 Vgl. Mitsch, Strafrecht BT 2, S. 357. 13 Szebrowski, Kick-Back, S. 9. 14 Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 1; vgl. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 1; LK-Schünemann, § 266 Rn. 23. 15 Szebrowski, Kick-Back, S. 10.
38
Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
III. Grundsätzlich einheitliche Betrachtung des Vermögensstrafrechts An die Festlegung des einzig geschützten Rechtsguts Vermögen schließt sich nun die Frage an, wie dieses zu bestimmen ist. Die ganz herrschende Meinung16 geht davon aus, dass das Rechtsgut des Vermögens in allen Vermögensdelikten grundsätzlich identisch zu bestimmen sei. Denn das Vermögen als wirtschaftliche Lebensgrundlage einer Person müsse rechtlich stets dieselbe Bedeutung haben. Diese Lebensgrundlage müsse gegen arglistige Täuschung (§ 263 StGB) genauso geschützt werden, wie gegen Nötigung (§ 253 StGB) und treuwidriges Verhalten (§ 266 StGB).17 Diese Ausführungen überzeugen und werden durch die identische Strafandrohung der jeweiligen Grunddelikte gestützt.18 Für die Bestimmung des zu schützenden Vermögens kann deshalb zumindest im Grundsatz auf die Rechtsprechung und Literatur der übrigen Vermögensdelikte zurückgegriffen werden. Hierbei sind dann allerdings in einem zweiten Schritt die der Untreue eigenen Besonderheiten zu beachten und genau zu prüfen, ob sich aus diesen Besonderheiten das Bedürfnis einer abweichenden Beurteilung ergibt.19
IV. Untreue als Auffangtatbestand? Die Untreue steht aufgrund der sogleich darzustellenden Weite ihres Tatbestands in der Kritik eine Art „Auffangtatbestand“20 zu sein. Tatsächlich ist der im Wesentlichen bis heute fortgeltende Untreuetatbestand im Jahre 1933 bewusst weit gefasst worden, um dem damaligen Problem der Korruption flexibel und mit Nachdruck begegnen zu können.21 Es wird kritisiert, dass die Untreue als einziges Instrument des Strafrechts genutzt werde, um neuartigem strafwürdigem Handeln, das durch das moderne, globalisierte Wirtschaftsleben erstmals ermöglicht werde, zu begegnen.22 Dies allerdings ist Folge des in Deutschland gewählten allgemeinen rechtsübergreifenden Untreuetatbestands.23 Die Alternativlösung eines Sonderregelungssystems mit bereichsspezifischen Untreuetatbeständen führt demgegenüber zwar zu mehr Rechtssicherheit, sie bringt allerdings auch Strafbarkeitslücken und eine 16 BVerfG, NJW 2010, 2370, 2371; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 39b; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 201; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 67; LK-Schünemann, § 266 Rn. 164 jeweils m. w. N. 17 Cramer, Vermögensbegriff, S. 116 f.; Szebroswski, Kick-Back, S. 33 f. 18 Vgl. hierzu S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 67. 19 Siehe dazu eingehend unten, S. 49 ff. und S. 54 ff. 20 So z. B. Dierlamm, in: NStZ 1997, 534 ff.; Rönnau, in: StV 2011, 753, 754. 21 Schäfer, in: DJZ 1933, 786, 789, 795. 22 Vgl. Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 634; Saliger, in: HRRS 2006, 10, 15. 23 Vgl. Rönnau, in: StV 2011, 753, 753.
A. Grundsatzfragen des Untreuetatbestands
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dogmatisch unsaubere Anwendung der übrigen Vermögensdelikte als Reaktion auf neue Begehungsweisen von Straftaten mit sich.24 Das BVerfG hat zur Bewältigung dieser Problematik in seiner Grundsatzentscheidung deshalb betont, dass der allgemein formulierte Untreuetatbestand durch die Rechtsanwender einschränkend ausgelegt werden müsse. Hierdurch sollen wirtschaftliche Interessen nicht übermäßig eingeschränkt und gleichzeitig das Strafbarkeitsrisiko für die Normunterworfenen vorhersehbar i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG werden.25 Aufgrund dieses Erfordernisses ergeben sich eine ganze Reihe von Streitständen innerhalb des Tatbestands, die detaillierter im Unterteil (B.) dieses Teils dargestellt werden sollen.
V. Verschleifungsverbot Ein weiteres Problem des Untreuetatbestands ist die Gefahr des wechselseitigen Rückschlusses von der Pflichtwidrigkeit der Handlung auf den Vermögensnachteil und umgekehrt.26 Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg.27 Dass aber Treupflichtverletzung und Vermögensnachteil nicht identisch sein können, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 266 StGB28 und wurde auch vom BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung betont.29 Die Verschleifung kann in zwei Varianten auftreten: Entweder als Rückschluss von einem eingetretenen Vermögensnachteil auf die Pflichtwidrigkeit der Handlung des Treunehmers oder von der pflichtwidrigen Handlung auf das Vorliegen eines Vermögensnachteils. Die erste Variante droht beispielsweise bei missglückten Risikogeschäften. Verwirklicht sich bei solchen Geschäften ein Schadensrisiko tatsächlich, besteht die Tendenz, hieraus auf eine pflichtwidrige Handlung des Treunehmers beim Eingehen dieses Risikos zu schließen.30 Der umgekehrte Fall kann bei schadensgleichen Vermögensgefährdungen31 auftreten. Hier wird die pflichtwidrige vermögensgefährdende Handlung auch gleichzeitig als der, noch nicht final einge24
Vgl. Rönnau, in: StV 2011, 753, 753. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3212. 26 Vgl. Saliger, in: ZStW 2000, 563, 568 ff., 610; ders., in: HRRS 2006, 10, 14, ders., in: S/S/W § 266 Rn. 8. 27 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211; vgl. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 14; vgl. Krell, in: ZStW 2014, 902, 904 ff. 28 Vgl. auch LK-Schünemann, § 266 Rn. 163. 29 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211. 30 Vgl. Saliger, in: ZStW 2000, 563, 568 ff., 610; ders., in: HRRS 2006, 10, 14; krit. Krell, in: ZStW 2014, 902, 915. 31 Vgl. dazu näher unten, S. 70 ff. 25
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
tretene, Nachteil angesehen (so zum Beispiel bei der mangelhaften Buchführung32 oder der Haushaltsuntreue33). Wie die aufgeführten Beispiele vermuten lassen, fallen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil rein tatsächlich häufig zusammen auf das gleiche Ereignis. Dies allerdings darf nicht dazu führen, dass das eine Merkmal aus dem anderen gefolgert wird. Da es sich um eigenständige Tatbestandsmerkmale mit jeweils unterschiedlichen Regelungen zu deren Feststellung handelt, müssen beide Merkmale eigenständig geprüft werden. Das BVerfG hat in seiner Grundsatzentscheidung betont, dass die durch die einschränkende Auslegung der Tatbestandsmerkmale erreichte Begrenzung nicht dadurch wieder aufgehoben werden dürfe, dass Tatbestandsmerkmale vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgingen.34 Sowohl die pflichtwidrige Handlung als auch der Vermögensnachteil müssen daher selbständig und getrennt festgestellt werden.
B. Tatbestandsmerkmale Der Tatbestand der Untreue besteht grundsätzlich aus vier Tatbestandsmerkmalen: Einer besonderen Pflichtenstellung des Täters (I.), seiner pflichtwidrigen Handlung (II.), dem daraus resultierenden Vermögensnachteil (III.) und auf subjektiver Ebene dem Vorsatz (IV.). Auch wenn es im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorranging auf die Kompensation eines Nachteils ankommt und somit das Nachteilsmerkmal verstärkte Aufmerksamkeit erhalten wird, sollen die übrigen Tatbestandsmerkmale zumindest einer kurzen Betrachtung unterzogen werden. So soll ein grundlegendes Verständnis für die sich daran anschließenden tiefergehend behandelten Probleme des Vermögensnachteils und dessen Kompensation geschaffen werden.
I. Besondere Pflichtenstellung gegenüber fremdem Vermögen – Täterqualifikation § 266 StGB enthält zwei Tatbestandsalternativen: den Missbrauchs- (Alt. 1) und den Treubruchtatbestand (Alt. 2). Diese zweigliedrige Ausgestaltung ist auf zwei konkurrierende Lehrmeinungen, die vor der Schaffung des heutigen Tatbestands
32 33 34
Vgl. Saliger, in: HRRS 2006, 10, 14. Vgl. Krell, in: ZStW 2014, 902, 913 m. w. N. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211; bestätigt in BVerfG, NJW 2013, 365, 366.
B. Tatbestandsmerkmale
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vertreten wurden, zurückzuführen. Nach der sog. „Missbrauchstheorie“35 war Untreue nach dem StGB von 1871 die Vermögensbeschädigung durch den Missbrauch rechtlicher Vertretungsmacht. Dagegen sah die sog. „Treubruchstheorie“, die auch vom Reichsgericht36 vertreten wurde, den Unrechtskern der Untreue in einer vermögensschädigenden Verletzung der (rechtlichen oder tatsächlichen) Pflicht zur Fürsorge für fremdes Vermögen. Diese beiden Ansichten wurden vom Gesetzgeber 1933 zu einem Tatbestand zusammengeführt.37 Zusätzlich wurde die bis dahin tatbestandliche Aufzählung des potentiellen Täterkreises gestrichen.38 Die weite Fassung des Tatbestands sollte einen lückenlosen Schutz des Vermögens sichern. Bis heute ist streitig, wie sich die beiden Tatbestandsalternativen zueinander verhalten. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Frage entscheidend, wie der den Geschädigten beschreibende Relativsatz „dessen Vermögen er [der Täter] zu betreuen hat“ zu verstehen ist und ob sich hieraus eine Vermögensbetreuungspflicht für beide Tatbestandsalternativen ergibt.39 Da das spezifische Unrecht des Untreuetatbestands in dem Angriff auf das fremde Vermögen „von innen heraus“ besteht,40 ist grundsätzlich anerkannt, dass den Täter eine gewisse Sonderstellung in Bezug auf das Vermögen treffen muss. Die Anforderungen an diese Sonderstellung sind allerdings hoch umstritten.41 Die ständige Rechtsprechung42 und die herrschende Lehre43 gehen mittlerweile übereinstimmend davon aus, dass beide Alternativen die Verletzung einer inhaltsgleichen Vermögensbetreuungspflicht voraussetzten und deshalb jeweils dieselben Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich der Vermögensbetreuungspflicht gälten (sogenannte streng monistische Untreuetheorie). Folge davon ist, dass der Missbrauchstatbestand als reiner Spezialfall des umfassenderen Treubruchtatbestands zu verstehen wäre und diesem daher als lex specialis vorginge.44
35
Rn. 7. 36
Rn. 8. 37
Binding, Lehrbuch des gemeinen Strafrechts I, S. 397; vgl. LK-Schünemann, § 266 RGSt 1, 172, 174; RGSt 41, 265, 266; RGSt 63, 406, 407; vgl. LK-Schünemann, § 266
Weber, in: Dreher-FS, 555, 558 f. Vgl. die bis dahin gültige Fassung des § 266 vom 15. Mai 1871. 39 Vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 2. 40 Vgl. oben, S. 36. 41 Vgl. die Quellenangaben bei Fischer, § 266 Rn. 47 ff.; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 68 ff. 42 Seit BGHSt 24, 386 – 390; z. B. BGH, NStZ 2010, 632, 633; BGH, NJW 2016, 3253, 3253; vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. 43 Lackner/Kühl-Heger § 266 Rn. 4; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 22 ff. (26); MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 31; vgl. SK-Hoyer, § 266 Rn. 11 ff., 17 f.; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 6. 44 Lackner/Kühl-Heger, § 266 Rn. 21; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 7 m. w. N. 38
42
Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
Dagegen gehen Teile der Literatur45 davon aus, dass die erforderlichen Betreuungsverhältnisse in den beiden Alternativen nicht identisch sein könnten, da es ansonsten zu Strafbarkeitslücken käme.46 Dieser Meinungsstreit, in dem eine Vielfalt an Untermeinungen47 vertreten wird, ist allerdings für die vorliegende Arbeit nicht von bedeutender Relevanz. In dem Bemühen, keine Strafbarkeitslücken zuzulassen, wurde bereits eine Vielzahl an Pflichtenstellungen als Vermögensbetreuungspflicht anerkannt, sodass diesbezüglich der Anwendungsbereich der Untreue im Vergleich zum ursprünglich eher begrenzten Täterkreis deutlich erweitert wurde.48 Deshalb und weil es sich bei den hier zu betrachtenden Fällen der Wirtschaftskriminalität meist um Fälle der „Organuntreue i. w. S.“49 handelt, wird es an der erforderlichen Pflichtenstellung nicht fehlen.50 Denn wenn Organe oder leitende Angestellte eines Unternehmens handeln, ergibt sich deren besondere Pflichtenstellung bereits aus der „Geschäftsbesorgung kraft Herrschaftsposition über fremdes Vermögen.“51 Der dargelegte Streit des Verhältnisses der beiden Tatbestandsvarianten erübrigt sich daher in den für diese Arbeit relevanten Fällen, sodass er hier nicht entschieden werden muss. Es wird im Folgenden davon ausgegangen, dass die handelnden Personen, als Verantwortungsträger in den jeweiligen Unternehmen, unproblematisch eine Vermögensbetreuungspflicht trifft.
II. Pflichtwidrige Handlung Das Vermögen des Treugebers muss durch die Handlung des Täters verletzt worden sein. Es kommt hier laut Tatbestand nicht auf eine bestimmte Art der Handlung an sich an, sie muss „lediglich“ missbräuchlich oder treuwidrig sein. Entscheidend ist also, dass der Täter „pflichtwidrig“ handelt. Auch diese offene Formulierung führt zu Unsicherheiten und verschiedenen Restriktionsansätzen. 1. Missbrauch Die erste Tatbestandsalternative der Untreue sanktioniert den Missbrauch einer Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis. Der Täter muss hierzu, formelhaft ge45
Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 2, 11 ff.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 14 ff. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 2. 47 Vgl. wiederum die Quellenangaben bei Fischer, § 266 Rn. 47 ff.; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 68 ff. 48 Perron, in: GA 2009, 219, 223. 49 Vgl. oben, S. 19 ff. 50 Vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 6; ders., in: HRRS 2010, 10, 12; Schünemann, in: StraFo 2010, 1, 2. 51 Vgl. Schünemann, in: StraFo 2010, 1, 2. 46
B. Tatbestandsmerkmale
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sprochen, sein rechtliches Dürfen im Innenverhältnis (also gegenüber dem Treugeber) im Rahmen seines rechtlichen Könnens im Außenverhältnis (also gegenüber Dritten) überschreiten. Voraussetzung dafür ist nach h. M., dass die betreffende Verfügung bzw. Verpflichtung zwar pflichtwidrig, aber im Außenverhältnis wirksam ist.52 Die Pflicht, nach welcher der Täter seine Verfügungs- bzw. Verpflichtungsbefugnis hätte ausüben müssen, kann sich dabei aus einer Einzelweisung des Treugebers, aus gesetzlichen Vorschriften sowie aus allgemeinen Sorgfaltsmaßstäben ergeben.53 Der Untreuetatbestand ist demgemäß akzessorisch zur Gesamtrechtsordnung.54 2. Treubruch Innerhalb der zweiten Tatbestandsalternative, dem Treubruch, bedarf es zur Rechtsgutsverletzung „lediglich“ einer Verletzung der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Auch innerhalb dieser Tatbestandsalternative sollen Umfang und Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht durch außerstrafrechtliche Normkomplexe und Wertungen bestimmt werden, welche somit die Maßstäbe für die strafbewährte Verletzung festlegen. Da also allein die (von anderen Rechtsgebieten abhängige) Vermögensbetreuungspflicht den Rahmen beschreibt, innerhalb dessen sich der Treunehmer hinsichtlich des fremden Vermögens bewegen darf und ein weiteres einschränkendes Tatbestandsmerkmal nicht hinzutritt, ist die zweite Tatbestandsalternative noch deutlich weiter gestaltet als die erste.55 Es ist deshalb grundsätzlich anerkannt, dass der Treubruchtatbestand eingeschränkt werden muss. Die hierfür heranzuziehenden Kriterien sind allerdings umstritten. a) Art der Pflicht Die tatbestandliche „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen“ muss, wie dargelegt, inhaltlich besonders qualifiziert sein. Sie muss über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehen und eine besondere Verantwortung für die materiellen Güter des Treugebers mit sich bringen.56 Diese, teilweise auch als „Garantenstellung sui generis“57 bezeichnete, be52 Vgl. BGH, NJW 1984, 2539, 2540; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 86 ff.; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 17; Fischer, § 266 Rn. 24; a. A. dagegen: LK-Schünemann, § 266 Rn. 47 ff.; Arzt, in: Bruns-FS, 365, 371 ff. 53 Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 18. 54 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 33; Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 906; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 18. 55 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3213. 56 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3213. 57 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 11; vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 23b; ders., in: GA 2009, 219, 223.
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
sondere Pflichtenstellung wird grundsätzlich durch die Würdigung der gesamten Umstände des Falls festgestellt und mithilfe eines Indizienkatalogs konkretisiert.58 Es muss sich bei der Vermögensbetreuungspflicht (nach der dargelegten h. M.59 auch im Rahmen des Missbrauchstatbestands) um eine Hauptpflicht und nicht um eine bloße Nebenpflicht des Treunehmers handeln. Diesem muss darüber hinaus ein gewisser Einschätzungsspielraum bei seiner Entscheidungsfindung eingeräumt sein.60 b) Pflichtwidrigkeit Da die Arten der Pflichtenstellungen, die als tatbestandliche Vermögensbetreuungspflicht anerkannt werden, stetig erweitert wurden,61 findet die Begrenzung des Treubruchtatbestands vor allem auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit der Täterhandlung statt. aa) Gravierende Pflichtverletzung Von Teilen der Rechtsprechung62 und Teilen der Literatur63 wird zur Begrenzung des Tatbestands eine „gravierende Pflichtverletzung“ gefordert. Dies gilt vor allem, soweit dem Treunehmer für sein Handeln durch die zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Normen Beurteilungs- und Entscheidungsspielräume eingeräumt werden. Durch das Erfordernis einer „gravierenden Pflichtverletzung“ soll die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG gesichert werden. Der Untreuetatbestand solle nur in Fällen „klarer und deutlicher (evidenter) Fälle pflichtwidrigen Handelns“ angewendet werden.64 In Fällen, in denen dem Täter für sein Handeln ein Handlungsspielraum gewährt werde (vgl. z. B. § 93 Abs. 1 AktG), solle es demnach nicht ausreichen, wenn der Täter diesen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum überschreite. Das Kriterium der „gravierenden Pflichtverletzung“ solle hier als zusätzliches, strafrechtsautonomes Kriterium herangezogen werden, um so zu beurteilen, ob sich der Täter über seine gesellschaftsrechtliche Verfehlung hinaus auch noch in strafbarer Weise i. S. d.
58
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3214 f. Siehe hierzu oben, S. 40 ff. 60 BGH, NJW 2010, 2948, 2949; BGH, NJW 2013, 1615, 1615; BGH, NJW 2015, 1618, 1619 f. 61 Vgl. oben, S. 40 ff. 62 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215; BGH, wistra 2002, 101, 105; BGH, wistra 2002, 143, 146; BGH, NJW 2017, 578, 579; a. A. BGH, NJW 2006, 522, 526 (Mannesmann). 63 MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 175; Matt, in: NJW 2005, 389, 390; Kutzner, in: NJW 2006, 3541, 3543; Günther, in: Weber-FS, 311, 314 f.; Tiedemann, in: Weber-FS, 319, 322 ff. 64 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. 59
B. Tatbestandsmerkmale
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§ 266 StGB verhalten habe.65 So solle der ultima ratio-Charakter des Strafrechts gewahrt werden. Gegen einen derartigen „zusätzlichen strafrechtlichen Haftungsfilter“66 wird eingewendet, dass der Gesetzgeber eine solche qualitative Einschränkung nicht im Wortlaut des Tatbestands verankert habe.67 Darüber hinaus führe diese qualitative Anforderung zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Vermögensdelikten wie dem Diebstahl oder dem Betrug. Eine „gravierende Pflichtverletzung“ würde häufig aus der Höhe des verursachten wirtschaftlichen Schadens rückgeschlossen, sodass Untreue erst ab einem höheren Schaden in Betracht käme. Dies führe zu einer nicht vertretbaren Privilegierung des Untreuetäters gegenüber einem Dieb oder Betrüger. Diese Ansicht werde gestützt durch den Verweis des § 266 Abs. 2 StGB auf das Strafantragserfordernis aus § 248a StGB. Hieraus könne geschlussfolgert werden, dass eine besonders geringfügige Schädigung nur für das Erfordernis eines Strafantrags ausschlaggebend sei und nicht zu einem völligen Tatbestandsausschluss führen könne.68 Wenn der Schaden dagegen besonders hoch sei, so werde die Strafe nach § 266 Abs. 2 i. V. m. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB verschärft. Auch dieser gesetzgeberischen Entscheidung stünde das Erfordernis einer „gravierenden Pflichtverletzung“ entgegen.69 Auch im Hinblick auf das Verschleifungsverbot70 wäre ein solcher Rückschluss von einem hohen Schaden auf eine „gravierende Pflichtverletzung“ problematisch. Teile der Rechtsprechung führen demgemäß eine zweite, strafrechtsautonome Überprüfung nicht mehr durch.71 Auch Teile der Literatur vertreten diese Ansicht.72 Dem Handelnden werde in den vorliegend relevanten Fällen (vgl. den HSH-Nordbank-Fall mit Bezug zu § 93 Abs. 1 AktG73) durch die einschlägige Verhaltensnorm aus dem Gesellschaftsrecht eine Ermessensentscheidung eröffnet. Bereits um die Gesellschaftsrechtliche Norm zu verletzen, bedürfe es demnach eines evidenten Ermessensfehlers. Es handele sich daher nicht um ein strafrechtsspezifisches Kriterium, das über die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen hinausgehe.
65 Vgl. Lüderssen, in: Lampe-FS, 727, 728 ff.; vgl. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 175; Matt, in: NJW 2005, 389, 390; Kutzner, in: NJW 2006, 3541, 3543. 66 Lüderssen, in: Lampe-FS, 727, 728 ff.; vgl. Rönnau/Becker, in: JR 2017, 204, 208. 67 Vgl. Schünemann, in: Imme Roxin-FS, 341, 353. 68 Schünemann, in: NStZ 2005, 473, 475. 69 Vgl. Saliger, in: HRRS 2006, 10, 19. 70 Vgl. oben, S. 39 f. 71 BGH, NJW 2006, 522, 526; BGH, NJW 2016, 2585, 2592; vgl. BGH, NJW 2017, 578, 579 f. 72 Schünemann, in: NStZ 2005, 473, 475; Becker, Anm. in NStZ 2017, 227, 233; Sch/SchPerron, § 266 Rn. 19b; ders., in: Heinz-FS, 796, 802; Rönnau/Becker, in: JR 2017, 204, 208 f.; Saliger, in: HRRS 2006, 10, 19. 73 BGH, NJW 2017, 578, 579 f.
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
Das ist überzeugend. Wenn für den gesellschaftsrechtlichen Verstoß bereits ein evidenter Ermessensfehler vorausgesetzt wird, bleibt kein Raum für andere, darüberhinausgehende Kriterien, die eine erneute Evidenzprüfung auf strafrechtsautonome Kriterien stützen könnten. Entweder ein Pflichtverstoß ist evident oder er ist es nicht.74 Das Kriterium der „gravierenden Pflichtverletzung“ kann aufgrund seiner eigenen Unbestimmtheit darüber hinaus nicht zur verlässlichen Restriktion des Untreuetatbestands beitragen. Eine Einschränkung durch das Erfordernis einer „gravierenden Pflichtverletzung“ ist daher nicht zielführend. bb) Spezifisch vermögensschützende Betreuungspflicht In Fällen, in denen die Handlung des Täters nicht gegen eine konkrete Anweisung des Treugebers verstößt, sondern gegen eine Pflicht aus gesetzlichen Vorschriften oder allgemeinen Verkehrsmaßstäben, wird als weiteres Eingrenzungskriterium teilweise gefordert, dass die jeweilige verletzte Vorschrift oder Handlungsvorgabe den Vermögensschutz des Treugebers bezwecken müsse.75 Als Folge der Akzessorietät des Untreuetatbestands gegenüber der Gesamtrechtsordnung76 müsse es sich bei der verletzten Pflicht um eine spezifisch vermögensschützende Betreuungspflicht handeln, um so den Charakter des Untreuetatbestands als Vermögensdelikt zu wahren und zu verhindern, dass die Untreue zur „Superverbotsnorm“ werde.77 Dies überzeugt, denn nicht jede Vertragsverletzung zwischen Treunehmer und Treugeber soll zu strafrechtlichen Sanktionen führen. Eine Sanktion nach dem Strafrecht ist nur dann gerechtfertigt, wenn die verletzte Pflicht auch den Vermögensschutz des Treugebers bezweckt und somit den spezifischen Schutzzweck des § 266 StGB erfüllt.78 Eine Art Ausnahme wird allerdings in Fällen gemacht, in denen zwar die „Primärnorm“, gegen die verstoßen wurde, nicht dem Vermögensschutz dient, ein Verstoß gegen diese aber zur Nichtigkeit des zugrundeliegenden Vertrags nach § 134 BGB führt (wenn also gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen wurde79). Leistet der Treunehmer in Erfüllung dieses nichtigen Vertrages eine Zahlung, obwohl eine entsprechende Verpflichtung nicht mehr besteht, so soll diese Zahlung jedenfalls
74
Vgl. hierzu auch Rönnau/Becker, in: JR 2017, 204, 208 f. m. w. N. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 19a m. w. N., 23; Fischer, § 266 Rn. 60; vgl. Lackner/KühlHeger, § 266 Rn. 15. 76 Vgl. oben, S. 42 ff. 77 Rönnau, in: Tiedemann-FS, 713, 719; Rönnau/Becker, in: JR 2017, 204, 207 f.; vgl. BGH, NJW 2011, 88, 92 f.; 1747, 1749. 78 Siehe hierzu unten, S. 68 ff. 79 Vgl. oben, S. 31 ff. 75
B. Tatbestandsmerkmale
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pflichtwidrig sein. Denn durch die rechtsgrundlose Zahlung werde mittelbar ein faktischer Vermögensbezug hergestellt.80 In den vorliegend relevanten Fällen mit Unternehmensbezug muss allerdings beachtet werden, dass bei juristischen Personen gesellschaftsrechtlich eine allgemeine Legalitätspflicht81 für die handelnden Personen gilt. Da es sich in diesen Fällen meist um Situationen handeln wird, die einen geldwerten Bezug aufweisen, wird letztlich immer ein Vermögensbezug hergestellt und somit eine vermögensschützende Pflicht verletzt werden. Eine nachhaltige Begrenzung des Untreuetatbestands durch dieses Erfordernis kann somit für Fälle der „Organuntreue i. w. S.“82 letztlich nicht erreicht werden.83 3. Einverständnis des Treugebers Der Tatbestand sowohl der Missbrauchs- als auch der Treubruchalternative entfällt darüber hinaus nach der h. M., wenn der Treugeber mit der objektiv pflichtwidrigen Handlung des Treunehmers einverstanden ist.84 Dies ist Folge der Dispositionsfreiheit des Treugebers hinsichtlich des Rechtsguts Vermögen. Diese Dispositionsfreiheit wird aus der Privatautonomie hergeleitet. Hiernach kann der Vermögensinhaber frei über sein Vermögen verfügen, selbst bis zum endgültigen Komplettverlust.85 Dies gilt grundsätzlich auch für juristische Personen, bei denen die Willensbildung durch die Anteilseigner ausgeübt wird.86 Auch bei diesen ist die Tatbestandsmäßigkeit des § 266 StGB ausgeschlossen, wenn alle Anteilsinhaber geschlossen einer Handlung des Treunehmers zustimmen, die eigentlich gegen eine diesen treffende Vermögensbetreuungspflicht verstoßen würde.87 Es ist in diesem Zusammenhang allerdings umstritten, ob der Tatbestand des § 266 StGB auch dann entfällt, wenn die Erteilung des Einverständnisses durch den Treugeber selbst rechtswidrig ist. So zum Beispiel bei der Einrichtung schwarzer Kassen zum Zwecke der Zahlung von Bestechungsgeldern im Einvernehmen mit dem Geschäftsherrn.88 Diese Problematik ist im Zusammenhang mit juristischen 80
Vgl. BGH, NJW 2013, 401, 403; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 19a. Vgl. BGH, NJW 2018, 2125, 2128; Oetker, in: Henssler/Strohn, § 43 Rn. 25 ff. 82 Vgl. oben, S. 19 ff. und Schünemann, in: StraFo 2010, 1, 2. 83 Siehe unten S. 77 ff.; vgl. hierzu auch kritisch Rönnau/Becker, in: JR 2017, 204, 207 f. m. w. N.; so auch Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 771 f. 84 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 58 m. w. N.; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 21; Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 922 ff. 85 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 58 m. w. N. 86 Rönnau, in: Tiedemann-FS, 713, 717. 87 Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 21. 88 Vgl. hierzu Ransiek, in: StV 2009, 321, 321 ff.; Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 922 ff.; Sch/ Sch-Perron, § 266 Rn. 21a; Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 10. 81
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
Personen besonders ausgeprägt, da diesen der Wille ihrer Gesellschafter zugerechnet wird. Es ist umstritten, ob der juristischen Person nur rechtmäßige Entscheidungen zugerechnet werden können. Die wohl herrschende Lehre89 und auch die Rechtsprechung90 verneinen in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines rechtswidrigen tatbestandsausschließenden Einverständnisses. Demnach könne der juristischen Person nur eine gesellschaftsrechtlich wirksame Entscheidung der Gesellschafter zugerechnet werden. Ein gesellschaftsrechtlich unwirksamer Wille der Gesellschaft könne dagegen aus normativen Gründen erst gar nicht existieren.91 Denn der Tatbestand der Untreue schütze die juristische Person als eigene Rechtspersönlichkeit. Träger der geschützten Vermögensinteressen sei die juristische Person selbst und nicht die (Gesamtheit der) Gesellschafter.92 Durch die Bremer-Vulkan-Entscheidung haben sich die Straf- und Zivilsenate des BGH in ihrer Entscheidungslinie allerdings angenähert. Die Rechtsprechung nimmt seitdem eine Strafbarkeit nach § 266 StGB der Gesellschafter einer juristischen Person (GmbH) an, wenn diese entgegen § 30 GmbHG das Stammkapital der Gesellschaft angreifen oder konkret gefährden, bzw. deren Existenz in Gefahr bringen und die Gesellschaft deshalb ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann.93 In diesen Fällen könne ein Einverständnis hinsichtlich der Handlung der Gesellschafter nicht wirksam sein. Es geht also letztlich um den Schutz der Gläubiger und der Gesellschaft als eigene juristische Persönlichkeit. Dagegen lässt sich allerdings einwenden, dass es durch diese Anwendung des Untreuetatbestands zu einer Rechtsgutvertauschung94 kommt. Denn wenn der Verstoß gegen andere Normen – wie die Verwirklichung eines Korruptionstatbestands durch die Zustimmung zu Bestechungszahlungen – zur Unwirksamkeit des strafbarkeitsausschließenden Einverständnisses führt, wird durch § 266 StGB nicht mehr allein das Vermögen des Treugebers, sondern die Redlichkeit des Wettbewerbs geschützt.95 Noch weiter gedacht, würde jeder vom Treugeber akzeptierte Vermögenseinsatz zu rechtswidrigen Zwecken den Untreuetatbestand erfüllen und dieser 89 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 59; Anm. Brand, in: NJW 2010, 3458, 3464 f.; Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 10; vgl. Ransiek, in: StV 2009, 321, 321 ff. 90 BGH, NJW 1988, 1397, 1398; BGH, NJW 2006, 522, 526. 91 Anm. Brand, in: NJW 2010, 3458, 3464 f.; Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 10; vgl. Ransiek, in: StV 2009, 321, 321 ff. 92 BGH, NJW 1988, 1397, 1399. 93 Vgl. BGH, NJW 2004, 2248, 2252 f.; Fleischer, in: NJW 2004, 2867, 2869. Wobei der 2. Zivilsenat in seiner „Trihotel-Entscheidung“ dieses Haftungskonzept geändert und die Existenzvernichtungs-Haftung von Gesellschaftern als Unterfall des § 826 BGB eingestuft hat, s. BGH, NJW 2007, 2689 ff. Der zweite Strafsenat hält allerdings an der o. g. Rechtsprechung ausdrücklich fest, s. BGH, NJW 2009, 3666, 3667. 94 So Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 924. 95 Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 21b; Ransiek, in: StV 2009, 321, 321; Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 924 f.; ders., in: Tiedemann-FS, 713, 717 ff.; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 158; Fischer, § 266 Rn. 99 m. w. N.; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 359; Trüg, NstZ 2013, 717, 718; vgl. auch BGH, NJW 00, 155.
B. Tatbestandsmerkmale
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zur „Superverbotsnorm“ ausgeweitet werden.96 Darüber hinaus käme es zu einer Aufweichung des spezifischen Rechtsgüterschutzes des besonderen Teils des Strafrechts.97 Dem Treugeber würde gegen seinen Willen ein Vermögensschutz aufgedrängt. Dieser kann sein Vermögen schließlich auch selbst zu gesetzeswidrigen Zwecken einsetzen, weshalb er auch einer solchen Verwendung seines Vermögens durch Dritte zustimmen können muss.98 Auch hinsichtlich des in der Bremer-Vulkan-Entscheidung behandelten Gesichtspunkts kann der herrschenden Meinung nicht zugestimmt werden. Denn wirtschaftliche Eigentümer des Gesellschaftsvermögens sind die Gesellschafter, die rechtliche Zuordnung des Vermögens zur Gesellschaft als eigene Rechtspersönlichkeit ist letztlich rein fiktiv.99 Die Erhaltung des Vermögensbestandes sollte sich daher allein nach dem Interesse der Gesellschafter richten, sodass zumindest über die strafrechtliche Pflichtwidrigkeit einer vermögensmindernden Handlung auch nur ihr Wille entscheiden kann.100 Schutzzweck des § 266 StGB ist gerade nicht der durch die h. M. letztlich bezweckte Gläubigerschutz, sondern allein der Vermögensschutz des Treugebers. Auf diesen kann, wie gezeigt, verzichtet werden.101 Die Handlung zum Nachteil der Gläubiger bleibt dann zwar (zivil-)rechtswidrig, aber erfüllt nicht den Untreuetatbestand. Bei einem Einverständnis des Geschäftsherrn entfällt daher im Zusammenhang mit juristischen Personen stets auch die Strafbarkeit nach § 266 StGB.
III. Vermögensnachteil Durch die pflichtwidrige Handlung muss dem Vermögen des Treugebers ein Nachteil entstanden sein. Es herrscht weitgehend Einigkeit, dass dieser Vermögensnachteil grundsätzlich nach den gleichen Maßstäben wie der Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB zu beurteilen ist.102 Bei der Bestimmung des Vermögensnachteils i. S. d. § 266 StGB stellen sich also im Grundsatz dieselben Fragen und Streitigkeiten wie im Rahmen des § 263 StGB. Ein Vermögensnachteil ist dann anzunehmen, wenn das Verhalten 96
Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 924 f. Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 925. 98 Vgl. Ransiek, in: StV 2009, 321, 321. 99 Vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 21b; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 158; vgl. Trüg, in: NStZ 2013, 717, 718. 100 Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 21b; vgl. Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 483, 512. 101 Vgl. BGH, NJW 2000, 154, 155. 102 Rengier, StGB BT I, § 18 Rn. 49; Fischer, StGB, § 266 Rn. 115; Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 78b; BVerfG, NJW 2009, 2370, 2371. 97
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des Täters in einer nicht kompensierten Vermögensminderung resultiert.103 Um eine solche Vermögensminderung feststellen zu können, muss zunächst erörtert werden, wie sich das zu schützende Vermögen bestimmen lässt und welche Positionen zu berücksichtigen sind (1.). Im Anschluss wird zu untersuchen sein, wie eine Minderung des geschützten Vermögens festgestellt werden kann (2.), bevor die Frage erörtert wird, ob bei der Nachteilsbestimmung über die Kriterien aus dem Betrugstatbestand hinaus noch weitere untreuespezifische Schadenskriterien zu beachten sind (3. und 4.). Anschließend wird bereits an dieser Stelle kurz auf die Kompensation einzugehen sein (5.). 1. Vermögensbegriff Um eine Minderung des Vermögens bestimmen zu können, ist zunächst zu untersuchen, welche Positionen schützenswerter Teil des Vermögens sein können. Hierüber herrscht Uneinigkeit. a) Juristischer Vermögensbegriff Nach dem juristischen Vermögensbegriff zählen zum Vermögen alle Vermögensrechte und -pflichten einer Person. Der wirtschaftliche Wert soll dabei unbeachtlich sein. Der Umfang des Vermögens bestimme sich durch das bürgerliche Recht, denn das Strafrecht könne sich nicht von den für die rechtliche Einteilung von Gütern entscheidenden Normen des Zivilrechts emanzipieren.104 Dieser rein juristische Vermögensbegriff stellt die älteste Vermögenslehre dar und wird heute so nur noch vereinzelt vertreten.105 b) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff sollen dagegen alle Positionen, denen ein objektiver wirtschaftlicher Wert zukommt, ohne Rücksicht auf ihre Rechtsnatur Teil des durch die Vermögensdelikte geschützten Vermögens sein. Die wirtschaftliche Vermögenslehre entfernt sich von den außerstrafrechtlichen Maßgaben, insbesondere von denen des Zivilrechts. Rechtliche Zuweisungskriterien werden abgelehnt und allein auf faktisch wirtschaftliche Verhältnisse abgestellt. Es wird also jedes Wirtschaftsgut in den Vermögensschutz einbezogen, das einen Marktwert hat. Die Frage, ob es legal erlangt worden ist, soll darüber hinaus keine Rolle spielen.106 103 104 105 106
NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 96. Gerland, Deutsches Reichsstrafrecht, S. 560, 637. Vgl. Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 79. Vgl. Graf/Jäger/Wittig-Waßmer, § 266 Rn. 58.
B. Tatbestandsmerkmale
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c) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff Innerhalb der juristisch-ökonomischen Vermögenslehre wird, in vielen voneinander abweichenden Facetten, vertreten, dass grundsätzlich eine wirtschaftliche Beurteilung der zu schützenden Vermögenspositionen vorzunehmen sei, denn nur so könne dem Kern des geschützten Rechtsguts „Vermögen“ Rechnung getragen werden.107 Es sollen aber, um die Einheit der Rechtsordnung zu wahren, wirtschaftlich wertvolle, aber noch nicht als subjektive Rechte ausgestattete Positionen nur dann zum Vermögen gehören, wenn sie „unter dem Schutz der Rechtsordnung“108 stünden oder „mit deren Billigung bzw. ohne deren Missbilligung“109 realisiert werden könnten. Folge dieses Vermögensverständnisses ist, dass gewisse werthaltige Positionen ohne strafrechtliche Konsequenzen veruntreut werden könnten, so zum Beispiel illegale Betäubungsmittel, Falschgeld oder Diebes- bzw. Hehler-Beute.110 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass diese Positionen trotz eines wirtschaftlichen Wertes nicht schützenswert seien, da sie sich nach den Regeln des redlichen Wirtschaftsverkehrs und des Zivilrechts nicht im Vermögen des sogenannten „Vortäters“ hätten befinden dürfen.111 d) Integrierter Vermögensbegriff Die Lehre vom integrierten Vermögensbegriff betont, wie auch die juristischökonomische Vermögenslehre, dass eine Position nur wirtschaftlichen Wert haben könne, wenn sie vom Rechtssystem anerkannt sei. Hierbei geht die integrierte Vermögenslehre allerdings weiter als die juristisch-ökonomische. Sie kritisiert, dass diese zu kurz greife, weil sie Wirtschaft und Recht als zwei prinzipiell gegensätzliche Systeme ansehe und daher den ökonomischen Vermögensbegriff nur in Einzelfällen korrigiere.112 Die integrierte Vermögenslehre geht davon aus, dass es sich bei Wirtschaft und Recht gerade nicht um zwei „widerstreitende Subsysteme“113 handele, sondern beide denselben Ausgangspunkt hätten. Daher wird hier eine generelle Korrektur vorgenommen. Dem Inhaber des Vermögens müssten stets „zivilrechtlich anerkannte Durchsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die ihm die Freiheit lassen, über Vermögensgüter nach seinem Belieben zu verfügen und ihn zugleich in die Lage versetzen, externe Störfaktoren effektiv begegnen zu können“.114 107
Vgl. Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 82; vgl. Fischer, in: Jahn/Nack, 73, 76. Foth, in: GA 1966, 31, 42. 109 Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 83; s. auch Cramer, in: JuS 1966, 472, 475; Lenckner, in: JZ 1967, 105, 107; vgl. auch MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 383. 110 Vgl. Rengier, StGB BT I § 13 Rn. 132 ff., 138 ff. 111 LK(10.Aufl.)-Lackner, § 263 Rn. 132; im Erg. auch LK-Tiedemann, § 263 Rn. 132. 112 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 109 ff.; vgl. Kargl, in: JA 2001, 714, 716. 113 MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 409, 413. 114 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117. 108
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e) Nach der Entscheidung des BVerfG In der oben dargelegten Grundsatzentscheidung115 bekennt sich das BVerfG zwar zum wirtschaftlichen Ansatz für die Vermögensbestimmung, denn dieser stelle den gesetzgeberischen Willen dar. Es lehnt aber die Anwendung normativer Kriterien nicht vollständig ab, solange diese die wirtschaftlichen Überlegungen nicht verdrängten.116 f) Einschätzung Die rein juristische Vermögenslehre wird heute zu Recht kaum noch vertreten. Sie führt zu schwer nachvollziehbaren Ergebnissen, indem sie Positionen, die tatsächlich einen wirtschaftlichen Wert haben, wie zum Beispiel Geschäftsgeheimnisse oder die Arbeitskraft, von vornherein den Schutz verwehrt, gleichzeitig aber wirtschaftlich wertlose Positionen schützt. Die rein wirtschaftliche und die juristisch-ökonomische Vermögenslehre bestimmen beide zunächst das individuelle Vermögen einer Person anhand wirtschaftlicher Faktoren. Der strafrechtliche Schutz orientiert sich somit grundsätzlich am ökonomischen System um den konstruierten Begriff des Vermögens greifbar zu machen. Einer Entscheidung zwischen diesen Ansichten bedarf es in vielen Fällen nicht, da beide häufig zu gleichen Ergebnissen gelangen. Das System der juristisch-ökonomischen Lehre, in rechtlich missbilligten Fällen einzelnen Positionen den Vermögensschutz zu verwehren, führt teilweise zu schwer vorhersehbaren Einzelfallentscheidungen. Es wird ein Regel-Ausnahme-Prinzip geschaffen, dessen Anwendung im Voraus für den potentiellen Täter schwer einzuschätzen sein kann. Andererseits führt die strafrechtliche Anerkennung von Positionen, die im übrigen Rechtssystem missbilligt werden durch die wirtschaftliche Vermögenslehre zu einer Durchbrechung der Einheit der Rechtsordnung. Das Strafrecht ist zwar grundsätzlich nicht abhängig von anderen Rechtsgebieten, es ist aber doch Teil des Gesamtsystems der Rechtsordnung und regelt in diesem Zusammenspiel das Zusammenleben in der Gesellschaft. Gerade hinsichtlich der Bestimmung vermögensrechtlich schützenswerter Güter kann das Zivilrecht hilfreich sein und beinhaltet relevante Regelungen. Der Kritik der Ungenauigkeit und der Einzelfallentscheidungen, der das juristisch-ökonomische Vermögensverständnis ausgesetzt ist, kann die Lehre des integrierten Vermögensbegriffs entgegenhalten, dass hiernach generell die Gesamtrechtsordnung zu beachten sei. Es handele sich bei den Systemen Wirtschaft und Recht um miteinander verknüpfte Systeme. Allerdings ist fraglich, ob dieser Aus115 116
Vgl. oben, S. 27 ff. Vgl. oben, S. 27 ff.
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gangspunkt dem vom BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung geforderten grundsätzlich wirtschaftlichen Ansatz zur Vermögensbestimmung genügt.117 Denn die generelle Beachtung normativer Vorgaben wird wirtschaftliche Vorgaben wohl stets verdrängen. Es ist daher vorzugswürdig, im Ausgangspunkt an der wirtschaftlichen Betrachtung festzuhalten, aber mit Hinweis auf die Einheit der Rechtsordnung zumindest im Fall des Vermögensabflusses diese faktische Sicht durch den Ausschluss rechtlich missbilligter Positionen zu korrigieren. Zumindest solange eine punktuelle normative Beschränkung des strafrechtlichen Vermögensschutzes den Normadressaten (hier den Treunehmer) nicht belastet, sondern „nur“ einzelnen Positionen zulasten des Treugebers den Schutz verwehrt, ist dies mit der gebotenen restriktiven Auslegung des Strafrechts vereinbar. Eine eventuell mangelnde Vorhersehbarkeit wirkt sich in diesem Fall nicht zulasten des potentiellen Täters aus. In diesem Zusammenhang ist es daher hinnehmbar, dass Positionen, die vom Treugeber auf rechtlich missbilligte Weise erlangt worden sind, obwohl sie wirtschaftlich werthaltig sind, nicht dem Schutz des § 266 StGB unterfallen. Zumindest auf der Seite des Vermögensabflusses im Rahmen des Untreuetatbestands ist es daher vertretbar, einen im Grundsatz wirtschaftlichen Vermögensbegriff anzuwenden, der in einzelnen gebotenen Fällen rechtlich korrigiert wird, da diese Korrektur zugunsten des Normunterworfenen geschieht und seine Strafbarkeit lediglich einschränkt. 2. Feststellung der Minderung Nach der Bestimmung des anzuwendenden Vermögensbegriffs, soll im Folgenden erörtert werden, wie eine Minderung dieses vor der Untreuehandlung bestehenden Vermögens festgestellt werden kann. a) Prinzip der Gesamtsaldierung Nach dem – zumindest im Grundsatz anzuwendenden – wirtschaftlichen Vermögensbegriff118 ist das Vermögen die Summe aller in Geld umgerechneten Vermögensgegenstände. Zur Beurteilung einer Minderung muss es daher auf eine Gesamtbetrachtung der Vermögensmasse als wirtschaftliche Einheit ankommen. Hierfür ist nach herrschender Meinung, wie auch im Rahmen des § 263 StGB, das Prinzip der Gesamtsaldierung anzuwenden.119 Danach ist ein Vermögensnachteil gegeben, wenn die treuwidrige Handlung zu einer Vermögensminderung führt, die 117
Vgl. oben, S. 27 ff. Vgl. oben, S. 52 f. 119 MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 202; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 40; krit.: NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 108. 118
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nicht durch eine erlangte Gegenleistung wirtschaftlich ausgeglichen wird.120 Wenn also bei der Saldierung aller Vor- und Nachteile der objektive wirtschaftliche Wert des Vermögens nach der pflichtwidrigen Handlung geschmälert ist.121 Im Rahmen des Betrugstatbestands wird hierzu die Vermögenslage unmittelbar vor und nach der vom Opfer selbst vorgenommenen Vermögensverfügung verglichen.122 Im Hinblick auf die unterschiedliche Struktur des Untreuetatbestands als Fremdschädigungsdelikt123 gegenüber dem Betrug als Selbstschädigungsdelikt124 ergeben sich diesbezüglich einige Besonderheiten. b) Besonderheiten des Untreue-Tatbestands Der Treunehmer hat eine besondere Garantenstellung125 gegenüber dem zu betreuenden Vermögen, sodass auch seine Pflichten hinsichtlich der Vermögenspflege weiter gehen als diejenigen des Betrugstäters ((1)). Darüber hinaus ist die Untreue, anders als der Betrug, kein Vermögensverschiebungsdelikt. Das bedeutet, dass eine Vermögensverfügung die „als Scharnier zwischen Täter- und Opfersphäre fungiert und den Übergang des betroffenen Vermögenswertes von der einen zur anderen Sphäre realisiert“126 nicht zwingend vorhanden ist und somit auch keinen eindeutigen Anhaltspunkt bietet für einen „Vorher-Nachher-Vergleich“.127 Über den Weg zur Feststellung des erforderlichen Nachteils herrscht daher keine Einigkeit ((2)). aa) Unterlassen der Gewinnmehrung: Verlust von Exspektanzen Es ist je nach konkreter Situation auch Pflicht des Treunehmers, das anvertraute Vermögen sorgfaltsgemäß zu verwalten und es gegebenenfalls zu vermehren. Der Nachteilsbegriff i. S. d. § 266 StGB ist diesbezüglich weiter als der Schadensbegriff des § 263 StGB.128 Auch das BVerfG hat in seiner Grundsatzentscheidung klargestellt, dass eine unterlassene Vermögensmehrung prinzipiell einen Nachteil i. S. d. Untreuetatbestands begründen könne.129 Demnach stellt sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß Gewinnerwartungen als „gegenwärtige Basis künftiger, bereits angelegter, hinsichtlich Ob und Umfang des tatsächlichen Eintritts aber noch un120 Vgl. BGH, NJW 1999, 1485, 1486; BGH, NStZ-RR 2002, 237, 238; Fischer, StGB, § 263 Rn. 111. 121 BGH, NStZ-RR 2002, 237, 238; vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 106. 122 Fischer, StGB, § 263 Rn. 111. 123 Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 864. 124 Fischer, StGB, § 263 Rn. 70. 125 Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 865. 126 Perron, in: Frisch-FS, 857, 863. 127 Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 39. 128 Vgl. Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 769 f.; ders., in: Frisch-FS, 857, 865; ders., in: Sch/Sch, § 266 Rn. 46; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 97. 129 BVerfG, NJW 3209, 3216.
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gewisser Zuwächse“130 schon zum konkreten, aktuellen Vermögen gezählt und somit vom Treunehmer veruntreut werden können. Diese zukünftigen Gewinnerwartungen werden auch als „vermögenswerte Exspektanz“131 oder „vermögenswerte[n] Anwartschaften“132 bezeichnet oder als „konkrete, gesicherte Aussichten auf Vermögensmehrung“133 umschrieben. Diese Begrifflichkeiten werden in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet. Die Frage der Anerkennung künftiger Gewinnaussichten ist für die vorliegende Untersuchung deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Erlangung einer begründeten Gewinnerwartung im Rahmen der Kompensation des Vermögensabflusses eine wichtige Rolle spielen wird.134 Wenn für die Anerkennung einer sogenannten vermögenswerten Exspektanz auf der Abflussseite, also bei der Bestimmung des Vermögens vor der Untreuehandlung, dieselben Voraussetzungen gelten würden wie im Rahmen des Vermögenszuflusses, könnte später auf diese Voraussetzungen zurückgegriffen werden. Dies ist allerdings keinesfalls zwingend. Denn die Anerkennung einer vermögenswerten Exspektanz als Vermögensbestandteil hat in den beiden Konstellationen jeweils unterschiedliche Auswirkungen. Auf der Abflussseite führte die Anerkennung einer vermögenswerten Exspektanz dazu, dass diese Exspektanz Teil des Anfangsvermögens würde. Nimmt der Treunehmer die Exspektanz nicht wahr oder vereitelt er sie aktiv, so ist das Vermögen nach seiner Handlung oder Unterlassung kleiner als davor. Ein Vermögensnachteil wäre anzunehmen. Die Anerkennung einer vermögenswerten Exspektanz als Vermögenszufluss hingegen könnte dazu führen, dass ein Vermögensabfluss kompensiert und ein Nachteil zu verneinen wäre. Es ist daher möglich, dass zugunsten des Treunehmers unterschiedlich strenge Maßstäbe an die Anerkennung der Exspektanz zu setzen sind.135 Hierauf soll allerdings erst im Rahmen der Kompensation durch die Erlangung von vermögenswerten Exspektanzen näher eingegangen werden. Im Folgenden wird „lediglich“ der Meinungsstand dargestellt und eine kurze Stellungnahme zu der Anerkennung von Exspektanzen auf Seiten des Vermögensabflusses gegeben. Wie oben ausgeführt, bestünde bei Anerkennung der Exspektanz als Teil des Vermögens vor der Untreuehandlung ein tatbestandsrelevanter Vermögensnachteil auch dann, wenn der Täter einen Vermögenszuwachs durch positives Tun oder Unterlassen vereitelte.136 Für diese Anerkennung als Teil des Anfangsvermögens
130 131 132 133 134 135 136
Vgl. Bittmann, in: NStZ 2012, 57, 57 m. w. N. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 210. Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3216. Siehe hierzu unten, S. 135 ff. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 37 ff., 120 ff. m. w. N. Vgl. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 210.
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bedarf es nach der herrschenden Meinung einer bestimmten gefestigten Gewinnaussicht. Eine bloße Hoffnung oder vage Chance reiche nicht aus.137 Über die Qualifizierung als ausreichend konkretisierte Gewinnchance herrscht wiederum Uneinigkeit. Die Rechtsprechung138 und Teile der Literatur139 gehen davon aus, dass eine Exspektanz als Vermögenswert dann bestehe, wenn die Erwerbs- und Gewinnerwartung schon so weit konkretisiert sei, dass ihr der Wirtschaftsverkehr bereits für die Gegenwart einen wirtschaftlichen Wert beimesse. Davon sei auszugehen, wenn der Vermögenszuwachs mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.140 Von anderen Teilen der Literatur141 wird eine reine Beurteilung nach der Wahrscheinlichkeit der Realisierung eines Gewinns abgelehnt und (in Konsequenz vor allem des integrierten Vermögensbegriffs) auf die rechtliche Realisierbarkeit des Vorteils abgestellt. Hiernach sei eine sogenannte „Vermeidemacht“142 gegenüber externen Störfaktoren erforderlich. Letztlich wird ein mit der zivilrechtlichen Anwartschaft vergleichbarer Zustand gefordert.143 Letzterer Meinung kann zugutegehalten werden, dass sie eine eindeutigere Bestimmbarkeit der zu berücksichtigenden Gewinnaussicht sicherstellt. Allerdings erscheint es nach den obigen Ausführungen zum Grundsatz der (auch vom BVerfG geforderten) wirtschaftlichen Vermögensbestimmung144 nicht angebracht, bei Berücksichtigung einer Exspektanz als Teil des schützenswerten Anfangsvermögens nun einen anderen (normativen) Maßstab anzulegen als bei der Beurteilung bereits erlangter tatsächlich objektiv werthaltiger Positionen. Daher soll für den Vermögensabfluss im Folgenden der ersten Ansicht gefolgt und die Berücksichtigung von Exspektanzen nach dem faktischen Kriterium der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung beurteilt werden. Der Schutz des Treunehmers vor einer übermäßigen Ausweitung des Nachteilsbegriffs kann über die spezifischen Anforderungen an diese Wahrscheinlichkeit bzw. über die den Exspektanzen zugeordnete Werthaltigkeit erreicht werden. Da diese Kriterien allerdings auch für die Zuflussseite relevant sind, soll eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Thema im Rahmen der Kompensation durch die Erlangung vermögenswerter Exspektanzen stattfinden.145 137 Vgl. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 210; vgl. (zum Betrug) Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 87 m. w. N. 138 BVerfG, NJW 3209, 3216; vgl. BGH, NJW 1962, 973 m. w. N. 139 Vgl. (zum Betrug) LK-Tiedemann, § 263 Rn. 135 f. m. w. N.; Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 87; vgl. Mohrbotter, in: GA 1971, 321, 321 ff.; vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 68. 140 BGH, NJW 1962, 973, 973 m. w. N.; vgl. BGH, NJW 1965, 770, 771; BGH, NJW 1975, 1234, 1235 f.; vgl. BGH, NStZ 2003, 540 f.; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 68. 141 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117 f.; ders., in: MüKo, § 263 Rn. 384 f.; LKSchünemann, § 266 Rn. 167. 142 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117. 143 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117 f. 144 Vgl. oben, S. 52 f. 145 Siehe hierzu unten, S. 135 ff.
B. Tatbestandsmerkmale
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bb) Berechnung des Nachteils Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang die Frage, wie der Vermögensnachteil berechnet werden soll.146 Denn die wirtschaftliche Entwicklung des Vermögens beruht – gerade auch in den zuvor besprochenen Fällen eines entgangenen Gewinns – meist nicht allein auf der Handlung oder dem Unterlassen des Treunehmers. Vielmehr ist das Vermögen im wirtschaftlichen Kontext einer Vielzahl von Faktoren und Handlungen sowohl des Treunehmers als auch dritter Personen ausgesetzt. Es stellt sich daher die Frage, wie das Vorliegen eines Nachteils festgestellt werden kann und welche Entwicklungen im Zusammenhang mit dieser Berechnung berücksichtigt werden müssen. cc) Berechnungsmethode In diesem Zusammenhang kommen zwei verschiedene Lösungswege in Betracht: Eine Betrachtung aus der Perspektive des Handelnden ex ante zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung oder Unterlassung ((a)). Oder eine Betrachtung aus der Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Schadensfeststellung und somit eine Rückschau ex post ((b)). (1) Vorher-Nachher-Vergleich Die ständige Rechtsprechung147 und auch Teile der Literatur148 gehen, trotz der aufgezeigten Unterschiede zum Betrug,149 auch im Rahmen des Untreuetatbestands davon aus, dass der Vermögensnachteil durch einen Vergleich des gesamten Treugebervermögens vor und unmittelbar150 nach der pflichtwidrigen Tathandlung bestimmt werden soll. Wertentwicklungen und Vermögensveränderungen können, nach dieser Ansicht, nur als tatbestandliche Vermögensnachteile berücksichtigt werden, wenn sie als Folge der pflichtwidrigen Handlung des Treunehmers bereits zum Zeitpunkt der Vornahme dieser Tathandlung – also ex ante – feststellbar waren. Nachträgliche Entwicklungen, die sich an die Untreuehandlung anschließen, müssen hiernach unberücksichtigt bleiben. 146
Vgl. Salditt, in: Fischer/Hoven, 99, 101 f. BGH, NStZ 2010, 330, 331; BGH, NJW 2011, 2675 ff. Rn. 12, 16; BGH, StV 2011, 728, 731 f.; vgl. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 36. 148 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 71; Fischer, StGB, § 266 Rn. 115a m. w. N.; vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 103; vgl. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 202; Lackner/KühlHeger, § 266 Rn. 17. 149 Vgl. oben, S. 54 ff. 150 Siehe hierzu die hiervon untrennbare Frage des (zeitlichen) Zurechnungszusammenhangs unten, S. 65 ff. und ab S. 122 ff. 147
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
Die pflichtwidrige Handlung des Treunehmers wird sich allerdings nicht stets direkt vermögensmindernd auswirken. Durch sie wird meist erst eine wirtschaftliche Entwicklung angestoßen, die sich erst mit zeitlichem Abstand negativ (oder positiv) auf das geschützte Vermögen auswirken wird. Innerhalb der ex ante-Betrachtung kommt es daher entscheidend auf die Figuren des Gefährdungsschadens151 und der vermögenswerten Exspektanz152 an. Zukünftige Wertentwicklungen müssen über eine Prognoseentscheidung in das gegenwärtige Vermögen eingepreist werden.153 Besteht die Pflichtverletzung des Treunehmers in der Nichtwahrnehmung einer Gewinnchance, so kann ein Vermögensnachteil durch einen Vergleich des Treugebervermögens vor und unmittelbar nach dieser „Nichtwahrnehmung“ nur dann angenommen werden, wenn die entgangene Gewinnchance – entsprechend der hier vertretenen Ansicht154 – bereits so konkret war, dass sie als vermögenswerte Exspektanz Teil des Anfangsvermögens des Treugebers war und durch die Nichtwahrnehmung verloren gegangen ist.155 (2) Hypothetischer Sollzustand (korrigierte ex post-Betrachtung156) Für einen Teil der Literatur157 bedeutet der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB dagegen ein „relatives Zurückbleiben hinter dem bei pflichtgemäßem Verhalten erreichbaren Stand“.158 Der Nachteil wird hiernach durch einen hypothetischen Vergleich der tatsächlichen Vermögensentwicklung mit derjenigen Entwicklung, die sich bei pflichtgemäßem Verhalten ergeben hätte, ermittelt.159 Es sollen auch zeitlich spätere, tatsächlich eingetretene Folgen der pflichtwidrigen Untreuehandlung bei der Nachteilsbestimmung berücksichtigt werden.160 In diesem Zusammenhang bestehen unterschiedliche Ansätze, wie aus der Fülle der kausal durch die Tathandlung mitbewirkten Vermögensveränderungen diejenigen „herausgefiltert“ werden könnten, die dem Treunehmer tatsächlich vorwerfbar und deshalb bei der Quantifizierung des Untreuenachteils zu berücksichtigen seien.
151
Siehe unten, S. 70ff. Vgl. oben, S. 54 ff. 153 Vgl. krit. Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 769. 154 Vgl. oben, S. 54 ff. 155 Vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 167, 176 m. w. N.; Fischer, StGB, § 266 Rn. 116 m. w. N.; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 70 f.; vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3216 m. w. N.; BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 39. 156 Bittmann, in: NStZ 2013, 72 ff. 157 Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 773 ff.; vgl. Bittmann, in: NStZ 2013, 72 ff.; NKKindhäuser, § 266 Rn. 97; Rengier, StGB BT I, § 18 Rn. 54. 158 Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 775. 159 Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 858, 865 f. 160 Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 775. 152
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Nach Bittmann161 soll die Nachteilsfeststellung in zwei Schritten erfolgen. In einem ersten Schritt werden jegliche „real eingetretenen Folgen ex post“162 betrachtet, die sich seit der pflichtwidrigen Handlung für das Vermögen ergeben haben. In einem zweiten, korrigierenden Schritt sollen dann die Folgen, die auf unabsehbaren Entwicklungen beruhen, herausgefiltert werden, indem Umstände, die zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung nicht erkennbar waren, die aber tatsächlich nachträglich eingetreten sind, bei der Schadensfeststellung außer Betracht bleiben.163 Es handelt sich um eine korrigierte ex post-Betrachtung.164 Perron hat hierzu jüngst ausgeführt, dass es genügen müsse, wenn „überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt ein Vermögensnachteil als zurechenbare Folge des pflichtwidrigen Verhaltens sicher festgestellt werden kann“.165 Er wendet also die Kriterien der objektiven Zurechnung an, um die nachträglich erlittenen vorwerfbaren Vermögensminderungen von zufällig eingetretenen Folgen zu trennen.166 Im Hinblick auf die Feststellung eines Vermögensnachteils durch entgangene zukünftige Gewinnchancen muss hiernach hypothetisch untersucht werden, wie das Vermögen bei der Wahrnehmung bzw. Nicht-Vereitelung dieser Gewinnchance ausgesehen hätte und ob der so prognostizierte „hypothetische Sollzustand“ positiver wäre als der tatsächlich eingetretene „Ist-Zustand“. (3) Nach dem BVerfG Das BVerfG hat in seiner Grundsatzentscheidung betont, dass beide Berechnungsansätze verfassungsrechtlich mit dem Wortlaut des § 266 Abs. 1 StGB vereinbar seien.167 (4) Einschätzung Die Vertreter der ex post-Bewertung verweisen auf die bereits genannten Besonderheiten des Untreuetatbestands gegenüber dem Betrug. Da eine punktuelle Vermögensverfügung nicht Tatbestandsvoraussetzung sei, gebe es keinen relevanten und zuverlässigen Anknüpfungspunkt für einen Vorher-Nachher-Vergleich.168 Es komme daher im Gegensatz zum Betrug gerade nicht darauf an, dass der Nachteil direkt durch die Handlung des Treunehmers entstehe. Es genüge vielmehr grundsätzlich, dass sein pflichtwidriges Verhalten die Ursache dafür setze, dass der
161 162 163 164 165 166 167 168
Bittmann, in: NStZ 2013, 72, 73. Bittmann, in: NStZ 2013, 72, 73. Bittmann, in: NStZ 2013, 72, 73; vgl. auch NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 100. Bittmann, in: NStZ 2013, 72, 73. Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 775 f.; so ähnlich auch NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 100. Zur Frage der Zurechnung siehe näher unten, S. 62 ff. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3216. Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 863.
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
Nachteil im weiteren Verlauf zu irgendeinem Zeitpunkt entstehe.169 Eine Eingrenzung auf tatsächlich vorwerfbare Vermögensveränderungen soll dabei über die Anwendung der allgemeinen Zurechnungskriterien erreicht werden,170 oder indem Umstände, die zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung nicht erkennbar gewesen seien, bei der Nachteilsbestimmung außen vor blieben.171 Die Vertreter der ex post-Perspektive kritisieren darüber hinaus, dass bei einer punktuellen Nachteilsbestimmung ex ante die Figuren des Gefährdungsschadens und der vermögenswerten Exspektanz ausgedehnt würden.172 Dies sei mit der Grundsatzentscheidung des BVerfG nicht vereinbar. Denn hierin habe das BVerfG festgelegt, dass der Vermögensnachteil hinreichend konkret und der Höhe nach beziffert werden müsse.173 Dies verbiete aber gerade eine extensive Anwendung der Figur des Gefährdungsschadens, bei der eine exakte Quantifizierung letztlich nicht möglich sei, da es sich um eine Prognoseentscheidung handele. Perron will daher auf die Figur des Gefährdungsschadens weitgehend verzichten, indem er die zeitliche Komponente der Nachteilsfeststellung ausdehnt.174 Mit der Nachteilsbestimmung ex post könne immer so lange abgewartet werden, bis ein Vermögensnachteil als zurechenbare Folge des pflichtwidrigen Verhaltens sicher festgestellt werden könne. Nach Ansicht Kindhäusers175 führt ein Vorher-Nachher-Vergleich in Fällen der unterlassenen Gewinnmehrung zu nicht haltbaren Ergebnissen, da das Vermögen in diesem Fall zahlenmäßig den gleichen Wert aufweisen werde, wie vor der relevanten pflichtwidrigen Handlung bzw. Unterlassung. Dem kann man allerdings entgegenhalten, dass nach der ersten Ansicht gerade eine objektiv bestimmbare werthaltige Exspektanz bereits im Vermögen enthalten und diese aufgrund der Nicht-Nutzung der Gewinnchance untergegangen sein muss. Eine Differenz wird daher auch „zahlenmäßig“ erkennbar und somit ein Vergleich möglich sein. Der ex ante-Betrachtung wird darüber hinaus entgegengehalten, dass sie fehleranfällig und ungenau sei. Bei der anzustellenden nachträglichen Prognose über die zum maßgeblichen Zeitpunkt (Pflichtverletzung) zu erwartende Vermögensent169 Perron, in: Heinz-FS, 796, 805; wobei er dies in Kindhäuser-FS, 765 ff. über die Kriterien der objektiven Zurechnung und einen entsprechenden Vorsatz des Treunehmers weiter eingeschränkt hat. 170 Vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 99; vgl. Perron, in: Kindhäuser-FS, S. 765, 775 ff. A. A. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 72; vgl. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 202, die anmerken, dass es sich hierbei nicht um die Problematik der Nachteilsfeststellung der Höhe nach handele, sondern vielmehr um eine Frage der objektiven Zurechnung des Nachteils, siehe hierzu unten, S. 62 ff. 171 Bittmann, in: NStZ 2013, 72, 73; vgl. auch NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 100. 172 Vgl. Perron, in: Kindhäuser-FS, S. 765, 774 ff. 173 Perron, in: Kindhäuser-FS, S. 765, 774 mit Verweis auf BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215, 3220; BVerfG, NJW 2012, 907, 916. 174 Vgl. Perron, in: Kindhäuser-FS, S. 765, 775 ff. und unten, S. 64 ff. 175 Vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 97 f.
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wicklung müsse künstlich eine eventuell sogar jahrelange Entwicklung ausgeblendet werden.176 Dies sei zum einen mit viel Aufwand verbunden und zum anderen könne sich der Bewertende häufig nicht frei machen von der tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen Entwicklung.177 Letzteres stellt allerdings eine generelle Herausforderung für den Rechtsanwender dar, die als rein praktisches Problem bei der dogmatischen Einordnung außer Betracht zu bleiben hat. Darüber hinaus entfällt das Problem der Ungenauigkeit und Unsicherheit auch bei einer korrigierten ex post-Betrachtung nicht. Dies wird auch von den Vertretern dieser Meinung bestätigt.178 Es wird sogar anerkannt, dass die bemängelten Unsicherheiten bei einer solchen Berechnungsmethode noch größer seien.179 Dies gelte vor allem in Zusammenhang mit einem Nachteil durch entgangenen Gewinn. Denn vereitelte Gewinnchancen ließen sich nicht verlässlich rückblickend bestätigen. Wenn eine Gewinnchance nicht wahrgenommen wurde und deshalb untergegangen ist, lasse sich der entgangene Gewinn im Nachhinein auch nur hypothetisch feststellen. Darüber hinaus könne erst in dem Moment von einem hypothetischen Nachteil ausgegangen werden, in dem sich die Gewinnchance wahrscheinlich realisiert hätte.180 Letztlich ergeben sich bei beiden Berechnungsmethoden Unsicherheiten. Dies liegt nicht zuletzt an der zu bewertenden Materie des Vermögens. Es handelt sich hierbei um eine dynamische Bezugsgröße, die sich nicht verlässlich durch eine bestimmte Bewertungsregel darstellen lässt. Es werden daher immer Prognosespielräume verbleiben. Bei Anwendung der ex ante-Perspektive muss die zu erwartende Vermögensentwicklung aus Sicht des Treunehmers prognostiziert werden. Tatsächlich wird es schwierig sein, nachträglich eine ex ante-Prognose vorzunehmen und sich hierbei von der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung freizumachen.181 Durch das klare Anknüpfen an die unmittelbaren Folgen der einzelnen Handlung können allerdings die zu bewertenden Entwicklungen eingegrenzt werden. Der Fokus kann dann auf die vom BVerfG geforderte Bestimmung der tatsächlichen Vermögensveränderung gelegt werden. Bei Anwendung der ex post-Bewertung wird die Vermögensgefährdung zwar keine Rolle spielen, da stets ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein wird. Allerdings muss auch hier rückblickend und daher hypothetisch beurteilt werden, ob die 176
Bittmann, in: NStZ 2013, 72, 73. Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 54. 178 Vgl. Bittmann, in: NstZ 2013, 72, 74; Perron, in: Frisch-FS, 857, 868. 179 Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 868. 180 Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 868. 181 Sogenannter „Rückschaufehler“, vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 54 mit Verweis auf Steinbeck/Lachenmaier, in: NJW 2014, 2086, 2089 f. 177
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eingetretenen Folgen für den Treunehmer „erkennbar“ waren und ob sie bei pflichtgemäßem Handeln unterblieben wären. Hierbei wird es sich meist um die gleiche Beurteilung handeln, wie die Feststellung der für den Treunehmer ex ante erkennbaren Vermögensminderungen. Auch nach dieser Bewertungsperspektive können also nicht stets reine Tatsachen untersucht werden. Dies gilt, wie dargestellt, vor allem in Bezug auf die Bestimmung eines Nachteils aufgrund einer entgangenen Gewinnchance. Hier wird im Nachhinein keine numerische Differenz zum Anfangsvermögen feststellbar sein. Es wird dann rückblickend zu beurteilen sein, ob eine Vermögenschance ausgelassen wurde und wie das Vermögen bei Wahrnehmung dieser Chance ausgesehen hätte. Auch unter Anwendung dieser ex post-Betrachtung müssen daher hypothetische Beurteilungen, quasi als rückwärts gerichtete PrognoseEntscheidungen, getroffen werden. Hierbei ergibt sich allerdings gegenüber der ex ante-Betrachtung die zusätzliche Unsicherheit, dass die Prognose nicht auf die konkreten Folgen einer abgrenzbaren Handlung fokussiert werden kann, sondern dass die gesamte wirtschaftliche Entwicklung des Treugebervermögens im Zweifel über Jahre hinweg und rückwirkend untersucht werden muss. In diesem Zeitraum war das Vermögen im wirtschaftlichen Kontext einer Vielzahl von Faktoren und Handlungen verschiedener Personen ausgesetzt. Aus der Gesamtentwicklung die dem Treunehmer tatsächlich vorwerfbaren Folgen heraus zu filtern, dürfte ebenfalls mit großen Schwierigkeiten verbunden sein. Die korrigierte ex post-Betrachtung bietet daher keinen erkennbaren Mehrwert gegenüber der ex ante-Betrachtung. Letztlich dürften die beiden Ansichten zumindest dann zu gleichen Ergebnissen kommen, wenn, wie von Bittmann182 vertreten, diejenigen Nachteile, die auf unabsehbaren Umständen oder Entwicklungen beruhen, außer Acht gelassen werden. Das BVerfG selbst hat in seiner Grundsatzentscheidung darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Streit eher um eine Frage der „dogmatischen Konstruktion und Formulierung“183 handele. Es wird daher im Folgenden davon ausgegangen, dass der Vermögensnachteil durch einen Vorher-Nachher-Vergleich aus der ex ante-Perspektive zu beurteilen ist. c) Kausalität und Zurechnung Wie im Rahmen der Erläuterungen zum Verschleifungsverbot184 dargelegt, handelt es sich bei Pflichtverletzung und Nachteil um selbstständige, voneinander losgelöste Tatumstände, die nach eigenen Regeln festzustellen sind.185 Dennoch muss zwischen ihnen ein bestimmtes Verhältnis der Kausalität bestehen und der Nachteil dem Treunehmer zuzurechnen sein. Der Nachteil muss auf die pflicht182
Bittmann, in: NStZ 2013, 72, 73. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3216, in Bezug auf einen Vermögensnachteil durch entgangene Gewinne. 184 Vgl. oben, S. 39 f. 185 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. 183
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widrige Handlung zurückzuführen sein und darf nicht ausschließlich auf anderen Ursachen beruhen.186 aa) Pflichtwidrigkeit Für eine weitere Begrenzung über eine bloße Kausalität i. S. einer conditio sine qua non-Formel187 hinaus muss auch im Rahmen des (an dieser Stelle allein zu betrachtenden) Vermögensabflusses beim Vermögensnachteil ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang bestehen. Der Nachteil muss also gerade durch die Treupflichtverletzung verursacht worden sein.188 Dies widerspricht auch nicht der obigen Entscheidung gegen die korrigierte ex post-Betrachtung189, da es in diesem Zusammenhang noch um die Feststellung der zu berücksichtigenden Positionen innerhalb der Nachteilsberechnung ging, während im Rahmen der Zurechnung das Merkmal der Pflichtwidrigkeit dazu dient, festzustellen, ob der bereits bejahte Nachteil (bzw. Vermögensabfluss) auch auf verwerfliche, dem Täter vorwerfbare Weise von diesem verursacht wurde.190 Der Grundsatz des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs wurde als Gedanke der objektiven Zurechnung in der Fahrlässigkeitsdogmatik entwickelt,191 ist aber auf den Tatbestand der Untreue aufgrund des Wortlautes von § 266 StGB anwendbar: „[…] dadurch einen Nachteil zugefügt“. Der Nachteil muss also durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht hervorgerufen worden sein.192 Ein Nachteil wäre dem Treunehmer daher nicht zuzurechnen, wenn er auch bei normgerechtem Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre.193 Die Rechtsprechung hat den Pflichtwidrigkeitszusammenhang vereinzelt als Zurechnungskriterium angewendet194 und auch in der Literatur wird dieses Merkmal für die Zurechnung nach und nach häufiger herangezogen.195 Dies ist überzeugend, da ansonsten die Strafbarkeit nach § 266 StGB schon dann angenommen werden 186
Vgl. Wessels/Hillenkamp, StGB BT 2 Rn. 767, 775; Perron, in: Frisch-FS, 857, 868 ff. Vgl. Rengier, StGB AT, § 13 Rn. 3. 188 HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 209 f.; vgl. ausführlich zur Anwendung der allgemeinen Zurechnungskriterien auf die Untreue insgesamt Perron, in: Kindhäuser-FS, 765 ff. und vgl. oben, S. 58 f.; vgl. ders., in: Frisch-FS, 857, 868. 189 Vgl. oben, S. 58 f. 190 Vgl. Rengier, StGB AT, § 52 Rn. 26; insoweit werden die von Perron angewendeten Zurechnungskriterien hier letztlich auch angewendet, vgl. in: Kindhäuser-FS, 765 ff. 191 Vgl. Rengier, StGB AT, § 52 Rn. 26. 192 Saliger, in: HRRS 2006, 10, 22. 193 Vgl. Rengier, StGB AT, § 52 Rn. 26; Wessels/Beulke, StGB AT, Rn. 301 ff. 194 BGH, NStZ 2000, 655, 656 m. insoweit zustimmender Anm. Dierlamm; vgl. BGH, NJW 1983, 1807, 1808. 195 Vgl. Doster, in: WM 2001, 333, 337; Hillenkamp, in: NStZ 1981, 161, 166; Saliger, in: HRRS 2006, 10, 22; vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 210; ablehnend Bittmann, Insolvenzstrafrecht § 16 Rn. 41. 187
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müsste, wenn ein Treupflichtverstoß vorläge und eine rein zufällige Schadensherbeiführung hinzukäme.196 bb) Unmittelbarkeit des Vermögensabflusses Im Rahmen der Betrugsstrafbarkeit findet eine weitere Einschränkung des Zurechnungszusammenhangs durch das Erfordernis eines unmittelbaren Schadenseintritts Anwendung.197 Ob dieses Unmittelbarkeitserfordernis auch auf den Abfluss des Vermögens im Rahmen des Untreuetatbestands zu übertragen ist oder wegen der untreuespezifischen Besonderheiten keine Beachtung finden soll, ist streitig198 und wurde bereits oben kurz angesprochen.199 (1) Keine Übertragbarkeit des Betrugs-Spezifikums der Unmittelbarkeit Teile der Rechtsprechung200 und der Literatur201 verneinen das Erfordernis eines sich unmittelbar aus der treuwidrigen Handlung ergebenden Vermögensabflusses. Hiernach sei das Kriterium der Unmittelbarkeit ein Erfordernis des Betrugstatbestands, das den spezifischen Unrechtsgehalt dieses Tatbestands präge.202 In diesem Zusammenhang wird wiederum auf die Vermögensverfügung als „Scharnier zwischen Täter- und Opfersphäre“203 verwiesen, die im Rahmen des § 266 StGB kein Tatbestandsmerkmal bilde. Die Vermögensverschiebung stelle eine Bereicherung des Täters zulasten des Opfers dar, sodass der Verlust des Opfers gerade die Kehrseite der angestrebten Bereicherung sei.204 Der Untreuetatbestand dagegen erfordere keine Bereicherungsabsicht und sei auch aufgrund der spezifischen Garantenpflicht des Treunehmers nicht auf ein Verbot der Vermögensschädigung beschränkt. Es seien daher alle wertbestimmenden Faktoren der Untreuehandlung zu berücksichtigen und nicht nur die sich unmittelbar aus dieser ergebenden.205 Dies soll nach Ansicht einiger Vertreter dieser Meinung sogar dann gelten, wenn nicht die zeitliche Unmittelbarkeit infrage stehe, sondern der Treunehmer durch sein 196
HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 210. Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 61 m. w. N. 198 Vgl. hierzu die Ausführungen in Solka/Altenburg, in: NZWiSt 2016, 212, 213 f. und Wittig, in: BeckOK StGB, § 266 Rn. 47.1. 199 Siehe oben, S. 57 ff. 200 BGH, NJW 2011, 88, 93; BGH, NJW 2011, 1747, 1751; OLG Hamm in NJW 1982, 190, 192. 201 Perron, in: Frisch-FS, 857, 865, 868 ff.; ders., in: Sch/Sch, § 266 Rn. 39 m. w. N.; HWStSeier/Lindemann, § 266 Rn. 223. 202 BGH, NJW 1982, 190, 192; Perron, in: Frisch-FS, 857, 865. 203 Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 769; ders., in: Frisch-FS, 857, 863. 204 Perron, in: Frisch-FS, 857, 865. 205 Vgl. BGH, NJW 1982, 190, 192, siehe hierzu bereits oben, S. 58 f. und vgl. Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 775 ff. 197
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Verhalten vielmehr erst Dritten die Möglichkeit eröffne, auf das Vermögen des Geschäftsherrn zuzugreifen. Das eigenverantwortliche Handeln des Dritten (gleichgültig ob rechtswidrig oder nicht) solle wiederum aufgrund der besonderen Garantenstellung des Treunehmers nicht den Zurechnungszusammenhang der Untreue unterbrechen. Es sei auch Pflicht des Treunehmers, Handlungen zu unterlassen, die Dritten einen derartigen Zugriff auf das geschützte Vermögen ermöglichten.206 Einigkeit innerhalb dieser Meinung herrscht aber jedenfalls in Bezug auf eine zeitliche Unmittelbarkeit.207 Ein zwischen der Untreuehandlung und den entstandenen Nachteilen liegender längerer Zeitraum stehe der Annahme eines Nachteils im Sinne des § 266 StGB nicht entgegen. Die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und dem daraus resultierenden Vermögensnachteil werde durch das zeitliche Auseinanderfallen nicht berührt. Es gelte in diesem Zusammenhang nichts anderes als bei anderen Erfolgsdelikten, bei denen zwischen Tathandlung und Taterfolg ebenfalls ein längerer Zeitraum liegen könne.208 Selbst wenn ein Unmittelbarkeitserfordernis zwischen Pflichtwidrigkeit und Nachteil verlangt würde, würde in diesem Zusammenhang und nach dieser Meinung „unmittelbar“ nicht „zeitgleich, sofort oder auch nur alsbald“ bedeuten.209 (2) Unmittelbar entstehender Vermögensabfluss zur Begrenzung Die Gegenmeinung210 führt aus, dass zur Begrenzung des Untreuetatbestands eine zeitliche Unmittelbarkeit zwischen Untreuehandlung und Vermögensabfluss vorliegen müsse. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit ergebe sich aus der Anwendung eines – im Grundsatz – wirtschaftlichen Vermögenbegriffs. Die wirtschaftliche Vermögenslehre führe unweigerlich zu einer Ausdehnung des Nachteilsbegriffs, sodass es notwendig sei, dass die Risiken (und Chancen) einer immer ungewissen künftigen Entwicklung zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung bereits antizipiert und saldiert werden könnten.211 Auch aus dem Gesetz sei ersichtlich, dass im Moment der pflichtwidrigen Handlung ein Nachteil hinreichend genau feststehen müsse. Dies ergebe sich aus dem bewussten Verzicht des Gesetzgebers auf eine Versuchsstrafbarkeit im Rahmen der Untreue. Wenn also ein Nachteil im Moment 206
Vgl. Perron, in: Tiedemann-FS, 737, 744 f. Brand, in: NZG 2016, 690, 692; Albrecht, in: GA 2017, 130, 143; Perron, in: Frisch-FS, 857, 869; ders., in: Sch/Sch, § 266 Rn. 39 m. w. N. 208 Vgl. Albrecht, in: GA 2017, 130, 143. 209 BGH, NJW 2011, 1747, 1751 mit Verweis auf BGH, NJW 2011, 88, 93, vgl. oben S. 29; in diesem Zusammenhang zustimmend auch Solka/Altenburg, in: NZWiSt 2016, 212, 218. 210 BGH, NJW 2009, 3173,3175; BGH, NZG 2016, 703, 713; vgl. Solka/Altenburg, in: NZWiSt 2016, 212, 214 ff.; vgl. Wittig, in: BeckOK StGB, § 266 Rn. 47.1; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 78; SK-Hoyer, § 266 Rn. 107; Matt, in: NJW 2005, 389, 391; Rönnau, in: StV 2011, 753, 761 f.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 168; vgl. Mosenheuer, in: NStZ 2004, 179, 180 f.; Schneider, in: wistra 2015, 369, 373; vgl. die Darstellung bei HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 220 ff. 211 LK-Schünemann, § 266 Rn. 168 m. w. N. 207
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der pflichtwidrigen Handlung noch nicht festzustellen sei, entspreche es gerade dem Willen des Gesetzgebers, dass eine Strafbarkeit nach § 266 StGB entfalle.212 Im Hinblick auf das Dazwischentreten Dritter führen die Vertreter dieser Meinung aus, dass hier der Zurechnungszusammenhang unterbrochen sei. Es wird in Zusammenhang mit der drohenden Auslösung von Schadensersatzansprüchen und Sanktionen durch den Treunehmer vertreten, dass eine Unmittelbarkeit der Vermögensgefährdung bzw. des Vermögensabflusses aufgrund dieses Sanktionsrisikos nur dann anzunehmen sei, wenn zusätzlich zu der Tataufdeckung die konkret drohende Sanktion „self executing“, also selbst vollstreckend, sei.213 Dies sei anzunehmen, wenn den behördlichen oder privaten Sanktionsinstanzen bei der Sanktionsverhängung kein Entschließungs- oder Auswahlermessen eingeräumt sei.214 Ein eigenverantwortliches Handeln Dritter, also die eigenverantwortliche Ausübung des Ermessens, verhindere eine Untreuestrafbarkeit des Treunehmers.215 Gleiches wird in Fällen der nicht ordnungsgemäßen Buchführung vertreten, die es Dritten ermögliche, tatsächlich nicht (mehr) bestehende Ansprüche gegenüber dem Treugeber durchzusetzen. Der Dritte begehe in diesem Fall selbst eine Straftat (bei Verschleierung der wahren Sachlage kommt Betrug zulasten des Treugebers, bei der klageweisen Durchsetzung ein Prozessbetrug in Betracht). Es widerspreche dem Verantwortungsprinzip des Strafrechts, bei einer vollverantwortlichen Entscheidung eines Dritten eine Straftat zu begehen, dennoch eine Untreuestrafbarkeit des Treunehmers, der hierzu durch eine nicht ordnungsgemäße Buchführung die Gelegenheit geschaffen hat, anzunehmen.216 (3) Einschätzung Der zweiten Auffassung kann sich nur angeschlossen werden, wenn, wie hier vertreten, der Vermögensnachteil der Untreue anhand eines Vorher-Nachher-Vergleichs ermittelt wird.217 Hier bildet das Kriterium der Unmittelbarkeit das Binde212
Vgl. Saliger, in: HRRS 2006, 10, 12 f. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 94; ders., Parteiengesetz, S. 127 ff., 137 ff.; vgl. Rönnau, in: StV 2011, 753, 762; vgl. Albrecht, in: GA 2017, 130, 135 und Fn. 20, 22; so auch BGH, NJW 2015, 1618, 1623. 214 Vgl. hierzu ausführlich weiter unten, S. 108 ff. und vgl. Rönnau, in: StV 2011, 753, 761 f.; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 94 m. w. N.; vgl. BGH, NJW 2011, 1747, 1751; vgl. Matt, in: NJW 2005, 389, 391; Schneider, in: wistra 2015, 369, 373. 215 Hierbei handelt es sich letztlich um ein rein normatives Kriterium, da es allein darauf ankommen soll, ob der Treunehmer eine selbst vollziehende Sanktionsnorm erfüllt hat. Den Vertretern dieser Meinung kommt es weniger auf das tatsächliche Drohen einer Sanktionierung als allein auf die Tatsache der Erfüllung einer Sanktionsnorm an. Dies dürfte vor dem Hintergrund des grundsätzlich wirtschaftlichen Vermögensbegriffs nicht überzeugen, vgl. auch LK-Schünemann, § 266 Rn. 184 m. w. N. und unten, S. 108 ff. 216 Mosenheuer, in: NStZ 2004, 179, 180; a. A. BGH, NStZ 2001, 432, 434; Perron, in: Tiedemann-FS, 737, 744 f.; ders., in: Frisch-FS, 857, 865, 868 ff. 217 Vgl. oben, S. 57 ff. 213
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glied zwischen dem zu vergleichenden Vorher und dem Nachher. Zeitlich nachfolgende Entwicklungen – und hierzu gehört das eigenverantwortliche Handeln Dritter fraglos – können aus der ex ante-Perspektive im Zeitpunkt der Pflichtverletzung nicht berücksichtigt werden. Zukünftige Entwicklungen können allenfalls durch eine Prognose und damit auf Seiten des Vermögensabflusses als Gefährdungsschaden Beachtung finden.218 Folge hiervon ist daher, wie bereits angedeutet, dass die Figur des Gefährdungsschadens ausgedehnt wird, um Strafbarkeitslücken zu vermeiden.219 Danach werden konkrete Gefährdungen bereits als Vermögensnachteil gewertet, um eine Unmittelbarkeit zwischen der Tathandlung und dem drohenden Nachteil bejahen zu können. Der reale und endgültige Nachteil wird häufig zeitlich erst sehr viel später eintreten. Dennoch überzeugt diese Ansicht. Auch wenn eine zeitliche Streckung im Rahmen der ansonsten anzuwendenden objektiven Zurechnung bei anderen Tatbeständen keine Rolle spielt, ist die Erfolgsentwicklung bei Vermögensdelikten – und bei der Untreue aufgrund ihrer Tatbestandsweite noch mehr – schwer zu überblicken. Denn das Vermögen als geschütztes Rechtsgut ist in besonders großem Maße Schwankungen ausgesetzt. Würde bereits jede Ermöglichung eines Vermögenszugriffs durch Dritte eine strafbare Untreue i. S. d. § 266 StGB darstellen, so würden reine Vorbereitungs- bzw. Beihilfehandlungen zu einem täterschaftlichen Vollendungsunrecht aufgewertet.220 Dies widerspricht aber dem Verantwortungsprinzip des Strafrechts.221 Denn in diesen Fällen bedarf es zur tatsächlichen Vermögensschädigung immer noch der vollverantwortlichen Entscheidung eines Dritten eine Straftat zu begehen. Dies gilt zumindest dann, wenn, wie es Teile der ersten Meinung vertreten, auch die Vermeidung strafbaren Handelns Dritter in die Verantwortlichkeit des Treunehmers fallen soll. Darüber hinaus kann das Argument der Vertreter der ersten Meinung, es fehle an einem Anknüpfungspunkt für die Unmittelbarkeit, da eine Vermögensverfügung nicht Tatbestandsmerkmal sei, nicht überzeugen. Auch § 266 StGB enthält mit der erforderlichen „pflichtwidrigen Handlung“ ein Tatbestandsmerkmal, das sich als Anknüpfungspunkt für die Unmittelbarkeit eignet. Sowohl in § 263 StGB als auch in § 266 StGB wird der identische Begriff „dadurch“ zur Verbindung von Tathandlung und Taterfolg verwendet. Eine Ungleichbehandlung in diesem Punkt überzeugt daher nicht. Letztlich wird für das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Vermögensabflusses auch die „Strafgerechtigkeit“222 angeführt. Im Rahmen des Vermögenszuflusses, also 218
Vgl. Albrecht, in: GA 2017, 130, 132. Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 858. 220 Vgl. Mosenheuer, in: NStZ 2004, 179, 180. 221 Vgl. Sch/Sch-Eisele, Vor § 13 Rn. 100 ff. 222 Solka/Altenburg, in: NZWiSt 2016, 212, 214 f.; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 78; vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 221. 219
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im Rahmen der Kompensation eines Vermögensnachteils, herrsche weitgehend Einigkeit darüber, dass nur Positionen berücksichtigt werden dürften, die unmittelbar aus der relevanten Handlung des Treunehmers resultierten.223 Zur Kompensation eines erlittenen Vermögensabflusses – und damit zur Verhinderung eines tatbestandlichen Vermögensnachteils insgesamt – können hiernach nur solche Vermögenszuflüsse herangezogen werden, die unmittelbar aus der pflichtwidrigen Handlung erlangt werden. Um eine Ausdehnung der Strafbarkeit zu verhindern, müssten die gleichen Voraussetzungen auch auf der Seite des Vermögensabflusses gelten. Dies überzeugt und wird unten im Rahmen der Kompensation noch weiter ausgeführt werden.224 cc) Schutzzweck der Norm Es wird teilweise eine noch darüberhinausgehende Einschränkung der Erfolgszurechnung durch einen erforderlichen Schutzzweckzusammenhang gefordert.225 Dabei beruft sich Seier auf die strukturelle Ähnlichkeit des Untreuetatbestands mit einer (allerdings vorsätzlich begangenen) Fahrlässigkeitstat.226 Bei der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit habe der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, der Untreuetäter in der Missbrauchsvariante die Verhaltensregeln des Treugebers außer Acht gelassen. Die Ähnlichkeit zur Nichteinhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zeige sich besonders deutlich im Zusammenhang mit dem Handels- und Gesellschaftsrecht, so zum Beispiel im Rahmen des § 93 Abs. 1 AktG oder des § 43 Abs. 1 GmbHG, wo auf die Sorgfalt eines ordentlichen (und gewissenhaften) Geschäftsleiters/Geschäftsmannes abgestellt werde. Ein Schutzzweckzusammenhang zwischen der vom Treunehmer verletzten Verhaltensnorm und dem eingetretenen Vermögensnachteil wird in diesem Zusammenhang bejaht, wenn die verletzte Verhaltensnorm gerade darauf angelegt ist, den Eintritt eines solchen Vermögensnachteils zu verhindern.227 Die Anwendung des Schutzzweckzusammenhangs wird mit der vom BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung geforderten Einengung des Untreuetatbestands begründet.228 Es wurde bereits oben229 ausgeführt, dass tatsächlich nicht jede vermögensmindernde Pflichtverletzung eines Treunehmers auch automatisch eine treuwidrige 223
Vgl. hierzu unten, S. 122 ff. Vgl. unten, S. 108 ff. und ausführlich zur Unmittelbarkeit des Vermögenszuflusses S. 122 ff. 225 Martin, Bankuntreue, S. 140 ff.; HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 212 ff. m. w. N.; Schünemann, in: NStZ 2008, 430, 434; vgl. Schlösser/Dörfler, in: wistra 2007, 326, 329 f.; vgl. Günther, in: Weber-FS, 311, 316; vgl. Kubiciel, in: NStZ 2005, 353, 359, 360. 226 HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 212, in diesem Sinne auch Perron, in: KindhäuserFS, 765, 770 f. 227 Vgl. Sch/Sch-Sternberg-Lieben/Schuster, § 15 Rn. 157. 228 HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 213; vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211, 3215. 229 Vgl. oben, S. 46 ff. 224
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Verletzung einer Vermögensfürsorgepflicht zulasten des Treugebers i. S. d. § 266 StGB darstellen kann. Denn pflichtwidriges, also gegen andere Normen verstoßendes, Handeln kann nicht immer auch strafrechtlich relevant sein.230 Dies würde dem ultima ratio-Grundsatz231 und dem Grundsatz des Rechtsgüterschutzes232 des Strafrechts widersprechen. Wenn man, wie hier, die Auffassung vertritt, dass § 266 StGB nur das Vermögen schützt und nicht zusätzlich auch das Vertrauen in die Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs, können auch nur solche Pflichten für die Untreue relevant sein, die als Konkretisierung dieses Vermögensschutzes dienen. Wie allerdings Perron zutreffend ausführt, „[…] liegt es jedoch in der Natur des Wirtschaftslebens, dass nahezu jeder Lebensvorgang auch ökonomische Relevanz erlangen und ein Vermögen positiv oder negativ beeinflussen kann.“233
Dies ergebe sich zum einen dann, wenn das pflichtwidrige Verhalten schon an sich mit der Zahlung von Geld verbunden sei (Vergabe nicht hinreichend gesicherter Kredite), zum anderen würden pflichtwidrige Verstöße auch gegen nichtvermögensschützende Normen mit empfindlichen Geldbußen geahndet (Parteispenden, die nicht ordnungsgemäß angezeigt wurden234). Da insofern nahezu jede Art des pflichtwidrigen Verhaltens mittelbar vermögensschädigend wirken könne, sei die Relevanz des Schutzzwecks der Norm nicht von großer Bedeutung.235 Dem entspricht es, dass zu der geforderten Einschränkung nicht erst auf den Schutzzweckzusammenhang abgestellt werden muss. Eine solche Differenzierung findet, wie oben dargestellt,236 bereits im Rahmen der relevanten Untreuehandlung statt. Innerhalb der Pflichtwidrigkeit des Handelns wird bereits geprüft, ob eine untreuetaugliche Pflicht verletzt wurde.237 Es bedarf in diesem Zusammenhang eines ausreichenden „Fremdvermögensbezugs“.238 Der Grundgedanke eines Schutzzweckzusammenhangs ist begrüßenswert, denn er soll den Untreuetatbestand einengen sowie den Rechtsgüterschutz des Strafrechts und den Charakter des § 266 StGB als Vermögensdelikt bewahren. Allerdings wird diese Einschränkung nach der hier vertretenen Ansicht bereits im Rahmen der Tathandlung vorgenommen. Wenn ein solcher Fremdvermögensbezug der Pflichtverletzung verneint wird, fehlt es 230
So auch Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 771. Vgl. Brammsen, in: wistra 2009, 85, 87. 232 Vgl. Roxin/Greco, AT I, § 2 Rn. 38 ff. 233 Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 771. 234 Vgl. den Fall Kanther, BGH, NJW 2007, 1760 ff. 235 Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 771. 236 Vgl. oben, S. 46 ff. 237 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 102 ff.; Rönnau, in: StV 2011, S. 753, 754 f., 762; vgl. Brammsen, in: wistra 2009, 85, 87 f.; vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 19a; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 47; so wohl auch Rönnau, in: StV 2011, 753, 754 f., 762. 238 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 104. 231
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daher bereits an der relevanten Untreuehandlung und nicht erst am Zurechnungszusammenhang. 3. Sonderproblem: Vermögensgefährdung Das hier vertretene grundsätzlich wirtschaftliche Vermögensverständnis und das Erfordernis eines unmittelbaren Vermögensabflusses haben, wie bereits angedeutet, Einfluss auf die Berücksichtigung von Risiken und Vermögensgefährdungen als Positionen des Vermögensabflusses innerhalb des Vermögensnachteils. Diese Einordnung ist für die vorliegende Arbeit von Relevanz, da die Berücksichtigung von Risiken beim Vermögensabfluss der Berücksichtigung von Gewinnchancen innerhalb des Vermögenszuflusses spiegelbildlich gegenüberstehen.239 Es ist weitgehend anerkannt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vermögens bereits die Gefahr eines Verlusts einer werthaltigen Position eine gegenwärtige Minderung des Vermögens und somit einen vollendeten Nachteil i. S. d. § 266 StGB darstellen kann.240 Der sogenannte „Gefährdungsschaden“ oder die „schadensgleiche Vermögensgefährdung“241 – das BVerfG hat deutlich gemacht, dass es auf die Begrifflichkeiten hier nicht ankomme242 – wird von der herrschenden Meinung demnach grundsätzlich als vollendeter Vermögensnachteil anerkannt. Eine solche Vermögensgefährdung ist dabei in zwei Konstellationen denkbar. Zum einen, wenn eine Vermögensposition noch nicht verloren ist, aber ihr Verlust in der Zukunft droht (Vermögensabflussseite). Zum anderen, wenn eine bestimmte Vermögensposition bereits verloren und noch ungewiss ist, ob die dafür eingetauschte Gewinnaussicht zu einer tatsächlichen Kompensation führen wird (Vermögenszuflussseite).243 Zum jetzigen Zeitpunkt der Betrachtung soll allein die erste Konstellation, also die Gefahr des noch nicht eingetretenen Verlusts, untersucht werden.244 Die Figur des Gefährdungsschadens wurde vom Tatbestand des § 263 StGB auf den Untreuetatbestand übertragen. Aufgrund der bereits dargelegten Unterschiede ergeben sich allerdings auch in diesem Zusammenhang einige besondere Problemstellungen.245 239
Vgl. hierzu auch unten, S. 143 ff. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3218; Matt/Saliger, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, 217, 232 ff.; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 45 m. w. N.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 181; Joecks, in: Samson-FS, 355, 358, 360 ff.; Fischer, in: StraFo 2008, 269, 270 f.; SK-Hoyer, § 266 Rn. 101 ff. 241 Hefendehl geht überzeugend von einer „schädigenden Vermögensgefährdung“ aus, vgl. Vermögensgefährdung, S. 130; ders., in: Samson-FS, 295, 300 m. w. N. 242 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3218. 243 Vgl. SK-Hoyer, § 266 Rn. 102; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 45a, 45b. 244 Zur Vermögenszufluss-Seite siehe unten, S. 135 ff. 245 Vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 45 m. w. N. 240
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So wird im Rahmen des § 266 StGB durch die Anwendung des Gefährdungsschadens eine Umgehung der gesetzgeberischen Entscheidung der Straflosigkeit des Versuchs befürchtet. Anders als beim Betrugstatbestand, führe bei der Untreue die Anerkennung eines tatbestandsmäßigen Vermögensnachteils vor dem tatsächlich endgültigen Verlust nicht bloß zu einer Verschiebung der Strafhöhe (vgl. § 23 Abs. 2 i. V. m. § 49 Abs.1 StGB), sondern zu einer Verschiebung der Grenze zwischen strafbarem und straflosem Verhalten.246 So könnten Gerichte versucht sein, durch Vorverlagerung der Nachteilsvollendung zu vermeiden, dass eklatantes Fehlverhalten ungestraft bliebe.247 Darüber hinaus wird befürchtet, dass es contra legem durch die Anerkennung der Vermögensgefährdung als Tatbestandserfüllung i. S. d. § 266 StGB zu einer Umdeutung der Untreue vom Verletzungs- in ein Vermögensgefährdungsdelikt komme.248 Letztlich wird wiederum auf den weitgefassten Tatbestand der Untreue verwiesen und darauf, dass dessen ohnehin weiter Anwendungsbereich durch die Annahme eines Gefährdungsschadens noch weiter ausgedehnt werde.249 Der Untreuetatbestand erfordere, im Gegensatz zum Betrug, keine rechtswidrige Bereicherungsabsicht des Täters, sodass als schadensgleiche Vermögensgefährdung letztlich auch Gefahren weit außerhalb des vom Täter ursprünglich angestrebten Handlungsziels in Betracht kämen, die noch dazu in ferner Zukunft lägen und deren Eintritt noch unsicher sei. Dies führe dazu, dass eine Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit i. S. d. Bestimmtheitsgrundsatzes nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr gegeben sei.250 Diese Problematik sieht Perron251 noch verstärkt durch die (auch hier vertretene) Anerkennung des Erfordernisses einer unmittelbaren Nachteilszufügung durch die Untreuehandlung.252 Dies erfordere zusätzlich auch noch eine extensive Anwendung der Figur des Gefährdungsschadens selbst. Denn bis im Anschluss an eine Untreuehandlung ein endgültiger Verlust eintrete verginge häufig einige Zeit, sodass häufig lediglich auf ein unmittelbar aus der treuwidrigen Handlung entstehendes Risiko des Vermögensverlustes abgestellt werden könne.253 Nach Ansicht Perrons dürfte eine
246
SK-Hoyer, § 266 Rn. 101 ff.; Mosenheuer, in: NStZ 2004, 179, 180. Vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 45; ders., in: Tiedemann-FS, 737, 739 ff.; ders., in: Frisch-FS, 857, 866; Fischer, in: StraFo 2008, 269, 272. 248 MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 226. 249 MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 226. 250 Vgl. Perron, in: Tiedemann-FS, 737, 741. 251 Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 769, 773 f.; ders., in: Frisch-FS, 857, 858; vgl. ders., in: Tiedemann-FS, 737, 739 ff. 252 Vgl. oben, S. 65 ff. 253 Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 769, 773 f.; ders., in: Frisch-FS, 857, 858; vgl. ders., in: Tiedemann-FS, 737, 739 ff.; vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 222. 247
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue „[…] so weitreichende Integration potentieller zukünftiger Entwicklungen in den aktuellen Vermögensbestand […] häufig an der Forderung des BVerfG scheitern, dass der zum Tatzeitpunkt maßgebliche Wertverlust hinreichend konkret […] bezifferbar sein muss.“254
Letztlich wird die Figur des Gefährdungsschadens zwar auch von ihren Kritikern anerkannt, sie stellen aber strenge und uneinheitliche Anforderungen an die Voraussetzungen zur Berücksichtigung eines Gefährdungsschadens innerhalb des § 266 StGB.255 Der insoweit geübten Kritik wird entgegenhalten, dass aufgrund des wirtschaftlichen Vermögensverständnisses gerade auch eine Vermögensgefährdung bereits eine aktuelle Verminderung des betroffenen Vermögens darstelle.256 Denn innerhalb des Wirtschaftssystems würden Chancen und Risiken immer antizipiert, weshalb sich Vermögensgefährdungen zeitgleich wertmindernd auf das Vermögen auswirkten.257 Entscheidend ist also nach allen Ansichten, dass es sich bei der Vermögensgefährdung nicht um eine bloße Gefährdung, sondern um eine schadensgleiche Vermögensgefährdung und somit um einen endgültigen Nachteil handelt.258 Diese begrifflich schwierige Gleichstellung von Gefährdung und Schaden begründet Fischer überzeugend damit, dass es sich bei der Gefährdung innerhalb des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs nur um eine quantitative Berechnungsart einer bereits eingetretenen Minderung handele.259 Diesen Gedanken führt Hoof260 aus, indem er auf die Besonderheiten des durch § 266 StGB geschützten relativen Rechtsguts Vermögen verweist. Im Gegensatz zu diesem relativen Rechtsgut könnten absolute Rechtsgüter wie das Leben oder die körperliche Unversehrtheit durch eine Gefährdung gerade nicht bereits geschädigt sein.261 Dies sei, wie dargelegt, bei dem relativen Rechtsgut Vermögen durch dessen Bindung an den „Geldwert“ anders, da durch die externe wirtschaftlich unmittelbare Abwertung immer auch eine gegenwärtige wirtschaftliche Minderung eintrete.
254
Perron, in: Kindhäuser-FS, 765, 774. Vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 45; vgl. Matt/Saliger, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, 217, 236; Saliger, in: HRRS 2006, 10, 20; vgl. die Darstellung von Joecks, in: SamsonFS, 355, 358 und Mosenheuer, in: NStZ 2004, 179, 180. 256 Vgl. Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11; ders., in: StraFo 2008, 269, 271; BVerfG, NJW 2010, 3209, 3218. 257 Vgl. Joecks, in: Samson-FS, 355, 358; S/S/W-Satzger, § 263 Rn. 248 ff.; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 65. 258 Vgl. wiederum die treffende Bezeichnung Hefendehls „schädigende Vermögensgefährdung“, vgl. Vermögensgefährdung, S. 130; ders., in: Samson-FS, 295, 300 m. w. N. 259 Fischer, in: StraFo 2008, 269, 271; so argumentiert auch das BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219. 260 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 66 f. 261 So auch Fischer, in: StraFo 2008, 269, 271. 255
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Dem Vorwurf, dass eine solche Berücksichtigung von Gefährdungen als endgültiger Nachteil zu weit greife,262 begegnet Hoof mit der Betrachtung des Vermögens als wirtschaftliche Einheit. Ein Vermögensnachteil könne eben im Wege der Gesamtsaldierung durch einen wirtschaftlichen Wertzuwachs wieder kompensiert werden. Dies erlaube, im Gegensatz zu den absoluten Rechtsgütern, eine weitere Auslegung des Nachteilsbegriffs. Denn eine solche Kompensation sei bei absoluten Rechtsgütern gerade nicht denkbar. Eine körperliche Misshandlung könne nicht durch eine, aus diesem Aggressionsabbau resultierende, anschließende emotionale Zuwendung kompensiert werden. Die körperliche Integrität sei, im Gegensatz zum wirtschaftlichen Vermögen, gerade nicht die Summe austauschbarer Teile, sondern nur im Ganzen existent, weshalb eine „verletzungsgleiche Körperverletzung“263 nicht denkbar sei. Um die dargelegte Unsicherheit und Ausweitung hinsichtlich des Untreuetatbestands zu verhindern, werden in der Literatur verschiedene qualitative Einschränkungsmöglichkeiten vertreten.264 Beispielhaft sei hier die Forderung nach einer „doppelten Unmittelbarkeit“ genannt, wonach durch die Handlung unmittelbar eine Gefährdung entstehen müsse, die wiederum unmittelbar jederzeit in den endgültigen Schaden übergehen könnte.265 Darüber hinaus werden verschiedene Grade der Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts vertreten266 oder die Möglichkeit des Bedrohten, den Verlust noch zu vermeiden.267 Das BVerfG hat in seiner Grundsatzentscheidung die Berücksichtigung des Gefährdungsschadens im Rahmen der Untreue grundsätzlich anerkannt und auch den verschiedenen Einschränkungsversuchen grundsätzlich zugestimmt.268 Es verlangt allerdings, dass das Ausmaß der durch das Verlustrisiko verursachten aktuellen Wertminderung des betroffenen Vermögens anhand wirtschaftlich anerkannter Maßstäbe (unter Hinzuziehung von Sachverständigen) konkret festgestellt und beziffert werden müsse.269 So soll den oben erörterten Gefahren begegnet und die eigenständige Bedeutung des Nachteils betont werden, um eine Verschleifung des pflichtwidrigen Handelns (das Eingehen eines Risikos) mit dem erforderlichen Vermögensnachteil zu verhindern und eine wirtschaftliche Betrachtung dieses Nachteils zu garantieren. Für die demnach notwendige wirtschaftlich nachvollziehbare Feststellung eines konkret eingetretenen Gefährdungsschadens sollen nach
262
Vgl. Saliger, in: Samson-FS, 455, 470 f. Fischer, in: StraFo 2008, 269, 271. 264 Vgl. oben Teil 3, Fn. 255. 265 Matt/Saliger, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, 217, 236. 266 Vgl. Joecks, in: Samson-FS, 355, 358 f. 267 Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 256 ff.; vgl. hierzu ausführlich unter S. 135 ff. 268 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220 f. 269 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219. 263
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
dem BVerfG anerkannte Bewertungsverfahren und -maßstäbe angewendet werden. Das BVerfG verweist hierfür auf die Bedeutung des Bilanzrechts.270 Diesbezüglich wird kritisiert, dass das Bilanzrecht nicht das Ziel habe, eine hinreichende Bestimmtheit des Untreuetatbestands zu gewährleisten. Vielmehr diene die Bilanz als zentrale Informationsgrundlage für Gläubiger und Unternehmensinhaber und werde je nach Zielgruppe und konkretem Bilanzzweck nach unterschiedlichen Vorgaben erstellt.271 Nach deutschem Handelsrecht sei die Bilanz vor allen Dingen an Gläubigerinteressen orientiert. Wegen des Gebots der vorsichtigen Bilanzierung würden Verlustrisiken besonders hoch (durch Rückstellungen) bewertet und Gewinne erst positiv berücksichtigt, wenn sie tatsächlich realisiert worden seien.272 Eine Schadensbestimmung nach diesem System führe tendenziell zu einer Überbewertung des Verlustrisikos und somit zu einer Ausdehnung der Strafbarkeit nach § 266 StGB wegen der Bejahung der Figur des Gefährdungsschadens.273 Hiergegen lässt sich allerdings vorbringen, dass nicht eine Akzessorietät zum Bilanzrecht geschaffen, sondern nur eine Rückversicherung durch dieses stattfinden soll.274 Für eine solche Anwendung des Bilanzrechts tritt auch Rönnau ein.275 Nach einer kritischen Betrachtung der direkten Anwendung des Bilanzrechts kommt er zu dem Schluss, dass der „bilanzielle[n] Wertberichtigungsbedarf als notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung eines strafrechtlich relevanten Minderwertes zu kennzeichnen“276 sei. So könne der Mehrwert der genaueren Bestimmbarkeit eines vorliegenden Nachteils durch das Bilanzrecht für das Strafrecht nutzbar gemacht werden, während die Unterscheidung eines rein bilanziell abzubildenden Minderwertes und einer sozialschädlichen, und deshalb strafwürdigen, Vermögensbeeinträchtigung erhalten bliebe.277 Ähnlich bezeichnet Hefendehl die Anwendung des Bilanzrechts als „heuristisches Konkretisierungskriterium“278, welches auch nur ein „Prognoseelement“279 darstelle, aber eines, das einen „abgesicherten Erfahrungspool“ zu bieten habe und daher immer noch einen bestimmbaren Weg, der im Vergleich zu den anderen gewählten Lösungen vorzugswürdig sei.280 270
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219. Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Einführung Rn. 1, 5 ff.; vgl. zu dieser Diskussion ausführlich unten, S. 149 ff. 272 Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 867 m. w. N. 273 Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 866 f.; ders., in: Sch/Sch, § 266 Rn. 45. 274 Vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 181. 275 Rönnau, in: StV 2011, 753, 760. 276 Rönnau, in: StV 2011, 753, 760. 277 Rönnau, in: StV 2011, 753, 760. 278 Hefendehl, in: Samson-FS, 295, 301; vgl. hierzu ausführlich ders., Vermögensgefährdung, S. 191 ff. 279 Hefendehl, in: Samson-FS, 295, 301 mit Hinweis auf Kempf, Volk-FS, 231, 241. 280 Vgl. Hefendehl, in: Samson-FS, 295, 301. 271
B. Tatbestandsmerkmale
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Dem ist zuzustimmen. Die Besonderheiten des Bilanzrechts, die den Grundsätzen des Strafrechts entgegenstehen, sind bekannt und können bei einer Beurteilung durch das Gericht oder durch die hinzugezogenen Sachverständigen, berücksichtigt werden. Auch das BVerfG betont in seiner Grundsatzentscheidung, dass im Zweifel freizusprechen sei.281 Auf die Frage der Anwendbarkeit der Bilanzierungsregeln zur strafrechtlichen Wertbestimmung wird im Rahmen der konkreten Nachteilsbestimmung noch einmal ausführlich einzugehen sein.282 4. Personalisierung des Vermögensnachteils Eine weitere Ausdehnung soll das Nachteilsmerkmal durch die Anwendung der Personalisierung des Vermögens- bzw. Schadensbegriffs aus dem Betrugstatbestand erfahren. Hiernach soll die Bewertung des Nachteils zumindest auch an den individuellen wirtschaftlichen Zwecksetzungen des Vermögensinhabers ausgerichtet werden.283 Da es hierbei allerdings um die Bewertung der erlangten Gegenforderung geht, wird dies im Zusammenhang mit der Kompensation auf Seiten des Vermögenszuflusses eingehend erörtert werden.284 5. Kompensation Wichtiger und häufig entscheidender Teil der Nachteilsfeststellung im Rahmen des § 266 StGB ist die Kompensation des ursprünglich festgestellten Nachteils. Findet eine schadensausschließende Kompensation statt, so fehlt es an einem tatbestandlichen Vermögensnachteil.285 Von einer Kompensation ist grundsätzlich auszugehen, wenn und soweit durch die pflichtwidrige Tathandlung auch ein Vermögenszuwachs eingetreten ist, der den Abfluss aufwiegt.286 Die Untersuchung dieser Problematik ist Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit und soll in Teil 4 und 5 näher begutachtet werden.
IV. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz Der subjektive Tatbestand der Untreue weist nach seiner gesetzlichen Regelung keine Besonderheiten auf. Insbesondere bedarf es, anders als im Rahmen des § 263 StGB, keiner rechtswidrigen Bereicherungsabsicht.287 Es genügt daher ein bedingter 281 282 283 284 285 286 287
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. Vgl. hierzu unten, S. 149 ff. Saliger, in: HRRS 2006, 10, 13; vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 43 m. w. N. Vgl. hierzu unten, S. 208 ff. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 41 m. w. N. Fischer, StGB, § 266 Rn. 115a m. w. N. Vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 127; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 49.
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
Vorsatz im Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung. Dieser Vorsatz muss sich auf die Pflichtenstellung des Täters, seine pflichtwidrige Handlung und auf die Herbeiführung des unmittelbar eintretenden Nachteils beziehen.288 Eine entsprechende Parallelwertung in der Laiensphäre genügt hierfür.289 Wegen der bereits dargelegten Weite des objektiven Untreuetatbestands werden nach ständiger Rechtsprechung an die Annahme des Untreuevorsatzes strenge Anforderungen gestellt. Dies soll vor allem dann gelten, wenn „lediglich“ bedingter Vorsatz in Betracht komme und der Täter nicht eigensüchtig gehandelt habe.290 Diese Anforderungen wurden vom 2. Strafsenat im Kanther-Urteil291 noch verschärft. Bei objektiv vorliegender, konkreter Vermögensgefährdung könne nicht schon von einem bedingten Vorsatz ausgegangen werden, wenn der Täter die konkrete Möglichkeit eines Nachteilseintrittes gekannt und billigend in Kauf genommen habe. Es solle vielmehr auch die Billigung der endgültigen Realisierung dieser Gefahr erforderlich sein.292 Dem wird allerdings zu Recht entgegengehalten, dass der sehr weit gefasste objektive Untreuetatbestand nur durch eine – oben dargelegte – restriktive Auslegung im objektiven Tatbestand beschränkt werden könne und nicht durch eine höhere Anforderung an den subjektiven Tatbestand.293 Perron führt dazu aus: „[…] die tatrichterliche Feststellung der voluntativen Komponente des bedingten Vorsatzes ist mit so erheblichen Unsicherheiten belastet, dass die erforderliche Tatbestandsbestimmtheit an dieser Stelle am wenigsten hergestellt werden kann.“294
Darüber hinaus würde die Untreue ansonsten zu einem Delikt mit (schwach) überschießender Innentendenz295 verformt. Das Billigungselement würde sich nicht mehr auf den tatbestandlichen Schaden beziehen. Dies würde gerade die Verfolgung von Wirtschaftskriminalität deutlich erschweren, da die Täter hier stets darlegen könnten, den letztlich tatsächlichen Vermögensschaden durch ihre riskante Handlung nicht herbeigeführt haben zu wollen.296
288
S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 127 m. w. N.; vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 49 m. w. N. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 49. 290 Vgl. BGH, NJW 1975, 1234, 1236; BGH, NJW 1983, 461, 461; BGH, NStZ 1997, 543, 543; BGH, NJW 2002, 2801, 2803; BVerfG, NJW 2009, 2370, 2372. 291 BGH, NJW 2007, 1760 ff. 292 BGH, NJW 2007, 1760, 1766 und bestätigend in NStZ 2007, 704 ff.; vgl. auch Fischer, in: StraFo 2008, 269, 275 f.; ders., in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 13 f. 293 Vgl. BGH, NJW 2008, 2451, 2452; vgl. auch Nack, in: StraFo 2008, 277, 281; Bernsmann, in: GA 2007, 219, 230; Saliger, in: NStZ 2007, 545, 550. 294 Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 49; ders., in: NStZ 2008, 517, 518. 295 Bernsmann, in: GA 2007, 219, 230. 296 Vgl. Nack, in: StraFo 2008, 277, 281. 289
B. Tatbestandsmerkmale
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Auch Fischer selbst, als ehemaliger Vorsitzender des 2. Strafsenats, räumt ein, dass der Einwand, eine Einschränkung habe über den objektiven Tatbestand zu erfolgen, seit der Grundsatzentscheidung des BVerfG an Gewicht gewonnen habe.297 In diesem Zusammenhang muss es daher genügen, dass mit der oben dargestellten Ansicht erst von einem objektiven Vermögensnachteil ausgegangen werden kann, wenn die Gefährdung des Vermögens bereits zu einer gegenwärtigen Minderung geführt hat. Der (bedingte) Vorsatz muss sich dann auch „nur“ auf diese bereits eingetretenen Wertminderungen durch die Gefährdung beziehen.
V. Schlussfolgerung: „Verengung“ auf zwei Tatbestandsmerkmale 298
Nach der vorangegangenen Darstellung der einzelnen Tatbestandsmerkmale und der darin inbegriffenen Streitpunkte und Probleme ist deutlich geworden, dass in den (hier vor allem relevanten) großen Wirtschaftsverfahren – bzw. in den Fällen der „Organuntreue i. w. S.“ – die Anwendung des Untreuetatbestands letztlich nur von zwei Tatbestandsmerkmalen abhängen wird und der Tatbestand insofern „auf zwei neuralgische Tatbestandsmerkmale verengt“299 ist. Da die „Organe i. w. S.“ leitende Positionen in den betroffenen Unternehmen innehaben, die ihnen den (unbemerkten) Zugriff auf die Gelder des Unternehmens erst ermöglichen, trifft diese Akteure unproblematisch eine Vermögensbetreuungspflicht.300 Im Allgemeinen gilt darüber hinaus ohnehin das Gebot, das Vermögen des arbeitgebenden Unternehmens nicht zu schädigen. Die betreffenden Akteure wissen um die Gefahr einer Entdeckung unredlichen Handelns und der zu erwartenden Verluste, die hiermit verbunden sein können.301 Deshalb wird man regelmäßig zumindest bedingten Vorsatz annehmen können. Es bleiben demnach allein zwei problematische Merkmale „übrig“ – die Pflichtverletzung und der Vermögensnachteil.302 Hierin liegt eine wichtige Ursache für die umfangreiche und uneinheitliche Rechtsprechung und die einzelfallbezogene, nicht stringente Beurteilung auch in der Literatur. Im Vergleich zum Betrugstatbestand, der die Verwirklichung von deutlich mehr Tatbestandsmerkmalen (Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung, Schaden) und zwischen diesen Merkmalen eine entsprechende Kausalität, einen darauf gerichteten Vorsatz sowie eine Bereicherungsabsicht fordert, kann die Strafbarkeit nach § 266 StGB in den dargestellten typischen Fällen aus der Wirtschaft nur anhand 297 298 299 300 301 302
Fischer, StGB, § 266 Rn. 182. Saliger, in: HRRS 2006, 10, 12. Saliger, in: HRRS 2006, 10, 12. Vgl. Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 888 Fn. 2; Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 635 f. Vgl. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 73. Brammsen, in: wistra 2009, 85, 86.
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Teil 3: Die Grundlagen zum Tatbestand der Untreue
zweier Merkmale beurteilt werden.303 Die gesamte Diskussion muss also anhand dieser beiden Tatbestandsmerkmale geführt werden. Gleichzeitig müssen diese Merkmale, aufgrund des in Deutschland gewählten allgemeinen rechtsübergreifenden Untreuetatbestands,304 so abstrakt definiert sein, dass sie auf die unterschiedlichsten, sich im Wirtschaftsleben ergebenden, Konstellationen anwendbar bleiben. Dieses strukturelle Problem wird zusätzlich dadurch verschärft, dass die beiden entscheidenden Tatbestandsmerkmale, wie dargelegt, selbst anfällig sind für eine erweiternde Auslegung und eine starke Nähe zueinander aufweisen, sodass außerdem die Gefahr einer Verschleifung der beiden einzigen entscheidenden Merkmale besteht. Geht man darüber hinaus davon aus, dass innerhalb der Pflichtwidrigkeit (gerade im Unternehmen) ein implizites Schädigungsverbot305 beziehungsweise gesellschaftsrechtlich sogar eine allgemeine Legalitätspflicht für den Treunehmer besteht,306 dürfte in den Fällen der Wirtschaftskriminalität auch das Merkmal der Pflichtwidrigkeit häufig unproblematisch zu bejahen sein. Das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils gewinnt dann nochmals an Bedeutung. Dem inbegriffen ist die große Bedeutung der Kompensation des Vermögensnachteils, da bei einer schadensausgleichenden Kompensation, wie dargelegt, der tatbestandliche Vermögensnachteil ausscheidet. Diese entscheidende Bedeutung der Kompensation eines Vermögensnachteils gibt Anlass dazu, die Voraussetzungen und Problemstellungen innerhalb der Kompensation im nächsten Teil dieser Arbeit genauer zu untersuchen.
303 304 305 306
Vgl. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 73. Vgl. oben, S. 38 f.; vgl. Rönnau, in: StV 2011, 753, 753. So LK-Schünemann, § 266 Rn. 185; vgl. Saliger, in: ZStW 2000, 563, 569. Vgl. BGH, NJW 2018, 2125, 2128; Oetker, in: Henssler/Strohn, § 43 Rn. 25 ff.
Teil 4
Grundsätze der Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz A. Generelle Bedeutung der Kompensation im Wirtschaftsstrafrecht und Definition Wie dargelegt, kommt der Kompensation erlittener Vermögensabflüsse die entscheidende Rolle im Rahmen der Untreuestrafbarkeit im Unternehmenszusammenhang zu, da alle anderen schwer zu begrenzenden Tatbestandsmerkmale typischerweise erfüllt sein werden. Die Kompensation des erlittenen Nachteils entscheidet also in den einschlägigen Fallgestaltungen darüber, ob eine Strafbarkeit anzunehmen ist oder nicht. Denn es fehlt, wie ebenfalls bereits erläutert, in Bezug auf die Untreue an einer Versuchsstrafbarkeit, sodass die Bejahung eines Nachteils – und somit die Verneinung seiner Kompensation – strafbarkeitsentscheidend ist. Die Kompensation im Sinne eines Ausgleichs von Ungleichheiten setzt voraus, dass mehrere separate Bezugsobjekte bestehen, die einander gegenübergestellt und miteinander verglichen werden können. Diese Bezugsobjekte sind bei Beurteilung eines Vermögensnachteils zum einen der Vermögensabfluss und zum anderen der Vermögenszufluss, welche durch die pflichtwidrige Handlung des Treunehmers miteinander verknüpft werden. Hierbei sind unter den Begriff Abfluss die negativen Entwicklungen für das Vermögen zu fassen und unter den Begriff Zufluss die wertsteigernden Entwicklungen. Beide müssen sodann miteinander verrechnet werden.1 Das Ergebnis dieser Verrechnung zeigt, ob die aus der Handlung des Treunehmers resultierenden negativen Wertentwicklungen durch die ebenfalls hieraus resultierenden positiven Entwicklungen ausgeglichen oder gar übertroffen werden können und ein Vermögensnachteil somit ausscheidet. Kompensation meint in diesem Zusammenhang grundsätzlich den Ausgleich eines durch die Untreuehandlung eingetretenen Vermögensabflusses und verhindert bei ihrer Bejahung eine Strafbarkeit nach § 266 StGB. Nachdem die Voraussetzungen und Probleme bei der Bestimmung des Vermögensabflusses bereits erörtert wurden, soll im Folgenden erarbeitet werden, welche Positionen auf der Zuflussseite zur Verrechnung anerkannt werden können, ob dabei 1
Vgl. hierzu Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 74 ff.
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Teil 4: Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz
die gleichen Maßstäbe wie beim Vermögensabfluss gelten und welche Bewertungsmethode für die Überprüfung eines Ausgleichs anzuwenden ist.
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation Da das Vorliegen eines Vermögensnachteils im Wege der Gesamtsaldierung bestimmt wird2 und somit die Vermögenssituationen vor und nach der pflichtwidrigen Handlung (Unterlassung) des Treunehmers miteinander verglichen werden, muss zunächst auch auf Seiten des Vermögenszuflusses festgelegt werden, welche Positionen zum möglichen Ausgleich eines erlittenen Vermögensabflusses berücksichtigt werden, bevor diese dann mit den erlittenen Vermögensabflüssen tatsächlich verglichen werden können.
I. Wirtschaftliche Gleichwertigkeit von Vermögensabfluss und Vermögenszufluss Um festlegen zu können, welche Positionen auf der Seite des Vermögenszuflusses zu berücksichtigen sind, muss zunächst der Frage nachgegangen werden, ob hierfür die gleichen Maßstäbe anzulegen sind, wie auf der Seite des Vermögensabflusses, ob also der gleiche Vermögensbegriff Anwendung findet oder ob in diesem Zusammenhang Besonderheiten beachtet werden müssen. 1. Bestimmung einer Werthaltigkeit: Der Vermögensbegriff auf Vorteilsseite Die Vermögensbegriffe wurden bereits weiter oben erläutert.3 Auf Seiten des Vermögensabflusses ist deutlich geworden, dass ein wirtschaftliches Grundverständnis des Vermögens zugrunde gelegt werden sollte, welches allerdings in bestimmten Fällen aufgrund normativer Erwägungen zu korrigieren ist. Diese Korrektur findet im Rahmen des Vermögensabflusses zugunsten des Treunehmers als Normunterworfenen statt. Ob diese Grundsätze daher direkt auf den Vermögenszufluss übertragen werden können, ist innerhalb der Rechtsprechung und der Literatur umstritten und wird im Folgenden untersucht.
2 3
Vgl. oben, S. 53 f. Vgl. oben, S. 50 ff.
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation
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a) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff In den Ausführungen zu möglichen Vermögensabflüssen und deren Kompensation wird – soweit sich überhaupt damit befasst wird – häufig davon ausgegangen, dass auf beiden Seiten der Nachteilsberechnung, also beim Vermögensabfluss und beim Vermögenszufluss, die zu berücksichtigenden Bestandteile unter Verwendung des selben Maßstabs bestimmt werden müssten.4 Daher wird unter Anwendung des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs, wie auch beim Vermögensabfluss, vertreten, dass sämtliche rechtlich missbilligten Vorteile, selbst wenn sie wirtschaftlich werthaltig sind, für eine Kompensation der Vermögensreduzierung untauglich seien.5 Die Vertreter dieser Ansicht argumentieren auch hier, dass mit der Anerkennung der Kompensationsmöglichkeit durch rechtlich missbilligte Vorteile ein „unauflösbarer Wertungswiderspruch im System der Gesamtrechtsordnung“ entstehe.6 Die Bestimmung der Kompensationsfähigkeit einer Position sei keine rein tatsächliche und vom Recht losgelöste Beurteilung, sondern gleichermaßen auch eine normative Fragestellung.7 Die Tatsache, dass die Erfüllung rechtlich missbilligter Geschäfte rechtlich nicht eingefordert bzw. durchgesetzt werden kann, müsse beachtet werden.8 Und weiter noch: Durch eine bereits erlangte Gegenleistung (Vorleistung), die aufgrund eines wegen Gesetzeswidrigkeit nichtigen Vertrags erfolgt sei, könne ein Vermögensabfluss nicht kompensiert werden.9 Dem Treugeber entstehe durch die Bezahlung eines Entgelts für eine solche (rechtlich missbilligte) (Vor-)Leistung ein Vermögensschaden, da diese Zahlung nicht zum Erlöschen einer wirksamen Zahlungsforderung führe und die durch Gesetzesverstoß bereits erlangte Position (bzw. das Produkt der rechtlich missbilligten Leistung) unter normativer Betrachtung keinen Vermögensvorteil darstellen könne. Es werde somit keine gleichwertige Gegenleistung für die Zahlung des Entgelts erlangt.10 Der 2. Strafsenat hat in seiner Entscheidung zur Telekom-Spitzelaffäre11 erläutert, dass in diesem Fall auch keine bereicherungsrechtlichen Zahlungsansprüche der Gegenseite entstünden, die durch die (pflichtwidrige) Zahlung des Treunehmers erlöschen könnten. Denn auch ein eventueller bereicherungsrechtlicher Anspruch 4 Vgl. hierzu Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 86 f.; a. A. Rönnau, in: Rissing-van Saan-FS, 517, 521. 5 BGH, NStZ 2009, 95,98; BGH, NJW 2013, 401, 402 f.; Bringewat, in: JZ 1977, 667, 672; vgl. Keller, in: Puppe-FS, 1189, 1191, 1194; Seelmann, in: JuS 1982, 914, 918; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 125; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 41 m. w. N.; Fischer, StGB, § 266 Rn. 115b; vgl. Schwind, in: NStZ 2001, 349. 6 Vgl. oben, S. 51 f.; vgl. LK(10.Aufl.)-Lackner, § 263 Rn. 123. 7 Vgl. Bringewat, in: JZ 1977, 667, 672. 8 Vgl. Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 181. 9 Fischer, StGB, § 266 Rn. 115b. 10 Fischer, StGB, § 266 Rn. 115b; vgl. BGH, NJW 2013, 401, 402 f. 11 BGH, NJW 2013, 401 ff.
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Teil 4: Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz
des „Vertragspartners“ aus §§ 812 Abs. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB auf Ersatz des durch die rechtlich missbilligte Leistung erlangten Wertes bestehe nicht. Diese Kondiktion sei durch § 817 S. 2 BGB gesperrt. Demnach könne der durch die Zahlung erlittene Vermögensabfluss auch nicht durch das Erlöschen einer wirksamen (bereicherungsrechtlichen) Zahlungsverpflichtung kompensiert werden. Der 2. Strafsenat hat in seiner Entscheidung also den Grundsatz aus dem Bereicherungsrecht, dass demjenigen, der sich durch rechtlich missbilligtes Handeln außerhalb der Rechtsordnung stelle, kein Rechtsschutz (im Rahmen der Rückabwicklung) gewährt werde, auf das Strafrecht übertragen und allein deshalb jegliche Möglichkeit der Kompensation verneint.12 Nach dieser Ansicht bleiben daher, wie bereits beim Vermögensabfluss erläutert, Positionen, die aus rechtlich missbilligten Geschäften erlangt wurden, für eine mögliche Kompensation des erlittenen Vermögensnachteils des Treugebers generell und vollständig außer Betracht. b) Rein wirtschaftlicher Vermögensbegriff Die Vertreter der Gegenmeinung widersprechen dem pauschalen Außerachtlassen rechtlich missbilligter Vorteile.13 Sie erkennen grundsätzlich jede wirtschaftlich werthaltige Position als kompensationstauglich an. Dies solle zumindest dann gelten, wenn der erlangten Position trotz ihrer rechtlichen Missbilligung noch ein wirtschaftlicher Wert zugeordnet werden könne.14 Sie argumentieren, dass nicht alles, was (zivilrechtlich) verboten sei, auch automatisch kriminalisiert werden könne. Hierzu käme es aber, wenn pauschal allen Vorteilen, die auf rechtlich missbilligte Weise erlangt wurden, eine kompensatorische Wirkung abgesprochen würde. Denn dann könne ein im Zuge des rechtlich missbilligten Geschäfts erfolgter Vermögensabfluss nie ausgeglichen werden, ein Vermögensnachteil würde stets angenommen werden und jede pflichtwidrige (zivil) rechtlich missbilligte Leistung eines Treunehmers würde zu einer Untreuestrafbarkeit führen. Dies stelle einen Widerspruch zu dem Grundgedanken des Strafrechts als ultima ratio dar.15 12
BGH, NJW 2013, 401, 403. BGH, NJW 1975, 1234, 1235; BGH, NJW 2011,88, 92 f.; BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 42, 45 f.; Saliger, in: Samson-FS, 455, 481; vgl. ders., in: HRRS 2006, 10, 13; Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 181 f.; Kempf, in: Hamm-FS, 255, 257 ff.; vgl. Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659; Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 233 f., 331 f.; Rönnau, in: StV 2011, 753, 761; ders., in: Rissing-van Saan-FS, 517 ff.; vgl. Böse, in: Jura 2011, 617, 623; Taschke, in: Lüderssen-FS, 663, 667 f.; Weber, in: Seebode-FS, 437, 443; Bernsmann, in: GA 2009, 296, 300 ff. 14 Zu der Besonderheit der angewendeten Wertberechnung siehe unten, S. 95 ff. 15 Vgl. Roxin/Greco, AT I, § 2 Rn. 97; NK-Hassemer/Neumann, Vor § 1, Rn. 72 m. w. N.; Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 907. 13
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation
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Der Vermögensbegriff soll hiernach auf der Seite des Vermögenszuflusses strenger wirtschaftlich angewendet werden als auf der Seite des Vermögensabflusses. Normative Korrekturen, wie sie auch von den Vertretern dieser Ansicht auf der Abflussseite vorgenommen werden,16 sollen hier nur unter sehr engen Voraussetzungen bzw. gar nicht stattfinden.17 Dies wird auch mit dem in dubio pro reoGrundsatz begründet. Dass dieser auch im Rahmen der Feststellung eines Vermögensnachteils angewendet werden muss, ist anerkannt.18 Auf Seiten des Vermögensabflusses stelle sich die Frage, ob der Treunehmer wirtschaftlich werthaltige Positionen des Treugebers, welche dieser selbst auf rechtlich missbilligte Weise erlangt habe, durch eine pflichtwidrige Verwendung veruntreuen könne. In dieser Konstellation führe die normative Korrektur des wirtschaftlichen Vermögensverständnisses dazu, dass die rechtlich missbilligten Vermögenswerte des Treugebers nicht zu seinem Vermögen gezählt würden und sich dieses Vermögen somit durch den pflichtwidrig verursachten Verlust dieser Positionen nicht verkleinere. In diesem Zusammenhang sei es angemessen, eine für den Treunehmer vorteilhafte Korrektur vorzunehmen, da der Treugeber als sogenannter „Vortäter“19 nicht schützenswert sei. Die Korrektur wirke also strafbarkeitsbeschränkend. Bei der Beurteilung des Vermögenszuflusses hingegen stelle sich die Frage, ob die wirtschaftlich werthaltigen Positionen, die der Treunehmer auf rechtlich missbilligte Weise erwirtschaftet und dem Vermögen des Treugebers zugeführt habe, bei der Gesamtsaldierung berücksichtigt werden und somit den erfolgten Vermögensabfluss ausgleichen sollten. Eine Untreuestrafbarkeit des Treunehmers scheide dann insoweit aus. Die Anwendung des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs – und somit das Außerachtlassen dieser rechtlich missbilligten Positionen – auf der Ebene der Nachteilskompensation führe zu einer Ausweitung der Strafbarkeit des Treunehmers bzw. des Schutzguts des § 266 StGB zulasten des Treunehmers.20 Die Grundsätze des für den Betrug und die Erpressung geltenden Vermögensschadensbegriffs (vgl. die hierzu entwickelten Fallgruppen21) könnten hier, aufgrund der Besonderheiten des Untreuetatbestands, nicht direkt auf die Kompensationsebene übertragen werden.22 Denn das individuelle Vermögen des Treugebers, dem mit der 16
Vgl. i. R. d. Erpressung Dehne-Niemann, in: ZStW 2011, 485, 493 f.; vgl. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 128. 17 Vgl. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 86 f., 128, 130; s. auch Rönnau, in: Rissing-van Saan-FS, 517, 521; vgl. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 907; vgl. i. R. d. Erpressung Dehne-Niemann, in: ZStW 2011, 485, 493 f. 18 Vgl. Nack, in: StraFo 2008, 277, 280. 19 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 80. 20 Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 906; vgl. Kempf, in: Hamm-FS, 255, 259; Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 921; ders., in: Rissing-van Saan-FS, 517, 536; ders., in: StV 2011, 753, 761. 21 Vgl. Rengier, BT I, § 13 Rn. 129 ff.; Fischer, § 263, Rn. 101 ff. 22 Vgl. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 908.
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Teil 4: Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz
pflichtwidrigen Leistung durch den Treunehmer eine wirtschaftlich gleichwertige – wenn auch rechtlich missbilligte – Gegenleistung zugeführt werde, sei auf der Ebene der Kompensation gar nicht mehr betroffen.23 Dehne-Niemann formuliert in diesem Zusammenhang in Bezug auf den Tatbestand der Erpressung: „Dass die ökonomisch werthaltige faktische Ausübbarkeit des Sachbesitzes in der Position des Täters [übertragen: des Treugebers, der sein Vermögen auf rechtlich missbilligte Weise erhalten hat] juristisch korrigiert wird, liegt allein daran, dass mit der juristischen Perspektive die Einheit der Rechtsordnung aufrecht erhalten werden soll. Die juristische Korrektur dient also der Beschränkung des durch die Verhaltensnorm des § 253 StGB zu bewirkenden Vermögensschutzes auf Rechtsgutsobjekte, denen das Strafrecht aus außerstrafrechtlichen Gründen den Schutz versagen will. Somit besteht kein Anlass, eine solche auf der primären Schadensbegründungsebene unverzichtbare Begrenzung des strafrechtlichen Vermögensschutzes auf die sekundäre Kompensationsebene zu übertragen, geht es dort doch nicht mehr um die prinzipielle Schutzwürdigkeit eines Rechtsgutsobjektes, sondern allein um die rein rechnerische Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe das Rechtsgutsobjekt […] reduziert worden ist.“24
Grundsätzlich soll deshalb nach dieser Meinung auch ein rechtlich missbilligter Vorteil, der wirtschaftlich gesehen einen Wert aufweist, zur Kompensation des Vermögensabflusses geeignet sein. c) Einschätzung Den Vertretern des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs ist zuzugeben, dass das Vermögen einer Person nur aufgrund rechtlicher Zuordnung besteht und eben keine natürliche Gegebenheit, sondern künstlich festgelegt ist. Die Schlussfolgerung, dass deshalb auch die Berücksichtigung der einzelnen Vermögenswerte von rechtlichen Bestimmungen beeinflusst werden sollte, ist daher nicht fernliegend.25 Diese „Grund-Normativierung“ des Vermögensbegriffs lässt sich zwar nicht leugnen, sie ist allerdings nur die Voraussetzung dafür, dass Vermögen als Rechtsgut überhaupt greifbar bestehen kann. Diese notwendige Gegebenheit kann nicht als Argument dafür dienen, die Normativierung noch weiter zu vertiefen und aus normativen Überlegungen heraus einen Schaden überhaupt erst zu begründen.26 Wenn auf missbilligenswerte Weise erlangte Vorteile grundsätzlich aus der Nachteilsberechnung, und genauer aus der Kompensation, herausgehalten werden, 23 Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 907; vgl. Rönnau, in: Rissing-van Saan-FS, 517, 539 ff.; ders., in: ZStW 2007, 887, 921. 24 Dehne-Niemann, in: ZStW 2011, 485, 494. 25 Keller, in: Puppe-FS, 1189, 1196 f.; Fischer, in: Fischer/Hoven, 51, 54. 26 Vgl. Rönnau, in: StV 2011, 753, 761.
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation
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verliert der Untreuetatbestand, wie vom BVerfG angemahnt,27 seinen Charakter als Vermögensdelikt. Denn der Treugeber als Vermögensinhaber hat wirtschaftlich gesehen einen Vorteil erhalten (bzw. sein Vermögen hat sich nach der Saldierung rein wirtschaftlich nicht verkleinert). Durch die Anwendung des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs kommt es letztlich zu einer Fiktion eines faktisch nicht bestehenden Vermögensnachteils. Eine solche Fiktion ist, wie oben ausgeführt, auf der Ebene der Kompensation aber besonders problematisch, weil sie zur Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 266 StGB führt. Die Beachtung normativer Aspekte dient auf Seiten des Vermögensabflusses als Korrekturfaktor, um dem illegal erlangten Vermögen des Treugebers den Schutz zu entziehen. Diese Aspekte können hingegen nicht zur Begründung eines wirtschaftlich tatsächlich nicht bestehenden Vermögensnachteils dienen. Die dargelegte Fiktion des Vermögensnachteils macht deutlich, dass die Vertreter des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs durch die Anwendung des § 266 StGB nicht allein das individuelle Vermögen des Treugebers schützen wollen. Denn dessen Schutz wird nicht mehr tangiert, wenn ein wirtschaftlich werthaltiger Ausgleich stattgefunden hat. Vielmehr kommt es zu einer Rechtsgutsvertauschung hin zum Schutz vor generell rechtlich missbilligtem Handeln im Wirtschaftsverkehr. Dies allerdings widerspricht dem oben dargelegten einzigen Schutzgut des § 266 StGB.28 Der Untreuetatbestand würde dadurch zweckentfremdet zur „Durchsetzung von Gerechtigkeitsvorstellungen aufgrund empfundener Strafwürdigkeit des Verhaltens“.29 Moralisch unerwünschtes Handeln würde kriminalisiert und das Strafrecht als „schärfstes Schwert des Staates“ würde, wie oben dargelegt, seine ultima ratio-Funktion verlieren. Der Schutzbereich des § 266 StGB würde, entgegen dem eindeutig festgelegten Schutzgut des Vermögens, darüber hinaus auch auf die Dispositionsfreiheit des Treugebers ausgeweitet werden.30 Denn wenn am Ende derselbe wirtschaftliche Wert beim Treugeber vorhanden ist wie vor der pflichtwidrigen Vermögensverfügung des Treunehmers, könnte eine Strafbarkeit nach § 266 StGB nur dann angenommen werden, wenn – wie etwa bei der Unterschlagung nach § 246 StGB – der Treugeber vor dem unerwünschten Verlust der Vermögenswerte an sich geschützt werden sollte und nicht nur vor der Verringerung seiner Gesamt-Vermögensmasse. Einen solchen Schutzgedanken enthält der aktuelle § 266 StGB aber, wie gezeigt, nicht.31 Durch die fiktionale Außerachtlassung des erlangten Vorteils findet darüber hinaus eine Veränderung des Deliktscharakters der Untreue vom Erfolgs- zum ab27
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. Vgl. oben, S. 37 f. 29 Rönnau, in: Rissing-van Saan-FS, 517, 531. 30 Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 907; vgl. Rönnau, in: Rissing-van Saan-FS, 517, 539 ff.; ders., in: ZStW 2007, 887, 921; siehe hierzu BGH, NStZ 2009, 95, 98 (Rn. 44, 47); vgl. Schünemann, in: StraFo 2010, 477, 479. 31 Vgl. oben, S. 37 f. So letztlich auch Perron, in: Fischer/Hoven, 189, 195. 28
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strakten Gefährdungsdelikt statt.32 Der Erfolgseintritt in Form eines tatsächlichen Vermögensnachteils wird hiernach gar nicht untersucht. Obwohl dem Vermögen des Treugebers eine wirtschaftlich nutzbare Gegenleistung zugeführt wurde, wird eine Untreuestrafbarkeit angenommen, sodass es offensichtlich nicht auf einen tatsächlichen Erfolgseintritt ankommt. Es wird vielmehr die abstrakte Gefährdung des Treugeber-Vermögens durch die pflichtwidrige rechtlich missbilligte Handlung sanktioniert. Dies zeigt sich beispielsweise in der Entscheidung des 2. Strafsenats im Fall Siemens/Enel33, wonach die Einrichtung schwarzer Kassen als endgültiger Vermögensnachteil anzusehen sei, ohne dass der 2. Strafsenat näher geprüft hätte, ob durch diese Einrichtung Exspektanzen auf relevante Vermögenszuflüsse (Erlangung lukrativer Aufträge usw.) erlangt worden sind. Darüber hinaus führt die Fiktion eines Vermögensnachteils dazu, dass die Subsumtion des eigenen Verhaltens unter den Tatbestand des § 266 StGB und somit die Vorhersehbarkeit der Untreuestrafbarkeit für den potentiellen Täter nicht mehr gewährleistet ist. Denn die vollständige Außerachtlassung rechtlich missbilligt erlangter Vorteile führt dazu, dass ein wirtschaftlich wertvolles Geschäft als wertlos betrachtet wird. Zwar erkennt der Treunehmer typischerweise die Rechtswidrigkeit seines Handelns, dass aber ein Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB und zulasten des Treugebers fingiert wird, obwohl dieser tatsächlich eine wirtschaftlich werthaltige Position erlangt hat, ist für den Treunehmer eher nicht vorhersehbar. Dies widerspricht dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG, das einfach gesetzlich in § 1 StGB verankert ist. Hiernach muss auf der Rechtsfolgenseite die Strafe als hoheitliche Reaktion auf begangenes Unrecht in Art und Maß vom parlamentarischen Gesetzgeber so bestimmt sein, dass die drohende Sanktion für den Normadressaten vorhersehbar ist.34 Eine solch ausufernde Anwendung des § 266 StGB ist nicht erforderlich. Der Handlungsunwert, der sich aus der ursprünglichen rechtlich missbilligten Handlung ergibt, sollte vielmehr durch die jeweilige Anknüpfungsstrafbarkeit bereits sanktioniert werden (zum Beispiel Bestechlichkeit nach § 299 StGB). In Bezug auf das Treugebervermögen entfaltet die ursprüngliche rechtlich missbilligte Handlung dann keinen eigenen Handlungsunwert mehr (oder zumindest kann davon nicht stets und für alle Fälle von rechtlich missbilligtem Handeln ausgegangen werden).35 Denn in den hier diskutierten Sachverhalten ist der Vermögensabfluss schließlich wertmäßig durch einen Vermögenszufluss ausgeglichen worden. Außerdem würde andernfalls die vom BVerfG geforderte Trennung von Pflichtverletzung und Vermögensnachteil aufgehoben und beides rechtswidrig 32
Vgl. Rönnau, in: Rissing-van Saan-FS, 517, 544 f.; vgl. Saliger, in: Samson-FS, 455, 481; krit. aber Perron, in: Heinz-FS, S. 796, 803 f.; s. allerdings nicht mehr so kritisch ders., in: Fischer/Hoven, 189 ff. 33 BGH, NStZ 2009, 95, 98. 34 Vgl. Radtke/Hagemeier, in: BeckOK GG, Art. 103, Rn. 36. 35 So auch Taschke, in: Lüderssen-FS, 663, 668.
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miteinander „verschliffen“.36 Denn aufgrund der pflichtwidrigen, rechtlich missbilligten Handlung müsste die erlangte Gegenleistung stets bei der Kompensation außer Acht gelassen werden, sodass das pflichtwidrige Verhalten, das gleichzeitig rechtlich missbilligt ist, stets und automatisch auch zu der Annahme eines Vermögensnachteils führen würde, ohne dass dieser tatsächlich wirtschaftlich untersucht würde.37 Nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG dürfen normative Gesichtspunkte „[…] bei der Feststellung eines Nachteils durchaus eine Rolle spielen. Sie dürften aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögens- und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen. So kann beispielsweise die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden; vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen erforderlich, zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilhaft war.“38
Daraus folgt, dass ein völliges Außerachtlassen des rechtlich missbilligten Vermögenszuflusses beim Treugeber auch verfassungsrechtlich nicht gewollt ist. Eine Handlung des Treunehmers, die wirtschaftlich gesehen keinen Nachteil für den Treugeber darstellt, kann nach den Ausführungen des BVerfG strafrechtlich im Rahmen der Untreue nicht allein deshalb einen Vermögensnachteil darstellen, weil die übrige Rechtsordnung den erlangten Zufluss rechtlich missbilligt. Auch die Heranziehung der Wertung des § 817 S. 2 BGB39 führt hier nicht weiter. Der 2. Strafsenat argumentiert in der Telekom-Spitzelaffäre letztlich, dass wegen der rechtlichen Missbilligung nicht nur der Primäranspruch des „Vertragspartners“ auf die Zahlung nichtig sei, sondern aufgrund der Wertung des § 817 S. 2 BGB auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf die Zahlung eines Wertersatzes für die (vor)geleistete Position bestünden. Die Treugeberin war also (zivilrechtlich) nicht zur Zahlung des (Kauf)Preises verpflichtet und die Forderung des Vertragspartners rechtlich nicht durchsetzbar. Das „Erlöschen“ der Zahlungsansprüche des Vertragspartners hätte aufgrund ihrer fehlenden Durchsetzbarkeit keinen kompensierenden Wert gehabt. Denn es sei gerade nicht zum Erlöschen einer wirksamen Verbindlichkeit gekommen. Der Treunehmer „verschleudere“ hier also das Vermögen der Treugeberin. Der Regelungsgehalt des § 817 S. 2 BGB ist, dass derjenige, der sich selbst durch gesetzes- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt, innerhalb der zivilrechtlichen Rückabwicklung keinen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann.40 Dieser Grundsatz gilt allerdings allein für die zivilrechtliche Rückforderung. Derjenige, der rechtswidrig etwas leistet, soll hierfür nicht über § 812 und § 818 36 37 38 39 40
Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. So wohl auch LK-Schünemann, § 266 Rn. 179, vgl. hierzu oben, S. 39 f. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. Siehe hierzu oben, S. 51 f.; BGH, NJW 2013, 401, 402 f. BGH, NJW 2013, 401, 403 mit Hinweis auf BGH, NJW 1997, 2381, 2383.
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Abs. 2 BGB Wertersatz fordern dürfen. Der 2. Strafsenat überträgt diesen Grundsatz auf die strafrechtliche Nachteilsbestimmung und geht davon aus, dass wegen der Rechtswidrigkeit der (Vor-)Leistung des Vertragspartners und der hierauf beruhenden fehlenden zivilrechtlichen Durchsetzbarkeit seiner Zahlungsansprüche, eine Kompensation durch deren Erfüllung stets ausgeschlossen ist. Hierbei werden wirtschaftliche Aspekte vollständig außer Acht gelassen. Der einheitliche Vorgang des wirtschaftlichen Leistungsaustauschs wird hier künstlich aufgespalten, denn die erlangte Vorleistung für die Zahlung wird aus normativen Erwägungen und zulasten des Treunehmers vollständig außer Betracht gelassen.41 Innerhalb der Kompensation des Vermögensschadens im Rahmen des § 266 StGB geht es darum, ob der Vermögensabfluss durch einen Zufluss von Positionen wirtschaftlich ausgeglichen worden ist. Wird in diesem Zusammenhang die Vorleistung des Vertragspartners vollständig außer Acht gelassen und eine Kompensation der Zahlung durch den Treunehmer schlicht damit verneint, dass ein wirksamer (bereicherungsrechtlicher) Zahlungsanspruch fehlt, der durch die Zahlung erlöschen könne, so treten wirtschaftliche Aspekte vollständig in den Hintergrund.42 Unabhängig von der Werthaltigkeit der erlangten Position würde allein die Zahlung auf eine rechtlich missbilligt erlangte Leistung einen Nachteil begründen. Das Begleichen einer „lediglich“ zivilrechtlich missbilligten Leistung würde stets zu einer Untreuestrafbarkeit des Treunehmers führen.43 Der § 266 StGB würde also schließlich doch zum „Supertatbestand“44, der (zivil)rechtlich unerwünschtes Handeln sanktionierte.45 Der 1. Strafsenat erkennt diese Problematik in der Entscheidung Arzneimittel/ Russlandgeschäft46 zumindest bei einer Nichtigkeit des zugrundeliegenden Vertrags aufgrund eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB. Diese sittlichen Maßstäbe, nach denen sich dann die Nichtigkeit der Vereinbarung richtet, seien unbestimmt und wandelbar und die Einschätzung der Nichtigkeit daher mit Unsicherheiten behaftet.47 Somit hinge die Bejahung der Untreuestrafbarkeit allein von den nicht fest normierten und wandelbaren Sittenvorstellungen der Gesellschaft ab. Dies kann tatsächlich nicht überzeugen. Der Wille nach moralisch richtigen und gerechten Entscheidungen kann nicht rechtfertigen, dass gegen strafrechtliche und – nach der BVerfG-Grundsatzentscheidung – auch verfassungsrechtliche Grundsätze verstoßen wird.48 41
BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 46. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 46; Graf/Jäger/Wittig-Waßmer, § 266 Rn. 174a; siehe zur Beurteilung von Vorleistungen auch weiter unten, S. 223 ff. 43 BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 46; Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 183. 44 Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 183. 45 So auch Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 183. 46 Vgl. oben, S. 32 ff. 47 BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 46; MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 27 ff. 48 So auch Rönnau, in: StV 2011, 753, 761. 42
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d) Zwischenergebnis Der Maßstab, nach welchem die Vermögensbestandteile auf Seiten des Vermögenszuflusses zur Ermöglichung einer Gesamtsaldierung bestimmt werden, ist demnach strenger wirtschaftlich als auf Seiten des Vermögensabflusses. Es muss der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff angewendet werden, um die zu berücksichtigenden Positionen festzulegen. Eine rechtliche Missbilligung und eine damit einhergehende eventuelle Unbeständigkeit der erlangten Gegenleistung können allenfalls bei der Qualität dieser Gegenleistung, also bei der Höhe ihres zu berücksichtigenden Werts, beachtet werden.49 2. Wertminderung bei rechtlicher Missbilligung Viele der Vertreter des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs auf Vorteilsseite, die sich vor allem gegen das pauschale und vollständige Außerachtlassen rechtlich missbilligter Positionen wenden,50 argumentieren daher, dass es aufgrund einer rechtlichen Missbilligung der erlangten Gegenleistung durchaus zu einer gewissen Wertminderung derselben kommen könne.51 a) Grundsatz: Anwendung einer Wertminderung Rechtlich missbilligt erlangte Positionen werden demnach grundsätzlich und aus den oben dargelegten Gründen im Rahmen der Kompensation berücksichtigt. Allerdings wird ihr tatsächlicher Wert in einigen Situationen niedriger festgesetzt als ihr Nennwert. Eine solche Minderung des objektiven Werts der erlangten Position wird angenommen, wenn die Gegenleistung ihren Wert aufgrund der rechtlichen Missbilligung für den Treugeber tatsächlich nicht oder nur eingeschränkt entfalten kann.52
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Vgl. hierzu sogleich, S. 89 ff. Vgl. Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 160. 51 Satzger, in: NStZ 2009, 297, 302; Rönnau, in: ZstW 2007, 887, 921 m. w. N.; Burghardt/ Bröckers, in: NJW 2015, 903, 904; vgl. Böse, in: Jura 2011, 617, 623 m. w. N.; vgl. Taschke, in: Lüderssen-FS, 663, 667 f.; vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 184; Schünemann, Organuntreue, S. 38; Kudlich, in: ZWH 2011, 1, 5 f.; vgl. hierzu LK-Tiedemann, § 263 Rn. 139; Saliger. Parteiengesetz und Strafrecht, S. 156; ders., in: S/S/W, § 266 Rn. 77; Ransiek, in: StV 2009, 321, 323; vgl. im Ergebnis auch Velten, in: NJW 2000, 2852, 2855 f.; vgl. BGH, NJW 1975, 1234, 1236. 52 Vgl. Lüderssen, in: Müller-Dietz-FS, 467, 470; Weber, in: Seebode-FS, 437, 443; LKSchünemann, § 266 Rn. 170. 50
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aa) Abgrenzung individueller Schadenseinschlag Dabei dürfen an dieser Stelle Fragen des individuellen Schadenseinschlags keine Rolle spielen (also die Berücksichtigung der Zielsetzung und Bedürfnisse des Treugebers bei der Bewertung erlangter Positionen).53 Es geht vielmehr darum, dass der Treugeber zumindest objektiv individuell54 in der Lage sein muss, die erlangte Position auch verlässlich zu nutzen, sodass sich deren Wert für ihn entfalten kann. Die Gegenleistung soll also gerade nicht rein subjektiv aus Sicht des Treugebers bewertet werden (wenn dieser beispielsweise ein besonderes persönliches Interesse am Erhalt einer ganz bestimmten Gegenleistung hatte). Sie muss vielmehr nach der Einschätzung eines objektiven Betrachters den individuellen wirtschaftlichen Bedürfnissen des Treugebers entsprechen und für dessen wirtschaftliche Zwecke brauchbar sein.55 Grund hierfür ist wiederum, dass nicht die Dispositionsfreiheit des Treugebers, sondern sein individuelles Vermögen als Ganzes von § 266 StGB geschützt wird.56 bb) Berücksichtigte Minderungsfaktoren Hinsichtlich der konkreten Anwendung und Berechnung der Wertminderung werden verschiedene Herangehensweisen vertreten.57 (1) Aufdeckungs- und Sanktionsrisiko Es wird angenommen, dass sich der Wert einer rechtswidrig erlangten Gegenleistung mindere, wenn und weil eine Aufdeckung der rechtswidrigen Vorgehensweise drohe und damit negative Folgen für den Treugeber zu erwarten seien.58 Diese negativen Folgen seien zum einen die (drohende) Abschöpfung der erlangten Gegenleistung und zum anderen darüber hinausgehende weitere (drohende) Sanktionen als staatliche Reaktion auf das rechtlich missbilligte Handeln.Außerdem sei bei der Aufdeckung rechtswidriger Unternehmenspraxen auch mit einem Verlust des gesellschaftlichen Ansehens des Treugebers zu rechnen, was wiederum erhebliche wirtschaftliche Folgen für das Treugeber-Unternehmen haben könne.59
53
Vgl. hierzu Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 43 und unten, S. 208 ff. Vgl. SK-Hoyer, § 266 Rn. 110 und siehe hierzu detailliert unten, S. 164 f. 55 SK-Hoyer, § 266 Rn. 110. 56 Vgl. oben Teil 4, Fn. 31. 57 Siehe die Vielzahl der in Teil 4, Fn. 51 genannten Vertreter dieser Ansicht. 58 Vgl. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 904; Rönnau, in: ZstW 2007, 887, 921 m. w. N.; Taschke, in: Lüderssen-FS, 663, 667 f.; Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 154; Ransiek, in: StV 2009, 321, 323 m. w. N. 59 Rönnau, in: ZstW 2007, 887, 921; Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 155; vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 113. 54
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Keller wendet sich gegen die Beachtung des Entdeckungsrisikos.60 Seiner Meinung nach könne die Einordnung der Handlung des Täters als strafbar nicht davon abhängen, wie gut dieser seine Bestechungszahlungen vertusche. Dem muss wiederum mit dem Schutzgut des § 266 StGB entgegnet werden. Wenn das Vermögen als Ganzes nicht geschädigt oder gefährdet ist, sondern vom Treugeber legal genutzt werden kann, kommt eine Strafbarkeit nach § 266 StGB nicht in Betracht. Wenn allerdings aufgrund einer Wahrscheinlichkeit der Entdeckung der Entzug des erlangten Vermögens unmittelbar droht, so ist das Vermögen, wirtschaftlich betrachtet, gemindert. Die Begründung für die Minderung ist also nicht die gute oder schlechte Verdeckung der rechtlich missbilligten Handlung, sondern die faktische Schmälerung des Werts des Treugebervermögens.61 Auf den ersten Blick könnte man hierbei annehmen, es handele sich um eine normative Korrektur. Allerdings geht es letztlich um die wirtschaftliche Nutzbarkeit, die unter diesem Gesichtspunkt zu bestimmen ist, sodass auch unter Anwendung eines rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs eine derartige Korrektur vertretbar erscheint.62 (2) „Reduzierung auf Null“: Fehlende Nutzbarkeit Darüber hinaus wird eine Reduzierung des objektiven wirtschaftlichen Wertes einer rechtlich missbilligten Gegenleistung auf null angenommen, wenn diese Position vom Treugeber nicht genutzt werden kann, ohne dass dieser sich selbst strafbar machen würde. Denn eine solche Position habe für den Treugeber überhaupt keinen wirtschaftlichen Wert.63 Lüderssen64 und Schünemann65 vertreten in diesem Zusammenhang, dass rechtlich missbilligt erlangte Vorteile innerhalb der Kompensation nur dann berücksichtigt werden könnten, wenn sie rechtlich beständig seien. Nach Lüderssen ist dies dann der Fall, wenn der erlangte Vorteil selbst nicht von der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Vorgänge erfasst sei.66 Es stellt sich demnach die Frage, ob sich die Nichtigkeit der Vereinbarung zwischen Treunehmer und Vertragspartner in den erlangten Positionen fortsetzt. Hierzu will Lüderssen die zivilrechtlichen Regeln anwenden, die für die Behandlung von Verträgen gelten, deren Zustandekommen auf nichtigen oder anfechtbaren Vereinbarungen beruhen.67 Bei einer „Schmiergeldab60
Keller, in: Puppe-FS, 1189, 1194; so auch Weber, in: Seebode-FS, 437, 448. Siehe hierzu auch die Ausführungen des 4. Strafsenats in der Bundesliga-Entscheidung, BGH, NJW 1975, 1234, 1236. 62 Vgl. Rönnau, in: ZStW 2007, 887, 921; Satzger, in: NStZ 2009, 297, 392. 63 Vgl. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 908. 64 Lüderssen, in: Müller-Dietz-FS, 467, 470 ff. 65 Vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 170. 66 Lüderssen, in: Müller-Dietz-FS, 467, 470; so auch Taschke, in: Lüderssen-FS, 663, 667 f.; Weber, in: Seebode-FS, 437, 443. 67 Lüderssen, in: Müller-Dietz-FS, 467, 470. 61
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rede“ beispielsweise sei ein daraufhin abgeschlossener Folgevertrag nicht automatisch auch von der Nichtigkeit umfasst. Dies gelte nur, wenn der Folgevertrag selbst von der Rechtsordnung missbilligt sei.68 Hiervon ist nach der Rechtsprechung dann auszugehen, wenn der Folgevertrag selbst gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB) oder wenn die „Schmiergeldabrede“ zu einer für den Geschäftsherrn (Treugeber) nachteiligen Gestaltung des Folgevertrags geführt hat (§ 138 BGB).69 Davon dürfte aber in den vorliegend untersuchten Fällen nicht auszugehen sein. Auch wenn die Folgeverträge selbst nicht automatisch vollständig nichtig sind, können sie selbstverständlich aufgrund der vorausgegangenen rechtswidrigen Absprachen einen geringeren Wert für den Treugeber haben. Dies wäre anzunehmen, wenn sich aufgrund der rechtswidrigen „Schmiergeldabrede“ besondere Lösungsrechte für den Vertragspartner ergäben oder die Aufdeckung der illegalen Vorgehensweise drohte. Wenn auf Seiten des Bestochenen beispielsweise auch „nur“ ein Vertreter handelt, so fehlt diesem wohl die Vertretungsmacht zum Abschluss eines Folgevertrages mit demjenigen, der den Vertreter soeben bestochen hat. Hieraus kann resultieren, dass der Vertragspartner (Geschäftsherr des bestochenen Vertreters) das Geschäft nicht entsprechend § 177 Abs. 1 BGB genehmigen wird und das Folgegeschäft letztlich doch unwirksam wäre.70 In diesen Fällen ist allerdings nicht von einer automatischen „Reduzierung auf Null“ auszugehen, sondern nach den im Folgenden zu erarbeitenden Grundsätzen zu mindern. (3) Einpreisung durch die Parteien Die handelnden Parteien (also der Treunehmer und der Vertragspartner) werden teilweise das wirtschaftliche Risiko eines rechtlich missbilligten Geschäfts (inklusive fehlender Mängelansprüche, gerichtlicher Durchsetzbarkeit der Zahlungsansprüche und Entdeckungs- bzw. Sanktionsrisiko) bereits bei der Ausgestaltung der Entgeltabrede einpreisen.71 Dies kann vor allem gelten, wenn für die erlangte illegale Position ein allgemein anerkannter Schwarzmarktpreis besteht. In diesem meist niedrigeren Preis sind die mit der Illegalität verbundenen Risiken bereits berücksichtigt.72 Es muss daher nicht stets eine Wertminderung der erlangten Gegenleistung (im Vergleich zu den hierfür aufgewendeten Mitteln) angenommen werden. Im Gegenteil vertritt Ransiek sogar, dass der Marktwert einer illegalen Gegenleistung höher sein könne, gerade weil sie legal nicht erlangt werden könne.73
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Lüderssen, in: Müller-Dietz-FS, 467, 471 mit Bezug auf BGH, NJW 1999, 2266, 2267. BGH, NJW 1999, 2266, 2267 m. w. N.; MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 128 m. w. N. 70 Vgl. dazu BGH, NJW 1999, 2266, 2268; vgl. dazu BGH, NJW 2001, 1065, 1067; MüKo BGB-Armbrüster, § 138 Rn. 128. 71 Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 905. 72 Vgl. hierzu auch unten, S. 165 ff. 73 Ransiek, in: StV 2009, 321, 323 ff.; vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 144 f.; Hellmann, in: ZiS 2007, 433, 434 und vgl. unten, S. 165 ff. 69
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(4) Einschätzung und Anwendung Die unter ((a)) und ((b)) erläuterten Einschränkungen des wirtschaftlichen Wertes sind mit Blick auf die Anwendung des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs74 einleuchtend. Wenn Schutzgut des § 266 StGB das individuelle Gesamtvermögen des Treugebers ist und deshalb auch werthaltige rechtlich missbilligte Positionen bei der Gesamtsaldierung im Rahmen der Kompensation berücksichtigt werden müssen, dann darf im Gegenzug auch nur dasjenige zur Kompensation zugelassen werden, was für den Treugeber einen tatsächlichen Vermögenswert hat und wirtschaftlich nutzbar ist. Es muss daher untersucht werden, ob die Gegenleistung von dem Treugeber auch legal hätte erlangt werden können und ob sie deshalb für ihn tatsächlich uneingeschränkt nutzbar ist. Burghardt/Bröckers75 beziehen sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung in der Telekom-Spitzelaffäre.76 Die erlangte Gegenleistung der illegalen Telefondaten-Auswertungen sei an sich verboten und von der Treugeberin (der Telekom AG) nicht legal nutzbar gewesen. Sie habe daher keinen wirtschaftlichen Wert für die Telekom AG gehabt und habe die vom Treunehmer veranlasste Vergütungszahlung nicht kompensieren können. Im Ergebnis stimmen sie also mit dem BGH überein. Nur der Argumentationsweg ist ein anderer. Weber dagegen bezieht die genannten Kriterien auf den Siemens/Enel-Fall77 und macht deutlich, dass die durch die Bestechungszahlungen ermöglichten Verträge nicht nachteilhaft für die Siemens AG und auch nicht an sich sittenwidrig oder verboten gewesen seien.78 Gleiches gilt nach Waßmer für die Entscheidung in der Bundesliga-Entscheidung. Die letztlich geschlossenen Kaufverträge über Eintrittskarten usw. seien rechtskräftig und die hieraus erlangten Einnahmen deshalb legal nutzbar gewesen.79 Die Sittenwidrigkeit der Bestechungsabrede ziehe sich gerade nicht durch bis zu den letztlich aus rechtmäßigen Kaufverträgen stammenden Früchten.80 Dieser Ansatz überzeugt. Denn hiernach lassen sich gerechte Ergebnisse erzielen. Dies zeigt auch das folgende von Burghardt/Bröckers vorgestellte Beispiel: Der Geschäftsführer einer GmbH, der eine Spülmaschine pflichtwidrig durch einen „schwarz“ arbeitenden Handwerker einbauen lässt und dafür ein Entgelt aus der 74
Vgl. oben, S. 84 ff. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 908. 76 BGH, NJW 2013, 401 ff. 77 BGH, NStZ 2009, 95 ff. 78 Weber, in: Seebode-FS, 437, 443. 79 Vgl. dazu Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 123 ff.; so auch Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659. 80 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 124. 75
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Unternehmenskasse zahlt, macht sich hiernach nicht gemäß § 266 StGB strafbar.81 Denn die Spülmaschine kann von dem Unternehmen legal genutzt werden und hat somit für dieses einen wirtschaftlichen Wert. Der Wert der eingebauten Spülmaschine kann daher zur Kompensation des gezahlten „Werklohns“ dienen. Die Parteien werden, wie erläutert, einen geringeren Lohn vereinbart haben, da aufgrund der „Schwarzgeld-Abrede“ keine durchsetzbaren Mängelrechte bestehen.82 Zwar mag man diesen Beurteilungskriterien vorwerfen, dass sie zu Einzelfallentscheidungen führten und hierdurch eine Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit für den Normunterworfenen erschwert werde (vor allem für den juristischen Laien). Dies sollte gerade durch die Anwendung des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs verhindert werden. Allerdings beruhen diese Einzelfall-Entscheidungen nicht auf fingierten Ausnahmefällen und Situationen, die verschiedenen, ebenfalls erdachten Fallgruppen zugeordnet werden müssten, sondern auf einer Beurteilung der tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzbarkeit der erlangten Vorteile. Es liegt in der Natur der Sache, dass es einer Einzelfall-Betrachtung bedarf, wenn durch Saldierung festgestellt werden soll, wie sich die Vermögenslage des Treugebers verändert hat. Dass hierbei auch rechtliche Normen beachtet werden müssen, zeigt nicht etwa, dass es letztlich doch immer zu einer normativen Korrektur komme, sondern, dass das Vermögen selbst nur ein aufgrund unseres Normen- und Regelungssystems bestehendes Konstrukt ist. Hierbei handelt es sich um die oben dargelegte „Grund-Normativierung“.83 b) Vorliegend zu untersuchende Fälle Nach dem soeben Dargelegten stellt sich weiterhin die Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen eine Wertminderung der Gegenleistung zu berücksichtigen ist. Aufgrund der Fülle an Fallkonstellationen wird im Folgenden vorausgesetzt, dass eine pflichtwidrige und gesetzlich verbotene Zahlung des Treunehmers an den „Geschäftspartner“ stattgefunden hat und hierfür in unmittelbarem Zusammenhang eine Gegenleistung bereits erlangt wurde (in welcher Reihenfolge dies geschieht, soll zunächst nicht von Bedeutung sein84). Es wird weiter angenommen, dass die erlangte Gegenleistung für den Treugeber nach den oben dargelegten Kriterien grundsätzlich nutzbar ist und einen wirtschaftlichen Wert hat. Allerdings droht aufgrund der rechtlichen Missbilligung des Austauschgeschäfts eine Entziehung zumindest eines Teils des erlangten wirtschaftlichen Wertes. Es wird also nicht der Fall der Bun-
81
Vgl. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 907 f. Vgl. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903 ff. 83 Vgl. oben, S. 84 ff. 84 Vgl. zu den Anforderungen an den inneren und zeitlichen Zusammenhang von pflichtwidriger Handlung und Gegenleistung weiter unten, S. 122 ff. und S. 124 ff. sowie S. 223 ff. 82
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation
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desliga-Entscheidung85 (Effektiver Abfluss von Bestechungszahlung und Chance auf Vermögenszuwachs), sondern eine Konstellation, wie sie bei Siemens/Enel vorlag, zugrunde gelegt (Effektiver Zufluss wirtschaftlich werthaltiger Positionen durch die Erlangung der Aufträge, anschließend effektiver Abfluss der vereinbarten Bestechungszahlung und die bestehende Gefahr des Verlusts der erlangten Vorteile bei einer drohenden Entdeckung86). c) Grundvoraussetzung: Risiko des Wertabflusses Grundvoraussetzung für eine Minderung ist nach dem Dargelegten das Vorliegen eines Entdeckungs- und Sanktionsrisikos. Hieraus muss sich die Gefahr ergeben, dass der illegal zugeflossene Vorteil wieder abfließt und somit die erlangte Gegenleistung, welche in die Gesamtsaldierung eingestellt werden sollte, reduziert würde. Dies würde dazu führen, dass der erlangte Vermögenszufluss nicht mehr ausreichte, um den erlittenen Vermögensabfluss (hier die Bestechungszahlung) auszugleichen. Die Gesamtsaldierung ergäbe dann letztlich einen Negativsaldo und es wäre von einem Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB auszugehen. d) Konkrete Berechnung der Wertminderung Wie oben bereits ausgeführt, sind bisher keine einheitlichen Voraussetzungen anerkannt, die an die Qualität des Entdeckungs- und Sanktionsrisikos gestellt werden müssten, damit von einer Wertminderung der Gegenleistung auszugehen wäre. Auch eine konkrete Art der Bewertung der Minderung wurde bisher nicht entwickelt. Im Folgenden sollen zunächst die bereits existierenden Herangehensweisen zur Einschätzung einer Wertminderung aufgrund eines Entdeckungs- und Sanktionsrisikos dargestellt und eingeschätzt werden ((1)), bevor Voraussetzungen für die Anwendung der Wertminderung in den vorliegend konkret zu betrachtenden Fällen erarbeitet werden ((2) und (3)). aa) Anforderungen an das Entdeckungs- und Verlustrisiko Das grundlegende Problem jeder Risikobewertung liegt darin, dass das Bestehen eines Risikos nicht sicher kalkulierbar ist. Die Höhe des Entdeckungsrisikos und die hiermit verbundenen zu befürchtenden negativen Folgen für das Treugebervermögen müssen daher prognostiziert werden.87 Hieraus resultiert eine nicht übereinstimmende Anwendung der Wertminderung in Rechtsprechung und Literatur. Es werden unterschiedlichste Voraussetzungen und Wahrscheinlichkeitsgrade für die Annahme eines wertmindernden Risikos festgesetzt. Das Verlustrisiko setzt sich hierbei aus 85
BGH, NJW 1975, 1234 ff. Die Sonderkonstellation der Einrichtung einer schwarzen Kasse soll gesondert behandelt werden, vgl. hierzu unten, S. 186 ff. 87 Vgl. Kempf, in: Hamm-FS, 255, 258 f.; Ransiek, in: StV 2009, 321 ff., Fn. 40. 86
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verschiedenen Faktoren zusammen: Die drohende Aufdeckung an sich, die Möglichkeit einer hierauf folgenden Sanktionierung und die Frage, ob dabei „lediglich“ das Erlangte wieder abfließen würde oder darüber hinaus weitere Sanktionen verhängt werden könnten. Im Folgenden werden einige vertretene Meinungen zur Annahme eines wertmindernden Verlustrisikos dargestellt. (1) Hoof: Unterschiedliche Betrachtung Hoof88 ist der Ansicht, das Risiko des reinen Abflusses der erlangten Gegenleistung und die Verhängung darüberhinausgehender eigenständiger Sanktionen unterlägen unterschiedlichen Bewertungen. Die Frage, ob der rechtlich missbilligt erlangte Vermögensvorteil wieder zurückerstattet werden müsse, betreffe allein die Werthaltigkeit des zugeflossenen Vorteils und könne anhand eines Vergleichsmarktes bewertet werden. Die Auslösung weiterer Sanktionen dagegen sei unabhängig von dem Vermögenszufluss zu bewerten. Die Sanktionsverursachung könne nur bei Bejahung der Grundsätze einer konkreten Vermögensgefährdung berücksichtigt werden. Diese Ansicht überzeugt allerdings nicht. Da, wie erläutert, bereits die Abschöpfung der erlangten Vorteile einen Vermögensnachteil begründen wird, muss dieser Umstand, genau wie das Auslösen eigenständiger Sanktionen, unter den strengen Voraussetzungen eines Verlustrisikos beurteilt werden. Welcher Maßstab dafür in den hier zu untersuchenden Fällen angelegt werden muss, soll vorliegend gerade erarbeitet werden. Dieser Maßstab muss aber für den reinen Abfluss genau so gelten wie für die Auslösung zusätzlicher Sanktionen, denn geschützt wird das Treugebervermögen als Ganzes und letztlich wird eine Gesamtsaldierung vorgenommen werden. Weshalb hier also für den reinen Abfluss der erlangten Kompensation geringere Anforderungen gelten sollten als für die Auslösung darüberhinausgehender Sanktionen, ist nicht ersichtlich, da beides letztlich einen Vermögensnachteil und damit die Untreuestrafbarkeit nach § 266 StGB begründen würde. (2) 4. Strafsenat (Bundesliga-Entscheidung): 51 % Der 4. Strafsenat89 hatte in seiner Bundesliga-Entscheidung den oben bereits dargelegten umgekehrten Fall zu entscheiden. Er musste beurteilen, ob die Aussicht auf einen Gewinn einen bereits erlittenen Nachteil ausgleichen und wirtschaftlich aufheben könne.90 Die angewendeten Kriterien könnten aber entsprechend auf die vorliegend zu beurteilenden Fälle übertragen werden. In seiner Entscheidung hat der Strafsenat auf die Parallelität zu den sogenannten Risikogeschäften hingewiesen und ausgeführt, dass eine Kompensation unter diesen 88 89 90
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 150 f. BGH, NJW 1975, 1234 ff.; vgl. oben, S. 23 ff. BGH, NJW 1975, 1234, 1235.
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Umständen stattfinden könne, wenn nicht nur eine allgemeine unbestimmte Aussicht oder bloße Hoffnung auf einen Vermögensvorteil anzunehmen sei, sondern wenn der Vermögensvorteil mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Diese Ausführung lässt allerdings erkennen, dass der Strafsenat nicht primär eine Parallele zu den Risikogeschäften hergestellt hat, sondern vielmehr grundsätzlich zur vermögenswerten Exspektanz. Denn letztlich hat er die Frage beurteilt, ob die erlangte Aussicht auf einen Gewinn als kompensierender Posten in die Gesamtsaldierung eingestellt werden kann, ohne dass der Gewinn im Moment dieser Beurteilung bereits tatsächlich eingetreten wäre.91 Auf das Eingehen eines (erlaubten) Risikos ist der 4. Strafsenat hingegen nicht weiter eingegangen. Vielmehr beurteilte er, ob die erlangte Aussicht auf den Verbleib in der Bundesliga und die hiermit verbundenen deutlich höheren Einnahmen die Bestechungszahlung ausgleichen könne. An die Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Gewinnaussicht hat der 4. Strafsenat keine besonders hohen Anforderungen gestellt. Er führte aus, dass bei einer wirtschaftlich vernünftigen, alle bekannten äußeren Umstände berücksichtigenden, Gesamtbetrachtung die Aussicht auf den Gewinnzuwachs wahrscheinlicher sein müsse als die Gefahr eines Verlustgeschäfts (allerdings hat er eine tatsächliche Einschätzung der bestehenden Chancen und Risiken nicht vorgenommen, sondern das Ergebnis offengelassen und in der Sache zurückverwiesen).92 Die Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Gewinnchance müsste demnach „lediglich“ 51 % betragen.93 Dies kommt dem pflichtwidrig handelnden Treunehmer als Normunterworfenen zugute. Denn für den Ausgleich des effektiv erfolgten Vermögensabflusses bedürfte es „nur“ einer 51-prozentigen Wahrscheinlichkeit, dass der hiermit bezweckte Erfolg eintreten und den Abfluss kompensieren werde. Eine Übertragung dieser Wahrscheinlichkeitskriterien auf das Bestehen eines wertmindernden Entdeckungsrisikos in den konkret behandelten Fällen weckt allerdings Bedenken. Denn hier hat der für den Treunehmer, als Normunterworfenen, positive Vermögenszufluss bereits effektiv stattgefunden. Eine strafbarkeitsausschließende Kompensation des effektiven Vermögensabflusses wäre daher eigentlich anzunehmen. Allerdings besteht aufgrund der rechtlichen Missbilligung des Geschäfts ein Risiko, dass die effektiven Vorteile wieder abfließen und somit ein Vermögensnachteil letztlich doch zu bejahen wäre. Würde man also hier die gleichen Maßstäbe anlegen wie es der 4. Strafsenat in der Bundesliga-Entscheidung angeregt hat und „nur“ verlangen, dass das rechtlich missbilligte Vorgehen mit 51-prozentiger Wahrscheinlichkeit aufgedeckt werde, würde dieser sehr niedrige Maßstab zulasten des Treunehmers als Normunterworfenen wirken. Gerade wegen der strafbarkeits-
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So auch Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656 ff., siehe hierzu sogleich. Vgl. BGH, NJW 1975, 1234, 1236, wobei hier negativ formuliert wird, wann ein Ausgleich zu verneinen und daher ein Vermögensnachteil anzunehmen sei. 93 Vgl. Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656 ff., siehe hierzu sogleich. 92
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begründenden Wirkung der Ablehnung einer Kompensation des Vermögensabflusses erscheint dies allerdings zweifelhaft. (3) Schreiber/Beulke: Hohe Wahrscheinlichkeit Auch Schreiber/Beulke94 befassen sich mit dem umgekehrten Fall und nehmen Bezug auf die Bundesliga-Entscheidung des 4. Strafsenats. Sie stimmen diesem aber nur eingeschränkt zu. Sie begrüßen zunächst die (letztlich vorgenommene, wenn auch vom Strafsenat selbst nicht so bezeichnete) Übertragung der Figur einer vermögenswerten Exspektanz vom Vermögensabfluss (Vermögensnachteil aufgrund des Verlusts einer Exspektanz95) auf den Vermögenszufluss.96 Auch Schreiber/ Beulke gehen davon aus, dass ein Vermögensabfluss durch eine hierdurch erlangte Exspektanz auf Vermögenszuwachs ausgeglichen werden könne. Sie wenden sich allerdings gegen das vom 4. Strafsenat angewendete Ermittlungskriterium zur Feststellung einer bestehenden Exspektanz. Es soll nach Ansicht von Schreiber/ Beulke nicht genügen, dass die Erlangung eines ausgleichenden Vermögenszuflusses wahrscheinlicher ist als dessen Nichteintritt. Sie wenden sich gegen die Forderung nach einer 51-prozentigen Zufluss-Wahrscheinlichkeit. Diese führe nicht zu belastbaren Ergebnissen. Bei vielen für- und widersprechenden Faktoren, ob ein Gewinn erzielbar sei oder nicht, entwickle sich die Einschätzung, welche Möglichkeit letztlich mit 51 % überwiegen werde zum „Lotteriespiel“. Für eine verlässliche Annahme eines Nachteilsausgleichs müsse die Wahrscheinlichkeit des Zuflusses deutlich erkennbar und somit hoch sein. Schreiber/Beulke wollen daher die Figur der vermögenswerten Exspektanz konsequent und vollumfänglich auf die Kompensationsebene übertragen.97 Da ein Vermögensnachteil auf Seiten des Vermögensabflusses nur dann bejaht werden könne, wenn eine Aussicht verloren ginge, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Gewinnmehrung geführt hätte, müsse dies auch für die entgegengesetzte Situation im Rahmen des Vermögenszuflusses gelten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezahltes „Schmiergeld“ durch zu erwartende Gewinne ausgeglichen werde, müsse daher hoch sein.98 In Bezug auf die Situation der Bundesliga-Entscheidung könnte diese vollumfängliche Übertragung der Voraussetzungen einer Exspektanz problematisch sein. Innerhalb der ursprünglichen Anwendung, auf Seiten des Vermögensabflusses, wird beurteilt, ob der Verlust einer Gewinnaussicht, die sich noch nicht verwirklicht hat, einen Vermögensnachteil und somit eine Untreuestrafbarkeit des Treunehmers begründen kann. Wegen dieser strafbarkeitsbegründenden Wirkung müssen daher strenge Anforderungen an das Bestehen einer solchen zu beachtenden Aussicht 94 95 96 97 98
Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656 ff. Vgl. hierzu oben, S. 54 ff. Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659. Vgl. hierzu wiederum oben, S. 54 ff. Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 660.
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gestellt werden. Auf der Kompensationsseite dagegen geht es um die Frage, ob durch die gewonnene Gewinnaussicht ein Nachteil kompensiert und somit die Strafbarkeit des Treunehmers verneint werden kann. Eine Übertragung der strengen Wahrscheinlichkeitskriterien würde im Hinblick auf die Erlangung einer kompensierenden Exspektanz zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 266 StGB führen. Vor diesem Hintergrund erscheint es daher nicht ohne weiteres zwingend, auf der Kompensationsebene die gleichen strengen Maßstäbe an das Vorliegen einer relevanten Gewinnaussicht anzusetzen.99 Diese Frage ist allerdings in den vorliegend zu beurteilenden Fällen (vgl. Siemens/ Enel) nicht von Bedeutung. Denn hier ergeben sich letztlich die gleichen Interessen wie auf der Abflussseite. Vermögen ist effektiv abgeflossen und ein Gewinn auch wiederum effektiv zugeflossen. Nun besteht „lediglich“ die Gefahr, dass bei einer Entdeckung dieser zugeflossene Gewinn wieder abfließen könnte. Die Forderung nach einer hohen Wahrscheinlichkeit des Abflusses, um von einer strafbarkeitsbegründenden Minderung auszugehen, kommt dem Treunehmer daher zugute. Die hohe Anforderung an die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung wäre also übertragbar. Allerdings ist die Bezeichnung als vermögenswerte Exspektanz in den vorliegenden Fällen nicht passend. Es geht hier nicht um eine Gewinnaussicht, die beziffert werden müsste, sondern vielmehr um die Gefahr des Abflusses, der erlangten Gegenleistung. Hier wäre also das Pendant der Exspektanz100 passender: die Figur der Vermögensgefährdung. (4) Ransiek: In dubio pro reo Ransiek101 behandelt den auch hier zugrunde gelegten Fall (die Konstellation Siemens/Enel). Er befasst sich konkret mit dem Wert der rechtlich missbilligt erlangten Gegenleistung. Auch seiner Ansicht nach könne man diesen wegen des Entdeckungs- und Sanktionsrisikos nicht gleichsetzen mit dem zunächst erlangten Gewinn. Auch nach Ransiek ist der Wert der Gegenleistung daher grundsätzlich gemindert. Wann und in welchem Umfang allerdings eine Wertminderung der erlangten Gegenleistung anzunehmen sei, sei im Voraus unklar.102 Ransiek geht dabei davon aus, dass das Risiko der Entdeckung in der Regel nicht so hoch sein werde, dass der Gewinn aus dem Geschäft letztlich hinter der Bestechungszahlung zurückbleibe. Denn ansonsten würden Bestechungszahlungen im Wirtschaftsverkehr nicht vorgenommen, zumindest nicht um einen Vorteil für den Treugeber zu erzielen.103
99
Vgl. hierzu ausführlich unten, S. 135 ff. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 64; vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 23. 101 Ransiek, in: StV 2009, 321 ff. 102 Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 660 ff. 103 Ransiek, in: StV 2009, 321, 323.
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Statt eine bestimmte Entdeckungswahrscheinlichkeit zu fordern, betont Ransiek die fehlende Bezifferungsmöglichkeit des Entdeckungsrisikos. Er plädiert daher für die Anwendung des in dubio pro reo-Grundsatzes. Es sei im Voraus nicht verlässlich zu beurteilen, wie hoch das Risiko der Entdeckung und die hieraus resultierenden negativen wirtschaftlichen Folgen seien. Daher sei nicht sicher, in welchem Umfang die erlangte Gegenleistung zu mindern sei und ob der hiernach verbleibende Vermögenswert noch ausreiche, um die effektiv erfolgte Bestechungszahlung auszugleichen. Da folglich nicht sicher beurteilt werden könne, dass der erfolgte Vermögensabfluss nicht ausgeglichen werde und somit das Vorliegen eines Vermögensnachteils nicht sicher festgestellt werden könne, sei der Schaden in dubio pro reo zu verneinen.104 Diese Ausführungen sind grundsätzlich überzeugend. Allerdings kann eine Bezifferbarkeit der Wertminderung nicht generell abgelehnt werden. Vielmehr bedarf es mit Blick auf die Entscheidung des BVerfG grundsätzlich einer konkreten Ermittlung des Nachteils. Hierzu können auch Sachverständige zurate gezogen werden.105 Erst wenn nach Ausschöpfung der vorhandenen anerkannten Bewertungsverfahren und -maßstäbe eine Bezifferung der Wertminderung nicht möglich ist, ist im Zweifel ein Nachteil abzulehnen. Die Unsicherheit der Entdeckung alleine reicht hierfür nicht aus, diese Unsicherheit wird wirtschaftlich gerade durch Wertabschläge bewertet. Der in dubio pro reo-Grundsatz ist daher erst anzuwenden, wenn nicht sicher festgestellt werden kann, ob die vorzunehmenden Abschläge so groß sind, dass von dem Wert der Gegenleistung nicht mehr genug bestehen bleibt, um die erfolgte Bestechungszahlung auszugleichen und somit nicht sicher ist, ob das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils insgesamt vorliegt. Der in dubio pro reo-Grundsatz ist daher grundsätzlich im Anschluss an die Bewertung eines Entdeckungs- und Sanktionsrisikos anzuwenden, wenn aufgrund der anzuwendenden Kriterien, die in diesem Abschnitt festgelegt werden sollen, eine Wertminderung letztlich nicht sicher beziffert werden kann. (5) Velten: Wie bei Risikogeschäften In ihrer Besprechung des Falls Helmut Kohl106 befasst sich Velten107 mit der Belastung des Treugebervermögens (hier der CDU) mit dem Risiko künftiger Sanktionen, ausgelöst durch eine verdeckte Parteifinanzierung. In diesem Fall war dem Treugebervermögen ein effektiver Vorteil zugeflossen, in Form von, die Grenzen des § 25 Abs. 2 PartG (a. F.) übersteigenden, Parteispenden. Da die Spender anonym bleiben wollten und Helmut Kohl deshalb Höhe und Herkunft der Mittel verschleierte, handelte es sich insoweit um illegale Spenden. Es bestand die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung der Vorgänge die Gesamtsumme der Spenden auszu104 105 106 107
Ransiek, in: StV 2009, 321, 323. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215, 3220. Velten, in: NJW 2000, 2852 ff. Velten, in: NJW 2000, 2852 ff.
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zahlen wäre und darüber hinaus die staatlichen Zuwendungen der CDU in Höhe des doppelten Spendenbetrags gekürzt würden.108 Velten geht davon aus, dass sich zwar das Vermögen der CDU durch die Spenden vermehrt habe. Diese Mehrung müsse allerdings mit den dargelegten Risiken des Verlusts verglichen werden. Hierbei will Velten die Maßstäbe eines Risikogeschäfts anwenden.109 Dagegen wendet sich Krüger.110 Ein Risikogeschäft liege vor, wenn wegen der Erwartung eines künftigen Vorteils ein Nachteil schon bei seiner Entstehung als ausgeglichen gelten könne (so etwa bei Kreditgeschäften). Die Situation bei der verdeckten Parteifinanzierung sei allerdings umgekehrt. Hier bestünden bereits effektive Vorteile und der Eintritt eines Nachteils liege noch in der Zukunft. Auch Schwind111 macht deutlich, dass es sich bei verdeckten und somit illegalen Parteispenden nicht um Risikogeschäfte handele, denn ein solches liege bei der Belastung des Vermögens des Treugebers mit einem ungewollten Risiko vor. Das vorgenommene Geschäft sei allerdings legal (z. B. der Kauf hochspekulativer Wertpapiere). Die Annahme illegaler Spenden erfülle dieses Kriterium jedoch gerade nicht. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Beurteilung eines Risikogeschäfts eine Frage der Pflichtwidrigkeit der Handlung und nicht des Vermögensnachteils darstellt.112 Auch Saliger113 verneint daher die Behandlung der vorliegenden Fälle als Risikogeschäfte. Das Risiko der Entdeckung der Anknüpfungstat mache ein Geschäft nicht zu einem Risikogeschäft. Denn das Geschäft sei in diesen Fällen eindeutig pflichtwidrig und die typische Problematik der Risikogeschäfte, nämlich die Abgrenzung erlaubter von unerlaubten Vermögensrisiken, stelle sich daher gar nicht. Auch Velten selbst nimmt eine Pflichtwidrigkeit der Handlung Kohls ohne weiteres an.114 Die Einschätzung, dass es sich um ein Risikogeschäft handele, welche auch der 4. Strafsenat vertreten hat,115 bringt die Prüfung an dieser Stelle daher nicht weiter. Denn hierdurch wird nur der Pflichtverstoß an sich beschrieben.116 Die Pflichtwidrigkeit der Handlung wurde weiter oben bereits ausführlich besprochen.117 Hieraus 108
Velten, in: NJW 2000, 2852, 2582. Vgl. Velten, in: NJW 2000, 2852, 2583; so auch LK-Schünemann, § 266 Rn. 118. 110 Krüger, in: NJW 2002, 1178, 1180. 111 Schwind, in: NStZ 2001, 349, 352; so auch S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 61. 112 Siehe die Behandlung dieses Themas bei Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 20; LK-Schünemann, Rn. 115 ff.; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 73. 113 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 61. 114 Velten, in: NJW 2000, 2852, 2853, allerdings wegen des Verstoßes gegen die Parteisatzung und nicht gegen das PartG. Die vermögensschützende Funktion des PartG muss daher vorliegend nicht untersucht werden. S. auch BGH, NJW 2011, 1747, 1749 und oben, S. 46 ff. 115 BGH, NJW 1975, 1234, 1235 f. 116 So im Ansatz auch Kasike, in: NZWiSt 2016, 302, 302. 117 Vgl. oben, S. 44 ff. 109
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kann unter Beachtung des Verschleifungsverbots nicht zugleich auch der Vermögensnachteil begründet werden.118 Es bedarf der Feststellung, dass, über die Eingehung eines pflichtwidrigen Verlustrisikos hinaus, hierdurch ein bezifferbarer Nachteil eingetreten ist, der die Gegenleistung in ihrem kompensationsfähigen Wert mindert. Velten nennt diesen Schaden Risikoschaden und weist letztlich auf die Voraussetzungen für die Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auf der Abflussseite hin, ohne dies allerdings weiter auszuführen.119 Die Berufung auf eine Parallele zu den Risikogeschäften in den Situationen, in denen staatliche Sanktionen drohen, hat daher keinen Mehrwert für die verlässliche Feststellung und Bezifferung einer Wertminderung und damit für die Feststellung eines Nachteils. (6) Saliger/Gaede: Kritik an der „schadensgleiche[n] Kompensationsgefährdung“ Saliger/Gaede120 besprechen die Entscheidung des Landgericht Darmstadt im Fall Siemens/Enel. Sie kritisieren die Schaffung der Figur einer „schadensgleiche[n] Kompensationsgefährdung“.121 Das Landgericht Darmstadt hatte eine Schädigung der Siemens AG, als Treugeberin, durch die Bestechungszahlung zur Erlangung lukrativer Aufträge angenommen. Die erlangten Aufträge hätten zwar einen Gewinn mit sich gebracht, der deutlich höher gewesen sei als die Summe der Bestechungszahlung. Dieser Gewinn sei allerdings nur vorrübergehender Natur gewesen. Er sei von vornherein mit zivilrechtlichen Ansprüchen und der Gefahr der Rückabwicklung und des Verfalls belastet gewesen. Der Auszahlung der Bestechungsgelder habe also sofort eine erhebliche schadensgleiche Vermögensgefährdung gegenübergestanden, sodass die Auftragserlangung den Vermögensverlust durch die Bestechungszahlung nicht habe kompensieren können.122 Gegen diese Ausführungen wenden sich Saliger/Gaede. Die Anwendung der Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung des Landgerichts Darmstadt entspreche nicht deren eigentlichem Sinn. Die schadensgleiche Vermögensgefährdung sei das Ergebnis einer Gesamtsaldierung von Nach- und Vorteilen und stelle an sich schon einen vollgültigen Vermögensnachteil dar.123 Das Landgericht Darmstadt dagegen hatte diese Figur allein auf der Kompensationsseite angewendet, um festzustellen, ob trotz der drohenden mindernden Er118 119 120 121 122 123
Vgl. oben, S. 39 f. Vgl. Velten, in: NJW 2000, 2852, 2854, 2856. Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57 ff. Saliger/Gaede, in: HRRS, 2008, 57, 74. LG Darmstadt, Urt. v. 14.7.2007 – 712 Js 5123/04 – 9KLs, juris Rn. 149. Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57, 74.
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eignisse, noch ein Vorteil im Treugebervermögen verbleibe, welcher dann zur Kompensation des effektiven Nachteils – der Bestechungszahlung – genutzt werden könnte. Nach Saliger/Gaede erschaffe das Landgericht Darmstadt hier die Figur der „schadensgleiche[n] Kompensationsgefährdung“.124 Diese Figur sei auf der „zweiten Stufe“ der Vermögensbewertung allerdings überflüssig. Saliger/Gaede plädieren dafür, dass die Nachteilsfeststellung durch eine Gesamtsaldierung vorgenommen werden müsse, welche die Prinzipien der ex antePerspektive, der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der Unmittelbarkeit und Gleichzeitigkeit beachte.125 Ihrer Meinung nach erfüllt die vom Landgericht Darmstadt angewendete Saldierungsperspektive diese Voraussetzungen nicht.126 An anderer Stelle127 und mit Bezug auf illegale Parteispenden macht Saliger allerdings deutlich, dass der Wert einer durch die Untreuehandlung erlangten Position durchaus zu mindern sei, wenn aufgrund der pflichtwidrigen Handlung eine Sanktionierung in der Zukunft drohe. Nach Saliger kann ein Vermögensnachteil in diesen Fällen letztlich nur dann verneint werden, wenn die Verlustgefahr nicht höher sei als der Wert der erlangten Position.128 Bei der Bestimmung dieser Verlustgefahr beachtet er im Zusammenhang mit illegalen Parteispenden verschiedene Aspekte.129 Es müsse sich um eine konkrete Vermögensgefahr handeln. Er untersucht, ob über die konkrete illegale Parteispende hinaus auch die Aussicht auf weitere Zuwendungen erlangt werde und ob diese Zuwendungen an sich legal oder illegal seien. Er bezieht die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung der illegalen Handlung ein und untersucht hierbei, ob es staatliche Prüfungsbefugnisse hinsichtlich der vorgenommenen illegalen Handlung gebe. Letztlich prüft er, wie verheerend die Aufdeckung der illegalen Handlung für den Treugeber wäre (bei der illegalen Parteispende erheblich: Rückgang der Spendenbereitschaft, Wählerstimmenverlust – bei der CDU im Zusammenhang mit dem Parteispendenskandal um 4 Prozentpunkte –, Glaubwürdigkeitsverlust). Auch Saliger selbst verrechnet also den Wert der effektiv erlangten Vorteile mit den drohenden Nachteilen bei einer Entdeckung des illegalen Treunehmerhandelns. Dies entspricht letztlich dem von Saliger/Gaede kritisierten Vorgehen des Landgerichts Darmstadt. Mit dem Unterschied jedoch, dass die Saldierung bei der illegalen Parteifinanzierung tatsächlich nicht auf der „zweiten Stufe“, also rein auf Seiten der Kompensation stattfindet. Denn im Fall der illegalen Parteifinanzierung geht es tatsächlich „nur“ darum, ob die rechtswidrig erlangte Spende aufgrund von
124 125 126 127 128 129
Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57, 74. Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57, 75. Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57, 75. Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 141, 151 ff., 153 ff. Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 151 ff. Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 153 ff.
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Sanktionen wieder abzufließen droht. Hier genügt also tatsächlich eine Gesamtsaldierung im Sinne von Saliger/Gaede.130 Diese Situation wird allerdings nur in Konstellationen der pflichtwidrigen und rechtswidrigen einseitigen Leistung oder Entgegennahme eines Geldbetrags eintreten – also letztlich nur bei Spenden oder Schenkungen. Weitaus häufiger wird eine Konstellation der gegenseitigen Leistung auftreten. Hier wird der Treunehmer pflicht- und rechtswidrig das Vermögen des Treugebers ausgeben. Um im Wege der Gesamtsaldierung feststellen zu können, ob dieser Vermögensabfluss durch eine ebenfalls rechtswidrig erlangte Gegenleistung kompensiert werden kann, muss dann zunächst der Wert dieser illegal erlangten und mit Risiken belasteten Gegenleistung festgelegt werden. Entgegen der Auffassung von Saliger/Gaede ist daher eine solche „Saldierung auf zweiter Stufe“ nicht überflüssig. Die Abwägung, wie sie auch Saliger selbst auf der „ersten Stufe“ vornimmt, führt vielmehr dazu, dass das Gericht sich dezidiert mit dem ausgelösten Entdeckungs- und Sanktionsrisiko auseinander zu setzen hat und nicht unter Vermischung der Abfluss- und Zuflussseite eine vage Schätzung vornehmen kann. Es erscheint durchaus sinnvoll, erst einmal festzulegen, wie hoch unter der Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile der bei dem Treugeber letztlich verbleibende Vorteil aus der Gegenleistung ist und diesen erst dann mit dem effektiven Vermögensabfluss zu saldieren. Ergebnis dieser Saldierung auf zweiter Stufe kann tatsächlich keine schadensgleiche Vermögensgefährdung im oben dargelegten Sinne sein.131 Denn diese stellt, wie von Saliger/Gaede132 zutreffend ausgeführt, bereits einen vollgültigen Vermögensnachteil und somit das Ergebnis der „Schluss-Gesamtsaldierung“ von Vermögensabfluss und -zufluss insgesamt dar. Es sollte daher treffender der Begriff der reinen „Kompensationsgefährdung“ verwendet werden. Die Figur einer „Kompensationsgefährdung“ passt auf die vorliegend zu beurteilende Situation sehr gut und kann zu verlässlicheren Ergebnissen führen. Es müssen allerdings Voraussetzungen festgelegt werden, unter denen eine solche angenommen werden kann. (7) Burger: Eigene Saldierung Burger133 setzt sich in seiner Dissertation ausführlich mit dem Auslösen von Sanktionen durch den Treunehmer für ein Treugeberunternehmen auseinander. Bei der Schadensermittlung setzt auch er auf eine Saldierung der Tatvor- und Tatnachteile. Er befasst sich gesondert mit einer Saldierung eines Sanktionsrisikos mit effektiv erlangten Tatvorteilen.134 Hierfür geht er davon aus, dass das Sanktionsrisiko 130 131 132 133 134
Vgl. Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57, 75. Vgl. S. 70 ff. Vgl. Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57, 74 m. w. N. Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 223 ff. Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 232 ff.
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einen Gefährdungsschaden darstellen könne. Eine solche schadensgleiche Vermögensgefährdung könne einem effektiven Schaden qualitativ entsprechen. Innerhalb der Schadensberechnung sei jedoch zu entscheiden, ob die Gefahr eines Verlusts mit dem effektiven Verlust qualitativ gleichzusetzen sei. Burger will berechnen, wie hoch die durch das Risiko staatlicher Sanktionen entstehende Vermögensbelastung ist, und dieses dann mit dem Wert der aus der Anknüpfungstat erlangten Vorteile verrechnen. Er nutzt also die Figur des Gefährdungsschadens, um so eine Gesamtsaldierung der effektiv erlangten Vorteile mit den drohenden Nachteilen vorzunehmen. Dieser Ansatz überzeugt. Er passt in das System der Nachteilsbestimmung, überträgt bekannte Figuren auf die vorliegende Situation und passt sie an. Die entsprechende Anwendung der schadensgleichen Vermögensgefährdung erscheint passend. Das Vermögen des Treugebers ist um einen Vorteil bereits effektiv vermehrt. Nun droht in der Zukunft der Abfluss dieses Vorteils durch staatliche Sanktionen. Ein sicherer Abfluss kann hierbei allerdings nicht vorausgesagt werden. Zwar wendet auch Burger die Gesamtsaldierung im Verhältnis der Tatvor- und Tatnachteile insgesamt an, also, wie auch Saliger/Gaede verlangen, zur Errechnung des letztlich entstandenen Gesamtschadens.135 Er hebt sie demnach nicht auf die sogenannte „zweite Stufe“, um zunächst den Vorteil auf Seiten der Kompensation berechnen zu können und diesen dann dem ebenso erlittenen effektiven Nachteil durch die Bestechungszahlung gegenüber zu stellen. Es spricht allerdings, wie dargelegt, nichts dagegen, die Kriterien, die Burger entwickelt hat, auf die vorliegende Situation anzuwenden und somit auf eine zweite Stufe der Gesamtsaldierung zu heben. Die Ausgangssituation ist schließlich dieselbe. Es muss errechnet werden, wie hoch der Wert einer erlangten Position ist, deren Abfluss (zumindest teilweise) droht. Ob dieser so gefundene Wert dann in einem weiteren Schritt noch mit dem effektiven Vermögensabfluss durch eine Bestechungszahlung saldiert wird, ändert an der Art der Berechnung nichts. Burger selbst bezieht sich auf einen solchen Fall als Beispiel der Saldierung und setzt sich schlicht nicht gesondert mit der vorausgegangenen Bestechungszahlung durch den Treunehmer auseinander.136 (8) Zwischenergebnis Es soll also im Folgenden eine Saldierung auf der zweiten Stufe im Rahmen der Kompensation vorgenommen werden. Hierbei soll die effektiv erlangte Gegenleistung mit der Verlustgefahr aufgrund des Risikos staatlicher Entdeckung und Sanktion verrechnet werden. Zur Bestimmung der Höhe dieser Verlustgefahr, bzw. der hierdurch bewirkten Wertminderung, soll sich an der Figur der konkreten Vermögensgefährdung orientiert werden. Denn diese entspricht, wie dargelegt, der vorliegenden Situation eines effektiven Gewinns, welcher wieder verloren zu gehen droht, am ehesten. 135 136
Vgl. oben, S. 102 ff. Vgl. Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 226.
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Teil 4: Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz
Für die konkrete Bewertung sollen die Besonderheiten der Saldierung allein auf der Vorteilsseite berücksichtigt werden. Es ist daher im Folgenden zu prüfen, ob durch das bestehende Entdeckungs- und Sanktionsrisiko eine „Kompensationsgefährdung“ ausgelöst wird, die so konkret ist, dass die erlangte Gegenleistung in ihrem wirtschaftlichen Wert gemindert ist. bb) Beurteilungszeitpunkt: Ex ante/Ex post Um diese „Kompensationsgefährdung“, die aufgrund drohender Entdeckung und Sanktionierung besteht, berechnen zu können, muss allerdings zunächst bestimmt werden, aus welcher Perspektive die Betrachtung erfolgen soll. Hierbei sind grundsätzlich zwei Perspektiven denkbar: die Betrachtung ex ante,137 also bei Abschluss der pflichtwidrigen Untreuehandlung, oder ex post,138 also im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, wenn feststeht, zu welchem Ergebnis die Untreuehandlung letztlich geführt hat.139 Der Zeitpunkt der Beurteilung ist bei der Untreue besonders entscheidend, weil der Erfolg kein nach außen erkennbares isoliertes „Ereignis“ ist. Der Wert eines Vermögens lässt sich vielmehr zu jedem beliebigen Zeitpunkt bestimmen und kann somit ständig variieren.140 Nachdem bereits dargelegt wurde, dass die Betrachtung der vorliegenden Fälle sich an der Beurteilung eines Gefährdungsschadens auf der Abfluss-Seite orientieren soll,141 ist schon jetzt deutlich geworden, dass die ex ante-Betrachtung angewendet werden muss. Denn die ex post-Betrachtung ist eine rückblickende Einschätzung, die nur dann von einem Nachteil ausgehen kann, wenn ein effektiver Nachteil auch tatsächlich eingetreten ist. Die Berücksichtigung eines Gefährdungsschadens und somit eines Nachteilsrisikos, ist dagegen eine Prognoseentscheidung und legt die Betrachtung ex ante zugrunde.142 Die ex ante-Beurteilung eines Entdeckungsrisikos zum Zeitpunkt der Begehung der Anknüpfungstat überzeugt grundsätzlich, denn das Vermögen des TreugeberUnternehmens ist nicht stets erst bei Verhängung der Sanktion gemindert, sondern kann bereits durch eine illegale Handlung des Treunehmers selbst betroffen und beeinträchtigt sein. Denn ab der Begehung der Anknüpfungstat muss das Treuge137
So Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 660; Velten, in: NJW 2000, 2852, 2856; LKSchünemann, § 266 Rn. 184, 169. 138 So Krüger, in: NJW 2002, 1178, 1180. 139 Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 170. 140 Velten, in: NJW 2000, 2852, 2855; Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 170. 141 Vgl. oben, S. 104 f. 142 Vgl. Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 660; Velten, in: NJW 2000, 2852, 2856; LKSchünemann, § 266 Rn. 184, 169; Burger geht letztlich eher von einer Art objektiver Zurechnung des Sanktionsrisikos aus und will sich auf keinen einheitlichen Betrachtungszeitpunkt festlegen, vgl. Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 192.
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation
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berunternehmen mit der staatlichen Aufdeckung und Sanktionierung rechnen und kann gegebenenfalls nicht frei über sein Vermögen verfügen. Es müsste dann Vermögen zurückhalten, um drohende Sanktionen und die hiermit verbundenen negativen Folgen ausgleichen zu können.143 Das Entdeckungs- und Sanktionsrisiko resultiert darüber hinaus gerade aus der Begehung der (zivil-)rechtlich missbilligten Untreuehandlung (der Bestechungszahlung). Der Umstand, der zur Minderung der kompensationsfähigen Gegenleistung führen kann, bestand also bereits im Moment der pflichtwidrigen Handlung. Auch auf der zweiten Stufe kann somit eine ex ante-Betrachtung zur Feststellung einer Kompensationsgefährdung vorgenommen und auf diese übertragen werden. cc) Bewertung der Kompensationseinbuße durch das Entdeckungsrisiko Es ist daher aus der ex ante-Perspektive zu untersuchen, inwieweit die Gegenleistung durch das ausgelöste Entdeckungs- und Sanktionsrisiko wirtschaftlich gemindert ist. (1) Relation zwischen Kompensationsgefährdung und effektivem Wertverlust Hierbei ist einleuchtend, dass die Gefahr einer Entdeckung und Sanktionierung die effektiv erlangte Gegenleistung in ihrem Wert nicht im gleichen Umfang mindern kann wie eine tatsächliche Entdeckung und Sanktionierung. Denn das „Verlierenkönnen“ wiegt weniger als der tatsächliche Verlust.144 Entschieden wurde dies für die „umgekehrte Situation“ in der oben dargestellten Bundesliga-Entscheidung.145 Der effektive Verlust (die Bestechungszahlung) konnte nach dem 4. Strafsenat hier nur dann durch eine Gewinnaussicht kompensiert werden, wenn diese Aussicht mit Wahrscheinlichkeit eintrete und der erhoffte Gewinn größer sei als der tatsächlich eingetretene Verlust. Die Gewinnaussicht, oder Exspektanz, wiegt hiernach folglich weniger als der tatsächliche Gewinn. Da die Vermögensgefährdung die „Kehrseite“ der Exspektanz ist,146 kann hieraus gefolgert werden, dass ein effektiver Gewinn unter den entsprechenden Voraussetzungen durch eine Vermögensgefährdung reduziert wird: Die Aufdeckung muss hier demnach wahrscheinlich sein und die zu erwartende Sanktion muss die effektiv erlangte Gegenleistung im Wert übersteigen.147 143 144 145 146
S. 64.
Vgl. Velten, in: NJW 2000, 2852, 2856; vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 45b. Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 233. Vgl. unter anderem unten, S. 96 f. Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 23; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten,
147 Vgl. Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 236 f.; vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 184, allerdings umgekehrt formuliert; vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 94 a. E.; ders., Parteiengesetz, S. 151 ff.
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Burger verlangt im Rahmen der Saldierung auf der „ersten Stufe“ darüber hinaus, dass die zu erwartende Sanktion den effektiven Vorteil in einem besonders erhöhten Umfang übersteigen müsse, da die Verlustgefahr den effektiven Vermögensstand nicht nur „ausgleichen“,148 sondern darüber hinaus den Vermögensstand ins Negative verschlechtern müsse.149 Dieser Gedanke kann allerdings nicht auf die „zweite Stufe“ der Kompensationsberechnung übertragen werden. Denn die erlangte Gegenleistung muss einen bereits effektiv stattgefundenen Abfluss ausgleichen (die Bestechungszahlung). Hierzu bedarf es eines positiven „Saldos“ auf der Kompensationsseite. Sobald der Wert der erlangten Gegenleistung unter den Wert der Bestechungszahlung sinkt, muss eine Kompensation insgesamt verneint werden. Ein negativer Saldo muss bzw. darf vorliegend daher nicht erreicht werden, sodass die drohende Sanktion den erlangten Vorteil nicht in besonders erhöhtem Umfang übersteigen muss. Voraussetzung für eine Minderung des Wertes ist demnach, dass die Entdeckung der illegalen Anknüpfungstat aus der ex ante-Sicht wahrscheinlich ist und die in diesem Fall zu erwartenden negativen Folgen so hoch sind, dass der verbleibende effektive Vorteil nicht mehr ausreichen würde, um die Bestechungszahlung zu kompensieren. (2) Unmittelbarkeit der drohenden Minderung? Problematisch innerhalb der Auslösung eines Entdeckungs- und Sanktionsrisikos ist darüber hinaus, dass bis zur tatsächlichen Minderung der effektiv erlangten Gegenleistung noch Zwischenschritte erforderlich sind. Es bedarf hierzu noch einer Entdeckung der Anknüpfungstat des Treunehmers und anschließend eventuell noch der Entscheidung über die Verhängung einer Sanktion und deren Höhe. Diese erforderlichen Zwischenschritte könnten den Zusammenhang zwischen der pflichtwidrigen Handlung des Treunehmers und der drohenden Minderung der Gegenleistung aufheben, sodass letztlich nicht mehr von einer dem Treunehmer vorwerfbaren konkreten „Kompensationsgefährdung“ ausgegangen werden könnte. Auf Seiten des Vermögensabflusses wird in Zusammenhang mit der Sanktionsauslösung durch illegale Handlungen daher das Erfordernis der unmittelbaren Sanktionsauslösung diskutiert.150 Es wird dabei als problematisch angesehen, dass die Verhängung der Sanktion151 durch die Behörden oder das Gericht erfolgt, also auf 148
Dies ist für die Kompensation eines effektiven Abflusses durch eine Gewinnaussicht ausreichend, der Verlust muss „schlicht“ ausgeglichen werden. 149 Vgl. Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 236 f. 150 Vgl. hierzu im Rahmen des Vermögensabflusses oben, S. 64 ff.; Solka/Altenburg, in: NZWiSt 2016, 212 ff.; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 78; ders., in: NStZ 2007, 545 ff.; vgl. ders., in: HRRS 2006, 10, 12 f.; vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 45b m. w. N. 151 „Sanktion“ ist hier i. w. S. zu verstehen und meint von Behörden und Gerichten auferlegte Sanktionen, aber auch Schadenersatzverpflichtungen und andere zivil-, handels- oder arbeitsrechtliche Folgen u. a., vgl. auch Pastor Muñoz/Coca Vila, in: GA 2015, 284 ff., Fn. 1.
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einer eigenständigen Handlung eines Dritten beruht und es somit an einer Unmittelbarkeit fehlen könnte. Eine unmittelbare Vermögensgefährdung durch Eingehung eines Sanktionsrisikos wird von den Vertretern dieser Auffassung dann angenommen, wenn die einschlägige Sanktionsnorm „self-executing“, selbst vollziehend, ist.152 Wenn also bei Erfüllung des Sanktionstatbestands keine weitere Ermessensentscheidung über das „Ob“ der Sanktionsverhängung und deren Höhe durch die zuständige staatliche Stelle erforderlich ist. In diesen Fällen sei das Vermögen bereits mit der Entstehung des „Sanktionsanspruchs“ belastet. Wenn eine derartige Unmittelbarkeit der Vermögensgefährdung nicht besteht, soll eine Strafbarkeit nach § 266 StGB ausscheiden. Es handelt sich hierbei um eine normative Betrachtung, da es nicht auf eine tatsächliche wirtschaftliche Belastung des Treugebervermögens, sondern allein auf die Verletzung einer selbstvollziehenden Sanktionsnorm ankommen soll. Dieses Kriterium passt allerdings nicht zu dem vorliegend anzuwendenden rein wirtschaftlichen Vermögensverständnis.153 Auf Seiten des Vermögenszuflusses muss rein tatsächlich beurteilt werden, ob aufgrund der Eingehung eines Entdeckungs- und Sanktionsrisikos (durch die illegale Handlung) eine aktuelle wirtschaftliche Wertminderung der erlangten Gegenleistung eintritt. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die verwirklichte Sanktionsnorm noch eine Ermessensentscheidung voraussetzt oder nicht. Es kommt allein darauf an, ob im Moment der Untreuehandlung tatsächlich eine Entdeckung und daraus folgend eine Sanktionierung gedroht hat.154 Genau betrachtet kommt es für die wirtschaftliche Bestimmung einer konkreten Kompensationsgefährdung nicht auf die rechtliche Entstehung des Sanktionsanspruchs an sich an, sondern auf das tatsächliche Risiko der Auferlegung und letztlichen Verhängung der drohenden Sanktion.155 Es ist daher allein zu beurteilen, ob die Verhängung einer Sanktion ex ante objektiv vorhersehbar war und deshalb den wirtschaftlichen Wert der Gegenleistung gemindert hat. Das erwartbare Dritthandeln der staatlichen Behörden (und auch die sonstigen negativen Folgen) muss also in Form von Risiken in das Verhalten des Treunehmers eingepreist werden.156 In Anwendung dieses Grundsatzes kommt es für die grundsätzliche Anwendung einer Minderung der erlangten Gegenleistung vorrangig auf die Wahrscheinlichkeit 152
S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 94; ders., Parteiengesetz, S. 127 ff., 137 ff.; so auch BGH, NJW 2015, 1618, 1623; Rönnau, in: StV 2011, 753, 762; vgl. Albrecht, in: GA 2017, 130, 135 und Fn. 20, 22. 153 Vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 184. 154 LK-Schünemann, § 266 Rn. 184; so i. E. wohl auch Perron, in: NStZ 2008, 517, 518. 155 Vgl. Pastor Muñoz/Coca Vila, in: GA 2015, 284, 288; vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 184. 156 Gleiches gilt bei vorteilhaften Folgen des Dritthandelns durch die Einbeziehung von Exspektanzen, siehe hierzu weiter unten, S. 171 ff.; so auch Pastor Muñoz/Coca Vila, in: GA 2015, 284, 288, 290, 297.
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der Aufdeckung an. Denn im Fall der Aufdeckung ist auch eine Sanktionierung erwartbar. Wenn eine Sanktionsnorm besteht, ist es in einem funktionierenden Rechtsstaat nicht völlig abwegig, dass diese nach Entdeckung der illegalen Tat auch angewendet bzw. durchgesetzt wird. Dies gilt auch für Sanktionsnormen, die noch eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde voraussetzen. Ex ante ist es auch bei der Verwirklichung dieser Ermessensnormen nicht unwahrscheinlich, dass das Ermessen zulasten des Handelnden ausgeübt wird. Eine Ausnahme hiervon bilden „lediglich“ Zufalls-Ereignisse und völlig abwegige Sanktionen. Wenn die Exekutive beispielsweise ihr Ermessen hinsichtlich der Sanktionsverhängung oder deren Höhe deutlich überschreitet (zum Beispiel willkürlich überhöhte Geldbußen nach § 30 OWiG) oder ein Richter völlig untypische Strafhöhen verhängt. Derartige Folgen wären ex ante objektiv nicht vorhersehbar und könnten dem Treunehmer nicht vorgeworfen werden, sodass eine Minderung der Gegenleistung entfiele. Es kommt demnach nicht auf die rechtliche Unmittelbarkeit der drohenden Minderung an, sondern auf deren tatsächliche Vorhersehbarkeit. Diese ergibt sich letztlich aus der im Moment der pflichtwidrigen Handlung objektiv bestehenden Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Minderung der Gegenleistung. Wie diese im konkreten Fall bewertet werden kann, soll im Folgenden gerade untersucht werden. (3) Konkrete Bezifferung In seiner Grundsatzentscheidung hat das BVerfG für die Anerkennung eines Nachteils in Form einer „bloßen“ Vermögensgefährdung entschieden, dass die Minderung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise und konkret festgestellt werden müsse, da ansonsten eine Überdehnung des Untreuetatbestands drohe.157 Dies muss auf die hier behandelten Fälle übertragen werden, da auch hier eine „bloße“ Kompensationsgefährdung eingetreten ist. Um hier von einer Kompensationsminderung ausgehen zu können, muss im Einzelfall festgestellt werden, in welchem Umfang der Wert konkret gemindert ist. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass eine Gefährdung nicht pauschal angenommen, sondern der Einzelfall gründlich untersucht wird. Auch in den vorliegend zu betrachtenden Fällen werden letztlich „Prognose- und Beurteilungsspielräume“ verbleiben. Denn im Voraus kann eine Entdeckungswahrscheinlichkeit selbstverständlich nicht sicher beurteilt werden. Mit dem BVerfG sind diese Spielräume durch „vorsichtige Schätzungen auszufüllen. Im Zweifel muss freigesprochen werden“.158 Das bedeutet in den hier relevanten Fällen: Im Zweifel muss eine Minderung abgelehnt und die Gegenleistung voll auf der Kompensationsseite in die Gesamtsaldierung eingestellt werden.
157 158
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219 f. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220.
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(4) Heranziehung des Bilanzrechts? Auch in diesem Zusammenhang könnten, entsprechend der Erläuterung zur Feststellung eines Gefährdungsschadens innerhalb des Vermögensabflusses,159 die Grundsätze des Bilanzrechts zur Bewertung des Entdeckungs- und Sanktionsrisikos herangezogen werden. Durch die festen Bilanzierungsregeln könnte der „Kompensationsabfluss“, der bereits durch die Eingehung des Risikos entstanden ist, bezifferbar werden. Hierauf hat auch das BVerfG selbst in seiner Grundsatzentscheidung hingewiesen.160 Auch nach den Bewertungsgrundsätzen des Bilanzrechts wird teilweise auf reine Prognosen über Wertentwicklungen zurückgegriffen. So verweist das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung beispielsweise auf die Bewertung von Darlehensrückzahlungsforderungen einer Bank gemäß §§ 340e Abs. 1 S. 2 i. V. m. 253 Abs. 4 HGB.161 Für deren Bewertung wird letztlich die geschätzte Höhe des mit Wahrscheinlichkeit an die Bank zurückfließenden Geldbetrags bestimmt.162 Für die Beurteilung der hiernach vorzunehmenden „Einzelwertberichtigung“163 des Rückzahlungsanspruchs sind im Bilanzrecht verschiedene, wertbestimmende Faktoren anerkannt (wie die Bonität des Schuldners oder die gewährten Sicherheiten für die Darlehensforderung).164 Vorliegend ist allerdings zu beachten, dass es nicht um die Bewertung einer zukünftig zufließenden Vermögensmehrung, sondern um die Beurteilung eines drohenden Vermögensabflusses geht. Hierfür können die vom BVerfG angeführten Grundsätze zur Bewertung von Vermögensgefährdungen nicht ohne weiteres herangezogen werden.165 Auf die Bonität des Schuldners kann es für die Wahrscheinlichkeit einer drohenden Sanktion nicht ankommen. Passender wären die bilanzrechtlichen Grundsätze zur Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste i. S. d. § 253 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 HGB.166 Hiernach sind Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags in der Handelsbilanz anzusetzen. Erfüllungsbetrag meint dabei den Betrag, den der Bi159
Vgl. oben, S. 70 ff. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219. Siehe zur Heranziehung des Bilanzrechts zur strafrechtlichen Wertbestimmung auch weiter unten, S. 149 ff. und genauer zu der vorliegenden Bewertung ab S. 184 ff. 161 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219 m. w. N. und detailliert zur Wertbestimmung von Vermögenszuflüssen unten, S. 149 ff. 162 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220 m. w. N. 163 Vgl. Schubert/Berberich, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 567 ff. 164 Vgl. Schubert/Berberich, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 567, 569 ff.; vgl. Wimmer/Kusterer, in: DStR 2006, 2046, 2048. 165 In dem zu beurteilenden Fall ging es um eine Vermögensgefährdung durch den drohenden Ausfall einer Gegenleistung (Vermögensgefährdung auf Zuflussseite, siehe zur Unterscheidung der Konstellation einer Vermögensgefährdung oben, S. 70 ff. Und zu der vom BVerfG behandelten Konstellation detailliert unten, S. 144 ff. 166 Vgl. hierzu Schubert, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 150 ff. 160
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lanzierende im Erfüllungszeitpunkt der Verpflichtung voraussichtlich zur Erfüllung der ungewissen Verpflichtung aufbringen muss.167 Es muss also eine Schätzung des wahrscheinlich aufzuwendenden Betrags nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erfolgen. Hierbei müssen sämtliche, bei der Bilanzaufstellung vorhandenen Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse am Bilanzstichtag berücksichtigt werden.168 Die bilanziellen Regeln zur Feststellung des mit Wahrscheinlichkeit aufzuwendenden Betrags könnten prinzipiell auch zur Feststellung der mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Sanktionen und somit zur Bestimmung der Minderung herangezogen werden. Allerdings gilt bei der Anwendung der Bilanzierungsregeln des HGB das sogenannte Vorsichtsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Hiernach werden aktuell noch unrealisierte Verluste anders bewertet als unrealisierte Gewinne.169 Verlustrisiken werden hierbei bereits voll berücksichtigt und Gewinnchancen erst, wenn sie tatsächlich realisiert sind.170 Dieses Vorsichtsprinzip soll auch bei der Bewertung vorzunehmender Rückstellungen beachtet werden. Daher müssen erwartete Verpflichtungen, die der Höhe nach noch ungewiss sind, mit dem Betrag der höchsten Wahrscheinlichkeit und nicht mit dem günstigstenfalls zu erwartenden Betrag angesetzt werden.171 Diese Bewertungsregel ist mit dem in dubio pro reo-Grundsatz und dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht vereinbar.172 Denn ansonsten müsste, übertragen auf die Kompensationsgefährdung, unter verschiedenen mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Sanktionen stets die höchste angenommen und die Gegenleistung um den höchsten wahrscheinlichen Wert gemindert werden. Dies würde dazu führen, dass im Zweifel eine niedrigere erhaltene Gegenleistung anzunehmen wäre, sodass der Vermögensabfluss im Zweifel nicht mehr kompensiert und ein Nachteil anzunehmen wäre. Ein direkter Rückgriff auf die bilanzrechtlichen Bewertungsregeln ist in der vorliegenden Konstellation daher nicht möglich. Aufgrund der anzuwendenden bilanzorientierten173 strafrechtlichen Wertbestimmung174 könnte zwar der Grund167
Schubert, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 150. Schubert, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 154. 169 Störk/Büssow, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 252 Rn. 34. 170 Siehe hierzu auch bereits oben, S. 70 ff. 171 Schubert, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 155. 172 Siehe zur Anwendbarkeit des Bilanzrechts zur strafrechtlichen Wertbestimmung detailliert unten, S. 149 ff., sowie zur ausführlichen Bewertung der Kompensationsgefährdung ab S. 184 ff. 173 Im Gegensatz zur „bilanzrechtsakzessorischen“ Wertbestimmung vgl. Hefendehl, in: wistra 2012, 325, 328; Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 325 mit Verweis auf Hefendehl (z. B. in: Vermögensgefährdung, S. 169), der von einem „bilanzrechtsorientierten“ Ansatz ausgeht. Siehe hierzu detailliert unten, S. 149 ff. 168
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gedanke der Bestimmung des anzusetzenden Rückstellungsbetrags für drohende Verluste angewendet werden und das Vorsichtsprinzip außer Acht gelassen werden, ein Mehrwert gegenüber dem bereits ermittelten Kriterien der Wahrscheinlichkeit des Vermögensabflusses ergibt sich allerdings hieraus nicht. Es muss demnach weiterhin erörtert werden, welche negativen wirtschaftlichen Folgen ex ante mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren. Wie bereits erläutert wurde, kommt es hierfür auf die Aufdeckungswahrscheinlichkeit und die hiermit verbundenen zu erwartenden konkreten negativen Folgen an. Die für eine Kompensationsgefährdung relevanten wertbestimmenden Faktoren können nach den vorangegangenen Ausführungen allerdings in diesem Fall nicht dem Bilanzrecht entnommen werden, sondern müssen vielmehr eigenständig und letztlich für jeden Einzelfall festgelegt werden.175 (5) Anwendung auf die vorliegende Konstellation Es ist demnach konkret zu begutachten, welche Faktoren für bzw. gegen eine Entdeckung sprechen und welche Sanktionen und negativen Folgen sich hieraus ergeben könnten. Sobald die staatlichen Reaktionsmöglichkeiten untersucht worden sind, muss im Einzelfall begutachtet werden, ob darüber hinaus weitere wirtschaftlich negative Folgen zu erwarten sind. Beispielsweise ein besonderes Lösungsrecht des Vertragspartners, oder anfallende Verteidigerkosten und Ähnliches. Dies allerdings sind individuelle Risiken, die von jeder Einzelsituation abhängen und in der vorliegenden Betrachtung deshalb nicht generell dargestellt werden können. (a) Sanktionshöhe In den vorliegend zu betrachtenden Fällen droht für das Treugeberunternehmen bei Entdeckung die Einziehung des durch die Anknüpfungstat Erlangten nach §§ 73, 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB und eine Geldbuße nach § 30 OWiG. (aa) Einziehung Seit dem 1. Juli 2017 ist die Vermögensabschöpfung im StGB in den §§ 73 ff. StGB einheitlich geregelt.176 Diese Regelungen gelten zwingend und eröffnen keinen Ermessensspielraum.177 Es gilt das Bruttoprinzip.178 Wird, wie in den vorliegenden Fällen, ein Auftrag aufgrund einer Bestechungszahlung vergeben, so ist die gesamte 174
Siehe hierzu bereits oben, S. 70 ff. und detailliert unten, S. 149 ff. Siehe hierzu genauer unten, S. 184 ff. 176 Darüber hinaus kann eine Einziehung des Wertes von Taterträgen auch nach § 29a OWiG angeordnet werden, wenn die Handlung allerdings Ordnungswidrigkeit und Straftat zugleich ist, erfolgt die Einziehung vorrangig nach §§ 73 ff. StGB, vgl. auch § 21 OWiG. 177 Köhler, in: NStZ 2017, 497, 498; Sch/Sch-Eser/Schuster, § 73 Rn. 1. 178 Sch/Sch-Eser/Schuster, Vorb. §§ 73 ff. Rn. 10. 175
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Auftragssumme im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB durch die Bestechung erlangt und kann nach § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB auch bei dem hinter dem Treunehmer stehenden Unternehmen eingezogen werden. Dies gilt auch, wenn das Auftrags-Entgelt erst aufgrund weiterer Handlungen (Auftragsausführung) erlangt wird.179 Das „Schmiergeld“ selbst, das für die Auftragserlangung eingesetzt wurde, kann aufgrund des geltenden Bruttoprinzips nicht in Abzug gebracht werden. Gemäß § 73d Abs. 1 StGB können allerdings Aufwendungen des Täters abgezogen werden, die er nicht für die Begehung der Tat oder ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt hat. Hier wurde eine Ausnahme des Bruttoprinzips normiert. Die Aufwendungen für die Auftragserbringung – im Fall Siemens/Enel die Errichtung, der Vertrieb und die Wartung von Gasturbinen – werden in diesem Sinne nicht für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet, sie sind beanstandungsfrei und können daher abgezogen werden.180 Durch die Einziehung selbst kann somit höchstens der Gewinn aus den durch die Bestechung erlangten Aufträgen „verloren gehen“. Da die Bestechungssumme aufgrund des Bruttoprinzips nicht abgezogen wird, könnte damit die erlangte Gegenleistung auf null gemindert und die Bestechungszahlung nicht kompensiert werden. Dem Treugeberunternehmen entstünde ein Vermögensnachteil in Höhe der geleisteten Bestechungssumme. Ob die Höhe der Bestechungssumme als zu erwartender Schaden, der über die Gegenleistung hinausgeht, ausreicht, um die Differenz zwischen Kompensationsgefahr und tatsächlichem Kompensationsverlust auszugleichen (ein deutliches Überschreiten ist gerade nicht erforderlich181) hängt dabei von der Höhe der geleisteten Bestechungszahlung und der erlangten Gegenleistung im Einzelfall ab. Eine schlichte Bejahung ist in diesem Fall nicht möglich. Verglichen sei dies mit den Fällen der rechtswidrigen Parteispende. Hier droht bei Aufdeckung nach § 31c S. 1 PartG ein Vermögensabfluss in Höhe des Dreifachen des rechtswidrig erlangten Spendenbetrages.182 Die drohende Sanktion übersteigt den erlangten Zufluss in diesem Fall jedenfalls eindeutig. Eine solche grundsätzliche Feststellung ist bei der Einziehung gerade nicht möglich. Die Einziehung dient vor allem der Abschöpfung von rechtswidrig erlangten Vermögensvorteilen und ist eine „quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“.183 Sie mag in der neuen gesetzlichen Ausgestaltung mehr zum Strafcharakter tendieren,184 allerdings hat dieser Strafcharakter keine mit der parteienrechtlichen Sanktion vergleichbare Wirkung. Ein 179
Vgl. Sch/Sch-Eser/Schuster, § 73 Rn. 13. Vgl. Sch/Sch-Eser/Schuster, § 73d Rn. 5. 181 Vgl. oben, S. 107 f. 182 Vgl. Solka/Altenburg, in: NZWiSt 2016, 212, 219. 183 Sch/Sch-Eser/Schuster, Vorb. §§ 73 ff. Rn. 15 f.; Heuchemer, in: BeckOK StGB, § 73 Rn. 1 m. w. N. 184 So Heuchemer, in: BeckOK StGB, § 73 Rn. 1 v. a., in: Bezug auf das geltende Bruttoprinzip. 180
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation
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klares Überwiegen der drohenden Einziehung gegenüber der erlangten Gegenleistung kann daher nicht grundsätzlich angenommen werden. Im Fall Siemens/Enel erwirtschaftete die Siemens AG aus den erlangten Aufträgen einen Gesamtgewinn in Höhe von ca. 100 Mio. Euro vor Steuern.185 Hier sind die Aufwendungen für die Auftragserbringung bereits i. S. d. § 73d Abs.1 S.1 StGB abgezogen. Die gezahlte Bestechungssumme betrug ca. 6 Mio. Euro.186 Diese kann, wie dargelegt, nicht von der einzuziehenden Summe abgezogen werden. Letztendlich wurde der (damals noch geltende) vom Landgericht angeordnete Verfall vom BGH aufgehoben, da der Treunehmer sich nicht nach § 299 Abs. 2 a. F. BGB strafbar gemacht hatte. Damals (bis 2002) wurden „Schmiergeldzahlungen“ im ausländischen Wettbewerb, die nicht zu einer Benachteiligung deutscher Mitbewerber führten, nicht von der geltenden Norm erfasst.187 Das Landgericht hatte, nach der Berücksichtigung von den in Italien bereits verhängten Geldstrafen und den Ausgleichsleistungen von der Siemens AG an Enel, einen Verfall von Wertersatz i. H. v. 38 Mio. Euro angeordnet. Dennoch dürften die erlittenen wirtschaftlichen Einbußen, die auf die Entdeckung der Bestechung tatsächlich folgten, die Gewinne aus den beiden Aufträgen deutlich überstiegen haben. Siemens wurde in Italien zu Geldstrafen verurteilt, eine Gewinnabschöpfung wurde verordnet und ein einjähriges Verbot des Vertragsschlusses mit der öffentlichen Verwaltung verhängt. Darüber hinaus verständigte sich das Unternehmen mit dem Enel Konzern auf eine Zahlung in Höhe von ca. 113 Mio. Euro.188 Zusätzlich fielen Steuernachzahlungen an und erhebliche Kosten für interne Ermittlungen. Auch auf dem US-amerikanischen Markt hatte der Fall Konsequenzen, so wurden Strafen auch von der US-Börsenaufsicht verhängt.189 Derartige weiterführende wirtschaftlich negativen Folgen, die über die Verhängung von Geldbußen und Sanktionen nach dem deutschen Recht hinausgehen, variieren naturgemäß von Fall zu Fall und können, wie oben ausgeführt, nicht generell beurteilt und ex ante vorhergesagt werden. (bb) Bußgeld nach OWiG Es kann darüber hinaus ein Bußgeld nach § 30 OWiG für das Treugeberunternehmen drohen. Die maximale Höhe bei vorsätzlichem Handeln des Treunehmers beträgt gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG 10 Mio. Euro. Allerdings kann nach § 30 Abs. 3 i. V. m. § 17 Abs. 4 OWiG dieses gesetzliche Höchstmaß auch überschritten werden, wenn hierdurch der wirtschaftliche Vorteil, der aus der Anknüpfungstat 185
Vgl. BGH, NStZ 2009, 95, 97. Vgl. Ransiek, in: StV 2009, 321, 323. 187 BGH, NStZ 2009, 95, 99 m. w. N.; MüKo-Krick, § 229 Rn. 113. 188 BGH, NStZ 2009, 95, 97. 189 Vgl. Schultz, Stefan, „BGH hebt Bestechungsurteil gegen Siemens-Manager auf“, in: Spiegel am 29. 08.2008, https://www.spiegel.de/wirtschaft/korruption-bgh-hebt-bestechungsur teil-gegen-siemens-manager-auf-a-575190.html (10. 03. 2021). 186
116
Teil 4: Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz
erlangt wurde, nicht überstiegen wird. Grundsätzlich soll der erlangte wirtschaftliche Vorteil die Untergrenze der Geldbuße darstellen (sog. „Abschöpfungsteil“190). Zur Berechnung des wirtschaftlichen Vorteils wird, anders als bei der Einziehung, das Nettoprinzip angewendet.191 Höchstmaß der Geldbuße soll die Summe aus dem angedrohten Höchstmaß der Geldbuße, also 10 Mio. Euro, und dem gezogenen wirtschaftlichen Vorteil sein (Erhöhung um den sog. „Ahndungsteil“).192 Durch die Geldbuße nach § 30 OWiG droht demnach eine Sanktion, welche die erhaltene Gegenleistung um bis zu 10 Mio. Euro übersteigen kann. Je nach Höhe der erlangten Gegenleistung kann diese somit durch die drohende Sanktion eindeutig überstiegen werden. Zu beachten ist weiterhin, dass Einziehung und Geldbuße nicht kumulativ drohen können. § 30 Abs. 5 OWiG schließt die Einziehung aus, wenn eine Geldbuße nach § 30 OWiG verhängt wurde.193 Die Belastung der erlangten Gegenleistung wird demnach nicht dadurch erhöht, dass beide „Sanktionen“ zusammentreffen könnten.194 Im Fall Siemens/Enel betrüge die Höchstsumme der Geldbuße nach § 30 OWiG somit 10 Mio. Euro zuzüglich des Gewinns in Höhe von 100 Mio. Euro. In diesem Fall kamen, wie oben ausgeführt, allerdings enorme weitere wirtschaftliche Folgen für den Siemens-Konzern hinzu, sodass in diesem konkreten Einzelfall über die staatliche Sanktionierung hinaus noch eine Vielzahl anderer wirtschaftlich negativer Folgen aus der Bestechungszahlung resultierten. Letztlich kann allerdings im Fall Siemens/Enel wohl nicht davon ausgegangen werden, dass diese enormen wirtschaftlichen Folgen (bis hin zum US-amerikanischen Markt) für die handelnden Siemens-Angestellten vorhersehbar waren und aus der ex ante-Sicht zur Annahme eines überwiegenden Entdeckungs- und Sanktionsrisikos gezwungen hätten. Eine Bezifferung des Entdeckungs- und Sanktionsrisikos in dieser Höhe und mit diesen Auswirkungen war wohl aus der ex ante-Sicht nicht möglich. (cc) Zwischenergebnis In den hier konkret zu betrachtenden Fällen übersteigen die vorhersehbaren, drohenden Sanktionen die erlangte Gegenleistung wohl nicht stets in dem Maße, dass allein deshalb schon von einer konkreten Kompensationsgefährdung ausgegangen werden könnte. Es kommt daher zusätzlich auf die Entdeckungswahrscheinlichkeit an. Denn an das Überwiegen der drohenden Sanktionshöhe sind umso geringere 190
Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, § 30 Rn. 140. Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, § 30 Rn. 141. 192 Mitsch, in: Karlsruher Kommentar OWiG, § 17 Rn. 140; Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, § 30 Rn. 140 ff. 193 Meyberg, in: BeckOK OWiG, § 30 Rn. 107. 194 Vgl. hierzu Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 239. 191
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation
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Anforderungen zu stellen, je eher das Verlustrisiko schon dem effektiven Verlust entspricht.195 (b) Entdeckungswahrscheinlichkeit Auch die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung kann, wie dargelegt, nur geschätzt und die für- und widersprechenden Faktoren abgewogen werden. Gegen eine wahrscheinliche Aufdeckung spricht, dass es sich in den Bestechungsfällen mit Unternehmensbezug um (betriebs-)wirtschaftliche Vorgänge von hoher Komplexität handelt, in die der Staat von außen wenig Einsicht hat. Polizei und Staatsanwaltschaft haben in diesem Zusammenhang wohl häufig eine zu geringe Kenntnis über die internen, betriebswirtschaftlichen Abläufe.196 Es kommt in den häufigsten Fällen von Wirtschaftskriminalität innerhalb von Unternehmen nicht zur Aufdeckung durch staatliche Institutionen, sondern allenfalls durch unternehmensinterne Ermittlungen. Laut der Studie „Wirtschaftskriminalität 2018, Mehrwert von Compliance – forensische Erfahrung“ werden wohl die wenigsten Fälle, selbst wenn sie unternehmensintern aufgeklärt wurden, auch öffentlich bekannt.197 Hinzu kommt, dass Unternehmen die intern aufgedeckten Fälle von Wirtschaftskriminalität häufig nicht bei den Strafverfolgungsbehörden anzeigen, da sie einen Image- und Reputationsverlust fürchten. Es ist also generell von einem sehr großen Dunkelfeld auszugehen.198 Dies dürfte umso mehr gelten, da in den vorliegenden Fällen die kriminelle Handlung des Treunehmers meist nicht zu einem wirtschaftlichen Nachteil für das Unternehmen führt, sondern diesem erhebliche wirtschaftliche Vorteile einbringt. Darüber hinaus scheint, wie auch Ransiek zu Recht feststellt,199 allein die Tatsache, dass solche enormen Bestechungszahlungen überhaupt getätigt werden, dafür zu sprechen, dass sich Bestechung im Wirtschaftsverkehr nach wie vor „lohnt“. Wenn für das Unternehmen durch die Bestechungszahlung ein Vorteil erlangt werden soll, so wird ein Treunehmer nur dann eine illegale Zahlung vornehmen, wenn deren Aufdeckung unwahrscheinlich ist. Wenn also nicht besondere Umstände zu erkennen sind, die eine Entdeckung als wahrscheinlich erscheinen lassen, muss ex ante im Zweifel davon ausgegangen werden, dass eine Aufdeckung der rechtlich missbilligten Handlungen eher nicht droht.
195
Burger, Untreue durch das Auslösen von Sanktionen, S. 237. Nestler/Salvenmoser/Bussmann, PWC: „Wirtschaftskriminalität 2018, Mehrwert von Compliance – forensische Erfahrung“, S. 6, 68. 197 Nestler/Salvenmoser/Bussmann, PWC: „Wirtschaftskriminalität 2018, Mehrwert von Compliance – forensische Erfahrung“, S. 6, 68. 198 Vgl. Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität 2019, S. 6, 26; vgl. PKS Jahrbuch 2019, Band 4 S. 173. 199 Ransiek, in: StV 2009, 321, 323; so auch Kempf, in: Hamm-FS, 255, 258. 196
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Teil 4: Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz
e) Zwischenergebnis: Keine Minderung In den konkret zu betrachtenden Fällen scheint weder die zu erwartende Sanktion noch die Aufdeckungswahrscheinlichkeit aus der ex ante-Sicht die erforderliche Höhe bzw. Qualität zu erreichen. Eine Minderung der missbilligt erlangten Gegenleistung kann daher nicht grundsätzlich angenommen werden. Dies kann allerdings nicht pauschal für alle in Teil 2 besprochenen Fälle gelten. Vielmehr ist unter Anwendung der erarbeiteten Voraussetzungen jeder Einzelfall konkret und nachvollziehbar zu überprüfen und stets gesondert festzustellen, ob die Gegenleistung tatsächlich aus der ex ante-Sicht aufgrund ihrer rechtlich missbilligten Erlangung in ihrem Wert gemindert und somit eine konkrete Kompensationsgefährdung anzunehmen ist. Hierbei sind alle vorherzusehenden negativen Folgen zu beachten und nicht allein die durch den Staat verhängten. Wenn dies der Fall ist, dann reicht die Gegenleistung nicht mehr aus, um die Bestechungszahlung kompensieren zu können und ein wirtschaftlicher Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB wäre anzunehmen. Wenn allerdings, wie in dem besprochenen Fall, nach eingehender Prüfung der relevanten Faktoren, ex ante weder ein besonderes Entdeckungsrisiko noch verhältnismäßig schwerwiegende, negative wirtschaftliche Folgen ersichtlich waren und eine Wertminderung der Gegenleistung daher nicht sicher festgestellt werden kann, muss mit Ransiek200 in dubio pro reo davon ausgegangen werden, dass die Gegenleistung zur Kompensation der Bestechungszahlung ausreicht und ein Nachteil zu verneinen ist.
II. Unterschiedliche Auswirkung verschiedener Nichtigkeitsgründe? In diesem Zusammenhang ist abschließend noch einmal gesondert auf die Entscheidung Arzneimittel/Russlandgeschäft des 1. Strafsenats einzugehen.201 Dieser hatte (unter anderem) über Kaufpreisrückerstattungen an russische Importeure zu entscheiden. Die Importeure zahlten einen überhöhten Kaufpreis an das Treugeberunternehmen, um so ihren staatlichen Handelsaufschlag, der auf Grundlage des offiziellen Kaufpreises errechnet wird, zu erhöhen. Der überhöhte Teil des Kaufpreises wurde anschließend von dem Treunehmer über Umwege an die Importeure zurückerstattet. Der bei dem Treugeberunternehmen verbleibende Kaufpreis entsprach allerdings dem Wert der verkauften Arzneimittel. Als Gegenleistung für die Rückzahlung erhielt das Treugeberunternehmen, nach Ansicht des 1. Strafsenats, überhaupt erst die Möglichkeit der Teilhabe am lukrativen russischen Markt, denn hiervon machten die Importeure den Vertragsschluss abhängig und ohne einen russischen Importeur ist ein Verkauf in Russland ausgeschlossen. 200 201
Vgl. oben, S. 99 ff. Vgl. oben, S. 32 ff.
B. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensation
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Da die getroffene Abrede somit gegen die guten Sitten verstieß (§ 134 BGB kam nicht in Betracht, da nur gegen russische Gesetze verstoßen worden war und diese nicht als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB gelten),202 bestand grundsätzlich keine wirksame Verpflichtung für die Rückzahlung des Kaufpreisteils. Der 1. Strafsenat geht dennoch davon aus, dass der erlangte Zugang zum russischen Markt die (kostenneutrale) Rückleitung des Kaufpreisteils kompensiert habe. Eine normative Korrektur aufgrund der Nichtigkeit der Rückzahlungsverpflichtung hält er in diesem Fall nicht für geboten.203 Nach Ansicht des 1. Strafsenats sei bei der Zahlung auf eine nichtige Forderung zwischen den einzelnen Nichtigkeitsgründen zu unterscheiden.204 Der 1. Strafsenat zieht hierfür einen Vergleich zur Telekom-Spitzelaffäre. Hier habe die Nichtigkeit der Zahlungsverpflichtung auf dem Verstoß gegen ein Verbotsgesetz beruht (§ 206 StGB i. V. m. § 134 BGB). Der Normzweckvorbehalt des § 134 BGB beziehe sich stets auf ein konkretes Verbotsgesetz, welches verbindlich ausgelegt werden könne. Dagegen sei der Nichtigkeitsgrund nach § 138 BGB ein Verstoß gegen eine ungeschriebene „Sittennorm“.205 Diese Sittenvorstellungen könnten sich ändern und seien naturgemäß deutlich unbestimmter, als niedergeschriebene Verbotsnormen. Zur Untermauerung dieser Auffassung bezieht sich der 1. Strafsenat auf den Beschluss des 3. Strafsenats in Zusammenhang mit der Nürburgring-GmbH.206 Dieser soll belegen, dass die Konsequenzen, die sich aus verschiedenen Nichtigkeitsvorschriften ergeben, nicht stets parallel laufen müssten. Allerdings beurteilt der 3. Strafsenat in der angegebenen Entscheidung die Pflichtwidrigkeit des Treunehmerhandelns. Er geht davon aus, dass eine rechtsgrundlose Zahlung immer dann eine Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB darstelle, wenn die Nichtigkeit der Zahlungsverpflichtung auf dem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot beruhe (§ 134 BGB). Dies könne nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn der Rechtsgrund fehle, weil die Zahlungsvereinbarung gegen ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Formerfordernis verstoße (§ 125 BGB).207 Im Rahmen der Pflichtwidrigkeit ist einzusehen, dass es aufgrund der verschiedenen Ursachen für die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts zu unterschiedlichen Konsequenzen kommen kann. Denn hier wird gerade die Frage behandelt, ob der Treunehmer gegen eine ihm auferlegte Pflicht verstoßen hat. Diese Pflichten können sich auch aus verschiedenen normierten Gesetzesvorschriften ergeben, sodass die unterschiedlichen Schutzzwecke der verschiedenen Handlungspflichten naturgemäß
202 203 204 205 206 207
BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 45 m. w. N. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 44 f. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 46 f. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 47. Vgl. BGH, BeckRS 2016, 8605 Rn. 99. Vgl. BGH, BeckRS 2016, 8605 Rn. 99.
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Teil 4: Bestimmung der Kompensation bei illegalem Vermögenseinsatz
eine Rolle spielen müssen.208 Innerhalb des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils allerdings kommt es allein auf die wirtschaftlichen Folgen des Treunehmerhandelns für das Treugebervermögen an, sodass die unterschiedlichen Schutzrichtungen der verletzten Handlungspflichten hier keine Rolle spielen können. Auch der Vergleich mit der Telekom-Spitzelaffäre führt nicht weiter. Wie dargelegt, ist es entscheidend, ob die erlangte Gegenleistung für den Treugeber nutzbar ist und deshalb einen wirtschaftlichen Wert entfalten kann. In der Telekom-Spitzelaffäre erhielt die Telekom AG als Treugeberin illegale Auswertungen von Telekommunikationsvorgängen, welche sie schlicht nicht legal nutzen konnte. Deshalb konnten diese Daten keinen wirtschaftlichen Wert entfalten, sodass die getätigte Zahlung nicht kompensiert werden konnte. Im konkreten Fall des 1. Strafsenats tätigte der Treunehmer eine Rückzahlung (von Geldern, die dem Treugeber nie zugestanden hatten) und erhielt hierfür überhaupt erst die Möglichkeit rechtlich einwandfreie Lieferverträge für Medikamente abzuschließen. Diese konnten daher die Rückerstattungen (die darüber hinaus schon gar keinen Abfluss des Treugebervermögens darstellten) „kompensieren“. Es bedarf also keiner gesonderten Beachtung der unterschiedlichen gesetzlichen Nichtigkeitsgründe, wenn die oben dargelegten Maßstäbe angelegt werden. Durch diese Voraussetzungen lassen sich auch in der aktuellen Entscheidung Arzneimittel/ Russlandgeschäft des 1. Strafsenats zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Die Gegenleistung hatte also grundsätzlich einen wirtschaftlichen Wert, der nach den Ausführungen des 1. Strafsenats auch nicht aufgrund einer drohenden Entdeckung oder Sanktion gemindert werden musste. Die zurückgezahlte Summe stand von Anfang an den russischen Importeuren selbst zu, es bestand daher keine Gefahr, dass ein hinter den Importeuren stehendes Unternehmen (wie etwa bei Kick-BackZahlungen) die Gelder zurückfordern oder Anzeige bei staatlichen Einrichtungen erstatten würde. Eine hohe Entdeckungswahrscheinlichkeit ist abzulehnen. Darüber hinaus haben aufgrund der Kaufpreisrückerstattung keine gesonderten Sanktionen für das Treugeberunternehmen gedroht. Die Vereinbarung über die Rückzahlung war zwar sittenwidrig, erfüllte aber keinen Straftatbestand nach deutschem Recht (auch nicht § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, weil die Zahlung als Betriebsausgabe hätte in Abzug gebracht werden können209). Es kommt weder eine Einziehung nach §§ 73 ff. StGB noch eine Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG gegen das Treugeberunternehmen in Betracht. Der Wert der erlangten Gegenleistung war auch in diesem Fall nicht zu mindern.
208 209
Siehe hierzu auch oben, S. 44 ff. und vgl. S. 68 ff. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 70 f.
Teil 5
Konkrete Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses Es soll nun, nachdem festgelegt wurde, welche Positionen grundsätzlich im Rahmen der Kompensation berücksichtigt werden können, bestimmt werden, in welcher Beziehung die konkrete, berücksichtigungsfähige Position zur pflichtwidrigen Handlung stehen muss, um tatsächlich für eine Kompensation des Vermögensabflusses herangezogen werden zu können (I.). Anschließend sollen die anzuwendenden Methoden zur Ermittlung des tatsächlichen wirtschaftlichen Wertes der zu berücksichtigenden Position untersucht und festgelegt werden (II.).
I. Zurechnung kompensationsfähiger Vermögenszuflüsse Das Vermögen ist keine greifbare, unveränderbare Masse, die von außen objektiv gleichbleibend beurteilt werden kann. Der Umfang des Vermögens hängt vielmehr von der Beurteilung des Wirtschaftsverkehrs zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. Da das Vermögen keine feststehende Größe ist und sich in ständiger Bewegung befindet, hängt die Beurteilung einer Vermögensveränderung stets von dem Zeitpunkt des Vergleichs zweier Vermögenslagen ab. Wie bereits im Rahmen des Vermögensabflusses1 stellt sich auch bei der Begutachtung eines möglichen Vermögenszuflusses die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein (anvisierter) Vorteil mit in die Gesamtsaldierung einbezogen werden kann. Hierbei kommt es vor allem darauf an, in welchem inneren und eventuell zeitlichen Zusammenhang der Vermögenszufluss und die pflichtwidrige Handlung stehen müssen (1.) und, ob hierbei allein die konkrete, einzelne Untreuehandlung Berücksichtigung findet oder ob die Folgen weiterer, eigenständiger Handlungen mitberücksichtigt werden können (2.).
1
Vgl. oben, S. 64 ff.
122
Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
1. Kausalität/Unmittelbarkeit Die Anforderungen, die an den Zusammenhang zwischen pflichtwidriger Untreuehandlung und Vermögenszufluss zu stellen sind, um die erlangte Position bei der Kompensation des Vermögensabflusses berücksichtigen zu können, sind umstritten. Es wird, wie bereits im Rahmen des Vermögensabflusses erläutert, diskutiert, ob der Vermögenszufluss unmittelbar aus der pflichtwidrigen Handlung resultieren muss und wie diese Unmittelbarkeit zu definieren ist.2 Einigkeit besteht zunächst dahingehend, dass zumindest ein Kausalzusammenhang bestehen soll. Der Vermögenszufluss muss in dem Sinne auf der Untreuehandlung beruhen, dass die Untreuehandlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Zufluss in seiner konkreten Gestalt entfiele.3 Da dieses Kriterium allerdings einhellig als zu weit empfunden wird, bedarf es darüber hinaus einschränkender Kriterien. Zu diesem Zweck soll auf die Unmittelbarkeit der Vorteilserlangung abgestellt werden.4 In diesem Zusammenhang kommen mehrere Interpretationen dieses Kriteriums in Betracht. So kann mit „Unmittelbarkeit“ die zeitliche Komponente angesprochen sein, wonach der Vorteil zeitlich direkt anschließend an die Untreuehandlung eintreten müsste. Andererseits kann unmittelbar auch als „direkt“, also ohne weitere selbständige Zwischenschritte, verstanden werden. Hierzu müsste der Vorteil aufgrund der Untreuehandlung eintreten, ohne dass eine weitere selbständige Handlung erforderlich wäre. Wann der Vorteil eintritt wäre hiernach unbedeutend. Hiervon abweichend könnte darüber hinaus ein innerer Zusammenhang zwischen der Untreuehandlung und dem Vermögenszufluss im Sinne einer objektiven Zurechnung gefordert werden.5 Die BGH-Rechtsprechung ist auch in diesem Punkt nicht einheitlich. Der 2. und 3. Strafsenat stellen auf einen Vergleich der Vermögenslagen unmittelbar vor und nach der pflichtwidrigen Handlung ab.6 Sie gehen also von einer zeitlichen Unmittelbarkeit aus. Im Fall Siemens/AUB hat der 1. Strafsenat dagegen ausdrücklich ausgeführt, dass „unmittelbar“ nicht als „zeitgleich bzw. sofort oder auch nur bald“7 verstanden werden könne. Er verstand hierunter vielmehr, dass keine weitere, selbständige Handlung mehr hinzutreten müsse, damit der Vermögenszufluss tatsächlich eintrete. 2
Siehe hierzu auch schon oben, S. 64 ff. Vgl. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 132 m. w. N. 4 Ablehnend dagegen MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 207; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 575 f. 5 Vgl. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 136 ff. m. w. N. 6 BGH, NJW 2011, 3528, 3529; BGH, NStZ-RR, 2011, 312, 313; vgl. auch BGH, NStZ 2009, 95, 98. 7 BGH, NJW 2011, 88, 93. 3
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
123
Auch die Literatur ist diesbezüglich nicht einheitlich.8 Die wohl herrschende Meinung9 geht davon aus, dass sowohl der Vermögensabfluss als auch der Vermögenszufluss gleichzeitig aus derselben Untreuehandlung resultieren müssten. Saliger bezeichnet dies als „tathandlungsvermittelte Gleichzeitigkeit von Wertminderung und Werterhöhung“10 Schünemann führt hierzu ergänzend aus, dass eine Gleichzeitigkeit alleine nicht ausreiche, da es eines inneren Zusammenhangs bedürfe, um zufällig gleichzeitig erlangte Vermögenszuflüsse ausschließen zu können.11 Letzteres fordert auch Lösing unter Berufung auf eine objektive Zurechnung.12 Im Rahmen des Vermögensabflusses wurde sich vorliegend bereits für eine ex ante-Bestimmung des Vermögensnachteils zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung durch einen Vorher-Nachher-Vergleich der Vermögenslagen entschieden. Hiernach wird die Vermögenslage nur durch zeitlich unmittelbar aus der pflichtwidrigen Handlung resultierende Abflüsse relevant verändert.13 Gleiches muss daher auch für den Vermögenszufluss gelten. Denn ansonsten wäre eine Gesamtsaldierung im Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung gar nicht möglich. Dies ist auch inhaltlich überzeugend, denn es kommt auf die strafrechtliche Einordnung der ungetreuen Einzeltat14 an. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 266 StGB: Es wird bestraft, wer eine Pflicht „verletzt und dadurch“ einen Nachteil zufügt. Demnach können nur die unmittelbar zeitgleich aus dieser Handlung resultierenden wirtschaftlichen Folgen (sowohl Nach- wie auch Vorteile) berücksichtigt werden. Die Risiken und die Chancen, die sich aus der ungewissen künftigen Entwicklung ergeben, müssen im Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung antizipiert und saldiert werden.15 Diese Einschätzung entspricht auch dem Horizont des Normunterworfenen bei der Tatbegehung. Das Abwarten und die Berücksichtigung späterer Folgen (die für den Treunehmer nicht unbedingt vorhersehbar sind) dienen dagegen lediglich Praktikabilitätserwägungen, weil Vor- und Nachteile häufig nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit eintreten. Dieser Tatsache wird aber auf Vorteilsseite, spiegelbildlich zur Vermö-
8
Vgl. hierzu Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 132 ff. Lüderssen, in: Müller-Dietz-FS, 467, 469; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 71 m. w. N.; LKSchünemann, § 266 Rn. 169 f.; Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659; Fischer, StGB, § 266 Rn. 115a; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 107; Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 132 ff.; Lackner/Kühl-Heger, § 266 Rn. 17. 10 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 71 m. w. N. 11 LK-Schünemann, § 266 Rn. 169 f., so allerdings auch Saliger selbst in: S/S/W, § 266 Rn. 71. 12 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 138. 13 Vgl. hierzu oben, S. 66 ff. 14 Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659; LK-Schünemann, § 266 Rn. 169; vgl. BGH, NStZ 1986, 455, 456. 15 Vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 168. 9
124
Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
gensgefährdung, durch die Berücksichtigung von vermögenswerten Exspektanzen Rechnung getragen.16 Es überzeugt, auf beiden Seiten die gleichen Maßstäbe anzuwenden. Dies führt zu klaren und auch für den Normunterworfenen vorhersehbaren Entscheidungen. Die Notwendigkeit des Außerachtlassens zufälliger Zuflüsse, wie von Schünemann gefordert, folgt bereits aus der Anknüpfung an die pflichtwidrige Handlung („tathandlungsvermittelte Gleichzeitigkeit“17). Das Ausklammern der Folgen weiterer selbständiger Handlungen ist dagegen eher eine Frage der Einzel- oder Gesamtbetrachtung. Hierdurch sollen die relevanten Tatvorteile von einem irrelevanten, nachträglichen Schadensausgleich abgegrenzt werden. Diese Frage ist mit der Frage der Unmittelbarkeit untrennbar verbunden und soll im Folgenden erörtert werden. Die hier vertretene Meinung schränkt die Anerkennung des relevanten Vermögenszuflusses am weitesten ein. Dem wird durch die Berücksichtigung der wirtschaftlich werthaltigen Exspektanz, spiegelbildlich zur Vermögensgefährdung, Rechnung getragen werden. 2. Einzel-/Gesamtbetrachtung Eng mit der Frage des unmittelbaren Vermögenszuflusses verbunden ist die Frage, ob die Folgen weiterer, der Untreuehandlung nachfolgender, selbständiger Handlungen unter bestimmten Voraussetzungen zur Kompensation herangezogen werden können oder ob eine strikte Einzelbetrachtung geboten ist. a) Meinungsstand Aus der bereits vertretenen Ansicht, dass der erlangte Vorteil unmittelbar aus der pflichtwidrigen Handlung resultieren muss, ergibt sich, dass grundsätzlich von der sogenannten Einzelbetrachtung auszugehen ist. Dies ist auch die ganz herrschende Meinung.18 Einzelbetrachtung meint, wie bereits ausgeführt, dass in die Gesamtsaldierung zur Berechnung der Vermögensveränderung nur die Folgen der konkreten Untreuehandlung einzustellen sind und es nicht auf die hierauf folgende nachträgliche Vermögensentwicklung ex post ankommen kann. Jede einzelne pflichtwidrige Handlung muss selbständig auf ihre „individuellen“ nachteiligen Folgen hin untersucht werden.19 16
773. 17
Vgl. auch Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659; krit. Perron, in: Kindhäuser-FS, 765,
S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 71. BGH, NStZ 1986, 455, 456; vgl. BGH, NJW 2011, 88, 93; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 71; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 40 f.; Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659; LK-Schünemann, § 266 Rn. 169; HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 170; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 112; krit. dagegen Bittmann, in: NStZ 2012, 57, 58, 61. 19 Vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 112. 18
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
125
Sowohl Rechtsprechung20 als auch Literatur21 lassen in bestimmten Fällen allerdings eine Ausnahme von der Einzelbetrachtung zu und wenden dann eine Gesamtbetrachtung an. Hiernach sollen ausnahmsweise auch zeitlich später eintretende wirtschaftliche Folgen separater Handlungen mit in die Gesamtsaldierung einbezogen werden, wenn die betreffenden Handlungen in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stünden und einem sie verbindenden Ziel dienten.22 Dies solle dann der Fall sein, wenn nach einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan mehrere Verfügungen erforderlich seien, um den ausgleichenden Erfolg zu erreichen und eine konkrete, schadensgleiche Gefährdung des zu betreuenden Vermögens nicht gegeben sei.23 Besonders relevant solle dies im Zusammenhang mit „weiträumigen Investitionen und Betriebsumstellungen“24 sein. Denn Investitionen führten ganz typischerweise erst zu einer vorrübergehenden Vermögenseinbuße, bevor sie längerfristig einen Gewinn generierten. Diesem Umstand könne die strenge Einzelbetrachtung nicht gerecht werden.25 Unter diese Kategorie fällt nach Ansicht des OLG Frankfurt am Main26 auch die Konstellation, dass der Treunehmer dem Treugeber Geldmittel entziehe, um sie als „Schmiergelder“ zur Erlangung von Großaufträgen einzusetzen. Für die Nachteilsermittlung bzw. die Beurteilung des Schädigungsvorsatzes sei in dieser Situation nicht auf die jeweils unmittelbar mit der „Schmiergeldzahlung“ zusammenhängenden einzelnen Aufträge abzustellen, sondern auf den (vom Täter anvisierten) „Gesamt- oder Schlussgewinn“ des Unternehmens, der aus der Auftragserlangung letztlich resultieren solle. Gegen die Berücksichtigung solcher Ausnahmen wird eingewendet, dass diese Gesamtbetrachtung nicht stets zugunsten des Treunehmers wirke. Durch die Berücksichtigung der auf die Untreuehandlung folgenden, weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen müssten auch (zunächst nicht erwartete) negative Folgen mit in die Gesamtsaldierung einbezogen werden. Die Gesamtbetrachtung wirke also nicht
20
Vgl. BGH, NJW 1975, 1234, 1236; BGH, NJW 2002, 2801, 2803. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 207; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 112; Lüderssen, in: Müller-Dietz-FS, 467, 469 f.; Taschke, in: Lüderssen-FS, 663, 667; Rönnau, in: StV 2009, 246, 250 f.; Saliger, in: HRRS 2006, 10, 20 f.; ders., in: S/S/W, § 266 Rn. 75; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 575 f.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 169; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 41; HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 176 f.; Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 177 ff.; krit. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 135 f.; Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659. 22 NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 112 m. w. N., wobei Kindhäuser in diesen Fällen die verschiedenen Handlungen unter dem Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung bereits als Einheit begreifen will. 23 BGH, NJW 2002, 2801, 2803. 24 Vgl. Bringewat, in: JZ 1977, 671; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 41; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 112. 25 Vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 176. 26 OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2004, 244, 245; so auch explizit Rönnau, in: StV 2009, 246, 250 f. 21
126
Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
ausschließlich entkriminalisierend.27 Darüber hinaus führe die Einbeziehung mittelbar erlangter Vorteile zu einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit, da kein klares Abgrenzungskriterium existiere, um zu entscheiden, welche späteren Handlungen inklusive ihrer wirtschaftlichen Folgen noch mit in die Kompensation einbezogen werden könnten und welche nicht.28 Schreiber/Beulke kritisieren darüber hinaus, dass durch diese Ausnahme die Einheit der Schadensbegriffe von §§ 253, 263 StGB auf der einen und § 266 StGB auf der anderen Seite aufgehoben werde.29 b) Einschätzung Wie Dierlamm richtigerweise anmerkt, hat sich das Regel-Ausnahme-Prinzip der beiden dargestellten Beurteilungsperspektiven deutlich verschoben.30 Dies resultiert wohl vor allem aus der Ungenauigkeit der Anwendungskriterien. Gerade in den vorliegend zu betrachtenden Fällen im Tätigkeitsfeld von Wirtschaftsunternehmen wird stets nach einem wirtschaftlichen Gesamtplan gehandelt werden. Demnach käme vorliegend letztlich stets die Gesamtbetrachtung zum Tragen. Dies erscheint vor allem deshalb problematisch, weil von der klar anwendbaren Lösung der Einzelbetrachtung abgewichen und auf eine „Lösung“ zurückgegriffen wird, die eine eindeutige Einschätzung und Vorhersehbarkeit nicht gewährleisten kann. Es ist nicht ersichtlich, wie zwischen einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang und einzelnen, unterschiedlichen Vorgängen unterschieden werden soll. Wie wird differenziert, welche Handlung noch zum wirtschaftlichen Gesamtplan gehört und welche nicht? Lösing kommentiert an dieser Stelle, dass über das Abgrenzungskriterium nur spekuliert werden könne und der Eindruck entstehe, dass „je nach dem gewünschten Ergebnis auf eine Einzel- oder Gesamtbetrachtung zurückgegriffen“ werde.31 Es kann nicht überzeugen, dass die wirtschaftliche Entwicklung abgewartet werden muss, um einen tatbestandlichen Nachteil bejahen oder verneinen zu können. Ein wirtschaftlicher Gesamtplan kann auf Jahre ausgelegt sein, sodass eine Einschätzung der Strafbarkeit über Jahre ruhen müsste. Darüber hinaus ergibt sich aus der Begutachtung der Vermögensentwicklung ex post, die mit der Gesamtbetrachtung einhergeht, wie im Rahmen der Abfluss-Seite erläutert,32 kein Mehrwert. Entweder es wird abgewartet und die Vermögenslage am 27 Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 144 ff., wobei er letztlich trotz dieser Kritik die Ausnahme der Gesamtbetrachtung anwendet, vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 75. 28 Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 144 ff.: Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 135; vgl. auch Bringewat, in: JZ 1977, 667, 671. 29 Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 659. 30 MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 207. 31 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 136. 32 Vgl. hierzu oben, S. 54 ff.
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
127
Ende des wirtschaftlichen „Komplexes“ wird „schlicht“ mit der Vermögenslage vor der Untreuehandlung verglichen. Dann allerdings würde dem Treunehmer auch das jeder Investitionsentscheidung innewohnende, allgemeine Wirtschaftsrisiko aufgebürdet. Denn dann würden auch zufällige negative wirtschaftliche Entwicklung und externe Faktoren berücksichtigt, die im Zeitpunkt der Untreuehandlung nicht vorhersehbar waren. Oder es werden von dem letztlich erlangten wirtschaftlichen Endergebnis diese externen und zufälligen Faktoren „abgezogen“, sodass nur solche späteren, wirtschaftlichen Entwicklungen berücksichtigt werden, die in einer Art Zurechnungszusammenhang oder zurechenbar adäquat auf das Handlungsbündel des Treunehmers zurückzuführen sind (entsprechend der korrigierten ex post-Begutachtung beim Vermögensabfluss). Dann allerdings muss auch hier ex post eine hypothetische Vermögensentwicklung konstruiert und bestimmte Entwicklungen nachträglich ausgeklammert werden. Dies bringt die gleichen Schwierigkeiten mit sich wie die ex ante-Prognoseentscheidung nur eben „rückwärts“ gerichtet. Eine verlässlichere Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen des Treunehmerhandelns lässt sich so jedenfalls nicht erreichen. Beide Varianten führen demnach nicht zu einem der Einzelbetrachtung vorzugswürdigen Ergebnis. Wie bereits bei der Bewertung des Vermögensabflusses und im Rahmen der Wertminderung durch Aufdeckungs- und Sanktionsrisiken dargelegt wurde, können zukünftige Gewinnchancen oder Verlustrisiken aufgrund des wirtschaftlichen Vermögensverständnisses durch eine Prognose festgestellt werden. Es bedarf überhaupt keiner besonderen Ausnahme, um einen umfassenden, wirtschaftlichen Gesamtkomplex realistisch einschätzen zu können. Potentielle Vorteile, die in der Untreuehandlung angelegt sind, können auch im Rahmen der Einzelbetrachtung berücksichtigt werden. Hierbei muss es nicht zu einer Aufspaltung eines wirtschaftlichen Gesamtkomplexes kommen, da die zukünftige Entwicklung durch die Berücksichtigung von Chancen und Gefährdungen beachtet werden kann. Selbstverständlich wird ein vernünftiger wirtschaftlicher Gesamtplan die Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen zukünftigen Vorteilserlangung und somit die Werthaltigkeit einer konkreten, dem Treugebervermögen unmittelbar zufließenden Exspektanz beeinflussen.33 Die Gesamtbetrachtung führt demnach nicht zu einer verlässlicheren wirtschaftlichen Einschätzung oder zu größerer Rechtssicherheit, sodass auf diese Ausnahme verzichtet werden kann. Vielmehr kommt es in den diskutierten Ausnahmefällen entscheidend auf die Kriterien und die Wertbestimmung einer zufließenden vermögenswerten Exspektanz an.34
33 34
Siehe hierzu im Detail unten, S. 171 ff. Siehe hierzu sogleich, S. 144 ff.
128
Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
3. Sonderfall: Ansprüche gegen den Treunehmer? Aufgrund des pflichtwidrigen Vermögensabflusses entstehen dem Treugeber zivilrechtliche Ansprüche gegen den Treunehmer. Diese unmittelbar aus der Untreuehandlung entstehenden Ansprüche gegen den Treunehmer könnten zur Kompensation des Vermögensabflusses herangezogen werden. a) (Schadens-)Ersatzansprüche Die ganz herrschende Meinung geht allerdings, wie auch im Rahmen des Betrugstatbestands,35 davon aus, dass gegen den Treunehmer aus der pflichtwidrigen Handlung resultierende Ersatzansprüche (z. B. Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche)36 keinen den Vermögensnachteil ausgleichenden Vermögenszufluss darstellen könnten.37 Denn die relevanten Ersatzansprüche setzten stets einen Schaden bzw. eine Art des Vermögensabflusses voraus, der bei der Bejahung einer Kompensation gerade nicht mehr bestehen würde. Wenn also ein Ersatzanspruch zivilrechtlich bejaht werde, dann müsse dem vorgelagert ein wirtschaftlicher, nicht kompensierter Schaden bzw. ein Vermögensabfluss beim Treugeber vorliegen, ansonsten bestünde der Anspruch gegenüber dem Treunehmer überhaupt nicht. Auch nach Ansicht des BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung wäre es „widersprüchlich, wegen des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs einen Schaden zu verneinen“.38 Es komme ansonsten zu einem Zirkelschluss.39 b) Ausgleichsfähiger und -bereiter Treunehmer Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird sowohl von der Rechtsprechung40 als auch von der herrschenden Lehre41 angenommen, wenn der Treunehmer jederzeit 35
Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 120; vgl. MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 614 ff. m. w. N. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 73; Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 384. 37 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3217; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 42 m. w. N.; Labsch, Untreue, S. 323; Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 185; ders., Untreue bei Risikogeschäften, S. 126 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rn. 168; S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 73; ders., Parteiengesetz, S. 142; LK-Schünemann, § 266 Rn. 171; Müko-Dierlamm, § 266 Rn. 209; Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 664 f.; Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 384; krit. Hefendehl, in: Samson-FS, 296, 308 f., der einen umgekehrten Zirkelschluss durch das pauschale Außerachtlassen von Ersatzansprüchen bei der Kompensation annimmt (S. 310); vgl. Bittmann, in: NStZ 2012, 289, 292 mit Bezug auf den Betrug. 38 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3217. 39 Ransiek, in: ZStW, 2004, 634, 664 f. 40 BGH, NJW 1961, 685, 685; BGH, NStZ 1982, 331, 331 f.; BGH, NStZ 1995, 233, 234; vgl. BGH, NStZ-RR 2004, 54, 54; vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3217. 41 Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 185; vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 101; Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 669; LK-Schünemann, § 266 Rn. 171; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 209; Lackner/Kühl-Heger, § 266 Rn. 17; vgl. Tsagkaraki, Die Bildung der sog. „schwarzen Kassen“, S. 242 ff.; Hellmann, in: ZiS 2007, 433, 440; a. A.: Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 42; Labsch, 36
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
129
eigene flüssige Mittel bereithalte, um einen eventuell entstehenden Vermögensnachteil ausgleichen zu können. Wenn er also objektiv ausgleichsfähig und subjektiv ausgleichsbereit sei. Diese Ausnahme wird mit der besonderen Beziehung zwischen Treunehmer und Treugeber sowie dem besonderen Täterprofil des Untreuetäters begründet. Dessen Ziel sei es in den vorliegend behandelten Konstellationen nicht, sich oder Dritte auf Kosten des Treugebers zu bereichern.42 Die Gegenmeinung43 sieht hierin einen Verstoß gegen die oben erläuterten Prinzipien der Unmittelbarkeit des Vermögenszuflusses und der strengen Einzelbetrachtung. Denn die erwartete Rückzahlung durch den Treunehmer beruhe gerade auf einer nachgelagerten, von der Untreuehandlung abzugrenzenden separaten Handlung. Darüber hinaus werden Beweisprobleme befürchtet, da, im Fall einer Berücksichtigung der Ausgleichsbereitschaft des Treunehmers, innerhalb des objektiven Tatbestands auch die subjektive Einstellung des Treunehmers zu berücksichtigen sei.44 Es bestehe die Gefahr von Schutzbehauptungen. Streitig ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Anwendung dieser sogenannten Ausnahme überhaupt, sondern auch ihr dogmatischer Anknüpfungspunkt.45 So soll die Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft des Treunehmers zu einer Verneinung der Pflichtverletzung führen.46 Oder die Konkretheit einer bestehenden Vermögensgefährdung beeinflussen.47 Teilweise wird die Figur innerhalb des Vermögensnachteils bei der Kompensation des Vermögensabflusses betrachtet48 oder aber als Teil der objektiven Zurechnung, da es in diesem Fall an der Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr fehle.49 Weder die Rechtsprechung noch die Literatur sind hier einig, was wohl auch daran liegt, dass die zu beurteilenden Sachverhaltskonstellationen sehr unterschiedlich gestaltet sind.50
Untreue, S. 323; ders., in: wistra 1985, 1, 8; krit. Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 382 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rn. 169; Schmitz, Unrecht und Zeit, S. 182 ff. 42 Vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 101; vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 181. 43 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 101. 44 Fischer, StGB, § 266 Rn. 169 mit Hinweis auf OLG Karlsruhe, NStZ 1990, 82, 84; vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 179. 45 Siehe die umfassende Darstellung von Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375 ff. 46 BGH, NStZ 1982, 331, 331 f.; BGH, NStZ-RR 2004, 54, 54; Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 382, 385; vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 182. 47 BGH, NStZ 1995, 233, 234; vgl. BGH, NJW 2008, 1827, 1829; Fischer, StGB, § 266 Rn. 169; Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 382, 385. 48 BGH, NJW 1961, 685, 685; und wohl noch einmal BGH, NStZ-RR 2004, 54, 54; Waßmer, in: Fischer/Hoven, 175, 185; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 209; Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 669; Lackner/Kühl-Hegel, § 266 Rn. 17. 49 S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 101. 50 Vgl. Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 376.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
c) Einschätzung Der Außerachtlassung von Schadensersatz- und Ausgleichsansprüchen gegen den Treunehmer, die erst durch die Untreuehandlung selbst begründet werden, ist grundsätzlich nichts entgegenzusetzen. Der (Rück-)Zahlungsanspruch besteht gerade deshalb, weil aufgrund der pflichtwidrigen Handlung insgesamt ein Vermögensabfluss „verbleibt“. Es wäre widersprüchlich, diesen „verbliebenen“ Nachteil wiederum durch den hieraus formal entstehenden Rückzahlungsanspruch zu kompensieren. Das gilt auch deshalb, weil ein formal bestehender Anspruch gegen den pflichtwidrig handelnden Treunehmer im Zeitpunkt der Untreuehandlung allein noch keinen unmittelbaren Wert für den Treugeber hat. Ob und wann ein solcher Anspruch erfüllt werden wird, ist im Moment der pflichtwidrigen Handlung (also im Moment der Entstehung des Anspruchs) noch ungewiss. Etwas anderes muss daher allerdings gelten, wenn zu diesem formalen Anspruch eine faktisch begründete Aussicht auf Rückzahlung hinzukommt, weil der Treunehmer ausgleichsfähig und -bereit ist. Nach den vorangegangenen Erläuterungen, ist es folgerichtig die Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft des Treunehmers im Rahmen der Kompensation des Vermögensabflusses zu untersuchen. Würde man aufgrund der Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft des Treunehmers eine Pflichtverletzung ablehnen, wäre dies ein Rückschluss von einem letztlich nicht eintretenden Nachteil auf eine fehlende Pflichtwidrigkeit. Denn in den relevanten Situationen ist Treugebervermögen bereits tatsächlich abgeflossen. Hierbei hat der Treunehmer im Zweifel auch entgegen seiner Verpflichtung gehandelt. Wenn die Pflichtwidrigkeit dennoch abgelehnt wird, weil der Treunehmer keine untreuespezifische Gefahrenlage geschaffen habe, aus der eine endgültige Entreicherung des Treunehmers drohe,51 dann liegt hierin eine Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg. Dies führt nicht zu einer überzeugenden Einordnung der Konstellation.52 Auch innerhalb des Vermögensabflusses und damit innerhalb der Vermögensgefährdung ist die Konstellation nicht zufriedenstellend zu verorten. Denn grundsätzlich sind, wie auch in dieser Arbeit angewendet, Vermögensabfluss und Vermögenszufluss getrennt zu betrachten. Durch die pflichtwidrige Untreuehandlung sind Vermögenswerte schon effektiv abgeflossen.53 Auf eine Vermögensgefährdung (auf Abflussseite) kann es nicht mehr ankommen. Der Treugeber erhält vielmehr mit der pflichtwidrigen Verringerung des Vermögens und aufgrund der Fähigkeit und der Absicht des Treunehmers, den Vermögensverlust auszugleichen, eine konkrete Chance auf einen Ausgleich des Ver51
HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 182; Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 382. So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 203 f. m. w. N. 53 Dies könnte allerdings bei dem Verbringen von „Schmiergeldern“ auf schwarze Kassen anders zu beurteilen sein, vgl. hierzu unten, S. 186 ff. 52
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
131
mögensabflusses. Die Thematik ist daher im Rahmen der Kompensation durch einen Vermögenszufluss zu untersuchen. Letztlich handelt es sich bei dieser so bezeichneten Ausnahme des Ausschlusses von Ersatzansprüchen gegen den Täter gar nicht um eine wirkliche Ausnahme. Es liegt zwar formal ein Rückzahlungsanspruch (gleich aus welcher Rechtsgrundlage) gegen den Treunehmer vor, entscheidend ist allerdings, dass zusätzlich hinzukommt, dass der loyale Treunehmer zu dieser Rückzahlung tatsächlich jederzeit fähig und bereit ist. Dass ein Rückzahlungsanspruch irgendeiner Art besteht, ist daher eher zweitrangig. Denn was den Anspruch auf Rückzahlung werthaltig macht, ist nicht der bestehende Anspruch gegen den Treunehmer an sich, sondern vielmehr dessen tatsächliche Bereitschaft und ständige Fähigkeit den Abfluss auszugleichen.54 Die Erfüllung des unmittelbar aus der Untreuehandlung resultierenden Rückzahlungsanspruchs ist daher gesichert. In diesen Fällen erlangt der Treugeber tatsächlich unmittelbar und allein aus der ungetreuen Einzeltat eine werthaltige Exspektanz auf die Rückzahlung der abgeflossenen Gelder. Teilweise wird in diesem Zusammenhang gefordert, der Treugeber müsse von dem Vorgang Kenntnis haben, da er seinen prinzipiell bestehenden Ausgleichsanspruch kennen müsse, um ihn im Zweifel gegen den Treunehmer durchsetzen zu können. Der Treunehmer könne seine Ausgleichsabsicht schließlich jederzeit wieder ändern. An einer geheimen Absicht könne der Treugeber den Treunehmer nicht festhalten.55 Hiergegen spricht allerdings, dass die Absicht und die Fähigkeit eines Treunehmers, die Gelder zurückzuzahlen, nicht von der Kenntnis des Treugebers beeinflusst werden. Sollte der Treunehmer seine Absicht ändern, würde auch die Kenntnis des Treugebers vom Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs hiergegen nichts ausrichten können. Darüber hinaus ist der Treugeber auch ansonsten nicht vor einer Willensänderung des Treunehmers geschützt. Es handelt sich hierbei um das typische Risiko, das durch die arbeitsteilige Vermögensbetreuung entsteht. Auch bei legalen Wirtschaftsentscheidungen kann der Treunehmer seine Meinung unbemerkt ändern. Für das Bestehen einer konkreten Chance auf Rückzahlung kommt es daher nicht auf die Kenntnis des Treugebers an, sondern allein auf die tatsächliche Rückzahlungsfähigkeit und subjektive -bereitschaft des Treunehmers. Ob die so erlangte Exspektanz ausreicht, um den Vermögensabfluss tatsächlich zu kompensieren, ist eine Frage ihrer Werthaltigkeit.56 Dieser Wert kann hinter der Summe des faktisch abgeflossenen Vermögens zurückbleiben. Denn der tatsächliche Besitz eines Vermögensgegenstands ist grundsätzlich mehr wert als der Anspruch auf
54 55 56
So auch Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 128 f. Schmitz, Unrecht und Zeit, S. 104, 184 f.; vgl. Bittmann, in: NStZ 2012, 289, 293. Siehe hierzu weiter unten, S. 171 ff.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
denselben Vermögensgegenstand.57 Dies ergibt sich gerade aus der Abhängigkeit der tatsächlichen Rückzahlung allein vom subjektiven (und änderbaren) Willen des Treunehmers. Es ist nie sicher, dass dieser das Geld tatsächlich in voller Höhe zurückgewährt. Somit ergibt sich zwar eine unmittelbare werthaltige Exspektanz für den Treugeber. Diese allein dürfte allerdings nicht für eine vollständige Kompensation ausreichen, weil die erwartete Ausgleichszahlung höchstens der Höhe des pflichtwidrig abgeflossenen Vermögens entsprechen wird und die bloße Aussicht auf diese Rückzahlung nicht so viel wert sein kann, wie das ursprüngliche tatsächliche Innehaben des entsprechenden Vermögenswertes. Im Hinblick auf befürchtete Schutzbehauptungen eines Treunehmers muss beachtet werden, dass es sich hierbei um ein Beweisproblem handelt, welches die dogmatisch zutreffende Einordnung der Konstellation nicht berührt.58 Etwas anderes kann nur bei einem eigennützig handelnden Täter gelten. Wenn der Treunehmer Vermögen erkennbar für eigene Zwecke aussondert und anschließend behauptet, er habe stets eigenes Vermögen bereitgehalten, um einen etwaigen Nachteil auszugleichen, wird es sich tatsächlich um eine Schutzbehauptung handeln, da der Treunehmer in diesem Fall von vornherein das eigene Vermögen hätte verwenden können.59 Voraussetzung für die Entstehung einer kompensationsfähigen vermögenswerten Exspektanz ist also, dass ein loyaler Treunehmer zwar pflichtwidrig, aber nicht eigennützig, Vermögen des Treugebers ausgibt und dabei jederzeit ausreichend eigene Mittel für den Fall eines Schadenseintritts bereithält um diesen ausgleichen zu können. d) Zeitabhängiger Zinsschaden Trotz der Erlangung einer vermögenswerten Exsepktanz durch den ausgleichsfähigen und -bereiten Treunehmer, wird der faktische Vermögensabfluss nach den obigen Ausführungen also allein durch die Chance auf dessen Ausgleich nicht vollständig kompensiert werden. Schmitz60 und Hoof61 gehen darüber hinaus noch von einem zusätzlich entstehenden Vermögensnachteil in Form des „zeitabhängigen Zinsschaden[s]“ aus.62 Dieser entstehe ab dem Zeitpunkt, in welchem dem Treugeber das Vermögen ab57
Schmitz, Unrecht und Zeit, S. 184; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 209. So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 207. 59 So auch Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 128 f. 60 Schmitz, Unrecht und Zeit, S. 183 f. 61 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 208 ff., wobei sich dieser zwar auf Schmitz beruft, den entstehenden Zinsschaden allerdings eher als ein Verlust einer Anlagemöglichkeit sieht. 62 Schmitz, Unrecht und Zeit, S. 184. 58
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
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fließe und entwickele sich bis zu dem Moment des tatsächlichen Ausgleichs durch den Treunehmer fort. Schmitz geht davon aus, dass im Fall eines ausgleichsfähigen und -bereiten Treunehmers dem Treugeber zwar kein dauerhafter Nachteil in Höhe des entzogenen Vermögenswertes entstehe. Allerdings entstehe dem Treugeber ein „Zinsschaden“ in Höhe eines ihm zustehenden Zinses für die „Zurverfügungstellung“ der Vermögenssumme. Die vorliegende Konstellation sei mit einer Kreditvergabe vergleichbar. Wenn der Treunehmer Gelder des Treugebers für sich selbst oder Dritte entwende, mit der Absicht, diese im Schadensfall auszugleichen, handele es sich letztlich um eine eigenmächtige Aufnahme eines Kredits.63 Selbst, wenn der Treunehmer schlussendlich den vollständigen abgeflossenen Betrag ausgleiche, seien dem Treugeber Gelder in Höhe der Zinsen entgangen, die er (je nach Risiko des Kreditgeschäfts) während der Zeit bis zur Rückzahlung hätte erheben können. Ein Zinsverlust scheide nur in Fällen aus, in denen grundsätzlich keine Zinsen erhoben werden könnten (z. B. bei einem kurzzeitigen Entzug von Liquidität) oder wenn der Treunehmer auch hinsichtlich dieser entgangenen Zinsen ausgleichsfähig und -bereit sei. Diesen Ausführungen ist nur eingeschränkt zuzustimmen. Der von Schmitz erläuterte Zinsanspruch gegen den Treunehmer kommt allenfalls in Betracht, wenn der Treunehmer die Vermögenswerte eigennützig oder für Dritte entwendet. Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist allerdings eine Situation in welcher der Treunehmer Gelder des Treugebers für seine eigenen Zwecke entwendet, obwohl er selbst genügend flüssige Mittel zur Verfügung hat und auch bereit ist diese zur Nachteilsverhinderung einzusetzen, nicht vorstellbar. In diesem Fall hätte er wohl von vornherein seine eigenen Mittel eingesetzt. Der zeitabhängige Zinsschaden kann also nur bei der pflichtwidrigen eigenmächtigen Ausgabe von Vermögensmitteln an Dritte entstehen, wenn der Treugeber ansonsten Zinsen für die Lieferung von Liquidität hätte verlangen können. Allerdings ist hierin auch nur dann ein zusätzlicher Vermögensabfluss i. S. d. § 266 StGB zu sehen, wenn dieser Zinsanspruch im Sinne einer vermögenswerten Exspektanz bereits Teil des Treugebervermögens war und ihm somit entgangen ist.64 In der Regel wird allerdings der loyale Treunehmer (und nur dieser wird schließlich ausgleichsfähig und -bereit sein) Gelder des Treugebers nicht eigennützig ausgeben, sondern um dem Treugeber dadurch einen Vorteil zu verschaffen, beispielsweise durch die Zahlung von „Schmiergeldern“ oder die Einrichtung schwarzer Kassen.65 Die Ausgabe zugunsten des Treugebers entspricht allerdings nicht der Situation einer Kreditvergabe an den Treunehmer oder einen Dritten. Der Treugeber hätte in diesem Fall denknotwendig keinen Zinsanspruch. Ein zeitab63 64 65
Schmitz, Unrecht und Zeit, S. 183 f. Vgl. hierzu oben, S. 54 ff. Zur Beurteilung der Einrichtung schwarzer Kassen siehe im Einzelnen unten, S. 186 ff.
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hängiger Zinsschaden in der von Schmitz erläuterten Form wird daher in den meisten Fällen des ausgleichsfähigen und -bereiten Treunehmers nicht entstehen. Dennoch entzieht der Treunehmer letztlich Vermögenswerte und somit Liquidität, die der Treugeber ansonsten anders hätte nutzen können. Dem Treugeber geht daher die theoretische Möglichkeit verloren, die Gelder in der Zeit bis zum Ausgleich gewinnbringend anzulegen. Es kann also ein Zinsschaden entstehen. Aber nicht in Höhe der Zinsen, die der Treunehmer oder Dritte für einen Kredit hätten zahlen müssen, sondern in der Höhe der Zinsen, die der Treugeber durch die Anlage der Gelder erhalten hätte. Denn es ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich davon auszugehen, dass „Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird“.66 In diesen Fällen stünden die Zinsen dem Treugeber somit tatsächlich zu und wären als vermögenswerte Exspektanz bereits Teil seines Vermögens. Ob es sich bei dem Verlust dieser Anlagemöglichkeit allerdings aktuell um einen wirtschaftlichen Nachteil handelt, ist in Zeiten von Negativzinsen durchaus fraglich. Keinesfalls kann für die entgangene Gewinnmöglichkeit der gesetzliche Zinssatz von 4 % i. S. d. § 246 BGB angesetzt werden. Die tatsächlich entgangenen Zinsen werden, wenn überhaupt, deutlich darunter liegen.67 Darüber hinaus kommt ein solcher Zinsschaden auch nur in Betracht, wenn der abgeflossene Betrag eine gewisse Höhe aufweist und für einen längeren Zeitraum entzogen war. Dies dürfte vor allem in Zusammenhang mit der Einrichtung schwarzer Kassen relevant sein.68 Letztlich kommt also ein über den oben ausgeführten Wertunterschied hinausgehender Zinsschaden dem Grunde nach in Betracht. Allerdings dürfte dieser aktuell sehr gering bzw. bei Negativzinsen gar nicht vorhanden sein. Hierbei kommt es auf die im konkreten Einzelfall tatsächlich erzielbaren Zinsen an.
II. Werthaltigkeit des Vermögenszuflusses Um den Wert des erlangten zurechenbaren Vermögenszuflusses bestimmen zu können, muss zunächst festgelegt werden, welche Arten von Vermögenswerten im Rahmen der Gesamtsaldierung auf Zuflussseite Berücksichtigung finden. Zunächst sollen deshalb die relevanten erlangten Positionen bestimmt werden (1.), bevor im Anschluss die Art ihrer Bewertung untersucht werden soll (2.).
66 67 68
BGH, NJW 2014, 2951, 2953 m. w. N. Flume, in: BeckOK BGB, § 252 Rn. 24. Siehe hierzu im Detail unten, S. 186 ff.
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
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1. Relevante Vermögensbestandteile Unter Anwendung des strengen wirtschaftlichen Vermögensbegriffs auf Vorteilsseite werden grundsätzlich alle wirtschaftlich werthaltigen Vermögensbestandteile berücksichtigt, unabhängig von der Art ihrer Erlangung. Es sind daher tatsächlich erlangte Positionen mit einem allgemeinen Wert zu berücksichtigen. Darüber hinaus kann auch die Aussicht auf die Erlangung derartiger Positionen bereits werthaltig sein. Diese Aussichten können allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen als vermögenswerte Exspektanzen Berücksichtigung finden. a) Allgemeine Positionen Von Lösing so bezeichnete „Allgemeine Positionen mit wirtschaftlichem Wert“69 sind beispielsweise das Eigentum, gesetzliche Pfandrechte, Anwartschaftsrechte oder auch der Besitz. b) Exspektanzen auf Zuflussseite Aufgrund der ausgeführten Voraussetzung eines unmittelbaren Vermögenszuflusses aus der ungetreuen Einzeltat, bleiben häufig die tatsächlichen Vermögenszuflüsse außen vor, weil sie sich erst über einen gewissen Zeitraum einstellen. Im Moment der Untreuehandlung wird allerdings häufig bereits unmittelbar eine begründete Aussicht bzw. Chance auf den besagten Vermögenszufluss erlangt. Wie bereits angedeutet, kommt es deshalb für die Beurteilung eines Vermögensnachteils im Wege der Gesamtsaldierung ganz entscheidend auf die Berücksichtigung und Werthaltigkeit der so erlangten vermögenswerten Exspektanz an. aa) Unterschiedliche Betrachtung bei Abfluss und Zufluss? Die Voraussetzungen zur Berücksichtigung vermögenswerter Exspektanzen wurden innerhalb des Vermögensabflusses in Form von entgangenen Gewinnen erläutert.70 In diesem Zusammenhang wurde bereits festgestellt, dass bei einem einheitlichen Verständnis einer vermögenswerten Exspektanz die auf der Abflussseite entwickelten Voraussetzungen „einfach“ auf die kompensierende Erlangung einer vermögenswerten Exspektanz übertragen werden könnten. Aufgrund der unterschiedlichen Auswirkungen der Anerkennung einer Exspektanz innerhalb des Vermögensabflusses und des Vermögenszuflusses herrscht diesbezüglich allerdings Uneinigkeit. Im Rahmen des Vermögensabflusses führt die großzügige Anerkennung von Exspektanzen (als Teil des Bestandsvermögens vor 69 70
Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 111 m. w. N. Vgl. hierzu oben, S. 54 ff.
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der Untreuehandlung) zu einer Ausweitung der Anwendbarkeit des § 266 StGB. Denn eine ausbleibende Realisierung dieser Gewinnerwartung führt zu einer Vermögensminderung. Im Gegensatz dazu wird durch die Anerkennung einer zufließenden vermögenswerten Exspektanz ein Vermögensabfluss kompensiert und die Strafbarkeit nach § 266 StGB verneint, weshalb eine großzügige Anerkennung dem Treunehmer zu Gute käme. Es könnte also auch angezeigt sein, unterschiedlich strenge Maßstäbe anzuwenden. (1) Unterschiedliche Betrachtung Dieser Auffassung scheint Schünemann71 zu folgen. Er vertritt den integrierten Vermögensbegriff72, wonach nur solche Positionen zum Vermögen zählen sollen, welche der Inhaber (zivil-)rechtlich durchsetzen kann und über die er nach seinem Belieben verfügen und externe Störfaktoren effektiv beseitigen kann. Schünemann verlangt konsequenterweise auf Abflussseite, dass eine Exspektanz nur als Teil des Treugebervermögens anerkannt werden könne, wenn dieser den Eintritt des tatsächlichen Vermögensvorteils rechtlich beherrsche.73 Eine vermögenswerte Exspektanz ist hiernach eine für den Treugeber rechtlich realisierbare, ökonomisch bewertbare und im Verhältnis zum Treunehmer rechtlich geschützte Gewinnerwartung.74 Schünemann fordert also eine über eine Eintrittswahrscheinlichkeit hinausgehende rechtliche Beherrschbarkeit der Vermögensmehrung. Er lehnt die faktische Beurteilung einer Exspektanz nach der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung nicht ab, sondern verschärft diese Anforderung auf Seiten des Vermögensabflusses zugunsten des Treunehmers. Im Rahmen des Vermögenszuflusses hingegen wendet er derart strenge Kriterien nicht an.75 Schünemann geht davon aus, dass im Rahmen der Kompensation eines Vermögensabflusses beim „Risikogeschäft“ (als Beispiel nennt er die Zahlung einer Bestechungssumme zur Erlangung eines lukrativen Auftrags für den Geschäftsherrn)76 eine rechtlich gesicherte Beherrschbarkeit des Vermögenszuflusses gerade nicht möglich sei.77 Es komme hier vielmehr auf die Chance eines weitaus höheren Gewinns an. Schünemann will ein Produkt aus der Erfolgswahrscheinlichkeit (also 71
LK-Schünemann, § 266 Rn. 167, 187. LK-Schünemann, § 266 Rn. 166. 73 LK-Schünemann, § 266 Rn. 167. 74 LK-Schünemann, § 266 Rn. 167. 75 Vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 187, hier allerdings zur Kompensation innerhalb des von ihm so bezeichneten Risikogeschäfts. Die beschriebene Konstellation entspricht aber der hier behandelten, denn als Beispiel verweist Schünemann auf die Zahlung einer Bestechungssumme zwecks Erlangung eines lukrativen Auftrags für den Geschäftsherrn. 76 LK-Schünemann, § 266 Rn. 187. 77 In Anlehnung an Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 204 f., der es ablehnt, dass ein Risikogeschäft unter die vermögenswerte Exspektanz fallen könne, weil es hierbei allein um das faktische Überwiegen der Gewinnwahrscheinlichkeit gehe, verwendet Schünemann in diesem Zusammenhang nicht den Begriff der Exspektanz. 72
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Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Gewinnchance) und dem Gewinnfaktor (um den der erwartete Gewinn die eingesetzten Mittel übersteigt) bilden.78 Dieses Produkt müsse mindestens so groß sein, wie das aufgewendete Treugebervermögen. Dies könne im Idealfall errechnet und im Normalfall geschätzt werden.79 Schünemann greift also zur Beurteilung einer Exspektanz innerhalb des Vermögenszuflusses allein auf tatsächliche Faktoren zurück. Auf die rechtliche Beherrschbarkeit der Realisierung kommt es ihm nicht mehr an. Dies ist für den Treunehmer, wie bereits ausgeführt, von Vorteil. Auch Hoof stellt unterschiedlich strenge Anforderungen an eine berücksichtigungsfähige Exspektanz. Während er bei der Anerkennung von Exspektanzen im Rahmen des Vermögensabflusses der von Hefendehl80 und auch Schünemann vertretenen strengsten Auffassung der rechtlichen „Vermeidemacht“81 folgt,82 stellt er im Rahmen des Vermögenszuflusses eher geringe und rein faktische Anforderungen.83 Dies begründet er damit, dass durch die Anerkennung von Exspektanzen auf Abflussseite Strafbarkeitsräume und -risiken geschaffen würden und sich damit der Begründungsmaßstab erhöhe, um für den Tatbestand der Untreue noch eine hinreichende Bestimmtheit garantieren zu können. Durch die Anforderung einer rechtlichen Beherrschbarkeit finde eine zusätzliche qualitative Begrenzung statt, sodass das Vorliegen einer werthaltigen Exspektanz mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden könne.84 Hoof argumentiert auf der anderen Seite, dass die Übertragung dieser strengen Anforderungen auf die Zuflussseite, eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Untreuetatbestands bedeute, da hierdurch die Anerkennung einer nachteilsausgleichenden Exspektanz erheblich eingeschränkt werde.85 Er geht davon aus, dass die Normativierung auf der Abflussseite zugunsten des Treunehmers unproblematisch sei, wohingegen eine Normativierung auf der Zuflussseite zulasten des Treunehmers wirke und daher nicht vertretbar sei. Denn ansonsten sei der Treunehmer für allgemeine Wirtschaftsrisiken strafrechtlich haftbar. Vor derartigen Risiken solle aber der Untreuetatbestand, wie bereits ausgeführt,86 gerade nicht schützen.87 78
Auf die Höhe des möglichen Gewinns will wohl auch Saliger, in: S/S/W, § 266 Rn. 76 abstellen. 79 LK-Schünemann, § 266 Rn. 187. 80 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117 ff. 81 Vgl. hierzu oben, S. 54 ff. 82 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 37 ff. 83 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 123 f. 84 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 39 f. 85 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 120. 86 Vgl. hierzu oben, S. 37 f. 87 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 123.
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Hoof geht noch weiter und fordert, an die pauschale Berücksichtigung einer Exspektanz im Rahmen des Vermögenszuflusses geringe Anforderungen zu stellen. Für eine grundsätzliche Anerkennung müsse nur die Möglichkeit bestehen, dass ein Vermögensvorteil eintrete, der ohne die treuwidrige Handlung nicht eingetreten wäre. Dies nimmt Hoof dann an, wenn nach der herrschenden Auffassung des Wirtschaftsverkehrs zum Tatzeitpunkt der Eintritt des positiven Szenarios (also der Vermögensmehrung) wahrscheinlicher erscheine als der Eintritt des negativen Alternativszenarios.88 Nach seiner Ansicht reiche es also aus, dass durch die Untreuehandlung eine schlicht überwiegende Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Exspektanz geschaffen werde, die vorher nicht bestanden habe. Denn nach Auffassung Hoofs ist die Feststellung eines exakten Wahrscheinlichkeitsgrads utopisch. Darüberhinausgehende Faktoren, wie die Absicht des Treunehmers zugunsten des Treugebers zu handeln oder die rechtliche oder faktische Durchsetzbarkeit der Gewinnerwartung, sei eine Frage der Werthaltigkeit der Exspektanz und in einem nächsten Schritt zu ermitteln.89 Die Anforderungen, die Hoof an die Anerkennung einer kompensierenden Exspektanz stellt, sind demnach deutlich geringer als auf der Seite des Vermögensabflusses. (2) Einheitliche Behandlung Lösing90 lehnt eine unterschiedliche Behandlung von Exspektanzen ab. Er geht davon aus, dass identische Anforderungen an die Anerkennung einer „positiven Exspektanz“ wie an diejenige der „negative[n] Exspektanz“ zu stellen seien. Dabei versteht er allerdings unter einer „negative[n] Exspektanz“ einen Vermögensabfluss. Lösing bezieht sich hier nicht auf die Anerkennung einer veruntreubaren Exspektanz als Teil des Treugebervermögens vor der Untreuehandlung. Er versteht unter negativer Exspektanzen vielmehr die Anerkennung einer reinen Vermögensgefährdung als tatbestandlichen Nachteil i. S. d. § 266 StGB.91 In diesem Zusammenhang fordert er die Gleichbehandlung von rein potentiellen Einwirkungen auf das Treugebervermögen auf Abfluss- und auf Zuflussseite. Die Vermögensgefährdung sei die „spiegelbildliche Figur“92 zur Exspektanz und Vermögensab- und Zuflüsse müssten auf der Basis eines einheitlichen Vermögensbegriffs ermittelt werden, sodass für beide die gleichen Voraussetzungen gelten müssten. Zwar könnte Lösing mit dem Verweis auf die Vermögensgefährdung auch auf das „Endergebnis“ der Gesamtsaldierung abzielen, denn eine Vermögensgefährdung könnte auch angenommen werden, wenn ein Vermögensabfluss stattgefunden hat, aber der hiermit bezweckte Vermögenszufluss noch unsicher ist. Wenn also letztlich 88 89 90 91 92
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 125. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 126. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 130. Siehe hierzu oben, S. 70 ff. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 130, 86.
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„nur“ eine Exspektanz als Gegenleistung erlangt wurde.93 Das würde der hier untersuchten Situation der Anerkennung einer kompensierenden Exspektanz entsprechen.94 Lösing bemängelt allerdings in seiner Ausführung, dass auf der Seite der Vermögensabflüsse zum Teil „nicht wirklich ,verdichtete‘ Vermögensgefährdungen“ berücksichtigt würden, wohingegen auf der Seite von Vermögenszuflüssen nicht konkretisierte Positionen nicht beachtet würden. Er versteht also unter Vermögensgefährdung allein die Gefahr eines Vermögensabflusses und fordert, dass an diese die gleichen Anforderungen zu stellen seien wie an die Anerkennung einer Exspektanz als Vermögenszufluss. Die Ausführung Lösings kann also für die vorliegende Frage nicht weiterhelfen, eröffnet aber einen weiteren Vergleichsmaßstab für die vermögenswerte Exspektanz, welche weiter unten noch einmal untersucht werden soll.95 Hefendehl96 behandelt dagegen die zuvor skizzierte Art der Vermögensgefährdung durch eine effektive Vorleistung des Treunehmers mit noch ausstehender Gegenleistung. In diesem Zusammenhang wendet er, ohne nähere Begründung, für die Einschätzung der Werthaltigkeit des Gegenleistungs- oder Kompensationsanspruchs die Regeln der vermögenswerten Exspektanz an, die er für die Seite des Vermögensabflusses entwickelt hat. Er geht also von einem einheitlichen Verständnis vermögenswerter Exspektanzen aus. Hierbei kommt es ihm, als Vertreter des integrierten Vermögensverständnisses, jeweils auf die rechtliche Beherrschbarkeit der Realisierung der Gewinnchance an.97 Auch Schreiber/Beulke98 plädieren in ihrer Auseinandersetzung mit der Bundesliga-Entscheidung des 4. Strafsenats für eine einheitliche Betrachtung. Sie wollen die „engen Voraussetzungen der Exspektanz“, die für die Annahme eines Vermögensnachteils durch den Verlust einer Gewinnchance gelten, auf die Zuflussseite übertragen. § 266 StGB schütze nur das „bestehende Vermögen“. Deshalb dürfe der „zukünftige Vermögenserwerb nur ausnahmsweise Berücksichtigung finden“. Es sei deshalb auf beiden Seiten eine hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Gewinnchance zu fordern, bevor diese als Teil des Vermögens anerkannt werden könne.99 Der Ausgleich des Vermögensabflusses müsse in den vorliegenden Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein. Schreiber/Beulke wenden sich gegen die 93
Vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 45a; vgl. ders., in: Kindhäuser-FS, 765, 768. In diesem Sinne will dagegen Hefendehl, in: Samson-FS, 295, 300, die Vermögensgefährdung in Form der Möglichkeit einer kompensierenden Rückabwicklung nach den Regeln der vermögenswerten Exspektanz auf der Abflussseite lösen. Allerdings ohne nähere Begründung. 95 Siehe sogleich, S. 143 ff. 96 Hefendehl, in: Samson-FS, 295, 298, 300; vgl. ders., Vermögensgefährdung, S. 32 f. 97 Vgl. Hefendehl, in: Samson-FS, 295, 298, 300 und vgl. zu den Ausführungen Hefendehls bereits weiter oben, S. 54 ff. 98 Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 660. 99 Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 660. 94
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Annahme des 4. Strafsenats, dass eine „einfache“ überwiegende Wahrscheinlichkeit des Vermögensausgleichs für die Annahme einer Kompensation ausreichend sei.100 Sie übersetzen die Ausführungen des 4. Strafsenats dahingehend, dass dieser eine 51 %-Wahrscheinlichkeit fordere.101 Dies sei nicht ausreichend, um eine verlässliche Einschätzung der wirtschaftlichen Situation zu garantieren. Denn im Wirtschaftsverkehr bestünden stets Faktoren, die für und Faktoren, die gegen den Eintritt einer Gewinnchance sprächen. Um zu verhindern, dass die Bestimmung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zum „Lotteriespiel“102 geriete, müsse eine hohe Wahrscheinlichkeit des Ausgleichs vorliegen, um eine vermögenswerte Exspektanz als kompensierenden Vermögenszufluss anzuerkennen. Hiernach komme es also jeweils auf eine faktisch überwiegende Realisierungswahrscheinlichkeit an. (3) Einschätzung Für die einheitliche Anwendung der Anforderungen an eine Exspektanz wurden bisher, soweit ersichtlich, wenige Argumente vorgebracht. In den meisten Ausführungen findet eine explizite Auseinandersetzung mit dieser Frage nicht statt. Die Anforderungen werden ohne nähere Begründung vom Vermögensabfluss auf die Zuflussseite übertragen. Hoof und letztlich auch Schünemann (wenn auch nicht ausdrücklich) haben für eine unterschiedliche Bestimmung der Exspektanz die Schutzwürdigkeit des Treunehmers angeführt. Diese Ausführungen können allerdings nicht überzeugen. Für die Beurteilung einer vermögenswerten Exspektanz müssen vielmehr einheitliche Kriterien auf Abfluss- und Zuflussseite gelten. Dies bedeutet letztlich, dass auch auf Seite des Vermögensabflusses die Anerkennung einer Exspektanz als Teil des Treugebervermögens nach wirtschaftlichen Beurteilungskriterien bestimmt werden müssen, obwohl dies zulasten des Treunehmers wirken kann. Denn auch bei der Bestimmung des Vermögensabflusses gilt im Grundsatz ein wirtschaftlicher Vermögensbegriff.103 Würde man die rechtliche Beherrschbarkeit durch den Treugeber voraussetzen, um eine vermögenswerte Exspektanz zu bejahen, könnten hierdurch wirtschaftliche Faktoren völlig ausgeblendet und der grundsätzlich wirtschaftliche Vermögensbegriff ausgehebelt werden. Spricht man einer Gewinnerwartung, die sich höchstwahrscheinlich erfüllen wird und deren Realisierung konkret bevorsteht, einen aktuellen Wert ab, weil der Treugeber den Eintritt dieser Gewinnmöglichkeit (zivil-)rechtlich nicht beherrschen kann, so würde man hierdurch den wirtschaftlichen Vermögensbegriff auf der Abflussseite voll-
100 101 102 103
Vgl. BGH, NJW 1975, 1234, 1236. Vgl. hierzu bereits oben, S. 98 ff. Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 660. Siehe zu den jeweils geltenden Vermögensbegriffen oben, S. 50 ff. und S. 80 ff.
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ständig aufgeben. Die Wirtschaft rechnet Zukunftserwartungen stets in aktuelle Vermögenswerte um und betreibt mit diesen potentiellen Werten Handel.104 Würde für die Anerkennung einer vermögenswerten Exspektanz im Rahmen des Vermögensabflusses auf deren rechtliche Beherrschbarkeit abgestellt, so würde letztlich der integrierte Vermögensbegriff (wie von Schünemann vertreten) angewendet.105 Diese Ansicht ist mit dem hier im Übrigen vertretenen Vermögensverständnis nicht vereinbar. Auch nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff, der auf Abflussseite angewendet wird, werden die zu berücksichtigenden Vermögensteile grundsätzlich wirtschaftlich bestimmt. Es wird „lediglich“ eine normative Korrektur zugunsten des Treunehmers vorgenommen, indem Positionen, die vom Treugeber auf illegale Weise erlangt wurden, nicht als Teil des Vermögens angesehen werden. Hierbei handelt es sich allerdings um eine punktuelle Korrektur und nicht die Gesamtausrichtung nach der rechtlichen Beherrschbarkeit von Positionen. Es überzeugt auch nicht, für die Beurteilung der Werthaltigkeit einer bestehenden Exspektanz ausnahmsweise einen anderen Vermögensbegriff anzuwenden als zur Beurteilung anderer Positionen innerhalb des Treugebervermögens auf Abflussseite. Zwar würde hierdurch der Treunehmer bevorzugt, der Untreuetatbestand muss allerdings nicht allein den Treunehmer als Normunterworfenen, sondern auch den Treugeber, als Opfer der Untreuehandlung schützen und zwischen beiden Schutzinteressen einen Ausgleich schaffen. Der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff auf Abflussseite, der dazu führt, dass illegal erlangte Positionen des Treugebers nicht als schützenswerter Vermögensbestandteil anerkannt werden und somit zugunsten des Treunehmers wirkt, muss zur Beurteilung aller erlangten Vermögensbestandteile daher einheitlich angewendet werden. Selbst wenn dies bedeutet, dass er in der vorliegenden Situation zulasten des Treunehmers wirkt. Würde zugunsten des Treunehmers stets das für ihn vorteilhafteste Vermögensverständnis angewendet und somit die beste Ausgangssituation „herausgepickt“, käme es zu einer nicht mehr begründbaren Benachteiligung des Treugebers. Zwar wird in der vorliegenden Arbeit auch vertreten, dass auf Seiten des Vermögenszuflusses zugunsten des Treunehmers ein strengerer wirtschaftlicher Vermögensbegriff anzuwenden ist als beim Vermögensabfluss, in diesem Fall geht es allerdings vor allem darum, wie mit illegal erlangten Vermögensbestandteilen umzugehen ist. Wurden diese vom Treugeber illegal erlangt, so sind sie nicht als Teil seines Vermögens schützenswert. Gleiches gilt selbstverständlich auch für illegal erlangte Exspektanzen. Der Treunehmer kann nicht dazu verpflichtet sein, illegal zu handeln, um das Vermögen des Treugebers wirtschaftlich zu mehren.106 Dies gilt bereits aufgrund des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs. Auf Vorteilsseite 104 Vgl. Perron, in: Frisch-FS, 857, 866 (allerdings im Rahmen von Vermögensgefährdungen). 105 Vgl. hierzu oben, S. 51. 106 Vgl. BGH, NJW 1988, 2483, 2485; vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 80.
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wird hingegen ein streng wirtschaftlicher Vermögensbegriff angewendet, da illegal erlangte Vermögensvorteile, die das Vermögen des Treugebers wirtschaftlich betrachtet tatsächlich vermehren und für diesen tatsächlich nutzbar sind, objektiv berücksichtigt werden müssen. Auch dieser rein wirtschaftliche Vermögensbegriff gilt einheitlich für alle zufließenden Positionen und daher auch für Exspektanzen. Der angewendete Vermögensbegriff hat darüber hinaus auch nur eine nachgelagerte Bedeutung. Es geht zunächst um die Einschätzung, wie konkret eine Gewinnerwartung sein muss, um ihr überhaupt einen Wert zuschreiben zu können. Diese Einschätzung muss einheitlich und unabhängig davon gelten, ob die Position bereits im Vermögen des Treugebers enthalten ist (Vermögensabfluss) oder sich noch „außerhalb“ befindet (Vermögenszufluss). Nachdem grundsätzlich ein wirtschaftliches Vermögensverständnis gilt, kann es hierbei nicht darauf ankommen, ob die Gewinnerwartung rechtlich durchsetzbar ist. Entscheidend ist daher die faktisch zu beurteilende Eintrittswahrscheinlichkeit der Gewinnchance. Die rechtliche Beherrschbarkeit wird dabei selbstverständlich entscheidend auch zur faktischen Realisierungswahrscheinlichkeit beitragen. Ob die so ermittelte Exspektanz dann auch tatsächlich als Teil des Treugebervermögens berücksichtigt wird, ist anschließend eine Frage des geltenden Vermögensbegriffs. Hier wird auf der Abflussseite bei illegal erlangten Exspektanzen eine normative Korrektur vorzunehmen sein, wohingegen auf Zuflussseite allein die wirtschaftliche Werthaltigkeit zählt. Wenn sich aus der illegalen Erlangung der positiven Exspektanz Sanktionsrisiken ergeben, ist der erlangte Vorteil entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen (und wie jede andere erlangte Position auf Vorteilsseite auch) zu mindern.107 Durch die Anwendung eines einheitlichen faktischen Wahrscheinlichkeits-Kriteriums wird auch dem Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG genügt. Da objektive und rein wirtschaftliche Faktoren herangezogen werden und nicht zwischen Ab- und Zufluss unterschieden werden muss, ist eine Einschätzung durch juristische Laien zumindest im Grundsatz möglich. Das Vorliegen einer vermögenswerten Exspektanz wird also einheitlich – und entsprechend dem grundsätzlich wirtschaftlichen Vermögensverständnis – nach der faktisch bestehenden Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung beurteilt. Wie allerdings Hoof zu Recht anmerkt, ist die Forderung nach einer bestimmten Prozentzahl der Eintrittswahrscheinlichkeit nicht zielführend, da hierzu eine Prognoseentscheidung im Einzelfall und für die Zukunft anzustellen ist. Demnach muss für die grundsätzliche Annahme einer vermögenswerten Exspektanz eine erkennbar überwiegende Realisierungswahrscheinlichkeit bestehen. Zu deren Beurteilung können Sachverständige108 eingesetzt werden, die einschätzen, ob sich die konkrete Situation bei ungestörtem Fortgang überwiegend wahrschein107 108
Vgl. hierzu oben, S. 89 ff. Siehe zur Heranziehung von Sachverständigen unten, S. 147 ff.
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lich in die eine oder die andere Richtung entwickeln wird. 51 % sind hierfür, entsprechend der Auffassung von Schreiber/Beulke, nicht ausreichend. Nach der Feststellung, dass eine vermögenswerte Exspektanz besteht, muss der Fokus vor allem innerhalb des Vermögenszuflusses darauf liegen, wie hoch der Wert dieser Exspektanz anzusetzen ist und ob dieser für die Kompensation des Vermögensabflusses ausreicht.109 Dies wiederum ist eine Entscheidung im konkreten Einzelfall. Wie ein solcher Wert bestimmt werden kann und ob hierbei eine exakte Bezifferung verlangt werden muss, wird im Folgenden ausgeführt. bb) Spiegelbildliche Behandlung: Verhältnis zur Vermögensgefährdung Es wurde bereits mehrfach ausgeführt, dass die vermögenswerte Exspektanz die spiegelbildliche Figur zur konkreten Vermögensgefährdung darstellt.110 Nach den bisherigen Ausführungen muss dieser Auffassung gefolgt werden, da die Vermögensgefährdung und die vermögenswerte Exspektanz untrennbar miteinander verbunden sind. Bei beiden Konstellationen handelt es sich um wirtschaftliche Prognosen, deren Bewertung sich stetig und dynamisch verändert.111 Sowohl die „bloße Gefährdung“ als auch die „bloße Chance“ können dabei das Treugebervermögen bereits aktuell verändern. Dies wird durch die Ausführungen Schünemanns in Zusammenhang mit der schadensgleichen Vermögensgefährdung noch einmal deutlicher.112 Er legt dar, dass ein Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung in mehreren Erscheinungsformen auftreten könne,113 für die allerdings dieselbe Bewertungsmethode gelten müsse. Auf Abflussseite könne eine schadensgleiche Vermögensgefährdung eintreten, wenn der Gegenstand zwar noch vorhanden sei, dieser aber konkret abzufließen drohe („schadensgleiche Vermögensgefährdung i. e. S.“114).115 Darüber 109 Vgl. auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 40, 126. Dieser Grundsatz gilt auch innerhalb des Vermögensabflusses. Denn entsprechend BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220, müssen Vermögensabflüsse nachvollziehbar beziffert werden. Auch hier muss also die verlorene Exspektanz in ihrem Wert zunächst nachvollziehbar beziffert werden, damit sie als Vermögensbestandteil anerkannt werden kann. 110 Vgl. hierzu oben, S. 70 ff.; Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 130, 86; vgl. Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11, 14; vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 23; Saliger, in: Samson-FS, 455, 471, Fn. 127. 111 Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11 m. w. N. 112 Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 227 ff., 230. 113 Siehe hierzu bereits oben, S. 138 ff. 114 Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 227. 115 Schünemann bewertet die jeweilige Situation anhand der Kriterien des integrierten Vermögensbegriffs. Die bewertete Grundsituation besteht aber unabhängig vom vertretenen Vermögensbegriff und kann an den hier vertretenen grundsätzlich wirtschaftlichen Vermögensbegriff angepasst werden.
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hinaus liege eine Vermögensgefährdung auf Abflussseite bei dem Verlust einer vermögenswerten Exspektanz vor. Auf der Zuflussseite sei von einer Vermögensgefährdung auszugehen, wenn eine Vermögensposition, die zum Ausgleich des Vermögensverlusts dienen sollte, doch nicht vom Treugeber erlangt würde und die Kompensation daher unzureichend sei. Schünemann integriert also alle hier ausgeführten Szenarien in die Bewertung einer schadengleichen Vermögensgefährdung bzw. will für alle dieselbe Bewertungsmethode anwenden. Entsprechend seines integrierten Vermögensverständnisses stellt er darauf ab, „ob dem drohenden endgültigen Verlust keine Vermeidemachtmöglichkeiten des Bedrohten mehr gegenüberstehen“. Zur Feststellung soll eine „bilanztechnische Behandlung“ herangezogen werden.116 Vor diesem Hintergrund müssen für die Anerkennung und auch die Bewertung einer relevanten Vermögensgefährdung und einer relevanten vermögenswerten Exspektanz grundsätzlich dieselben Maßstäbe gelten (auch wenn die von Schünemann vorausgesetzten normativen Kriterien dabei nicht überzeugen117). Denn hiernach können die vermögensmindernde Gefährdung und die vermögensmehrende Exspektanz fließend ineinander übergehen, wenn zum Beispiel nach einer Zahlung durch den Treunehmer die Gegenleistung noch aussteht. Hier muss mittels einer Prognoseentscheidung festgelegt werden, ob das Vermögen gemindert ist, weil die Gefährdung überwiegt oder ob die Gewinnchance überwiegt und der Vermögensabfluss daher kompensiert wurde. Es ist also festzuhalten, dass für die Feststellung einer vermögenswerten Exspektanz die spiegelbildlichen Kriterien gelten müssen, wie für die Berücksichtigung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung. Wie bereits ausgeführt,118 kommt es dem BVerfG im Rahmen der schadengleichen Vermögensgefährdung vorrangig darauf an, dass das Ausmaß der durch das Verlustrisiko verursachten aktuellen Wertminderung des betroffenen Vermögens anhand wirtschaftlich anerkannter Maßstäbe (unter Hinzuziehung von Sachverständigen) konkret festgestellt und beziffert werden könne.119 Für die Wertbestimmung einer vermögenswerten Exspektanz könnte daher auf die entsprechenden Ausführungen zur Bewertung einer Vermögensgefährdung zurückgegriffen werden.120 2. Wertbestimmung des Vermögenszuflusses Auch auf Seiten des Vermögenszuflusses ist es nach dem bisher Dargelegten daher entscheidend, welchen Wert der aufgrund der Untreuehandlung unmittelbar 116 Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 230 mit Verweis auf Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 128 ff., 166 ff. 117 Vgl. hierzu oben, S. 140 ff. 118 Vgl. oben, S. 70 ff. 119 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219 f. 120 Vgl. oben, S. 70 ff.
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zugeflossene Vorteil hat. Dies ist von besonderer Relevanz, da nur durch eine Bestimmung des Vorteilswertes verlässlich festgestellt werden kann, ob der exakt quantifizierte Vermögensabfluss in Gänze kompensiert und damit ein Nachteil verneint werden kann. Aufgrund der hier bereits behandelten Grundsätze der Nachteilsberechnung müssen die abfließenden und zufließenden Positionen im Moment der pflichtwidrigen Handlung ex ante und durch eine Gesamtsaldierung im Wege eines Vorher-Nachher-Vergleichs bewertet werden. Die Bestimmung der zufließenden Positionen kann dabei (noch) größere Schwierigkeiten bereiten als der Vermögensabfluss. Bei letzterem wird es häufig zu einem konkreten Verlust einer bestimmten Position kommen, die sich vorher im Vermögen des Treugebers befand. Der „Pool“ der zu berücksichtigenden Positionen ist daher grundsätzlich fest begrenzt. Sollte eine Quantifizierung der abgeflossenen bzw. gefährdeten Positionen nicht verlässlich möglich sein, so scheidet ein tatbestandlicher Vermögensnachteil aufgrund des in dubio pro reo-Grundsatzes aus. Die Frage, ob unmittelbar aufgrund der pflichtwidrigen Handlung eine Position zugeflossen ist und welchen Wert diese hat, wird dagegen schwieriger zu beurteilen sein. Die von außen erlangten Positionen lassen sich nicht auf einen umgrenzten möglichen Bestand reduzieren. Sie können letztlich „von überall her“ resultieren und in verschiedenen Formen auftreten. Gerade aufgrund des auch beim Vermögenszufluss geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatzes121 werden darüber hinaus häufig durch die Untreuehandlung „nur“ Gewinnchancen erlangt werden. Hier kommt es daher letztlich auf eine Prognoseentscheidung an. Für die Bewertung einer derartigen Gewinnchance könnten andere Regeln gelten als für allgemeine Positionen.122 a) Exakte Bezifferung auch des Vorteils? Wie bereits mehrfach ausgeführt,123 hat das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung gefordert, dass auch (!) Gefährdungsschäden von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise quantifiziert werden müssten.124 Hierzu seien anerkannte Bewertungsverfahren anzuwenden und, soweit komplexe wirtschaftliche Analysen vorzunehmen seien, Sachverständige hinzuzuziehen.125 Nach den vorangegangenen Ausführungen zu den verschiedenen Erscheinungsformen eines Gefährdungsschadens und zu der grundsätzlichen Gleichbehandlung von Gefährdungsschaden und Exspektanz, stellt sich daher die Frage, ob auch Vermögenszuflüsse exakt quantifiziert werden müssen. 121
Vgl. hierzu oben, S. 122 ff. Siehe hierzu oben, S. 135 ff., sowie unten im Detail, S. 171 ff. 123 Vgl. hierzu oben, S. 70 ff. und S. 110. 124 Hieraus ist zu schließen, dass der Gefährdungsschaden denselben Voraussetzungen unterliegen soll wie ein „endgültiger Schaden“. Dieser muss also auch stets beziffert werden. Vgl. hierzu auch Hinrichs, in: wistra 2013, 161, 163. 125 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 122
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Hoof126 führt in diesem Zusammenhang aus, dass das BVerfG hier eine Pflicht zur exakten Bezifferung allein auf Seiten des Vermögensabflusses habe schaffen wollen. Er meint, der „Ertrag der Untreuerechtsprechung des BVerfG“ sei im Hinblick auf die Wertbestimmung von Vermögensvorteilen eher gering.127 Eine exakte Bestimmung sei zwar allgemein eingefordert worden, „die Verfassungshüter“ hätten hierbei aber wohl eher den Vermögensabfluss im Blick gehabt.128 Denn nur hier wirke dieses Erfordernis als „Begrenzung einer uferlosen Ausweitung des sogenannten Gefährdungsschadens“.129 Hoof geht, übereinstimmend mit seiner bisher dargestellten Linie, wiederum davon aus, dass ein Kriterium zur Schärfung der Grenzen des Untreuetatbestands nur anzuwenden sei, wenn dieses Kriterium zugunsten des Treunehmers wirke. Vor diesem Hintergrund wendet er wiederholt Methoden zur Einschätzung einer Untreuestrafbarkeit unterschiedlich auf den Vermögensabfluss und den Vermögenszufluss an.130 Gleiches soll nun auch für die Bezifferung des Vermögensabflusses und des Vermögenszuflusses gelten, da die Forderung nach einer exakten Bestimmung des Vermögenszuflusses zu einer kaum begründbaren Strafbarkeitserweiterung führe.131 Dies allerdings kann mit Blick auf die Grundsatzentscheidung des BVerfG und die hierin behandelte Konstellation (Beschwerdeführer zu III.) nicht ohne weiteres angenommen werden. Der Entscheidung des BVerfG über die exakte Bezifferung der Vermögensgefährdung lag ein Fall der Kredituntreue zugrunde.132 In solchen Fällen wird ein Darlehen pflichtwidrig gewährt, ohne dass, bei mangelnder Bonität des Darlehensnehmers, ausreichende Sicherheiten des Darlehensnehmers gestellt werden. Die Vermögensgefährdung liegt hier also darin, dass das Darlehen (und die Zinsforderungen) wegen fehlender Solvenz des Kreditnehmers vermutlich nicht zurückgezahlt werden kann. Entgegen der Annahme Hoofs hat also das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung nicht allein die Abflussseite berücksichtigt. Denn die Vermögensgefährdung in diesem Fall bestand gerade darin, dass die Aussicht auf die Rück- und Zinszahlung (die Gegenleistung) nicht so vielversprechend war, dass die Vorleistung der Bank (Darlehensvaluta) als Vermögensabfluss kompensiert werden konnte. Mit Blick auf die anzuwendenden Bilanzierungsregeln führt das BVerfG aus: „Ist auf Grund fehlender Bonität des Schuldners und fehlender Sicherheiten konkret erkennbar, dass mit einem teilweisen oder vollständigen Forderungsausfall zu rechnen ist, muss folglich eine Einzelwertberichtigung gebildet oder sogar eine Direktabschreibung 126
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 133 f., wobei er im Anschluss die konkrete Bewertung von Forderungen gesondert behandelt; so wohl auch BGH, NJW 1975, 1234, 1236; i. E. auch Nack, StraFo 2008, 277, 280; a. A. wohl Rübenstahl, HRRS 2012, 501, 502 ff. 127 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 133. 128 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 133. 129 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 133 f. 130 Siehe hierzu beispielsweise oben, S. 80 ff. oder S. 136 ff. 131 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 134. 132 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3217 ff.; vgl. auch Nack, in: StraFo 2008, 277, 279 f.; Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11 f.
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vorgenommen werden […], so dass das Vermögen der Bank bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung bereits durch den Verstragschluss (die verbindliche Kreditzusage) wegen der Minderwertigkeit des Gegenleistungsanspruchs negativ verändert wird […]. Dementsprechend geht der BGH davon aus, dass sich in Fällen der Kreditvergabe ein Gefährdungsschaden bereits aus der Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs gegenüber der ausgereichten oder auszureichenden Darlehensvaluta ergeben kann […].“133
Indem das BVerfG im Anschluss auf die „präzisierende und restriktive Auslegung des Nachteilsmerkmals“134 verweist und eine exakte Bezifferung des Gefährdungsschadens fordert, bezieht es auch die Seite des Vermögenszuflusses mit ein. Dies leuchtet ein, da nur durch eine exakte Bezifferung des erwarteten Zuflusses der letztendlich eventuell „verbleibende“ Vermögensnachteil im Wege der Gesamtsaldierung bestimmt werden kann. Das BVerfG selbst versteht also die Vermögensgefährdung als „verbleibendes Ergebnis“ der Gesamtsaldierung. Die vom BVerfG entwickelten Anforderungen gelten daher auch für kompensierende Vermögenszuflüsse. Auch diese müssen anhand anerkannter Bewertungsverfahren beziffert werden, im Zweifel unter Hinzuziehung eines Sachverständigen. Das BVerfG hat aber ebenfalls erkannt, dass in bestimmten Konstellationen unvermeidliche „Prognose- und Beurteilungsspielräume“135 verbleiben werden. In diesen Fällen sollen „vorsichtige Schätzungen“ angewendet werden und im Zweifel sei frei zu sprechen. Im Folgenden werden daher einige der anerkannten Bewertungsverfahren auf die Möglichkeit ihrer Heranziehung zur Bezifferung eines Vermögenszuflusses untersucht. Darüber hinaus sollen die Situationen herausgefiltert werden, in denen „Prognose- und Beurteilungsspielräume“ verbleiben können und erarbeitet werden, wie in diesen Fällen auf Zuflussseite eine „vorsichtige Schätzung“ durchzuführen wäre. b) Rückgriff auf Sachverständige Das BVerfG hat für die Bewertung komplexer wirtschaftlicher Analysen die Hinzuziehung eines Sachverständigen vorgesehen.136 Gerade in den für diese Arbeit relevanten Fällen des Wirtschaftslebens werden derartige komplexe Konstellationen zu bewerten sein. Der Treunehmer wird als Teil eines (eventuell verzweigten) Wirtschaftsunternehmens Geschäftsmodelle verfolgen und anwenden, die eventuell vorher so allgemein noch nicht bekannt waren.137 Ein Gericht wird diese Konstellationen wirtschaftlich nicht immer eigenständig zutreffend einschätzen können. 133 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219 mit Verweis auf BGH, NJW 2002, 1211 ff.; BGH NJW 2009, 2390 ff. 134 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 135 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 136 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 137 So auch Hefendehl, in: wistra 2012, 325, 326.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Um die fehlende Sachkunde des Gerichts auszugleichen, werden auch in anderen Bereichen (Schuldfähigkeit, Unfallhergänge, Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen) Sachverständige herangezogen.138 Damit es allerdings, wie von Hefendehl befürchtet,139 nicht zu einer Entwicklung des Strafrechts hin zu einem „Sachverständigenstrafrecht“ kommt, in welchem Sachverständige letztlich über die Strafbarkeit entscheiden, muss das Gericht seinem Leitungsauftrag nach § 78 StPO gegenüber den Sachverständigen nachkommen.140 Denn die wirtschaftliche Bewertung einer Position hängt meist von unterschiedlichen Variablen ab, die zumindest teilweise zur Disposition des Bewertenden stehen.141 Es darf im strafrechtlichen Rahmen gerade nicht dem Sachverständigen überlassen werden, zu entscheiden, was als Vermögen oder als Schaden anzusehen ist und was nicht.142 Hierbei handelt es sich um Fragen des materiellen Strafrechts über die allein das Gericht entscheiden kann.143 Das Gericht kann also nicht „einfach“ die Frage stellen, ob ein wirtschaftlicher Nachteil eingetreten sei, sondern muss in den Vorgaben zum Beweisthema genaue Anweisungen geben, auf Basis welcher tatsächlichen Umstände und Annahmen und unter Verwendung welcher Berechnungsmethode die Einschätzung des Sachverständigen zu erfolgen hat.144 Der Sachverständige muss genau wissen, welche Annahmen er der Bewertung einer Vermögensveränderung zugrunde zu legen hat. Hierzu wird auch der Sachverständige auf bestimmte Bewertungsmethoden, wie beispielsweise das Bilanzrecht, zurückgreifen müssen. Dann allerdings müsste das Gericht vorher deutlich machen, welche Art der Bilanz im konkreten Fall herangezogen werden soll.145 Diese Entscheidung darf nicht dem Sachverständigen selbst überlassen werden. Auch der Sachverständige wird sich (gerade bei der Bezifferung von Gefährdung und Exspektanz durch Prognoseentscheidungen) nicht immer auf einen bestimmten Betrag festlegen können, welcher den Wert des Zuflusses (oder Abflusses) darstellt. Seine Fachkenntnis wird es ihm aber ermöglichen, die zu berücksichtigenden Faktoren detaillierter zu beschreiben und die Reaktionen der Marktteilnehmer besser einzuschätzen. Dadurch wird zumindest ein annähernder Wert festgestellt werden können.146 138
Vgl. Hefendehl, in: wistra 2012, 325, 326. Hefendehl, in: wistra 2012, 325 ff. 140 Hefendehl, in: wistra 2012, 330. 141 Vgl. Becker, in: HRRS 2009, 334, 338 m. w. N. 142 Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5; vgl. Rübenstahl, in: HRRS 2012, 501, 505. 143 Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5; Hefendehl, in: wistra 2012, 330. 144 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 135. 145 Hefendehl, in: wistra 2012, 325, 330; Becker, in: JR 2012, 82, 84; Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5. 146 Vgl. Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5. 139
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Wird dem Sachverständigen also ein detaillierter Auftrag durch das Gericht erteilt und zieht der Richter anschließend nachvollziehbar und unter Darlegung der Gründe147 aus den Einschätzungen des Sachverständigen einen eigenständigen Schluss im Hinblick auf das relevante Tatbestandsmerkmal, so muss eine Entwicklung hin zum „Sachverständigenstrafrecht“ nicht befürchtet werden.148 Dennoch bedürfen auch die Sachverständigen, wie dargelegt, eines Instrumentariums, dessen sie sich zur Wertbestimmung bedienen können. Einige hierfür infrage kommende Möglichkeiten werden im Folgenden erörtert. Für die Anwendbarkeit eines außerstrafrechtlichen Bewertungsinstrumentes wird es entscheidend darauf ankommen, ob die hinter diesen „anerkannte[n] Bewertungsverfahren und -maßstäbe[n]“149 stehenden Zwecke mit den strengen Grundsätzen des Strafrechts vereinbar sind. c) Bilanzrecht Nachdem in der Literatur150 und auch in Teilen der Rechtsprechung151 schon seit langem darüber debattiert wurde, das Bilanzrecht zur Bestimmung des strafrechtlich geschützten Vermögens heranzuziehen, hat sich auch das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung für diesen Ansatz ausgesprochen.152 aa) Anwendung in der Grundsatzentscheidung Für die Bezifferung eines tatbestandlichen Gefährdungsschadens in Form eines drohenden Ausfalls einer Darlehens- und Zinsforderung (als kompensierender Gegenleistungsanspruch) und zur Abgrenzung von einer bloßen abstrakten Gefährdung, hat sich das BVerfG auf die Grundsätze des Bilanzrechts berufen und die Regelungen des HGB zur Bewertung und Wertberichtigung von Forderungen ausgeführt.153 Nach § 253 Abs. 4 HGB (i. V. m. § 340e Abs. 1 S. 2 HGB für Kundenforderungen einer Bank) müssen bei der Bewertung des Umlaufvermögens von dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 253 Abs. 1 HGB) Abschreibungen vorge147
So auch das BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. Zu diesem Ergebnis kommt Hefendehl, in: wistra 2012, 325 ff. auch selbst. 149 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 150 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 166 ff. m. w. N., 169 ff., 191 ff.; ders., in: Tiedemann/Schünemann, 185, 234 ff.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 181; vgl. Florstedt, in: wistra 2007, 441 ff.; vgl. Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 11 m. w. N.; vgl. Kempf, in: Volk-FS, 231, 240; vgl. Nack, in: StraFo 2008, 277, 280; vgl. Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, S. 27 m. w. N.; vgl. Schröder, in: JZ 1965, 513, 514; Goldschmidt, in: ZStW 1928, 149, 160; LK-Tiedemann, Vor § 263 Rn. 32, § 263 Rn. 171 ff. 151 RG, JW 1926, 586; vgl. BGH, NJW 2008, 2451 ff.; BGH, NJW 2009, 2390 ff. 152 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219 f.; siehe hierzu auch bereits oben, S. 70 ff. 153 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219. 148
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nommen werden (sog. Einzelwertberichtigung).154 Es soll so der niedrigere Wert angesetzt werden, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis ergibt. Sind derartige „festgelegte“ niedrigere Werte nicht verfügbar und übersteigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten dennoch den Wert, der einem Vermögensgegenstand am Abschlussstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen niedrigeren (Schätz-)Wert abzuschreiben, vgl. § 253 Abs. 4 S. 2 HGB (sog. Niederstwertprinzip).155 Die genannten Wertmaßstäbe sind der Bewertung nach der Reihenfolge ihrer Aufzählung in § 253 Abs. 4 HGB (Börsenpreis; Marktpreis; beizulegender Wert) zugrunde zu legen.156 Da für die vom BVerfG auf ihre Werthaltigkeit untersuchte Forderung kein Börsen- oder Marktpreis existierte, musste für ihre Bewertung der niedrigere „beizulegende Wert“ i. S. d. § 253 Abs. 4 S. 2 HGB herangezogen werden. Hierbei handelt es sich um einen fiktiven Wert.157 Er ergibt sich aus der Einbringlichkeit der Forderung und der ihr anhaftenden Risiken am Bilanzstichtag.158 Es wird die geschätzte Höhe des mit Wahrscheinlichkeit zufließenden Geldbetrags bestimmt. Hierbei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die den Forderungseingang zweifelhaft erscheinen lassen, wie beispielsweise die Bonität des Schuldners. Auch die für die Forderung bestehenden Sicherheiten sind dabei zu berücksichtigen.159 Ist der sich aus dieser Schätzung ergebende Wert niedriger als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, so ist auf diesen abzuschreiben und somit der anzusetzende Wert zu mindern. Diese Vorgehensweise will das BVerfG generell auf die Bewertung von Gefährdungsschäden übertragen. Allerdings legt es sich hierbei weder strikt auf diese eine Bewertungsmethode noch auf eine bestimmte Art der Bilanz fest, sondern fordert ganz allgemein, dass „Gefährdungsschäden von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festzustellen“160 und hierbei anerkannte Bewertungsverfahren und -maßstäbe zu berücksichtigen seien. Für die Einschätzung komplexer wirtschaftlicher Analysen verweist es auf die Hinzuziehung von Sachverständigen.161 Das BVerfG führt also in seiner Grundsatzentscheidung eine einzelne Bewertungsmethode des Bilanzrechts näher aus, legt sich aber auf diese nicht fest, sondern verweist im Ergebnis generell auf „anerkannte Bewertungsverfahren und -maßstä154
Schubert/Berberich, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253, Rn. 560 ff.; Wimmer/Kusterer, in: DStR 2006, 2046 ff. 155 Schubert/Berberich, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 506 ff., 510, 560; BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219; vgl. Wimmer/Kusterer, in: DStR 2006, 2046, 2046. 156 Schubert/Berberich, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 510. 157 Schubert/Berberich, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 515. 158 Wimmer/Kusterer, in: DStR 2006, 2046, 2046. 159 Schubert/Berberich, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 567, 570; vgl. Wimmer/ Kusterer, in: DStR 2006, 2046, 2048. 160 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 161 Siehe hierzu oben, S. 147 ff.
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be“. Es bleibt letztlich offen, nach welchen Grundsätzen der Wert einer Forderung, einer Verbindlichkeit oder eines sonstigen Wirtschaftsguts bestimmt werden soll.162 Dies hat dazu geführt, dass über die Art und den Umfang der Heranziehung des Bilanzrechts zur strafrechtlichen Wertbestimmung bis heute keine Einigkeit herrscht.163 bb) Kein „bilanzrechtsakzessorisches“164 Vermögen Zunächst ist klarzustellen, dass eine sogenannte „bilanzrechtakzessorische“ Bewertung des Vermögens nicht infrage kommt. Es soll also kein bilanzrechtliches Vermögensverständnis geschaffen werden.165 Zwar soll auch bei der Bestimmung des Vermögensnachteils i. S. d. § 266 StGB das Vermögen, bzw. seine Veränderung, stichtagsbezogen bewertet werden, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt der Untreuehandlung166, sodass eine akzessorische Anwendung der Bilanzregeln nicht völlig abwegig erscheint.167 Eine solche Anwendung des Bilanzrechts würde allerdings dessen Funktion verkennen. Wie Hefendehl168 zu Recht ausführt, konstituiert die Bilanzierung das Vermögen nicht, sondern konkretisiert es und gibt eine Momentaufnahme des aktuellen Vermögensstandes.169 Nach dem hier vertretenen grundsätzlich wirtschaftlichen Vermögensbegriff konstituiert also die Wirtschaft das Rechtsgut des Vermögens. Das Bilanzrecht kann „lediglich“ zur besseren Darstellung und Einschätzung dieses Rechtsguts herangezogen werden. Hierzu eignet sich das Bilanzrecht grundsätzlich gut, denn es ermöglicht die Umrechnung von Vermögenswerten in „die homogene 162
Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 331. Vgl. Hefendehl, in: wistra 2012, 325 ff.; ders., in: FS-Samson, 295, 301 ff.; Kempf, in: Fischer/Hoven, 325 ff. m. w. N.; Joecks, in: Samson-FS, 355, 366 f., 374; Becker, in: HRRS 2009, 334 ff.; ders., in: HRRS 2010, 383, 391 f.; ders., in: JR 2012, 82, 83; Rönnau, in: SamsonFS, 423, 436; Fischer, in: StV 2010, 95, 101; Rübenstahl, in: HRRS 2012, 501, 505; vgl. BGH, NJW 2012, 2370, 2371. 164 Hefendehl, in: wistra 2012, 325, 328. 165 Hefendehl, in: wistra 2012, 325, 327 f.; ders., Vermögensgefährdung, S. 169 ff., 191 ff.; Becker, in: HRRS 2009, 334, 337. 166 Vgl. hierzu näher oben, S. 122 ff. und S. 64 ff. 167 Becker, in: HRRS 2009, 334, 338 m. w. N. 168 Hefendehl, in: wistra 2012, 325, 328 m. w. N., wobei Hefendehl auch einen wirtschaftlichen Vermögenbegriff ablehnt und von einem integrierten normativ geprägten Vermögensverständnis ausgeht (vgl. oben, S. 51). 169 Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 176 ff. m. w. N. Er weist in diesem Zusammenhang auf zwei Bilanztheorien hin. Nach der sog. statischen Bilanztheorie soll, wie auch hier dargestellt, die Vermögenslage eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt dargestellt werden. Nach der sog. dynamischen Bilanztheorie sollen dagegen die mit den Aufwendungen und Erträgen verbundenen Bewegungen periodengerecht abgegrenzt werden. Vgl. auch Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 329. 163
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Ertragskategorie des Geldes“170, sodass eine Gesamtsaldierung zur Nachteilsfeststellung im Rahmen des § 266 StGB ermöglicht wird.171 Wie bereits ausgeführt wurde, wird das Bilanzrecht somit als „heuristisches Konkretisierungskriterium“172 bei der Nachteilsfeststellung angewendet. cc) Die relative Bilanzwahrheit173 Auch diese Art der „bilanzorientierten Schadensfeststellung“174 stößt allerdings auf Kritik.175 Denn der Verweis auf das Bilanzrecht im Allgemeinen biete nicht die erhoffte Eindeutigkeit und Klarheit. Es existieren verschiedene Rechnungslegungsstandards mit unterschiedlichen Ausrichtungen wie das deutsche HGB, die internationalen IFRS (International Financial Reporting Standards) oder die US-amerikanischen US-GAAP (United States Generally Accepted Accounting Principles).176 Darüber hinaus gibt es auch verschiedene Arten der Bilanz, wie die Handelsbilanz, die Steuerbilanz177 oder die Überschuldungsbilanz. Diese verschiedenen Bilanzen haben unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. So dient die Handelsbilanz nach dem HGB vorrangig dem Gläubigerschutz (Rechenschaftsfunktion) und soll für die an dem bilanzierenden Unternehmen Beteiligten den unbedenklich ausschüttbaren Vermögenszuwachs ermitteln (Kapitalerhaltung).178 Die Steuerbilanz soll dagegen vorrangig vermeiden, dass der zu versteuernde Gewinn als zu niedrig angesetzt wird. Es soll der wirkliche Gewinn ermittelt und die am Unternehmen Beteiligten nach ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden.179 Der Zweck der Überschuldungsbilanz besteht letztlich darin, den vorhandenen gegenwärtigen Vermögens- bzw. Schuldenstand exakt auszuweisen. Denn es sind hierbei die widerstreitenden Interessen von Schuldner und Gläubiger auszugleichen. Der Schuldner hat ein Interesse daran, dass das Insolvenzverfahren nicht zu früh eingeleitet und das Unternehmen nicht vorzeitig 170
Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 169; ders., in: FS-Samson, 295, 301; vgl. Becker, in: HRRS 2009, 334, 338. 171 Becker, in: HRRS 2009, 334, 338; so auch LK-Schünemann, § 266 Rn. 181. 172 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 194; ders., in: Samson-FS, 295, 301. 173 Vgl. LK-Tiedemann, § 265b Rn. 70. 174 Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 325 mit Verweis auf Hefendehl (z. B. in: Vermögensgefährdung, S. 169). 175 Joecks, in: Samson-FS, 355, 366; Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 333; ders., in: VolkFS, 231, 241; vgl. Becker, in: HRRS 2009, 334, 338 f.; vgl. Fischer, in: StV 2010, 95, 101. 176 Vgl. Hefendehl, in: wistra 2012, 325, 328. 177 Wobei in den meisten Fällen für die Steuerbilanz auch die Handelsbilanz maßgeblich ist und hier „nur“ einige Wertansätze korrigiert und angepasst werden, vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 1157. 178 Störk/Schellhorn, in: Beck’scher Bilanzkomm, § 264 Rn. 35 m. w. N.; Kahle/Kopp, Grundzüge der Handels- und Steuerbilanz, S. 15 ff.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 181. 179 Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 181.
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in die Insolvenz getrieben wird, wohingegen die Gläubiger ein Interesse daran haben, frühzeitig Einfluss in dem Unternehmen zu gewinnen und nicht erst auf den Eintritt der Überschuldung zu warten.180 Für jede Bilanz gelten je nach verfolgtem Zweck unterschiedliche Wertkonventionen, die zur Ermittlung eines Vermögenswertes herangezogen werden. Diese sogenannten Wertziffern sind teilweise legal definiert (Anschaffungs- und Herstellungskosten, § 255 Abs. 1, 2 HGB), teilweise werden sie von den Rechnungslegungsstandards auch „schlicht“ vorausgesetzt (Buchwert, § 285 Nr. 18, 19 HGB). Auch diese Wertziffern und Wertermittlungsmethoden erfüllen je nach Art der Bilanz unterschiedliche Aufgaben und werden bei Anwendung auf dieselbe Position im selben Kontext zu unterschiedlichen Werten gelangen. Darüber hinaus bietet auch das Bilanzrecht für den Verpflichteten viele Ermessensspielräume.181 Tiedemann182 bezeichnet dies als „relative Bilanzwahrheit“. Den einen wirtschaftlichen Wert eines Vermögensbestandteils könne auch das Bilanzrecht schlicht nicht darstellen, weil er nicht existiere.183 Aufgrund dieser Vielzahl an Bewertungsmethoden und -freiheiten, wird teilweise vertreten, dass das Bilanzrecht nicht dazu beitrage, den wirtschaftlichen Wert eines Vermögensbestandteils verlässlicher zu ermitteln.184 Denn auch innerhalb der bilanziellen Bewertung werde letztlich auf Wertungen und Schätzungen zurückgegriffen, wie etwa in dem oben erläuterten Beispiel der Einzelwertberichtigung von Forderungen.185 Darüber hinaus resultierten aus der unterschiedlichen Schutzrichtung des Strafrechts einerseits und der verschiedenen Rechnungslegungsstandards andererseits erhebliche Wertungswidersprüche, sodass einige dieser Bewertungsprinzipien mit den Grundsätzen des Strafrechts unvereinbar erschienen.
180
Vgl. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 173, 183; ders., in: Samson-FS, 295, 303; ders., in: wistra 2012, 325, 328 f. m. w. N., er plädiert für die Anwendung dieser Bilanzgrundsätze, da die widerstreitenden Gläubiger- und Schuldnerinteressen in höherem Maße die Gewähr für eine ausgeglichene Wertdarstellung bieten könnten. Dabei trennt er zwischen dem Überschuldungsstatus und der Fortführungsprognose und will nur den Überschuldungsstatus heranziehen, da dieser von Zukunftsprognosen (hinsichtlich der Überlebensfähigkeit) freigehalten werde und lediglich ein vollständiges Gegenwartsbild darstelle (Vermögensgefährdung, S. 185); vgl. auch Rönnau, in: Samson-FS, 423, 436 m. w. N. 181 Vgl. Störk/Büssow, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 252 Rn. 32; vgl. Goldschmidt/ Weigel, in: WPg 2009, 192, 193 ff. 182 LK-Tiedemann, § 265b Rn. 70; vgl. Becker, in: HRRS 2009, 334, 338. 183 Becker, in: HRRS 2009, 334, 338 m. w. N.; Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 333 f. 184 Becker, in: HRRS 2009, 334, 338 m. w. N.; vgl. LK-Tiedemann, § 263 Rn. 172 m. w. N.; Fischer, in: StV 2010, 95, 101. 185 So auch bereits Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, S. 27; Kempf, in: Volk-FS, 231, 241; vgl. Joecks, in: Samson-FS, 355, 367 f.
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dd) Eignung einzelner Bewertungsgrundsätze Im Folgenden soll daher die Grundausrichtung der Rechnungslegungsstandards des HGB und der IFRS in Kürze dargelegt und deren generelle Eignung zur Heranziehung bei der strafrechtlichen Wertermittlung untersucht werden. Diese Rechnungslegungsstandards dürften die relevantesten Bilanzierungsegeln für die in den hier überprüften Fallkonstellationen betroffenen nationalen Treugeberunternehmen darstellen. Anschließend wird eine abschließende Einschätzung über das „Ob“ und den Umfang der Anwendung des Bilanzrechts innerhalb der strafrechtlichen Wertbestimmung generell gegeben. (1) Bewertungsgrundsätze des HGB Hinsichtlich der Anwendung der handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften nach §§ 252 ff. HGB wird vor allem das hierfür geltende Vorsichtsprinzip gemäß § 252 Abs.1 Nr. 4 HGB problematisiert.186 Hiernach sind Vermögensgegenstände vorsichtig zu bewerten. Es sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen. Verluste müssen also bereits dann ausgewiesen werden, wenn mit ihrem Eintritt ernsthaft zu rechnen ist.187 Gewinne sind dagegen nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag auch tatsächlich realisiert sind (Imparitätsprinzip).188 Hierin drückt sich wiederum die vorrangige Zielrichtung der Handelsbilanz des HGB aus: Gläubigerschutz und Kapitalerhaltung.189 Diese Art der Bewertung widerspricht dem in dubio pro reo-Grundsatz und dem Bestimmtheitsgrundsatz des Strafrechts.190 Dies gilt vor allem in Bezug auf die Bewertung eines Vermögenszuflusses. Eine Chance würde hierbei überhaupt nicht berücksichtigt und einer bereits zugeflossenen Position würde aufgrund des Vorsichtsprinzips im Zweifel ein geringerer Wert als der „tatsächliche“ zugeschrieben. Denn das Vorsichtsprinzip führt dazu, dass bei verschiedenen Bewertungsmöglichkeiten der ungünstigste Wert anzunehmen ist.191 Dadurch wäre davon auszugehen, dass ein entsprechender Vermögensabfluss nicht vollständig kompensiert und ein Vermögensnachteil verbleiben würde. Dies widerspricht der Annahme des in
186 Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 332; ders., in: Volk-FS, 231, 240 f.; Rönnau, in: SamsonFS, 423, 436; vgl. Becker, in: HRRS 2009, 334, 337 f.; vgl. hierzu auch schon oben, S. 70 ff. und S. 111 ff. 187 BFH, DStR 1997, 1442 f., 1444. 188 Störk/Büssow, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 252 Rn. 29 ff., 34 ff. 189 Störk/Büssow, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 252 Rn. 35. 190 Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 332. 191 Rönnau, in: Samson-FS, 423, 436; vgl. Kempf, in: Volk-FS, 231, 240 f.; Becker, in: HRRS 2009, 334, 338; vgl. Störk/Büssow, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 252 Rn. 33.
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dubio pro reo-Grundsatzes, wonach im Zweifel der geringere Schaden anzunehmen wäre.192 Darüber hinaus wird auch die Möglichkeit der Pauschalwertberichtigung nach dem HGB kritisiert.193 Zwar gehe das HGB vom Grundsatz der Einzelbewertung eines Wirtschaftsguts aus, § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB. Dennoch sei ein Unternehmen hinsichtlich bestimmter Forderungen dazu verpflichtet, ein noch nicht bekanntes, aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit noch auftretendes Risiko zu berücksichtigen. Bestimmende Faktoren hierbei sind das Ausfall- und Kreditrisiko.194 Hierbei handelt es sich um typische Risiken des Wirtschaftslebens. Ein derartiges typisches Risiko darf bei einer strafrechtlichen Bewertung allerdings nicht berücksichtigt werden, solange es im zu begutachtenden Einzelfall nicht konkret feststellbar ist. Es gilt hier das Schuldprinzip und die Einzelfallbetrachtung.195 Diese Kritik ist berechtigt. Vor allem der Bewertung von Vermögenszuflüssen (allgemeine Positionen und Gewinnchancen) werden die Bilanzierungsgrundsätze des HGB aufgrund des Vorsichtsprinzips nicht gerecht. Denn durch § 266 StGB sollen nicht die Gläubiger des Treugebers geschützt und innerhalb eines marktwirtschaftlich agierenden Unternehmens wohl auch nicht allein das Vermögen im Status quo erhalten werden. Im Gegenteil wird es häufig die Anforderung an einen angestellten Treunehmer sein, wirtschaftlich sinnvolle Geschäfte und Investitionen zu tätigen, um so letztlich das Treugebervermögen zu mehren. Die Vorgehensweise des Treunehmers innerhalb eines Wirtschaftsunternehmens ist deshalb nicht auf die Erhaltung des Status quo, sondern in die Zukunft gerichtet. Daher kann das HGB in vielen Fällen bei der Bewertung nicht direkt herangezogen werden, weil es aufgrund des Vorsichtsprinzips zukünftige Gewinnchancen nicht abbilden kann.196 Allerdings wäre es möglich, unter Anwendung einer „lediglich“ bilanzorientierten Wertfeststellung bei der strafrechtlichen Wertermittlung diese untauglichen Prinzipien außen vor zu lassen. Hierzu muss das bewertende Gericht wissen, dass diese, dem Strafrecht widersprechenden, Grundsätze existieren und den Sachverständigen, in Wahrnehmung der richterlichen Leitungsaufgabe nach § 78 StPO, darauf hinweisen, dass diese Grundsätze für die konkrete Wertermittlung nicht beachtet werden sollen.197 Das Gericht muss also letztlich davon Kenntnis haben, dass durch die Bewertungsregeln des HGB an sich eher der Status quo abgebildet wird und diese deshalb für die Bewertung eines Vermögensabflusses durchaus geeignet sind.198 Es ist allerdings zu 192 193 194 195 196 197 198
Kempf, in: Volk-FS, 231, 241. Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 331 f.; vgl. Becker, in: HRRS 2009, 334, 337. Schubert/Berberich, in: Beck’scher Bilanz-Komm, § 253 Rn. 576 ff. Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 331 f.; vgl. Sch/Sch-Eisele, Vor § 13 Rn. 103/104. So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 140. Vgl. zum Einsatz eines Sachverständigen oben, S. 147 ff. Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 138.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
beachten, dass Chancen und generell Vermögenszuflüsse wegen des gegen den in dubio pro reo-Grundsatz verstoßenden Vorsichtsprinzips nicht (strikt) nach diesen Regeln bewertet werden können. In diesen Fällen hat das Gericht sich an anderen Bewertungsregeln zu orientieren. (2) Bewertungsgrundsätze der IFRS Die International Financial Reporting Standards (IFRS) sind der Oberbegriff für IFRS, International Accounting Standards (IAS) und Interpretationen des International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) sowie dessen Vorgänger-Institution Standing Interpretations Committee (SIC).199 Auf die Möglichkeit der Heranziehung der IFRS zur Bewertung des Vermögens im Rahmen des Untreuetatbestands hat bereits der 1. Strafsenat hingewiesen.200 Die Zielsetzung dieser Rechnungslegungsregeln ist eine andere als die des HGB. Die IFRS201 dienen der Information über das berichtende Unternehmen für (potentielle) Investoren, Kreditgeber und andere Gläubiger. Sie sollen Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens bieten, um Entscheidungen über die Bereitstellung von Ressourcen an das Unternehmen treffen zu können („decision usefulness concept“).202 Hierzu zählt die Entscheidung des Kaufens, Verkaufens oder Haltens von Eigenkapital- oder Schuldinstrumenten.203 Es dominiert die Informationsfunktion der Bilanz, sodass dem Grundsatz der umfassenden Information („fair presentation“) eine wichtigere Rolle zukommt als im HGB.204 Der Heranziehung der Bewertungsgrundsätze des IFRS ist nicht schon deshalb eine Absage zu erteilen, weil bei Sachverhalten mit nationalem Bezug allein die Normen des HGB Geltung haben könnten.205 Denn auch bezüglich der IFRS Grundsätze kommt „nur“ eine unterstützende Heranziehung infrage und nicht eine akzessorische Anwendung. Die Rechnungslegung nach IFRS ist stärker auf die zukünftige Entwicklung des Vermögens ausgerichtet als die des HGB.206 Es geht hier vor allem um die Er-
199
MüKo HGB-Ballwieser, Vor § 238 Rn. 17. Vgl. BGH, NJW 2009, 2390, 2391. 201 Standards, die bis Mai 2003 erlassen wurden, werden weiterhin als IAS bezeichnet. Nachfolgende Standards dagegen als IFRS. Im Folgenden wird IFRS als Oberbegriff für das gesamte Normenwerk verwendet. 202 Lübbig/Kühnel, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 20. 203 MüKo HGB-Ballwieser, Vor § 238 Rn. 23. 204 Lübbig/Kühnel, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 38 ff., 44. Das entspricht § 264 Abs. 2 S. 1 HGB, wonach „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ vermittelt werden soll; vgl. MüKo HGB-Ballwieser, § 243 Rn. 80; Störk/Schellhorn, in: Beck’scher Bilanz Komm, § 264 Rn. 35. 205 Vgl. Rübenstahl, in: HRRS 2012, 501, 505. 206 Vgl. Lübbig/Kühnel, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 273 ff. 200
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
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möglichung von Investitionsentscheidungen.207 Bezugspunkt der Bewertung ist die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwendung des Vermögens. Auf dessen Bestand kommt es nicht bedeutend an.208 Denn „Investitionsentscheidungen werden schließlich üblicherweise nicht auf der Basis der Tatsache getroffen, ob das Unternehmen im Liquidationsfall seine bestehenden Schulden vollständig begleichen kann, sondern welche zukünftige Ertragskraft in einem Unternehmen steckt.“209
Ein grundlegender Bewertungsmaßstab nach IFRS ist beispielsweise der beizulegende Zeitwert („fair value“) nach IFRS 13.210 Hiernach bestimmt sich der Wert eines Vermögensgegenstands danach, welcher Preis unter Marktteilnehmern bei dessen Verkauf potentiell erzielt werden würde. Diese zukunftsorientierte Zielsetzung der IFRS kann vor allem für die wirtschaftliche Bewertung von Vermögenszuflüssen herangezogen werden. Die hier im Zeitpunkt der Untreuehandlung häufig vorzunehmende Prognoseentscheidung kann sich prinzipiell gut an den Regeln der IFRS orientieren. Dabei muss allerdings auch beachtet werden, dass die vorrangige Orientierung an externen Marktteilnehmern und Investoren nicht dazu führen darf, dass das Treugebervermögen als Schutzgut des § 266 StGB und der Treugeber als Vermögensinhaber zu stark in den Hintergrund geraten. ee) Einschätzung Die Grundprinzipien der einzelnen Bilanzrechtsansätze sind nicht für alle Fälle der strafrechtlichen Vermögensbewertung vollumfänglich passend. Das ist allerdings auch nicht verwunderlich, denn diese Bewertungsgrundsätze wurden mit einer völlig anderen Ausrichtung entwickelt. Dennoch kann gerade innerhalb eines wirtschaftlichen Vermögensverständnisses aus den bilanzrechtlichen Grundsätzen ein Mehrwert gezogen werden. Diese im Wirtschaftsverkehr anerkannten und im Voraus feststehenden Bewertungsregeln erleichtern eine strafrechtliche Bewertung auf wirtschaftlicher Basis und tragen zu ihrer Vorhersehbarkeit oder zumindest Nachvollziehbarkeit bei. Für den Vermögensabfluss können durchaus die Grundsätze des HGB herangezogen werden, da sie den Status quo verlässlich darstellen können und für die Beurteilungen von Risiken anerkannte Faktoren bereitstellen. Durch die „lediglich“ bilanzorientierte strafrechtliche Wertbestimmung ist es in Fällen, in denen die HGB-Regeln nicht dem Schutzbedürfnis des Einzelfalls gerecht 207
Lübbig/Kühnel, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 41. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 139 m. w. N. 209 Lübbig/Kühnel, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 41. 210 Lübbig/Kühnel, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 165 ff., 238 ff.; siehe hierzu unten, S. 165 f. 208
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werden, möglich auf die Regelungen der IFRS zurückzugreifen. So etwa bei der Bewertung von (zukünftigen) Vermögenszuflüssen. Selbst wenn auch das Bilanzrecht letztlich auf Schätzungen zurückgreift und somit häufig kein fester und allgemeingültiger Wert ermittelt werden kann, liefert das Bilanzrecht dennoch präzisere Herangehensweisen und „Werkzeuge“, als sie bisher im Strafrecht entwickelt worden sind. Das BVerfG verweist in seiner Grundsatzentscheidung auf die bis dahin angewendeten Kriterien der strafrechtlichen Rechtsprechung. Danach habe die Rechtsprechung bis zu diesem Zeitpunkt einen Gefährdungsschaden angenommen, wenn „Geschäfte betrieben werden, die von dem Gebot kaufmännischer Sorgfalt weit abweichen, indem einer aufs Äußerste gesteigerten Verlustgefahr nur eine höchst zweifelhafte Aussicht auf einen günstigen Verlauf gegenübersteht, durch die der Beschuldigte wie beim Glücksspiel ,alles auf eine Karte setzt‘ […]“211
oder „[…] wenn der Täter ,nach Art eines Spielers bewusst und entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine aufs äußerste gesteigerte Verlustgefahr auf sich nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erlangen‘ – wobei sich eine eindeutige, allgemeine, für jeden Einzelfall gültige Bewertungsregel kaum festlegen lasse […]“.212
In diesen Fällen sei die Gegenleistungsforderung mit ihrem Nominalbetrag als Vermögensnachteil in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung eingestuft worden. Es sei dann bei der Strafzumessung schuldmindernd bewertet worden, dass es sich „nur“ um einen Gefährdungsschaden handele. Dieser Verzicht auf eine Quantifizierung sei mit praktischen Schwierigkeiten bei der Bewertung einer Gefährdung begründet worden.213 Diesen Annahmen hat das BVerfG, wie bereits ausgeführt, zu Recht eine Absage erteilt. Der Nachteil muss demnach ausdrücklich eigenständig festgestellt werden.214 Mangels einer besseren Alternative kann das Bilanzrecht hierbei durchaus hilfreich sein. Eine exakte Quantifizierung in Geld, wie sie vom BVerfG angemahnt wird, ist tatsächlich nur bei wenigen Positionen möglich. So etwa bei Bargeld oder Bankguthaben. Bei Forderungen beispielsweise wird es für die Bewertung dagegen immer auf deren Verität und Bonität ankommen.215 Daher ist in vielen Fällen der Wertbestimmung eine Prognose erforderlich.
211
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220 mit Verweis auf RGSt 61, 211, 213 und Nack, NJW 1980, 1599, 1602. 212 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220 mit Verweis auf BGH, NJW 1975, 1234, 1236. 213 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220 mit Verweis auf Nack, in: StraFo 2008, 277, 280 und Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 12. 214 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 215 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 194.
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Das Bilanzrecht bietet hierfür Erfahrungswerte, die im Wirtschaftsverkehr anerkannt sind. Es handelt sich um eine Art „abgesicherten Erfahrungspool[s]“.216 Es bietet also das „Handwerkszeug“217 dessen sich für die Bewertung einer Position bedient werden kann. Hefendehl218 führt hierfür die Kreditwürdigkeitsprognose oder die Bewertung von Krisenindikatoren an. Diese legen anerkannte Faktoren fest, die typischerweise dazu führen, dass eine Abschreibung oder Wertberichtigung vorzunehmen ist. Es können also zumindest die zugrundeliegenden Sachverhalte mit den anerkannten Methoden des Bilanzrechts erhoben werden. Die bilanzrechtlichen Erkenntnisse können bei der Konkretisierung des Wertes herangezogen werden, ohne dass die strafrechtswidrigen Vorgaben akzessorisch angewendet werden müssten. Wie Hefendehl219 zu Recht ausführt, ergeben sich drei Möglichkeiten der Anwendung des Bilanzrechts. Entweder lässt es der zu untersuchende Sachverhalt zu, dass sich Konkretisierungen unmittelbar aus dem Bilanzrecht ableiten lassen oder das Bilanzrecht dient dazu, Wertermittlungen plausibel und nachvollziehbar zu formulieren oder aber das Bilanzrecht ist für die strafrechtliche Konstellation so fernliegend, dass es vollständig außer Acht gelassen wird. Diese Vorgehensweise erfüllt auch die Anforderungen des BVerfG. Dessen Vorgaben sehen lediglich vor, dass Gefährdungsschäden in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festzustellen seien. Für diese Wertbestimmung seien anerkannte Bewertungsverfahren und -maßstäbe zu berücksichtigen.220 Das BVerfG hat sich weder auf bestimmte Bewertungsgrundsätze noch auf die Art deren Berücksichtigung festgelegt. Deshalb steht es dem Gericht frei, sich an einer für den Einzelfall passenden Wertermittlungsmethode zu orientieren.221 Dies mag keine voll zufriedenstellende und stets vorhersehbare Lösung für alle Konstellationen im Rahmen des Wirtschaftslebens sein. Da aber die möglichen auftretenden Konstellationen quasi unerschöpflich sind und die unterschiedlichen Bewertungsmethoden mit ihren variierenden Zweckrichtungen gerade für die Einschätzung dieser unterschiedlichsten Situationen geschaffen wurden, kann das Gericht sich an den passendsten Regelungen und Wertziffern orientieren. Diese muss es dann selbstverständlich korrekt, stringent und nachvollziehbar anwenden. Es ist einem Gericht auch zuzumuten und zuzutrauen, sich in die Materie des Bilanzrechtes zumindest so tief einzuarbeiten, dass eine vertretbare Anwendung der Regelungen ermöglicht wird.
216
Hefendehl, in: Samson-FS, 295, 301; vgl. ders., Vermögensgefährdung, S. 192. Becker, in: HRRS 2009, 334, 339. 218 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 195. 219 Hefendehl, in: Tiedemann/Schünemann, 185, 236. 220 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 221 So auch Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 331 m. w. N.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 194. 217
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Eine derartige Festlegung muss allerdings zwingend durch das Gericht erfolgen, da die vorhandenen Spielräume und Wahlrechte nicht durch die Sachverständigen ausgefüllt bzw. ausgeübt werden dürfen.222 Falls der Sachverhalt zu weit von den bilanzrechtlichen Grundsätzen abweicht und diese deshalb nicht herangezogen werden können, ist letztlich mit dem BVerfG auf vorsichtige Schätzungen zurückzugreifen.223 Darüber hinaus muss sich unabhängig von der „Intensität“ der Heranziehung des Bilanzrechts eine strafrechtliche Nachteilsermittlung anschließen, da es um die Feststellung eines strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals geht und das Strafrecht hier eine andere Zwecksetzung als das Bilanzrecht hat.224 Letztlich kann also wiederum nur auf den Einzelfall verwiesen werden. ff) Sonderproblem: Zweifelssatz Darüber hinaus verbleibt der Hinweis des BVerfG, dass im Zweifel freigesprochen werden müsse.225 Insoweit gilt der in dubio pro reo-Grundsatz. Dieser meint allerdings vorliegend nicht, dass immer die für den Treunehmer günstigste Bewertungsmethode angewendet werden müsste.226 Dies wäre zum einen nicht praktikabel, denn der eingesetzte Sachverständige müsste dann nach allen bekannten Methoden eine Bewertung vornehmen und deren Ergebnisse vergleichen.227 Zum anderen würde wohl der Verteidiger unter Ausnutzung der möglichen Wahlrechte und Bewertungsspielräume innerhalb der verschiedenen Bewertungsmethoden in den meisten Fällen ein Gutachten beibringen können, das einen für den Täter günstigeren Wert ausweist.228 Dies wäre darüber hinaus ein unzutreffendes Verständnis des Zweifelssatzes. Denn dieser sagt nicht, dass immer die günstigste Variante für den Täter angenommen werden muss. Der Richter soll sich vielmehr im Rahmen der freien Beweiswürdigung seine Überzeugung bilden. Hierbei begrenzt der Zweifelssatz die Wertung von Indizien oder Beweisen genauso wenig wie die Wahl der Bewertungsmethode.229 Erst wenn hiernach Zweifel beim Gericht verbleiben, gilt der Zweifelssatz.230 Der Richter kann und muss daher, wie ausgeführt, im Voraus eine nach seiner Überzeugung geeignete Bewertungsmethode auswählen.
222
Vgl. hierzu oben, S. 147 ff. und Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5. Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220; so auch LK-Tiedemann, § 263 Rn. 172a. 224 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 137. 225 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 226 So aber wohl BGH, wistra 2003, 457, 459 zur Unternehmensbewertung. 227 Vgl. Becker, in: JR 2012, 82, 84 (Fn. 33); Florstedt, in: wistra 2007, 441, 442. 228 Becker, in: JR 2012, 82, 84 (Fn. 33). 229 Florstedt, in: wistra, 2007, 441, 443. 230 Florstedt, in: wistra, 2007, 441, 443; vgl. Ott, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 261, Rn. 63. 223
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gg) Fazit Nach den obigen Ausführungen bleibt festzuhalten, dass das Bilanzrecht nicht die Klarheit verspricht, die das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung suggeriert. Ein bilanzrechtlicher Vermögensbegriff, nach dem eine bestimmte Berechnungsmethode aus einem bestimmten Rechnungslegungsgrundsatz akzessorisch auf die strafrechtliche Vermögensbestimmung angewendet werden kann, ist nicht vertretbar. Vielmehr kann das Bilanzrecht in bestimmten Fallkonstellationen unterstützend herangezogen werden, um die Veränderungen im Treugebervermögen auf wirtschaftlich tragbare und nachvollziehbare Weise festzustellen. Das Bilanzrecht bietet hierfür bis jetzt das verlässlichste Werkzeug. Dabei kann sich die strafrechtliche Wertbestimmung allerdings nicht vollständig auf das Bilanzrecht „zurückziehen“. Vor allem in Konstellationen, in denen Wertungswidersprüche zwischen Bilanz- und Strafrecht bestehen, aber auch in den übrigen Fällen hat sich schlussendlich eine strafrechtliche Wertbestimmung anzuschließen. d) Konkrete strafrechtliche Wertbestimmung der zugeflossenen Position231 Da das Bilanzrecht nach dem hier vertretenen Ansatz grundsätzlich ein Werkzeug zur Wertbestimmung liefert, aber nicht für alle Konstellationen eine abschließende Lösung bietet, soll nun untersucht werden, welche Grundsätze für die Bewertung der im Rahmen des Vermögenszuflusses zu berücksichtigenden Positionen (allgemeine Positionen und Exspektanzen) konkret angewendet werden können. Es soll dabei versucht werden, auch Bewertungs- oder zumindest Überprüfungsgrundsätze für diejenigen Konstellationen aufzustellen, die vom Bilanzrecht nicht erfasst werden können. Ziel ist es, einen möglichst allgemeingültigen, abstrakten Maßstab für die wirtschaftliche Bewertung der zugeflossenen Positionen innerhalb des § 266 StGB zu finden. aa) Zufluss allgemeiner Positionen232 Zunächst sollen die Grundsätze für die Bewertung von zugeflossenen allgemeinen Positionen ermittelt werden. In dieser Konstellation kam es bereits zu einem Austausch von Vermögensgegenständen und es muss geprüft werden, ob der Wert der erlangten Position den Vermögensabfluss ausgleichen kann. Wenn die auf Seiten des Treugebers erlangte Position eine andere als Geld ist, muss sie daher in Geld umgerechnet werden, um eine Gesamtsaldierung zu ermöglichen.233 Durch die Gesamtsaldierung kann dann 231 232 233
Siehe hierzu auch ausführlich Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 140 ff. Siehe hierzu oben, S. 135. Vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 106.
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ermittelt werden, ob sich der Wert des Vermögens durch die Untreuehandlung verändert hat.234 Diese Umrechnung in Geld kann, wie dargelegt, entweder durch Heranziehung des Bilanzrechts geschehen oder aber durch eine Art strafrechtliche Sonderbewertung, falls das Bilanzrecht für die konkrete Konstellation (also den erlangten Vermögensgegenstand) keine „Umrechnungsregel“ zur Verfügung stellt. Im Folgenden sollen einige Bewertungsgrundsätze bzw. Wertziffern auf ihre Eignung für die konkrete Wertbestimmung (bzw. Umrechnung) allgemeiner Positionen untersucht werden. (1) „Marktwert“ eines Vermögensgegenstands Nach der sogenannten Geldwerttheorie235 ist der zu ermittelnde Verrechnungswert der Geldwert einer Position. Im Strafrecht soll der Geldwert einer Vermögensposition grundsätzlich objektiv nach ihrem Verkehrs- bzw. Marktwert bestimmt werden.236 (a) Grundsatz Der relevante Markt- oder Verkehrswert ergibt sich aus dem Preis, der nach den „[…] konkreten zeitlichen und örtlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Spezialmärkten und der jeweiligen Handelsstufe [Groß- oder Einzelhandel] üblicherweise bezahlt wird. Er bestimmt sich nach Angebot und Nachfrage und stellt sich als nachhaltig erzielbarer Wettbewerbspreis dar.“237
Diese Verrechnung in Geld setzt daher voraus, dass für die zu bewertende Position ein funktionierender Markt existiert. Darüber hinaus muss festgelegt werden, welcher der konkret relevante Markt sein soll.238 Denn der Wert eines Wirtschaftsguts und der in dem konkreten Fall erzielbare Preis schwanken nach Zeit, Ort, Art, Inhalt und Gegenstand des relevanten Geschäfts sowie der jeweiligen Handelsstufe (Großoder Einzelhandel).239 Derselbe Vermögensgegenstand kann im Wirtschaftsverkehr in verschiedenen Konstellationen einen unterschiedlichen Wert haben.240 Daher ist 234
Vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 106. Vgl. MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 534; vgl. NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 251; vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 117. 236 Vgl. BGH, NJW 1961, 1876, 1877; vgl. BGH, NStZ 2016, 286, 288; vgl. BGH, NJW 2016, 3543, 3544; Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 116 ff. m. w. N.; vgl. MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 542 m. w. N.; vgl. Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 109 m. w. N.; vgl. NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 251; vgl. Becker, in: HRRS 2012, 237, 240 ff. 237 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 116 f. m. w. N.; vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 117 m. w. N. 238 Vgl. NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 252. 239 BGH, NStZ 1993, 40, 41. 240 BGH, NStZ 1993, 40, 41. 235
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der relevante Markt differenziert nach den konkreten örtlichen und zeitlichen Umständen zu bestimmen.241 Waßmer führt hierfür als Beispiel an, dass der Wert von Trinkwasser schwanke, je nachdem, ob es sich um eine wasserreiche oder -arme Region handele und ob der relevante Bewertungszeitpunkt in eine regenreiche oder -arme Jahreszeit falle.242 Bei der Festlegung des Marktwertes des konkreten Vermögenszuflusses sind innerhalb des § 266 StGB daher die konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten des Treugebervermögens zu beachten in denen das erlangte Gut genutzt werden soll (Zeitpunkt, Ort, politische Lage).243 Dies wird als objektiv-individueller Maßstab der Wertbemessung bezeichnet, was nicht bedeutet, dass es auf das subjektive Schadensgefühl des Betroffenen ankomme, sondern dass es auf den objektiven erzielbaren Wert auf dem subjektiv für den Treugeber zugänglichen Markt ankommt.244 Entscheidend ist, mit Blick auf die Unmittelbarkeit und den Grundsatz der strengen Einzelbetrachtung, der Marktwert im Moment der Untreuehandlung.245 Nach diesen Ausführungen stellt die Heranziehung des objektiv zugeordneten Marktwerts grundsätzlich eine verlässliche Bewertungs- und Verrechnungsmethode dar. Allerdings hilft diese Wertziffer nur weiter, wenn das erlangte Gut im Wirtschaftsverkehr auch tatsächlich gehandelt wird und für dieses Gut überhaupt ein relevanter Markt existiert. Wobei die Existenz eines Marktes allein auch nicht ausreichend ist, um davon auszugehen, dass es sich bei dem Marktwert um den objektiven Wert der konkreten Position handelt. Denn auch der Marktwert ist letztlich davon abhängig, wer mit der relevanten Position Handel betreibt.246 Objektiviert wird dieser Marktwert erst dann, wenn es sich bei dem Handel nicht um einen Einzelfall handelt, sondern wenn „die subjektiven Wertschätzungen in der Masse anonymisiert und letztlich auf einen ,quasi objektiven‘ Wert zur Übereinstimmung gebracht werden“.247 Es reicht also nicht aus, dass überhaupt ein Markt besteht. Der Markt muss auch noch eine gewisse „Markttiefe und Breite“248 haben, damit der hier herrschende Marktwert ein intersubjektiv nachvollziehbarer Preis und eine gute Annäherung an 241 Vgl. MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 535 m. w. N.; vgl. hierzu Engelkamp/Sell/Sauer, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, S. 118; vgl. Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 649 ff.; vgl. NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 252. 242 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 117. 243 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 142; vgl. Lackner/Kühl-Kühl, § 263 Rn. 37 ff. 244 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 142, sowie Lackner/Kühl-Kühl, § 263 Rn. 37 ff., 48 ff., wobei hier die individuelle Komponente als individueller/persönlicher Schadenseinschlag verstanden wird. Dem wird vorliegend nicht gefolgt, siehe hierzu weiter unten, S. 208 ff.; vgl. auch sogleich unter S. 164 ff. 245 Vgl. hierzu (krit.) Becker, in: HRRS 2012, 237, 240 ff. 246 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 117 f. 247 Satzger, Der Submissionsbetrug, S. 84; so auch Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 118. 248 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 118.
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den objektiven Wert darstellt.249 Hoof250 führt hierzu das Beispiel eines pflichtwidrigen Kfz-Kaufs an. Hier könne der Verkehrswert problemlos anhand der SchwackeListe bemessen werden. Für derartige Positionen bietet der Markt- oder Verkehrswert dem Gericht ein brauchbares Werkzeug, um den wirtschaftlichen Wert zu bestimmen und somit eine eventuelle Wertdifferenz zu dem eingesetzten Treugebervermögen zu beziffern. Für Positionen deren Handel sich dagegen als Einzelfall darstellt und für Positionen, die gar nicht erst auf einem Markt handelbar sind, wie beispielsweise Gewinnchancen,251 hilft diese Wertziffer allerdings nicht weiter, sodass hier eine andere Herangehensweise gefunden werden muss.252 (b) Bewertungsperspektive Wie bereits ausgeführt, bildet das Rechtsgut des Vermögens keine abstrakte, für alle potentiellen Inhaber gleichwertige, Größe. Vielmehr ergibt sich der Vermögenswert immer erst aus der Zuordnung des Gegenstands zu dessen konkretem (potentiellen) Inhaber.253 Wie bereits kurz erläutert, hängt auch der objektive Marktwert einer Position von den konkreten tatsächlichen Umständen ab und somit von dem konkret existierenden und zugänglichen Markt. Die Bewertungsperspektive ist in diesem Sinne objektiv-individuell.254 Wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde, meint dies allerdings nicht, dass der Marktwert einer Position für einen bestimmten Treugeber von dessen subjektivindividueller Zwecksetzung255 oder gar von dessen konkreter Widmung des Vermögens abhinge.256 Vielmehr ist nach dem objektiv-individuellen Maßstab objektiv zu bestimmen, in welches tatsächliche Umfeld das individuelle Treugebervermögen eingebettet ist und wie es in diesem tatsächlichen Umfeld typischerweise bewertet wird.257 Denn der
249 250
1, 4. 251
Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 118. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 142 mit Verweis auf Bittmann, in: wistra 2013,
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 143, siehe hierzu weiter unten, S. 171 ff. Vgl. hierzu Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 118 f. 253 Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 650. 254 Hierzu ausführlich Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 147 ff.; vgl. Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 108; vgl. Lackner/Kühl-Kühl, § 263 Rn. 37 ff.; für die Untreue (im Gegensatz zum Eingehungsbetrug) auch BGH, NJW 2013, 1460, 1461 (Rn. 20). 255 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 149 m. w. N. 256 So i. E. Velten, in: NJW 2000, 2852, 2855; zur Figur des indiviuellen Schadenseinschlags vgl. unten, S. 208 ff. 257 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 149; vgl. NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 252; vgl. MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 535 m. w. N.; vgl. Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 649 ff. 252
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Verkehrswert eines Gegenstands hängt davon ab, welchen objektiven Wert die Teilnehmer des betroffenen Marktes der konkreten Position beimessen würden.258 (2) IFRS 13: Bemessung des beizulegenden Zeitwerts Eine besondere Art des Marktwertes definieren die IFRS mit dem oben bereits angeführten beizulegenden Zeitwert nach IFRS 13.259 Da die Bewertungsgrundsätze der IFRS grundsätzlich zukunftsorientierter sind als die des HGB, ist zu untersuchen, ob über die Präzisierung dieser Wertziffer auch Gewinnchancen dargestellt und bewertet werden könnten. Gemäß der Definition in IFRS 13.9 ist allerdings der beizulegende Zeitwert als der Preis definiert, der in einem geordneten Geschäftsvorfall zwischen Marktteilnehmern am Bemessungsstichtag für den Verkauf eines Vermögenswerts eingenommen bzw. für die Übertragung einer Schuld gezahlt würde. Es ist nach IFRS 13.15 für die Bemessung des beizulegenden Zeitwerts davon auszugehen, dass ein Austausch des jeweiligen Vermögenswertes bzw. der Schuld zwischen Marktteilnehmern unter aktuellen Marktbedingungen am Bemessungsstichtag (hier wäre das wiederum die Untreuehandlung) im Rahmen eines geordneten Geschäftsvorfalls mit dem Ziel stattfinde, den Vermögenswert zu verkaufen oder die Schuld zu übertragen. Für die vorliegende Betrachtung hilft IFRS 13 daher zunächst nicht weiter. Auch für die Feststellung des beizulegenden Zeitwertes einer Position muss ein Markt260 existieren, auf dem diese Position handelbar wäre. Diese Wertberechnung bietet daher gegenüber dem oben dargelegten Verständnis des Marktwertes keinen wesentlichen Mehrwert. (3) Illegale Positionen – „Schwarzmarktwert“ Problematisch könnte die Bewertung von illegalen Positionen sein. Dass und unter welchen Voraussetzungen rechtlich missbilligt erlangte Positionen einen wirtschaftlichen Wert haben und zur Kompensation eines Vermögensabflusses herangezogen werden können, wurde bereits oben ausführlich erläutert.261 Aus der rechtlichen Missbilligung kann sich allerdings durchaus ein Minderwert, oder sogar eine „Reduzierung auf Null“ ergeben.262 Es muss in diesem Zusammenhang zwischen der illegalen Erlangung einer legal nutzbaren Gegenleistung und der Illegalität der Gegenleistung an sich unterschieden werden. Unter Heranziehung 258
Vgl. hierzu bereits oben, S. 162 ff. Vgl. hierzu oben, S. 156 ff. 260 Nach IFRS 13.16 kommt es auf den Hauptmarkt oder bei Fehlen eines solchen, auf den vorteilhaftesten Markt für die konkret zu bewertende Position an. 261 Vgl. oben, S. 80 ff. 262 Siehe hierzu detailliert oben, S. 89 ff. und S. 91 f. 259
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des hier vertretenen Vermögensverständnisses kann eine zwar grundsätzlich werthaltige illegale Position, die vom Treugeber allerdings nicht legal genutzt werden kann, ihren wirtschaftlichen Wert nicht entfalten, sodass ihr objektiv individuell überhaupt kein kompensierender wirtschaftlicher Wert zukommt.263 Dies wäre nach den obigen Ausführungen beispielsweise bei der pflichtwidrigen Investition von Treugebervermögen in Drogen oder Waffen anzunehmen. Diese Positionen kann der Treugeber in keiner Weise legal einsetzen, sodass ihre Erlangung keinen kompensierenden wirtschaftlichen Wert für ihn haben wird. Auf einen eventuell bestehenden Marktwert kommt es in diesen Fällen folglich gar nicht an, da die erlangte Gegenleistung überhaupt nicht berücksichtigt werden kann. Illegal erlangte und vom Treugeber dennoch legal nutzbare Gegenleistungen werden daher vor allem illegal erlangte Alltagsgüter sein, deren Handel beispielsweise durch Mengen- oder Preisbegrenzungen staatlich reguliert ist. Auch verbotene Dienstleistungen können hierunter fallen, wenn das erlangte Erzeugnis legal nutzbar ist. Der „Kauf“ der weiteren Bundesligazugehörigkeit würde ebenfalls hierunter fallen264 (wobei hierbei zunächst auch „nur“ eine Exspektanz erlangt wurde265). Gleiches gilt für Verkaufserlöse aus strafbaren Embargoverstößen (§ 34 Abs. 4 AWG a. F.).266 Wenn diese illegal erlangten Positionen also grundsätzlich berücksichtigt werden können, ist vorliegend noch zu klären, wie der konkrete Wert einer solchen illegalen Position durch das Gericht zu bestimmen ist. Das Bilanzrecht selbst bietet keine direkten Grundsätze zur Bewertung eines illegal erlangten Vermögensvorteils. Denn das Bilanzrecht ist der „gemeinsame[r] Nenner des Wirtschaftsverkehrs“267 und das Recht gibt diesem Wirtschaftsverkehr Schranken vor.268 Da aber vorliegend kein bilanzrechtsakzessorischer, sondern ein rein wirtschaftlicher Vermögensbegriff vertreten wird, der sich am Bilanzrecht lediglich orientiert, können werthaltige illegale Positionen nicht außen vor bleiben. Für deren Bewertung kann der Marktwert auf einem Schwarzmarkt herangezogen werden. Denn der Marktpreis für eine Position bildet sich, entsprechend der oben dargelegten Grundsätze, beim Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage und
263 Vgl. oben und Ransiek, in: StV 2009, 321, 323; Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 907; vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 124; vgl. Lüderssen, in: Müller-Dietz-FS, 467, 470 ff. 264 Vgl. Ransiek, in: StV 2009, 321, 324. 265 Siehe hierzu unten, S. 177 ff. 266 Vgl. Hellmann, in: ZiS 2007, 433, 434 mit Verweis auf BGH, NJW 2002, 3339 ff. 267 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 144. 268 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 169 f.; vgl. Leffson, GoB, S. 37; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 144.
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zwar unabhängig von der Billigung durch die Rechtsordnung.269 Auch auf einem Schwarzmarkt existieren daher Marktpreise. Es gilt allerdings auch hier, dass für die Heranziehung eines Schwarzmarktwertes ein solcher überhaupt bestehen muss. Für die konkret zu bewertende illegale Position muss daher ein entsprechend den oben ausgeführten Grundsätzen „breiter Schwarzmarkt“ bestehen. Es darf sich nicht um eine Einzelposition handeln, für die es auch auf dem Schwarzmarkt keinen objektivierbaren Preis gäbe. Darüber hinaus muss die konkrete Position auf dem Schwarzmarkt überhaupt handelbar sein, womit illegale Gewinnchancen ausscheiden. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist davon auszugehen, dass die für illegale Positionen geltenden Besonderheiten bereits durch die Marktteilnehmer mit einberechnet wurden.270 So etwa die fehlende rechtliche Durchsetzbarkeit, fehlende Mängelrechte oder eine Entdeckungs- und Sanktionsgefahr.271 Hierfür dürfte daher ein geringerer Schwarzmarktwert zu erwarten sein. Andererseits könnte die Illegalität auch preissteigernd wirken, wenn sie gerade der bestimmende Wertfaktor der Position ist.272 Aufgrund der objektiv-individuellen Wertbestimmung kommt es in den Fällen, in denen die erlangte Position für den Treugeber grundsätzlich nutzbar ist, darüber hinaus nicht darauf an, ob der Treugeber eine Betätigung auf dem Schwarzmarkt allgemein ablehnt (dies ist eine Frage der Pflichtwidrigkeit). Entscheidend ist nur, ob für das Treugebervermögen tatsächlich ein zugänglicher Schwarzmarkt existiert. Dies dürfte mittlerweile grundsätzlich der Fall sein.273 Für Positionen, die regelmäßig auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden und für die daher ein objektiver Schwarzmarktwert besteht, kann dieser eine Orientierung für die gerichtliche Bewertung liefern. Gerade in den vorliegend untersuchten Fällen, in denen Vermögenszuflüsse illegal erlangt wurden, hat es sich allerdings hauptsächlich um zukünftige Exspektanzen und/oder um Einzelfälle gehandelt (Erhalt der Bundesligazugehörigkeit274, Sympathie des Betriebsrates mit der Arbeitgeberseite275), für die ein Schwarzmarkt nicht bestanden hat und für deren Bewertung auch diese „Wertziffer“ daher nicht weiterhelfen kann. 269
Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 122; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 144. 270 Siehe hierzu oben, S. 92 f. 271 So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 144; Ransiek, in: StV 2009, 323, 324; vgl. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 904 f. 272 So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 144 f.; Hellmann, in: ZiS 2007, 433, 434. 273 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 145. 274 BGH, NJW 1975, 1234 ff. 275 BGH, NJW 2011, 88 ff.
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(4) Singuläre Ereignisse276 Es ist daher zu untersuchen, wie ein solches „singuläres Ereignis“277 zu bewerten ist, für das kein Markt und somit auch kein anerkannter Marktpreis bekannt ist. Waßmer bezieht sich beispielhaft auf die Konstellation in der Bundesliga-Entscheidung278 und will zur Bewertung eines solchen Einzelfalls ähnliche Kriterien wie bei der Ermittlung des Marktwertes annehmen. Ein Gut sei gerade den Preis wert, auf den sich Anbieter und Nachfrager in Kenntnis aller Umstände einigten. Bei einem singulären Ereignis existiere letztlich nur dieser eine Anbieter und dieser eine Nachfrager.279 Der Marktpreis für die Manipulation des Bundesligaspiels280 sei daher genau der Preis, auf den sich der Vorsitzende von Arminia Bielefeld und die Spieler des Hertha BSC Berlin geeinigt hätten (250.000 DM).281 Diese Art der Bewertung entspricht der sogenannten intersubjektiven (interpersonalen) Wertsetzung282, die zur Beurteilung des Betrugsschadens herangezogen wird. Wenn innerhalb eines Austauschverhältnisses für die angebotene Leistung nur ein einziger Nachfrager vorhanden ist, führt dies nach der intersubjektiven Wertsetzung nicht dazu, dass ein Marktpreis der Leistung nicht festgestellt werden könnte. Der wirtschaftliche Wert der (Gegen-)Leistung bestimmt sich hiernach vielmehr nach dem von den Vertragsparteien vereinbarten Preis unter Berücksichtigung der für die Parteien maßgeblich preisbildenden Faktoren und Bewertungsmaßstäbe.283 Waßmer betont, dass diese Art der Wertbestimmung innerhalb des Untreuetatbestands noch unproblematischer sei als beim Betrug, da das Opfer hier typischerweise nicht über den tatsächlichen Wert der Gegenleistung getäuscht werde.284 Gegen die Verwendung des Begriffs eines Marktwertes für Einzelpositionen wendet sich allerdings Lösing. Denn für einen Marktwert sei ein Mindestmaß an Auswahlmöglichkeiten und die Funktionstüchtigkeit des betreffenden Marktes erforderlich.285 Er kritisiert, dass nach dem von Waßmer vertretenen Verständnis 276
Nach Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 122. Nach Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 122. 278 BGH, NJW 1975, 1234 ff. Wobei es sich hierbei nicht um die Erlangung einer allgemeinen Position, sondern um eine Gewinnchance gehandelt hat. Die von Waßmer erläuterten Grundsätze lassen sich allerdings auf allgemeine Positionen übertragen. 279 So zur Konstellation Siemens/Enel auch Ransiek, in: StV 2009, 323, 324. 280 Waßmer geht davon aus, dass durch die Bestechungszahlung nicht die Exspektanz auf den Erhalt der Bundesligazugehörigkeit, sondern allein die Aussicht auf das regelwidrige Spielen durch die gegnerischen Spieler erlangt wurde. 281 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 121 f. 282 BGH, NJW 2013, 1460, 1461; vgl. hierzu ausführlich und m. w. N. MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 543 ff. 283 BGH, NStZ 2010, 700, 700; BGH, NStZ 2016, 286, 288. 284 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 122. 285 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 119. 277
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Zahlungen in jeglicher Höhe gerechtfertigt seien und eine Untreue in solchen Fällen unter keinen Umständen, auch nicht bei Zahlung exorbitanter Summen, vorliege.286 Hier zeige sich ein Unterschied zwischen dem Betrugs- und dem Untreuetatbestand. Würde man die intersubjektive Wertsetzung bei der Untreue heranziehen, so werde „Die Vorstellung zweier, noch dazu unredlicher Geschäftspartner […] zum Maßstab einer angemessenen Bewertung.“287 Dem ist zuzustimmen. Die Übertragung der intersubjektiven Wertsetzung auf den Vermögensnachteil in der Untreue würde das Schutzbedürfnis des Treugebers als Vermögensinhaber vollständig ignorieren. Denn, wie von Lösing zutreffend beschrieben, handelt innerhalb der Untreuekonstellation nicht der Vermögensinhaber selbst. Vielmehr wird der Preis der (Gegen-)Leistung hier zwischen einem, seine Befugnisse überschreitenden, pflichtwidrig handelnden Treunehmer und dem Vertragspartner ausgehandelt, ohne dass der Treugeber hierauf Einfluss nehmen könnte. Es darf aber nicht dem Treunehmer, als Normunterworfenen selbst, überlassen werden, den Wert einer Vermögensposition des Treugebers festzusetzen. Die konkrete Preisabsprache zwischen dem Treunehmer und dem Vertragspartner kann daher nicht (vorrangig) zur Bestimmung des strafrechtlichen Vermögenswertes der (Gegen-)Leistung herangezogen werden.288 Damit wird allerding die exakte Bewertung einer ansonsten nicht im Wirtschaftsverkehr gehandelten Position deutlich erschwert. Es könnte zwar prinzipiell ein Vergleich zu ähnlichen (auf einem Markt gehandelten) Positionen gezogen werden.289 Auch dies dürfte bei den hier betrachteten Einzelpositionen allerdings nicht weiterhelfen. Mit welcher Position sollte die Manipulation eines Bundesligaspiels am letzten Saison-Spieltag verglichen werden? Oder die Schaffung eines der Arbeitgeber-Seite zugeneigten Betriebsrates? Ein Wert muss hier letztlich in Ermangelung von verlässlich feststehenden Wertziffern geschätzt werden.290 In diesen Fällen scheint es deshalb vertretbar und auch mit dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit vereinbar, wenn der vom Treunehmer ausgehandelte Preis als Anhaltspunkt herangezogen und einer Evidenzkontrolle291
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Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 119. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 119, der sich in diesem Zusammenhang ebenfalls zur Konstellation der Bundesliga-Entscheidung äußert und deshalb von unredlichen Geschäftspartnern ausgeht. 288 So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 147; Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 119. 289 Vgl. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 121 f. mit Verweis auf BGH, NJW 1987, 2282, 2283 f. 290 Vgl. Florstedt, in: wistra 2007, 441, 444, 448; Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 121, 126 f. 291 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 147; vgl. Becker, in: HRRS 2009, 334, 339. 287
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unterzogen wird. Diese Korrektur wird von der Rechtsprechung auch innerhalb der intersubjektiven Wertsetzung beim Betrugstatbestand angewendet.292 Im Rahmen dieser sogenannten Evidenzkontrolle muss vom Gericht untersucht werden, ob zwischen dem ausgehandelten Preis und der erhaltenen Gegenleistung ein augenfälliges Missverhältnis293 erkennbar ist. Nur wenn der vereinbarte Preis offensichtlich nicht den Wert der Gegenleistung widerspiegelt, muss eine Kompensation durch die Gegenleistung verneint werden. Denn wenn eine erlangte Gegenleistung offensichtlich einen wirtschaftlichen Wert hat und deshalb zur Kompensation des Vermögensabflusses geeignet ist, würde es dem in dubio pro reoGrundsatz und auch der Grundsatzentscheidung des BVerfG zuwiderlaufen, wenn diese vermögenswerte Position nur deshalb nicht berücksichtigt würde, weil ein exakter Wert aufgrund eines fehlenden Vergleichsmarktes nicht beziffert werden könnte. Dies dürfte nicht die Intention des BVerfG gewesen sein. Nach der Grundsatzentscheidung sollten die Gerichte alle zur Verfügung stehenden Mittel heranziehen, um den Wert der Vermögensgefährdung zu beziffern.294 Dies sollte allerdings geschehen, um eine Strafbarkeitsausdehnung (durch die vorschnelle Annahme eines Gefährdungsschadens) zu verhindern. Wenn diese zur Verfügung stehenden Maßstäbe und Wertziffern allerdings eine exakte Bezifferung unmöglich machen, können auch nach dem BVerfG Schätzungen herangezogen oder im Zweifel freigesprochen werden.295 Dies bedeutet für zufließende singuläre allgemeine Positionen, dass grundsätzlich vom verhandelten Preis ausgegangen werden kann, wenn nach eingehender richterlicher Untersuchung nicht ersichtlich ist, dass ein Missverhältnis vorliegt. Denn in diesen Fällen ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass der verhandelte Preis der objektive Wert und deshalb nicht zu mindern ist. Dies kann allerdings nur unter zwei Voraussetzungen gelten. Zum einen, kann der ausgehandelte Preis nur herangezogen werden, wenn es sich um einen „loyalen“ Treunehmer handelt, der im Interesse des Treugebers agiert.296 Zum anderen muss die auf dem vereinbarten Preis basierende Bewertung des Gerichts nachvollziehbar dargelegt werden. Gerade bei ansonsten nicht gehandelten Positionen, muss der Schwerpunkt der Wertbestimmung in der „Deskription“297 liegen. Die Faktoren, die bei der Preisab292 BGH, NJW 2013, 1460, 1461; BGH, NStZ-RR 2015, 374; krit. MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 569 ff. 293 So unter Anwendung der intersubjektiven Wertsetzung innerhalb des Betrugstatbestands auch BGH, NJW 2013, 1460, 1461; BGH, NStZ-RR 2015, 374; vgl. auch Becker, in: HRRS 2009, 334, 339 f. 294 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220; Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5 f. 295 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 296 Siehe zum loyalen Treunehmer und dessen Absichten oben, S. 128 ff. und weiter unten, S. 198 ff. 297 Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5; so auch Becker, in: JR 2012, 82, 85.
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sprache ex ante von Bedeutung gewesen sind, müssen vom Gericht ermittelt und nachvollziehbar dargestellt werden.298 Der in dubio pro reo-Grundsatz darf, wie bereits dargelegt wurde, erst angewendet werden, wenn das Gericht seine freie richterliche Beweiswürdigung entsprechend § 261 StPO ausgeschöpft und die vorhandenen Indizien eingehend und nachvollziehbar gewürdigt hat. Insofern ist der in dubio pro reo-Grundsatz durch die freie richterliche Beweiswürdigung begrenzt.299 Auch zu dieser Beurteilung können Sachverständige herangezogen werden, welche die preisbestimmenden Faktoren zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung darstellen können. Auf dieser Grundlage kann dann das Gericht entscheiden, ob der vereinbarte Preis offensichtlich außer Verhältnis zur erlangten Gegenleistung steht und ansonsten diesen vollen Preis als objektiven Wert annehmen. Die Schlussfolgerung des evidenten Missverhältnisses muss dabei durch das Gericht selbst und nicht bereits durch einen Sachverständigen gezogen werden. Denn was für einen Experten wie den Sachverständigen bereits als evident erscheint, kann von der Einschätzung des Strafrichters erheblich abweichen.300 (5) Zwischenfazit Für die (Geld-)Wertbestimmung bereits zugeflossener allgemeiner Positionen kann also grundsätzlich auf deren Marktwert und bei illegaler Erlangung sogar auf deren Schwarzmarktwert zurückgegriffen werden. Dies kann allerdings nur gelten, wenn ein solcher Markt besteht. Bei singulären Positionen kann der Wert dagegen letztlich vom Gericht nur nachvollziehbar geschätzt werden. Hierfür kann sich das Gericht an dem ausgehandelten Preis orientieren und diesen detailliert und nachvollziehbar auf seine Plausibilität untersuchen. Bei fehlenden Anzeichen für ein offensichtliches Missverhältnis von vereinbartem Preis und Wert der Gegenleistung muss in dubio pro reo davon ausgegangen werden, dass der Wert dem vereinbarten Preis entspricht. bb) Zufluss von Forderungen und Exspektanzen Bei der Bewertung von zufließenden Gewinnchancen, die sich – anders als die hier im Voraus behandelten allgemeinen Positionen – noch nicht verwirklicht haben, besteht ein weiterer Unsicherheitsfaktor. Es kommt hier nicht zu einem direkten Austausch von Vermögenswerten. Der Treugeber erhält vielmehr nur die Aussicht auf einen Vermögenszufluss. Hier kommt zu der Schwierigkeit der Bestimmung eines objektiven Wertes hinzu, dass nicht einmal klar ist, ob sich die Chance tatsächlich jemals verwirklichen und die Position dem Vermögen des Treugebers tatsächlich zufließen wird. 298 299 300
Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5. So i. E. auch Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 126 f. So auch Becker, in: HRRS 2009, 334, 339.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Unter Anwendung des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs kommen vorliegend zwei verschiedene Arten der werthaltigen Gewinnaussicht in Betracht. Zum einen die Erlangung einer zivilrechtlichen Forderung gegen den Geschäftspartner. Der Treugeber erlangt einen Gegenleistungsanspruch. Dieser Anspruch ist letztlich auch „nur“ eine Gewinnaussicht. Diese ist allerdings rechtlich durch das Zivilrecht abgesichert und gerichtlich durchsetzbar.301 Zum anderen kann der Treugeber eine sogenannte „faktische Exspektanz“302 erlangen. Hierbei handelt es sich um eine Aussicht, die zumindest rechtlich (noch) nicht gesichert und deshalb gerichtlich auch nicht durchsetzbar ist. Hierunter fallen (unter anderem) rechtlich missbilligt erlangte Gegenleistungsansprüche. Diese beiden Arten der Aussicht auf Vermögenszufluss könnten unterschiedlich zu bewerten sein und werden im Folgenden daher getrennt untersucht. (1) Rechtlich abgesicherte Exspektanz Unter die rechtlich abgesicherten Exspektanzen fallen Forderungen, die der Treunehmer für den Treugeber erwirbt. Hierbei kann es sich um Forderungen auf Geldzahlung handeln (zum Beispiel ein Kaufpreisanspruch für eine pflichtwidrig ausgehändigte Kaufsache, oder ein Darlehensrückzahlungs- und Zinsanspruch für die pflichtwidrige Auszahlung eines Kredits) oder aber um eine Forderung auf Leistung einer sonstigen Vermögensposition (Lieferung einer Kaufsache, Dienstleistung). Zur Wertberechnung letzterer müssen die in Aussicht gestellten „sonstigen Vermögenspositionen“ als Bezugsobjekte zunächst selbst in Geld verrechnet werden, bevor der Wert der Aussicht auf diesen Gegenstand bestimmt werden kann.303 Für die Umrechnung des Wertes einer allgemeinen Position in Geld kann auf die oben ausgeführten Grundsätze verwiesen werden.304 Vorliegend sollen allein die Besonderheiten der Wertberechnung einer Forderung untersucht werden. Da es aber innerhalb der Nachteilsberechnung durch die Gesamtsaldierung allein auf den Wert des Gesamtvermögens ankommt und in diesem Zuge alle Vermögensgüter auf Rechnungsposten reduziert werden,305 gelten die folgenden Ausführungen für sämtliche Arten von rechtlich gesicherten Forderungen (gleichgültig ob Geldforderung oder Forderung nach einem sonstigen Gegenstand, die in einem Zwischenschritt zunächst
301
Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 157. Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 169 ff., der von einer „faktischen Beherrschbarkeit“ ausgeht. 303 Vgl. hierzu oben, S. 162 ff. und Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 157. 304 Zu der Verrechnung einer sonstigen Position in Geld siehe die Ausführungen oben, S. 162 ff. 305 Albrecht, in: NStZ 2014, 17, 20 m. w. N. 302
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in Geld umgerechnet werden muss) und unabhängig vom Inhaber der Forderung (beim Kaufvertrag zum Beispiel Käufer oder Verkäufer).306 Die Bewertung einer solchen Forderung ist, wie bereits angesprochen, noch unsicherer und einzelfallorientierter, als die Bewertung von tatsächlich ausgetauschten Vermögensgegenständen, da immer die Unsicherheit besteht, ob die Forderung (vollständig) erfüllt werden wird. (a) Nennwert der Forderung Der Wert einer Geldforderung (bzw. einer Forderung nach einem in Geldwert verrechneten sonstigen Vermögensgegenstand) könnte „schlicht“ dem Nominalwert der betreffenden Geldforderung entsprechen. Dann wäre die Forderung auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 100.000 Euro stets und ungeachtet der konkreten Umstände des Darlehensvertragsverhältnisses oder der Vertragsparteien genau diesen Betrag wert: 100.000 Euro. Von Teilen der Literatur307 wird hierfür vorgebracht, dass dies der Zivilrechtslage entspreche. Im Verhältnis zwischen Gläubiger (Treugeber) und Schuldner (Geschäftspartner) sei immer die zivilrechtliche Rechtslage vor der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu berücksichtigen. Es komme daher nicht darauf an, welcher Wert einem Anspruch im Wirtschaftsverkehr zugesprochen werde. Da auch ein leistungsunwilliger oder leistungsunfähiger Schuldner aufgrund des Grundsatzes pacta sunt servanda zur vollständigen zivilrechtlichen Leistung verpflichtet bliebe, behielte der Anspruch im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner den vollständigen Wert, so lange er von Rechts wegen bestehe.308 Dies beruhe auf dem im Zivilrecht herrschenden Trennungsprinzip, wonach die Verpflichtungsseite unabhängig vom Erfüllungsgeschäft und daher auch einzeln zu bewerten sei.309 Hiervon dürfe sich das Strafrecht nicht lösen. Dagegen wird allerdings eingewendet, dass rein wirtschaftlich tatsächlich eine „brachliegende“ Forderung stets einen geringeren Wert habe, als deren entsprechender Bargeld-Betrag.310
306
20 ff.
Vgl. hierzu ausführlich (innerhalb des Betrugstatbestands) Albrecht, in: NStZ 2014, 17,
307 Puppe, in: ZiS 2010, 216, 217 mit Verweis auf Tenckhoff, in: Lackner-FS, 677, 689 ff.; Puppe, in: JZ 1984, 531, 532; vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 32. 308 Puppe, in: ZiS 2010, 216, 217 mit Verweis auf Tenckhoff, in: Lackner-FS, 677, 689. 309 Puppe, in: ZiS 2010, 216, 217, allerdings bezieht sich Puppe auf den unechten Erfüllungsbetrug und kritisiert die Rechtsprechung. Hier wird von der Rechtsprechung (BGHSt 16, 220 – 225; BGH, NStZ 2008, 96, 98; vgl. BGH NStZ 2012, 629, 629) ein Betrug abgelehnt, wenn die Leistung des Täuschenden letztlich dem vom Opfer gezahlten Preis entspricht und dieses „lediglich“ um eine Vermögenssteigerung gebracht wird, weil das Geschäft nicht das erhoffte „Schnäppchen“ darstellt. 310 Joecks, in: Samson-FS, 355, 355, 365 f. mit Verweis auf Martin, Bankuntreue, S. 124.
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Letzterer Meinung ist, mit Blick auf das rein wirtschaftliche Vermögensverständnis auf Vorteilsseite, zuzustimmen. Der tatsächliche Wert einer Forderung gegen einen Geschäftspartner kann sich nicht aus dem reinen Nennwert dieser Forderung ergeben. Hierbei würden die wertbildenden Faktoren des Einzelfalls ignoriert, um einen normativen Gleichlauf zwischen Zivilrecht und Strafrecht herzustellen. Der wirtschaftliche Wert eines zivilrechtlichen Zahlungsanspruchs gegen einen Schuldner, der leistungsunwillig oder leistungsunfähig ist,311 wird tatsächlich keinesfalls dem Nennwert dieser Forderung entsprechen. Denn die theoretische rechtliche Durchsetzbarkeit führt nicht dazu, dass sich jemals ein solcher Wert auch tatsächlich beim Gläubiger realisieren wird. Eine derartige Normativierung kann mit Blick auf den hier vertretenen Vermögensbegriff nicht überzeugen.312 Der Nennwert einer Forderung kann nicht in jedem Fall als ihr tatsächlicher Wert in die Gesamtsaldierung zur Nachteilsfeststellung eingestellt werden. (b) Konkreter wirtschaftlicher Wert Es muss vielmehr, entsprechend der Wertbestimmung bei den allgemeinen Positionen, der aktuelle tatsächliche wirtschaftliche Wert der konkret erlangten Forderung im Moment der pflichtwidrigen Handlung bestimmt werden. (aa) Marktwert einer Forderung? Es könnte, wie bereits bei der Bewertung allgemeiner Positionen, auf einen allgemein anerkannten Marktwert einer Forderung abgestellt werden. Dazu müsste, nach den oben dargelegten Grundsätzen, ein Preis bestehen, der unter den konkreten zeitlichen und örtlichen Verhältnissen üblicherweise für den Erwerb der betreffenden Forderung bezahlt werden würde.313 Hier werden allerdings einige Unterschiede zwischen der unmittelbaren Erlangung eines Vermögensgegenstands und der Erlangung einer „bloßen“ Forderung auf einen Vermögensgegenstand deutlich. Vermögensgegenstände, die direkt ausgetauscht werden, werden meist erworben, um sie zu behalten und zu nutzen. Der Wert der Position entfaltet sich in dem Innehaben des Vermögensgegenstands. Hier drückt der „Kaufpreis“ den Wert grundsätzlich gut aus, da es der Preis ist, der für das Innehaben der Position gezahlt wird.314 Beim Verkauf von Forderungen (vor allem Zahlungsansprüchen) wird dies häufig anders sein. Diese werden nicht erworben, um die Forderung zu behalten. Der Inhaber eines Zahlungsanspruchs wird diesen nur verkaufen (bzw. abtreten), wenn er 311
Vgl. Puppe, in: ZiS 2010, 216, 217. Vgl. hierzu und zum Verhältnis zwischen Zivil- und Strafrecht oben, S. 50 ff. und S. 80 ff. 313 Siehe hierzu oben, S. 162 ff. 314 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 160. 312
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selbst nicht mehr mit der vollständigen Erfüllung rechnet oder den Aufwand der (gerichtlichen) Durchsetzung scheut. Er wird daher einen geringeren als den „eigentlichen“ Wert der Forderung akzeptieren. Der Käufer einer solchen Forderung, häufig ein Inkasso-Unternehmen, wird daher nicht den Geldbetrag investieren, den er selbst der Forderung wertmäßig beimisst. Er wird vielmehr nur so viel zahlen, dass er selbst nach einem Weiterverkauf oder eben nach der Durchsetzung des Zahlungsanspruchs noch einen Gewinn behalten wird. Der für die Abtretung einer Zahlungsforderung gezahlte Preis kommt daher nicht dem Marktwert, sondern vielmehr dem Wiederverkaufswert bei allgemeinen Positionen gleich. Dies ist der Wert, der ohne besondere Umstände und ohne eigenen Aufwand realisiert werden kann.315 Es handelt sich also um einen Mindestwert, der unter dem Marktwert liegt. Denn es fehlen hier noch „bestimmte Aufschläge, wie insbesondere die Gewinnspanne des Händlers“.316 Darüber hinaus ist die zukünftige Erfüllung einer Forderung (auf Geld und auf Gegenstände) von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Diese Faktoren variieren je nach dem konkreten Einzelfall und dem konkreten Schuldner. Die tatsächliche Leistung des geschuldeten Vermögensgegenstands ist also noch so vielen verschiedenen Unwägbarkeiten ausgesetzt, dass von einer „typischen Forderung“ auf einen bestimmten Gegenstand, selbst wenn dieser typischerweise am Markt gehandelt wird, nicht ausgegangen werden kann. Wie und ob geleistet wird, hängt nicht von dem geschuldeten Gegenstand, sondern von dem Leistenden ab. Der Wirtschaftsverkehr wird verschiedenen Forderungen derselben Art daher nicht den gleichen „typischen“ Wert zuordnen können.317 Die vorliegende Situation ist daher eher mit derjenigen des Austauschs von singulären Positionen vergleichbar.318 Ein typischer allgemein anerkannter Marktwert einer bestimmten Forderung wird daher grundsätzlich nicht bestehen. Der Wert einer Forderung muss im konkreten Einzelfall individuell bestimmt werden. (bb) Singuläres Ereignis – Einbringlichkeit der Forderung Entsprechend der oben dargelegten und vom BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung herangezogenen Einzelwertberichtigung319, soll zur Bewertung einer Forderung daher auf deren konkrete Einbringlichkeit abgestellt werden. Dies wird auch von der Rechtsprechung320 und Teilen der Literatur321 vertreten. 315 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 120 m. w. N.; vgl. Joecks, in: Samson-FS, 355, 366. 316 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 120 f. mit Verweis auf Schmoller, in: ZStW 1991, 92, 109. So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 159. 317 Mit Ausnahme von „kleinen Forderungen“ nach Leistungen und über Beträgen des alltäglichen Lebens. 318 Siehe hierzu oben, S. 168 ff. 319 Siehe hierzu oben, S. 149 ff. 320 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219 f.; vgl. BGH, NStZ 2007, 95, 96; vgl. BGH, NJW 2013, 1460 ff.
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Nach der vom BVerfG herangezogenen Bilanzierungsregel der §§ 340e Abs. 1 S. 2 i. V. m. 253 Abs. 4 HGB muss bei der Bilanzierung einer Darlehensrückzahlungsforderung einer Bank eine Wertberichtigung vorgenommen werden, wenn ein Forderungsausfall droht.322 Nach den dargelegten Grundsätzen muss der geminderte Wert der gefährdeten Rückzahlungsforderung mangels feststellbaren Marktpreises fiktiv durch eine Prognose festgelegt werden. Der Wert der Rückzahlungsforderung soll sich aus dem „Barwert der voraussichtlich erzielbaren künftigen Zins- und Tilgungszahlungen“ ergeben.323 Entscheidend soll hierfür die Bonität des Schuldners sein sowie alle Umstände, die den Forderungseingang zweifelhaft erscheinen lassen. Auch verwertbare Sicherheiten und Rückgriffsmöglichkeiten sollen relevant sein.324 Diese aus den Bilanzierungsregeln des HGB abgeleiteten Grundsätze zur Bewertung von Darlehensrückzahlungsansprüchen können (entsprechend dem bilanzorientierten Ansatz) generell auf die Bewertung von Forderungen übertragen werden. Die wertbestimmende Einbringlichkeit der Forderung hängt daher zum einen von der Bonität des Schuldners ab und zum anderen von den Sicherheiten,325 die für die Erfüllung der Forderung gewährt worden sind. Hierbei handelt es sich um verschiedene Faktoren, die je nach Einzelfall unterschiedlich gewichtet sein können. Sie sind nicht alternativ, sondern kumulativ zu berücksichtigen. Die einzelnen Faktoren können sich dabei ausgleichen.326 Darüber hinaus können in Bezug auf die konkret zu bewertende Forderung noch weitere wertmindernde Faktoren bestehen die im Einzelnen nicht für alle Fälle vorhersehbar sind.327 Ob durch die gewährten Sicherheiten das Ausfallrisiko des Schuldners abgedeckt wird, hängt beispielsweise von der Person des Sicherheitsgebers und dem Aufwand ab, der betrieben werden müsste, um diese Sicherheiten zu verwerten und ob es hierzu der Mitwirkung des Schuldners bedarf.328 Für die Bonität des Schuldners kommt es zum einen auf seinen Erfüllungswillen (niedriges Prozessrisiko) und seine Erfüllungsfähigkeit (niedriges Insolvenzrisiko)
321
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 160 ff.; Joecks, in: Samson-FS, 355, 365; vgl. Albrecht, in: NStZ 2014, 17, 18 ff.; Otto, in: Jura 1991, 494, 496; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 240; Peglau, in: wistra 2012, 368, 369; Hellmann, in: ZiS 2007, 433, 440. 322 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3219 m. w. N. 323 Vgl. oben, S. 149 ff. und BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220 m. w. N. 324 Vgl. oben, S. 149 ff. 325 Kritisch diesbezüglich Joecks, in: Samson-FS, 355, 365 und im Anschluss daran Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 162. 326 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 164. 327 Deshalb hat das BVerfG auf die Berücksichtigung „aller Umstände, die den Forderungseingang zweifelhaft erscheinen lassen“ verwiesen. Vgl. NJW 2010, 3209, 3220 m. w. N. 328 Zum Kreditbetrug: BGH NStZ 2016, 286, 287; BGH, NStZ 2018, 111, 112 f.; Sch/SchPerron, § 263 Rn. 162a m. w. N.; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 162 f.
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
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an. Vor allem die Erfüllungsfähigkeit ist objektiv feststellbar und daher für die Bewertung der Forderung geeignet.329 Anders als Hoof330 annimmt, ist allerdings auch der Nennwert der Forderung für deren Wertbestimmung nicht irrelevant. Denn wie bei der Wertbestimmung von Singularitäten, bestimmt dieser den Ausgangswert der Berechnung. Auch hier ist davon auszugehen, dass die Parteien sich auf den Wert geeinigt haben und dieser, bei der Abwesenheit von Täuschungen und einem loyalen Treunehmer, daher zunächst einen Annäherungswert darstellt. Dennoch wird letztendlich wertbestimmend sein, wie der Wirtschaftsverkehr die Einbringlichkeit der konkreten Forderung im Einzelfall einstuft. Auch bei der Bewertung von erlangten Forderungen bleibt nur eine vom Gericht nachvollziehbar dargelegte Prognose hinsichtlich der vom Wirtschaftsverkehr erwarteten Einbringlichkeit der relevanten Forderung. Welche Faktoren hierbei im Einzelnen berücksichtigt und wie diese vom Gericht gewichtet werden müssen, hängt von den konkreten Gegebenheiten ab. (c) Zwischenergebnis Der Wert einer Forderung kann häufig nicht mit ihrem Nennwert gleichgesetzt werden. Auch ein Marktwert ist für Forderungen nicht existent bzw. für ihren „tatsächlichen“ wirtschaftlichen Wert nicht aussagekräftig. Deshalb muss für die Bewertung einer Forderung auf den Wert abgestellt werden, den der Wirtschaftsverkehr ihr aufgrund ihrer erwarteten Einbringlichkeit zuschreibt. (2) Faktisch abgesicherte Exspektanz Es wurde bereits dargelegt, dass auch die Erlangung einer rechtlich nicht gesicherten Gewinnaussicht einen werthaltigen Vermögenszufluss darstellen kann.331 Bisher wurde hierzu erörtert, dass für die grundsätzliche Berücksichtigung einer derartigen Exspektanz eine überwiegende Realisierungswahrscheinlichkeit notwendig ist. Diese überwiegende Realisierungswahrscheinlichkeit besteht grundsätzlich, wenn der zukünftige Vermögenszufluss beherrschbar ist. Eine Beherrschbarkeit kann sich durch die rechtliche Durchsetzbarkeit ergeben. Dies entspricht der hier bereits untersuchten zivilrechtlich gesicherten Forderung. Die Realisierung einer Gewinnchance kann allerdings auch faktisch sichergestellt und beherrscht werden.332 Eine derartige faktische Beherrschbarkeit des künftigen 329
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 161. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 161. 331 Vgl. hierzu im Detail oben, S. 135 ff. 332 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 169 ff. mit Verweis auf den Bilanzierungsgrundsatz aus IAS 38.8 und IAS 38.13, wonach es für die Bilanzierung immaterieller Vermögensgegenstände ausreiche, wenn ihnen die Erwartung eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens innewohne und dieser rechtlich oder tatsächlich beherrschbar sei. 330
178
Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Vermögenszuflusses kann in manchen Fällen sogar vielversprechender sein als ihre rechtliche Durchsetzbarkeit. Denn letztere erfordert eine zeitaufwändige verwaltungs- oder zivilgerichtliche Durchsetzung, die den Treugeber letztlich auch nicht vor dem Insolvenzrisiko des Schuldners schützen kann. Wenn ein alternatives System der faktischen Beherrschbarkeit und Kontrolle über den Vermögenszufluss aufgebaut wurde, ist dieses daher nicht prinzipiell unsicherer als die rechtliche Durchsetzbarkeit eines zivilrechtlich gesicherten Anspruchs.333 Die Faktoren, welche eine faktische Beherrschbarkeit der Realisierung einer Chance nahelegen, sind wiederum vielfältig und jeweils im Einzelfall zu untersuchen. Innerhalb des Bundesligakomplexes hatte der Treunehmer beispielsweise als Vorleistung nur eine Teilzahlung gewährt und die weiteren Zahlungen von dem Erhalt der geschuldeten Gegenleistung (Spielmanipulation) abhängig gemacht.334 Auch die Pflege und der Aufbau eines Netzes von vertrauten Geschäftspartnern und -beziehungen kann die faktische Wahrscheinlichkeit der Erfüllung geschuldeter Leistungen deutlich erhöhen.335 (a) Sonderproblem: Beherrschbarkeit durch den Treunehmer Es könnte sich allerdings ein Sonderproblem ergeben, da es für die Berücksichtigung von Gewinnchancen als Teil des Treugebervermögens darauf ankommen könnte, dass die Realisierung dieser Gewinnchancen durch den Inhaber des Vermögens selbst beherrscht wird.336 Dies ist bei der Erlangung einer rechtlich beherrschbaren Chance der Fall, denn begünstigter Gläubiger der erlangten Forderung muss der Treugeber selbst sein. Dieser kann die Forderung dann auch in einem Gerichtsprozess durchsetzen. Die oben geschilderte faktische „Herrschaft“ über den künftigen Vermögenszufluss wird allerdings in den hier untersuchten Beispielsfällen („Organuntreue i. w. S.“) nicht vom Treugeber als Vermögensinhaber, sondern vom Treunehmer ausgeübt. Der Treugeber selbst wird häufig nicht einmal Kenntnis von der pflichtwidrigen Erlangung einer (rechtlich nicht gesicherten) Gewinnaussicht haben. Erst recht wird er dann auf deren Realisierung keinen tatsächlichen Einfluss haben. Dies könnte dazu führen, dass eine faktisch nur durch den Treunehmer beherrschte Chance auf Vermögenszufluss für den Treugeber keinen Vermögenswert darstellt.337 Es ist allerdings wiederum zu berücksichtigen, dass die Aufgaben in einem Wirtschaftsunternehmen arbeitsteilig verteilt sind. Der Treugeber hat im Zweifel auf 333
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 170. Vgl. BGH, NJW 1975, 1234, 1235 f. 335 So etwa im Fall Siemens/Enel, BGH NJW 2009, 89 ff. Auch wenn der 2. Strafsenat dies nicht anerkannt hat. Siehe zur näheren Auseinandersetzung mit diesem Fall unten, S. 186 ff. Vgl. hierzu auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 170. 336 Vgl. hierzu auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 170 ff. 337 Vgl. hierzu die Siemens/Enel-Entscheidung, BGH NJW 2009, 89 ff. Siehe hierzu detailliert unten, S. 186 ff. 334
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
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die Verwaltung des Vermögens gar keinen Einfluss. Der Treunehmer, meist ein leitender Angestellter, hat gerade die Aufgabe, das Vermögen des Treugebers zu verwalten und zu investieren (ihm muss schließlich eine Vermögensbetreuungspflicht zukommen338). Auch die theoretische Möglichkeit der Kenntnisnahme des Treugebers kann an der Tatsache nichts ändern, dass der Treugeber selbst keinen Einfluss auf den Zufluss von Vermögensgegenständen nehmen wird. Hierauf kann es daher nicht ankommen. Die Kenntnis des Treugebers ist zur Begründung einer veruntreubaren Chance auf Vermögensabflussseite durchaus ein relevantes Kriterium. Denn hierbei ist entscheidend, ob dem Treugeber ein werthaltiger Teil seines Anfangsvermögens abfließt. Dies ist zu verneinen, wenn der Treugeber nicht einmal Kenntnis davon hatte, dass eine (faktische) Gewinnchance bestand. Denn grundsätzlich macht die Kenntnis über die Existenz eines Wirtschaftsguts dessen Wert aus.339 Wenn dem Treugeber allerdings eine Chance zufließt und sich der Treunehmer tatsächlich darum kümmert, dass diese Chance auch realisiert wird, dann kommt dieser Chance unabhängig von der Kenntnis des Treugebers ein Vermögenswert zu.340 Es wird daher allein entscheidend sein, ob derjenige, der mit der Vermögensverwaltung des Treugebers betraut ist, den Zufluss faktisch beherrschen kann.341 Selbstverständlich kommt es dann wiederum darauf an, dass es sich um einen loyalen Treunehmer handelt, der seine „Herrschaft“ über den Vermögenszufluss auch zugunsten des Treugebers einsetzen will.342 Denn nur in diesem Fall ergibt sich die Chance, dass der Vorteil auch tatsächlich dem Treugebervermögen zufließt (andernfalls wäre es eine Chance auf Vermögenszufluss des Treunehmers). Die Loyalität des Treunehmers ist daher ein weiterer wichtiger Faktor bei der Bejahung einer faktischen Gewinnaussicht als kompensierender Teil des Treugebervermögens. (b) Zwischenergebnis Auch „faktische Exspektanzen“ können daher das oben genannte Kriterium für die grundsätzliche Berücksichtigung von zukünftigen Gewinnchancen erfüllen. Ihre Realisierung kann aufgrund der faktischen Beherrschbarkeit überwiegend wahrscheinlich sein. Diese faktische Beherrschung liegt vor, wenn der Zufluss des anvisierten Vermögensgegenstands sich in der konkreten Situation als vom Treunehmer maßgeblich beeinflussbar darstellt. 338
Vgl. hierzu oben, S. 40 ff. Vgl. Rönnau, in: StV 2009, 246, 248 m. w. N.; siehe hierzu näher unten, S. 191 ff. 340 Vgl. zur Möglichkeit der Kenntnisnahme des Treugebers (im Rahmen der Bestimmung einer veruntreubaren Exspektanz auf Abflussseite) Becker, in: HRRS 2010, 383, 388 – krit. zur Siemens/Enel-Entscheidung. 341 Vgl. Schlösser, in: HRRS 2009, 19, 24 f. m. w. N.; vgl. Satzger, in: NStZ 2009, 297, 303 f.; vgl. Saliger, in: Samson-FS, 455, 463. 342 Siehe hierzu eingehend unten, S. 198 ff. 339
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Es stellt sich daher abschließend die Frage, wie derartige faktische Gewinnaussichten bewertet werden können. Hierfür sollen zunächst dieselben Grundsätze wie oben untersucht werden. (c) Marktwert einer faktischen Exspektanz? Ein allgemein anerkannter Marktwert für eine faktisch gesicherte Gewinnaussicht wird nicht existieren. Zum einen fehlt es bereits an einem Markt für rein tatsächliche Gewinnaussichten.343 Zum anderen wird es sich bei den erlangten Aussichten jeweils um so spezielle, von Einzelumständen geprägte Konstellationen handeln, dass ein allgemein anerkannter Wert hierfür nicht feststellbar sein wird. Entsprechend den Ausführungen zu rechtlich gesicherten Gewinnaussichten und singulären Ereignissen hängt der Wert der erlangten Chance auf Vermögenszufluss daher vom konkreten Einzelfall ab.344 (d) Singuläres Ereignis: Wahrscheinlichkeit der Realisierung Zur Bewertung von faktisch gesicherten Exspektanzen ist daher eine Prognose im Einzelfall notwendig. Hierfür kann sich an den Bewertungsgrundsätzen für Forderungen (rechtlich gesicherte Exspektanzen) und somit auch an den Bewertungsgrundsätzen für singuläre Ereignisse orientiert werden.345 Der Wert, den der Wirtschaftsverkehr einer nicht rechtlich durchsetzbaren Gewinnaussicht zuordnet, wird letztlich, genau wie bei rechtlich gesicherten Forderungen, von der „Einbringlichkeit“ dieser Gewinnaussicht abhängen. Da es an einer rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeit fehlen wird, wird es hierbei auf die tatsächliche Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Chance ankommen und auf den hierbei erwarteten Gewinn. Es wird zu beurteilen sein, wie hoch der mit Wahrscheinlichkeit tatsächlich zufließende Vermögenswert sein wird. In diesem Zusammenhang kann auf die Prognoseentscheidung zur Bewertung von Forderungen und die entsprechende Anwendung der bilanzrechtlichen Einzelwertberichtigung zurückgegriffen werden.346 Somit wird es auch hier auf die Bonität des Schuldners und alle übrigen Umstände ankommen, die eine Realisierung der faktischen Gewinnaussicht zweifelhaft erscheinen lassen.347 Es wird für die Wahrscheinlichkeit einer Realisierung ganz entscheidend auf die Leistungsbereitschaft des Schuldners ankommen, da eine rechtliche Durchsetzung nicht möglich ist. Auch die erwartete Gewinnspanne wird eine wichtige Rolle
343 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 164, nimmt hiervon zu Recht verkörperte Gewinnchancen wie Devisen, Aktien und Option aus. 344 Vgl. hierzu oben, S. 174 ff. 345 Vgl. hierzu ausführlich unten, S. 175 ff. 346 Vgl. hierzu detailliert oben, S. 175 ff. 347 Vgl. hierzu auch schon oben, S. 149 ff.
A. Feststellung des konkreten Vermögenszuflusses
181
spielen, sowie das eingerichtete System der Sicherung und das Risiko des Fehlschlags oder der Aufdeckung (bei illegalen Chancen).348 Für die konkrete Wertbestimmung wird sich das Gericht, entsprechend der oben dargelegten Grundsätze zur Bewertung singulärer Ereignisse, zunächst an dem von dem loyalen Treunehmer ausgehandelten und investierten Preis orientieren können.349 Auch in den vorliegend relevanten Fällen kann allerdings nicht die von Waßmer350 gerade in diesem Zusammenhang vertretene intersubjektive Wertfestsetzung angewendet werden. Waßmer bezieht sich in seiner Ausführung, wie erläutert, auf die Bundesliga-Entscheidung und somit auf die Erlangung einer rechtlich nicht gesicherten Gewinnaussicht.351 Die Aussicht auf das regelwidrige Verhalten der Gegenspieler und den damit verbundenen Verbleib in der Bundesliga sei genau so viel wert, wie der Preis, auf den sich der einzige Nachfrager und Anbieter geeinigt hätten.352 Die Heranziehung der für den Betrugstatbestand entwickelten intersubjektiven Wertsetzung353 ist allerdings aus den oben genannten Gründen auch vorliegend abzulehnen. Es darf nicht dem pflichtwidrig handelnden Untreuetäter überlassen bleiben, den Wert der erlangten, den Vermögensabfluss kompensierenden Gewinnchance zu bestimmen, da er ansonsten über das Vorliegen eines Vermögensnachteils und somit über seine eigene Strafbarkeit entscheiden würde.354 Da das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung allerdings eine Quantifizierung auch von zukünftigen Vermögensveränderungen angemahnt hat (hier für Vermögensgefährdungen), ist auch für die faktisch beherrschbare und damit grundsätzlich werthaltige Vermögenschance eine Bewertungsmethode zu entwickeln. Der durch den loyalen Treunehmer – und nur von diesem erlangte faktische Gewinnchancen sind überhaupt zu berücksichtigen355 – mit dem Geschäftspartner ausgehandelte Preis für die Erlangung der Gewinnchance ist zunächst als Ausgangswert heranzuziehen. Denn wenn der loyale Treunehmer im Wirtschaftsverkehr eine Investition tätigt, um einen Vorteil für den Treugeber zu generieren, ist der von ihm für angemessen gehaltene Preis zunächst ein guter Anhaltspunkt für eine Überprüfung. 348 Vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 184; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 173; vgl. hierzu bereits oben, S. 177 ff. 349 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 121 f.; so auch Ransiek, in: StV 2009, 321, 324; ders., in: ZstW 2004, 634, 650. 350 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 121 f.; so auch Ransiek, in: StV 2009, 321, 324; ders., in: ZstW 2004, 634, 650. 351 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 121 f. 352 Siehe hierzu bereits oben, S. 168 ff.; Waßmer geht davon aus, dass unmittelbar nur das regelwidrige Spielen erlangt wurde. 353 Siehe hierzu oben und vgl. BGH, NJW 2013, 1460, 1461. 354 Vgl. hierzu bereits oben, S. 168 ff. 355 Vgl. oben, S. 178 ff.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Das Gericht hat deshalb, unter Einnahme der objektiv-individuellen Perspektive aus dem Verkehrskreis des Treugebers und ausgehend von dem verhandelten Preis, zu untersuchen, ob die erlangte Chance diesen Preis wert war. Das Gericht hat dabei nachvollziehbar auszuführen, ob ein „augenfälliges Missverhältnis“ zwischen den aufgewendeten Mitteln und der erlangten faktischen Exspektanz vorliegt. Hierbei werden die oben aufgeführten Wertfaktoren zu berücksichtigen sein. Nur, wenn nach dieser Evidenzkontrolle ein augenfälliges Missverhältnis festzustellen ist, ist davon auszugehen, dass der Wert der erlangten Chance nicht den gezahlten Preis wert war. Dies entspricht den Grundsätzen der BVerfG-Entscheidung. Denn in den hier zu untersuchenden Fällen wird feststehen, dass aufgrund der faktischen Beherrschbarkeit der Chance, ein wirtschaftlicher Wert für das Treugebervermögen erlangt wurde.356 Es verbleibt aufgrund der singulären Konstellation und wegen der darüber hinaus fehlenden Vergleichbarkeit mit anderen Vermögenspositionen allerdings eine Bewertungsunsicherheit. Nach dem BVerfG müssen derartige „unvermeidlich verbleibende Prognose- und Beurteilungsspielräume“357 durch vorsichtige Schätzungen ausgefüllt und im Zweifel freigesprochen werden. Diese angemahnte Anwendung des Zweifelssatzes bedeutet übertragen auf die Bewertung von zugeflossenen faktischen Gewinnaussichten, dass bei fehlendem offensichtlichem Missverhältnis von investierten Mitteln und bestehender Realisierungswahrscheinlichkeit, der vereinbarte Preis als der vollständige Wert der erlangten Gewinnchance anzuerkennen ist. Entsprechend der obigen Ausführungen, muss auch bei der richterlichen Bewertung von singulären faktischen Exspektanzen der Schwerpunkt auf der „Deskription“358 der wertbestimmenden Faktoren liegen. Denn auch hier ist der in dubio pro reo-Grundsatz durch die richterliche Beweiswürdigung begrenzt. Demnach ist davon auszugehen, dass eine durch den loyalen Treunehmer erlangte faktische Exspektanz den ausgehandelten Preis wert ist, wenn nicht Faktoren ersichtlich sind, die eine Minderung der Eintrittswahrscheinlichkeit und damit des Wertes nahelegen. Hierzu kann wiederum auf die Faktoren zurückgegriffen werden, die bereits bei der rechtlich gesicherten Gewinnaussicht erläutert wurden. Zwar ist damit nicht in allen Fällen eine Bezifferung des Wertes möglich, sondern „lediglich“ bei Abwesenheit eines auffälligen Missverhältnisses. Dies ist allerdings die einzig ersichtliche Bewertungsmethode, die der Grundsatzentscheidung des BVerfG gerecht werden kann. Denn dass ein wirtschaftlicher Wert in der faktisch gesicherten Aussicht auf einen Vermögenszufluss liegt, steht fest. Wenn dieser letztlich allein aufgrund seiner fehlenden rechtlichen Beherrschbarkeit oder aufgrund eines fehlenden Vergleichsmarktes nicht berücksichtigt würde, würde die 356 Eine andere Exspektanz wird nach den oben dargelegten Grundsätzen gar nicht erst als relevant berücksichtigt, vgl. oben, S. 135 ff. und S. 177 ff. 357 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 358 Bittmann, in: wistra 2013, 1, 5; vgl. Becker, in: JR 2012, 82, 85.
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strafrechtliche Nachteilsbestimmung nicht mehr auf einer wirtschaftlichen Betrachtung beruhen. Dies widerspräche der Grundsatzentscheidung des BVerfG.359 (3) Zwischenfazit für die Bewertung von Exspektanzen Für die Berücksichtigung einer vermögenswerten Exspektanz kommt es folglich auf ihre grundsätzliche Werthaltigkeit und die Beherrschbarkeit ihrer Realisierung an. Diese Beherrschbarkeit kann sich aus einem rechtlichen Anspruch ergeben oder aber durch faktische Sicherungsmittel. Für die Bewertung einer Exspektanz (sowohl rechtlich als auch faktisch gesichert) existiert typischerweise kein anerkannter Marktwert, da ihre Realisierung von den unterschiedlichen Faktoren des Einzelfalls abhängt. Daher kann auf die Grundsätze zur Bewertung singulärer Ereignisse bei allgemeinen Positionen zurückgegriffen werden. Es kommt letztlich auf den erwarteten Gewinn und die Wahrscheinlichkeit seiner Realisierung an. Hierfür können verschiedene Faktoren herangezogen werden, die sich teilweise aus den dargelegten Bilanzierungsgrundsätzen ergeben. Letztlich verbleibt allerdings eine Wertungsentscheidung im Einzelfall. cc) Zwischenfazit für die Wertbestimmung von Vermögenszuflüssen Nach diesen Ausführungen ergeben sich folgende Grundsätze für die Bewertung von Vermögenszuflüssen: Ein Vermögenszufluss kann den exakt zu quantifizierenden Vermögensabfluss kompensieren, wenn der Vermögenszufluss aus objektiv-individueller Sicht des Verkehrskreises des Treugebers einen mindestens gleich hohen wirtschaftlichen Wert hat wie die abgeflossenen Mittel. Für die Bestimmung dieses Wertes kann grundsätzlich auf einen allgemein anerkannten Verkehrswert des erlangten Vermögensgegenstandes innerhalb des Verkehrskreises des Treugebers zurückgegriffen werden. Dies wird vor allem bei dem unmittelbaren Austausch allgemeiner Positionen weiterhelfen. Sollte ein derartiger Vergleichsmarkt für den erlangten Vorteil nicht bestehen und eine Bezifferung deshalb auch unter Zuhilfenahme der anerkannten Bewertungsgrundsätze und -kennziffern nicht möglich sein (dies gilt vor allem für singuläre Positionen und damit auch für Exspektanzen), so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der erlangte Vorteil die hierfür aufgewendeten Mittel wert war, es sei denn, dass durch das Gericht ein augenfälliges Missverhältnis zwischen aufgewendeten Mitteln und erlangter Gegenleistung festgestellt wird. Dies bedeutet nicht, dass bei Konstellationen, in denen ein Vergleichsmarkt fehlt, nur eine summarische Prüfung der Angemessenheit der aufgewendeten Mittel durch 359
Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215.
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das Gericht vorgenommen werden muss. Vielmehr liegt bei diesen singulären Positionen der Schwerpunkt gerade auf der nachvollziehbaren Prüfung der Geschäftsumstände der konkreten Situation. Das Gericht muss detailliert und nachvollziehbar – im Zweifel unter Hinzuziehung von Sachverständigen – darlegen, weshalb das konkrete Geschäft als angemessen oder unangemessen einzuschätzen war, welche die wertbeeinflussenden Faktoren waren und wie diese zu gewichten sind. e) Exkurs: Folgerung für die Bezifferung der Kompensationsgefährdung Die oben erarbeiteten Grundsätze für die Bewertung einer Kompensationsgefährdung sollen anhand der dargestellten Ergebnisse noch einmal überprüft werden.360 Zur Bestimmung einer eventuellen Wertminderung der illegal erlangten Gegenleistung durch die hiermit verbundene Eingehung von Entdeckungs- und Sanktionsrisiken sollte eine Saldierung auf zweiter Stufe vorgenommen werden. Die illegal erlangte Gegenleistung soll mit dem bestehenden Risiko des Vermögensabflusses saldiert werden, um so den tatsächlichen Wert der Gegenleistung zu bestimmen, bevor dieser wiederum mit dem Wert der abgeflossenen Bestechungszahlung „gesamtsaldiert“ werden kann. Um die Kompensationsgefährdung, die sich aufgrund des Entdeckungs- und Sanktionsrisikos ergibt, saldieren zu können, muss diese entsprechend der dargelegten Grundsätze, bewertet werden. Dieser Wert muss dann mit dem (im Voraus und separat ermittelten) Wert der Gegenleistung verglichen und beurteilt werden, ob hierbei ein positiver Wert der Gegenleistung insgesamt „verbleibt“. Für die Bewertung der zukünftigen Vermögensgefährdung (Kompensationsgefährdung), also einer potentiellen Vermögensminderung, sollte es nach den oben dargelegten Grundsätzen auf die Höhe des mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Vermögensabflusses durch die Sanktionen ankommen.361 Dieses Ergebnis stimmt mit dem erarbeiteten Maßstab für die spiegelbildliche362 Wertbestimmung von künftigen Vermögenszuflüssen überein. Denn hierbei soll es auf den mit Wahrscheinlichkeit realisierbaren Gewinn ankommen. Zur Bestimmung des mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Vermögensabflusses kommt es, wie ausgeführt, auf die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung des illegalen Geschäfts und die Wahrscheinlichkeit des hierdurch ausgelösten Vermögensabflusses sowie dessen Höhe an.363 360
Vgl. oben, S. 107 ff. Siehe hierzu oben, S. 111 ff.; „Sanktionen“ meint in diesem Sinne wiederum auch die weiteren zu erwartenden negativen wirtschaftlichen Folgen. 362 Vgl. oben, S. 143 ff. 363 Vgl. hierzu bereits oben ausführlich, S. 107 ff. 361
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Wie ebenfalls bereits erläutert, können die hierfür zu berücksichtigenden wertbestimmenden Faktoren nicht den Bilanzierungsgrundsätzen entnommen werden, da die zu beurteilende Situation mit dem Vorsichtsprinzip des Bilanzrechts kollidiert und deshalb eine Anwendung in diesem Fall ausscheidet.364 Entsprechend der hierzu dargelegten Grundsätze der bilanzorientierten Wertbestimmung ist die zu bewertende strafrechtliche Konstellation so andersartig, dass das Bilanzrecht außer Acht gelassen werden muss.365 Es müssen daher „strafrechtsautonome“ wertbestimmende Faktoren entwickelt werden. So sind Faktoren, welche die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und hieraus resultierender Vermögensabflüsse erhöhen beispielsweise ein schlechtes faktisches Sicherungssystem (rechtliche Sicherung ist bei illegalem Handeln nicht möglich), bestimmte Nachprüfungsbefugnisse und Überprüfungsmöglichkeiten staatlicher Stellen und deren Regelmäßigkeit oder ein großer Kreis an einbezogenen „Mitwissern“. Eine detaillierte Einschätzung kann wiederum nur im Einzelfall erfolgen. Wie erläutert und entsprechend der Bewertungsgrundsätze für eine vermögenswerte Exspektanz, wird es sich hierbei immer um eine Prognoseentscheidung und somit um eine Schätzung handeln. Eine exakte Bezifferung des zu erwartenden Vermögensabflusses ist nicht verlässlich möglich, weil es sich jeweils um eine besondere Einzelsituation mit besonderen Umständen handeln wird. Auch der Vergleich mit einer ähnlichen Situation wird, entsprechend der obigen Ausführungen zu singulären Ereignissen, nicht möglich sein, da die Umstände gerade bei illegalen Geschäften stark variieren werden.366 Es bleibt dem Gericht daher wiederum nur eine eingehende Evidenzkontrolle aus der ex ante-Perspektive vorzunehmen (auch wenn Ausgangspunkt hierbei kein ausgehandelter Wert sein kann, da es vorrangig um die staatliche Verhängung von Sanktionen geht). Das Gericht muss detailliert und unter Darlegung der zu berücksichtigenden Faktoren und deren Bewertung ausführen, weshalb ein Abfluss der erlangten Gegenleistung oder weiterer Vermögensteile zu erwarten ist oder warum nicht. Wenn ein zu erwartender Vermögensabfluss nach diesen Kriterien vom Gericht nicht festgestellt werden kann, ist davon auszugehen, dass eine Entdeckung und Sanktionierung nicht stattfinden wird und eine Minderung abzulehnen ist. Dann ist die Gegenleistung mit ihrem vollständigen, im Voraus bereits nach den obigen Grundsätzen ermittelten Wert in die Gesamtsaldierung einzustellen. Der Vorteil dieser Saldierung auf zweiter Stufe ist letztlich, dass sich das Gericht gesondert und ausführlich zunächst mit dem Wert der Gegenleistung auseinandersetzen muss. Hierzu sind die dargestellten Grundsätze anzuwenden und nachvoll-
364 365 366
Vgl. hierzu oben, S. 111 ff. und S. 149 ff. Vgl. Hefendehl, in: Tiedemann/Schünemann, 185, 236 und oben, S. 149 ff. Vgl. hierzu oben, S. 168 ff.
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ziehbar zu begründen.367 Im Anschluss wird getrennt hiervon das Risiko der Entdeckung und Sanktionierung ausführlich und nachvollziehbar dargelegt und bewertet. So ist das Gericht dazu angehalten, nicht „bloß“ eine summarische Gesamtentscheidung über den Wert der Gegenleistung zu treffen. Auch die Überprüfung einer solchen Entscheidung wird hierdurch erleichtert.
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff? Trotz der auf der Vorteilsseite anzuwendenden, rein wirtschaftlichen Vermögensbewertung werden teilweise „punktuelle Normativierungen“368 vertreten. Diese Ausnahmen von der wirtschaftlichen Vermögensbewertung werden sowohl zulasten als auch zugunsten des Treunehmers angewendet und beabsichtigen meist einen Ausgleich zwischen dem von § 266 StGB bezweckten Schutz des Treugebervermögens und dem Schutz des Treunehmers vor einer übermäßigen Ausdehnung des Untreuestrafrechts. Im Folgenden werden einige dieser normativen Ausnahmebetrachtungen dargestellt und auf ihre Anwendbarkeit überprüft.
I. Zulasten des Treunehmers Zunächst sollen die in Rechtsprechung und Literatur angewendeten Normativierungen zulasten des Treunehmers betrachtet und eingeschätzt werden. 1. Das Einrichten schwarzer Kassen Eine Normativierung zulasten des Treunehmers wird in der BGH-Rechtsprechung zur Beurteilung schwarzer Kassen gesehen.369 367
Wenn ein allgemein anerkannter Schwarzmarktpreis für die Position besteht, ist dieser anzusetzen. Dann allerdings ist eine weitere Minderung nicht angezeigt, weil das mit der Illegalität verbundene Risiko bereits eingepreist ist, vgl. oben, S. 92 f. und S. 165 ff. Ansonsten wird es sich in der Regel auch um singuläre Ereignisse handeln. 368 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 95. 369 Saliger, in: Samson-FS, 455, 460 ff.; ders., in: S/S/W, § 266 Rn. 96 f.; vgl. Saliger/ Gaede, in: HRRS 2008, 57, 70; Satzger, in: NStZ 2009, 297 ff.; vgl. Brand, in: NJW 2010, 3458, 3464; Perron, in: Fischer/Hoven, 189 ff.; Rönnau, in: StV 2009, 246, 248 ff.; ders., in: Tiedemann-FS, 713 ff.; Kempf, in: Volk-FS, 231, 242 f.; vgl. ders., in: Hamm-FS, 255, 260, 262; Knauer, in: NStZ 2009, 151, 153; Bernsmann, in: GA 2009, 296, 300 ff.; Schünemann, in: StraFo 2010, 1, 8 ff.; ders., in: LK, § 266 Rn. 173, 179; ders., in: NStZ 2008, 430 ff.; Becker, in: HRRS 2010, 389; Jahn, in: JuS 2009, 173 ff.; Schlösser, in: HRRS 2009, 19 ff.; Tsagkaraki, Die Bildung der sog. „schwarzen Kassen“, S. 233 ff.; Sünner, in: ZIP 2009, 937 ff.; a. A. Ransiek, in: NJW 2009, 89, 96 f.; Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8 ff.; Hoven, in: Fischer/Hoven, 201 ff.; Momsen/Grützner-Schramm, § 266 Rn. 143.
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
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Die zahlreichen Kritiker dieser Rechtsprechung wenden sich (vornehmlich) gegen drei Annahmen des BGH: die Annahme eines endgültigen Vermögensnachteils bereits durch die „bloße“ Einrichtung einer verdeckten schwarzen Kasse, die fehlende Berücksichtigung der Verwendungsabsicht des Treunehmers und das Außerachtlassen letztlich erlangter Vermögensvorteile auf Seiten der Kompensation. Schwarze Kassen können unterschiedlich ausgestaltet sein. Sie können eine Konstellation in der öffentlichen Haushaltsuntreue darstellen oder ein verdecktes Konto in der Privatwirtschaft. Es kann sich um eine teilweise transparente Kasse „innerhalb“ des Unternehmens oder aber um ein externes Konto mit oder ohne Zugriffsmöglichkeiten Dritter handeln.370 Die folgende Betrachtung soll sich wiederum an der Konstellation Siemens/Enel orientieren. Allerdings hatte in diesem Fall bereits eine schwarze Kasse bestanden, die vom angeklagten Treunehmer nicht aufgedeckt, sondern weitergeführt wurde. Diese Besonderheit soll im Folgenden keine Rolle spielen. Es sollen verdeckte Kassen in der Privatwirtschaft behandelt werden, die außerhalb des Unternehmenszugriffs von einem loyalen Treunehmer eingerichtet und genutzt werden. a) Die Entwicklung der BGH-Rechtsprechung Die BGH-Rechtsprechung zur Beurteilung schwarzer Kassen hat sich in den letzten Jahren geändert und ist unter den Strafsenaten nicht einheitlich betrieben worden.371 Im Fall Kanther372 hatte der 2. Strafsenat in der Entziehung von Geldern zur Bildung schwarzer Kassen noch eine „bloße“ konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung gesehen.373 Durch die Einrichtung eines „[…] jeder Kontrolle durch den Berechtigten entzogenen ,Dispositionsfonds‘ […] trat eine konkrete, vom Berechtigten nicht zu kontrollierende und nur noch im Belieben der Täter stehende Möglichkeit des endgültigen Vermögensverlusts ein“.374
Diese Auffassung hat der 2. Strafsenat in der Siemens/Enel-Entscheidung ausdrücklich aufgegeben.375 Er entschied, dass durch die dauerhafte Entziehung der Verfügungsmöglichkeit über die Unternehmensgelder beim Treugeberunternehmen bereits ein endgültiger Vermögensschaden in Höhe der gesamten in der verdeckten Kasse enthaltenen Mittel eintrete. Ob die Gelder in dieser Kasse noch weiter vor370
Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 201. Vgl. hierzu die Rechtsprechung des 2. Strafsenats: BGH, NJW 2007, 1760 ff. und BGH, NStZ 2009, 95 ff.; dagegen der 1. Strafsenat: NJW 2008, 2451 ff.; und ihre damaligen Richter: RiBGH Fischer, in: StraFo 2008, 269 ff. und VRiBGH Nack, in: StraFo 2008, 277 ff.; wobei es hierbei vor allem um die Frage des Gefährdungsschadens an sich bei der Untreue und die Anforderungen an deren subjektiven Tatbestand ging. 372 BGH, NJW 2007, 1760 ff. 373 BGH, NJW 2007, 1760, 1764. 374 BGH, NJW 2007, 1760, 1764. 375 BGH, NStZ 2009, 95, 99. 371
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handen seien, sei nicht von Belang. Die Bestimmung über die Verwendung des eigenen Vermögens obliege dem Vermögensinhaber, also im Fall einer Kapitalgesellschaft (Siemens AG) deren zuständigen Organen.376 Wenn diese zuständigen Organe auf die verdeckten Vermögenswerte keinen Zugriff mehr nehmen könnten, liege ein endgültiger Verlust dieser Werte vor. Der 2. Strafsenat ist der Auffassung, dass die Möglichkeit der Disposition über das eigene Vermögen zum Kern des Schutzbereichs von § 266 StGB gehöre.377 Die tatsächliche spätere Verwendung der entzogenen Mittel stellt, nach Auffassung des 2. Strafsenats „lediglich“ eine Schadensvertiefung dar. Erlangte Vermögensvorteile, welche dem Treugeberunternehmen aufgrund der Zahlungen aus den verdeckten Mitteln später zuflössen, kämen darüber hinaus für eine Kompensation nicht infrage und stellten „lediglich“ eine Schadenswiedergutmachung dar.378 Noch „weiter“ ging der 2. Senat schließlich im Fall Trienekens.379 Wobei sich der 1. Strafsenat in seiner neuesten Entscheidung dieser Auffassung anschloss.380 In beiden Fällen hatte das für die konkrete Vermögensverwaltung zuständige Organ(teil) des Treugeberunternehmens gehandelt (oder zumindest positive Kenntnis gehabt) und somit letztlich derjenige, der nach dem Siemens/Enel-Urteil über die Verwendung des Vermögens hatte bestimmen dürfen. Diese zuständigen Organe hatten auch weiterhin Zugriff auf die Gelder, sodass nach den Vorgaben im Fall Siemens/Enel ein Vermögensnachteil hätte verneint werden müssen. Der 2. und auch der 1. Strafsenat haben allerdings den endgültigen Vermögensnachteil jeweils mit der konkreten Ausgestaltung der verdeckten Kasse begründet.381 In beiden Fällen waren Strohmänner und Boten, also Dritte, eingesetzt worden, um die Gelder in den verdeckten Kassen zu verwalten oder Bargeld zu transportieren. Somit hätten diese Dritten ungehinderten Zugang zu den verdeckten Unternehmensgeldern gehabt, ohne dass hiergegen eine Sicherung bestanden hätte. Das Treugeberunternehmen selbst habe, außer durch das zwar zuständige aber pflichtwidrig handelnde Organ(teil), keine Kontrolle über die Gelder gehabt. Dies stelle, nach Ansicht der beiden Strafsenate, einen endgültigen Entzug der betreffenden Unternehmensmittel dar. b) Kritische Prüfung der Rechtsprechung Es soll im Folgenden überprüft werden, ob durch die Einrichtung einer verdeckten externen schwarzen Kasse ein endgültiger Vermögensnachteil eintritt, welcher durch die Auszahlung des hierauf „geparkten“ Treugebervermögens zu Bestechungs376 377 378 379 380 381
BGH, NStZ 2009, 95, 98. BGH, NStZ 2009, 95, 99. BGH, NStZ 2009, 95, 98. BGH, NJW 2010, 3458, 3462. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 53 ff. BGH, NJW 2010, 3458, 3462; BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 53.
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zwecken „nur noch“ vertieft wird und deshalb durch die auf die Bestechungszahlung folgende Erlangung von geldwerten Aufträgen nicht mehr kompensiert werden kann. Hierzu soll der geschilderte Sachverhalt unter die Grundsätze subsumiert werden, die für die Bewertung einer Vermögensveränderung erarbeitet wurden. Es wird daher zunächst der potentielle Vermögensabfluss ((1)) und anschließend, getrennt hiervon, ein möglicher Vermögenszufluss ((2)) untersucht. aa) Vermögensabfluss Als Vermögensabfluss kommen vorliegend die Einrichtung der schwarzen Kasse selbst (Siemens/Enel), der sogenannte Zinsschaden382 und, in Anbetracht der neuesten Rechtsprechung, die konkrete Ausgestaltung der schwarzen Kasse (Trienekens; Arzneimittel/Russlandgeschäft) in Betracht. (1) Einrichtung der schwarzen Kasse (a) Totalverlust durch Aussonderung der Gelder Der 2. Strafsenat sieht in dem Einrichten bzw. (Fort)Führen der schwarzen Kasse einen endgültigen Vermögensabfluss, da der Treunehmer die hierin befindlichen Gelder des Treugebers auf Dauer vorenthalte und dieser nicht mehr selbst über sein Vermögen bestimmen könne.383 Es handele sich bei der Einrichtung der verdeckten schwarzen Kasse nicht um eine bloße Einschränkung der Dispositionsmöglichkeit des Treugebers, denn die Vermögenswerte seien dem Vermögen endgültig entzogen worden. Die Möglichkeit zur Disposition über das eigene Vermögen gehöre gerade zum Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition.384 Teile der Literatur schließen sich dem an.385 Wenn der Treugeber aufgrund der heimlichen Aussonderung der Gelder keinen Zugriff auf sein Vermögen nehmen könne, sei der hierdurch begründete Nachteil wirtschaftlich identisch mit einem Totalverlust des Geldes. Es mache für den Treugeber keinen Unterschied, ob die Gelder vom Treunehmer verbraucht worden seien oder ob der Treugeber von ihrer Existenz schlicht keine Kenntnis habe. Denn in beiden Fällen seien die Mittel für den Treugeber verloren.386 Hoven und Fischer vergleichen diese Situation mit einer Diebstahlskonstellation, in der die bewegliche Sache aus dem Herrschaftsbereich des Eigentümers entfernt und an einem geheimen Ort versteckt werde.387 Der Diebstahl einer Sache sei (überspitzt formuliert) typologisch nichts anderes als der Entzug der 382
Vgl. hierzu oben, S. 128 ff. BGH, NStZ 2009, 95, 98. 384 BGH, NStZ 2009, 95, 99. 385 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 205; Fischer, in: NstZ-Sonderheft 2009, 8, 16; Ransiek, in: NJW 2009, 89, 95. 386 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 205. 387 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 205; vgl. Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 16. 383
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Dispositionsmöglichkeit.388 Diesem Vergleich stehe nicht entgegen, dass Diebstahl und Unterschlagung über die Wegnahme hinaus eine Aneignungskomponente beinhalteten und hier somit auch die „böse“ Gesinnung des Täters eine Rolle spiele. Denn der Tatbestand der Untreue setze eine eigen- oder fremdnützige Absicht gerade nicht voraus, sodass die Verwendungsabsicht des Treunehmers nicht in das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils hineingelesen werden könne.389 Das Einzige worauf es ankomme, sei, dass das Geld letztlich für den Treugeber „weg“390 sei. Durch den vollständigen Entzug der Kontrollmöglichkeit erwiesen sich die Gelder für den Treugeber nicht etwa normativ, sondern gerade wirtschaftlich tatsächlich als „Nullum“.391 Es solle durch die Entscheidung des 2. Strafsenats nicht die Dispositionsmöglichkeit an sich geschützt, sondern nur ihr vollständiger Verlust als Vermögensnachteil eingestuft werden. Eine Rechtsgutsvertauschung finde daher nicht statt.392 (b) Kein Vermögensabfluss durch Aussonderung Andere Teile der Literatur393 halten diesen Ausführungen entgegen, dass wirtschaftlich gesehen im Zeitpunkt der Einrichtung der schwarzen Kasse gerade nicht von einem Abfluss des Treugebervermögens auszugehen sei. Die Gelder seien in der schwarzen Kasse (also auf einem externen Konto) noch vorhanden und der hierbei innerhalb seiner Befugnisse handelnde Treunehmer habe auch noch die vollständige Kontrolle über die Gelder. Im Fall Trienekens war es sogar das zuständige und somit willensbildende Organ der Treugebergesellschaft selbst. Es handele sich in dieser Konstellation „lediglich“ um eine Beschränkung und nicht den „Totalverlust“ der Dispositionsfreiheit des Treugebers.394 Es komme durch die Rechtsprechung des 2. Strafsenats also sehr wohl zu einer Rechtsgutsvertauschung.395 Die Untreue sei ein Vermögensdelikt und das Vermögen auch ihr einziges Schutzgut. Die Dispositionsfreiheit solle von § 266 StGB, wie bereits ausgeführt, nicht geschützt werden. Durch die Annahme der Gegenmeinung, ein dauerhaftes Vorenthalten komme einem Totalverlust gleich, werde die Untreue den Eigentumsdelikten gleichgestellt. Dies allerdings verkenne die wirtschaftliche Bedeutung 388
Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 205; vgl. Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 16. Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 205 f.; vgl. Ransiek, in: NJW 2009, 89, 95. 390 Ransiek, in: NJW 2009, 89, 95. 391 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 206. 392 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 207; vgl. Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 16. 393 Saliger, in: Samson-FS, 455, 460 ff.; ders., in: S/S/W, § 266 Rn. 96 f.; vgl. Saliger/ Gaede, in: HRRS 2008, 57, 70; Satzger, in: NStZ 2009, 297 ff.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 173, 179; Knauer, in: NStZ 2009, 151, 153; Sünner, in: ZIP 2009, 937, 937. 394 Saliger, in: Samson-FS, 455, 460 ff.; ders., in: S/S/W, § 266, Rn. 96 f.; vgl. Saliger/ Gaede, in: HRRS 2008, 57, 70; Satzger, in: NStZ 2009, 297 ff.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 173, 179; Knauer, in: NStZ 2009, 151, 153. 395 Vgl. Saliger, in: Samson-FS, 455, 463 f. 389
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schwarzer Kassen für den Treugeber und das besondere Täterprofil des Untreuetatbestands. Die „abgezweigten“ Gelder sollten, anders als beim Diebstahl, zugunsten des Treugebers verwendet werden. Die schwarze Kasse sei wirtschaftlich niemals „Selbstzweck“396, sondern werde vom Treunehmer geschaffen, um Geschäftsanbahnungen oder -durchführungen ermöglichen bzw. erleichtern zu können.397 Es müsse also auf das Motiv des Treunehmers ankommen. Saliger bezeichnet diese Berücksichtigung als „verwendungszweckabhängige Betrachtungsweise“.398 Dies sei nötig, um den wirtschaftlichen und sozialen Sinngehalt des Vorgangs erfassen zu können.399 Darüber hinaus finde, aufgrund der Annahme eines Vermögensnachteils durch den Entzug der Verfügungsmöglichkeit, eine Verschleifung von Tathandlung und -erfolg statt. Denn der Entzug der Verfügungsmöglichkeit stelle letztlich das pflichtwidrige Handeln des Treunehmers dar. Es könne aus dem Handlungsunwert nicht gleichzeitig und ausschließlich auch der Erfolgsunwert – der Nachteil – gefolgert werden.400 Hierdurch komme es darüber hinaus zu einer Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit, was zur Verhinderung einer Rücktrittsmöglichkeit führe.401 (c) Einschätzung Dieser letztgenannten Auffassung ist zumindest eingeschränkt zuzustimmen. Bei der Untreue geht es nicht darum, das bestehende Vermögen in seiner konkreten Zusammensetzung genauso zu erhalten, sondern darum, das Vermögen in seinem Wert nicht zu schmälern. Dennoch muss anerkannt werden, dass grundsätzlich die Kenntnis über die Existenz der eigenen Vermögensbestandteile und die damit verbundene Zugriffsmöglichkeit den Wert von Wirtschaftsgütern maßgeblich mitbestimmt.402 Laut Rönnau liegt der Wert eines Vermögensgegenstandes „[…] in der Möglichkeit seines Einsatzes zur willkürlichen Entfaltung durch den Rechtsgutsinhaber. […] Um von dieser Freiheit Gebrauch machen zu können, muß der Rechts-
396
Sünner, in: ZIP 2009, 937, 937. Saliger, in: Samson-FS, 455, 462 mit Verweis auf Sünner, in: ZIP 2009, 937, 937. 398 Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 418 ff.; vgl. auch Strelczyk, Die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen, S. 110 ff. 399 Saliger, in: Samson-FS, 455, 462 f. 400 Vgl. Saliger, in: Samson-FS, 455, 463. 401 Saliger, in: Samson-FS, 455, 481. 402 Rönnau, in: StV 2009, 246, 248 f., m. w. N.; Bublitz/Gehrmann, in: wistra 2004, 126, 130 f. 397
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gutsträger Kenntnis von seinen Vermögensgegenständen haben oder jedenfalls ohne große Widerstände erlangen können.“403
Allerdings muss diese grundsätzlich zutreffende Einschätzung im Rahmen des arbeitsteilig organisierten Wirtschaftslebens und innerhalb der typischen Aufgabenverteilung in privaten Wirtschaftsunternehmen eingeschränkt werden. Wie ausgeführt, fallen innerhalb wirtschaftlicher Unternehmen die Inhaberschaft und die Verfügungsmacht über das Vermögen häufig auseinander. Das Treugeberunternehmen (bzw. seine Organe) gibt zur effizienteren Erledigung der verschiedenen anfallenden Aufgaben sein Vermögen in „fremde“ Obhut. Hierbei werden den jeweiligen Treunehmern in der Privatwirtschaft häufig erhebliche Freiheiten und Entscheidungsspielräume hinsichtlich der Verwendung des Vermögens eingeräumt. Es kommt dem Treugeberunternehmen in diesen Fällen nicht darauf an, ständig über den Verbleib von einzelnen Vermögenspositionen informiert zu sein.404 Es ist also innerhalb des Treugeberunternehmens gerade vorgesehen, dass die Disposition über das Vermögen nicht durch dieses selbst, sondern durch leitende Angestellte mit Geschäftsführungsbefugnissen – die Treunehmer – ausgeübt wird. Normalerweise wird das Treugeberunternehmen sich zwar durch die Buchhaltung oder andere Kontrollmittel über die Verwendung des Vermögens Klarheit verschaffen können, aber faktisch hat allein der handelnde Angestellte Kenntnis von der konkreten Verwendung. Für die wirtschaftliche Wertberechnung macht es keinen Unterschied, ob der Treugeber theoretisch Kenntnis erlangen kann oder nicht. Denn praktisch wird in beiden Varianten das Vermögen vom Treunehmer verwaltet ohne dass der Treugeber mit seiner theoretischen Kenntnis den Zugriff verhindern könnte.405 Vor diesem Hintergrund kennzeichnet es die Untreue gerade gegenüber dem Betrug, dass hier ein Angriff auf das Vermögen von innen406 stattfindet. Das heißt aber gerade, dass sich die ausgesonderten Gelder, indem sie innerhalb der Kontrolle des Treunehmers verbleiben, zunächst noch im Vermögensverband des Treugeberunternehmens befinden, auch wenn der Treunehmer die Gelder auf ein für das Treugeberunternehmen verdecktes Konto aussondert. Denn für den wirtschaftlichen Wert einer Vermögensposition ist, zumindest wenn es sich um einen zuverlässigen loyalen Treunehmer handelt, der volle Kontrolle über diese Positionen hat, das Wissen desjenigen maßgeblich, der für ihre Verwaltung und ihren Einsatz verantwortlich ist.407 403
Rönnau, in: StV 2009, 246, 249. Satzger, in: NStZ 2009, 297, 303; Sünner, in: ZIP 2009, 937, 938. 405 So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 171, vgl. auch oben, S. 178 ff. 406 NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 3; Saliger, in: HRRS 2006, 10, 17 m. w. N.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 1 f.; Satzger, in: NStZ 2009, 297, 303. 407 Rönnau, in: StV 2009, 246, 250; vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 180, vgl. oben, S. 178 ff. 404
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In allen beschriebenen Fallkonstellationen haben erfahrene, bewährte und qualifizierte Mitarbeiter des jeweiligen Treugebers gehandelt, welche die schwarzen Kassen teilweise über Jahre als etabliertes System führten und so die Kontrolle über die Gelder zugunsten des Treugeberunternehmens ausüben wollten. Die Einrichtung der schwarzen Kassen war in keinem der Fälle eine „Panikaktion[en] oder Zockerei[en] eines Spielers, sondern plausible wirtschaftliche Kalküle, auch wenn diese letztlich nicht aufgingen“.408 Es kann hier also nicht davon ausgegangen werden, dass das Geld mit der Aussonderung in die verdeckten Kassen endgültig „weg“ gewesen sei. Denn es befindet sich noch im Herrschaftsbereich des Treugeberunternehmens und zwar in den Händen eines von diesem mit weitreichenden Vollmachten ausgestatten loyalen Treunehmers. Im Einzelfall kann es ohne weiteres, aus der ex ante-Perspektive betrachtet, dennoch zu einer schadensgleichen Gefährdung der Gelder kommen. Dies gilt, wenn aus Sicht des Wirtschaftsverkehrs gefährdende Umstände vorliegen, welche die Vermögenswerte in der verdeckten Kasse in ihrem Wert bereits aktuell reduzieren.409 Dies wäre der Fall, wenn der Treunehmer nicht mehr die volle Kontrolle über die Gelder ausüben könnte oder seine Verwendungsabsicht ändern würde. Ein endgültiger Verlust kann dagegen nicht grundsätzlich und pauschal angenommen werden, da – wirtschaftlich betrachtet – die Kasse von dem loyalen Treunehmer gerade eingerichtet wird, um das Treugebervermögen zu vermehren und es auf die Aussonderung der konkreten Vermögensteile allein nicht ankommen kann. Denn die Untreue schützt das Vermögen als Ganzes und nicht die Disposition über einzelne Vermögensgegenstände. Die Saldierungsebene (auf welcher die letztlich erlangten Vorteile mit dem Vermögensabfluss verrechnet werden) darf nicht auf diese Weise „abgeschnitten“ werden. Es muss also letztlich auch auf den Treunehmer und seine Gesinnung abgestellt werden. Denn hiernach entscheidet sich, ob das Vermögen noch über den loyalen Treunehmer für das Treugeberunternehmen beherrscht wird oder eben – bei einem nicht loyalen Treunehmer – bereits außerhalb jeder Kontrollmöglichkeit liegt. Nur durch die Berücksichtigung dieses vom Treunehmer verfolgten Verwendungszwecks kann ex ante die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung der Einrichtung der schwarzen Kasse beurteilt werden. In diesem Verwendungszweck liegt auch, wie angedeutet, der Unterschied zwischen einem Treunehmer in der vorliegenden Konstellation und einem Dieb. Der Treunehmer, der eine schwarze Kasse nach dem Vorbild Siemens/Enel oder Trienekens einrichtet, hat sich subjektiv auf eine Verwendung des Treugebervermögens im Interesse des Treugebers festgelegt.410 Diese Praxis wurde vor allem bei 408 409 410
Perron, in: Fischer/Hoven, 189, 196. Vgl. Satzger, in: NStZ 2009, 297, 303. Rönnau, in: StV 2009, 246, 249.
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Siemens/Enel lange angewendet. Faktisch haben sich die jeweiligen Treunehmer hinsichtlich des Vermögens in den schwarzen Kassen als Treuhänder verhalten.411 Eine Eigenbereicherung wurde – zumindest im Fall Siemens/Enel – vom Landgericht nicht festgestellt.412 Für die Einschätzung des durch die Aussonderung erlittenen wirtschaftlichen Vermögensabflusses ist die Figur der Vermögensgefährdung demnach passender als die Annahme eines vollständigen Endschadens. Für die Bestimmung eines Gefährdungsschadens können sowohl objektive als auch subjektive Faktoren (letztere zumindest soweit sie verobjektivierbar sind) berücksichtigt werden.413 Denn hierzu bedarf es, wie ausgeführt, einer Prognoseentscheidung über die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Verlusts. Hierbei muss auch die Absicht des Treunehmers, der schließlich als einziger tatsächlich über die Vermögensgegenstände verfügt, eine wichtige Rolle spielen.414 Hieraus folgt das Risiko, dass der Treunehmer das abgezweigte Vermögen jenseits des für sich selbst gesetzten Zweckrahmens verwendet.415 Diese Möglichkeit besteht allerdings auch bei legal geführten Kassen. Dabei handelt es sich jedoch entgegen der Annahme des 2. Strafsenats „lediglich“ um ein Risiko, das es anhand wirtschaftlicher Kriterien aus der ex ante-Sicht einzuschätzen gilt. Dieses Risiko kann nicht pauschal für alle Konstellationen als Totalverlust des Vermögens eingestuft werden, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für eine nicht loyale Verwendung der Gelder bestünden. Bis zu einem derartigen Nachweis ist zunächst von einer (sogar nur) abstrakten Gefahr für das betreute Vermögen auszugehen.416 Hoven wendet hiergegen ein, dass ein derartiger loyaler und „übertreue[r]“417 Treunehmer nicht (mehr) existiere und dass es schwer zu beurteilen sein werde, ob der Treunehmer tatsächlich im Interesse des Unternehmens handeln oder sich selbst bevorteilen wolle. Es seien Schutzbehauptungen zu befürchten.418 Dies allerdings ist ein reines Beweisproblem hinsichtlich der subjektiven Tatseite. Eine derartige Gefahr ergibt sich nicht nur bei der Untreue, sondern beispielsweise auch bei der Zueignung i. R. d. § 246 Abs. 1 StGB. In diesem Kontext wird das Problem auch von Fischer419 über die Heranziehung der sog. Manifestationstheorie als Objektivierung der subjektiven Komponente gelöst. Ein solches Beweisproblem kann jedenfalls 411
Rönnau, in: StV 2009, 246, 249. Rönnau, in: StV 2009, 246, 249. 413 Rönnau, in: StV 2009, 246, 249; ders., in: Tiedemann-FS, 713, 731 ff.; Schünemann, in: NStZ 2008, 430, 433 m. w. N. 414 Rönnau, in: Tiedemann-FS, 713, 731 f. m. w. N. 415 Rönnau, in: StV 2009, 246, 249. 416 Rönnau, in: StV 2009, 246, 249. 417 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 215. 418 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 209. 419 Fischer, StGB, § 246 Rn. 6 ff. 412
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nicht als Argument für die dogmatische Frage der Nachteilsberechnung nutzbar gemacht werden.420 Die Einrichtung der schwarzen Kasse ist also – wenn ein loyaler, zumindest grundsätzlich innerhalb seiner Befugnisse handelnder, Treunehmer agiert – zunächst eine Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB, weil gegen eine abstrakte innere Legalitätspflicht des Treugebers verstoßen wird. Ob hierdurch darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung begründet und der Wert des Vermögens verringert wird, hängt vom Einzelfall und der Verwendungsabsicht des Treunehmers selbst ab. Von einem stets eintretenden endgültigen Vermögensabfluss kann dagegen nicht ausgegangen werden. (2) Zinsschaden Bereits durch die Einrichtung der schwarzen Kasse kommt es allerdings zu einem Vermögensabfluss in Höhe eines bereits oben erläuterten Zinsschadens.421 Dem Treugeberunternehmen wird bereits durch die Aussonderung der Gelder die Möglichkeit genommen, diese gewinnbringend anzulegen. Zwar würde das Vermögen im Rahmen der oben ausgeführten Arbeitsteilung wiederum durch den Treunehmer und nicht den Treugeber selbst angelegt, allerdings ist bereits aus der ex ante-Sicht sicher davon auszugehen, dass eine gewinnbringende Anlegung der Gelder in der schwarzen Kasse durch den Treunehmer nicht stattfinden wird. Dieser richtet die Kasse gerade ein, damit das Geld jederzeit verfügbar ist und wird es daher nicht fest anlegen. Diese bereits aus der ex ante-Sicht bestehende und sichere Verlustgefahr stellt einen Vermögensabfluss in Höhe der entgangenen Zinsen dar. Allerdings ist dieser Abfluss, wie oben ausgeführt, bei dem bestehenden niedrigen Zinsniveau als gering anzusehen. (3) Konkrete Ausgestaltung – Zugriff Dritter Im Fall Trienekens und im Fall Arzneimittel/Russlandgeschäft des 1. Strafsenats wird zur Begründung eines Endschadens letztlich nicht auf die Einrichtung der Kasse an sich abgestellt. Dies wäre nach der Argumentation bei Siemens/Enel auch schwer vertretbar, da in beiden Fällen das zuständige Organ(teil) des Treugebers handelte bzw. Kenntnis hatte. Diese Fälle gehören deshalb streng genommen nicht zu der vorliegend diskutierten Fallgruppe. Dennoch soll hierauf kurz eingegangen werden. Beide Strafsenate begründen den endgültigen Vermögensnachteil mit der konkreten Ausgestaltung der Kasse. Der Nachteil soll also nicht auf der Tatsache beruhen, dass eine schwarze Kasse eingerichtet wurde, sondern auf deren konkreter Ausgestaltung. Es kam den 420
Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 207. Allerdings wiederum nicht in Form des „zeitabhängigen Zinsschadens“ nach Schmitz, Unrecht und Zeit, S. 184. Vgl. hierzu oben, S. 132 ff. 421
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Strafsenaten darauf an, dass vom Moment der Einrichtung an, „unbefugte“ Dritte, welche vom Treugeberunternehmen nicht mit den gleichen Befugnissen zur Vermögensbetreuung ausgestattet worden waren wie die Treunehmer, Zugriff auf die Gelder hatten. „Eine Sicherung gegen eigenmächtige Zugriffe der zur Unterhaltung der schwarzen Kassen oder zum Transport der Bargelder eingesetzten Personen […] bestand nicht […].“422 Diese Zugriffsmöglichkeit Dritter soll nach Ansicht der beiden Strafsenate der „jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit der Treugeberin“423 entgegenstehen. Hiermit ist wohl die Dispositionsfreiheit des Treugebers als Kern des Schutzguts Vermögen i. S. d. § 266 StGB angesprochen. Im Fall Arzneimittel/Russlandgeschäft geht der 1. Strafsenat davon aus, dass die Tatsache, dass „ein Vorstandsmitglied Kenntnis davon hatte, dass Gelder unter Verschleierung ihres tatsächlichen Verwendungszweckes auf ausländische Konten transferiert worden sind“ an dieser Einschätzung nichts ändere. Dies auch deshalb, weil das Vorstandsmitglied selbst maßgeblich in die pflichtwidrige Handlung verstrickt gewesen sei.424 Die Strafsenate gehen also davon aus, dass die Zugriffsmöglichkeit Dritter die Zugriffsmöglichkeit des Treugebers vollständig und endgültig verhindere. Beide gehen von einem Vermögensnachteil in voller Höhe der ausgesonderten Gelder aus, obwohl ein Teil des willensbildenden Organs Kenntnis, und im Fall Trienekens persönliche Zugriffsmöglichkeiten, hinsichtlich des ausgesonderten Vermögens hatte. Vor allem im Trienekens-Urteil bleiben diese Annahmen abstrakt und ohne detaillierte Prüfung der tatsächlich bestehenden wirtschaftlichen Situation. Diese Rechtsprechung widerspricht dem Siemens/Enel-Urteil. Ein willensbildendes Organ hatte Kenntnis von den Vorgängen und konnte die Gelder für das Treugeberunternehmen durch seine Zugriffsmöglichkeit beherrschen. Die Annahme eines Totalverlustes ist nicht vertretbar. Die Ausführungen zu der Gefahr, die von einem Zugriff unbefugter Dritter ausgehe, sind zwar abstrakt nachvollziehbar. Hierbei handelt es sich allerdings um eine Gefährdung des ausgesonderten Vermögens. Es kann deshalb nicht abstrakt ein Totalverlust angenommen werden. Die konkrete Situation hätte gerade im Fall Trienekens wirtschaftlich bewertet werden müssen. Die Höhe des zu befürchtenden Wertverlustes hängt von den einzelnen Personen ab, die Zugriff hatten. Handelt es sich hier um mehrere oder nur eine Einzelperson. Sind diese Personen in ein festes System eingebunden? Wie hoch sind ihre Einflussmöglichkeiten und wie wahrscheinlich ist ein tatsächlicher Zugriff auf die Gelder. Außerdem wird auch die Kontrollmöglichkeit des Treugeberunternehmens durch sein Willensorgan, entgegen der Annahme des 1. Strafsenats, sehr wohl eine Rolle spielen müssen. Wenn das Organ selbst tatsächlich jederzeitigen Zugriff auf die 422 423 424
BGH, NJW 2010, 3458, 3462; vgl. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 56. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 59; vgl. BGH, NJW 2010, 3458, 3462. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 59.
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Gelder hat und ein unbefugtes Handeln der Dritten verhindern kann, ist eine konkrete Vermögensgefährdung unwahrscheinlich. In den hier besprochenen Fällen handelt es sich also um eine oben beschriebene, zu der reinen Einrichtung der schwarzen Kasse hinzutretende, zusätzliche Gefährdung durch äußere Umstände, die nach den dargelegten Grundsätzen der konkreten Vermögensgefährdung beurteilt werden müsste. Dem dürften die Ausführungen im Trienekens-Urteil nicht gerecht werden.425 Der 1. Strafsenat hat dagegen eine solche Abwägung in der Entscheidung Arzneimittel/ Russlandgeschäft tatsächlich vorgenommen. Er hat die Person des Dritten, seine Vertrauenswürdigkeit sowie die Verteilung der Gelder auf verschiedene Konten durch mehrere weitere, unbekannte Personen konkret bewertet.426 Der 1. Strafsenat ist deshalb davon ausgegangen, dass das ursprünglich informierte Organteil letztlich keine Kenntnis und keinen Einfluss mehr auf den Verbleib der ausgesonderten Gelder gehabt habe. Ein vollständiger Vermögensverlust bereits im Moment der Aussonderung konnte daher in diesem speziellen Fall wohl angenommen werden.427 (4) Zusammenfassung Die Einrichtung einer schwarzen Kasse durch einen loyalen Treunehmer, der die Kontrolle über die sich in der Kasse befindlichen Gelder behält, stellt für den Treugeber keinen endgültigen Vermögensabfluss dar. Allein durch das Vorenthalten dieser Gelder ergibt sich allerdings ein – bei niedrigem Zinsniveau geringer – Zinsschaden. Die konkrete Ausgestaltung der schwarzen Kasse, die es Dritten ermöglicht auf die hierin befindlichen Gelder unbemerkt Zugriff zu nehmen, kann je nach Einzelfall eine konkrete Vermögensgefährdung darstellen. Auch hier entsteht allerdings nicht stets ein Totalverlust der Gelder i. S. eines Endschadens bereits mit der Einrichtung der schwarzen Kasse. Es handelt sich vielmehr um einen von außen hinzutretenden, zusätzlichen Faktor, welcher zu einer konkreten Gefährdung des Treugebervermögens führen kann. Daraus ergibt sich, dass die anschließende Verwendung der Gelder zu Bestechungszwecken eine eigenständige pflichtwidrige Handlung i. S. d. § 266 StGB darstellt. Dieser Sachverhalt muss also eigenständig auf Vermögensabfluss und -zufluss untersucht werden. Hierfür kann auf die erarbeiteten allgemeinen Grundsätze verwiesen werden. Als Vermögensabfluss wird also häufig „nur“ der Zinsschaden verbleiben. Dieser könnte bei der reinen Aufrechterhaltung der schwarzen Kasse einen Vermögensnachteil darstellen. Da aber die Einrichtung der schwarzen Kasse, wie ausgeführt, 425 426 427
Vgl. BGH, NJW 2010, 3458, 3462 und unten, S. 237 ff. BGH, BeckRS 2018, 37760 Rn. 57 ff. Siehe hierzu ausführlich unten, S. 244 ff.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
selten Selbstzweck sein wird, kommt eine Kompensation dieses (aktuell sehr geringen) Zinsschadens durch einen Vermögenszufluss in Betracht. bb) Vermögenszufluss/Kompensation Grundsätzlich kann unter Anwendung der Gesamtsaldierung ein Vermögensabfluss durch einen entsprechenden Vermögenszufluss kompensiert werden, sodass ein Nachteil zu verneinen wäre. Diese Möglichkeit der schadensausgleichenden Kompensation wird allerdings durch die Annahme eines Endschadens bereits durch die Einrichtung der schwarzen Kasse vollständig „abgeschnitten“. Der 2. Strafsenat setzt sich folglich mit den möglichen wirtschaftlichen Vorteilen nur am Rande auseinander und lehnt diese als irrelevant ab.428 Nach der hier vertretenen Ansicht stellt die „bloße“ Einrichtung der schwarzen Kasse an sich schon keinen Vermögensabfluss dar, der kompensiert werden müsste. Die folgenden Ausführungen beziehen sich deshalb auf die Kompensation eines (aktuell sehr geringen) Zinsschaden und einer eventuellen zusätzlichen Vermögensgefährdung, die sich aus der konkreten Ausgestaltung der schwarzen Kasse ergeben könnte.429 Es wird im Rahmen der zufließenden Positionen unterschieden zwischen der Erlangung von Chancen auf zukünftige werthaltige Vermögenszuflüsse ((a)) und der Chance auf Rückzahlung des ausgesonderten Vermögens durch den Treunehmer ((b)). (1) Chance auf zukünftige Zuflüsse Nach dem bereits Erläuterten, kann die Verwendungsabsicht des Treunehmers zugunsten des Treugebers bereits dazu führen, dass das Vermögen des Treugebers gar nicht erst konkret gefährdet ist.430 In diesen Fällen ist eine Kompensation nicht von Belang, da es bereits am Vermögensabfluss fehlt. Wenn allerdings die konkrete Ausgestaltung der schwarzen Kasse doch die Annahme einer tatsächlichen Vermögensgefährdung stützt, müsste ein Vermögensabfluss in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bejaht werden. Gleiches gilt für den durch die Aussonderung entstandenen Zinsschaden. Dann könnte sich allerdings aus der Absicht des Treugebers, die Gelder zur Gewinnmaximierung einzusetzen, ein Vermögenszufluss ergeben, der den Abfluss kompensieren könnte. (a) Verwendungsabsicht des Treunehmers – vermögenswerte Exspektanz? Nach Ansicht des 2. Strafsenats ist allerdings die Absicht des Treunehmers, die Unternehmensgelder bei 428 429 430
Saliger, in: Samson-FS, 455, 481. Vgl. hierzu oben, S. 195 f. und S. 195 ff. Vgl. auch Rönnau, in: Tiedemann-FS, 713, 733.
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
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„[…] späterer Gelegenheit im Interesse der Treugeberin einzusetzen, insbesondere um durch verdeckte Bestechungszahlungen Aufträge für sie zu akquirieren und ihr so mittelbar zu einem Vermögensgewinn zu verhelfen“431
ohne Belang. Teile der Literatur schließen sich dem an.432 Eine Begründung, weshalb diese Absicht ohne Belang sein und deshalb nicht berücksichtigt werden soll, liefert der 2. Strafsenat nicht, sondern belässt es bei der schlichten Ablehnung.433 Hoven434 weist wiederum auf Schwierigkeiten hinsichtlich der verlässlichen Feststellung subjektiver Absichten hin und darauf, dass die „erklärte Loyalität eines Mitarbeiters weder für das Unternehmen noch für den mit der Sache befassten Richter hinreichende Sicherheit bieten“. Fischer führt aus, dass eine Absicht „offenkundig kein gegenwärtiger Vermögenswert“ sei und nicht mit einer objektiven Sachlage gleichgesetzt werden könne.435 Tatsächlich wird durch die Verwendungsabsicht des Treunehmers zugunsten des Treugebers im Moment der Einrichtung der schwarzen Kasse kein aktueller Vermögenszufluss erlangt werden, sondern allenfalls die konkrete wirtschaftlich wertvolle Aussicht auf eine Vermögensmehrung (spiegelbildlich dazu, dass es im Moment der Einrichtung nicht zu einem tatsächlichen Vermögensabfluss, sondern „lediglich“ zu einer konkreten Gefährdung kommen kann436). Es müssen also die für eine vermögenswerte Exspektanz entwickelten Grundsätze herangezogen werden. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, ob der anvisierte Vermögensvorteil werthaltig ist und die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts gerade durch die Handlung des Treunehmers mit loyaler Verwendungsabsicht unmittelbar begründet oder gesteigert wird.437 Der 2. Strafsenat geht in seiner Entscheidung davon aus, dass es sich bei der Chance auf Vermögenszufluss nicht um eine konkrete, vermögenswerte Chance handele: „Weder die vage Chance, auf Grund des Mitteleinsatzes zu Bestechungszwecken später einmal einen möglicherweise im Ergebnis wirtschaftlich vorteilhaften Vertrag abzuschließen, noch gar die bloße Absicht des Täters, die entzogenen Mittel für solche Zwecke zu verwenden, stellen einen zur Kompensation geeigneten gegenwärtigen Vermögensvorteil dar.“438
431
BGH, NStZ 2009, 95, 98. Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 208 ff.; Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 16 f. 433 So auch Schlösser, in: HRRS 2009, 19, 24. 434 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 209. 435 Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 17. 436 Vgl. oben, S. 189 ff. 437 Vgl. zur Berücksichtigung von Exspektanzen auf Zuflussseite oben, S. 135 ff., und S. 171 ff., und vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 172. 438 BGH, NStZ 2009, 95, 98. 432
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Der Senat stützt seine Ablehnung der Kompensation also vor allem auf die fehlende Unmittelbarkeit zwischen der Einrichtung der schwarzen Kasse bzw. der Verwendungsabsicht des Treunehmers und der Erlangung einer Gewinnchance.439 Hoven führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Kompensation eines wirtschaftlichen Nachteils nicht allein vom Willen des Treunehmers abhinge, sondern auch aus anderen Gründen scheitern könne: Durch unzuverlässiges Handeln Dritter, unvorhersehbare Änderungen von Ausschreibungsbedingungen oder frühzeitige Aufdeckung der illegalen Geschäftspraxis.440 Es soll also an der Beherrschbarkeit der Vermögensmehrung fehlen, was zur Verneinung einer vermögenswerten Exspektanz führen müsse.441 Laut Hoven fehle es außerdem offensichtlich an einer Unmittelbarkeit der Vorteilserlangung, weil die Gelder „erst Jahre nach ihrer Einzahlung auf die Konten zu Zwecken der Korruption“442 abgeflossen seien. Hierbei zielt sie darauf ab, dass die Gelder ausgesondert wurden, ohne dass der Zweckeinsatz vorher bestimmt war. Entgegen dieser Auffassung bejahen Teile der Literatur443 die Erlangung einer eigenständigen vermögenswerten Exspektanz aus der „guten Absicht“ des Treunehmers, da diese den Eintritt einer Vermögensmehrung überhaupt erst möglich mache. Aufgrund der oben ausgeführten Arbeitsteilung könne (allein) der Treunehmer die Gelder des Treugeberunternehmens gewinnbringend einsetzen. Das sei auch vom Treugeber so vorgesehen. Wenn der Treunehmer die sich nach außen manifestierende Absicht habe, die Gelder zugunsten des Treugebers einzusetzen und gleichzeitig aus der ex ante-Sicht den Eintritt dieser positiven Vermögensentwicklung faktisch beherrschen444 könne (denn eine rechtliche Beherrschbarkeit – wie die gerichtliche Durchsetzung – scheidet im Zusammenhang von Bestechungszahlungen aus), könne von einem ausreichend wahrscheinlichen Vermögenszufluss ausgegangen werden.445 Faktische Beherrschbarkeit meine in diesem Zusammenhang, dass sich die Gelder entweder noch in den Händen des Treunehmers befänden oder sich das erwartete Verhalten des Bestochenen in seinem wesentlichen Ablauf aufgrund der individuellen Umstände als vom Treunehmer bis zum anvisierten Erfolgseintritt maßgeblich beeinflussbar
439
So auch Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 17. Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 209. 441 Vgl. oben, S. 171 ff. 442 Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 210. 443 Schlösser, in: HRRS 2009, 19, 24 f. m. w. N.; vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 281; so ähnlich mittlerweile auch Perron, in: Fischer/Hoven, 189, 196; vgl. Satzger, in: NStZ 2009, 297, 303 f.; vgl. Saliger, in: Samson-FS, 455, 463 und so wohl auch OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2004, 244, 245. 444 Vgl. hierzu detailliert unten, S. 177 ff. 445 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 172. 440
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
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darstelle.446 Diese Beherrschbarkeit werde beispielsweise durch Teilzahlungen oder gefestigte Geschäftsbeziehungen mit dem „Vertragspartner“ geschaffen. In diesen Fällen bestehe eine begründete und konkrete Aussicht auf einen Vermögenszufluss, der eine Vermögensgefährdung kompensieren könne.447 Diese Auffassung der Literatur überzeugt und stimmt auch mit den obigen Ausführungen zur Bewertung faktischer Exspektanzen überein.448 Es muss hier deutlich unterschieden werden zwischen der Erlangung einer vermögenswerten Exspektanz in Form einer Aussicht auf konkrete Geschäftsabschlüsse durch die Einrichtung der schwarzen Kasse und der Erlangung einer vermögenswerten faktischen449 Exspektanz auf Vermögensmehrung durch die erkennbare loyale Verwendungsabsicht des Treunehmers. Auch der 2. Strafsenat zählt diese Möglichkeiten der Vermögensmehrung getrennt auf, verneint sie dann aber beide pauschal zusammen in einem einzigen Nebensatz.450 Tatsächlich ist die Gewinnchance im Hinblick auf konkrete Geschäftsabschlüsse aus der ex ante-Sicht (bei Einrichtung der schwarzen Kasse) noch „vage“, da die einzelnen Geschäftsabschlüsse zur Zeit der Einrichtung noch nicht feststehen und daher nicht konkret bezifferbar sind.451 Etwas anderes gilt allerdings für eine konkrete faktische Gewinnaussicht aufgrund der loyalen Verwendungsabsicht des Treunehmers in einer Situation, in der dieser objektiv Voraussetzungen für eine künftige tatsächlich erfolgreiche Vermögensmehrung geschaffen hat und den Eintritt der Gewinnchance daher beherrscht. Die Person des Treunehmers und dessen nach außen manifestierte Verwendungsabsicht spielen für die Wahrscheinlichkeit des Vermögenszuflusses eine entscheidende Rolle. Wenn der Treunehmer ein verlässliches System der Bestechungszahlungen einrichtet und hierbei mit wirtschaftlichem Kalkül452 handelt, macht das die Akquise gewinnbringender Aufträge durch Bestechungszahlungen sehr viel wahrscheinlicher. Wie bereits ausgeführt, waren die konkret handelnden Treunehmer im Fall Siemens/Enel qualifizierte und erfahrene leitende Angestellte und die Kassen bereits über lange Zeit etabliert.453 Auch das von Hoven angebrachte Argument, die Gelder seien erst nach Jahren des „Parkens“ in der schwarzen Kasse ausgegeben worden, spricht dafür, dass die Treunehmer die Gelder bis dahin gerade sicher beherrschten.
446 447 448 449 450 451 452 453
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 172. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 171; vgl. Schlösser, in: HRRS 2009, 19, 24 f. Vgl. hierzu oben, S. 178 ff. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 281. BGH, NStZ 2009, 95, 98. So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 281. Vgl. Perron, in: Fischer/Hoven, 189, 196. Perron, in: Fischer/Hoven, 189, 196.
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Es ist also wirtschaftlich betrachtet davon auszugehen, dass die Manager verlässliche Geschäftsbeziehungen und Kontrollmechanismen eingerichtet hatten, um die Mehrung des Vermögens der Siemens AG auch tatsächlich durchzusetzen. Der wirtschaftliche Wert des zu erlangenden Vorteils hängt wiederum vom Einzelfall ab. Es ist allerdings davon auszugehen, dass ein anvisierter Auftrag in dem hier untersuchten Umfeld von Wirtschaftsunternehmen regelmäßig ein deutlich größeres Volumen haben wird als die abgezweigten Gelder in den schwarzen Kassen. Pauschal lässt sich dies natürlich nicht für alle Fälle verlässlich festlegen. Die Absicht des Treunehmers, die ausgesonderten Gelder zugunsten des Treugebers einzusetzen und dessen Vermögen dadurch zu erhöhen, stellt also eine wirtschaftlich werthaltige Chance dar. Wie konkret diese Gewinnaussicht ist und welcher Wert ihr zugerechnet werden kann, hängt, entsprechend der dargelegten Grundsätze, vom Einzelfall und damit der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierbarkeit und der erreichbaren Größe des Vorteils ab. Da der erlittene Zinsschaden in einem niedrigen Zinsumfeld gering sein wird, sollte er hierdurch regelmäßig kompensiert werden können. Ob eine darüber hinaus bestehende, schadensgleiche Vermögensgefährdung durch Zugriffsmöglichkeiten Dritter hierdurch ebenfalls ausgeglichen werden kann, hängt vom Einzelfall ab. Die schlichte Verneinung einer Werthaltigkeit von guten Absichten generell, so wie sie der 2. Strafsenat vertritt, wird einer wirtschaftlich tatsächlichen Einschätzung der Situation nicht gerecht. Vielmehr wird dabei das Prinzip der Gesamtsaldierung verkürzt, sogar außer Kraft gesetzt. Dadurch würde der Charakter der Untreue als reines Vermögensdelikt verfälscht. Es ist gerade ein charakteristischer Unterschied zwischen der Untreue und der Unterschlagung bzw. dem Diebstahl, dass ein Vermögensabfluss im Wege der Gesamtsaldierung durch einen Vermögenszufluss kompensiert werden kann. Dieser – für den Treunehmer positive – Umstand darf nicht pauschal „abgeschnitten“ werden. Unter Anwendung dieser Kriterien muss auch nicht auf eine Gesamtbetrachtung des einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs zurückgegriffen werden.454 Auch unter Anwendung der strengen Einzelbetrachtungslehre gelangt man zu dem dargelegten Ergebnis. Die Argumentation des 2. Strafsenats und der ihn unterstützenden Literatur zeigt, dass die Vorverlagerung des endgültigen Schadenseintritts letztlich dazu führt, dass die Schadensdogmatik des Untreuetatbestands nicht mehr richtig ineinandergreift, obwohl eine stringente Anwendung der erarbeiteten Grundsätze zu einer stimmigen Lösung führen würde. Es drängt sich daher, wie auch von Saliger/Gaede455 oder Satzger456 kritisiert, der Verdacht auf, dass die Vorverlagerung des endgültigen 454 So aber Rönnau, in: StV 2009, 246, 250 f. Vgl. zur Gesamtbetrachtungs- und Einzelbetrachtungslehre oben, S. 124 ff. 455 Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57, 66. 456 Satzger, in: NStZ 2009, 297, 298, 306.
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Nachteils durch den 2. Strafsenat tatsächlich aus kriminologischen, wirtschaftsethischen und rechtspolitischen Gründen vorgenommen wurde. Die Verneinung der Untreuestrafbarkeit hätte im Fall Siemens/Enel zu einer Straffreiheit der Täter geführt, da die eigentlich relevanten Korruptionstatbestände wegen des Auslandsbezugs nicht einschlägig waren. Zur Schaffung einer allgemeinen Strafgerechtigkeit darf die Untreue aber – selbstverständlich – nicht herangezogen werden. (b) Rechtliche Missbilligung der erlangten Chance? Der 2. Strafsenat untermauert die Ablehnung der Kompensation durch die dargelegte Gewinnchance damit, dass der „Vorteil nur durch einen seinerseits gesetzoder sittenwidrigen und gegebenenfalls strafbaren Einsatz der Mittel erzielt werden könnte“.457 Hoven legt diese Aussage des 2. Strafsenats so aus, dass illegal erlangte Gewinne nicht vollständig ausgeschlossen werden sollten, da der 2. Strafsenat wohl kaum in einen offenen Konflikt mit dem BVerfG habe treten wollen nachdem das BVerfG einen rein juristischen Vermögensbegriff ausdrücklich abgelehnt habe.458 Vielmehr unterstellt sie dem 2. Strafsenat, dass er die Gesetzeswidrigkeit als ein faktisches Indiz für die Risikoträchtigkeit des Treunehmerhandelns ansehe, welches die „Vagheit“ der Gewinnchance mitbegründe. Hiermit zielt Hoven auf die bereits erläuterte Wertminderung erlangter Gegenleistungen (auch erlangter Gewinnchancen) aufgrund der rechtlichen Missbilligung des zugrundeliegenden Geschäfts und des hiermit zusammenhängenden Aufdeckungs- und Sanktionsrisikos ab.459 Bei dieser Interpretation übersieht Hoven allerdings, dass die von ihr zitierte BVerfG-Grundsatzentscheidung460 gerade unter anderem auf der Siemens/EnelEntscheidung des 2. Strafsenats beruht und dieser somit zeitlich nachgelagert ist. Eine Konfliktvermeidung kann somit nicht die Motivation des 2. Strafsenats gewesen sein, sodass die Auslegung Hovens schon deshalb nicht überzeugen kann. Sie geht davon aus, dass der zweite Strafsenat nicht eine „altertümliche Normativierung des Nachteilsbegriffs“461 betrieben, sondern eine reale ökonomische Wertminderung der illegalen Gewinnaussichten in Rechnung gestellt habe. Diese Annahme erscheint allerdings sehr gewagt, wenn man bedenkt, dass der zweite Strafsenat in seiner Urteilsbegründung lediglich formuliert: „Überdies sind bei der Schadensfeststellung auch normative Erwägungen zu berücksichtigen.“462 Der 2. Strafsenat widmet dem Aspekt des gesetzes- oder sittenwidrigen Einsatzes der
457 458 459 460 461 462
BGH, NStZ 2009, 95, 98. Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 211 f.; dies., Auslandsbestechung, S. 469 ff. Vgl. hierzu oben, S. 89 ff. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3216 Rn. 117. Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 212. BGH, NStZ 2009, 95, 98.
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Mittel durch den Treunehmer letztlich nur einen einzigen Satz und lehnt hierin die Kompensationsfähigkeit schlicht ab. Davon abgesehen kann der Wert einer Gewinnchance aufgrund ihrer illegalen Erlangung, wie bereits detailliert ausgeführt, tatsächlich gemindert sein. Dies muss allerdings im Einzelnen und nachvollziehbar geprüft werden. Eine schlichte und pauschale Annahme der „Wertminderung auf Null“ in einem Nebensatz des Urteils, wie bei Siemens/Enel geschehen, kann hierbei jedenfalls nicht ausreichen. Auch in diesem Zusammenhang argumentiert Hoven wiederum mit Beweis- und Nachweisschwierigkeiten. Es sei zu schwierig, die Aufdeckungswahrscheinlichkeit betriebswirtschaftlich messen zu lassen. Daraus folgert Hoven, dass die vollständige Ausklammerung von durch Straftaten erzielten Gewinnen eine weit klarere Lösung darstelle. Hiermit wendet sie selbst letztlich einen rein juristischen Vermögensbegriff an und stellt sich gegen die Grundsatzentscheidung des BVerfG, nachdem sie viel Mühe darauf verwendet hat, die Entscheidung des 2. Strafsenats mit dieser in Einklang zu bringen.463 Die rechtliche Missbilligung kann die Werthaltigkeit einer aus den loyalen Absichten des Treunehmers erlangten Exspektanz im Einzelfall zwar mindern464, ein pauschaler und vollständiger Ausschluss kann hiermit allerdings nicht begründet werden. (c) Zwischenergebnis Die nach außen erkennbare Absicht des Treunehmers das ausgesonderte Vermögen des Treugebers gewinnsteigernd einzusetzen, kann, wenn hierfür ein verlässliches Kontrollsystem besteht (wie beispielsweise gefestigte Geschäftsbeziehung, Teilzahlungen usw.), eine kompensierende konkrete vermögenswerte Exspektanz begründen. Deren Höhe ist nach den oben dargelegten Grundsätzen im Einzelfall zu bestimmen.465 Die (zivilrechtliche) Rechtswidrigkeit des Vorgehens hat hierauf keinen besonderen Einfluss. Eine etwaige, hieraus resultierende Wertminderung richtet sich ebenfalls nach den ausgeführten Grundsätzen.466 (2) Rückgabefähigkeit und -bereitschaft Darüber hinaus könnte sich aus der loyalen Einstellung des Treunehmers und der Tatsache, dass die Gelder sich noch in der von ihm beherrschten schwarzen Kasse befinden, eine Chance auf jederzeitige Rückgabe des ausgesonderten Geldes ergeben.
463 464 465 466
Hoven, in: Fischer/Hoven, 201, 212. Vgl. hierzu im Einzelnen oben, S. 89 ff. Vgl. hierzu oben, S. 177 ff. Vgl. oben, S. 89 ff. und S. 184 ff.
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Die Erlangung einer wirtschaftlich werthaltigen Exspektanz wird, wie bereits ausgeführt, angenommen, wenn der Täter eigene Mittel vorhält, um einen eventuell entstehenden Nachteil auszugleichen.467 Die Figur des ausgleichsfähigen und -bereiten Täters könnte auf die vorliegende Situation übertragen werden und so eine vermögenswerte Exspektanz auf Rückzahlung begründen. Diese Figur beruht letztlich auch auf dem besonderen Täterprofil des Untreuetäters und seiner inneren Einstellung zum „geschädigten“ Treugeber.468 Die Werthaltigkeit einer derartigen Exspektanz würde sich nach den hierzu bereits ausgeführten Kriterien ergeben. Es käme auf die objektive Rückgabefähigkeit und die subjektive Rückgabebereitschaft des Treunehmers an.469 Der 2. Strafsenat lehnt die beschriebene Übertragung in seiner Siemens/EnelEntscheidung allerdings generell und ausdrücklich ab. Die Konstellationen seien nicht vergleichbar, da der Treunehmer nicht eigene Mittel bereithalte, um einen pflichtwidrig verursachten Schaden auszugleichen. Vielmehr halte er „Geldvermögen seines Arbeitgebers verborgen, um es unter dessen Ausschaltung oder Umgehung nach Maßgabe eigener Zweckmäßigkeitserwägungen bei noch nicht absehbaren späteren Gelegenheiten für möglicherweise nützliche, jedenfalls aber risikoreiche Zwecke einzusetzen.“470
Dem Strafsenat geht es also darum, dass der Treunehmer nicht eigene Mittel zum Ausgleich eines eventuellen Abflusses bereithalte. Dem tritt ein Großteil der Literatur entgegen.471 Teilweise wird eine direkte Anwendung des Grundsatzes der Ausgleichfähigkeit und -bereitschaft vertreten.472 Teilweise soll er „nur“ entsprechend angewendet werden.473 Diese Stimmen in der Literatur begründen die Anwendbarkeit mit einem Erst-Recht-Schluss:474 Wenn derjenige, der Vermögenswerte aus dem Vermögensverband des Treugebers herausgelöst habe, keinen tatbestandsmäßigen Schaden verursache, weil er eigene Gelder zum Ausgleich bereithalte, „[…] so kann doch erst recht nicht derjenige, der die Vermögenswerte noch nicht einmal aus dem Vermögen des Treugebers hat abfließen lassen, sondern jederzeit zugunsten des 467
Siehe hierzu oben, S. 128 ff. Vgl. Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 380 f.; vgl. S/S/W-Saliger, § 266 Rn. 69. 469 Vgl. oben, S. 128 ff. 470 BGH, NStZ 2009, 95, 98. 471 Vgl. hierzu die Nachweise bei Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 385 f. und detailliert im Folgenden. 472 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 291. 473 Weimann, Die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen, S. 135. 474 Vgl. Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, 417, 422, 424, wobei er selbst eine andere Argumentation für diesen Erst-Recht-Schluss anführt; ders., in: Samson-FS, 455, 463; Schünemann, in: NStZ 2008, 430, 433; vgl. hierzu auch Kempf, in: Volk-FS, 231, 243 f.; Satzger, in: NStZ 2009, 297, 302 f.; Tsagkakari, Die Bildung der sog. „schwarzen Kassen“, S. 242 ff.; Rönnau, in: Tiedemann-FS, 713, 733; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 279 f. 468
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Treugebers darauf zurückzugreifen in der Lage ist und dieses in die Verfügungsmacht des Treugebers zurückfließen lassen kann und will, wegen (vollendeter) Untreue bestraft werden.“475
Von einer Rückgabefähigkeit wäre demnach auszugehen, wenn der Treunehmer jederzeit unmittelbaren Zugriff auf die ausgesonderten Gelder hätte und diese selbst jederzeit zurückführen könnte. Die Rückgabebereitschaft folge aus der loyalen Einstellung des Treunehmers, der im Interesse des Treugebers handele und diesem letztlich eine Vermögensmehrung verschaffen wolle.476 Gegen eine Anwendung dieser Figur auf die vorliegend behandelte Konstellation spricht allerdings, dass in der „Ausgangssituation“ andere als die ausgesonderten Treugeber-Mittel (nämlich die eigenen Gelder des Treunehmers) vorbehalten werden – und zwar getrennt von den ausgesonderten Mitteln – sodass die eigenen bereitgehaltenen Mittel selbst jedenfalls vollständig erhalten bleiben, während die Treugeber-Gelder gefährdet sein könnten. Der Unterschied in der vorliegenden Situation – und in diese Richtung geht auch die zitierte Stelle des BGH-Urteils – liegt darin, dass die Mittel, die ausgesondert werden und somit gefährdet sein könnten, zu ihrem eigenen Ausgleich herangezogen werden sollen. Es handelt sich hier nicht um einen Ausgleich von bereits abgeflossenen Geldern, sondern um die Rückgabe derselben Gelder. Unter den dargelegten Voraussetzungen findet durch das alleinige Aussondern selbst zunächst gar kein Vermögensabfluss bzw. keine Vermögensgefährdung statt. Würde man das Gegenteil vertreten, könnte diese Vermögensgefährdung des reinen Aussonderns durch das Bereithalten und die Bereitschaft der Rückzahlung derselben Gelder tatsächlich kompensiert werden.477 Zu dieser Situation wird es aber nach der hier vertretenen Ansicht nicht kommen, da schon eine Vermögensgefährdung in diesen Fällen nicht anzunehmen ist und es deshalb auf eine Kompensation gar nicht mehr ankommt.478 Die beschriebene Figur der Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit passt also nicht auf die vorliegend zu beurteilende Situation. Wenn besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten, die es nahelegen, dass das Treugebervermögen bereits durch die Aussonderung konkret gefährdet und somit bereits eine Verringerung des Vermögenswertes anzunehmen ist, dann ist es logisch nicht möglich, dass eben dieses – in seinem Wert verminderte – Vermögen für einen Ausgleich des vollen abgeflossenen Vermögenswertes herangezogen werden kann. In diesen Fällen ist dann gerade davon auszugehen, dass es dem Treunehmer, selbst wenn er loyal handelt, nicht möglich sein wird, den vollständigen Wert herauszu475
Satzger, in: NStZ 2009, 297, 303. Tsagkakari, Die Bildung der sog. „schwarzen Kassen“, S. 247 f. 477 Diese Situation legen auch die meisten der in den vorigen Fußnoten genannten Autoren zugrunde: Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 291; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 279 f.; Kempf, in: Volk-FS, 231, 243 f. 478 In diese Richtung auch Wittig, in: Imme Roxin-FS, 375, 389. 476
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geben, weil äußere Umstände hinzutreten, die das Vermögen bereits verringert haben. In dieser besonderen – und für die Annahme einer Vermögensgefährdung durch die Einrichtung schwarzer Kassen einzig denkbaren – Gefährdungssituation, wird nicht von einer vollständigen Ausgleichsfähigkeit des Treunehmers auszugehen sein. Über einen Zinsschaden hinaus, wird es daher bei einer Zugriffsmöglichkeit Dritter zu einer möglichen schadensgleichen Vermögensgefährdung kommen, die nicht durch die Rückgabefähigkeit und -bereitschaft des Treunehmers kompensiert werden kann. Dieser verbleibende Vermögensabfluss könnte allerdings durch die bereits ausgeführte Exspektanz, die sich aus der loyalen Verwendungsabsicht des Treunehmers ergibt, kompensiert werden. c) Zusammenfassung Allein die Einrichtung einer schwarzen Kasse durch einen loyalen Treugeber begründet weder einen sogenannten „Endschaden“ noch eine konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung. Auf weitere Ausführungen zur Kompensation kommt es deshalb in diesem Zusammenhang gar nicht an. Dass der zweite Strafsenat hier sogar einen endgültigen Vermögensschaden in voller Höhe des ausgesonderten Geldes annimmt, erscheint nicht mehr vertretbar. Als Vermögensabfluss kommt lediglich ein sogenannter Zinsschaden in Betracht, welcher bei Vorliegen eines niedrigen Zinsniveaus allerdings gering sein dürfte. Treten weitere gefährdende Faktoren hinzu, kann im Einzelfall dennoch eine Vermögensgefährdung anzunehmen sein. Zur Kompensation dieses Vermögensabflusses kann die aus der „guten Absicht“ des Treunehmers resultierende faktische Exspektanz auf Vermögenszufluss herangezogen werden. Die Figur des ausgleichsfähigen und -bereiten Treunehmers passt auf die vorliegende Situation nicht, da die Einrichtung der Kasse allein keinen zu kompensierenden Vermögensabfluss darstellt. Liegt eine darüberhinausgehende Vermögensgefährdung vor, reicht das gefährdete Vermögen selbst nicht mehr zur Kompensation des vollständigen Vermögensabflusses aus. Kommt es zur Verwendung der ausgesonderten Gelder, ist hierin eine eigenständige (pflichtwidrige) Handlung zu sehen, die anhand der im Voraus dargelegten Kriterien zu beurteilen ist. Bei der strafrechtlichen Beurteilung des Phänomens der „schwarzen Kasse“ besteht demnach kein Bedarf für die Schaffung besonderer Beurteilungskriterien. Die im Voraus ausgeführten allgemeinen Grundsätze können die hier behandelten Sachverhalte zufriedenstellend und stimmig lösen.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Einer besonderen punktuellen Normativierung bedarf es zur zufriedenstellenden Lösung der behandelten Fallkonstellationen nicht. 2. Individueller Schadenseinschlag Eine weitere Figur, die letztlich zu einer Normativierung zulasten des Treunehmers führt, ist der sogenannte individuelle Schadenseinschlag.479 Hiermit sollen Fälle erfasst werden, in denen der Vermögensabfluss und die hierfür erlangte Gegenleistung zwar wirtschaftlich ausgeglichen sind, die Gegenleistung allerdings für den Treugeber nicht brauchbar ist.480 Es soll also eine Ausnahme von der grundsätzlich objektiven wirtschaftlichen Vermögensbewertung gemacht und subjektive Zwecke bei der Bewertung normativ berücksichtigt werden.481 Die Figur des individuellen Schadeneinschlags wurde innerhalb des Betrugstatbestands im sogenannten Melkmaschinenfall482 entwickelt und soll auf den Untreuetatbestand übertragen werden.483 Nach der Entscheidung im Melkmaschinenfall führt im Fall einer gleichwertigen Gegenleistung die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Treugebers allein (also die Bindung von Vermögensteilen durch die Erfüllung der pflichtwidrig eingegangenen Verbindlichkeit) nicht zu einer Vermögensschädigung.484 Dies ist nach anerkannter Rechtsprechung vielmehr nur in drei Konstellationen anzunehmen: (1) Wenn die erlangte Gegenleistung vom Vermögensinhaber nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwendet werden kann; (2) Wenn der Vermögensinhaber zu vermögensschädigenden Folgemaßnahmen genötigt wird und (3) wenn er aufgrund der Verpflichtung nicht mehr über die Mittel verfügt, die zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder sonst einer angemessenen Wirtschafts- und Lebensführung notwendig sind (Liquiditätsverlust485).486
479
BGH, NJW 1962, 309 ff. Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 101; vgl. Fischer, StGB, § 263 Rn. 146 ff. m. w. N.; vgl. Beukelmann, in: BeckOK StGB, § 263 Rn. 60; vgl. BGH, NJW 1962, 309 ff. 481 Lösing, Die Kompensation des Vermögensnachteils, S. 100. 482 BGH, NJW 1962, 309 ff. 483 BVerfG, NJW 2013, 365 ff.; NStZ-RR 2004, 54, 55; BGH, NStZ 2010, 330, 332; Sch/ Sch-Perron, § 266 Rn. 43 f.; HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 185 f.; Graf/Jäger/WittigWaßmer, § 266 Rn. 187 ff.; ders., Untreue bei Risikogeschäften, S. 138 ff., 144 f.; vgl. Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 657; Kudlich, in: Fischer/Hoven, 123 ff.; Steinert, in: HRRS 2014, 58 ff.; Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 224. 484 Vgl. Kudlich, in: Fischer/Hoven, 123, 124. 485 Steinert, in: HRRS 2014, 58, 62. 486 BGH, NJW 1962, 309 ff.; s. ausführlich Graf/Jäger/Wittig-Waßmer, § 266 Rn. 187. 480
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
209
Übertragen auf die Untreue bedeutet dies, dass ein Vermögensnachteil anzunehmen wäre, wenn der Treunehmer zwar eine wirtschaftlich gleichwertige Position für den Treugeber erlangt hat, diese allerdings für den Treugeber nicht nutzbar ist, ihn zu unerwünschten Folgeinvestitionen zwingt oder ihn in seiner Liquidität beeinträchtigt. Ein Beispiel hierfür wäre der Kauf kostspieliger Kunstgegenstände und teurer Spirituosen durch den Geschäftsführer der Stadtwerke-GmbH zu Repräsentationszwecken (Gruppe (1)).487 Oder ein zu teures Bauvorhaben, das verhindert, dass eine Gemeinde ihre Pflichtaufgaben erfüllen kann (Gruppe (3)).488 Diese Art der Fiktion eines Nachteils, bzw. dessen rein normative Begründung, widerspricht allerdings den Ausführungen des BVerfG zur Nachteilsbestimmung in seiner Grundsatzentscheidung.489 Hiernach müssen „die Strafgerichte den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen […]“.490 Dabei können normative Gesichtspunkte „durchaus eine Rolle spielen. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen“.491 Eine Bezifferung des individuell empfundenen Minderwerts der Gegenleistung dürfte nicht möglich sein und wenn trotz wirtschaftlicher Ausgeglichenheit ein tatbestandlicher Nachteil i. S. d. § 266 StGB angenommen würde, so würden die vorrangig geltenden wirtschaftlichen durch rein normative Überlegungen vollständig verdrängt.492 Eine Nachteilsbestimmung anhand der subjektiven und individuellen Zwecksetzung des Treugebers ist darüber hinaus problematisch, weil die Gefahr besteht, dass hierdurch vornehmlich die konkrete Zusammensetzung des Vermögens und somit die Dispositionsfreiheit des Treugebers geschützt würde. Wie bereits erläutert, ist diese allerdings gerade nicht von § 266 StGB geschützt.493 Es soll von § 266 StGB vielmehr das Vermögen des Treugebers in seiner Gesamtheit geschützt werden. Die 487 Vgl. Graf/Jäger/Wittig-Waßmer, § 266 Rn. 187 mit Verweis auf OLG Hamm, NStZ 1986, 119, 120. 488 Vgl. Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 44 mit Verweis auf BVerfG, NJW 2013, 365, 366 ff. m. Anmerkung Steinert, in: HRRS 2014, 58 ff. 489 So auch MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 208; zumindest kritisch Kudlich, in: Fischer/ Hoven, 123, 126 ff.; Graf/Jäger/Wittig-Waßmer, § 266 Rn. 188 und unentschieden BGH, NStZ 2014, 318, 320; BGH, NStZ 2014, 517, 519; a. A. der 2. Senat selbst, der in BVerfG, NJW 2013, 365 ff. von einer Vereinbarkeit der Figur des individuellen Schadenseinschlags mit seiner Grundsatzentscheidung, BVerfG, NJW 2010, 3209 ff. ausgeht. So auch Schmidt, in: NJW 2015, 284 ff.; Schlösser, in: HRRS 2014, 395 ff.; Steinert, in: HRRS 2014, 58, 61, 67. 490 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. 491 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3215. 492 A. A. Schmidt, in: NJW 2015, 284, 286. Demnach beziehe die Rechtsfigur des subjektiven Schadenseinschlags bei der Prüfung eines Vermögensschadens zwar normative Erwägungen ein, sie beruhe aber im Kern auf einer wirtschaftlichen Schadensbewertung und entspreche daher den Anforderungen, die das BVerfG an eine tragfähige Schadensbegründung stelle. So auch Schlösser, in: HRRS 2014, 395, 397 und Steinert, in: HRRS 2014, 58, 61, 67. 493 Siehe hierzu u. a. oben, S. 37 f. und S. 82 ff.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
einzelnen Vermögensteile sind deshalb grundsätzlich nach ihrem wirtschaftlichen Wert zu bestimmen. Allerdings wurde ebenfalls bereits ausgeführt, dass eine rein objektive Wertbestimmung quasi nicht möglich ist. Dies liegt in der Natur des geschützten Rechtsguts „Vermögen“. Dieses hat nicht einen bestimmten, stets gleichbleibenden Wert. Selbst das Bilanzrecht kann nicht den einen allgemeingültigen Wert bestimmen.494 Der „objektive Marktwert“ eines Vermögensguts variiert je nach Zeit, Ort, Art und Inhalt des Geschäfts.495 Daher wurde bereits festgestellt, dass der wirtschaftliche Wert eines Vermögensgegenstands und somit auch der erlangten Gegenleistung, anhand eines objektiv-individuellen Maßstabs bestimmt werden muss. Denn der Vermögenswert ergibt sich erst aus der Zuordnung des Gegenstands zu dessen konkretem (potentiellen) Inhaber.496 Einer weiterführenden Subjektivierung in den genannten drei Fallgruppen bedarf es daher nicht. Da es demnach bereits darauf ankommt, wie ein objektiver Beobachter den Wert der Gegenleistung innerhalb des konkreten Vermögenszusammenhangs einschätzt, wird innerhalb der grundsätzlich geltenden Bewertungsmethode die Brauchbarkeit und die zumutbare Verwendung des pflichtwidrig erlangten Gegenstands im Sinne der Fallgruppe (1) beurteilt werden. Auch im Rahmen dieser Fallgruppe soll das Kriterium der Brauchbarkeit anhand eines objektiven Maßstabs beurteilt werden und nicht etwa „nach den willkürlichen Vorlieben“ des Treugebers.497 Nach beiden Bewertungskriterien kommt es also darauf an, ob der Treugeber den Gegenstand in seiner konkreten Situation objektiv nutzen kann. Kann er ihn aufgrund der konkreten Gegebenheiten nicht verwenden oder anderweitig einsetzen, so hat er für ihn auch objektiv keinen wirtschaftlichen Wert. Es wäre dann bereits von einem wirtschaftlichen Nachteil auszugehen.498 Der ersten Fallgruppe bedarf es daher gar nicht. Die Vermögenswerte können bereits nach den oben dargelegten Grundsätzen zutreffend bestimmt werden. Eine darüberhinausgehende Beachtung der rein subjektiven Einschätzung der Nutzbarkeit und somit des Nachteils durch den Treugeber selbst, stellt eine unzulässige Subjektivierung dar.499
494
Siehe hierzu oben, S. 149 ff.; vgl. auch Becker, in: HRRS 2009, 334, 338 m. w. N.; Kempf, in: Fischer/Hoven, 325, 333 f. 495 Vgl. oben, S. 162 ff. und BGH, NStZ 1993, 40, 41. 496 Vgl. Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 650 f. 497 Vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 139 f. m. w. N.; vgl. Kudlich, in: Fischer/ Hoven, 123, 124 (hier zum Betrug); vgl. Ransiek, in: ZStW 2004, 650 ff. 498 Es gilt letztlich das Gleiche wie bei der Berücksichtigung illegal erlangter Positionen. Eine prinzipiell werthaltige illegale Position (Drogen oder Waffen), die aufgrund ihrer rechtlichen Missbilligung überhaupt nicht legal genutzt werden kann, hat keinen wirtschaftlichen Wert für den Treugeber und kann deshalb nicht berücksichtigt werden, vgl. oben, S. 91 f. 499 So auch selbst BGH, NJW 1962, 309, 311 (zum Betrug im Melkmaschinenfall).
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
211
In der Fallkonstellation (2), in welcher der Treugeber zu vermögensschädigenden Folgemaßnahmen genötigt wird, dürfte ebenfalls bereits nach den oben dargelegten Grundsätzen ein wirtschaftlicher Vermögensnachteil anzunehmen sein. Teilweise wird hiergegen eingewendet, dass es hinsichtlich der schädigenden Folgemaßnahmen an einer erforderlichen Unmittelbarkeit der Nachteilszufügung fehle.500 Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass schon im Moment der pflichtwidrigen Eingehung einer zu hohen Verbindlichkeit durch den Treunehmer die konkrete Gefahr der Notwendigkeit einer Kreditaufnahme zur Finanzierung dieser Verbindlichkeit bestehen wird. Es ist also auch nach den oben aufgeführten Grundsätzen mindestens von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen, sodass auch die Fallkonstellation (2) keinen Mehrwert zu liefern scheint. Die erlittene Vermögensgefährdung kann dann nach den oben ausgeführten Grundsätzen wirtschaftlich bewertet werden.501 In der Konstellation (3), in welcher der Treugeber infolge der eingegangenen Verbindlichkeit nicht mehr über die nötigen Mittel verfügt, die zur Erfüllung seiner übrigen Verbindlichkeiten oder sonst einer angemessenen Wirtschafts- und Lebensführung notwendig sind, verliert der Treugeber letztlich Liquidität. In diesem Zusammenhang wird kritisiert, dass bei Erlangung einer gleichwertigen Gegenleistung letztlich nur die Vermögenstruktur geändert werde, sodass aus Betriebskapital Anlagekapital werde. Illiquidität vermindere nicht den Gesamtwert eines Vermögens.502 Dem ist, zumindest im Zusammenhang mit einem wirtschaftlich agierenden Treugeberunternehmen, teilweise zuzustimmen. Denn innerhalb eines Wirtschaftsunternehmens können größere Investitionen notwendig sein, die möglicherweise nur über Kreditaufnahmen (Fall (2)) zu finanzieren sind. Es ist deshalb wohl teilweise üblich, dass Liquidität aufgrund von (pflichtwidrigen) Investitionen verloren geht. Wenn hierdurch gleichzeitig Chancen auf Gewinn (vermögenswerte Exspektanzen) entstehen, so ist ein Nachteil abzulehnen.503 Andererseits kann im Verlust von Liquidität ein Vermögensnachteil liegen, wenn keine entsprechende Gewinnchance erlangt wird, die diesen Verlust kompensiert. Auch für diese Einschätzung genügen daher die erarbeiteten Bewertungsgrundsätze.504 Um eine Vermögensminderung in den vorliegend diskutierten Fallkonstellationen festzustellen, bedarf es also nicht der besonderen normativen Figur des individuellen Schadenseinschlags. Mit Hilfe der objektiv individuellen Nachteilsfeststellung werden die relevanten Fälle bereits zutreffend erfasst. Eine weitergehende Subjektivierung ist dagegen abzulehnen. 500 Vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 142 mit Verweis auf Eser, in: GA 1962, 289, 290. 501 Vgl. oben, S. 70 ff. 502 Vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 142 mit Verweis auf Mohrbotter, in: GA 1975, 41, 44. 503 Für private Treugeber dürfte etwas anderes gelten, vgl. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 143 ff. 504 Vgl. auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 153 f.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
3. Zweckverfehlung Sowohl zulasten als auch zugunsten des Treunehmers kann die sogenannte Zweckverfehlungslehre wirken. Sie wird auch im Rahmen der Untreue angewendet.505 Hiernach wird eine schadensausschließende Kompensation eines Vermögensabflusses durch die Erreichung eines (immateriellen) Zweckes fingiert.506 Oder umgekehrt formuliert: Es wird ein Schaden angenommen, wenn eine ohne (vollwertige) Gegenleistung erbrachte Leistung durch Verfehlung ihres (ideellen) Zwecks in ihrem sozialen Sinn entwertet wird.507 Hoof unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen einer einseitigen Mittelhingabe und einem gegenseitigen gleichwertigen Mittelaustausch.508 a) Einseitiger Vermögensabfluss Der klassische und anerkannte Anwendungsfall der Zweckverfehlungslehre ist die einseitige Mittelhingabe. Hier werden Fälle wie das Sponsoring, Subventionen oder Spenden behandelt. Der Vermögenshingabe durch den Treunehmer steht in diesen Fällen keine wirtschaftliche Gegenleistung gegenüber. Eine Kompensation soll durch die Erreichung eines vom Treugeber vorgegebenen ideellen Zweckes erfolgen. Hoof spricht deshalb in diesem Zusammenhang treffend von einer „Zweckerreichungslehre“.509 In diesen Konstellationen wirkt die Zweckverfehlungslehre meist zugunsten des Treunehmers. Denn ein eigentlich wirtschaftlich nicht kompensierter Mittelabfluss wird fiktiv als ausgeglichen angesehen.510 Ein Nachteil wird erst dann angenommen, wenn die Zweckerreichung nach den Zielsetzungen des Treugebers verfehlt wurde. Bei der Erreichung eines gleichwertigen anderen Zwecks (zum Beispiel das Sponsoring einer ähnlichen Veranstaltung), welcher zu einer gleichwertigen positiven Außenwirkung führt (z. B. öffentliche Wahrnehmung als „good corporate citizen“), wird teilweise dennoch eine Kompensation angenommen.511 b) Gegenseitiger gleichwertiger Mittelaustausch Stets zulasten des Treugebers wirkt die Zweckverfehlungslehre, wenn man sie in einer Konstellation des gegenseitigen gleichwertigen Mittelaustauschs anwendet. 505 NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 104; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 43; HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 187; vgl. SK-Hoyer, § 266 Rn. 117; Jordan, in: JR 2000, 133 ff. 506 NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 104. 507 Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 43 m. w. N. 508 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 96 ff. 509 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 98. 510 Vgl. Schlösser, in: HRRS 2011, 254, 262, 264. 511 Vgl. BGH, NJW 2002, 1585, 1586 f.
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
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Eine solche Konstellation ist denkbar, wenn bei einem Austauschgeschäft von Treunehmer und Vertragspartner wirtschaftlich gleichwertige Leistungen ausgetauscht und somit der Vermögensabfluss eigentlich kompensiert wurde, der Treugeber mit dem Geschäft allerdings einen bestimmten Zweck erreichen wollte und dieser letztlich verfehlt wurde.512 Hierbei soll es nicht auf ideelle Zwecke ankommen.513 Ransiek nimmt an, dass in dem Fall, in dem ein Zweck zwischen Treunehmer und Treugeber ausdrücklich vereinbart wurde und der Treunehmer diesen mit dem Austauschgeschäft vollständig verfehlt habe, die Zweckverfehlungslehre zulasten des Treunehmers Anwendung finden solle.514 c) Einschätzung Vor allem gegen die letztgenannte Anwendungsvariante spricht erneut das Schutzgut der Untreue. Bei dieser Fiktion eines Vermögensnachteils trotz wirtschaftlicher Kompensation wird letztlich wiederum die Dispositionsfreiheit des Treugebers geschützt. Diesem Schutz dient § 266 StGB gerade nicht.515 Käme die Zweckverfehlungslehre innerhalb der Untreue (in einer der beiden vorgenannten Varianten) zum Tragen, so würde der Treugeber durch die Festlegung eines bestimmten (ideellen) Zwecks, der mit der Vermögensverfügung erreicht werden soll, über das „Ob“ und die Höhe der Werthaltigkeit bestimmter (ideeller) Positionen entscheiden. Der für die Vermögensbewertung relevante Maßstab wäre also der vom Treugeber (objektiv erkennbar) bestimmte Zweck. Dies würde allerdings dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff zuwiderlaufen. Denn hiernach muss die Wertbestimmung einer Position aus Gründen der Rechtssicherheit anhand anerkannter, externer Bewertungen des Wirtschaftsverkehrs erfolgen.516 Es käme durch die Anwendung der Zweckverfehlungslehre also nicht mehr „nur“ zu einer normativen Korrektur bestimmter Nachteilseinschätzungen, sondern zu einer vollständig anderen – subjektiven – Art der Vermögensbewertung. Ein zu erreichender (ideeller) subjektiver Zweck, der durch den Treugeber festgesetzt wurde, kann nach externen wirtschaftlichen Maßstäben, entgegen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung,517 nicht beziffert werden.518 512
Vgl. Schlösser, in: Fischer/Hoven, 89, 93; vgl. BGH, NStZ 1984, 549 ff., allerdings zur zweckwidrigen Verwendung von Haushaltsmitteln. 513 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 97 mit Bezug auf NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 105, welcher das Beispiel eines Treugebers nennt, der eine vereinbarte Menge des Treugebervermögens in preiswerte Rohdiamanten anlegt, statt, wie ausdrücklich vom Treugeber angeordnet, ein bestimmtes Kunstwerk zu erstehen. 514 Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 653. 515 So auch Schlösser, in: Fischer/Hoven, 89, 96. 516 Vgl. oben, S. 50 ff.; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 98; anders: NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 104 f.; SK-Hoyer, § 266 Rn. 116 f. 517 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 518 Schlösser, in: Fischer/Hoven, 89, 96 ff.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Hierzu besteht auch keine Notwendigkeit. Eine zufriedenstellende Lösung lässt sich vielmehr, mit Hoof, über das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit erreichen.519 Hoof führt zutreffend aus, dass dem Treugeber auch bei einer verabredungsgemäßen einseitigen Vermögenshingabe objektiv wirtschaftlich stets ein Vermögensnachteil entstehe. Denn dem Vermögensabfluss stehe kein wirtschaftlicher Vermögenszufluss gegenüber. Die Strafbarkeit des Treunehmers nach § 266 StGB soll sich deshalb nicht anhand des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils entscheiden. Vielmehr komme es auf die Pflichtwidrigkeit des Vermögensabflusses an. Die Strafbarkeit soll sich, Hoof zufolge, in den hier diskutierten Fällen nach der durch den Treugeber „im Vorfeld konkret vorgenommenen Inhaltsbestimmung der zugrunde liegenden Treupflicht“ beurteilen.520 Dies überzeugt, denn den Inhalt der den Treunehmer treffenden Pflichten kann der Treugeber subjektiv vorgeben. In diesem Zusammenhang kann ein Zweck der vorzunehmenden Handlung durch ihn im Innenverhältnis festgelegt werden. Hieraus folgt also, dass ein wirtschaftlicher Nachteil durch einseitige Mittelhingabe stets angenommen werden muss und dass sich eine Strafbarkeit letztlich anhand der Pflichtwidrigkeit des Treunehmerhandelns entscheidet. Der Figur der Zweckverfehlung bedarf es daher nicht. Schünemann521 weist darüber hinaus zutreffend auf einen tatbestandlichen Unterschied zwischen Betrug (innerhalb dessen die Zweckverfehlungslehre entwickelt wurde) und Untreue hin. Die Zweckverfehlungslehre sei eine „nach viktimodogmatischen Maximen“ zu beurteilende Frage eines Motivirrtums bei einer bewussten Selbstschädigung. Beim Betrug handelt der Geschädigte selbst, in Kenntnis der ausbleibenden Kompensation durch einen wirtschaftlichen Vorteil. Auch hier ist letztlich der wirtschaftliche Nachteil stets gegeben. Bei der Untreue hingegen handelt der Treunehmer als Dritter für den Vermögensinhaber. Es kann deshalb nur auf dessen Pflichtverletzung und nicht auf den hierdurch eindeutig ausgelösten Vermögensnachteil ankommen. Diese Herangehensweise trägt auch dem Verschleifungsverbot Rechnung. Denn die Pflichtwidrigkeit des Treunehmerhandelns wird getrennt von dem eingetretenen Vermögensnachteil untersucht. Die Pflichtwidrigkeit liegt in diesem Zusammenhang in dem Verstoß gegen die Dispositionsvorgaben zur einseitigen Mittelverwendung durch den Treugeber.522 Ein Nachteil dagegen entsteht durch Leistung einer geld-
519
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 98; so wohl auch Schünemann, in: NStZ 2006, 196, 198 f., Fn. 26; vgl. ders., in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 130, 131. 520 Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 98. 521 Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, § 266 Rn. 224. 522 Vgl. auch Lassmann, in: NStZ 2009, 473, 477, der allerdings nicht zwischen Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil zu unterscheiden scheint.
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werten Position ohne Ausgleich durch eine ebenfalls wirtschaftlich werthaltige Gegenleistung.523 Wie auch Hoof ausführt, kann es durch den Verzicht auf die Zweckverfehlungslehre innerhalb der einseitigen Mittelhingabe zu ideellen Zwecken teilweise zu einer Verschärfung des Haftungsrisikos für den Treunehmer kommen. Denn eine Weggabe von Treugebervermögen zu anderen (ideellen) Zwecken als den vom Treugeber vorgesehenen, führt dann stets zu einer Untreuestrafbarkeit, ohne dass das Ergebnis über die Zweckverfehlungslehre normativ korrigiert werden könnte. Dies lässt sich allerdings mit der besonderen Schutzwürdigkeit des Treugebers in den besagten Konstellationen rechtfertigen. Bei Fällen der einseitigen Mittelhingabe wird dem Treugebervermögen nie eine gleichwertige Gegenleistung zugeführt, sodass das Vermögen stets verkleinert werden wird. Da das Vermögen als Ganzes aber das einzige Schutzgut des § 266 StGB darstellt und dieses Schutzgut in diesen Situationen stets angegriffen wird, kann vom Treunehmer, als Normunterworfenen, besondere Vorsicht verlangt werden. § 266 StGB soll bei einem Auseinanderfallen von Verfügungsgewalt über das Vermögen und dessen Eigentum den Eigentümer gerade davor schützen, dass der Vermögensverwalter das ihm anvertraute Vermögen in einer den Interessen des Eigentümers zuwiderlaufenden Weise verwendet.524 In einer Konstellation, die stets zur Verringerung des wirtschaftlichen Vermögens führen wird, bedarf es deshalb besonderer Vorsicht des Verwalters, dass er das Vermögen nach den Dispositionsvorgaben des Eigentümers verwendet. Einer normativen Korrektur dieses wirtschaftlichen Ergebnisses bedarf es nicht. Die Figur der Zweckverfehlung findet daher im Rahmen der Untreuestrafbarkeit keine Anwendung. Einer punktuellen Normativierung bedarf es wiederum nicht. Die Figur der Zweckverfehlung ist darüber hinaus eng mit der Frage verknüpft, ob die Erlangung immaterieller Güter („Goodwill“, „Know-how“) grundsätzlich einen wirtschaftlichen Wert hat und deshalb unter bestimmten Voraussetzungen letztlich doch eine Kompensation angenommen werden könnte.525 4. Zwischenergebnis Eine punktuelle normative Korrektur der wirtschaftlichen Bewertung des Vermögenszuflusses zulasten des Treunehmers in den aufgeführten Konstellationen ist nicht erforderlich, um zu ausgeglichenen und stringenten Lösungen zu gelangen. Die Anwendung der erarbeiteten Grundsätze kann die dargelegten Situationen zufriedenstellend lösen.
523 524 525
Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 98 f. Vgl. Lassmann, in: NStZ 2009, 473, 474. Siehe hierzu sogleich, S. 216 ff.
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II. Zugunsten des Treunehmers Zugunsten des Treunehmers könnte eine normative Korrektur des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs dann anzunehmen sein, wenn hierdurch eine adäquate Risikoverteilung gewährleistet und der Schutzzweck des § 266 StGB nicht untergraben würde. Durch eine derartige normative Korrektur würde Gegenleistungen, deren wirtschaftlicher Wert nicht bezifferbar ist oder nicht ausreicht, um den Vermögensabfluss zu kompensieren, „fiktiv“ dennoch ein ausreichender Wert zugeschrieben und ein Vermögensnachteil insgesamt verneint. 1. Bewertung immaterieller Vermögenspositionen – Ausnahme von der Geldwertsaldierung?526 In diesem Zusammenhang wird teilweise gefordert bei der Berücksichtigung und Bewertung immaterieller Vermögenswerte von einer wirtschaftlichen Vermögensbewertung bzw. geldwertorientierten Gesamtsaldierung527 abzuweichen. a) Immaterielle Vermögenspositionen Immaterielle Vermögenswerte, in die der Treunehmer, gerade zugunsten eines im Wirtschaftsleben agierenden Treugeberunternehmens, investieren könnte, sind beispielsweise die Marktstellung des Unternehmens oder die Steigerung seiner Reputation.528 Investitionen (und damit Vermögensabflüsse) zu diesen Zwecken sind nicht direkt gewinnorientiert. Gerade zur Steigerung der Reputation werden häufig unentgeltliche Leistungen erbracht, die zunächst zu einer Steigerung der sozialen Akzeptanz des Treugeberunternehmens oder zu dessen Wahrnehmung als sogenannter „good corporate citizen“529 führen sollen (zum Beispiel durch Sponsoring oder Spenden). Weitere Ziele können in der Steigerung der medialen Präsenz, in der Integration des Unternehmens in politische Entscheidungsprozesse oder im Ausbau der gesellschaftlichen Repräsentanz des Unternehmens („networking“) liegen.530 Immaterielle Vorteile können darüber hinaus die Motivation des Personals (durch Bonus-Zahlungen) oder dessen gesteigertes „Know-how“ (durch Fortbildungen) sein. Diese immateriellen Vorteile können mittelbar zu einer gesteigerten Kundenakquise oder anderweitig gesteigerten Auftragszahlen führen oder einen Konkur-
526 527 528 529 530
Vgl. Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 356. Siehe zur Geldwerttheorie MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 534 und oben, S. 162 ff. Vgl. hierzu Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 327 ff. BGH, NJW 2002, 1585, 1586; Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 329. Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 329 m. w. N.
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renzvorteil durch besonders produktives und loyales Personal hervorrufen.531 Es soll also mittelbar das wirtschaftliche Fortkommen verbessert werden.532 Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass zwar grundsätzlich anerkannt ist, dass diese Vermögensgegenstände mittelbar einen wirtschaftlichen Wert verkörpern. Dieser Wert ist allerdings ex ante bei der pflichtwidrigen Auszahlung der Unternehmensgelder nicht bezifferbar.533 b) Bewertung nach den obigen Grundsätzen? Dies soll im Folgenden anhand der erarbeiteten Bewertungsgrundsätze überprüft werden.534 Eine immaterielle Position, wie der gute Ruf eines Unternehmens, kann nicht gehandelt werden, sodass ein feststellbarer Marktwert nicht existiert. Das internationale Bilanzrecht regelt in dem Rechnungslegungsstandard IAS 38 allerdings Grundsätze zur Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte.535 Diese könnten zur Bewertung der vorliegend relevanten Positionen herangezogen werden, wenn die zu bewertende strafrechtliche Konstellation mit den bilanzrechtlichen Voraussetzungen zumindest vergleichbar wäre.536 Nach der Definition in IAS 38.8 ist ein immaterieller Vermögenswert ein identifizierbarer, nicht monetärer Vermögenswert ohne physische Substanz. Wobei monetäre Vermögenswerte als im Bestand befindliche Geldmittel und Vermögenswerte definiert werden, für die das Unternehmen einen festen oder bestimmbaren Geldbetrag erhält. Die oben aufgeführten immateriellen Vorteile wie der gute Ruf, Kundenbeziehungen oder „Know-how“ haben weder physische Substanz, noch kann ihnen ein bestimmter Geldwert zugeordnet werden. Sie fallen also unter diese Definition. Nach IAS 38.10 kommt es für den bilanziellen Ansatz eines immateriellen Vermögensvorteils darauf an, dass er identifizierbar ist, dass das Unternehmen Verfügungsgewalt über diese Ressource hat und dass ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen besteht. Der immaterielle Vermögenswert muss identifizierbar sein, um ihn vom Geschäfts- oder Firmenwert unterscheiden zu können, IAS 38.11. Ein Vermögenswert ist nach IAS 38.12 identifizierbar, wenn er (a) separierbar ist und deshalb getrennt 531
Vgl. Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 335; vgl. hierzu Deiters, in: ZiS 2006, 152 ff. BGH, NJW 2002, 1585, 1586. 533 BGH, NJW 2002, 1585, 1586 f.; Fleischer, in: AG 2001, 171, 174; Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 327; vgl. Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 131. 534 Vgl. hierzu oben, S. 161 ff. 535 IAS 38.1. 536 Vgl. oben, S. 149 ff. 532
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vom Unternehmen verkauft, übertragen, lizenziert, vermietet oder getauscht werden kann oder wenn er (b) aus vertraglichen oder anderen gesetzlichen Rechten entsteht. Für die Verfügungsgewalt des Unternehmens kommt es nach IAS 38.13 darauf an, dass das Unternehmen in der Lage ist, sich den künftigen wirtschaftlichen Nutzen zu verschaffen. Diese Beherrschbarkeit kann auf der juristischen oder auf der faktischen Durchsetzbarkeit von Ansprüchen basieren. Es kommt also darauf an, dass ein getrennter und damit eigenständiger zukünftiger Nutzen aus den immateriellen Positionen erzielbar ist und dass das Unternehmen den Eintritt dieses Nutzens beherrscht. In IAS 38.14 und IAS 38.15 werden Beispiele hierfür genannt. So können technische Erkenntnisse („Know-how“) einen künftigen Nutzen darstellen und sind beherrschbar, wenn dieses Wissen beispielsweise durch Urheberrechte oder eine den Arbeitnehmern auferlegte gesetzliche Vertraulichkeitspflicht geschützt wird. Die besonderen Fähigkeiten von angestellten Fachkräften, die durch Fortbildungen weitergebildet wurden, können nach IAS 38.15 allerdings keinen derartigen immateriellen Vorteil darstellen, weil der hieraus resultierende künftige wirtschaftliche Nutzen nicht vom Unternehmen beherrschbar ist. Gleiches gilt nach IAS 38.16 für einen durch Werbung und Reputationssteigerung erlangten loyalen Kundenstamm. Die Erwartung, dass die Kunden treu blieben, könnte im Zweifel nicht durch rechtliche Ansprüche oder sonstige Mittel kontrolliert und beherrscht werden. Der hieraus resultierende wirtschaftliche Nutzen ist für das Unternehmen nicht beherrschbar. Der oben genannte „Goodwill“ oder die Reputation des Unternehmens sind darüber hinaus schon gar nicht identifizierbar, da sie nicht selbständig gehandelt werden könnten. Diese Einschätzung dürfte für die meisten der relevanten immateriellen Vermögenswerte gelten. Das Unternehmen wird den Eintritt des hiermit bezweckten mittelbaren wirtschaftlichen Vorteils weder rechtlich noch faktisch kontrollieren können. Auch das Bilanzrecht kann also bei der Bewertung immaterieller Vorteile nicht weiterhelfen. c) Vermögenswerte Exspektanz Die potentielle Steigerung des wirtschaftlichen Wertes, die mit der Erlangung immaterieller Vorteile verbunden ist, stellt also „lediglich“ eine Chance auf einen künftigen wirtschaftlichen Gewinn dar. Es könnten daher auch die Bewertungsgrundsätze für vermögenswerte Exspektanzen herangezogen werden.537
537
Vgl. oben, S. 171 ff.
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
219
Es kommt allerdings auch nach diesen Grundsätzen auf die ex ante bestehende Wahrscheinlichkeit und Beherrschbarkeit eines tatsächlichen wirtschaftlichen Vermögenszuflusses an. Diese Kriterien ähneln denjenigen, die zur Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte in IAS 38 aufgestellt werden.538 Es müsste daher unmittelbar durch die pflichtwidrige Handlung des Treunehmers, aus objektiv individueller Sicht, die Wahrscheinlichkeit einer Steigerung der Reputation oder des „Goodwill“ und dadurch der vermehrten Geschäftsmöglichkeiten zumindest erkennbar erhöht worden sein. Dies ist in den meisten Fällen wohl zu verneinen. Denn die einzelne Handlung eines Treunehmers wird objektiv nicht die Außenwahrnehmung des gesamten Unternehmens und damit dessen wirtschaftliches Fortkommen allgemein erkennbar verbessern. Der gute Ruf oder der „Goodwill“ eines Unternehmens ergibt sich vielmehr aus einer stetigen und langfristig angelegten Reihe verschiedener Handlungen. Aufgrund der bereits beschriebenen fehlenden Beherrschbarkeit des tatsächlichen Eintritts wirtschaftlicher Vorteile, wird daher nach den dargestellten Bewertungsgrundsätzen meist weder eine rechtlich gesicherte, noch eine faktische Exspektanz durch die Investition in immaterielle Vermögenswerte erlangt werden. Es handelt sich vielmehr nur um vage Chancen auf einen potentiellen Wertzufluss. In einzelnen Sonderfällen kann natürlich etwas anderes gelten. Dies wäre etwa der Fall, wenn eine faktische oder rechtliche Beherrschung des Eintritts eines Vorteils durch den Treunehmer gesichert wird. Diese Konstellationen lassen sich dann nach den oben dargelegten Grundsätzen bewerten. d) Abweichung von der Geldwertsaldierung – Geldwertäquivalentes Vorteilsbestimmungsinstrument539? Auch Bräunig sieht in immateriellen Vorteilen eine faktische Vorteilschance. Entsprechend zu letzterer, bei welcher die Realisierung der Chance noch offen sei, stehe bei immateriellen Vorteilen die „Materialisierung zu konkreten Geldvorteilen“540 noch aus. Er will diesen mittelbaren wirtschaftlichen Wert trotz der dargelegten fehlenden Möglichkeit der Verrechnung in Geldwert in die Gesamtsaldierung einstellen. Der potentielle wirtschaftliche Wert dieser ideellen Vermögensteile sei schließlich anerkannt. Deshalb will er ein „geldwertäquivalentes Vorteilsbestimmungsinstrument“541 anwenden, indem er Vergleiche anstellt. Er will den Wert des immateriellen Vorteils danach bestimmen, wie viel ein vergleichbares anderes Unternehmen typischerweise bereit wäre, für eine ver538 Vgl. hierzu auch den Rückgriff Hoofs auf IAS 38 zur Bewertung faktischer Exspektanzen, vgl. oben Teil 5, Fn. 332 und vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 166 ff. 539 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 358. 540 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 353. 541 Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 358.
220
Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
gleichbare Gegenleistung zu zahlen. Aus einer Gesamtbetrachtung solle sich hierdurch letztlich ein „Quasi-Geldwert“542 ergeben, der in die Gesamtsaldierung mit einbezogen werden könne. Dieses Vorgehen dürfte allerdings nicht zielführend sein. Der angestrebte immaterielle Vorteil, beispielsweise der gute Ruf, ist, noch mehr als die oben erörterten Exspektanzen, eine singuläre Position, die sich in jedem Einzelfall aus einer Vielzahl verschiedener Faktoren zusammensetzt und von den Gesamtumständen eines spezifischen Unternehmens abhängt. Wie soll der Wert des guten Rufes eines Unternehmens für ein anderes Unternehmen festgestellt werden? Wie soll ein guter Ruf überhaupt erkauft werden können? Und was müsste ein hypothetisches Unternehmen erwerben, um einen guten Ruf zu erhalten? Gerade weil eine ideelle Position nicht gehandelt werden kann, ist nicht feststellbar, was ein anderes Unternehmen dafür hypothetisch aufwenden würde. Wenn eine ideelle Position, wie das besonders geschützte „Know-how“ der Angestellten,543 ausnahmsweise doch veräußerbar ist, dann existiert für sie auch ein tatsächlicher, wenn auch singulär ausgehandelter Marktpreis, sodass dann nicht mehr von einem rein ideellen Wert auszugehen ist. Eine Abweichung von den dargelegten Grundsätzen ist nicht zielführend. Es muss ausnahmslos eine Geldwertsaldierung stattfinden. Wenn ein immaterieller Vorteil die Voraussetzungen für eine faktisch werthaltige Exspektanz erfüllt, kann sein Wert innerhalb der Kompensation berücksichtigt werden. Ansonsten stellt er nur eine noch nicht konkretisierte Chance auf einen wirtschaftlichen Wertzufluss dar und kann nicht zur Kompensation des Vermögensabflusses herangezogen werden. e) Lösung über die Pflichtwidrigkeit Die Weggabe von Treugebervermögen kann in den meisten Fällen daher durch die Erlangung eines immateriellen Wertes wirtschaftlich nicht kompensiert werden. Denn hierdurch werden nur ideelle, mittelbare Werte erlangt, die keinen tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteil begründen. Es wird also, wie bereits innerhalb der Ausführungen zur Zweckverfehlungslehre erläutert wurde, stets ein wirtschaftlicher Nachteil im Treugebervermögen verbleiben.544 In Übereinstimmung mit den Ausführungen zur Zweckverfehlungslehre wird es deshalb für eine Strafbarkeit des Treunehmers nach § 266 StGB wegen der Investition in immaterielle Vorteile vorrangig auf die Pflichtwidrigkeit seines Handelns ankommen.
542
Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 360 ff. Vgl. hierzu die Grundsätze in IAS 38.14 und oben, S. 217 ff. 544 So auch Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 130 f.; a. A. ausdrücklich Bräunig, Untreue in der Wirtschaft, S. 355. 543
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
221
Es wird darauf ankommen, ob der Treunehmer im Verhältnis zum Treugeber befugt war, dessen Vermögenswerte zur Verfolgung nicht-monetärer Interessen einzusetzen.545 Problematisch wird dies immer dann sein, wenn es sich (wie sicher häufig in den hier untersuchten Fällen) bei dem Treugeber um eine juristische Person handelt, innerhalb derer den zuständigen handelnden Organen ein erheblicher Handlungsund Ermessensspielraum zukommt (vgl. § 93 Abs. 1 AktG; § 43 Abs. 1 GmbHG546). Da allerdings die (wirtschaftliche) Bedeutung von sozialer Akzeptanz für Unternehmen heute anerkannt ist,547 wurden die Geschäftsführungsbefugnisse von Rechtsprechung548 und Literatur549 auf nicht vom Profitinteresse geleitete und damit das Vermögen des Geschäftsherrn vermindernde Transaktionen erweitert. Ob der Treunehmer sich durch die einseitige Mittelhingabe für soziale, ideelle oder sonstige immaterielle Zwecke gemäß § 266 StGB strafbar macht, entscheidet sich also danach, ob er hierdurch den ihm gewährten Ermessensspielraum überschreitet.550 Dies soll sich nach Auffassung des 1. Strafsenats nach der Sorgfalt eines pflichtbewussten Unternehmers und Treuhänders beurteilen, der über Geld verfügt, das ihm nicht gehört.551 Hierbei dürfe privaten Präferenzen kein unangemessener Raum gegeben, sondern sorgsam gewirtschaftet werden. Der Treunehmer habe seine Entscheidung in Abwägung der ihm obliegenden Verantwortung für den Unternehmenserfolg zu treffen.552 Auch in diesem Zusammenhang muss es auf die oben beschriebenen Voraussetzungen für pflichtwidriges Handeln des Treunehmers ankommen. Es handelt sich nicht um eine besondere Konstellation des Vermögensnachteils bzw. dessen Kompensation. f) Zwischenergebnis Auch bei der Bewertung immaterieller Vermögenszuflüsse können daher die oben erläuterten Bewertungsgrundsätze angewendet werden. Hierbei wird es allerdings sehr häufig zur Annahme eines Vermögensnachteils aufgrund fehlender wirt545
Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 130. Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 22 ff.; Ziemons, in: Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt, GmbHG, § 43 Rn. 128 ff. 547 Vgl. hierzu ausführlich Beckemper, in: NStZ 2002, 324, 326 m. w. N. 548 BGH, NJW 2002, 1585, 1586 m. w. N. 549 Deiters, in: ZiS 2006, 152, 154 f.; Schünemann, in: Leipziger Praxiskommentar, Rn. 131; Fischer, StGB, § 266 Rn. 84; Otto, in: Kohlmann-FS, 187, 200 ff.; Beckemper, in: NStZ 2002, 324, 326 m. w. N.; Gehrlein, in: NZG 2002, 463, 463 f.; Fleischer, in: AG 2001, 171, 175. 550 Siehe hierzu näher unten, S. 44 ff. 551 BGH, NJW 2002, 1585, 1587. 552 BGH, NJW 2002, 1585, 1587. 546
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
schaftlicher Kompensation kommen. Der für die Strafbarkeit der Investition in immaterielle Güter entscheidende Punkt ist daher nicht der stets vorliegende Vermögensnachteil, sondern die Pflichtwidrigkeit des Treunehmerhandelns. Jedenfalls bedarf es auch in diesem Zusammenhang keiner Ausnahme von der rein wirtschaftlichen Vermögensbewertung. 2. Befreiung von einer Verbindlichkeit Bei Annahme der Kompensation eines Vermögensabflusses (Geldzahlung) durch die hierdurch eintretende Befreiung von einer Verbindlichkeit,553 findet nach den dargelegten Bewertungsgrundsätzen an sich eine Normativierung zugunsten des Treunehmers statt. Grundsätzlich ist das vorher beim Treugeber vorhandene und tatsächlich nutzbare Geld mehr wert als die Zahlungsforderung des Vertragspartners auf diesen entsprechenden Geldbetrag. Denn die Forderung des Vertragspartners auf die Geldzahlung ist, wie dargelegt, mit der Unsicherheit ihrer Durchsetzbarkeit belastet.554 Indem in der Befreiung von dieser Verbindlichkeit dennoch eine vollwertige Kompensation der pflichtwidrigen Geldzahlung durch den Treunehmer gesehen wird, findet eine normative „Aufwertung“555 dieser erlangten Befreiung statt. Dieses Abweichen von Forderungswert und Bargeldwert ist allerdings wirtschaftlichen Austauschgeschäften stets immanent und besteht für jeden Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr. Es handelt sich daher nicht um eine Besonderheit der vom Treunehmer pflichtwidrig vorgenommenen Geschäfte. Dieses allgemeine Wirtschaftsrisiko unterfällt, wie ausgeführt, nicht dem Schutzbereich des Untreuetatbestands. Ansonsten müsste der Treunehmer das Geld des Treugebers stets lediglich aufbewahren, weil jeder Austausch dieses Risiko beinhaltet. Darüber hinaus bietet bereits die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr an sich schon einen potentiellen Vorteil, den der Treugeber durch die Handlung des Treunehmers erlangt. Denn die Teilnahme am Markt bietet gerade in einem niedrigen Zinsumfeld größere Gewinnchancen als die Anlage des Vermögens auf einem Festgeldkonto.
553 Vgl. BGH, NJW 2005, 300, 305; BGH, NStZ-RR 2006, 175, 176; Sch/Sch-Perron, § 266 Rn. 41 m. w. N.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 169 m. w. N.; Graf/Jäger/Wittig-Waßmer, § 266 Rn. 181; MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 206 m. w. N.; vgl. HWSt-Seier/Lindemann, § 266 Rn. 32; vgl. Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 905 ff. 554 Vgl. oben, S. 172 ff., so auch Joecks, in: Samson-FS, 355, 355 ff.; Martin, Bankuntreue, S. 124. Wertbildende Faktoren für den Zahlungsanspruch des Vertragspartners sind die Zahlungswilligkeit und -fähigkeit der Treugebers. Bei deren Fehlen wird es auf die gerichtliche Durchsetzbarkeit ankommen. Die Fälligkeit der pflichtwidrig erfüllten Forderung dürfte für sich genommen kein wertbestimmender Faktor sein. Es dürfte vielmehr auf die mit der näher rückenden Fälligkeit steigende tatsächliche Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der Verbindlichkeit ankommen, vgl. hierzu Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 181 ff. 555 NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 103 m. w. N.
B. Punktuelle Normativierung trotz wirtschaftlichem Vermögensbegriff?
223
Diese Gewinnchance kann zumindest das allgemeine Wirtschaftsrisiko kompensieren, wenn dieses nicht bereits als Vermögensabfluss „aussortiert“ wird.556 Eine besondere Normativierung zugunsten des Treunehmers findet daher auch in Fällen der pflichtwidrigen Befreiung von einer Verbindlichkeit nicht statt. 3. Vorleistung Eine weitere zu akzeptierende Normativierung, die sich allerdings eher als eine Ausnahme der strengen Einzelbetrachtung557 darstellt, ist die Berücksichtigung von Vorleistungen des Vertragspartners zur Kompensation eines nachfolgenden Vermögensabflusses.558 Bei strenger Anwendung der Einzelbetrachtung würde eine nachfolgende Zahlung nicht durch eine Vorleistung kompensiert werden, weil sich diese Vorleistung bereits im Vermögen des Treugebers befunden hat und das Vermögen durch die Zahlung somit nur noch vermindert wird. Noch entscheidender ist dies, wenn es sich um ein zivilrechtlich nichtiges Austauschgeschäft handelt, bei dem durch die Zahlung keine Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt wird.559 Auch dieser Umstand entspricht allerdings dem allgemeinen Wirtschaftsrisiko bei Austauschgeschäften. Dieses allgemeine Risiko kann nicht auf eine der Parteien abgewälzt werden.560 Würde man eine Kompensation verneinen, hinge die Strafbarkeit des Treunehmers nach § 266 StGB von der mehr oder weniger „zufälligen“ Frage ab, wer in Vorleistung tritt, der Treunehmer (dann könnte eine unmittelbare Kompensation stattfinden) oder der Vertragspartner (dann bliebe die Leistung des Treunehmers unkompensiert). Wirtschaftlich betrachtet sorgt der Treunehmer, der in einem synallagmatischen „Vertragsverhältnis“ erst nach der vollständigen Vorleistung des Vertragspartners eine Zahlung tätigt, dafür, dass allein der Vertragspartner das Risiko der ausbleibenden Gegenleistung tragen muss. Würde eine Kompensation durch die Vorleistung abgelehnt, so würde der vorsichtige Treunehmer, der zugunsten des Treugebers auf Sicherheit setzt, benachteiligt. Durch die Anerkennung der erlangten Vorleistung als Kompensation für die zeitlich nachfolgende Ausgabe des Treugebervermögens wird eine faire Verteilung der Risiken zwischen Treunehmer und Treugeber erreicht. Denn § 266 StGB bietet 556
So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 107. Siehe hierzu oben, S. 124 ff. 558 Vgl. BGH, NJW 1974, 1234, 1235; vgl. Schreiber/Beulke, in: JuS 1977, 656, 658 f.; Saliger/Gaede, in: HRRS 2008, 57, 75; Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 104 ff. 559 Vgl. hierzu bereits oben, S. 81 ff.; auf dieser Linie wohl auch BGH, NJW 1975, 1234, 1235; vgl. oben, S. 23 ff.; insoweit ablehnend BGH, NJW 2013, 401 ff.; vgl. oben, S. 31 ff. 560 So i. E. auch BGH, NJW 1975, 1234, 1235. 557
224
Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
selektiven Vermögensschutz und nicht die umfassende Befreiung von jeglichen Wirtschaftsrisiken für den Treugeber.561 Er soll nicht vor dem allgemeinen Risiko der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr geschützt werden. Auch hier findet letztlich keine punktuell normative Bewertung des Vermögens statt. Es handelt sich vielmehr um eine angemessene Verteilung des allgemeinen Wirtschaftsrisikos.
III. Zwischenergebnis Nach diesen Ausführungen bedarf es auf der Kompensationsseite keiner punktuellen normativen Sonderbewertung des Vermögens. Es bleibt bei der Anwendung des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs. Hierdurch lassen sich zufriedenstellende Ergebnisse erreichen. Selbst bei rechtlich missbilligt erlangten Gegenleistungen ist eine wirtschaftliche Betrachtung der auf dem Entdeckungs- und Sanktionsrisiko beruhenden Wertminderung vorzunehmen. Auch die zugunsten des Treunehmers vorgenommenen, teilweise als „normative Korrektur“ bezeichneten „Ausnahmen“, sind letztlich nicht erforderlich, da die betroffenen Risiken unter das allgemeine Wirtschaftsrisiko fallen und deshalb nicht zu einem relevanten tatbestandlichen Vermögensabfluss führen, der kompensiert werden müsste. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass auf der Kompensationsseite ein strenger wirtschaftlicher Vermögensbegriff anzuwenden ist.
C. Exkurs: Folge für den Vorsatz Die erarbeiteten Grundsätze zur Bewertung von Vermögensvorteilen haben Auswirkung auf die Beurteilung des Vorsatzes des Treunehmers. Es sollen daher an dieser Stelle ergänzende Ausführungen zu den obigen Grundsätzen562 folgen. Einer besonderen Untersuchung bedarf der Vorsatz des Treunehmers hinsichtlich der Nachteilszufügung, wenn dieser Nachteil auf einer unzureichenden Kompensation beruht, welche aus der Eingehung eines Entdeckungs- und Sanktionsrisikos resultiert.563 Gemeint sind Konstellationen der konkreten Kompensationsgefährdung. Da auf der Vorteilsseite ein strikt wirtschaftlicher Vermögensbegriff anzuwenden ist, genügt es bei der Erlangung einer rechtlich missbilligten Gegenleistung für eine 561 562 563
So auch Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 106. Siehe zum Vorsatz grundsätzlich oben, S. 75 ff. Siehe hierzu oben, S. 89 ff.
C. Exkurs: Folge für den Vorsatz
225
vorsätzliche Nachteilszufügung nicht, dass der Treunehmer Kenntnis von der rechtlichen Missbilligung an sich hatte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein normativer Vermögensbegriff vertreten würde und der Nachteil bereits aufgrund der rechtlichen Missbilligung der erlangten Vorteile zu bejahen wäre. Aufgrund des rein wirtschaftlichen Vermögensverständnisses, können illegal erlangte Vorteile den Vermögensabfluss grundsätzlich kompensieren. Nach den obigen Ausführungen kommt es nur dann zu einer Wertminderung der erhaltenen Gegenleistung, wenn aus deren illegaler Erlangung ein tatsächliches und konkretes Entdeckungs- und Sanktionsrisiko folgt. In diesen Fällen reicht der verbleibende Wert der Gegenleistung nicht mehr aus, um den vorgelagerten Vermögensabfluss zu kompensieren, sodass ein Vermögensnachteil anzunehmen ist. Um in diesem Zusammenhang von einer vorsätzlichen Nachteilszufügung ausgehen zu können, reicht es nicht aus, dass der Treunehmer die Illegalität seines Vorgehens kannte und billigte. Er muss vielmehr im Moment seiner illegalen pflichtwidrigen Handlung Kenntnis von dem tatsächlich bestehenden Entdeckungsund Sanktionsrisiko gehabt und dieses zumindest billigend in Kauf genommen haben. Nach dem oben Dargelegten muss der Treunehmer allerdings nicht die tatsächliche Realisierung der Entdeckungs- und Sanktionsgefahr billigen. Es ist für einen bedingten Vorsatz ausreichend, dass er die konkrete Gefahr, die bereits eine wertmindernde Kompensationsgefährdung darstellt (und somit eine Kompensation des Vermögensnachteils insgesamt verhindert), erkannt und dennoch billigend in Kauf genommen hat. Hiervon ist bei dem Leitungsorgan eines Wirtschaftsunternehmens, das die wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhänge kennt, in der Regel auszugehen. Ein dolus eventualis wird in diesen Fällen häufig anzunehmen sein. Einer besonderen Untersuchung bedarf darüber hinaus die vorsätzliche Vermögensgefährdung durch die Investition in eine minderwertige Exspektanz. Wenn sich aus der obigen Bewertung ergibt, dass die Höhe des tatsächlich zu erwartenden Vermögenszuflusses unter dem hierfür aufgewendeten Betrag liegt, ist insgesamt von einem Vermögensnachteil durch konkrete Vermögensgefährdung auszugehen. Wenn allerdings zur Feststellung der tatsächlichen Minderwertigkeit der erlangten Exspektanz das Bilanzrecht und darüber hinaus besondere Sachverständige vom Gericht hinzugezogen werden mussten, stellt sich die Frage, ob der Treunehmer beim Erwerb dieser Exspektanz tatsächlich Kenntnis von ihrer Minderwertigkeit haben konnte. Denn das Gericht selbst konnte in diesem Fall eine Minderwertigkeit nicht ohne die Sachkunde eines Experten feststellen.564 Diese Problematik entspricht derjenigen bei der Beurteilung einer strafbaren vorsätzlichen Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO.565 Eine nicht evidente Überschuldung ist häufig ohne
564 565
So auch Hinrichs, in: wistra 2013, 161, 165; vgl. Becker, in: HRRS 2009, 334, 339 f. Vgl. Hinrichs, in: wistra 2013, 161, 165.
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Teil 5: Faktoren zur Wertbestimmung illegal erlangter Vermögensvorteile
Sachverständigengutachten für das Gericht nicht feststellbar.566 Dies muss daher wohl erst recht für den Insolvenzantragsverpflichteten selbst gelten, sodass eine vorsätzliche Verschleppung in diesen Fällen auszuschließen wäre. Allerdings ist nach der Insolvenzordnung auch die fahrlässige Insolvenzverschleppung gem. § 15a Abs. 5 InsO strafbar. Eine vergleichbare Strafbarkeit wegen fahrlässiger Untreue existiert dagegen im StGB nicht. In den Fällen, in denen das Gericht einen Nachteil aufgrund der Erlangung einer minderwertigen Gegenleistungsforderung (oder faktischen Exspektanz) nur durch sachverständige Hilfe feststellen kann, muss bereits das kognitive Element des Untreuevorsatzes in vielen Fällen verneint werden. Es wird häufig schwer nachzuweisen sein, dass dem Treunehmer die geminderten Gewinnaussichten bei deren pflichtwidriger Erlangung bekannt gewesen sind, wenn sich selbst das Gericht kraft eigener Kenntnis hierzu nicht in der Lage sieht. Etwas anderes muss allerdings gelten, wenn der Treunehmer besondere Sachkenntnis oder weiterreichende Informationen hatte und den Wert der erlangten Exspektanz daher zutreffend einschätzen konnte.567 So wäre wohl davon auszugehen, dass der Treunehmer, der ein Darlehen pflichtwidrig an einen bekanntermaßen nicht solventen Schuldner ausgibt, ohne hierfür im Gegenzug Sicherungen einzufordern, von der Minderwertigkeit des Rückzahlungs- und Zinsanspruchs Kenntnis hatte. Wenn er das Darlehen trotz dieser evidenten Minderwertigkeit und hohen Gefahr des Forderungsausfalls dennoch an den (insolventen) Schuldner auszahlt, kann auch davon ausgegangen werden, dass er die konkrete Vermögensgefährdung für den Treugeber zumindest billigend in Kauf genommen hat und somit vorsätzlich handelte.568 Diese Überlegungen müssen die erarbeiteten allgemeinen Kriterien zur Annahme einer vorsätzlichen Untreue ergänzen.
566
Vgl. Hinrichs, in: wistra 2013, 161, 165. So auch Hinrichs, in: wistra 2013, 161, 165. 568 Siehe hierzu näher BGH, NJW 2000, 2364, 2365 f.; vgl. Fischer, in: NStZ-Sonderheft 2009, 8, 12 ff. 567
Teil 6
Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung Nach der abstrakten Untersuchung des Untreuetatbestands und der Kompensation eines Vermögensabflusses im Besonderen, sollen im folgenden Teil die eingangs dargestellten BGH-Entscheidungen im Lichte der erlangten Erkenntnisse untersucht werden. Hierbei soll der Schwerpunkt auf der Beurteilung des Vermögensnachteils bzw. seiner Kompensation liegen. Eine Bezugnahme auf die BGH-Entscheidungen ist zwar bereits in der abstrakten Darstellung vereinzelt erfolgt, da aber die jeweils zugrundeliegenden Sachverhalte so stark voneinander abweichen, bedürfen sie unterschiedlicher Herangehensweisen und Schwerpunktsetzung, sodass dieser Analyse ein eigener Teil der Arbeit gewidmet werden soll. Gemein ist den oben dargestellten Fällen, dass ein Treunehmer im Kontext eines Wirtschaftsunternehmens das Vermögen des Treugebers vermeintlich zu dessen Gunsten eingesetzt hat und nicht (vorrangig) um sich selbst zu bereichern. Die Treunehmer haben in allen Fällen eine exakt quantifizierbare Summe zu rechtlich missbilligten Zwecken aus dem Vermögen des Treugebers abgeleitet, um einen Vermögenszufluss zu generieren. Hierbei ist – häufig aufgrund der rechtlich missbilligten Erlangung – der erlangte Vermögenszufluss von den Tatgerichten und auch von den BGH-Senaten meist nicht detailliert untersucht worden. Es fehlt in den ausgeführten Urteilen daher häufig an Feststellungen, die eine exakte Bestimmung der erlangten Gegenleistung ermöglichen würden.1 Es soll dennoch der Versuch unternommen werden, die erarbeiteten Grundsätze auf die dargestellten Entscheidungen anzuwenden und zu überprüfen, ob anhand dieser Grundsätze eine andere Entscheidung angezeigt gewesen wäre.
1 Vgl. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 221 und die Tatsache, dass die landgerichtlichen Urteile häufig aufgehoben und an die Tatgerichte zurückverwiesen wurden, vgl. BVerfG 2010, 3209, 3221; BVerfG, NJW 2013, 365, 367 ff.; BGH, NJW 1975, 1234, 1236; vgl. BGH, NJW 2011, 88, 90.
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
A. Bundesliga-Entscheidung Der 4. Strafsenat hat in seiner Bundesliga-Entscheidung wirtschaftliche Grundsätze in den Vordergrund gestellt und verdient diesbezüglich Zustimmung. Er hat ein wirtschaftliches Vermögensverständnis vertreten und illegal erlangten Gewinnchancen eine kompensierende Wirkung zugesprochen. Dies entspricht den oben erarbeiteten Grundsätzen. Der Vermögensabfluss lag in diesem Fall in der Zahlung von Treugebervermögen zu Bestechungszwecken in Höhe von 100.000 DM.2 Nach Ansicht des 4. Strafsenats erhielt der Treugeberverein für diese Zahlung von den bestochenen Gegenspielern eine Spielmanipulation, die zu einem Sieg der „Treugebermannschaft“ führte und den Erhalt der Bundesligazugehörigkeit für ein weiteres Jahr sicherte. Mit dieser Zugehörigkeit sei wiederum die Aussicht auf höhere Einnahmen aus dem Bundesliga-Geschäft verbunden gewesen. Problematisch war in diesem Zusammenhang, dass der Treunehmer erfolgsabhängige Teilzahlungen vereinbart hatte, um sicherzustellen, dass die gegnerischen Spieler auch tatsächlich das Spiel manipulierten. Vor dem Spiel wurden 30.000 DM gezahlt, die allerdings nach Annahme des BGH nicht aus dem Treugebervermögen stammten. Erst nach dem Sieg der „Treugebermannschaft“, also nachdem die Leistung von den „Vertragspartnern“ bereits erlangt worden war, zahlte der Treunehmer 100.000 DM aus dem Treugebervermögen. Unter Anwendung des Unmittelbarkeitskriteriums und der strengen Einzelbetrachtung3 hat der Treugeberverein unmittelbar aus der Zahlung der 100.000 DM daher keine werthaltige Gegenleistung erhalten. Diese war bereits vorher erlangt worden. Darüber hinaus war, unter normativer Betrachtung, die Verpflichtung zur Zahlung der 100.000 DM nichtig, weil es sich um ein unredliches Geschäft gehandelt hatte.4 Der Treugeberverein wurde daher durch die Zahlung auch nicht von einer wirksamen Verbindlichkeit befreit. Diese Ansicht entspräche allerdings nicht der wirtschaftlichen Wirklichkeit und wurde vom 4. Strafsenat zu Recht abgelehnt. Es handelt sich um die Konstellation einer illegalen Vorleistung.5 Wie oben bereits erläutert, kommt es – und so argumentiert auch der 4. Strafsenat – bei Leistungen, die in einem synallagmatischen Verhältnis stehen, nicht darauf an, welche Leistung zuerst erfolgte. Dies wäre willkürlich und würde den auf Sicherheit setzenden Treunehmer benachteiligen.
2
Mit den gegnerischen Spielern war eine Gesamt-Bestechungssumme von 250.000 DM vereinbart worden, sodass zusätzlich weitere 150.000 DM aus anderen Quellen eingesetzt wurden. 3 Vgl. hierzu oben, S. 122 ff. und S. 124 ff. 4 Vgl. zu dieser Argumentation die Entscheidung Telekom-Spitzelaffäre, S. 241 ff. 5 Vgl. hierzu oben, S. 223 ff.
A. Bundesliga-Entscheidung
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Es wäre widersprüchlich, eine beherrschbare faktische Exspektanz deshalb anzunehmen, weil der Treunehmer durch die Vereinbarung von erfolgsabhängigen Teilzahlungen die tatsächliche Erbringung der Gegenleistung faktisch gesichert hat,6 und dieselbe Teilzahlung (bzw. die letzte Schlusszahlung) dann nicht als kompensierend anzuerkennen. Darüber hinaus muss bei wirtschaftlicher Betrachtung anerkannt werden, dass die vereinbarte Leistung für die Spielmanipulation insgesamt 250.000 DM betrug. In welchen Raten diese Zahlung erbracht wurde, kann nichts daran ändern, dass die Spielmanipulation nur für die gesamte Summe erbracht wurde. Durch die Vereinbarung von Teilzahlungen hat der Treunehmer letztlich einen Vorteil für das eingesetzte Treugeberunternehmen „ausgehandelt“. Denn er selbst musste nicht mit der gesamten Summe in Vorleistung treten. Das Treugebervermögen wurde erst nach vollständigem Erhalt der Gegenleistung herausgegeben. Die Spielmanipulation und ihre wirtschaftlichen Folgen mussten daher bei der Kompensation grundsätzlich berücksichtigt werden. Der 4. Strafsenat ging daher zu Recht davon aus, dass durch die Bestechungszahlung unmittelbar eine werthaltige Exspektanz erlangt worden sei, die den Vermögensabfluss kompensieren könne. Dass die erlangte Gewinnaussicht aus einem rechtlich missbilligten Geschäft resultierte, war für den 4. Strafsenat aufgrund der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise unerheblich.7 Allein entscheidend sei, ob der durch die Manipulation erreichte Erhalt der Bundesligazugehörigkeit die geopferten 100.000 DM wert gewesen sei. Der 4. Strafsenat hatte also zu beurteilen, ob sich aus der Bundesligazugehörigkeit eine konkrete Gewinnchance ergab, die mindestens 100.000 DM wert war. In diesem Zusammenhang führte er aus, dass es für die Anerkennung einer vermögenswerten Gewinnaussicht auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung ankomme.8 Dies stimmt mit den oben dargelegten Grundsätzen zur Anerkennung einer vermögenswerten Exspektanz überein.9 Allerdings waren die Ausführungen des 4. Strafsenats zur Anforderung an die bestehende Wahrscheinlichkeit sehr knapp. Nach seiner Ansicht sei darauf abzustellen, ob die Gefahr eines Verlustgeschäfts wahrscheinlicher sei als die Aussicht auf Gewinnzuwachs. Diese Einschätzung entspricht zwar den erarbeiteten Kriterien für die grundsätzliche Anerkennung einer vermögenswerten Exspektanz.10 Der 4. Strafsenat versäumte es allerdings weitere Ausführungen zur konkreten Wertbestimmung der erlangten Exspektanz zu machen. Nach seinen Erläuterungen kommt es für die Beurteilung des tatbestandlichen Vermögensnachteils insgesamt darauf an, ob ein Vermögenszufluss oder ein Ver6
Vgl. hierzu oben, S. 177 ff. BGH, NJW 1975, 1234, 1235. 8 BGH, NJW 1975, 1234, 1236. 9 Vgl. oben, S. 135 ff. 10 Hierfür kommt es darauf an, dass eine erkennbar überwiegende Realisierungswahrscheinlichkeit besteht. Vgl. oben, S. 140 ff. 7
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
mögensabfluss wahrscheinlicher sei. Dies ist allerdings nach den obigen Ausführungen zu pauschal. Auch der Vermögenszufluss muss konkret bewertet und anschließend dem exakt bestimmten Vermögensabfluss im Wege der Gesamtsaldierung gegenübergestellt werden.11 Der 4. Strafsenat stellte zwar weitere Überlegungen zu wertbestimmenden Faktoren in dem konkreten Fall an, blieb dabei aber abstrakt und untersuchte nicht, ob und wie sich diese Faktoren auf den Wert einer Gewinnchance ausgewirkt haben. Grund hierfür war wohl auch, dass die Feststellungen des Landgerichts hierfür nicht ausreichend waren. Der 4. Strafsenat hob daher das landgerichtliche Urteil auf und verwies zurück. Obwohl die Vorgaben des 4. Strafsenats in Bezug auf die konkrete Bewertung der zugeflossenen Exspektanz nicht den hier entwickelten Anforderungen entsprachen, hat das Landgericht Bielefeld12 anschließend dennoch detaillierte Ausführungen zu deren konkreter Bewertung gemacht. Diese Ausführungen genügen den oben dargestellten Grundsätzen zur Bewertung einer faktischen Exspektanz.13 Zu Recht ging das Landgericht Bielefeld davon aus, dass die relevante, unmittelbar erlangte werthaltige Exspektanz in den möglichen gesteigerten Einnahmen aus einer weiteren Bundesliga Saison bestand. Es konzentrierte sich daher auf die zu erwartenden Einnahmen. Hierbei berücksichtigte es das Risiko der Entdeckung und die hiermit verbundenen, zu erwartenden Sanktionen und negativen Folgen. Unabhängig vom Entdeckungszeitpunkt sei allerdings eine Entscheidung über den Lizenzentzug (ex ante) erst nach dem Ablauf von etwa 2/3 der Spielzeit zu erwarten gewesen.14 Darüber hinaus setzte es sich ausführlich mit den bestehenden Verbindlichkeiten des Treugebervereins und der Möglichkeit deren Erfüllung auseinander. Es bezog sich zur detaillierten Bestimmung der Gewinnerwartung auf die Bilanz des Vereins aus der vorangegangenen Bundesligasaison im Vergleich zu den Bilanzen aus den Jahren in den Amateurligen. Auch die Möglichkeit der Einnahmen aus Spielerverkäufen und deren Wertsteigerung aufgrund weiterer Sichtbarkeit in der Bundesliga untersuchte das Landgericht. Es machte darüber hinaus Feststellungen zu der erwarteten Reaktion der Fans auf die Entdeckung der Manipulation.
11
Vgl. hierzu oben, S. 145 ff. LG Bielefeld, Urteil vom 09. Februar 1977 – S 1/75 (XI) –, juris. 13 Das LG Bielefeld hat sich allerdings, entgegen der vorangegangenen Entscheidung, nicht darauf festgelegt, dass der Verbleib in der Bundesliga allein durch die Manipulation erlangt wurde. Dies sei allerdings irrelevant, denn wenn das „Treugeber-Team“ das Spiel allein aufgrund seiner eigenen sportlichen Leistung erlangt habe, dann liege hierin eine wesentliche Abweichung des Kausalverlaufs von den Vorstellungen des bestechenden Treunehmers und es würde jedenfalls an einem vorsätzlichen Handeln fehlen, vgl. LG Bielefeld, Urteil vom 09. Februar 1977 – S 1/75 (XI) –, juris Rn. 174 ff. 14 LG Bielefeld, Urteil vom 09. Februar 1977 – S 1/75 (XI) –, juris Rn. 161. 12
B. Siemens/Enel
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Letztlich kam das Gericht auf nachvollziehbare Weise zu dem Schluss, dass der Erhalt der Bundesligazugehörigkeit „weit höher“ zu bewerten sei, als der vom Treunehmer eingesetzte Betrag von 100.000 DM.15 Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Es wurde eine faktische Exspektanz erlangt, sodass ein singuläres Ereignis zu bewerten war. Hierbei hat das Landgericht auf nachvollziehbare Weise wirtschaftliche Faktoren untersucht und mit dem exakt bezifferten Vermögensabfluss in Höhe von 100.000 DM verglichen. Es hat zwar den mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Zufluss letztendlich nicht exakt beziffert, aber es hat im Wege einer nachvollziehbaren Evidenzkontrolle dargestellt, dass die erwarteten Einnahmen den aufgewendeten Betrag von 100.000 DM deutlich übersteigen würden. Dieses Vorgehen entspricht der oben dargelegten Bewertungsmethode.
B. Siemens/Enel Die Entscheidung des 2. Strafsenats im Fall Siemens/Enel wurde bereits an verschiedenen Stellen dieser Arbeit eingehend besprochen und analysiert.16 Es müssen hier zwei relevante Fragestellungen separat betrachtet werden. Zum einen musste der 2. Strafsenat entscheiden, wie das Einrichten einer verdeckten schwarzen Kasse in der Privatwirtschaft strafrechtlich einzuordnen ist. Zum anderen stellte sich die Frage, ob die Erlöse aus Aufträgen, die durch Bestechungszahlungen erlangt worden waren, den Vermögensabfluss dieser Bestechungsgelder kompensieren konnten. Letzteres hat der 2. Strafsenat nicht entschieden, da er bereits in der Fortführung (bzw. Nicht-Aufdeckung) der schwarzen Kasse einen Totalverlust des hierin befindlichen Treugebervermögens sah. Die konkrete Verwendung der Gelder zu Bestechungszwecken sei daher „nur noch“ eine Vertiefung des Nachteils und Beendigung der bereits durch die Nicht-Aufdeckung vollendeten Untreue gewesen.17 Der 2. Strafsenat nahm an, dass der Schwerpunkt der Pflichtwidrigkeit in dem Unterlassen der Aufdeckung der schwarzen Kasse gelegen habe. Auch diese Annahme dürfte problematisch sein, da Untreue durch Unterlassen nur dann begangen werden kann, wenn dadurch bereits vorhandenes Treugebervermögen geschädigt wird.18 Das in der schwarzen Kasse befindliche Vermögen war allerdings von deren ursprünglichem Initiator bereits veruntreut worden und nach der neuen Rechtspre15
LG Bielefeld, Urteil vom 09. Februar 1977 – S 1/75 (XI) –, juris Rn. 173. Vgl. hierzu vor allem S. 89 ff. und S. 186 ff. 17 BGH, NStZ 2009, 95, 99. 18 Siehe hierzu ausführlich Rönnau, in: StV 2009, 248, 248 f. m. w. N.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 180. 16
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
chung des 2. Strafsenats deshalb für die Treugeberin bereits vollständig verloren. Das Geld befand sich demnach nicht mehr im Vermögen der Treugeberin. Es könnte lediglich durch den Wechsel des Verwalters der schwarzen Kasse eine Exspektanz der Treugeberin auf Rückführung der Gelder entstanden sein, weil den neuen Verwalter eine Pflicht zur Aufdeckung traf. Diese Exspektanz hätte der neue Verwalter (der Treunehmer) durch das Unterlassen der Aufdeckung dann zerstört. Dies wäre allerdings eine vollständig normative Begründung einer Exspektanz allein aus der Pflicht des Treunehmers zur Aufdeckung und kann nach den dargelegten Grundsätzen nicht überzeugen.19 Da vorliegend allerdings vorrangig der Vermögensnachteil untersucht werden soll, wird auf diese Problematik nicht weiter eingegangen. Der 2. Strafsenat nahm an, dass der Treunehmer, indem er Geldvermögen der Siemens AG (Treugeberin) in den verdeckten Kassen führte und ihr dauerhaft vorenthielt, einen endgültigen Nachteil in Höhe des gesamten Inhalts dieser verdeckten Kassen bei der Siemens AG auslöste. Es sei also bereits durch das Fortführen der schwarzen Kasse ein Totalverlust der gesamten Gelder eingetreten. Die Absicht des Treunehmers, die Gelder zugunsten der Treugeberin einzusetzen, sei bei dieser Einschätzung ohne Belang. Auch dass das Vermögen zunächst noch bei einem loyalen Treunehmer vorhanden gewesen sei, sei irrelevant. Der Verlust der Gelder könne nicht dadurch kompensiert werden, dass diese später zu Bestechungszwecken eingesetzt werden sollten und hierdurch die „vage Chance“20 auf einen Zufluss von wirtschaftlichen Werten erlangt werde. Dies gelte insbesondere, wenn der mögliche Vorteil nur auf rechtlich missbilligte Weise erlangt werden könne. Die spätere Verwendung der Gelder stelle eine reine Schadensvertiefung dar und die hierdurch erlangten Vermögenszuflüsse seien allenfalls Schadenwiedergutmachungen. Wie bereits ausführlich erläutert, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Die Fortführung bzw. die Einrichtung einer verdeckten, sicheren schwarzen Kasse ist für sich betrachtet allenfalls eine abstrakte Vermögensgefährdung, solange sie von einem loyalen Treunehmer, der sich innerhalb seiner Kompetenz bewegt, im Sinne des Treugebers beherrscht wird. Die Verwendungsabsicht des Treunehmers ist hierbei ein ganz entscheidendes Kriterium und kann sogar eine vermögenswerte Exspektanz begründen. Das Treugebervermögen unterliegt allein der Verfügungsmacht des Treunehmers, sodass seine Verwendungsabsicht entscheidenden Einfluss auf die tatsächliche Realisierung einer Gewinnaussicht hat. Im vorliegenden Fall war die schwarze Kasse bereits etabliert und der Treunehmer hatte loyale und konkrete wirtschaftliche Absichten, das verdeckte Vermögen zur Generierung von Großaufträgen einzusetzen. 19 20
Siehe hierzu auch sogleich S. 234 ff. BGH, NStZ 2009, 95, 98.
B. Siemens/Enel
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Allein das Weiterführen der schwarzen Kasse stellte also keinen tatsächlichen Vermögensabfluss dar. Ein tatbestandlicher Untreuenachteil konnte hierdurch nicht begründet werden. Erst durch die Verwendung der Gelder fand ein konkreter Vermögensabfluss statt. Dieser Vermögensabfluss konnte allerdings durch die hierdurch erlangten Vorteile kompensiert werden. Eine rechtliche Missbilligung des konkreten Geschäfts führt nicht pauschal zu einem Ausschluss der erlangten Vorteile. Der 2. Strafsenat hätte sich ausführlich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Bestechungszahlungen in Höhe von insgesamt ca. 6 Mio. Euro durch die nur aufgrund dieser Bestechung erlangten Auftragsgewinne in Höhe von über 100 Mio. Euro hatten kompensiert werden können. Dem hat sich der 2. Strafsenat nicht mehr explizit gewidmet. Seine pauschale Ablehnung jeglicher Kompensation, insbesondere aufgrund eines verbotenen Mitteleinsatzes, stellt eine rein normative Beurteilung eines möglichen Zuflusses dar. Wie bereits dargelegt,21 hätten aufgrund des rein wirtschaftlichen Vermögensverständnisses auf Zuflussseite und aufgrund der anzuwendenden ex ante-Betrachtung die konkret erwarteten Gewinne grundsätzlich berücksichtigt werden müssen. Denn sie stammten aus legalen Aufträgen und konnten von dem Treugeberunternehmen trotz ihrer rechtlich missbilligten Erlangung auf legale Weise genutzt werden. Ein bestehendes Entdeckungsrisiko und hiermit verbundene zu erwartende negative Folgen können allerdings zu einer Minderung des erlangten Gewinns führen. Dies ist anhand der erarbeiteten Grundsätze für die Bewertung einer Kompensationsgefährdung zu prüfen. Dabei kommt es auf die ex ante tatsächlich bestehende Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und die in diesem Fall ebenfalls ex ante tatsächlich zu erwartenden negativen Folgen an. Wie ausgeführt, bestand im Fall Siemens/Enel, ex ante betrachtet, ein eher niedriges Entdeckungsrisiko. Denn allen Beteiligten war an einer Geheimhaltung gelegen. Darüber hinaus war das System der Bestechungszahlungen offenbar vorher auch viele Jahre unbemerkt und erfolgreich genutzt worden. Angesichts der enormen Gewinne war zumindest nicht davon auszugehen, dass die zu erwartenden negativen Folgen die erlangte Gegenleistung übertreffen würden. Dass dies ex post letztlich dennoch geschah, kann auf die ex ante-Bewertung keinen Einfluss haben. Eine Minderung der durch den Treunehmer erlangten Gegenleistung war, nach den Feststellungen in der Siemens/Enel-Entscheidung, daher nicht angezeigt. Zumindest war die erlangte Gegenleistung nicht derart konkret gefährdet, dass der „verbleibende“ Gewinn die Bestechungssumme unterschritten hätte. Die abgeflossene Bestechungssumme ist daher durch die Auftragserlangung kompensiert wor21
Vgl. hierzu oben, S. 113 ff.
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
den. Auch durch die konkrete Verwendung der Gelder aus der schwarzen Kasse ist der Siemens AG also kein tatbestandlicher Untreuenachteil entstanden. Eine Untreuestrafbarkeit hätte in diesem Fall verneint werden müssen.
C. BVerfG-Grundsatzentscheidung Das BVerfG hatte über drei Verfassungsbeschwerden zu entscheiden. Fall I war der Fall Siemens/Enel. In Fall II ging es um die Gewährung überhöhter Prämien an Mitarbeiter in einer Betriebskrankenkasse und Fall III befasste sich mit einer Konstellation der Kredituntreue. Die Beschwerdeführer rügten eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG durch die gegen sie ergangenen gerichtlichen Entscheidungen. Das BVerfG erklärte die ersten beiden angefochtenen Entscheidungen für verfassungsgemäß, erkannte aber in der letzten Entscheidung eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG. Das BVerfG überprüfte zunächst, ob der Tatbestand der Untreue an sich dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG entspreche, obwohl es sich hierbei um eine „sehr weit gefasste[n] und verhältnismäßig unscharfe[n] Strafvorschrift“22 handele. Diese Frage bejahte das BVerfG. Der Untreuetatbestand lasse eine konkretisierende Auslegung zu, welche die Rechtsprechung in langjähriger Praxis umgesetzt und die sich in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktion als tragfähig erwiesen habe.23 Dem kann vorliegend nur eingeschränkt zugestimmt werden. Die erarbeiteten Auslegungs- und Bestimmungskriterien belegen zwar, dass eine konkretisierende und zulässige Auslegung des Untreuetatbestands möglich ist. Es ist allerdings durchaus fraglich, ob die bisherige, sehr uneinheitliche Rechtsprechung eine Auslegungslinie erkennen lässt, welche eine verlässliche Bestimmung der Strafbarkeit nach § 266 StGB im Voraus ermöglichen würde. Im zweiten Teil der Grundsatzentscheidung überprüfte das BVerfG sodann die vom jeweiligen Instanzgericht vorgenommene Auslegung des § 266 StGB im konkreten Einzelfall und deren Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG. In der Entscheidung Siemens/Enel (Fall I) sah das BVerfG keine Verletzung des Beschwerdeführers. Es ging davon aus, dass der Treunehmer der Siemens AG einen Vermögensnachteil in Form der Vereitelung einer konkreten Gewinnaussicht zu-
22 23
BVerfG, NJW 2009, 3209, 3212, Rn. 90. BVerfG, NJW 2009, 3209, 3214, Rn. 106.
C. BVerfG-Grundsatzentscheidung
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gefügt habe.24 Durch die dauerhafte Aufrechterhaltung der schwarzen Kasse sei eine vermögenswerte Exspektanz der Siemens AG zerstört worden. Das BVerfG führte nicht aus, wie sich diese Exspektanz der Siemens AG begründet oder welchen Wert sie gehabt haben könnte. Dennoch soll durch ihre Zerstörung ein Vermögensnachteil in Höhe der vollen Summe der in der schwarzen Kasse belassenen Gelder eingetreten sein. Auf eventuelle Vermögenszuflüsse geht das BVerfG überhaupt nicht ein. Diese Einschätzung überrascht, weil der 2. Strafsenat des BGH zwar im Rahmen der Pflichtverletzung auf ein Unterlassen der Aufdeckung der schwarzen Kasse eingegangen war, allerdings den Nachteil mit einer völlig anderen Argumentation begründet hatte.25 Es lässt sich, wie bereits ausgeführt, vermuten, dass die nicht wahrgenommene Gewinnchance der Siemens AG dadurch begründet gewesen sein soll, dass der Verwalter der schwarzen Kasse wechselte und somit die Aussicht bestand, dass der neue Verwalter, entsprechend seiner Verpflichtung, die ausgesonderten Gelder zurückführen würde. Diese Begründung einer vermögenswerten Exspektanz entspricht aber nicht den oben dargelegten Anforderungen.26 Denn allein die (privat-)rechtliche Verpflichtung des Treunehmers, die Kasse aufzudecken, kann keine vermögenswerte Exspektanz des Treugebers (auch nicht auf Abflussseite) begründen. Es war tatsächlich nicht zu erwarten, dass der neue Verwalter die Gelder zurückführen würde. Diese Gelder lagen sicher auf ausländischen Konten und waren bereits erfolgreich aus dem Unternehmensvermögen ausgesondert. Die Gelder konnten, entsprechend der bisherigen Praxis, somit unauffällig und ohne großen Aufwand zur Beschaffung lukrativer Aufträge eingesetzt werden. Eine tatsächliche Exspektanz auf Rückführung bestand für die Siemens AG daher eher nicht. Darüber hinaus begründet die Nicht-Wahrnehmung einer Aussicht auf Vermögensmehrung zunächst eine Pflichtverletzung. Ob dadurch ein eigenständiger Vermögensnachteil eingetreten ist, muss anhand einer wirtschaftlichen und nachvollziehbaren Bewertung der verlorenen Exspektanz und der im Gegenzug zugeflossenen Gewinnaussichten beurteilt werden. Ansonsten kommt es zu einer Verschleifung von Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil. Dies fordert das BVerfG in derselben Entscheidung im Fall III selbst ausdrücklich. Das BVerfG billigt hiervon abgesehen die Nachteilsfeststellung des 2. Strafsenats als wirtschaftlich nachvollziehbar und somit verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem kann aus den oben aufgeführten Gründen allerdings nicht zugestimmt werden.
24
Wobei das BVerfG ebenso gelten lassen will, wenn der Nachteil anhand eines Vergleichs des Ist-Zustands mit dem hypothetischen Sollzustand festgestellt wird (vgl. hierzu oben, S. 57 ff.), BVerfG, NJW 2009, 3209, 3216 Rn. 123. 25 Vgl. hierzu oben, S. 231 ff. 26 Vgl. oben, S. 70 ff. und S. 135 ff.
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
In Bezug auf diesen konkreten Sachverhalt verdient die BVerfG-Grundsatzentscheidung daher keine Zustimmung. Anders stellt sich dies in Bezug auf die Sachverhalte II und III dar. Der Beschwerdeführer zu II hatte sich gegen seine Verurteilung wegen Untreue aufgrund der Gewährung überhöhter Prämien innerhalb einer Betriebskrankenkasse gewendet. Das BVerfG führte hierzu aus, dass die Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach § 4 Abs. 4 SGB Veine vermögensrelevante Pflicht i. S. d. § 266 StGB darstelle. Für eine untreuerelevante Pflichtverletzung sei allerdings, entsprechend der Annahme des Landgericht Kassel,27 ein evidenter und schwerwiegender Verstoß jenseits der bestehenden Entscheidungsspielräume des Treunehmers erforderlich. Diese Anforderungen habe das Landgericht Kassel in seiner Entscheidung beachtet, sodass der Beschwerdeführer durch die Entscheidung nicht in seinen Grundrechten verletzt sei. Dem ist an dieser Stelle nichts entgegenzusetzen, da diese Arbeit sich vorrangig mit der Problematik des Vermögensnachteils auseinandersetzt. In den Instanzentscheidungen im Fall III sah das BVerfG allerdings eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG. Zunächst stellte es klar, dass durch die fortlaufende Gewährung ungesicherter Kredite in dem konkreten Fall eine Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB zu Recht angenommen worden sei. Allerdings sei die Annahme eines Vermögensnachteils in Form einer Vermögensgefährdung durch die Instanzgerichte28 verfassungswidrig gewesen. Die Bejahung eines Nachteils aufgrund einer „bloßen“ Vermögensgefährdung sei verfassungsrechtlich nicht prinzipiell zu beanstanden. Allerdings könne auch bei der Annahme einer „bloßen“ Vermögensgefährdung nicht auf die konkrete Feststellung der Schadenshöhe nach anerkannten Bewertungsmaßstäben verzichtet werden. Die Folgerung eines vollumfänglichen Vermögensverlusts aufgrund der eingegangenen Verlustgefahr führe zu einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale und unterlaufe die Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Versuchsstrafbarkeit.29 Wie bereits ausführlich erläutert, hat das BVerfG die Anforderungen an die Annahme eines Nachteils in Form einer Vermögensgefährdung deutlich verschärft und die Anwendung einer rein wirtschaftlichen Bewertung betont.30 Dieser Teil der Grundsatzentscheidung verdient Zustimmung und wurde in dieser Arbeit bereits ausführlich besprochen.
27 LG Kassel, Urteil v. 1.11.2007 – 5643 Js 46677/03 1 KLs –, und die Revision verwerfend BGH, BeckRS 2010, 20565. 28 LG Berlin, Urteil v. 21.3.2007 – (526) 2 StB Js 215/01 (13/04), und die Revision verwerfend BGH, BeckRS 2009, 5305 (obwohl die Nachteilsfeststellung des LG bedenklich gewesen sei. Die Verurteilung beruhe allerdings nicht auf diesem Verstoß.). 29 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3220. 30 Vgl. hierzu ausführlich oben, S. 149 ff. und eingehend, S. 172 ff.
D. Trienekens
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D. Trienekens Die Trienekens-Entscheidung des 2. Strafsenats ist die Fortführung der Nachteilsbestimmung im Fall Siemens/Enel und Folge von deren Billigung durch das BVerfG. Gleichzeitig wird der Anwendungsbereich des Untreuetatbestands durch diese Rechtsprechung noch weiter ausgedehnt.31 Die Revisions-Entscheidung des 2. Strafsenats befasste sich nicht mit der Verurteilung des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers bzw. Vorstandsvorsitzenden Trienekens (Leitungsorgan) selbst. Das Verfahren gegen ihn war zur gesonderten Verhandlung abgetrennt worden. Inhalt der BGH-Entscheidung war die Verurteilung zweier leitender Angestellter von Tochtergesellschaften in der TGruppe, welche die Gelder auf Anweisung des Leitungsorgans an die „Briefkastenfirma“ gegen Vorlage von Scheinrechnungen auszahlten (bzw. die Gewinnabführung von der Tochter- auf die Muttergesellschaft minderten). Das Leitungsorgan war wegen Untreue und die beiden leitenden Angestellten wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt worden. Hinsichtlich der Haupttat nach § 266 StGB sah der 2. Strafsenat die Pflichtverletzung des Leitungsorgans darin, dass dieser entgegen der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG) bzw. eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG) Vermögensgegenstände durch inhaltlich falsche Buchungsvorgänge aus der Buchhaltung aussonderte, um unter gezielter Umgehung der gesellschaftsrechtlichen Kontrollen über sie zu verfügen.32 Der 2. Strafsenat ging wiederum davon aus, dass es bereits durch die Einrichtung der schwarzen Kasse zu einem endgültigen und vollständigen Vermögensverlust gekommen sei. Diese Annahme konnte er allerdings nicht, wie im Fall Siemens/Enel, auf den vollständigen Verlust der Dispositionsmöglichkeit der Treugeberin stützen. Denn das handelnde Leitungsorgan war das für die Vermögensverwaltung der Treugeberin zuständige und willensbildende Organ(teil). Nach Ansicht des 2. Strafsenats entstand dem Treugeberunternehmen aber durch die Verschiebung von Vermögenswerten in die konkrete schwarze Kasse dennoch ein endgültiger Vermögensverlust. Dies begründet er mit der konkreten Ausgestaltung der verdeckten Kasse. Der Verbleib und die Verwendung der ausgesonderten Gelder sei von keiner Unternehmenseinheit des Konzerns überwacht gewesen. Die Kontrolle über die Verwaltung habe allein bei dem Leitungsorgan persönlich gelegen. Darüber hinaus habe keine Sicherung gegen eigenmächtige Zugriffe der mit der Unterhaltung der schwarzen Kasse betrauten dritten Personen bestanden. Deshalb seien alle ausgegliederten Vermögenwerte bereits im Moment der Überführung in die schwarze Kasse endgültig verloren gewesen.
31 32
Vgl. hierzu auch bereits ausführlich oben, S. 186 ff. BGH, NJW 2010, 3458, 3460.
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
Diese Einschätzung kann, wie ausgeführt,33 nicht überzeugen. Es findet hier zulasten des Treunehmers eine noch stärkere Normativierung statt als bereits in der Entscheidung Siemens/Enel. Im Fall Trienekens hat das zuständige Organ Vermögen im Interesse der Treugeberin verschoben. Hierzu war es berechtigt. Das Treugeberunternehmen hatte durch sein willensbildendes Organ selbst weiterhin Zugriff und Einfluss auf die ausgesonderten Gelder. Allein die (rechtliche oder faktische) abstrakte Möglichkeit des eigenmächtigen Zugriffs durch Dritte kann nicht zu einem vollständigen Verlust sämtlicher Gelder führen. Im Moment der Aussonderung war das Treugebervermögen allenfalls gefährdet. Diese Gefahr hätte anhand der oben erarbeiteten Grundsätze nachvollziehbar bewertet und mit entstehenden Gewinnchancen aus der loyalen Verwendungsabsicht des Treunehmers (bzw. des Organs) verrechnet werden müssen. Dem ist der 2. Strafsenat allerdings nicht nachgekommen. Er führte die Zugriffsmöglichkeit Dritter in einem Satz aus und berief sich ansonsten auf fehlende rechtliche Auszahlungsansprüche des Treugeberunternehmens. Andererseits führte er aus, die Kontrolle über die Verwaltung der Gelder habe ausschließlich bei dem alleinvertretungsberechtigten Leitungsorgan gelegen. Diese Ausführungen können die pauschale Annahme eines Totalverlustes im Moment der Aussonderung nicht rechtfertigen und werden einer wirtschaftlichen Bewertung der Tatsachen nicht gerecht. Es hätte weiterer Feststellungen und Ausführungen hinsichtlich der das Vermögen betreuenden Personen und der von ihnen tatsächlich ausgehenden Vermögensgefährdung bedurft.
E. Siemens/AUB Im Fall Siemens/AUB hat der 1. Strafsenat hinsichtlich des Vermögensnachteils und der Untreuestrafbarkeit keine Entscheidung getroffen. Die Feststellungen des Landgerichts seien, vor allem in Bezug auf mögliche erlangte Vorteile, für eine Entscheidung nicht ausreichend gewesen. Deshalb sei das Verfahren aus verfahrensökonomischen Gründen gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Betrugs zu beschränken gewesen. Die Vorinstanz hatte den pflichtwidrigen Vermögensabfluss zutreffend in der bewussten Zahlung auf Scheinrechnungen an eigens hierfür gegründete Unternehmen gesehen. Es ging um 44 Zahlungen im Umfang von insgesamt 30,3 Mio. Euro.34 Diese Gelder wurden von den „Mittels-Unternehmen“ an die AUB weitergeleitet. So sollte die AUB mit Geldern der Siemens AG als Gegenpol zur IG Metall ausgebaut
33 34
Vgl. oben, S. 195 ff. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 24.11.2008 – 3 KLs 501 Js 177/2008 –, juris Rn. 136.
E. Siemens/AUB
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werden.35 Diese Praxis wurde, nach den Feststellungen des Landgerichts, bereits seit 1990 – also bereits Jahre vor dem hier untersuchten Fall – betrieben. Das Landgericht hatte festgestellt, dass die AUB ohne die Gelder der Siemens AG nicht überlebensfähig gewesen wäre. Für die Siemens AG hätten sich aus der Unterstützung bei Aufbau, Stabilisierung und Erhalt der AUB dagegen aus Arbeitgebersicht erhebliche wirtschaftliche Vorteile ergeben. An Standorten, an denen die AUB im Betriebsrat vertreten gewesen sei, hätten auf betrieblicher Ebene eine Vielzahl von Vereinbarungen geschlossen werden können, welche aus Sicht der Siemens AG der Standortsicherung gedient und aus Arbeitgebersicht erhebliche wirtschaftliche Vorteile geboten hätten.36 Dennoch lehnte das Landgericht eine Kompensation der Vermögensabflüsse vollumfänglich ab. Dies wurde mit der fehlenden Unmittelbarkeit der erlangten wirtschaftlichen Vorteile begründet. Die Zahlungen des Treunehmers hätten zwar dazu geführt, dass die AUB am Ende in vielen Betriebsräten vertreten gewesen sei. Die hieraus entstehenden wirtschaftlichen Vorteile könnten allerdings nicht zur Kompensation herangezogen werden, da nicht auf das Gesamtergebnis einer Wirtschaftsperiode oder eine „unter dem Strich“ erreichbare Saldierung abgestellt werden könne.37 Die Tatsache, dass die AUB in immer mehr Betriebsräten vertreten gewesen sei, stelle keine konkrete Gewinnaussicht, sondern lediglich eine „vage Chance“ auf einen wirtschaftlichen Vermögensvorteil dar.38 Unmittelbar sei daher nur eine abstrakte Gewinnaussicht erlangt worden. Eine Ausnahme vom Unmittelbarkeitskriterium sei auch nicht angezeigt gewesen, da es an einem vernünftigen wirtschaftlichen Gesamtplan gefehlt habe. Das Landgericht nahm daher einen Vermögensnachteil in voller Höhe der getätigten Zahlungen an. Wie bereits ausgeführt,39 wandte der 1. Strafsenat sich gegen das Unmittelbarkeitsverständnis des Landgerichts. Nach seiner Auffassung bedeute „unmittelbar“ nicht „zeitgleich bzw. sofort oder auch nur bald“.40 Vielmehr sei eine Schadenskompensation als unmittelbar aus der pflichtwidrigen Handlung resultierend anzuerkennen, wenn keine weitere selbständige Handlung mehr hinzutreten müsse, damit der Vermögenszuwachs entstehe.41 Der 1. Strafsenat ging davon aus, dass mit den Zahlungen, die den Fortbestand der AUB sicherstellten, der angestrebte wirtschaftliche Vorteil bereits erreicht worden sei.42 Er rügte, dass es angesichts der bereits gegebenen Etablierung der AUB wei35
LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 24.11.2008 – 3 KLs 501 Js 177/2008 –, juris Rn. 70 ff. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 24.11.2008 – 3 KLs 501 Js 177/2008 –, juris Rn. 154 ff. 37 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 24.11.2008 – 3 KLs 501 Js 177/2008 –, juris Rn. 438. 38 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 24.11.2008 – 3 KLs 501 Js 177/2008 –, juris Rn. 439. 39 Vgl. oben, S. 122 ff. 40 BGH, NJW 2011, 88, 93. 41 BGH, NJW 2011, 88, 93. 42 BGH, NJW 2011, 88, 93. Allerdings scheint der 1. Strafsenat zur Feststellung des wirtschaftlichen Vorteils auf die Sicht der Siemens AG abzustellen. Soweit dies über eine 36
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
tergehender Darstellungen seitens des Landgerichts bedurft hätte, weshalb die Zahlungen lediglich zu einer vagen Chance, nicht aber zu einem bereits messbaren Vermögenszuwachs geführt hätten. Die vom Landgericht bei der Siemens AG festgestellten wirtschaftlichen Vorteile hätten in betriebswirtschaftlicher Hinsicht bewertet und mit den von der Siemens AG geleisteten Zahlungen saldiert werden müssen. Hierzu hätte es allerdings weitergehender Feststellungen bedurft. Der 1. Strafsenat beschränkte deshalb das Verfahren gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Betrugs und umging damit eine nähere Bestimmung der erlangten Vorteile. Nach den erarbeiteten Grundsätzen,43 hat das Landgericht, entgegen der Ansicht des 1. Strafsenats, ein zutreffendes Verständnis des Unmittelbarkeitserfordernisses angewendet. Wie oben ausführlich erläutert,44 können nur Vorteile berücksichtigt werden, die zeitlich unmittelbar aus der pflichtwidrigen Einzelhandlung resultieren. Wären die wirtschaftlichen Vorteile tatsächlich erst später eingetreten, wäre eine Kompensation der Zahlungen an die AUB ausgeschlossen gewesen. Durch die Zahlung an die AUB wurden daher, entgegen der Auffassung des 1. Strafsenats, nicht unmittelbar die später tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen Vorteile erlangt. Diese haben im Moment der Zahlung noch nicht bestanden. Auch eine Ausnahme von der strengen Einzelbetrachtung kommt, wie erläutert, nicht in Betracht.45 Entgegen der Auffassung des Landgerichts erlangte die Siemens AG durch die Etablierung der AUB in immer mehr Betriebsräten allerdings nicht nur eine „vage Chance“ auf spätere Vermögenszuflüsse. Vielmehr erhielt die Siemens AG bereits im Moment der Zahlung die konkrete Chance, dass die hierdurch gestärkte AUB in immer mehr Betriebsräten vertreten sein und in diesen Betriebsräten eine arbeitgeberfreundliche Gesinnung durchsetzen würde. Dass ein arbeitgeberfreundlicher, durch die AUB beeinflusster Betriebsrat einen wirtschaftlichen Vorteil bringt, hat das Landgericht festgestellt. Die Aussicht auf diesen wirtschaftlichen Vorteil müsste allerdings auch vom Treunehmer faktisch beherrschbar gewesen sein, damit ihr ein Vermögenswert zukommt.46 Im Zeitpunkt der relevanten Zahlungen durch den Treunehmer war die AUB bereits etabliert und die Praxis der Zurückdrängung der IG Metall in den Betriebsräten wurde bereits einige Jahre erfolgreich betrieben. Der Treunehmer konnte demnach davon ausgehen, dass dies so weiterlaufen würde. Nach den Feststellungen des Landgerichts hing das Fortbestehen der AUB von den Zahlungen der Siemens AG ab. Der Treunehmer konnte daher erwarten, dass die in der AUB tätigen Personen nach den Anweisungen objektiv individuelle Schadensbestimmung hinausgeht, verdient diese Ansicht keine Zustimmung. 43 Vgl. oben, S. 122 ff. 44 Vgl. oben, S. 122 ff. 45 Vgl. oben, S. 124 ff. 46 Vgl. oben, S. 177 ff.
F. Telekom-Spitzelaffäre
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der Siemens AG, bzw. des Treunehmers selbst, handeln würden, um den Fortbestand der AUB zu sichern. Die Feststellungen des Landgerichts lassen folglich den Schluss zu, dass eine faktische Beherrschbarkeit der Realisierung der Gewinnchance bestand. Ob die erlangte konkrete vermögenswerte Exspektanz die gezahlten 30,3 Mio. Euro wert war, muss anhand einer Evidenzkontrolle festgestellt werden, denn für faktische Gewinnchancen besteht kein anerkannter Marktpreis.47 Weder die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil, noch diejenigen des 1. Strafsenats setzen sich mit dem Wert eines wohlgesonnenen Betriebsrats, bzw. der Aussicht auf einen solchen, auseinander. Es fehlen hierzu nähere Angaben. Angesichts der Größe des Siemens-Konzerns dürfte ein arbeitgeberfreundlicher Betriebsrat einen enormen Wert haben. Hierfür spricht auch die jahrelang geübte Praxis unter Einweihung verschiedener Vorstandsmitglieder. Insofern muss anhand der (ungenügenden) Feststellungen des Landgerichts eher davon ausgegangen werden, dass die Zahlungen in Höhe von insgesamt 30,3 Mio. Euro nicht in einem evidenten Missverhältnis zu der erlangten konkreten Exspektanz gestanden haben. Ein Vermögensnachteil der Siemens AG wäre daher abzulehnen und eine Untreuestrafbarkeit ausdrücklich zu verneinen gewesen.
F. Telekom-Spitzelaffäre Die Entscheidung des 2. Strafsenats zur Telekom-Spitzelaffäre wurde ebenfalls bereits ausführlich erörtert.48 Ein leitender Angestellter der Telekom AG hatte zur Identifizierung eines „Spitzels“ im eigenen Unternehmen Verbindungsdaten mehrerer Aufsichtsratsmitglieder und Journalisten an ein Dritt-Unternehmen zur Auswertung übergeben. Dies stellt eine Straftat i. S. d. § 206 StGB dar und verstößt gegen das Verbot des § 88 Abs. 3 TKG. Das Dritt-Unternehmen wertete die Daten aus und konnte den Spitzel identifizieren. Für diese Leistung stellte es der Telekom AG eine Rechnung, deren Richtigkeit der leitende Angestellte bestätigte und somit eine entsprechende Zahlung veranlasste. Der 2. Strafsenat sah die Pflichtverletzung des Treunehmers in der Veranlassung der Begleichung einer nichtigen Forderung. Die Zahlungsforderung sei gemäß § 134 BGB nichtig und der Bereicherungsanspruch auf Wertersatz nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB durch § 817 S. 2 BGB gesperrt gewesen. Den Nachteil folgerte der 2. Strafsenat letztlich aus derselben Tatsache. Die Begleichung der nichtigen Forderung habe einen Vermögensnachteil bewirkt, der 47 48
Vgl. oben, S. 177 ff. Vgl. oben, S. 81 ff. und S. 91 ff.
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
nicht durch einen gleichwertigen Vorteil, nämlich das Erlöschen einer wirksamen Forderung, kompensiert worden sei.49 Der 2. Strafsenat verneinte also eine Kompensation des durch die Rechnungszahlung erlittenen Vermögensabflusses allein aufgrund der rechtlichen Nichtigkeit der zugrundeliegenden Vereinbarung. Mit dieser Tatsache befasste er sich in einem (Neben-)Satz, ohne auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Konstellation einzugehen. Der 2. Strafsenat wendete hier einen rein normativen Vermögensbegriff an. Darüber hinaus „verschliff“ er die Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensnachteils miteinander, indem er den Vermögensnachteil allein aus der Rechtswidrigkeit der Zahlung folgerte. Diese Einschätzungen werden den erarbeiteten Anforderungen an die Nachteilsfeststellung nicht gerecht. Es ist auf Vorteilsseite ein rein wirtschaftlicher Vermögenbegriff anzuwenden. Der Vermögensabfluss bestand in der Veranlassung der Rechnungszahlung. Eine Kompensation konnte allerdings nicht allein aufgrund des verbotenen Handelns der „Vertragsparteien“ abgelehnt werden. Vielmehr hätte das Gesamtgeschäft wirtschaftlich beurteilt werden müssen. Die Telekom AG hat, wirtschaftlich gesehen, für die Zahlung der Vergütung die Auswertung der illegal gelieferten Verbindungsdaten erhalten und somit letztlich die Möglichkeit, den Spitzel zu identifizieren. Diese Auswertung hat das Dritt-Unternehmen allerdings als Vorleistung erbracht. Unter strenger Anwendung des Unmittelbarkeitskriteriums und der Einzelbetrachtung hat somit die Zahlung der Vergütung nicht unmittelbar anschließend zur Erlangung der Gegenleistung geführt – diese war bereits vorher erlangt worden. Allerdings sind diese synallagmatischen Leistungen dennoch als ein einheitliches Austauschgeschäft zu sehen.50 Wirtschaftlich betrachtet hat der Treunehmer durch die nachträgliche Zahlung sogar das Risiko der Vorleistung von der Treugeberin auf den „Vertragspartner“ verschoben. Darüber hinaus liegt generell die Erbringung einer Vorleistung in der Natur eines Austauschgeschäfts und das hierin beinhaltete Risiko besteht für alle Teilnehmer des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs. Vor diesem allgemeinen Wirtschaftsrisiko soll § 266 StGB gerade nicht schützen. Die synallagmatische Vorleistung der Datenauswertung muss daher grundsätzlich bei der Kompensation der im Gegenzug veranlassten Zahlung herangezogen werden. Problematisch bleibt, wie bereits ausgeführt,51 ob die erlangte Gegenleistung für die Treugeberin tatsächlich einen wirtschaftlichen Wert entfalten konnte. Hierbei muss beachtet werden, dass die Telekom AG als geschäftsmäßiger Erbringer von Telekommunikationsdiensten an das Fernmeldegeheimnis gebunden ist.52 Durch die 49 50 51 52
BGH, NJW 2013, 401, 403. Vgl. hierzu ausführlich oben, S. 223 ff. Vgl. oben, S. 91 ff. und S. 165 ff. Vgl. Bock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 22.
F. Telekom-Spitzelaffäre
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Entgegennahme der illegal weitergegeben und ausgewerteten Verbindungsdaten verstößt die Telekom AG gegen das Kenntnisnahmeverbot des § 88 Abs. 3 TKG (a. F.).53 Ein derartiger Verstoß kann eine Strafbarkeit gemäß § 206 StGB nach sich ziehen. Dies wäre der Fall, wenn ein Organ der Telekom AG i. S. d. § 206 Abs. 1 StGB unbefugt anderen Personen Mitteilung über dem Fernmeldegeheimnis unterliegende Tatsachen (rechtswidrig ausgewertete Verbindungsdaten) machen würde. Diese andere Person kann auch ein (Mit-)Inhaber oder Beschäftigter desselben Telekommunikationsunternehmens sein.54 Darüber hinaus kann die BNetzA bei Nichteinhaltung des Fernmeldegeheimnisses sogar das geschäftsmäßige Erbringen des betreffenden Telekommunikationsdienstes ganz oder teilweise untersagen.55 Bei der Nutzung der erlangten Erkenntnisse durch die Telekom AG wird es zusätzlich zu einer ungerechtfertigten Verarbeitung von Verkehrsdaten und somit zu einer Ordnungswidrigkeit nach § 149 Nr. 16 TKG kommen.56 Die erlangte Kenntnis über die Identität des Spitzels kann an sich noch keinen wirtschaftlichen Wert für die Telekom AG entfalten. Um den erforderlichen Mehrwert aus der erlangten Information ziehen zu können, wird diese Information von den zuständigen Organen der Telekom AG weitergegeben und verarbeitet werden müssen. Hierdurch würde sich die Telekom AG nach § 206 Abs. 1 StGB strafbar machen.57 Zumindest aber würde es zu einer Ordnungswidrigkeit nach § 149 Nr. 16 TKG kommen. Auch die Gefahr negativer Auflagen durch die BNetzA könnte sich vermögensmindernd auswirken.58 Eine legale Nutzung der erlangten Gegenleistung war daher nicht möglich, sodass sie auch wirtschaftlich gesehen keinen Wert für die Telekom AG gehabt haben dürfte. Wer einen Dritten mit der Betreuung seines Vermögens betraut, muss es sich grundsätzlich gefallen lassen, dass dieser anders mit dem Vermögen umgeht, als der Vermögensinhaber selbst dies tun würde. Dementsprechend schützt § 266 StGB nur die Gesamtheit des Vermögens und nicht die Dispositionsfreiheit des Treugebers. Selbst wenn der eingesetzte Treunehmer illegal und pflichtwidrig handelt, dabei aber einen wirtschaftlich wertvollen Vorteil erlangt, muss das Unternehmen sich diesen anrechnen lassen, wenn dem Vermögen dadurch keine Nachteile drohen. Wenn das Treugeberunternehmen die erlangte Position allerdings nicht nutzen kann, ohne sich dadurch selbst strafbar zu machen, besteht hierin kein kompensierender Wert. Denn
53
So auch der 2. Strafsenat, NJW 2013, 401, 403. Vgl. MüKo-Altenhain, § 206 Rn. 39 ff., 42. 55 Vgl. Bock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 49. 56 Vgl. Bock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 49. 57 So auch Burghardt/Bröckers, in: NJW 2015, 903, 908; a. A. Hoof, Kompensationsmöglichkeiten, S. 258 f. 58 Diese Folge müsste allerdings anhand der Kriterien zur Bewertung einer Vermögensgefährdung genauer untersucht werden. 54
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
es kann nicht verlangt werden, dass sich das Treugeberunternehmen selbst illegal verhält. Im Ergebnis hat der Treunehmer also tatsächlich keinen kompensierenden Vorteil für die Telekom AG erlangt. Die Verurteilung nach § 266 StGB war daher letztlich gerechtfertigt. Der Vermögensnachteil konnte allerdings nicht mit der rechtlichen Missbilligung des Geschäfts in einem Nebensatz festgestellt werden. Die abgeflossenen und zugeflossenen Positionen hätten nachvollziehbar und detailliert wirtschaftlich bewertet werden müssen. Der 2. Strafsenat wies in seiner Entscheidung sogar auf die BVerfG-Grundsatzentscheidung hin und erwähnte das Erfordernis einer konkreten Bezifferung des Schadens. Allerdings bezog er dieses Erfordernis allein auf den Vermögensabfluss und rechtfertigte damit eine Schätzung des Landgerichts über die Höhe der Rechnungszahlung.59 Diese Ausführungen werden den erarbeiteten Grundsätzen der Nachteilsfeststellung nicht gerecht.
G. Arzneimittel/Russlandgeschäft Auch die Entscheidung Arzneimittel/Russlandgeschäft des 1. Strafsenats wurde bereits an verschiedenen Stellen dieser Arbeit ausführlich besprochen und untersucht.60 Es müssen hier zwei Konstellationen getrennt betrachtet werden. Der 1. Strafsenat hat im Hinblick auf die Kaufpreisrückerstattung zutreffend eine rein wirtschaftliche Betrachtung der Vermögensveränderung angewendet. In Zusammenhang mit der Einrichtung einer verdeckten Kasse hat er, ähnlich wie im Fall Trienekens, auf deren konkrete Ausgestaltung abgestellt. Im entschiedenen Fall ging es um die Verurteilung einer leitenden Angestellten des Treugeberunternehmens und ihres Ehemanns wegen Beihilfe zur Untreue. Die Haupttäter waren nach Feststellung des Landgerichts Angestellte ab der Hierarchieebene der Area-Manager einschließlich des Finanzvorstandes, der auch Mitglied des Zentralvorstands war. Aufgrund nicht leistungshinterlegter Scheinrechnungen mehrerer Offshore-Gesellschaften waren Gelder verschleiert aus dem Treugebervermögen ausgesondert und auf Konten dieser Offshore-Gesellschaften geparkt worden. Diese Gelder wurden zur Rückerstattung von Kaufpreisanteilen und zur Bestechung von Behörden und medizinischen Meinungsführern eingesetzt. Im Fall der Kaufpreisrückerstattung hat der 1. Strafsenat festgestellt, dass diese Praxis auf die Forderungen der russischen Importeure zurückgegangen sei. Diese hätten versucht ihre Gewinnspanne künstlich zu erhöhen.
59 60
BGH, NJW 2013, 401, 403 f. Vgl. oben, S. 118 ff. und S. 186 ff.
G. Arzneimittel/Russlandgeschäft
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Der 1. Strafsenat hat den wirtschaftlichen Ausgangspunkt der Nachteilsfeststellung betont. Er differenzierte auf der Kompensationsseite zwischen der Erlangung der Nettopreise für die gelieferten Medikamente und der erlangten Möglichkeit der Teilhabe am russischen Markt. Das Treugeberunternehmen habe für die Lieferung von Medikamenten den angemessenen „Nettopreis“ erhalten. Hier sei kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden.61 Für die Rückleitung der Gelder, die niemals dem Vermögen des Treugeberunternehmens zugehörig gewesen seien, habe das Unternehmen die Möglichkeit erhalten, überhaupt am russischen Markt agieren zu können.62 Es habe hier schon gar keine Vermögenseinbuße stattgefunden, da diese Gelder stets den Importeuren zuzurechnen gewesen seien. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Verpflichtung zur Rückgewährung der fremden Gelder wegen ihrer Sittenwidrigkeit nicht beständig gewesen und somit eine nichtige Forderung erfüllt worden sei.63 Dies begründete der 1. Strafsenat damit, dass diese bereicherungsrechtliche Wertung des § 817 S. 2 BGB nicht uneingeschränkt in das Strafrecht übernommen werden könne. Hierdurch würden wirtschaftliche Aspekte völlig verdrängt und ein einheitlicher Geschäftsvorgang künstlich aufgespalten. Außerdem würde ansonsten jeder Sittenverstoß, der zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts führe, im Fall der dennoch erfolgten Leistung den Tatbestand der Untreue erfüllen.64 Dies gelte besonders, da das Kriterium des „sittlichen Maßstabes“ unbestimmt und wandelbar sei. Wenn die Bejahung eines Vermögensnachteils und somit der Untreuestrafbarkeit von diesem Kriterium abhinge, führe dies zu erheblichen Unsicherheiten. Darüber hinaus dienten die Aspekte, die hier zur Annahme einer Sittenwidrigkeit und somit Nichtigkeit der Rückgewährungsabrede geführt hätten, dem Schutz des öffentlichen Interesses des russischen Staates und nicht den individuellen Vermögensinteressen der Treugeberin. Der Schutz des § 266 StGB greife daher vorliegend nicht. Der 1. Strafsenat sieht in dieser Argumentation auch keinen Widerspruch zu der Entscheidung des 2. Strafsenats in der Telekom-Spitzelaffäre. Hier sei zwar ein Nachteil angenommen worden, weil auf eine nichtige Forderung geleistet worden sei. Allerdings habe die Nichtigkeit auf dem Verstoß gegen ein konkretes Verbotsgesetz beruht (§ 134 BGB). In diesem Fall könne das Verbotsgesetz verlässlich ausgelegt werden, während es bei der Nichtigkeit nach § 138 BGB auf eine ungeschriebene „Sittennorm“ ankomme, deren Sinn und Zweck nicht auf dieselbe Weise
61 62 63 64
BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 43. BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 43 ff. BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 45 ff. BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 46.
246
Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
festgeschrieben sei.65 Die aus der Nichtigkeit eines Geschäfts folgenden Konsequenzen müssten nicht für alle Nichtigkeitsgründe gleich sein. Grundsätzlich ist dieser Nachteilsbestimmung des 1. Strafsenats zuzustimmen. Gerade die separate Betrachtung der Kaufpreiszahlung für die Medikamente und der Kaufpreisrückerstattung für die Möglichkeit des Handels in Russland überzeugt. Zu Recht hat der 1. Strafsenat angenommen, dass die kostenneutrale Rückgewährung der fremden Gelder schon keinen Abfluss von Treugebervermögen darstelle. Einer weiteren Betrachtung der rechtlichen Verpflichtung zur Rückgewährung hätte es daher nicht bedurft, da wirtschaftlich gesehen kein Nachteil eingetreten ist.66 Ob durch die Rückgewährung die Befreiung von einer wirksamen Verbindlichkeit eingetreten ist oder nicht, ist hier gleichgültig, weil jedenfalls nicht das Vermögen der Treugeberin „verschleudert“ wurde. Außerdem hatte das Treugeberunternehmen als „Vorleistung“ für die Rückgewährung die Möglichkeit der Teilhabe am russischen Markt erhalten. Dennoch untersucht der 1. Strafsenat die rechtliche Verpflichtung zur Rückgewährung des fremden Geldes. Die Vereinbarung über die Rückleitung der Gelder war wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB nichtig. Hieraus kann aber, aufgrund des wirtschaftlichen Vermögensverständnisses auf Zuflussseite, keine andere Beurteilung der Vermögenslage resultieren. Der Hinweis, dass eine Übertragung der Wertung von § 817 S. 2 BGB in die Nachteilsbewertung zu einer Aufspaltung eines einheitlichen Geschäftsvorgangs führe und wirtschaftliche Aspekte in den Hintergrund treten lasse, entspricht dem gleichen Gedanken wie die Berücksichtigung von Vorleistungen innerhalb der Nachteilskompensation.67 Denn Grundgedanke des § 817 S. 2 BGB ist, dass bei einer verbotenen Handlung keine Art des Ausgleichs für die eigene verbotene Leistung erlangt werden soll. Dieser Gedanke liegt auch zugrunde, wenn nach verbotener Vorleistung des „Vertragspartners“ und aufgrund der Nichtigkeit seiner Forderung in der Zahlung der ursprünglich vereinbarten Leistung ein Nachteil gesehen wird. Wenn aber der Treugeber etwas wirtschaftlich wertvolles als „synallagmatische“ Vorleistung erhalten hat, kann es nicht – entsprechend dem Gedanken von § 817 S. 2 BGB – außer Betracht gelassen werden. Dies würde der wirtschaftlichen Wirklichkeit nicht gerecht.68 Auch die übrigen Argumente des 1. Strafsenats überzeugen. Ihm ist zuzustimmen, wenn er ausführt, es komme nicht „nur“ auf den rechtlichen Bestand der Forderung an, sondern „auch“ auf den wirtschaftlichen Wert der Gegenleistung.69 65
BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 47. Es könnte natürlich eine Vermögensgefährdung durch eventuelle Sanktionen bei der Entdeckung dieser Praxis bestehen. Hierzu wurden allerdings keine Feststellungen gemacht. 67 Vgl. hierzu oben, S. 223 ff. und S. 241 ff. 68 Vgl. ausführlich oben, S. 223 ff. und S. 241 ff. 69 BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 42. 66
G. Arzneimittel/Russlandgeschäft
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Nach der hier vertretenen Ansicht kommt es sogar allein auf den wirtschaftlichen Wert an. Die Ansicht des 1. Strafsenats, wonach seine Ausführungen zur Bestimmung des Vermögensnachteils nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des 2. Strafsenats in der Telekom-Spitzelaffäre stünden, überzeugt allerdings nicht. Der 2. Strafsenat begründet in der Entscheidung zur Telekom-Spitzelaffäre den Vermögensnachteil allein mit der rechtlichen Nichtigkeit der erfüllten Forderung.70 Die Argumentation, die Nichtigkeit aufgrund von § 134 BGB könne innerhalb der wirtschaftlichen Nachteilsbestimmung andere Konsequenzen hervorrufen als die Nichtigkeit aufgrund von § 138 BGB, leuchtet nicht ein und erscheint eher wie der Versuch, eine Auseinandersetzung mit dem 2. Strafsenat zu vermeiden.71 Von dieser Annahme abgesehen überzeugt die Entscheidung des 1. Strafsenats allerdings. Im Hinblick auf die Aussonderung von Treugebervermögen auf Konten von „Scheinfirmen“ durch Zahlung auf nicht leistungshinterlegte Scheinrechnungen, nahm der 1. Strafsenat an, dass dem Treugeberunternehmen bereits durch die Überweisung der Gelder auf diese Konten ein vollständiger und endgültiger Vermögensnachteil entstanden sei. Es handelt sich um die bereits erläuterte Konstellation der Einrichtung einer schwarzen Kasse.72 Der endgültige Totalverlust des Vermögens konnte wiederum nicht „einfach“ mit dem Verlust der Dispositionsmöglichkeit der Treugeberin allein durch die Aussonderung begründet werden. Denn die Überweisung geschah mit Billigung des ressortzuständigen Mitglieds des Vorstands und somit eines zuständigen Organteils der Kapitalgesellschaft.73 Nach Ansicht des 1. Strafsenats habe aber die konkrete Ausgestaltung der schwarzen Kasse dazu geführt, dass die Treugeberin keinerlei Zugriffsmöglichkeit mehr auf die Gelder hatte. Denn die Verwaltung habe allein in den Händen der leitenden Angestellten in Russland gelegen. Die Organe des Treugeberunternehmens hätten den Verbleib der Gelder nicht überwachen können. Darüber hinaus habe keine Sicherung gegen den eigenmächtigen Zugriff der zur Unterhaltung der schwarzen Kasse eingesetzten Personen bestanden.74 Wirtschaftlicher Berechtigter der verdeckten Konten sei zunächst der Ehemann der leitenden Angestellten in Russland gewesen. Ob hierüber bei den Verantwortlichen der Treugeberin Kenntnis bestand, sei offengeblieben. Darüber hinaus hätten weitere Strohmänner, die mit der Treugeberin nicht verbunden gewesen seien, Zugriff auf die Gelder gehabt. Die Gelder seien nach Belieben der leitenden Angestellten in Russland an weitere Offshore-Gesellschaften weitergeleitet worden und hätten sich immer weiter von der Treugeberin und ihren Organen entfernt. Darüber hinaus sei der ursprüngliche wirtschaftliche Berechtigte der 70 71 72 73 74
Hierzu detailliert oben, S. 241 ff. BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 47; siehe hierzu ausführlich oben, S. 118 ff. Vgl. oben, S. 186 ff. und vgl. S. 237. BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 52 f. BGH, BeckRS 2018, 37760, Rn. 56.
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Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
Konten, der Ehemann der leitenden Angestellten, an einem der russischen Importeure, welcher Bestechungsgelder erhalten hatten, beteiligt gewesen. Dies sei den Verantwortlichen bei der Treugeberin nicht offengelegt worden. Der 1. Strafsenat ging daher davon aus, dass die Gelder in ein Schwarze-KassenSystem überführt worden seien, das völlig außerhalb der Kontrolle der Treugeberin lag. Demnach seien die Gelder schon mit der Überführung in diese Kasse für die Treugeberin verloren gewesen. Die anvisierten späteren Vorteile seien im Moment der Aussonderung nicht konkret genug gewesen, um diesen Vermögensabfluss kompensieren zu können. Die Bestechungszahlungen hätten darüber hinaus häufig nur der Verbesserung des „allgemeinen Geschäftsklimas gedient“. Diese Ausführungen sind ausführlicher als die des 2. Strafsenats im Fall Trienekens. Sie setzen sich mit der konkreten wirtschaftlichen Situation und den bestehenden Risiken und Chancen explizit auseinander. Anders als im Fall Trienekens hatte das willensbildende Organ selbst die Fäden faktisch nicht weiter in der Hand. Zwar hatte der Finanzvorstand des Treugeberunternehmens die Aussonderung gebilligt. Auf den Verbleib der Gelder und deren Einsatz allerdings hatte er keinerlei Einfluss. Nicht die loyalen Treunehmer selbst verwalteten (zumindest faktisch) die schwarze Kasse, sondern Dritte. Eine faktische Beherrschung der Gelder durch einen Treunehmer für die Treugeberin war daher abzulehnen. Dies führte darüber hinaus dazu, dass eine loyale Verwendungsabsicht der Treunehmer keine kompensierende vermögenswerte Exspektanz begründen konnte. Auch über das Ausmaß der Gefährdung dieser Gelder durch immer weitere Entfernung von der Treugeberin (und auch von den Treunehmern selbst) war das zuständige Organ nach Feststellung des 1. Strafsenats nicht informiert. Die leitende Angestellte in Russland und ihr Ehemann (von dessen Involvierung der Finanzvorstand möglicherweise keine Kenntnis hatte) verfügten unkontrolliert und eigenmächtig über die Gelder. In diesem Fall und nach diesen Ausführungen kann ein Verlust der Gelder bereits bei Einzahlung in die schwarze Kasse gerechtfertigt sein. Die Ausführungen des 1. Strafsenats überzeugen und stimmen mit den erarbeiteten Grundsätzen zur Einschätzung eines wirtschaftlichen Vermögensnachteils durch die Einrichtung einer schwarzen Kasse überein.
H. Abschließende Kritik Nach dieser Überprüfung wird noch einmal deutlich, dass, entgegen der Ansicht des BVerfG,75 keine einheitliche und gefestigte Auslegungspraxis der Rechtspre-
75
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211 ff.
H. Abschließende Kritik
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chung in Bezug auf den Untreuetatbestand besteht, die eine grundsätzlich tatbestandsbegrenzende Funktion übernehmen könnte.76 Dies gilt im Besonderen für das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils. Gerade in Bezug auf den kompensierenden Vermögenszufluss werden häufig keine detaillierten Feststellungen getroffen oder ausschließlich normative Kriterien zu dessen Bewertung herangezogen. Dies führt nicht zu einer tatbestandsbegrenzenden, sondern -ausweitenden Anwendung des § 266 StGB („Analogie“ im weiteren Sinne77). Davon abgesehen ist eine einheitliche Auslegungslinie der höchstrichterlichen Rechtsprechung schlicht nicht zu erkennen. So sollte die Einrichtung einer schwarzen Kasse zunächst lediglich eine Gefährdung des Treugebervermögens darstellen.78 Diese Einschätzung wurde anschließend aufgegeben und in der Einrichtung (bzw. Aufrechterhaltung) einer schwarzen Kasse ein Totalverlust jeglicher hierin enthaltener Gelder gesehen.79 Dies wurde mit dem vollständigen Verlust der Dispositionsmöglichkeit des Treugebers begründet. Anschließend sollte sogar die Einrichtung einer schwarzen Kasse durch das willensbildende Organ einer Kapitalgesellschaft einen endgültigen Vermögensnachteil darstellen. Allerdings sollte es hierbei nicht mehr auf den (nicht eingetretenen) Verlust der Dispositionsmöglichkeit, sondern allein auf die besondere Ausgestaltung der schwarzen Kasse ankommen.80 Andererseits sollte eine Zahlung auf eine wegen § 134 BGB nichtige Forderung einen Vermögensnachteil darstellen, weil durch die Zahlung keine wirksame Verbindlichkeit erloschen sei.81 Später lehnte ein anderer Strafsenat einen Vermögensnachteil aus rein wirtschaftlichen Überlegungen ab, obwohl der Treunehmer eine nach § 138 BGB nichtige Forderung erfüllt hatte. Hierin sah der Strafsenat keinen Wiederspruch zu der Begründung eines Nachteils allein aus § 134 BGB. Denn der Nichtigkeitsgrund des § 138 BGB unterliege weniger verlässlichen Regelungen als der des § 134 BGB.82 Hinsichtlich der durch die pflichtwidrige Zahlung von Treugebervermögen erlangten Vorteile wurde von einigen Strafsenaten gefordert, dass sich diese zeitlich unmittelbar aus der pflichtwidrigen Zahlung ergeben müssten.83 Anschließend entschied ein anderer Strafsenat, dass „unmittelbar“ gerade nicht „zeitgleich“ meine, 76
Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3210 ff. Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211 Rn. 78. 78 BGH, NJW 2007, 1760. 79 Vgl. S. 231 ff. 80 Vgl. S. 237 ff. 81 Vgl. S. 241 ff. 82 Vgl. S. 244 ff. 83 BGH, NJW 2011, 3528, 3529, BGH, NStZ-RR, 2011, 312, 313; vgl. auch BGH, NStZ 2009, 95, 98. 77
250
Teil 6: Schlussfolgerungen für die dargestellte Rechtsprechung
sondern „nur“ voraussetze, dass keine weitere eigenständige Handlung mehr hinzutreten müsse, damit ein Vermögensvorteil eintrete.84 Wie soll sich ein Bürger an diesen Vorgaben orientieren können? Wie soll ein juristischer Laie einschätzen können, ob er seinem Unternehmen nun einen Vermögensnachteil zugefügt hat, obwohl er eigentlich wirtschaftliche Vorteile generiert hat? Wie soll er unterscheiden, ob sein Handeln sittlich oder gesetzlich verboten ist und ob deshalb ein Vermögensnachteil anzunehmen ist oder nicht? Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG beinhaltet den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Hierzu führt das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung aus: „Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Art. 103 II GG hat insofern freiheitsgewährleistende Funktion.“85
Da Strafrechtsnormen grundsätzlich allgemein und abstrakt sind und eine Vielzahl verschiedener Konstellationen erfassen müssen,86 obliegt es der Rechtsprechung, die verbleibenden Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen.87 Hierfür bedarf es einer gefestigten Rechtsprechung. Wie soeben gezeigt, existiert eine derartige Rechtsprechung hinsichtlich der Untreuestrafbarkeit allerdings nicht. Soweit die Vereinbarkeit des § 266 StGB mit Art. 103 Abs. 2 GG tatsächlich von einer zuverlässigen Auslegung durch die Gerichte abhängt, ist seine Verfassungsmäßigkeit daher zweifelhaft. Die höchstrichterliche Rechtsprechung muss sich auf eine einheitliche Auslegung und vor allem Anwendung des Nachteilsmerkmals einigen. Diese Arbeit hat gezeigt, dass eine verfassungsgemäße und stringente Auslegung tatsächlich möglich ist, sie müsste allerdings einheitlich und verlässlich betrieben werden. Wie Bernsmann88 richtig erkennt, kann die Strafrechtswissenschaft ihre Meinung hinsichtlich der Bedeutung bestimmter Tatbestandsmerkmale ändern – das ist letztlich die Eigenart der Wissenschaft. Die Rechtspraxis allerdings muss konstant und verlässlich bleiben. Denn ihre Adressaten sind die Bürger als Normunterworfene. Diese müssen ihr eigenes Verhalten nach festen Regeln ausrichten und sich darauf verlassen können, dass die Rechtsprechung bestehen bleibt. Dies ist hinsichtlich des Untreuetatbestands aktuell nicht mehr möglich.
84 85 86 87 88
Vgl. S. 238 ff. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3210. Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3210. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211. Bernsmann, in: GA 2009, 296, 297 f.
Teil 7
Fazit dieser Arbeit Es ist deutlich geworden, dass die wirtschaftliche Untersuchung erlangter Vermögenszuflüsse häufig den entscheidenden Punkt bei der Beurteilung der Untreuestrafbarkeit darstellt. Oft handelt es sich nicht um die sogenannten „einfachen Fälle“, in denen sich ein Treunehmer in feindlicher Gesinnung durch die Vereinnahmung von Treugebervermögen selbst bereichert. Vielmehr hat die Untersuchung gezeigt, dass gerade im Umfeld von großen Wirtschaftsunternehmen loyale Treunehmer versuchen, das Vermögen des Treugebers „um jeden Preis“ zu vermehren und hierbei sowohl die Vorgaben des Treugebers als auch die gesetzlichen Grenzen überschreiten. In diesen Fällen wird häufig weder die Pflichtenstellung noch die Pflichtverletzung oder der (bedingte) Vorsatz des Treunehmers problematisch sein.1 Die Frage, ob hier spezifisches Untreue-Unrecht verwirklicht wurde, entscheidet sich vielmehr daran, ob letztlich insgesamt ein Vermögensnachteil bei dem Treugeber eingetreten ist. Dabei muss beachtet werden, dass sich das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils aus zwei Komponenten zusammensetzt. Zum einen dem Abfluss von Treugebervermögen. Dieser ist in vielen Fällen eindeutig bestimmbar (Bestechungszahlung, Vergütung einer illegalen Leistung). Zum anderen ist ein Nachteil nur dann zu bejahen, wenn dem Treugebervermögen nicht gleichzeitig Vermögensvorteile in einer den Abfluss kompensierenden Höhe zugeführt werden. Der wirtschaftliche Wert des (erwarteten) Vermögenszuflusses entscheidet also letztlich darüber, ob ein Nachteil insgesamt vorliegt und damit, ob eine Strafbarkeit nach § 266 StGB zu bejahen ist. Aufgrund dieser entscheidenden Rolle muss der Vermögenszufluss detailliert und nachvollziehbar untersucht werden, wenn eine Strafbarkeit überzeugend bejaht werden soll. Wie in dieser Arbeit allerdings gezeigt wurde, kommt die Rechtsprechung diesem Erfordernis bisher nicht nach. Illegal erlangte Vorteile werden schlicht aufgrund ihrer Illegalität und ohne ausreichende Begründung „ausgesondert“. Eine eingehende Untersuchung der wirtschaftlichen Bedeutung der erlangten Vorteile findet sich nur sehr selten.2 1 2
Vgl. oben, S. 77 ff. Vgl. aber die Entscheidung Arzneimittel/Russlandgeschäft des 1. Strafsenats, S. 244 ff.
252
Teil 7: Fazit dieser Arbeit
Dies dürfte zum einen daran liegen, dass der Vermögenszufluss kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, sondern Teil des Vermögensnachteils ist. Wenn nach der Bejahung eines Vermögensnachteils (gemeint ist dann der Vermögensabfluss) die Berücksichtigung relevanter Vorteile mit einem Satz und pauschal abgelehnt wird, kann dem Gericht dennoch nicht vorgeworfen werden, es habe sich nicht mit dem Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils auseinandergesetzt. Zum anderen sind in den entschiedenen Fällen ex post meist hohe Nachteile eingetreten. Häufig ist im Voraus ein bezifferbarer hoher Geldbetrag zu illegalen Zwecken ausgesondert worden (als „Schmiergeld“ oder zunächst in eine schwarze Kasse). Als Gegenleistung wurden zwar Gewinne oder Gewinnaussichten erlangt, die illegalen Handlungen wurden aber letztlich aufgedeckt – sonst wäre der Fall nicht vor Gericht gelandet – und lösten deshalb massive wirtschaftliche Nachteile aus. Die eingesetzten immensen Summen zur illegalen Gewinnsteigerung und die letztlich noch immenseren Folgen der Aufdeckung rufen Unbehagen hervor und machen es häufig schwer, sich von diesem Gefühl zu lösen. Hinzu kommt, dass die handelnden Angestellten in den großen Wirtschaftsunternehmen sich in den entschiedenen Fällen ohne erkennbares Unrechtsbewusstsein nicht an gesetzliche oder unternehmensinterne Vorgaben hielten. Zur Profitsteigerung bestechen sie (politische) Entscheidungsträger, verletzen Regeln, beeinflussen sportliche Veranstaltungen und geben hierfür fremde Gelder in exorbitanter Höhe aus. Das ist moralisch äußerst verwerflich. In diesem „Gefühl“ liegt allerdings auch das Problem. Denn die Untreue ist ein Vermögensdelikt und soll allein das Treugeberunternehmen vor der Zufügung eines wirtschaftlichen Vermögensnachteils schützen. Da der Nachteil aus ex ante-Sicht im Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung bestimmt werden muss und die Entdeckungsrisiken, Sanktionsrisiken und Gewinnchancen aus der damaligen Perspektive für die Zukunft bestimmt werden müssen, ist eine von den ex post tatsächlich eingetretenen Folgen losgelöste Beurteilung der wirtschaftlichen Lage vorzunehmen. Es kommt allein darauf an, ob der Treunehmer im Moment seiner pflichtwidrigen Handlung hätte wissen müssen, dass derartige negative Folgen zu erwarten und die Gewinnaussichten daher geringer zu bewerten waren als die aufgewendeten Gelder. Dies wird von den Gerichten häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Aufgrund des ultima ratio-Grundsatzes des Strafrechts und der Strafbarkeitsausschließenden Wirkung der Kompensation, sollte die Rechtsprechung in Zukunft den Vermögensabfluss und -zufluss ausdrücklich getrennt voneinander untersuchen und hierbei dem Zufluss ebenso viel – wenn nicht mehr – Aufmerksamkeit zukommen lassen wie dem Vermögensabfluss. Die Kriterien zur Bestimmung dieses Vermögenszuflusses wurden in der vorliegenden Arbeit erörtert. Es wurde versucht, einen einheitlichen Maßstab zur verlässlichen und vorhersehbaren Bewertung von erlangten Vermögensvorteilen zu erarbeiten. Hierzu wurden die tatbestandlichen Voraussetzungen und Probleme der
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Untreue zunächst abstrakt dargestellt, bevor der Schwerpunkt der Bearbeitung auf die Untersuchung einer möglichen Kompensation gelegt wurde. Danach hat sich ergeben, dass zur Bestimmung des Vermögenszuflusses ein rein wirtschaftlicher Vermögensbegriff angewendet werden muss. Selbst illegal erlangte Vorteile werden daher bei der Gesamtsaldierung berücksichtigt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn aufgrund der Illegalität wirtschaftliche Nachteile drohen (dann ist der Wert der erlangten Gegenleistung zu mindern) oder wenn der Vorteil überhaupt nicht legal nutzbar ist. Die Vorteile müssen unmittelbar aus der pflichtwidrigen Einzeltat des Treunehmers resultieren. Sie werden ex ante im Moment der pflichtwidrigen Handlung und aus einem objektiv individuellen Blickwinkel bestimmt. Hieraus folgt, dass es sich bei den erlangten Vorteilen häufig „nur“ um vermögenswerte Exspektanzen handeln wird. Denn im Moment der pflichtwidrigen Zahlung wird meist nur eine Aussicht auf die Erlangung der tatsächlichen Vorteile bestehen. Schwerpunkt der Untersuchung einer Kompensation wird daher die Bewertung von vermögenswerten Exspektanzen auf Zuflussseite sein. Grundsätzlich werden diese, genau wie innerhalb des Vermögensabflusses, rein wirtschaftlich tatsächlich bestimmt. Es kommt für ihre Werthaltigkeit auf die mit Wahrscheinlichkeit eintretenden Vorteile an. Eine Exspektanz ist dabei nur werthaltig, wenn ihre Realisierung vom Treugeber rechtlich (Durchsetzung von Forderungen) oder vom Treunehmer faktisch (bei illegal erlangten Vorteilen) beherrscht wird. Auch die erlangten Gewinnaussichten müssen grundsätzlich beziffert werden, denn sie sind entscheidender Teil des Nachteilsmerkmals. Es muss bestimmt werden können, ob die erlangten Zuflüsse den exakt bezifferten Vermögensabfluss ausgleichen können und somit ein Vermögensnachteil zu verneinen ist. Auch zur Bestimmung von Vermögenszuflüssen kann das Bilanzrecht herangezogen werden. Gerade für die Beurteilung von illegal erlangten Vorteilschancen existiert allerdings im Bilanzrecht keine Bewertungsregel, sodass es bei der Bezifferung von faktischen Exspektanzen nicht weiterhelfen kann. Auch ein ansonsten anerkannter Marktwert wird nicht bestehen, da Gewinnchancen nicht handelbar sind und es sich darüber hinaus um individuelle Einzelpositionen handeln wird. Es ist daher eine Evidenzkontrolle im Einzelfall durchzuführen. Das Gericht hat – aus der ex ante-Perspektive – detailliert und nachvollziehbar darzustellen, welche wertbestimmenden Faktoren in welcher Form zu berücksichtigen sind. Es muss ausführlich darstellen, ob die erlangten Vorteile die aufgewendeten Treugebermittel wert waren oder ob zwischen ihnen ein evidentes Missverhältnis besteht. Auf dieser deskriptiven Bewertung muss der Schwerpunkt der gerichtlichen Untersuchung liegen. In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein loyaler Treunehmer, der eine führende Position in einem Wirtschaftsunternehmen innehat, den wirtschaftlichen Kontext seines Handelns überblickt und das Treugebervermögen nur dann einsetzt, wenn eine Gegenleistung zu erwarten ist, die den illegalen Einsatz
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„wert“ ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn evidente Anhaltspunkte für ein Missverhältnis zwischen aufgewendetem Vermögen und erlangter Gegenleistung vorliegen. Wenn dagegen, trotz erlangter wirtschaftlicher Vorteile, allein aufgrund der illegalen Handlung des Treunehmers angenommen würde, dass der Treunehmer dem Treugebervermögen einen Vermögensnachteil zugefügt und sich deshalb gemäß § 266 StGB strafbar gemacht habe, wäre eine Verwunderung dieses Treunehmers durchaus nachvollziehbar. Ein Beschuldigter führte im Fall Siemens/Enel aus: „Ich räume ja Fehler ein. Aber dass ich eine Untreue begangen haben soll, ist absurd.“3
Dieses „Grundgefühl“ konnte in der vorliegenden Arbeit bestätigt werden. Denn wer Gelder seines Unternehmens illegal einsetzt und hierbei wirtschaftliche Vorteile in entsprechender Höhe generiert, löst keinen Vermögensnachteil aus. Wenn ein Treunehmer in dieser Konstellation dennoch gemäß § 266 StGB wegen Untreue zulasten des Unternehmens verurteilt wird, drängt sich der Verdacht auf, dass die Untreue in Fällen von Nachweisschwierigkeiten und hohem Ermittlungsaufwand tatsächlich als eine Art „Auffangtatbestand“ genutzt wurde. Hoven führt in diesem Zusammenhang aus, dass aufwendige Ermittlungsarbeit (für den Nachweis der Auslandsbestechung) durch den Rekurs auf „einfach zu beweisende Begleitdelikte“ entbehrlich würde.4 Denn die Untreue sei ein voraussetzungsarmer Straftatbestand. Diese Auslegungs- und Anwendungspraxis des Untreuetatbestands, und des Nachteilsmerkmals im Besonderen hat zu der Annahme geführt: „§ 266 StGB passt immer“.5 Dem muss allerdings entgegengetreten werden. Die Untreue ist tatsächlich ein weit gefasster Tatbestand. Dies ist auch erforderlich, denn sie muss eine Vielzahl von Konstellationen im Wirtschaftsleben erfassen. Rechtsvorschriften müssen nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen nur so genau gefasst werden, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.6 Da eine Vermögensschädigung „von innen heraus“7 in den unterschiedlichsten Konstellationen denkbar ist und der Gesetzgeber weitgehend darauf verzichtet hat, Sondertatbestände für einzelne Treuhandverhältnisse zu schaffen, musste der Untreuetatbestand abstrakt formuliert werden.
3 Einlassung eines Beschuldigten als Auszug aus der Ermittlungsakte, vgl. Hoven, Auslandsbestechung, S. 471. 4 Vgl. Hoven, Auslandsbestechung, S. 473, sie äußert sich allerdings hinsichtlich dieser Praxis kritisch. 5 Ransiek, in: ZStW 2004, 634, 634; vgl. auch die Aufzählung von Schünemann, in: NStZ 2005, 473, 473 f. 6 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3210 m. w. N. 7 Schünemann, in: NStZ 2005, 473, 474; so auch Saliger, in: HRRS 2006, 10, 17 m. w. N.
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Hieraus folgt eine hohe Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit des § 266 StGB.8 Wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, kann der weite Tatbestand des § 266 StGB stringent, restriktiv und präzisierend ausgelegt werden. Die Tatsache, dass er „voraussetzungsarm“ ist, kann gerade nicht dazu führen, ihn als ein „einfach zu beweisendes Begleitdelikt“ zu deklarieren und anzuwenden. Hierin liegt der Vorwurf, welcher der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Untreuestrafbarkeit gemacht werden muss. Nicht das Gesetz ist „nahe an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit“9, sondern die Auslegung und Anwendungspraxis der Gerichte. Unter Anwendung der vorliegend erarbeiteten Kriterien, kann die Untreue keineswegs „einfach“ bejaht oder verneint werden. Gerade bei der Beurteilung des Vermögensnachteils ist eine eingehende Prüfung erforderlich, ob tatsächlich ein wirtschaftlicher Nachteil beim Treugeber eingetreten ist. Es bedarf einer detaillierten Auslegung und einheitlicher Anwendung der Grundsätze zur Feststellung eines Vermögensnachteils durch die Rechtsprechung, um den weiten Untreuetatbestand verfassungsgemäß anwenden zu können. Dabei ist zu beachten, dass § 266 StGB nicht für andere Zwecke als den Schutz des individuellen Treugebervermögens herangezogen werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn der Wortlaut des § 266 StGB eine Subsumtion auch anderer Konstellationen unter diesen Tatbestand zuließe. Denn wie das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung zutreffend dargelegt hat, obliegt es dem Gesetzgeber zu entscheiden, welche Rechtsgüter mit den Mitteln des Strafrechts geschützt werden sollen.10 Diese Entscheidung darf nicht durch die Gerichte über eine extensive Auslegung der bestehenden Strafrechtstatbestände „korrigiert“ und umgangen werden. Nur wenn sich das Verhalten des Treunehmers erkennbar gegen das Vermögen des Treugebers richtet und diesem hierdurch ein tatsächlicher und bezifferbarer wirtschaftlicher Nachteil entsteht, ist eine Untreuestrafbarkeit anzunehmen.11 Alle anderen Folgen pflichtwidrigen Handelns können Wettbewerbsverstöße oder Formen der Korruption darstellen. Oder es handelt sich „schlicht“ um einen Vertragsbruch des Treunehmers gegenüber seinem Treugeberunternehmen. Dann liegen zivil- oder arbeitsrechtliche Verstöße vor. Vor diesen Verstößen soll aber der Untreuetatbestand nicht schützen. Denn § 266 StGB ist ein spezieller Tatbestand, der selektiv das individuelle Vermögen des Treugebers vor dem schädigenden Vermögenszugriff „von innen heraus“ schützen soll. Wenn darüber hinaus ein gerechteres und moralisches Wirtschaftsleben bzw. eine entsprechende Gesellschaftsordnung strafrechtlich geschützt werden sollte, so müsste der Gesetzgeber aktiv werden und entsprechende Sondertatbestände einführen. Dies ist nicht Aufgabe der Judikative und hierfür kann der § 266 StGB in seiner aktuellen Form nicht herangezogen werden. Untreue geht eben gerade nicht immer. 8
BVerfG, NJW 2010, 3209, 3213. Saliger, in: ZStW 2000, 563, 563 m. w. N. 10 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3211. 11 BVerfG, NJW 2010, 3209, 3214, 3215. 9
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Sachwortverzeichnis Arzneimittel/Russlandgeschäft 32 ff., 88, 118, 189, 195 ff., 244 ff. Aufdeckungsrisiko siehe Sanktionsrisiko Auffangtatbestand 38, 254, 257 Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft 128 ff., 205 ff.; siehe auch Rückgabefähigkeit und -bereitschaft Befreiung von einer Verbindlichkeit 222 f. Beizulegender Zeitwert 165 Bilanzrecht 74 f., 111 ff., 149 ff., 180 ff., 210, 217 f., 225 Bilanzrechtsakzessorietät siehe Bilanzrecht Bundesliga-Entscheidung 23 ff., 93, 96 f., 107, 181, 228 ff. Bußgeld, OWiG 115 Einbringlichkeit einer Forderung 175 ff. Einpreisung durch die Parteien 92 Einverständnis 47 ff. Einzelbetrachtung 124 ff.; siehe auch Gesamtbetrachtung Einziehung 113 ff., 120 Entdeckungsrisiko siehe Entdeckungswahrscheinlichkeit Entdeckungswahrscheinlichkeit 100, 110, 116, 117 f., 120; siehe auch Sanktionsrisiko ex ante-Betrachtung 57 ff., 106, 127, 233, 252; siehe auch Vorher-Nachher-Vergleich ex post-Betrachtung 58 ff., 106, 127, 233, 252 Exspektanz 54 ff., 86, 97 ff., 135 ff., 171 ff., 177 ff., 218 f. Faktisch abgesicherte Exspektanz
177 ff.
Gefährdungsschaden 28, 39, 61, 70 ff., 95 ff., 102 ff., 124 f., 129 ff., 143 ff., 158, 184, 197 ff., 232 ff. Geldwertäquivalenz 219
Geldwertsaldierung siehe Saldierung Gesamtbetrachtung 25, 97, 124 ff., 202, 220; siehe auch Einzelbetrachtung Gesamtsaldierung siehe Saldierung Geschütztes Rechtsgut 37, 67 Gewinnchance siehe Exspektanz Grundsatzentscheidung 27 ff., 39 f., 52 ff., 59, 73, 87, 110 f., 146, 149 f., 158 ff., 170, 181 ff., 203 f., 209, 234 ff., 244 Hypothetischer Sollzustand siehe ex postBetrachtung IFRS siehe Bilanzrecht Immaterielle Vermögenspositionen 177, 212, 216 ff. Individueller Schadenseinschlag 90, 208 ff. In dubio pro reo 83, 99 ff., 112, 118, 145, 154 ff., 160, 170 ff., 182 Integrierter Vermögensbegriff siehe Vermögensnachteil Juristischer Vermögensbegriff siehe Vermögensnachteil Juristisch-integrierter Vermögensbegriff siehe Vermögensnachteil Kausalität 62 ff., 77, 122 ff. Kompensation 75 ff., 79 ff., 102 f., 107 ff., 121 ff., 184, 198 ff. Kompensationseinbuße 107; siehe auch Sanktionsrisiko Kompensationsgefährdung 102 ff., 107 ff., 184, 224 f.; siehe auch Sanktionsrisiko – Bezifferung 110 ff., 184 ff. – Entdeckungsrisiko 107 ff. – Unmittelbarkeit 108 ff. Korrigierte ex post-Betrachtung siehe ex post-Betrachtung
Sachwortverzeichnis Marktwert 32 ff., 50, 92 162 ff., 174 f., 180 f., 210, 217, 253 Minderung siehe Wertminderung Nennwert 89, 173 ff. Nichtigkeitsgründe 118 ff., 246 Pflichtwidrige Handlung 37, 39 f., 42, 54 ff., 65 ff., 76, 86 ff., 106, 122 ff., 145, 219 ff., 239 ff. – Gravierende Pflichtverletzung 44 ff., 265 – Missbrauch 41, 42 ff., 68 – Spezifische Pflicht 41 ff., 46 ff., 64, 251 – Treubruch 41, 43 ff. Pflichtwidrigkeit 39, 44 ff., 49, 63, 65, 69, 78, 101, 119, 214, 220 f.; siehe auch pflichtwidrige Handlung Punktuelle Normativierung 186 ff. Reduzierung auf Null 91 ff., 165 Relative Bilanzwahrheit siehe Bilanzrecht Risikogeschäft 96, 100 ff., 136 Rückgabefähigkeit und -bereitschaft 128 ff., 205 ff.; siehe auch Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft Sachverständige 73 ff., 100, 147 ff., 160, 171, 225 f. Saldierung 20 f., 30, 53 ff., 73, 80, 83 ff., 89 ff., 95 ff., 102 ff., 104 ff., 124 ff., 134 ff., 144 ff., 161 ff., 174, 198, 216 ff. Sanktionsrisiko 66, 90 ff., 95, 203, 224 f.; siehe auch Entdeckungswahrscheinlichkeit Schadensgleiche Kompensationsgefährdung siehe Kompensationsgefährdung Schadensgleiche Vermögensgefährdung siehe Gefährdungsschaden Schutzzweck der Norm 46, 49, 68 ff., 119, 216 Schwarze Kasse 25 ff., 34 ff., 47 ff., 86, 186 ff. Schwarzmarkt 92, 165 ff. Siemens/AUB 29 ff., 122, 238 ff. Siemens/Enel 25 ff., 86, 93, 95, 99, 102, 114 ff., 187 ff., 194 ff., 203 ff., 231 ff., 254
269
Singuläre Ereignisse 168 ff., 175 ff., 180 ff. Strafwürdigkeit 36, 85 Subjektiver Tatbestand siehe Vorsatz Täterqualifikation 40 ff. Telekom-Spitzelaffäre 31 f., 34, 81, 87, 93, 119 f., 241 ff., 245 ff. Trienekens 28 ff., 188, 190 ff., 237 ff., 244 Unterlassene Gewinnmehrung
54 ff., 60
Verengung auf zwei Tatbestandsmerkmale 77 f. Verlustrisiko siehe Sanktionsrisiko Vermögensabfluss siehe Vermögensnachteil Vermögensaussonderung 29 ff., 132, 190, 206, 247 f. Vermögenschance siehe Exspektanz Vermögensgefährdung siehe Gefährdungsschaden Vermögensnachteil 23 ff., 49 ff. – Begriff 50 ff., 80 ff., 186 ff. – Feststellung 53 ff., 121 ff. – Personalisierung 75 ff. Vermögenssaldierung siehe Saldierung Vermögensschaden siehe Vermögensnachteil Vermögensstrafrecht 38 Vermögenswerte Exspektanz siehe Exspektanz Vermögenszufluss siehe Kompensation Verschleifungsverbot 39 f., 45, 62, 102, 214 Verwendungsabsicht 23, 187 ff., 198 ff. Vorher-Nachher-Vergleich 54, 57 f., 59 f., 123, 145; siehe auch ex ante-Betrachtung Vorleistung 224 f. Vorsatz 20, 40, 75 ff., 224 ff. Wertminderung 50, 59, 62, 70 ff., 99 ff., 102 ff., 107 ff., 118 ff., 136, 182 ff., 203 ff., 211, 225 – bei rechtlicher Missbilligung 89 ff. – Berechnung 95 ff. – Faktoren 90 ff. – Feststellung 53 ff. – Unmittelbarkeit 64 ff., 108
270
Sachwortverzeichnis
Wirtschaftlicher Vermögensbegriff siehe Vermögensnachteil Zeitabhängiger Zinsschaden 132 ff., 189, 195, 202, 207 Zinsschaden siehe Zeitabhängiger Zinsschaden
Zugriff Dritter 28 ff., 65 ff., 187 ff., 195 ff., 247, 255 Zurechnung 59, 62 ff., 121 ff., 127 ff. Zweckerreichung siehe Zweckverfehlung Zweckverfehlung 212 ff., 220 Zweifelssatz siehe In dubio pro reo