Das unpersönliche Passiv: Eine funktionale Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen und seiner historischen Entwicklung 9783110184594, 3110184591, 9783110919431

This is the first study devoted to what is known as the subjectless or impersonal passive. The first half of the studyex

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German Pages 288 Year 2006

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Das unpersönliche Passiv: Eine funktionale Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen und seiner historischen Entwicklung
 9783110184594, 3110184591, 9783110919431

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Petra Maria Vogel Das unpersönliche Passiv

W G DE

Studia Linguistica Germanica

Herausgegeben von Christa Dürscheid Andreas Gardt Oskar Reichmann Stefan Sonderegger

80

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Petra Maria Vogel

Das unpersönliche Passiv Eine funktionale Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen und seiner historischen Entwicklung

Walter de Gruyter · Berlin · New York

2 0 0 4 als Habilitationsschrift angenommen von der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern

© Gedruckt auf säurefreiem Papier das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN-13: 9 7 8 - 3 - 1 1 - 0 1 8 4 5 9 - 4 ISBN-10: 3 - 1 1 - 0 1 8 4 5 9 - 1 ISSN 1 8 6 1 - 5 6 5 1 Bibliografische Information Der Deutschen

Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© Copyright 2006 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Vorwort Folgenden Kolleginnen und Kollegen sei für ihre Hilfe beim Zustandekommen dieser Arbeit gedankt: Vilmos Agel, John Ole Askedal, Kai-Uwe Carstensen, Karin Donhauser, Peter Eisenberg, Hans-Werner Eroms, Nanna Fuhrhop, Elvira Glaser, Hubert Herkommer, PaulJ. Hopper, Elisabeth Leiss, Brigitte Matzke, Tatiana Mikhailopoulou, Jarkko Nurminen, Hanns J. Prem, Regina Pustet, Marga Reis, Beat Siebenhaar, Rolf Thieroff, Arnfinn Vonen, Bernhard Wälchli, Barbara Wehr, Björn Wiemer, Fernando Züniga. Gan2 besonders möchte ich Elke Hentschel danken, die nicht nur die Arbeit betreut, sondern außerdem ein für das Entstehen der Arbeit fruchtbares Umfeld geschaffen hat. Ebensolcher Dank gebührt Regine Froschauer, Adrian Mettauer und Mechthild Habermann, die ich bei schwierigen Stellen in alt-, mittel- oder frühneuhochdeutschen Texten um Rat fragen durfte. Außerdem sei noch Korakoch Attaviriyanupap, Babette Ladakakos, Gabriela Perrig, Hans Schill und der Basisbibliothek Unitobler der Universität Bern für ihre Hilfe bei der teilweise sehr mühsamen und zeitraubenden Literaturbeschaffung gedankt. Ein Teil der Arbeit wurde außerdem mit Unterstützung eines Stipendiums im Rahmen des Gemeinsamen Hochschulsonderprogramms III von Bund und Ländern über den DAAD ermöglicht. Insbesondere danke ich der Karl-Jaberg-Stiftung der Universität Bern für einen Zuschuss zu den Druckkosten. Bern, im März 2006

Petra M. Vogel

Inhalt 0. Einleitung

1

1. Gegenstand der Untersuchung 2. Aufbau der Arbeit und Auswahl der Belegstellen

1 3

I. Theoretische Überlegungen

7

1. Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick 1.1 Was ist ein Passiv? 1.2 Der „syntaktische" Ansatz

7 7 13

1.2.1 Das unpersönliche Passiv als promotionales Passiv 1.2.2 Das unpersönliche Passiv als demotionales Passiv

13 17

1.3 Der „funktionale" Ansatz

19

1.3.1 Das unpersönliche Passiv als Agens-Defokussierung 1.3.2 Das unpersönliche Passiv als Ereignis-Fokussierung

19 30

2. Persönliches und unpersönliches Passiv 2.1 Semantische Rollen und syntaktische Funktionen 2.2 Subjekthaltigkeit und Subjektlosigkeit 2.3 Transitivität und Intransitivität 2.4 Agens und Agentivität

31 31 34 42 48

3. Perspektivierung 3.1 Subjektsprachen vs. Topiksprachen 3.2 Partizipantenperspektivierung in Subjektsprachen 3.3 Ereignisperspektivierung in Subjektsprachen

56 56 61 68

3.3.1 Primäre Ereignisperspektivierung 3.3.2 Sekundäre Ereignisperspektivierung

68 82

4. Das Passiv in seiner historischen Entwicklung 4.1 Reflexiv > Passiv (> generalisierte Subjektkonstruktion) 4.2 Inaktiv > Passiv (> generalisierte Subjektkonstruktion) 4.3 Generalisierte Subjektkonstruktion > Passiv

94 94 100 107

5. Zusammenfassung

112

VIII

Inhalt

I I . D a s Passiv i m D e u t s c h e n unter b e s o n d e r e r Berücksichtigung des u n p e r s ö n l i c h e n Passivs

119

1. Althochdeutsch (800-1050) 1.1 D a s Passiv: D i e Ursprünge 1.1.1 Das persönliche Passiv 1.1.2 Das unpersönliche Passiv 1.1.2.1 Transitive Verben im absoluten Gebrauch 1.1.2.2 Intransitive Verben mit Objekt

119 119 119 132 132 135

1.1.2.2.1: Genitiv 1.1.2.2.2: Dativ 1.1.2.3 Einzelbelege 1.2 D a s so genannte modale Passiv

139 143 147 149

1.3 Exkurs: P r o n o m e n versus Flexion (pro-drop) 1.4 Primär thetische Konstruktionen

153 156

2. Mittelhochdeutsch ( 1 0 5 0 - 1 3 5 0 ) 2.1 Das Passiv: Weiterentwicklung

162 162

2.1.1 Allgemeines 2.1.2 Das unpersönliche Passiv 2.1.2.1 Entity-zentrale Konstruktionen ohne Subjekt 2.1.2.2 Event-zentrale Konstruktionen 2.1.3 Persönliches oder unpersönliches Passiv? 2.2 Das so genannte modale Passiv

162 164 164 170 174 181

2.3 Andere thetische Konstruktionen 2.3.1 Primär thetische Konstruktionen 2.3.2 Präsentativsätze 2.4 Übersicht: D i e Verteilung von im Mittelhochdeutschen

182 182 185 192

3. Neuhochdeutsch (ab 1350) 3.1 Das Passiv: Abschlussentwicklung 3.1.1 Allgemeines 3.1.2 Das unpersönliche Passiv 3.1.2.1 Allgemeines 3.1.2.2 Tendenzen 3.2 Passiwarianten 3.2.1 Dativpassiv 3.2.2 Passivperiphrasen

194 194 194 204 204 207 212 213 215

3.3 Andere thetische Konstruktionen 3.4 Übersicht: D i e Verteilung von es im Neuhochdeutschen

223 225

Inhalt

IX

4. Zusammenfassung

229

III. Resümee

241

Literaturverzeichnis Personenregister Sach- und Sprachenregister

247 265 269

Abkürzungen A ABS/ABSL acc/accus/ACC/AKK AG ALL ANT ANTIC AOR ART AUT aux/AUX BEN CL COMP CON CRS DAT DEF DUR ELAT ERG f/F/Fem/FEM GEN HON IMP/IMPR/IMPERS IMPFV Inf/INF INSTR INTR LOC m/Mask Μ n/NEUTR NEG nom/NOM/Nom O/OBJ OBL Ρ part/PART PASS PAST/Prät/PRÄT/PRET

Agens Absoluriv Akkusativ agreement Allativ Anterior Antikausativum Aorist Artikel autonomous Auxiliarverb Benefaktiv classifier complementizer conjunctive affix currently relevant state Dativ definit durative affix Elativ Ergativ Femininum Genitiv Honorativ Impersonal imperfektiv Infinitiv Instrumental intransitiv Lokativ Maskulinum Modus Neutrum Negation Nominativ Objekt obliques Objekt Prädikat, Partizipant Partizip Passiv Präteritum

XII

PAT pers. PFV pl/PL/PLU POSS POTEN PP PPRF Präs/PRES PRO PTV REFL S/SUBJ sg/SG/Sg SPON SUP Τ TOP TR/TRANS UP V

Abkürzungen

Patiens Person perfektiv Plural Possessiv Potentialis persönliches Passiv, Partizip Perfekt past perfective Präsens Pronomen Parti tiv Reflexiv Subjekt Singular spontaneous Supinum Tempus Topik transitiv unpersönliches Passiv Verb

0. Einleitung 1. Gegenstand der Untersuchung Hauptziel dieser Arbeit ist die Untersuchung des so genannten unpersönlichen Passivs im Deutschen im Hinblick auf seine Funktion und seine historische Entwicklung. Als zentrale Passivkonstruktionen im Deutschen gelten dabei die Verknüpfungen der Hilfsverben werden („Vorgangspassiv") und teilweise auch sein („Zustandspassiv") mit dem Partizip Perfekt eines Vollverbs. Hier werden im Allgemeinen zwei Unterkategorien unterschieden, das typische persönliche und das eher marginale unpersönliche Passiv. Für ersteres wird meist Subjekthaltigkeit, für letzteres Subjekdosigkeit postuliert. Persönliches Passiv Ausgangspunkt sind transitive Verben Die Menge bejubelt die Sänger. Die Sänger werden (von der Menge) bejubelt. Unpersönliches Passiv Ausgangspunkt sind a) Objekthaltige Intransitiva mit dativischem, genitivischem oder präpositionalem Objekt Dir kann niemand helfen. Dir kann (von niemandem) geholfen werden. Deiner gedenkt niemand. Deiner wird (von niemandem) gedacht. An dich denkt dabei niemand. An dich wird dabei (von niemandem) gedacht. b) Objektlose Intransitiva Es lachte niemand. Es wurde (von niemandem) gelacht.

2

Einleitung

c) Transitiva in intransitiver bzw. absoluter Verwendung Hier isst niemand. Hier wird (von niemandem) gegessen. Insbesondere gilt das Passiv als grammatische Konverse zum Aktiv und stellt gleichzeitig die markierte Subkategorie innerhalb der Kategorie Genus verbi dar. Dabei entspricht das direkte Objekt im Aktiv dem Subjekt im persönlichen Passiv, wobei das Subjekt des Aktivs in einer mit von oder durch eingeleiteten Präpositionalphrase angeschlossen werden kann. Im Vergleich zum Aktivsatz findet im persönlichen Passiv also sowohl eine Objektkonversion (Vorstufung oder Promotion des direkten Objekts zum Subjekt) als auch eine Subjektkonversion (Rückstufung oder Demotion des Subjekts) statt. Da im entsprechenden Aktivsatz zu einem unpersönlichen Passiv (zumindest bei intransitiven Verben) kein direktes Objekt vorliegt, gibt es hier auch kein Subjekt. Es kommt also nur zur Subjektkonversion, die damit persönlichem und unpersönlichem Passiv gemeinsam ist. Komplizierter liegt der Fall beim Passiv von intransitiv bzw. absolut gebrauchten transitiven Verben (jet%t wird gegessen), da im Aktiv ein — wenn auch unausgedrücktes — direktes Objekt vorliegt. In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass hier ebenfalls eine Objektkonversion stattfindet, so dass der entsprechende Passivsatz ein nicht-explizites und zudem unspezifiertes oder generisches Subjekt enthält (im Sinne von jetyt wird [etwas]gegessen) (s. dazu Kapitel 1.3.3.2). Deshalb können die drei oben unter a) - c) dargestellten und im Allgemeinen zum unpersönlichen Passiv gezählten Konstruktionstypen insgesamt nicht als „subjekdoses", wohl aber als „unpersönliches" Passiv bezeichnet werden. Dieser Terminus wird nämlich traditionell auf Fügungen angewandt, die entweder kein oder auch nur ein unspezifisches Subjekt aufweisen (z. B. mir ist kalt, es weht). Aus diesem Grunde wird der Oberbegriff „unpersönliches Passiv" beibehalten und nicht (wie häufiger vorgeschlagen) durch „subjekdoses Passiv" ersetzt. Neben dem kanonischen Passiv mit werden/sein + Partizip Perfekt finden sich außerdem so genannte Passiwarianten. Dazu gehören zum einen das Dativ- oder Rezipientenpassiv, bei dem nicht das direkte, sondern das indirekte Objekt des Aktivsatzes zum Subjekt wird, während das direkte Objekt seine Position behält: meine Schwester schenkte mir ein Buch vs. ich bekam (von meiner Schwester) ein Buch geschenkt. Das Dativpassiv weist keine unpersönliche Variante auf und wird deshalb (zumindest unter diesem Aspekt) nicht mit in die Untersuchung einbezogen. Zum anderen sind die Passivperiphrasen zu nennen, die zwar aktivische Form, aber passivische Bedeutung haben, weshalb sie mit einem

Gegenstand der Untersuchung

3

(meist modalen) Passiv umschrieben werden können (deshalb auch oft als „modales Passiv" bezeichnet). Sie gliedern sich im Hinblick auf persönliche und unpersönliche Konstruktionen in zwei Gruppen. Nur eine persönliche Variante existiert von bleiben/stehenIgehen + r^u + Infinitiv {das bleibt/steht %u hoffen, das geht schließen) sowie von gehören/bleiben + Partizip Perfekt {das gehört/bleibt geschlossen). Diese Konstruktionen werden in der vorliegenden Arbeit also nicht weiter untersucht. Näher eingegangen wird dagegen auf die Fügungen, die sowohl eine persönliche als auch eine unpersönliche Variante aufweisen: sein + + Infinitiv {das ist tun/es ist aufzustehen), lassen + sich + Infinitiv {das lässt sich machen/darauf lässt sich bauen) sowie Reflexivpronomen + Verb {das trägt sich gut/hier sit^t es sich angenehm).

2. Aufbau der Arbeit und Auswahl der Belegstellen Zur Funktionsbestimmung des unpersönlichen Passivs ist die erste Hälfte der Arbeit (Kapitel I) theoretischen Überlegungen gewidmet, um zusammenzutragen, was über Merkmale und Funktion des persönlichen bzw. unpersönlichen Passivs überhaupt bekannt ist. Ziel ist es, eine Funktionsbestimmung des unpersönlichen Passivs zu erarbeiten, die über die syntaktisch motivierte „Subjektkonversion" bzw. die semanto-pragmatisch motivierte „Agensdefokussierung" (die auch die man-Sätze bzw. generalisierte Subjektkonstruktionen/Impersonale mit einschließt) hinausgeht und trotzdem mit der für das Passiv häufig postulierten Funktion der „Perspektivierungsveränderung" kompatibel ist. Schließlich wird auch gezeigt, in welchem historischen Zusammenhang in verschiedenen Sprachen zum einen persönliches und unpersönliches Passiv sowie zum anderen Passiv und generalisierte Subjektkonstruktionen/Impersonale stehen (können). In der zweiten Hälfte der Arbeit (Kapitel II) wird schließlich gezeigt, wie sich das unpersönliche Passiv speziell im Deutschen entwickelt hat. Dazu werden auch das persönliche Passiv und Passivperiphrasen sowie andere (nicht-passivische) Impersonalia bzw. unpersönliche Konstruktionen mit einbezogen. Während diesbezüglich auf Ergebnisse anderer Arbeiten zurückgegriffen wird, wurde für Konstruktionen, die als unpersönliche Passivfügungen eingeordnet werden können, ein eigenes Korpus zusammengetragen. Dieses basiert auf Texten von ca. 800 bis 1500 n. Chr., die insgesamt einen Umfang von ca. 1 Million Wörter aufweisen. Sie sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt (das Periodisierungsschema sowie die statistischen Angaben sind weitgehend aus DemskeNeumann (1994: 277f.) übernommen).

4

Einleitung

Texte Althochdeutsch (800-1050) Steinmeyer Isidor Murbacher Hymnen Tatian Otfrid Notker

Umfang (Wortzahl)

42.650 4.368 2.850 47.367 68.796 219.564 385.595 Mittelhochdeutsch (1050-1350) Genesis 27.500 ca. Annolied 4.239 Speculum ecclesiae 62.400 Lanzelet Iwein Parzival1 132.382 Willehalm Prosalancelot 60.000 ca. (175 Seiten) Berthold von Regensburg, 30.398 Vier Predigten Heinrich von Freiberg, 30.000 ca. Tristan und Isolde Johann von Würzburg, Wilhelm von Österreich Konrad von Megenberg, 50.000 ca. Buch der Natur (164 Seiten) ca. 397.000 Älteres Frühneuhochdeutsch (1350-1500) Tepl, Der Ackermann von 9.650 Böhmen Wittenwiler, Der Ring 52.979 23.085 Kalteisen, Predigten Geiler von Kaysersberg 68.512 154.226 Gesamt ca. 936.800

Zeitraum ahd. um 800 810-817 um 830 um 863/71 um 1000

um 1060 um 1080 1150-1200 1195/1200 um 1200 1200-1210 1215 um 1230 1240-1272 um 1290 1314 um 1350

um 1400 um 1410 1434 1480-1506 800-1500

Für den Parsjval konnte ich zusätzlich auf empirisches Material zurückgreifen, das HansWerner Eroms im Rahmen seiner Passivuntersuchungen erarbeitet hat. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich danken.

Aufbau der Arbeit und Auswahl der Belegstellen

5

Die Beschränkung auf den Zeitraum von 800 bis 1500 n. Chr. und die weitgehende Fokussierung auf Alt- und Mittelhochdeutsch erklärt sich zum einen dadurch, dass ein Hauptschwerpunkt auf die (bislang nicht geklärte) Entstehung des schon in den frühesten althochdeutschen Texten vorhandenen unpersönlichen Passivs von objekthaltigen Intransiüva gelegt wurde. Zum anderen kristallisierte sich heraus, dass der wesentliche Sprung, nämlich die Einbeziehung von objektlosen Intransitiva und damit die Entstehung eines „optimalen" unpersönlichen Passivs, bereits im 12./13. Jahrhundert (allerdings nicht vorher) erfolgte. Weitere Entwicklungen, z. B. die Entstehung eines unpersönlichen Passivs mit beibehaltenem direkten Objekt, sind, wenn überhaupt, erst tendenziell im späteren Neuhochdeutsch auszumachen (dazu gehört auch das Reflexivpassiv unecht reflexiver Verben, z. B. da wird sich umarmt). Deshalb wurde für alle Entwicklungen ab 1500 auf Sekundärliteratur und -beispiele zurückgegriffen. Bei der Auswahl der verwendeten Texte habe ich mich an DemskeNeumann 1994 und Kotin 1999 angelehnt, da ich ihre Ergebnisse bei meinen Überlegungen zum modalen bzw. v. a. zum persönlichen Passiv mit einbeziehe. Außerdem ist dadurch eine bessere Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet. Speziell bei der Untersuchung des unpersönlichen Passivs ist ein großes Datenkorpus norwendig, da es sich um eine relativ marginale Konstruktion handelt. So konstatiert etwa die DUDEN-Grammatik ( 6 1998: 173), dass nur etwa 3% aller Passivformen im Gegenwartsdeutschen dem unpersönlichen Typ angehören. Immerhin konnten hier für die Zeit von ca. 800 bis 1500 in den angegebenen Texten rund 240 Fügungen gefunden werden, wobei auch ca. 10 Beispiele aus der Sekundärliteratur mit einbezogen sind.2 Dabei verteilen sich die Beispiele etwa zu 17% auf Althochdeutsch (800-1050), 62% auf Mittelhochdeutsch (1050-1350) und 21% auf Älteres Frühneuhochdeutsch (1350-1500). Zur Erfassung der Beispiele wurde eine relationale Datenbank erstellt, deren Datensätze neben dem eigentlichen Beleg die Belegstelle sowie morphologische (z. .B. Hilfsverb seinIwerden), syntaktische (z. .B. + / - Agenshinzufügung) und semantische (z. .B. Art des Agens) Merkmale enthielt. Speziell die Unterkapitel zum Alt- und Mittelhochdeutschen basieren auf den sich daraus ergebenden empirischen Ergebnissen.

Texte, aus denen solche Beispiele stammen, sind in der obigen Tabelle daran erkennbar, dass in der entsprechenden Spalte kein Umfang (Wortzahl) angegeben ist.

I. Theoretische Überlegungen 1. Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick 1.1 Was ist ein Passiv? Nachfolgend seien kurz die wichtigsten Eigenschaften des Passivs bzw. der Kategorie Genus verbi vorgestellt. 1 Dabei geht es an dieser Stelle vor allem darum zu zeigen, was ein Passiv überhaupt ist und wie es sprachübergreifend beschrieben werden kann, nicht jedoch um die verschiedenen grammatischen Modelle innerhalb der formalen Syntax bzw. die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Herleitung des Passivs durch Transformation aus dem Aktiv (zu einem kurzen Überblick dazu vgl. ζ. B. Siewierska 1984: 4-8). Die Frage, was Passiv oder allgemeiner Genus verbi sei, wird ganz unterschiedlich beantwortet. Dabei kristallisieren sich zwei Hauptrichtungen heraus, nämlich zum einen ein funktionalistischer Ansatz, der semanto-pragmatisch bestimmt ist und im Gegensatz zu einer stärker strukturalistisch orientierten Sehweise steht, die sich primär auf morphosyntaktische Merkmale stützt. Vertreter des eher auf semantisch-pragmatische Gegebenheiten ausgerichteten Ansatzes sind ζ. B. Croft 1994, Givon 1990 oder Klaiman 1988. Sie sehen im Genus verbi (engl, voice) bzw. Aktiv und Passiv primär Manifestationen des Verhältnisses von Subjekt und Prädikat hinsichtlich der Merkmale Kontrolle, Topikalität, Affiziertheit u. Ä. Grammatische Merkmale im Bereich von Morphologie und Syntax sind dabei sekundär, eher zufällig oder sogar irrelevant. So kommt es, dass bei Givon schon rein topologische Verhältnisse Aktiv und Passiv auszeichnen können (Shibatani 2004: 1148 in Anlehnung an Givon 1990: 566). Active voice: The agent is more topical than the patient, but the patient retains considerable topicality. Passive voice: The patient is more topical than the agent, but the agent is extremely non-topical ('suppressed', 'demoted').

1

Als einleitender Überblick zum Passiv vor typologischem Hintergrund eignen sich z. B. Kazenin 2001, Keenan 1985, Shibatani 1998 und 2004 sowie Siewierska 1984.

8

Theoretische Überlegungen

Aus pragmatischer Sicht ist als Funktion des Passivs damit sowohl die Promotion/Vorstufung des Patiens als auch die Demotion/Rückstufung des Agens zu nennen (Kazenin 2001: 907). Demgegenüber stehen die eher traditionellen Linguisten, die morphologische und syntaktische, d. h. grammatische, Merkmale, als primär betrachten und eventuell von da aus erst nach der Semantik oder Funktion fragen. Verbreitet ist in dieser Hinsicht der Ansatz der Leningrader Schule (zum Folgenden vgl. Shibatani 2004: 1146f.). Hier wird Genus verbi außerdem getrennt von Diathese definiert. Diathese bezeichnet ganz allgemein „reguläre Valenzrahmenwechsel" (Bußmann 2002: 166) und bezieht sich konkret auf das Verhältnis, in dem semantische Rollen (Partizipanten) und syntaktische Funktionen oder Relationen (Aktanten) zueinander stehen. Dabei ist jedes Verb in unmarkierter Form mit bestimmten Partizipanten verknüpft und diese wiederum mit bestimmten syntaktischen Funktionen. Das ergibt die Basisdiathese. Jede andere Korrespondenz von semantischen Rollen und syntaktischen Funktionen, die mit markierten Verbformen verknüpft ist, wird als abgeleitete Diathese verstanden. Darunter fallen z. B. Genus verbi, Kausativ oder Applikativ (zu Diathesen s. a. Wunderlich 1993). Genus verbi ist als spezifischer Fall von Diathese zu verstehen, wobei das Aktiv mit der unmarkierten, das Passiv mit der markierten Konstruktion assoziiert wird. Die Spezifität von Genus verbi liegt darin, dass unmarkierte (Aktiv) und markierte Konstruktion (Passiv) dieselbe Lexemstruktur bzw. dieselbe „propositional meaning" aufweisen (Mel'iuk 1993: 11). Dabei bleiben die semantischen Rollen erhalten. Das Passiv unterscheidet sich vom Aktiv lediglich dadurch, dass der entsprechenden semantischen Rolle eine andere syntaktische Funktion zugeordnet wird. Außerdem tritt eine Valenzminderung bzw. Detransitivierung ein, da das Agens nicht mehr Aktanten-, sondern (als obliques Objekt) Zirkumstantenstatus hat. Im Gegensatz zum Genus verbi ändert sich z. B. beim Applikativ auch die Rollensemantik. Man vergleiche dazu das häufig diskutierte Beispiel aus dem Deutschen, bei dem die mit be- markierte Verbform signalisiert, dass ein Lokativ in die Rolle eines Patiens gebracht wurde (in Anlehnung an Dürscheid 2001: 179). Er lädt Heu auf den Wagen [Lokativ]. Er belädt den Wagen [Patiens] mit Heu. Shibatani (2004: 1146) legt den Leningrader Ansatz im Hinblick auf Genus verbi anhand des japanischen Lexems koros-,töten' dar.

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

9

koros-,töten' Diathese: Person 1 Agens Subjekt Genus verbi: Aktiv korosa-re- ,töten-PASSIV' Diathese: Person 1 Agens 0/Obliques Objekt Genus verbi: Passiv

Person 2 Patiens Direktes Objekt

Person 2 Patiens Subjekt

Grundsätzlich kann die Passivmarkierung entweder synthetisch, vor allem mit Hilfe eines zusätzlichen Affixes, oder analytisch, z. B. mit einem Hilfsverb und einer infiniten Verbform, gebildet werden. Synthetische Bildungsweisen sind weitaus häufiger als analytische, die auf das Indoeuropäische konzentriert zu sein scheinen (Kazenin 2001: 901). Synthetisch: z. B. Neuisländisch (ebd. 900) eg kall-a-st I call-lsg-PASS Ί am called.' Analytisch: z. B. Baskisch (ebd. 901) Telesail-a Jon-ek ikusi-a TV.series-ART John-ERG seen-ART 'The TV series has been watched by John.'

da is

Hinsichtlich der Umverteilung von semantischer Rolle und syntaktischer Funktion ist typischerweise das Subjekt betroffen. In der Passivkonstruktion wird diese syntaktische Funktion in den meisten Sprachen mit einem Patiens assoziiert, manchmal ist auch ein Benefaktiv, Lokativ, Instrumental u. Ä. möglich (Kazenin 2001: 902). Dagegen findet sich das im Aktiv mit dem Subjekt assoziierte Agens in der Funktion eines, allerdings meist unausgedrückten, obliquen Objekts wieder, das oft einer instrumentalen oder lokativen Konstruktion entspricht (ebd. 903). Die Behauptung Siewierskas (1984: 35), dass das Agens im Indonesischen und einigen anderen Sprachen obligatorisch genannt werden muss, scheint im Übrigen sehr fraglich zu sein (Shibatani 1998: 134f.).

10

Theoretische Überlegungen

Was die Frage nach der Funktion der Kategorie Genus verbi angeht, so gilt innerhalb des grammatischen Ansatzes nicht, dass diese semantisch oder pragmatisch bestimmt ist, sondern „its function lies in signaling changes in the syntactic alignment of arguments associated with a particular lexeme" (Shibatani 2004: 1147). Vor dem Hintergrund dieser beiden extremen Ansätze schlagen moderate Funktionalisten wie Shibatani (1985: 837 und 2004: 1148) eine Kompromisslösung vor, die sowohl semanto-pragmatische wie auch morpho-syntaktische Merkmale in sich vereint. 1. 2.

3.

Primary pragmatic function: Defocusing of agent. Semantic properties: (i) Semantic valence: Predicate (agent, patient). (ii) Subject is affected. Syntactic properties: (i) Syntactic encoding: agent 0 (not encoded) patient => subject. (ii) Valence of Ρ: Active = P/n P/n-1. Passive = Morphological property: Active = P; Passive = P[+passive].

Dabei fällt auf, dass Shibatani (ebd.) die Defokussierung des Agens als primäre pragmatische Funktion des Passivs betrachtet, die Fokussierung des Patiens jedoch nicht erwähnt. Dies lässt sich mit der Existenz des so genannten unpersönlichen Passivs begründen, das typischerweise von objektlosen Intransitiva gebildet wird und somit nur die AgensDefokussierung ermöglicht, jedoch keine Fokussierung eines wie auch immer gearteten Objekts. Als Schnittmengenfunktion zwischen persönlichem und unpersönlichem Passiv bleibt also nur die AgensDefokussierung. Inkonsequent ist dann jedoch, dass Shibatani (ebd.) die Möglichkeit des unpersönlichen Passivs nicht unter „Syntactic encoding" erwähnt, wobei hier „patient •=> subject" wegfallen müsste. Für das unpersönliche im Gegensatz zum persönlichen Passiv gilt also: 1. es ist subjekdos, da: a) keine Objekte vorliegen, oder diese b) Objekte bleiben und nicht zum Subjekt vorgestuft werden; 2.

im Verb liegt gegebenenfalls eine einheitliche Flexions form vor, da es kein Subjekt und damit keine Kongruenz gibt.

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

11

Das unpersönliche Passiv kann also von intransitiven Verben mit oder ohne Objekt gebildet werden, aber auch von transitiven Verben. Typologisch gesehen sind jedoch Intransitive häufiger (Kazenin 2001: 905): (1) no language has impersonal passives of transitives without having (impersonal) passives of intransitives; (2) no language has (impersonal) passives of intransitives without having some type of passive of transitives.

Die Implikationshierarchie sieht damit folgendermaßen aus: Persönliches Passiv > Unpersönliches Passiv von Intransitiva > Unpersönliches Passiv von Transitiva. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das so genannte unpersönliche Passiv von Transidva grundsätzlich die Beibehaltung des Objekts impliziert (im Sinne von es wird den Roman geleseti). Passive von absolut oder intransitiv verwendeten Transitiva (es wird gelesen), und damit auch die Frage, ob es sich um ein persönliches oder unpersönliches Passiv handelt, werden in der typologischen Passivforschung nicht explizit diskutiert. Übereinzelsprachlich gesehen ist das unpersönliche Passiv also seltener als das persönliche. Unpersönliche Passive gibt es z. B. im Indoeuropäischen, Finno-Ugrischen, Altaischen, Dravidischen, Niger-Kongo, NiloSaharischen, Yuman oder Uto-Aztekischen (Siewierska 1984: 93). In vielen Sprachen liegen dieselben morphologischen Mittel im persönlichen wie im unpersönlichen Passiv vor. Dies ist etwa der Fall im Deutschen, Niederländischen, Lateinischen, Altgriechischen, (Nord)Russischen, Shona (Bantu), Türkischen oder Taramahua (Uto-Aztekisch) (Keenan 1985: 273). Nachfolgend einige Beispiele für unpersönliche Passive aus Sprachen mit denselben morphologischen Mitteln für beide Passivtypen (Beispiele zitiert nach Keenan 1985: 274f.). Deutsch Gestern wurde getankt. Türkisch Burada oynanir. here played 'Here it is played/Playing takes place here.' Taramahua Tashi goci-ru. not sleep-PASS 'One doesn't sleep.'

12

Theoretische Überlegungen

Latein Legibus (a bonis ävibus) paretur. to laws (by good citi2ens) is obeyed(3SG) '(By good citizens) there is obeying laws.' Zum Nordrussischen bemerkt Timberlake (1976: 550) außerdem, dass es hier sogar zwei unpersönliche Passivtypen gebe. Beide zeichnen sich durch eine einheitliche Flexionsform im finiten Verb aus, nämlich die 3. Person Singular Neutrum,2 jedoch wird im einen Fall (1) das direkte Objekt zum Subjekt vorgestuft und steht im Nominativ, im anderen Fall (2) nicht. 1. Vorstufung des Akkusativobjekts zum Subjekt pereexano bylo doroga tut crossed aux. [was] road [there] part.n.sg. [n.sg.] nom.f.sg. 'there's been crossing over the road there' 2.

Keine Vorstufung zum Subjekt ee muza ubito na vojne [her] man killed [in] war acc.[m.sg] part.n.sg. 'there was killed her husband during the war'

Andere Sprachen haben zwar sowohl ein persönliches wie auch ein unpersönliches Passiv, die morphologischen Markierungen für das unpersönliche Passiv weichen jedoch von denen für das persönliche ab (Beispiele zitiert nach Keenan 1985: 276). Spanisch No se habla de not REFL speak of 'Music isn't spoken of.'

musica music

Polnisch Id^ie sie ssybko is walked REFL quickly 'One walks quickly.'

2

Als historische Gründe für das Neutrum vermutet Wiemer (i. Dr.) Sprachkontakt mit finnischen Sprachen, die keine Kategorie Genus aufweisen.

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

13

Irisch Bhiothas buaitte (aid) AUX(IMPRS) hit(PART) (at her) 'There was being hit (by her).' Auch das Finnische wird teilweise hierher gezählt (Beispiele nach Comrie 1977: 49). Hänet jätetiin kotiin him was left home 'He was left at home.' Täällä eletään hauskasti here is lived pleasandy 'Life is pleasant here.' Speziell in den Fällen, wo im unpersönlichen Passiv abweichende Morphologie vorliegt, ist zu fragen, ob es überhaupt noch gerechtfertigt ist, von Genus verbi oder Passiv zu sprechen, oder ob eine ganz andere Kategorie anzusetzen sei. Dies wird vor allem dort deutlich, wo Passiv wie bei Givön funktional verstanden wird, so dass schon allein die semantische Rückstufung des Agens im Sinne einer «M«-Unspezifiziertheit für die Ansetzung einer Kategorie Passiv genügt. Nur im Rahmen einer solchen Definition kann in einer Sprache wie dem Ute ein „unpersönliches Passiv" angesetzt werden (Givon 1988: 419). sivqqtu-ä paxä-ta-xa goat-OBJ kill-P ASS-ANT [ERIOR] 'Someone killed the goat' 'The goat was killed (by some unspecified person).' Nachfolgend werden die wichtigsten Forschungsansätze hinsichtlich des unpersönlichen Passivs im Detail vorgestellt.

1.2 Der „syntaktische" Ansatz 1.2.1 Das unpersönliche Passiv als promotionales Passiv Innerhalb der neueren Linguistik taucht das unpersönliche Passiv an prominenter Stelle erstmals in der (frühen) Relationalen Grammatik (RG) der 70er Jahre auf, einem „Ableger" der generativen Transformationsgram-

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Theoretische Überlegungen

matik (gTG). Vor allem in Perlmutter/Postall 977 und Perlmutter 1978, auf die sich die nachfolgenden Ausführungen stützen, wird versucht, eine universale, auf alle Sprachen anwendbare, Passivdefinition zu finden.3 Das Resultat ist, dass sowohl persönliches als auch unpersönliches Passiv als promotionales Passiv eingestuft werden, da aus der Sicht von Perlmutter und Postal beide Konstruktionen syntaktisch gesehen ein zum Subjekt vorgestuftes oder promoviertes Element aufweisen. Im Gegensatz zum persönlichen Passiv habe das unpersönliche Passiv jedoch nur einen nichtreferentiellen „dummy" als Subjekt wie beispielsweise in dem niederländischen Satz Er wordt door de hinderen op het ijs geschaatst ,Es wird von den Kindern auf dem Eis eisgelaufen' (mit „dummy" er). Wie kommt es nun zu dieser doch etwas überraschenden These vom unpersönlichen Passiv als promotionalem Passiv? Für die Relationale Grammatik (RG) besteht die Struktur eines Satzes aus einem Netz zentraler grammatischer Relationen, die den traditionellen Satzgliedern Subjekt, direktes Objekt und indirektes Objekt entsprechen, und die als „1", „2" und „3" bezeichnet werden. Andere Relationen wie Benefaktiv werden nur benannt, aber nicht gezählt. Des Weiteren kennzeichnend für die RG sind in der Satzstruktur angelegte Ebenen oder „strata", von denen dann mehr als eine vorliegt, wenn die entsprechende Satzstruktur durch Konversion oder Transformation aus einer anderen, einfacheren, entstanden ist. Dies trifft vor allem auf das Passiv zu. Ein Satz im Aktiv hat nur ein Stratum, wobei in der graphischen Darstellung „P" das Prädikat und jeder Halbbogen eine grammatische Relation bzw. das Prädikat repräsentiert (nach Perlmutter/Postal 1977: 405).

Hat der entsprechende Satz eine Passivstruktur, so kommt es zu einer Veränderung der grammatischen Relationen, was sich in einem abgeleiteten, graphisch darunter Kegenden Stratum manifestiert. Dabei wird das Satzglied mit der Relation „2" aus dem ursprünglichen Stratum zu „1", also das direkte Objekt zum Subjekt. Dies wird als Promotion oder Vor3

Zu einer guten Zusammenfassung s. a. Wehr (1995: 2-8).

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

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stufung verstanden. Gleichzeitig wird die „1 "-Relation (also das Subjekt) zum so genannten „chomeur" (,Arbeitsloser'; formal „i"), d. h. es wird noch hinter die zentralen grammatischen Relationen zurückgestuft oder sogar getilgt. Die Struktur für den Satz Louise reviewed that book sieht im Passiv dann folgendermaßen aus (nach Perlmutter/Postal 1977: 408):

Gemäß dem „Final 1 Law" muss es auf dem letzten erzeugten Stratum immer eine „1 "-Relation geben. Deshalb wird das Passiv grundsätzlich als eine Relationsverschiebung „2 > 1 " und damit als eine Vorstufung oder Promotion definiert, die Demotion oder Rückstufung des ursprünglichen Subjekts („1 "-Relation) ist dann nur eine notwendige Folge, da es in einem einfachen Satz keine zwei Subjekte geben kann (gemäß dem „Stratal Uniqueness Law", das besagt, dass auf einem Stratum eine grammatische Relation nur einmal vorkommen kann). Dem widerspräche nun aber die Existenz des unpersönlichen Passivs, da bei Intransitiva und einem NichtVorhandensein einer „2"-Relation bzw. eines direkten Objekts keine Promotion nach „1" stattfinden kann. Dem begegnet Perlmutter 1978 mit einem „Trick", indem er auf dem ersten abgeleiteten Stratum einen „dummy" als „2"-Relation einfuhrt, der dann auf dem Passiv-Stratum folgerichtig zu „1" vorgestuft wird. Ein solcher „dummy" ist ein nicht-referentielles Subjekt wie deutsch es, niederländisch er oder französisch iL Die Struktur für den niederländischen unpersönlichen Passivsatz Er wordt door de kinderen op het ijs geschaatstgeschaatst ,Es wird von den Kindern auf dem Eis eisgelaufen' sieht bei Perlmutter (1978: 158) dann folgendermaßen aus („D" = „dummy"):

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Theoretische Überlegungen

Allerdings gibt es in manchen Sprachen auch unpersönliche Passive von transitiven Verben mit beibehaltenem direkten Objekt. Hier ergibt sich die Schwierigkeit, dass auf dem ersten Ableitungsstratum wie gehabt eine „2"Relation eingeführt werden muss, die dann bei der nächsten Ableitung zum „dummy"-Subjekt vorgestuft wird. Da aber nach dem „Stratal Uniqueness Law" der RG eine grammatische Relation auf einem Stratum nur einmal vorkommen darf, muss die ursprüngliche „2"-Relation bzw. das direkte Objekt entfernt werden, woraufhin dieses die „chömeur"Zuweisung „2" bekommt. Welche Relation das sein soll, bleibt allerdings vollkommen unklar. Die für solche Fälle postulierte Struktur sieht folgendermaßen aus (nach Perlmutter 1978: 186; ohne Beispiel):

Damit scheint die „2 > 1 "-Theorie der RG gerettet, da die Promotion jetzt sowohl für das persönliche wie das unpersönliche Passiv postuliert werden kann, mit dem Unterschied, dass es sich bei letzterem nicht um ein „echtes" Subjekt, sondern um einen „dummy" handelt. Die Tatsache, dass ein solcher „dummy" in den meisten Sprachen mit unpersönlichen Passiven gar nicht (z. B. Türkisch) oder in manchen nur unter bestimmten Bedingungen vorkommt (im Deutschen nur in der ersten Position vor dem finiten Verb und nur dann, wenn dort kein anderes Satzglied steht wie in Heute/Es wird getankt!), stört Perlmutter und Postal offensichtlich nicht. Es wird einfach postuliert, dass es gegebenenfalls keine Oberflächenrealisierung des „dummy"-Subjekts gebe.

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

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Jedoch lässt sich das „dummy"-Problem auf theoretischer Ebene nie ganz befriedigend lösen. Comrie (1977: 52) hält es zumindest für möglich, dass für Sprachen wie das Deutsche gilt: „there is a special rule which inserts es as subject, whence the underlying subject must be demoted by the general principle that a sentence cannot have more than one subject. There is perhaps no empirical evidence against such an analysis for German, [.•·]." Selbst in Comrie (1989: 15) ist er noch der Meinung: „we cannot say that the analysis proposed within relational grammar is wrong, in the sense that there are counterexamples to it". 4 Dennoch gibt es gewichtige Einwände gegen diesen Ansatz. Dabei sind vor allem zwei Punkte als wesentlich zu nennen (siehe Wehr 1995: 7). 1. Es ist unannehmbar, dass intransitive Verben auf einer abstrakten Ebene willkürlich mit einem direkten Objekt bzw. transitive Verben mit einem zweiten direkten Objekt versehen werden. 2. Sprachen mit „dummy"-Subjekten füllen damit eine SubjektLeerstelle; es wird auf keinen Fall ein vorhandenes Subjekt von seinem Platz verdrängt. Siewierska (1984: 120) bemerkt zudem noch scharfsinnig zu unpersönlichen Passiven von transitiven Verben, dass das direkte Objekt, das in der Theorie der RG zu einem „chomeur" „2"zurückgestuft wird (was immer das sein mag), dann auch tatsächlich morphosyntaktisch verändert sein sollte, was aber nicht der Fall ist, wie etwa Beispiele aus dem Russischen zeigen. Insgesamt kann man feststellen, dass dieser Ansatz aus der RG, der darauf aufbaut, dass unpersönliche Passive ebenso wie persönliche Passive ein zum Subjekt vorgestuftes bzw. promoviertes Element enthalten, keine Anhänger gefunden hat.

1.2.2 Das unpersönliche Passiv als demotionales Passiv Als Alternative zum promotionalen Ansatz, wie er von der RG postuliert wird, setzt sich in der Folge verstärkt die These vom demotionalen unpersönlichen Passiv durch, wobei die Demotion des Subjekts/Agens zusätzlich zur Objektpromotion auch das persönliche Passiv kennzeichnet. Selbst innerhalb der RG wird dies inzwischen akzeptiert, vgl. etwa Jongman 1990. Die Demotion ist also das verbindende Element zwischen

4

Den Hinweis auf dieses Zitat verdanke ich Wehr (1995: 7, Fußnote 10).

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Theoretische Überlegungen

persönlichem und unpersönlichem Passiv und rechtfertigt im Zweifelsfall auch die gemeinsame Bezeichnung „Passiv". Die These vom demotionalen unpersönlichen Passiv geht auf Keenan 1975 und Comrie 1977 zurück, die damit den promotionalen Ansatz der RG kritisieren. Am einflussreichsten ist dabei Comrie 1977. Er spricht hier im Übrigen spezifisch von „spontaneous demotion", weil innerhalb der RG postuliert wird, dass die Demotion nur eine notwendige Folge der Objektpromotion zum Subjekt sei. Wenn es eine solche Promotion wie im unpersönlichen Passiv nicht gibt, kann die Demotion zumindest nicht promotionsbedingt sein. Promotion und Demotion werden von ihm außerdem anhand der in Keenan/Comrie 1977 erarbeiteten Hierarchie syntaktischer Relationen präzisiert. Diese Hierarchie ergibt sich vor allem aus Tests zur Modifizierung syntaktischer Relationen durch Relativsätze, wobei die syntaktischen Relationen diesbezüglich unterschiedliche Grade an „accessability" aufweisen (am stärksten links, am schwächsten rechts) (vgl. Keenan/Comrie 1977: 66): SU—DO—IO—OBL—GEN—OCOMP subject—direct object—indirect object—major oblique case NP—genitive—object of comparison

Im Passiv wird Promotion damit als „Hierarchieaufstieg" nach links Richtung Subjekt, Demotion als „Hierarchieabstieg" nach rechts Richtung obliques Objekt definiert. Damit das unpersönliche Passiv als „demotionales Passiv" gelten kann, muss Comrie zeigen, dass es tatsächlich Passive ohne Promotion, also subjektlose Passive, gibt. Das ist dann der Fall, wenn ein intransitives Verb vorliegt oder ein transitives Verb, dessen Objekt beibehalten wird, so dass keine Vorstufung zum Subjekt stattfindet. Seine Beispiele wählt er aus dem Finnischen (Comrie 1977: 49f.). Intransitives Verb Täällä eletään hauskasti here is-lived pleasandy 'Life is pleasant here (by Pekka).'

(*Peka-lla). Pekka by

Transitives Verb ohne Vorstufung des direkten Objekts Ηά;net jätettiin kotiin (*äidi-llä-nsä). him [ACC] was left home mother by his 'He was left at home (by his mother).'

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

19

Bei den finnischen Beispielen fällt außerdem auf, dass das dem Aktivsatz zugrunde liegende Subjekt im Passivsatz nicht hinzugefügt werden kann (z. B. *Pekalla ,νοη Pekka1). Comrie (1977: 50) argumentiert nun weiter, dass seiner These einer spontanen Demotion in der Tat dann widersprochen wäre, wenn dieser Umstand in allen Sprachen und grundsätzlich nur für das unpersönliche, nicht aber für das persönliche Passiv, gelten würde. Dann würde nämlich eine Deletion und keine Demotion vorliegen, weshalb unpersönliches und persönliches Passiv auch nicht unter einer Kategorie „Passiv" mit dem verbindenden Merkmal der Demotion zusammengefasst werden dürften. Obwohl aber die Subjekt-Deletion im unpersönlichen Passiv für viele Sprachen zu gelten scheint, ist die Agenshinzufügung nicht grundsätzlich unmöglich. Das zeigt Comrie (1977: 52) an Beispielen aus dem Deutschen. Gestern wurde von uns getankt. Comrie (1977: 58) folgert daraus, dass es spontane Demotion gebe, die zudem das persönliche und das unpersönliche Passiv vereine. Außerdem fasst er Deletion und Demotion unter „subject removal" zusammen. Ich möchte jedoch an dieser Stelle zu bedenken geben, dass es besser ist, diese beiden Fälle auch terminologisch zu trennen (evd. auch als relative oder absolute Demotion, womit der Begriff Demotion beibehalten werden kann), da es für die Beschreibung einer Konstruktion durchaus relevant ist, ob das Agens strukturell realisiert werden kann oder nicht.

1.3 Der „funktionale" Ansatz 1.3.1 Das unpersönliche Passiv als Agens-Defokussierung Während in den 70er Jahren die „formalen" Merkmale im Vordergrund stehen, d. h. die syntaktischen Prozesse und damit Promotion bzw. Demotion, zeichnet sich ab den frühen 80ern ein Paradigmenwechsel ab. Immer stärker rückt die Frage nach der Funktion des unpersönlichen Passivs in den Vordergrund, eine Frage, die bis in die unmittelbare Gegenwart zentral für die Beschäftigung mit dem unpersönlichen Passiv bleibt. Die Antworten, die am häufigsten gegeben werden, sind im weitesten Sinne im semantisch-pragmatischen Bereich der AgensDefokussierung angesiedelt. Die verschiedenen Ansätze unterscheiden sich jedoch zum einen in der spezifischen Auslegung von AgensDefokussierung und zum anderen darin, welche Gewichtung morphosyntaküschen Gegebenheiten zugestanden wird. Während am Anfang der

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Theoretische Überlegungen

80er Jahre, möglicherweise als Gegenreaktion auf den syntaktischen Ansatz der 70er Jahre, die Frage nach der Funktion dominiert, fällt auf, dass es später zu einer Annäherung der Gegensätze kommt. Einen großen Einfluss auf die Diskussion zum Passiv innerhalb der Sprachtypologie hat dabei Givön 1981 und 1988, dem es zwar zentral um das Ute geht, der im Zuge seiner Untersuchungen aber eine sprachübergreifende Passivtypologie aufstellt. Er stuft das persönliche Passiv als promotional, das unpersönliche als nicht-promotional ein (vgl. z. B. Givön 1990: 575f.). Damit knüpft er zwar an die syntaktischen Beschreibungen der 70er Jahre an, viel wesentlicher ist für seinen Ansatz jedoch die Aufgabe des Passivs, die er explizit als „impersonalization or agent identity suppression" bezeichnet (Givön 1981: 166). Das ist nun keine rein syntaktische Beschreibung mehr, sondern eine semanto-pragmatische, die auch allgemein als Agens-Defokussierung bezeichnet werden kann (vgl. dazu weiter unten Shibatani 1985). Dass er formale Gegebenheiten eher als sekundär betrachtet, wird auch daran deutlich, dass er mit pragmatisch fundierten Kategorien wie Topik arbeitet, z. B. bei der Gegenüberstellung von promotionalem und nicht-promotionalem Passiv. Das promotionale Passiv, wie es etwa im Englischen vorkommt, wird dabei als kanonisch betrachtet und hat nach Givön (1988: 419) folgende Eigenschaften: 1. Das zugrunde liegende Objekt des Aktivsatzes wird zum Subjekt/Nominativ promoviert. 2. Das zugrunde liegende Subjekt des Aktivsatzes kann in der Passivkonstruktionen erscheinen, muss aber in dem Fall mit einem obliquen Kasus markiert sein. 3. Die semantischen Rollen, die im Subjekt bzw. Topik des Passivsatzes erscheinen können, sind extrem restringiert. 4. Passivsätze tendieren dazu, Stativität (Zustände) widerzugeben. Im Gegensatz dazu zeichnet sich etwa das Ute durch ein nichtpromotionales Passiv mit folgenden Eigenschaften aus (ebd.): 1. Das zugrunde liegende Objekt des Aktivsatzes behält seine Kasusmarkierung im Passivsatz bei. 2. Das zugrunde liegende Subjekt des Aktivsatzes kann nicht im Passivsatz erscheinen.

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

21

3. Die semantischen Rollen, die im Subjekt bzw. Topik des Passivsatzes stehen können, sind wenig bis gar nicht restringiert.5 4. Passivsätze tendieren dazu, Aktionalität (im Gegensatz zu Stativität) widerzugeben. Als Beispiel für ein nicht-promotionales Passiv gibt er folgenden Satz aus dem Ute (nach Givön 1988: 419). Aktiv ta'wä-ä sivqqtu-ä man-SUBJ goat-OBJ "The man killed the goat.'

paxä-xa kill-ANT[ERIOR]

Passiv sivqqtu-ä paxä-ta-xa goat-OBJ kill-PASS-ANT[ERIOR] 'Someone killed the goat.' 'The goat was killed (by some unspecified person).' Es handelt sich im Ute also um ein nicht-spezifiziertes menschliches Agens, das im Passivsatz außerdem nicht angefügt werden kann. Kontextuell ist es allerdings automatisch impliziert, wobei der Singular oder Dual keine separate Personenmarkierung benötigt. Handelt es sich um ein pluralisches (> 2) Agens, so ist eine zusätzliche Markierung erforderlich (Givön 1988: 420). Aktiv täata 'wa-ä-u sivqqtu-ci men-SUBJ goat-OBJ 'The men killed the goat.'

paxä-xa-qa kill-PL-ANT[ERIOR]

Passiv sivqqtu-ä paxä-xa -ta-xa goat-OBJ 1ςίϊΐ-ΡΙ^ΡΑ85-ΑΝΤ^Ιθη 'Some persons killed the goat' 'The goat was killed (by some unspecified persons).' Anstelle eines direkten Objekts, können im Ute im Topik beispielsweise auch indirekte Objekte oder modale Adverbien stehen (Givön 1988: 421) 5

Der Subjektbegiiff wird hier übergeneralisiert verwendet, was sich auch daran zeigt, dass Givön zwischen einem Subjekt/Nominativ (im promotionalen Passiv) und einem Subjekt/Topik (im nicht-promotionalen Passiv) unterscheidet (s. a. Kapitel II.2.2).

22

Theoretische Überlegungen

Unakzeptabel ist ein Passivsatz lediglich dann, wenn kein Element als Topik steht, weshalb zum Beispiel ein anaphorisches Pronomen als „default topic" eingesetzt werden kann (nach Givon 1988: 421): *

tuka-ta-xa

eat-PASS-ANT[ERIOR] Aber: tukd-ta-xa-ux

eat-PASS-ANT[ERIOR]-it 'It was eaten'/'Someone ate it.' Da es im Ute kein persönliches Passiv gibt, kann auch nicht entschieden werden, ob es sich bei dem Marker -ta- tatsächlich um einen Passivmarker oder nicht doch eher um ein Mittel der Impersonalisierung vergleichbar dem deutschen man handelt.6 Das würde auch erklären, warum zum einen kein zusätzliches Agens angefügt werden kann und zum anderen alle Objekte ihre Kasusmarkierung beibehalten. Auf semanto-pragmatischer Ebene würde es sich immer noch um Agens-Defokussierung oder backgrounding handeln. Eine Detransitivierung im morpho-syntaktischen Sinne läge jedoch nicht vor und damit auch kein Passiv, da der Valenzrahmen nicht geändert wird.7 Dieselbe Argumentation kann im Prinzip für alle Sprachen ohne persönliches Passiv oder mit formal abweichendem persönlichem Passiv gelten. Bei Frajzyngier 1982 steht nur noch die Frage nach der Funktion im Mittelpunkt, ohne dass er auf den syntaktischen Aspekt der Promotion oder Demotion eingeht. Allerdings untersucht er von vornherein nur solche Konstruktionen, die sich durch Demotion/Deletion auszeichnen und damit im herkömmlichen Sinne als unpersönliche Passive gelten können. Neu ist bei ihm jetzt allerdings, dass persönliches und unpersönliches Passiv vollständig voneinander getrennt werden. Dabei postuliert er für letzteres: „the primary function of the passive form of intransitive verbs is to indicate that a sentence has an unspecified human agent which is also subject o f the sentence" (Frajzyngier 1982: 271). Im Gegensatz zu Givon (1981: 166), der Impersonalisierung oder Agens-Defokussierung noch als kennzeichnend für persönliches und unpersönliches Passiv eingestuft 6

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass bereits Khrakovsky 1973 deutsche oder französische Aktivsätze mit impersonalem man bzw. on zum Passiv zählt. Aufgrund der Indefinitheit geht er von einem untypischen Subjekt und damit von Subjektlosigkeit aus. Statt dessen wird man als „Formwort" parallel zu es wie in Es wird getankt interpretiert (zu einer Zusammenfassung vgl. Wehr 1995: 8-12).

7

Zu einer ähnlichen Einschätzung des Ute-Passivs s. a. Pustet (1997: 147).

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

23

hatte, geht Frajzyngier selbst bei identischer Morphologie der beiden Konstruktionen nur beim unpersönlichen Passiv von einer Impersonalisierung aus. Damit setzt er das unpersönliche Passiv funktional mit impersonalen man-Sätzen im Aktiv gleich. Seine Hypothese versucht er anhand von Beispielen aus dem Polnischen, Türkischen, Lateinischen, Spanischen, Italienischen, Arabischen, Deutschen und Niederländischen zu belegen. Mit seinem Ansatz wirft er allerdings eine Vielzahl von Problemen auf, von denen hier nur die wichtigsten genannt sein sollen. Zum einen bleibt völlig unklar, wo sich das von ihm genannte Subjekt in der traditionell „unpersönliches Passiv" genannten Konstruktion befinden soll. Möglicherweise geht er davon aus, dass es in der Flexion des Verbs kodiert ist, was aber für das Deutsche als Nicht-pro-drop-Sprache kaum zutreffen kann. Ein anderer störender Faktor besteht darin, dass Deutsch und Niederländisch den Anschluss des Agens als obliques Objekt grundsätzlich erlauben. Daraus folgert er, dass diese unpersönlichen Passivsätze eine andere Funktion haben als die, auf einen indefiniten menschlichen Verursacher als Agens zu verweisen. Welche Funktion das sein soll, wird jedoch nicht deutlich (Frajzyngier 1982: 281). Außerdem spricht er nur von intransitiven Verben (s. o.), lässt also z. B. Passivkonstruktionen mit beibehaltenem direkten Objekt (etwa im Polnischen) völlig außer Acht. Auch bleibt unbeantwortet, in welchem Verhältnis nun persönliches und unpersönliches Passiv stehen. Shibatani 1985 umschreibt die Funktion des Passivs ganz allgemein mit „agent defocusing" (ebd. 830). Allerdings bezieht er auch die morphosyntaktischen Gegebenheiten mit ein, weshalb persönliches und unpersönliches Passiv zusammen betrachtet werden, da sie sich in vielen Sprachen durch eine gemeinsame Form auszeichnen. Wesentlich dabei ist, dass es sich um eine markierte Konstruktion handelt, in der das Agens nicht den ihm typischerweise zukommenden Subjektstatus hat. Dabei braucht es überhaupt nicht genannt zu werden, d. h. es nimmt keine syntaktische Rolle an. Auf der kommunikativen Ebene korreliert dieser Umstand damit, dass das Agens ohnehin unbekannt, irrelevant, möglicherweise aber auch ganz offensichtlich ist. Andererseits kann Agens-Defokussierung auch nur partiell sein, wenn ein Agens wie im Passiv als obliques Objekt anschließbar ist. Zur kommunikativen Funktion solcher Sätze sagt Shibatani nichts (wie dies auch sonst in der typologisch orientierten Passivforschung kaum thematisiert wird). Dass Agens-Defokussierung und nicht etwa Patiens-Fokussierung das primäre Charakteristikum des Passivs ist, begründet er damit, dass nicht nur persönliche Passive, sondern auch unpersönliche Passive ohne Patiens dieses Merkmal aufweisen.

24

Theoretische Überlegungen

Dass für ihn auch die Form (und nicht nur die Funktion) relevant ist, zeigt sich außerdem daran, dass er in seinem morpho-syntaktischen Ansatz sogar noch einen Schritt weiter geht und postuliert, dass alle Konstruktionen, die innerhalb einer Sprache dieselbe Markierung wie das Passiv aufweisen, durch die gemeinsame Funktion Agens-Defokussierung verknüpft sind. Das versucht er anhand des Elements -(r)are- zu zeigen, das im Japanischen neben dem kanonischen Passiv auch drei andere Konstruktionen markiert, die sich durch die Merkmale Potentialität, Höflichkeit und Spontaneität auszeichnen (Beispiele nach Shibatani 1985: 822f.). Passiv Taroo

wa TOP 'Taro was scolded.'

sikar-are-ta. scold-PASS-PAST

Potentialis Boku wa nemur-are-nakat-ta. I TOP sleep-POTEN-NEG-PAST Ί could not sleep.' Honorativ Sensei ga waraw-are-ta. teacher NOM laugh-HON-PAST 'The teacher laughed (hon).' Spontanes Ereignis Mukasi ga sinob-are-ru. old.time NOM think.about-SPON-PRES 'An old time comes (spontaneously) to mind.' Shibatani ist nun allerdings genötigt zu begründen, warum so unterschiedlichen Konzepten wie Höflichkeit, Spontaneität usw. eine gemeinsame Funktion Agens-Defokussierung zugrunde liegen kann. Beim Passiv scheint diese Funktion direkt einsichtig, Agens-Defokussierung ist möglicherweise sogar die primäre Aufgabe des Passivs. Zum Honorativ meint Shibatani (1985: 837f.): „A universal characteristic of honorific speech lies in its indirectness; and one of the clear manifestations of this is avoidance of the singling out of an agent which refers to the addressee, the speaker, or the person mentioned in the sentence." Da sich agens-fokussierte Ereignisse außerdem durch das Merkmal [+Kontrolle] auszeichnen, kann Spontaneität leicht mit verminderter Kontrolle und so mit AgensDefokussierung verknüpft werden (ebd. 838). Dem schließt sich die Mar-

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

25

kierung eines Potentialis mit demselben Element an. Für spontane Ereignisse gilt, dass sie automatisch passieren. Wenn das negiert wird, entsteht das Merkmal der negativen Potentialität. Sobald der Zusammenhang zwischen Spontaneität und Potentialität generalisiert wird, entwickelt sich das Merkmal positive Potentialität (ebd. 839). Interessant ist bei Shibatanis zugegebenermaßen sehr weitem Ansatz, dass hier auch Konstruktionen auftauchen, etwa das Beispiel zum spontanen Ereignis, das nichts mit einem Agens (das typisch für Handlungen ist) zu tun hat. Vielmehr handelt es sich um die Beschreibung eines Vorgangs oder Geschehens und damit um Nicht-Agentivität. Genau genommen müsste Shibatani deshalb Nicht-Agentivität, nicht jedoch AgensDefokussierung, als gemeinsame Funktion nennen. Damit entfernt er sich sehr weit von der Impersonalisierungs-Funktion, wie sie Givon und Frajzyngier annehmen, bei denen immer ein menschlicher Verursacher impliziert ist. Bei Wehr 1995 taucht dann die Impersonale-Funktion wieder auf, wie sie schon von Givon und Frajzyngier vertreten wurde. Sie beschäftigt sich mit dem unpersönlichen Passiv (bei ihr Impersonales Passiv) vor dem Hintergrund italienischer Reflexivkonstruktionen mit si bzw. se, die in der einschlägigen Literatur teils als aktivisches Impersonale (z. B. Si va. ,Man geht."), teils als Passiv interpretiert werden (z. B. L a Stella si vede. ,Den Stern sieht man/der Stern wird gesehen/der Stern ist sichtbar.1) (dazu genauer ebd. 43-48). Aufgrund der einheitlichen Form solcher Konstruktionen sucht auch sie nach einer gemeinsamen Funktion. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass das so genannte unpersönliche Passiv hinsichtlich seiner Impersonale-Funktion weder zum Aktiv noch zum Passiv passt, weshalb sie eine dritte Diathese ansetzt. Was die Benennung dieser Diathese angeht, so soll sie am besten nach den spezifischen Mitteln der jeweiligen Einzelsprache benannt werden, wobei sie selbst für das Italienische von der SE-Diathese spricht (da ital. se bzw. si auf lat. se zurückgehen). Die Hauptmerkmale der drei Diathesen werden von Wehr (1995: 93101) wie unten dargestellt beschrieben (sie orientiert sich dabei an der Leningrader Schule), dabei dient die oberste Ebene der pragmatischen Beschreibung, die zweite (und eventuell dritte) der Semantik, die unterste beschreibt die syntaktischen Kategorien. „Agens-Objekt" bezieht sich dabei auf das in einem obliquen Kasus hinzugefügte Agens in Passivkonstruktionen, eckige Klammern bei [Agens-Objekt] bedeuten „fakultative Setzung", runde Klammern bei (Focus) „Focus oder Nicht-Focus".

Theoretische Überlegungen

26 1. a)

Aktiv-Dia these mit intransitivem Verb: der Referent ist semantisch nicht festgelegt (deshalb auch nicht Agens, sondern Actor), er ist gleichzeitig Topik und Subjekt. Topik Actor Subjekt

b)

2.

mit transitivem Verb: Der eine Referent ist semantisch ein Agens, gleichzeitig Topik und Subjekt, der andere Referent ein Patiens in Nicht-Topik Position und gleichzeitig direktes Objekt. Topik

Non-Topik

Agens

Patiens

Subjekt

Direktes Objekt

Passiv-Diathese: hier ist nur das persönliche Passiv gemeint, also nur Bildungen von transitiven Verben. Aktiv und Passiv von transitiven Verben stehen in Beziehung zueinander, wobei im Passiv das Patiens gleichzeitig als Topik und als Subjekt fungiert, während das Agens fakultativ und entweder Focus oder Nicht-Focus ist. Aktiv Topik

3. a)

Passiv Non-Topik

(Focus)

Agens

Patiens

Agens

Topik Patiens

Subjekt

Direktes Objekt

[Agens-Objekt]

Subjekt

SE-Diathese das Schema mit intransitivem Verb steht in Beziehung zum Aktiv mit intransitivem Verb. Dabei wird in der SE-Diathese eine zweite semantische Ebene eingeführt, die der besseren Übersichtlichkeit halber auch im Aktivschema angegeben wird und zwar mit der KategorienBezeichnung „Referent" (semantisch nicht festgelegt). Der Actor in der SE-Diathese ist menschlich und erscheint auf syntaktischer Ebene nicht, weshalb er auch nicht Topik sein kann.

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

Aktiv Topik Referent Actor Subjekt

27

SE-Diathese Non-Topik Person Actor —

b) das Schema mit transitivem Verb steht in Beziehung zum Aktiv mit transitivem Verb. Analog zu a) wird eine zweite semantische Ebene eingeführt. Auch hier ist das Agens in der SE-Diathese menschlich und erscheint auf syntaktischer Ebene nicht, weshalb es auch nicht Topik sein kann. Der zweite Referent bleibt als Non-Topik, Patiens und direktes Objekt unverändert bestehen. Aktiv Topik Referent1 Agens Subjekt

Non-Topik Referent2 Patiens Direktes Objekt

SE-Diathese Non-Topik Person Agens —

Non-Topik Referent2 Patiens Direktes Objekt

Die 3. Diathese, die traditionell dem unpersönlichen Passiv entspricht, zeichnet sich also durch ein Agens (oder einen Actor) aus, das nicht in der syntaktischen Struktur vorkommen, deshalb auch nicht Topik sein kann, aber als menschlich und zudem nicht-spezifisch implizit vorhanden sind. Ob nun ein unpersönliches Passiv oder eine 3. Diathese angesetzt werden soll, hängt laut Wehr von der jeweiligen Einzelsprache ab (dazu genauer Wehr 1995: 39-42). Auf jeden Fall handelt es sich immer um eine nicht-aktivische Diathese, deren Funktion die Bezeichnung eines Agens mit den Merkmalen [+HUM, -SPEZ] ist, also menschlich und nichtspezifisch. Sie geht dabei von vier verschiedenen Möglichkeiten aus. 1. eine Funktion, eine Markierung Funktion: Bezeichnung eines [+HUM, -SPEZ] Agens Syntax: 1 > 0 Beispielsprachen: Keltisch Bezeichnung: Bleibt offen; da es bei diesem Typus kein „echtes Passiv" im Sinne einer Patiens-Topikalisierung gibt, wäre die Bezeichnung „unpersönliches Passiv" irreführend, da eine Vergleichskonstruktion in der Sprache selber fehlt.

28

Theoretische Überlegungen

2.

eine Funktion, eine Markierung Funktion: Patiens-Topikalisierung Syntax: 2 > 1 Beispielsprachen: Englisch Bezeichnung: persönliches Passiv

3.

zwei Funktionen, eine Markierung Funktion: Patiens-Topikalisierung vs. Bezeichnung eines [+HUM, -SPEZ] Agens Syntax: 2 > 1 vs. 1 > 0 Beispielsprachen: Deutsch, Latein Bezeichnung: persönliches Passiv vs. unpersönliches Passiv (was laut Wehr möglich ist, da die Funktionen weitgehend komplementär verteilt sind)

4.

zwei Funktionen, zwei Markierungen Funktion: Patiens-Topikalisierung vs. Bezeichnung eines [+HUM, -SPEZ] Agens Syntax: 2 > 1 vs. 1 > 0 Form: A U X + PP II vs. S E Beispielsprachen: Italienisch, Spanisch, Polnisch Bezeichnung: persönliches Passiv vs. 3. Diathese (dies bietet sich deshalb an, weil es sich um eine Konstruktion handelt, die sich sowohl in ihrer Funktion als auch in ihrer Form nicht nur vom Aktiv, sondern auch vom persönlichen Passiv unterscheidet).

Wehr 1995 akzeptiert also die bisherigen Ansätze für das Passiv, die auf deskriptiver Ebene im Syntaxbereich eine Detransitivierung bzw. eine Agens-Demotion postulieren. Allerdings sieht sie die Funktion des persönlichen Passivs in der Patiens-Topikalisierung, die Funktion des unpersönlichen Passivs in der Fesdegung des Agens auf die Merkmale [+HUM, -SPEZ] bzw. „Bezeichnung eines nicht-spezifischen menschlichen Agens" (ebd. 30). Das entspricht der Funktion der Impersonalisierung. Damit treten jedoch ähnliche Probleme wie bei Frajzyngier 1982 auf. Problematisch ist vor allem das Merkmal [-SPEZ], da die Spezifizierung des Agens ja wie bekannt im Kontext oder sogar durch Hinzufügung in Form eines obliquen Objekts erfolgen kann. Das macht sich speziell in der so genannten „stilistischen Funktion" (Wehr 1995: 55f.) der SE-Diathese bemerkbar, wenn das Agens etwa aus Gründen der Distanzierung (z. B. Höflichkeit) ganz bewusst nicht genannt wird, aber spezifisch ist, da es aus dem Kontext rekonstruiert werden kann.

Das unpersönliche Passiv; Ein Forschungsüberblick

29

Pustet 19978 fügt zwar im Kern nichts wesentlich Neues hinzu, ihr gelingt es aber, eine gewisse Ordnung in die bisher etwas verwirrenden Zuordnungen von Funktion und Morphosyntax zu bringen. In ihrer Arbeit geht es um die Erstellung einer Typologie von Partizipationssystemen, d. h. um die Kodierung semantischer Rollen im Hinblick auf die valenzgebundenen Partizipanten eines Verbs. Dabei konzentriert sie sich auf Umkodierungsstrategien unter pragmatischen bzw. Diskursaspekten. Das umfasst foregrounding oder backgrounding von Partizipanten, d. h. „den Prozeß der ,Beförderung' eines Partizipanten in den Vordergrund des Satzhorizonts und den gegenläufigen Mechanismus der ,Degradierung' zum Hintergrunds-Status" (ebd. 6). Backgrounding und AgensDefokussierung sind also funktional äquivalent, mit einer wichtigen Einschränkung: backgrounding (ebenso wie foregrounding) ist auch mit anderen typischerweise valenzgebundenen Partizipanten als dem Agens möglich, z. B. dem Patiens. Allerdings scheint dieser Partizipant nicht „wichtig" genug zu sein, da z. B. im Deutschen ebenso wie in anderen Nominativ-Akkusativ-Sprachen keine spezifischen Markierungen zur Defokussierung eines Patiens existieren (ebd. 135). Im Bereich des backgrounding unterscheidet Pustet (ebd. 135f.) zwei Unterfunktionen, die mit unterschiedlichen morpho-syntaktischen Gegebenheiten verknüpft sind. Dies ist zum einen „Anonymisierung", das häufig als Impersonalisierung bezeichnet wird, da es „ein Verschwimmen der außersprachlichen Referenz eines Partizipanten bewirk[t] und ihn auf diese Weise nicht-identifizierbar mach[t]" (ebd. 135). Dabei ändert sich die grammatische Struktur eines Satzes nicht, die Zuordnung von semantischer Rolle und syntaktischer Funktion bleibt gleich, das Verb erhält keine spezifische Markierung. Dem entsprechen etwa deutsche Aktivsätze mit dem Indefinitpronomen man. Backgrounding kann aber auch durch Detransitivierung erzielt werden, das jedoch weit mehr in die grammatische Struktur eines Satzes eingreift als reine Anonymisierung. Typischerweise wird dabei die Einheit von semantischer Rolle und syntaktischer Funktion in den einzelnen Partizipanten „aufgesprengt". Der bekannteste Prozess ist dabei das so genannte Passiv, das entweder nur ein backgrounding des Agens bewirkt oder auch das foregrounding eines anderen Arguments. Selbstverständlich kann es diverse Zwischenstufen geben (vgl. Pustet 1997: 144-148). Die von Givon als unpersönliches Passiv beschriebene Ute-Konstruktion verändert zwar nicht den Valenzrahmen des entspre-

8

Die Arbeit wurde jedoch bereits 1992 als Dissertation von der Universität Köln angenommen.

30

Theoretische Überlegungen

chenden Verbs, weist aber eine autonome Markierung -ta- auf. Dasselbe könnte auch für das finnische unpersönliche Passiv gelten. 1.3.2 Das unpersönliche Passiv als Ereignis-Fokussierung Die Beschreibung des unpersönlichen Passivs als Ereignis-Fokussierung ist bei weitem nicht so prominent wie die als Agens- bzw. PartizipantenDefokussierung. Mit größter Wahrscheinlichkeit ist dies darauf zurückzuführen, dass eine übereinstimmende syntaktische Beschreibung von persönlichem und unpersönlichem Passiv (was wiederum durch die in vielen Sprachen vorliegende gemeinsame Morphologie motiviert sein mag) auch dieselbe Funktion suggeriert. Dabei bleibt jedoch nur die AgensDefokussierung. Linguisten, die sich von dieser Prämisse lösen, kommen teilweise zu ganz anderen Funktionsbestimmungen. Für das persönliche Passiv kann dies die Patiens-Fokussierung sein, für das unpersönliche Passiv die Ereignis-Fokussierung. Einen solchen Ansatz vertritt beispielsweise schon Von der Gabelentz (1861: 504) hinsichtlich der Sprachen, „welche nur eine Form für das impersonelle Passivum besitzen, also nicht das Object der Handlung, sondern nur die Handlung selbst zum Subject des Satzes zu erheben vermögen [...]". Während die Funktionsbestimmung des persönlichen Passivs als PatiensFokussierung in neueren Arbeiten durchaus häufiger vertreten ist (s. o. Wehr 1995), findet sich Ereignis-Fokussierung im Zusammenhang mit dem unpersönlichen Passiv eher selten. So meint Pustet (1997: 43) zum Passiv von Intransitiva im Nahuatl: „Die Valenz von Intransitiva wird auf Nullwertigkeit reduziert; dies ermöglicht es, einen Sachverhalt ohne jegliche Bezugnahme auf seine(n) Partizipanten darzustellen." Primär in einigen Arbeiten zum Deutschen finden sich ähnliche Beschreibungen. So etwa bei Admoni (1982: 182): „Da im unpersönlichen Passiv sowohl das Agens (der Täter) als auch der Träger des verbalen Vorgangs fehlen, wird bei seiner Bildung die ganze Aufmerksamkeit auf den Vorgang selbst konzentriert". Ähnlich auch bei Hentschel/Weydt (2003: 130f.): „Beim unpersönlichen Passiv muss keiner der an der Handlung Beteiligten, weder Agens noch Patiens, ausgedrückt werden; es ist dann das Verb selbst, die in ihm ausgedrückte Tätigkeit, die im Mittelpunkt der Aussage steht." Oder jüngst Hundt (2002: 155): „Das unpersönliche Passiv leistet eine Fokussie-

Das unpersönliche Passiv: Ein Forschungsüberblick

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rung der Verbalhandlung als solcher und somit eine Außenperspektivierung der Handlung." Mit der Funktionsbestimmung des unpersönlichen Passivs als Ereignis-Fokussierung kann vor allem das im Zusammenhang mit der AgensDefokussierung genannte Hauptproblem nicht auftreten. Es handelt sich dabei um die (semantische) Impersonalisierung, die obligatorisch ein nicht-spezifisches oder anonymes Agens vorsieht, was jedoch nicht immer der Fall ist. Wenn das unpersönliche Passiv dagegen als EreignisFokussierung beschrieben wird, fällt die Semantik des Agens nicht ins Gewicht, es kann genauso gut spezifisch wie unspezifisch sein. Wesentlich ist lediglich, dass das Agens nicht in seiner angestammten syntaktischen Funktion, dem Subjekt, verbleibt. Oder anders gesagt: Syntaktische Agens-Defokussierung (Demotion) ohne gleichzeitige Patiens-Promotion führt zu semantisch-pragmatischer Ereignis-Fokussierung.

2. Persönliches und unpersönliches Passiv 2.1 Semantische Rollen und syntaktische Funktionen Wie bereits im vorhergehenden Kapitel festgestellt, ist das Besondere am Passiv, dass es sich um eine Konstruktion handelt, die Auswirkungen auf morphologischer und/oder syntaktischer Ebene hat. Typischerweise zeigt eine Markierung am Verb bzw. im Prädikat an, dass im Hinblick auf ein spezifisches Verb und seine Partizipanten eine andere als die erwartete, und damit unmarkierte, Kombination von syntaktischer Funktion und semantischer Rolle vorliegt. Wichtig ist im Zusammenhang mit dem Passiv, dass die semantischen Rollen erhalten bleiben, wenn auch in Verknüpfung mit anderen syntaktischen Funktionen (und deren Markierungen), was die Diathese „Passiv" von anderen Diathesen wie Applikativ u. Ä. unterscheidet, bei denen sich neben dem Valenzrahmen auch die Lexemstruktur ändert. Das Passiv steht also grundsätzlich in Opposition zu einer unmarkierten Konstruktion mit derselben Lexemstruktur (Aktiv). Wo kein solches Paradigma vorliegt, sollte auch nicht von Passiv gesprochen werden (vgl. Wehr 1995: 39-42). Dies gilt auch für Konstruktionen wie sie im Ute oder im Finnischen vorliegen, wo das Agens in keiner syntaktischen Funktion angefügt werden kann. Vielmehr muss hier von einer markierten Aktivstruktur im Sinne einer Anonymisierung/Impersonalisierung bzw. eines referentiellen „backgrounding" ausgegangen werden, bei dem alle semantischen Rollen in Kombination mit ihren syntaktischen Funktionen erhalten bleiben.

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Theoretische Überlegungen

Außerdem scheinen von Passivprozessen nicht beliebige semantische Rollen bzw. Partizipanten betroffen zu sein, sondern schwerpunktmäßig Agens und Patiens (Siewierska 1984: 29f.). Dabei übernimmt das Patiens die ursprüngliche syntaktische Funktion des Agens, das Subjekt. Damit dies möglich ist, so könnte man denken, sollten Agens und Patiens ein oder mehrere Merkmale teilen. Eigentlich würde man diese Gemeinsamkeit aber eher in Rezipienten und Benefaktiven vermuten, da sie vor allem aufgrund des Merkmals [+belebt] in der Nähe des Agens anzusiedeln sind. Tatsächlich führt dies jedoch oft zu keinem oder einem subjektlosen (unpersönlichen) Passiv, auch wenn es in einigen Sprachen ein subjekthaltiges Rezipientenpassiv (z. B. Englisch, Schwedisch, Altgriechisch, Sanskrit, Persisch usw.) bzw. ein Benefaktivpassiv (z. B. Englisch, Japanisch usw.) gibt (Siewierska 1984: 30). Patienspassive scheinen jedoch in jedem Fall typologisch gesehen häufiger zu sein (ebd.). Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen gibt Givon (1981: 171). Dabei wird die Einschränkung bei den semantischen Rollen im Hinblick darauf, welche zum Subjekt erhoben werden kann, mit der Notwendigkeit von „case-recoverability" erklärt. Das heißt, wenn nur das Patiens ins Subjekt tritt, kann die semantische Rolle trotz der „falschen" syntaktischen Funktion erschlossen werden. Wäre die Umkategorisierung für mehrere semantischen Rollen möglich, wäre dies nicht mehr so einfach. Das Problem kann aber allerdings auch dadurch gelöst werden, dass das Rezipientenpassiv eine andere Markierung erhält als das Patienspassiv, man vergleiche das deutsche Rezipientenpassiv, das nicht mit werden, sondern mit bekommen gebildet wird: Ich bekam ein Buch geschenkt. Dadurch ist das Prinzip der „case-recoverability" weiterhin erfüllt. Diese Hypothese Givöns erklärt nun zwar, warum es günstig ist, eine spezifische Markierung mit der Umkategorisierung nur einer einzigen semantischen Rolle zu verknüpfen, sie gibt aber noch keine Antwort darauf, warum in auffällig häufiger Weise gerade ein Patienspassiv vorkommt. Eine andere mögliche Erklärung könnte sein, dass Agens und Patiens die wichtigsten Rollen für die Versprachlichung von Handlungen darstellen. Das spiegelt sich auch darin wider, dass sich Agens und Patiens an der Spitze einer Hierarchie semantischer Rollen befinden, die danach ausgelegt ist, welche Rollen am ehesten welchen Aktantenstatus zugewiesen bekommen (Skizzen nach Dürscheid 2001: 180f.). Hierarchie der semantischen Rollen Agens > Patiens > Rezipient > Benefaktiv > Instrumental > Lokativ > Temporal

Hierarchie der syntaktischen Funktionen Subjekt > dir. Objekt > indir. Objekt > obliques Objekt

> andere gramm. Relationen

Persönliches und unpersönliches Passiv

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Typische Korrelation semantische Rolle/syntaktische Funktion Agens

Patiens

Rezipient/Benefaktiv

Subjekt

direktes Objekt

indirektes Objekt

Nun könnte man argumentieren, dass sich das Patiens am nächsten zum Agens und seiner korrespondierenden syntaktischen Funktion Subjekt befindet und deshalb bei einer Umkehrung der Sichtweise leicht die syntaktische Funktion Subjekt besetzen kann, die morphologisch typischerweise unmarkiert ist. Hinsichtlich der Markierungen war im Übrigen aber schon Moravcsik 1978b aufgefallen, dass ein Patiens nicht nur als Passivsubjekt, sondern in manchen Sprachen auch als direktes Objekt in Aktivsätzen unmarkiert sein kann. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein typisches, d. h. indefinites und/oder unbelebtes, Patiens vorliegt. Bossong (1998b: 202) nennt dieses Phänomen „marquage differentiel de l'objet": „[...] tous les objets ne sont pas marques, mais seulement ceux qui, par leur agentivite inherente, sont des sujets potentiels." Als Beispiel für eine Sprache mit differentiellem Objekt kann das Spanische angeführt werden, da hier ein unbelebtes und indefinites Patiens unmarkiert, ein belebtes und definites Patiens jedoch markiert ist (Beispiele nach Moravcsik 1978b: 273): el chico ve la nieve the-nom.boy sees the-nom.snow 'The boy sees the snow.' el chico ve the-nom.boy sees 'The boy sees this girl.'

a accus.

esa chica this girl

Die Unterscheidung zwischen unmarkiertem unbelebten und/oder indefiniten bzw. markiertem belebten und/oder definiten Objekten existiert z. B. auch in den slavischen und finno-ugrischen Sprachen sowie im Rumänischen, Albanischen, Mongolischen, Türkischen, Bengali und Hindi (Bossong 1998b: 254; Moravcsik 1978b: 275). Das Patiens kann also ebenso unmarkiert sein wie das Agens, gerade weil es keine Eigenschaften mit dem Agens teilt. Die beiden semantischen Rollen sind maximal unähnlich, denn für ein typisches Agens gilt [nichtaffiziert, belebt, definit], für ein typisches Patiens dagegen [affiziert, nichtbelebt, indefinit]. Es ist nun möglich, dass diese maximal divergierende Semantik den Wechsel in eine andere syntaktische Funktion sogar erleichtert, da seman-

34

Theoretische Überlegungen

tische Rolle und syntaktische Funktion klar voneinander geschieden sind, und ihre Zuordnung durch die Markierung deutlich als „abweichend" gekennzeichnet ist. Im Falle eines Rezipienten/Benefaktiv mit den Merkmalen [wenig affiziert, belebt] wären mehr Konfliktmöglichkeiten mit dem Agens (mit den Merkmalen [nicht-affiziert, belebt]) gegeben. Das kann zur Folge haben, dass überhaupt keine Promotion zum Subjekt erfolgt, oder dass im Falle einer Subjektkonversion zumindest eine andere Markierung genutzt wird. Auch eine Erweiterung von Patienspassiv-Markierung und Subjektkonversion auf Rezipienten/Benefaktive (und evtl. andere semantische Rollen) ist grundsätzlich denkbar. Dies setzt allerdings ein weitgehendes Aufgeben der Korrelation von semantischer Rolle und syntaktischer Funktion (inklusive Markierung) voraus. Ein solcher Fall liegt im modernen Englisch vor, wo die syntaktischen Funktionen weniger durch Markierungen als durch ihre Position im Satz gekennzeichnet sind. Die Passivmarkierung be + Partizip Perfekt erfasst im Prinzip die Vorstufung aller Arten von Objekten ins Subjekt bzw. in Topikposition: I was given a book (siehe dazu auch Kapitel 1.2.2).

2.2 Subjekthaltigkeit und Subjektlosigkeit Traditionell wird davon ausgegangen, dass die Differenzierung in persönliches und unpersönliches Passiv auf der Unterscheidung von subjekthaltigem und subjekdosem Passiv basiert (vgl. Siewierska 1984: 93). Im persönlichen Passiv wird typischerweise das direkte Objekt des Aktivsatzes zum Subjekt „angehoben", während im unpersönlichen Passiv entweder keine Objekte vorliegen oder die vorhandenen ihre Kasusrollen beibehalten. Eine Unterscheidung nach dem Merkmal [+Subjekt] setzt jedoch voraus, dass geklärt ist, was als Subjekt definiert werden soll. Das Problem ist jedoch, dass es eine engere und eine weitere Auffassung von Subjekt gibt. Die engere Auffassung stammt dabei aus der traditionellen Grammatik der (v. a. klassischen) indoeuropäischen Sprachen und basiert primär auf den morphologischen Faktoren wie Kasusmarkierung und Kongruenz. Kasusmarkierungen gelten grundsätzlich für alle syntaktischen Funktionen, während das Subjekt zusätzlich mindestens durch Numeruskongruenz 9 mit dem finiten Verb charakterisiert ist. Darüber hinaus zeichnen sich die syntaktischen Funktionen, allerdings oft nur vage, durch semantische oder diskurspragmatische Faktoren aus. So ist 9

Auch Genuskongruenz wie in den slavischen Sprachen ist möglich, vgl. russ. On videI (Maskulinum) ,er sah' vs. Οπα viäela (Femininum) ,sie sah'.

Persönliches und unpersönliches Passiv

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das Subjekt häufig mit Agentivität und Topikalität bzw. Voranstellung verknüpft und fungiert als „Satzgegenstand" (neben dem Prädikat als „Satzaussage"), also als das, worüber etwas ausgesagt wird. Wenn versucht wird, den aus der traditionellen Grammatik erwachsenen Subjektbegriff auf Sprachen anderen Strukturtyps zu übertragen, ist das problematischste Kriterium das der Morphologie, denn gerade darauf basiert die Definition der syntaktischen Funktionen und somit auch des Passivs. So ist in der typologisch orientierten Forschung notgedrungen ein „gemischter" Subjektbegriff geläufig, der sich auch auf semantische, diskurspragmatische und syntaktische Faktoren stützt (siehe etwa Chafe 1976; Faarlund 1988; Keenan 1976). 1. 2. 3. 4.

Semantik (z. B. Agentivität, Belebtheit), Diskurspragmatik (z. B. Topik, Definitheit), Morphologie (Kasusmarkierung, Kongruenz) und Syntax (z. B. Raising, Equi-NP-Deletion)10.

Problematisch wird es vor allem dann, wenn der Begriff Subjekt auf Kategorien in Sprachen angewendet wird, die kein Subjekt im traditionellen Sinne besitzen, weil es sich nicht um flektierende Sprachen handelt und/oder die Ebenen anders verknüpft sind. Nicht umsonst trennen z. B. Li/Thompson 1976 subjekt- und topikprominente (z. B. Mandarin Chinesisch) Sprachen strikt voneinander (s. Kapitel 1.3.1). Abzulehnen ist also die übergeneralisierende Verwendung des Terminus „Subjekt" in der Beschreibung aller Sprachen. Wenn überhaupt, kann „Subjekt" nur dann beibehalten werden, wenn logisches Subjekt (= Agens), psychologisches Subjekt (= Topik) 11 und grammatisches Subjekt terminologisch voneinander getrennt werden. Dabei ist das grammatische Subjekt nicht nur durch 10

Als Raising werden Anhebeprozeduren bezeichnet, z. B. Acl-Konstruktionen, in denen das dem Infinitiv zugrunde liegende Subjekt zum Objekt des Hauptverbs wird: Ich sehe dich hufen. Equi-NP-Deletion bezieht sich dagegen auf das „Löschen" des einem Infinitiv zugrunde liegenden Subjekts, wenn dieses referenzidentisch mit dem Subjekt des Hauptverbs ist: Ich h o f f e gewinnen. Diese syntaktischen Eigenschaften haben, zumindest in NominativAkkusativ-Sprachen, mit koreferentieller Tilgung über die Satzgrenze oder in Infinitivkonstruktionen zu tun, da davon bevorzugt Subjekte betroffen sind. Dazu auch Bossong (1992: 108): „[...] dies hängt natürlich unmittelbar mit den textsyntaktischen Eigenschaften von Subjekten zusammen, als bevorzugter Anknüpfungspunkt für die Etablierung von Textkonstanz zu fungieren." 11 Der Terminus „psychologisches Subjekt" stammt aus dem 19. Jahrhundert und bezeichnet i. AUg. den Satzgegenstand oder den Ausgangspunkt der Äußerung, also das, worüber das (psychologische) Prädikat eine Aussage macht. Das psychologische Subjekt nimmt meist die erste Stelle im Satz ein und entspricht dem, was z. B. Ammann 1911/12 (nach Herbermann 1983: 20) später als „Thema" bezeichnet bzw. was im anglo-amerikanischen Sprachraum „topic" genannt wird.

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Theoretische Überlegungen

morphologische, sondern auch durch syntaktische Eigenschaften definiert und für die meisten indoeuropäischen Sprachen kennzeichnend. Nur in einem solchen Fall sollte auch von Passiv bzw. persönlichem und unpersönlichem Passiv gesprochen werden. Das bedeutet nicht, dass eine bestimmte Konstruktion in einer anderen Sprache nicht dieselbe Funktion haben kann. Eine solche Funktionsbestimmung des persönlichen und unpersönlichen Passivs steht aber immer noch aus. Selbst im Falle des grammatischen Subjekts führen morphologische und syntaktische Kriterien jedoch nicht immer zum selben Ergebnis und zu einer sauberen Trennung von persönlichem und unpersönlichem Passiv. So zeigen Cole et al. (1980: 724) unter anderem für Isländisch, dass Dativ- und Genitivobjekte des unpersönlichen Passivs keine morphologischen, wohl aber syntaktische Subjekteigenschaften besitzen können. Equi-NP-Deletion eg

vonast

til

I hope COMP Ί hope to be saved.'

ad verda

bjargab

AUX(INF)

VpAT](SUP[ine])

Subject-to-Object-Raising eg

tel

jjeirra

hafa

I believe them(GEN) AUX(INF) Ί believe them to have been visited.'

vend

bedid

AUX(SUP)

V[GEN](SUP)

Das bedeutet, dass im Isländischen ein „syntaktisches" Subjekt vorliegen kann, das nicht gleichzeitig ein „morphologisches" ist. Da Cole et al. 1980 darlegen, dass in der historischen Entwicklung häufig die morphologischen den syntaktischen Eigenschaften folgen, scheint Isländisch Konstruktionen zu haben, die sich auf halbem Weg vom unpersönlichen zum persönlichen Passiv befinden. Aufgrund der historischen Entwicklung sind also auch Zwischenstufen möglich. Dagegen wird für das moderne Englische überhaupt kein unpersönliches Passiv mehr angenommen, weil z. B. ein Rezipient oder Benefaktiv morphosyntaktisch ebenso behandelt wird wie ein Patiens und damit als Subjekt eines Passivs gelten kann (Beispiele nach Siewierska 1984: 47f.). Rezipientenpassiv Mary gave John the book. /Mary gave the book to John. John was given the book by Maty.

Benefaktivpassiv Susan bought Barbara a dress./ Susan bought a dressfor Barbara. Barbara was bought a dress by Susan.

Persönliches und unpersönliches Passiv

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Ziv/Sheintuch 1979 weisen jedoch nach, dass einige typische syntaktische Subjekteigenschaften nicht vorhanden sind (nach Siewierska 1984: 48f.). Keine «/^Konstruktion bei Gerundien Τ hg give people presents. *The giving ofpeople presents. Eingeschränkte Relativsatzbildung The girl (*0, *that, *who, ??whom) I gave flowers is here. Eingeschränkte Topikalisierung ? My next door neighbour I gave a cheque every month, (but my landlord, I pay only once every three months). Da sich einige syntaktische Objekteigenschaften erhalten haben, stellt sich auch hier wieder die Frage: schon persönliches oder noch unpersönliches Passiv? Selbst in Sprachen mit reicher Morphologie und grammatischen Subjekten (und Objekten) ist die Lage also nicht immer eindeutig. Die Einstufungsprobleme sind vor allem dadurch bedingt, dass sich das Verhältnis von semantischer Rolle und syntaktischer Funktion im Laufe der Sprachgeschichte ändern kann. Im Idealfall sind bestimmte Markierungen an eine semantische Rolle und diese gleichzeitig an eine syntaktische Funktion gebunden, z. B. Agens, Nominativ, syntaktisches Subjekt. Der semantische Skopus der syntaktischen Funktion ist also ziemlich eng. Innerhalb der indoeuropäischen Sprachen zeigt sich jedoch eine starke historische Tendenz zur „Subjektivierung", d. h. zur Ausweitung der subjekttypischen morphosyntaktischen Eigenschaften auch auf andere semantische Rollen. Im Bereich der markierten Passivkonstruktion, in der typischerweise ein Patiens im Subjekt steht, hat das Englische eine besonders weitgehende Entwicklung vollzogen, da auch Rezipienten u. Ä. miteinbezogen werden können (s. o., auch zu Problemen). Im Aktivbereich ist die Veränderung z. B. bei den Empfindungsverben ersichtlich. Mit dieser Gruppe von Verben ist ein belebter Experiencer verknüpft, der normalerweise akkusativisch oder dativisch markiert ist, aber im Laufe der Zeit „subjektiviert" werden kann und dementsprechend nominativisch ist (z. B. dt. mich friert > ich friere).12 Aus der „Subjektivierung" folgt eine grundsätzliche Desemantisierung des Subjekts, das zu einer rein formalen und syntaktischen Kate-

12

Zur Entwicklung subjektloser Konstruktionen mit obliquem Element siehe vor allem Von Seefranz-Montag 1983.

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Theoretische Überlegungen

gorie wird. Bossong (1992: 110) spricht bei einer solchen Vereinheitlichung von einer „Generalisierung". Die umgekehrten Verhältnisse, sozusagen eine „Semantisierung", treten beim differentiellen Objekt auf (vgl. Moravcsik 1978b; Bossong 1998b). Im Allgemeinen wird innerhalb der typologischen Forschung von dem Akkusativ als dem kanonischem Objektkasus ausgegangen (z. B. Onishi 2001: 3), alle anderen Kasus stellen „Abweichungen", nichtkanonische Markierungen dar. Haspelmath (2001: 56) nennt dabei vor allem zwei Bedingungskategorien für das Auftreten solcher Abweichungen bei ein und demselben Verb. Dabei wird als Ausgangspunkt das typische Objekt mit seinen Eigenschaften indefinit, unbelebt und affiziert betrachtet. 1. „Reference-related conditions": Wenn die Abweichung bei der Referenz auf ein bestimmtes Objekt eintritt, kann eine andere als die erwartete Markierung erfolgen. Dies ist z. B. der Fall im Spanischen, wenn das direkte Objekt belebt und damit „agentischer" ist als das Standard-Objekt (Haspelmath 2001: 56; vgl. auch weiter oben Moravcsik 1978b). „Normale" Markierung Ayer vi tu yesterday saw.lSG your Ύesterday I saw your book.' Abweichende Markierung Ayer vi a yesterday saw.lSG ACC Ύesterday I saw your sister.'

libro. book

tu your

hermana. sister

Eine andere Abweichung liegt im Falle eines Partitivs vor, wenn ein Objekt nur zu einem Teil von einer Handlung betroffen bzw. affiziert ist, vgl. Polnisch (Haspelmath 2001: 57). Zjatüem sobie ate.lSG self.DAT Ί ate some cake.'

ciast-a. cake-GEN

2. „Clause-related conditions": Ein bekannter Fall ist hier der Faktor der Aspektualität, wie er etwa im finnischen Kasussystem zum Tragen kommt. Im Falle einer perfektiven oder grenzbezogenen Handlung steht der Akkusativ, im Falle einer imperfektiven oder nicht-grenzbezogenen der Partitiv (Haspelmath 2001: 58).

Persönliches und unpersönliches Passiv

Perfektiv Luin read.PAST.lSG Ί read the book.'

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kiija. book.ACC

Imperfektiv Luin kiijaa. read.PAST.lSG book.PTV Ί was reading the book.' Auch die negationsbedingte Setzung des Genitivs bzw. Partitivs im Objekt (v. a. bei indefiniten Objekten) gehört hierher (ebd. 57f.): Russisch ja ne ljubiju etogo I not love this.GEN Ί don't like this town.'

goroda. town.GEN

Um eine Erweiterung des Prinzips handelt es sich im Falle von „predicaterelated conditions". Dabei ist die Alternation innerhalb einer ganzen Verbgruppe zu beobachten, wenn das Objekt nicht ein typisches Patiens ist, sondern ζ. B. aufgrund von Belebtheit abweicht. In dem Fall steht im Deutschen, Polnischen und Ungarischen manchmal ein Dativ, ζ. B. antworten, winken, gratulieren, gehorchen usw. (Haspelmath 2001: 59). Die Verwendung des Dativs scheint jedoch zumindest für das Deutsche in zweistelligen Strukturen nicht durchgängig zu sein,13 wohl aber in dreistelligen der Form jemandem etwas antworten u. Α., wobei der Dativ einen Rezipienten/Benefaktiv repräsentiert (Dürscheid 2001: 180; Willems/Van Pottelberge 1998: 642-645). Im Hinblick auf das Passiv stellt sich hier die Frage, wie es einzuschätzen ist, wenn die entsprechenden Patiensobjekte den Passivprozess durchlaufen und dabei ihre abweichenden Markierungen beibehalten, also nicht „nominativiert" werden und so auch keine „echten" Subjekte darstellen. Μ. E. könnte man im Falle einer grammatisch bedingten Kondition (das schließt lexemabhängige Variationen aus, s. o. „predicate-related conditions") in Anlehnung an das „differentielle Objekt" von einem „differentiellen Subjekt" sprechen. Dabei nimmt die markierte Form des differentiellen Subjekts eine Zwischenstellung zwischen kanonischem Subjekt und Objekt ein. 13

Das Niederländische geht in dieser Hinsicht noch viel weiter, was z. B. Dal (1971: 186) als systematische Tendenz auffasst, auch bei zweistelligen Verben das Objekt im Falle von Belebtheit nicht als Akkusativ, sondern als Dativ zu markieren.

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Theoretische Überlegungen

Welche Auswirkungen das Vorliegen eines differentiellen Objekts in einer Sprache auf die Passivbildung hat, zeigt sich beispielsweise im spanischen «-Passiv. 14 a) Passiv zu einem Aktivsatz mit unmarkiertem Objekt Se alquilan (??alquila) apartamentos. ,Es sind Wohnungen zu vermieten/man vermietet Wohnungen.' b) Passiv zu einem Aktivsatz mit markiertem Objekt Se promoviö (*promovieron) a (*0) Juany a (0) Pablo. J u a n und Pablo wurden promoviert/man promovierte Juan und Pablo.' Wenn wie in (a) nicht-belebte Entitäten vorliegen, die im Aktiv unmarkierte („gute") Objekte darstellen, ergeben sich daraus im Passiv wiederum „echte" oder „gute" Subjekte, was sich daran zeigt, dass Numeruskongruenz zwischen finitem Verb und Subjekt bevorzugt wird. Bei Belebten wie in (b) mit abweichender Markierung im Aktiv („schlechte" Objekte) tritt dagegen obligatorisch Singular-Flexion im finiten Verb des Passivs ein und unterstreicht so die „Objekthaftigkeit" des Subjekts. Man hätte also evtl. von einem persönlichen Passiv mit differentiellem Subjekt auszugehen. Dies gilt allerdings nur für das reflexive oder «-Passiv. In der anderen Passivkonstruktion mit einer Form von sein + Partizip Perfekt gibt es kein differentielles Subjekt, hier ist Kongruenz ebenso wie die Beseitigung der Markierung bei Belebten obligatorisch. Es liegt damit immer ein „echtes" Subjekt vor. (*A) Juany (*a) Pablo fueron promovidos (*fue promovidos). Juan und Pablo wurden promoviert.' In Anbetracht des bisher Dargestellten sollte man also im Hinblick auf die Einteilung des Passivs in subjekthaltig oder subjektlos (bzw. persönlich oder unpersönlich) eher von einem Kontinuum ausgehen als von einer strikten Zweiteilung. Selbst in Sprachen mit grammatischem Subjekt lässt sich nämlich nicht immer eine genaue Trennung vollziehen. Bisher war vor allem von Handlungsverben die Rede, da das Passiv überwiegend von solchen gebildet wird. Dabei steht im Aktiv ein Agens im nominativisch markierten Subjekt sowie evtl. ein affiziertes Patiens im 14

Für diesen Hinweis und die nachfolgenden Beispiele aus dem Spanischen danke ich Fernando Zuniga.

Persönliches und unpersönliches Passiv

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akkusativisch markierten Objekt (im ersteren Fall wird auch von unergativen Verben gesprochen). Demgegenüber weisen Vorgangsverben grundsätzlich kein Agens auf. Sie sind für die Passivbildung weniger wichtig, jedoch nicht auszuschließen (s. a. Kapitel 1.2.4). Deshalb soll hier der Vollständigkeit halber auch noch auf das Subjekt bei Vorgangsverben eingegangen werden. Bei Vorgangsverben mit nur einem Partizipanten kann dieser im Falle von Unbelebtheit die Patiens-Rolle einnehmen und steht im Subjekt (z. B. Die Blume blüht, s. Dürscheid 2001: 180). Man spricht hier auch von ergativen bzw. unakkusativischen Verben. Vorgangs Semantik haben auch typischerweise Empfindungsverben, bei denen ein menschlicher Partizipant die affizierte Entität eines nicht von ihm beeinflussbaren Ereignisses repräsentiert. Dabei steht dieser so genannte Experiencer in einem Objektkasus (Akkusativ oder Dativ), z. B. mich friert. Häufig wird er durch den Stimulus („la source de l'experience", vgl. Bossong 1998a: 259) ergänzt, der dann als Subjekt kodiert ist (Beispiele nach Haspelmath 2001: 60). 1. „Patient-like experiencer/Agent-like stimulus" Dieses Problem beunruhigt mich. Der Experiencer erscheint syntaktisch als direktes Objekt, der Stimulus als Subjekt (er steht im Nominativ und kongruiert mit dem finiten Verb). Dadurch besteht gleichzeitig Nicht-Kongruenz zwischen Experiencer und finitem Verb. 2. „Dative-experiencer/Agent-like stimulus" Mir gefallt dieses Buch. Auch hier ist der Stimulus als Subjekt kodiert (wegen Nominativ und Kongruenz mit dem finiten Verb), aber der Experiencer erscheint im Dativ (oder einem verwandten Kasus). Dadurch besteht gleichzeitig NichtKongruenz zwischen Experiencer und finitem Verb. Ein Experiencer kann aber auch im Subjekt repräsentiert sein (Beispiel ebd.). 3. „Agent-like experiencer/Patient-like stimulus" Sergio hasst seinen hehrer. Was auffällt, ist also, dass trotz der Vorgangs Semantik häufig eine der semantischen Rollen als Subjekt kodiert wird, obwohl die typische „Füllung", nämlich das Agens, hier fehlt. Dies gilt für die meisten modernen

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Theoretische Überlegungen

SAE-Sprachen, nicht jedoch z. B. für Keltisch oder Finno-Ugrisch (oder die älteren Stufen indoeuropäischer Sprachen), wo das Fehlen eines Agens häufig auch Subjekdosigkeit impliziert (s. a. Haspelmath 2001: 60f., 66; zur Kodierung des Experiencer s. a. Bossong 1998a). Dieses Faktum hat mit der bereits erwähnten „Generalisierung" im Laufe der Geschichte der indoeuropäischen Sprachen zu tun, durch die auch andere semantische Rollen als das Agens die Subjektstelle besetzen können (Bossong 1992: 110). Sobald das unpersönliche Passiv in einer Sprache als SubjektDemotion verstanden wird, können rein theoretisch auch Vorgangsverben davon erfasst werden, vorausgesetzt sie weisen eine Struktur auf, in der einer der Partizipanten in die syntaktische Funktion Subjekt gekleidet ist. 2.3 Transitivität und Intransitivität Häufig wird davon ausgegangen, dass das persönliche Passiv auf transitive, das unpersönliche Passiv auf intransitive Verben beschränkt sei (vgl. Siewierska 1984: 96). Da erstere ein direktes Objekt bzw. ein Akkusativkomplement an sich binden, kann dieses im Passiv zum Subjekt „angehoben" werden, was zu einem persönlichen Passiv führt. Im anderen Fall, bei intransitiven Verben, ist all dies nicht gegeben. Sie bilden ein subjektloses bzw. unpersönliches Passiv, da sie entweder keine Komplemente haben oder die Komplemente ihre Kasusrollen beibehalten und damit nicht zum Subjekt werden (zu eventuellen Problemen bei der Klassifizierung als Subjekt s. Kapitel 1.2.2). Zum einen ist dazu zu sagen, dass selbstverständlich nicht alle transitiven und intransitiven Verben ein Passiv bilden können. So ist die (obligatorische) Subjektkonversion vor allem bei Handlungsverben möglich, d. h. „Verben bzw. Verbverwendungen in Sätzen mit der Charakteristik einer handelnden, (primär oder vermittelt) verursachenden oder aktiven Instanz", deshalb bevorzugt im Falle von „Menschen oder menschliche[n] Verhaltensweisen als Auslöser des kognitiven oder emotionalen Vorgangs" (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997: 1797). Für das persönliche Passiv gilt dabei außerdem, dass „Subjektkonversion dann ausgeschlossen ist, wenn vom Subjekt zum zweiten Argument kein oder nur ein geringes Agensgefälle vorliegt" (Eisenberg 2004: 128f.). Dies ist z. B. der Fall bei Besitzverben wie haben, bekommen etc. oder Mengenrelationen wie kosten, wiegen und Ähnliches (ebd.) Solche Verben mit Akkusativobjekt, aber ohne Passivierungsmöglichkeit, können auch als „pseudotransitiv" bezeichnet werden (vgl. Hentschel/Weydt 2003: 64).

Persönliches und unpersönliches Passiv

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Beim unpersönlichen Passiv (objektloser) Intransitiva fehlt dieses Agensgefälle aber, so dass hier das Merkmal [+menschlich] ausreicht, z. B. tanken, küssen, lachen. Deshalb kann das unpersönliche Passiv teilweise auch in den Bereich der subjekthaltigen Vorgangsverben schneiden, wenn zumindest schwache Agentivität im Sinne von „bewusst erlebend" vorliegt, z. B. es wird gestorben^ / angekommen / dageblieben (Hundt 2002: 127f.). Zum anderen ist aber selbst die Korrelation persönliches Passiv / transitive Verben bzw. unpersönliches Passiv / intransitive Verben auch unter Ausschluss pseudotransitiver und intransitiver Verben ohne menschlichen Verursacher in dieser Absolutheit nicht haltbar. Der Widerspruch betrifft dabei die Objektkonversion bzw. den Objektbereich von transitiven sowie von objekthaltigen intransitiven Verben. 1. Auch wenn transitive Verben bevorzugt ein persönliches Passiv bilden, ist unter Beibehaltung des Objekts auch ein unpersönliches Passiv möglich. Walisisch (Beispiel nach Kazenin 2001: 905) lladdwyd dyn (gan ddraig) was-killed man by dragon Ά man was killed (by a dragon).' Das Patiens dyn ,Mann' kann hier nicht Subjekt sein, da es weder syntaktische Subjekteigenschaften hat noch Kongruenz mit dem Verb besteht (ebd.). 2. Selbst wenn objekthaltige intransitive Verben bevorzugt ein unpersönliches Passiv bilden, ist auch ein persönliches Passiv möglich. Ein solches subjekthaltiges Passiv existiert ζ. B. im klassischen Griechisch mit indirekten Objekten im Dativ (Beispiel nach Bornemann/Risch 1978: 212).

Aktiv: phthoneö tini (Dativ) ,ich beneide einen' Passiv: phthoriymai ,ich werde beneidet' Soll bzw. kann also überhaupt ein Zusammenhang von Transitivität und persönlichem Passiv bzw. Intransitivität und unpersönlichem Passiv angenommen werden? Was hat es überhaupt mit (In)Transitivität auf sich?

Man vergleiche hierzu auch den deutschen Titel der Fernsehserie „Gestorben wird immer" (engischer Originaltitel· „Six feet under").

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Theoretische Überlegungen

Das traditionelle Konzept der (In)Transitivität ist, ebenso wie das des Subjekts, auf der Basis der (klassischen) indoeuropäischen Sprachen entstanden, d. h. im Vordergrund stehen die morphosyntaktischen Verhältnisse. Ein großer Teil der Verben in den indoeuropäischen Sprachen ist transitiv, d. h. sie binden im Aktiv ein Akkusativ- bzw. direktes Objekt, das regelmäßig in einer markierten Verbkonstruktion, dem so genannten (persönlichen) Passiv, als Subjekt erscheinen kann und im Numerus mit dem finiten Verb kongruiert. Intransitive Verben binden im Aktiv kein oder ein nicht-direktes Objekt und bilden entweder kein Passiv oder eines, das morphosyntaktisch von dem der transitiven Verben abweicht, indem kein Subjekt vorliegt, und das finite Verb invariabel in der 3. Person Singular erscheint (unpersönliches Passiv). Diese morphosyntaktischen Verhältnisse lassen sich auch mit einem semantischen Konzept hinterlegen. Morphosyntaktische Transitivität kommt v. a. Handlungsverben zu, die ein Agens im Subjekt und ein Patiens im Akkusativ an sich binden, d. h. ein durch die Verbhandlung stark affiziertes Objekt; die Handlung wird dabei vom Agens auf das Objekt „transferiert" (Hopper/Thompson 1980: 251). Das (persönliche) Passiv ist nichts anderes als die grammatisch markierte Umkehrung dieser Sichtweise, wobei dann die ursprünglich im Objekt stehende Entität zum Subjekt wird. Intransitive Handlungsverben haben, wenn überhaupt, nur ein schwach affiziertes Objekt (z. B. einen Rezipienten) bei sich, das nicht zum Subjekt wird. Dieses Grundschema kann jedoch durchbrochen werden, was sich auch schon in den klassischen indoeuropäischen Sprachen wie Latein und Griechisch zeigt. So gibt es im klassischen Griechisch wie auch im Latein ein subjekthaltiges (persönliches) Passiv von intransitiven Verben mit Dativ- oder Genitivobjekt. Klassisches Griechisch (Beispiele nach Bornemann/Risch 1978: 212) Aktiv: pisteyötint(Dativ) ,ich glaube/traue einem' Passiv: pisteyomai,man glaubt mir'/[mir wird geglaubt] (wörtlich: ,ich werde geglaubt") Klassisches Latein (Beispiele nach Kühner/Stegmann 1976: 101) Aktiv: imperö + Dativ ,jdn. regieren' Passiv: imperor ,ich werde regiert' Umgekehrt ist ein Passiv von transitiven Verben mit beibehaltenem direkten Objekt sowohl für die Zeit vor als auch nach dem klassischen Latein (100 v. Chr. bis 14 n. Chr.) belegt (Beispiele nach Wehr 1995: 30f.).

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Persönliches und unpersönliches Passiv

Plautus, 1./2. Jhd. v. Chr. (Vorklassisches Latein/Altlatein) inducamus vera ut esse credat quae (AKK.PL) mentibitur ,bringen wir es dahin, dass er für wahr hält, was man lügen wird' Alexander de Villa-Dei, 12./13. Jhd. n. Chr. (Mittellatein) Matthaeum legitur; psalmos erat ante kgendum ,man liest den Matthaeus; vorher musste man die Psalmen lesen' Wie lässt sich ein solcher „Übergriff des persönlichen Passivs auf den Objektbereich intransitiver Verben bzw. des unpersönlichen Passivs auf den Objektbereich transitiver Verben erklären? Meine Hypothese ist, dass dies gerade kein „Übergriff* ist, sondern eine natürliche Varianz innerhalb der Einzelsprachen. Dahinter stecken Abweichungen von einem als „optimal" gesetzten Objekt, das in der Passivkonstruktion zum Subjekt konvertierbar ist. Abweichungen davon lassen entweder kein Passiv zu oder nur ein unpersönliches bzw. ein persönliches mit differentiellem Subjekt. Mit Hopper/Thompson 1980 gehe ich davon aus, dass es sich bei dem Konzept „Transitivität" nicht um eine Zweiteilung handelt, sondern um ein Kontinuum von maximal transitiv bis minimal transitiv (intransitiv), das von folgenden semantischen Komponenten bestimmt wird (in Anlehnung an Hopper/Thompson 1980: 252).

Participants Kinesis Aspect Punctuality Volitionality Affirmation Mode Agency Affectedness of Ο

Transitivity high 2 or more participants: Afgentj and Object] 16 action telic punctual volitional affirmative realis A high in potency Ο totally affected

low 1 participant non-action atelic non-punctual non-volitional negative irrealis A low in potency Ο not affected

Ein maximal transitiver Satz (im Sinne von Hopper/Thompson) würde sich also durch Handlungssemantik und mindestens zwei Partizipanten auszeichnen, nämlich Agens und direktes Objekt, wobei das Objekt möglichst affiziert sein sollte. Außerdem wäre der Satz nicht-negiert, indikati16

Hopper/Thompson 1980 verwenden die Notationen Α und O, wobei Ο für verschiedene im Objekt kodierbare semantische Rollen steht (ebd. 252, Fußnote 1).

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Theotetische Überlegungen

visch und hätte perfektive(n) Aktionsart/Aspekt. Als Beispiel für einen maximal transitiven Satz nennen Hopper/Thompson (ebd. 253): Jeriy knocked Sam down. Dieser Satz zeichnet sich aus durch: 2 Partizipanten, Handlung, telisch, punktuell, bewusst, nicht-negativ, real, Handlungsträger stark agentiv, Objekt stark affiziert. Hopper/Thompson (1980: 255-280) zeigen nun, dass morphosyntaktische Mittel übereinzelsprachlich gesehen typische Transitivitätsabstufungen oder -Sprünge anzeigen. Im Hinblick auf den Objektbereich steigt bzw. sinkt der Grad der Transitivität offensichtlich auch mit der Individuierung des Objekts (in Anlehnung an Hopper/Thompson 1980: 253).

Individuation of Ο

Transitivity high Ο highly individuated: proper, human, animate, concrete, singular, count, referential, definite

low Ο non-individuated: common, inanimate, abstract, plural, mass, non-referential

Ideal scheint dabei für ein Objekt ein mittlerer Transitivitätsgrad zu sein, der vorzugsweise ein singuläres, indefinites, unbelebtes Objekt auszeichnet (s. a. Kapitel 1.2.1). In den Einzelsprachen ergibt sich eine besondere Markierung nämlich v. a. dann, wenn von einem solchen typischen Objekt stark nach „oben" („high transitivity") oder „unten" („low transitivity") abgewichen wird (s. a. Haspelmath 2001: 56). Dies gilt u. a. für das differentielle Objekt, also Markierungsabweichungen am Objekt bei ein und demselben Verb. Die spezifischen Bedingungen können jedoch von Sprache zu Sprache variieren. Besonders häufig wird allerdings Definitheit und/oder Belebtheit markiert. Hopper/Thompson (1980: 256) nennen z. B. das Spanische, von dem schon weiter oben im Zusammenhang mit dem differentiellen Objekt die Rede war. Hier erhält das Objekt eine spezifische Markierung a, wenn es eine menschliche Entität repräsentiert. Im Falle des modernen Hebräisch wird einem Objekt zusätzlich ein et hinzugefügt, wenn es definit ist (ebd. 256). David

natan et ha-matana gave OBJ DEF-present 'David gave the present to Rina.' David

natan matana farina. gave present to Rina 'David gave a present to Rina.'

farina. to Rina

Persönliches und unpersönliches Passiv

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In einigen Indianersprachen dagegen (z. B. Chukchee) wird ein Objekt dann besonders markiert, wenn es nicht-referentiell, also primär pluralisch, nicht-individuell, indefinit, ist. So findet z. B. im Chukchee unter diesen Bedingungen eine Inkorporation des Objekt ins Verb statt, das morphosyntaktisch als intransitiv behandelt wird (Beispiele nach Hopper/Thompson 1980: 257). Tumg-e na-nt9wat-9n friends-ERG set-TRANS [sie] 'The friends set the net.'

kupre-n. net-ABS

Tumg-st kopra-nt3ivat-g?at. friends-NOM net-set-INTR 'The friends set nets.' Wenn wir nun den Blick wieder zurück aufs Passiv lenken, so schlagen sich die entsprechenden Strukturen auch im Passiv nieder. Ein „gutes" Objekt kann zum Subjekt konvertiert werden, in Abhängigkeit von der Einzelsprache kann es sich dabei auch um einen im Dativ kodierten Partizipanten oder um ein indefinites Patiens handeln. Das spielt im Prinzip keine Rolle. Der erste Abweichungsschritt würde sich dann zeigen, wenn man ein differentielles Subjekt ansetzen kann, da hier nicht unbedingt Kongruenz gegeben sein muss. Diese Kategorie stellt den Übergang vom persönlichen zum unpersönlichen Passiv dar. Dem folgen das unpersönliche Passiv mit nicht-konvertiertem autonomem Objekt oder mit ins Prädikat inkorporiertem Akkusativobjekt. In letzterem Fall sollten überwiegend indefinite (und/oder pluralische) oder auch innere Objekte betroffen sein, d. h. nicht-autonome, semantisch an das Verb gebundene Entitäten. Die meisten Sprachen scheinen jedoch der inhärenten Differenzierung von Objekten außerhalb von Belebtheit nicht genug Relevanz zuzuweisen, um hier besondere Markierungen oder Konstruktionen zu verwenden. Diese Art von unpersönlichem Passiv ist also sehr selten. Damit ergibt sich folgendes Kontinuum von persönlichem (PP) zu unpersönlichem Passiv (UP): PP Subjekt

UP differentielles Subjekt

autonomes Objekt

inkorporiertes Objekt

Auch für das unpersönliche Passiv gilt, dass die spezifischen Bedingungen für die Bildung des einen oder anderen Typus, oder sogar die Unmöglichkeit seiner Bildung, von Sprache zu Sprache variieren können. So weist

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Theoretische Überlegungen

das klassische Griechisch keine, oder zumindest keine eindeutigen, unpersönlichen Passivkonstruktionen von objekdosen Intransitiva auf im Sinne von lat. itur ,man geht' (Bornemann/Risch 1978: 213). Dagegen werden weniger affizierte Objekte im Dativ oder Genitiv im Hinblick auf das Passiv den typischen Objekten „zugeschlagen", so dass ein subjekthaltiges oder persönliches Passiv möglich wird (s. o.). Das Lateinische dagegen hat nicht nur persönliche Dativ- und Genitivpassive, sondern auch ein unpersönliches Passiv reiner Intransitiva sowie ein unpersönliches Passiv mit beibehaltenem Akkusativobjekt (s. o.). Es ist zu vermuten, dass dies dann eintreten kann, wenn es sich um eher nicht-referentielle oder innere Objekte handelt. Welches jedoch die genauen Bedingungen für den „Schnitt" zwischen persönlichem und unpersönlichem Passiv sind, muss für jede Einzelsprache und auch für jede Sprachstufe genauer untersucht und einzeln festgelegt werden. Der Parameter der semantischen Transitivität im Sinne von Hopper/Thompson 1980 kann nur ungefähre Anhaltspunkte geben.

2.4 Agens und Agentivität In diesem Kapitel sollen noch einmal genauer drei Faktoren im Bereich von Agens und Agentivität untersucht werden, im Hinblick auf die sich v. a. das unpersönliche Passiv auszuzeichnen scheint. Das betrifft zum einen die Agensmerkmale [+HUM] und [-SPEZ] (vgl. z. B. Frajzyngier 1982, Wehr 1995) sowie zum anderen die Tatsache, dass hier Agenshinzufugung selten bis unmöglich ist (z. B. Siewierska 1984: 100). Dabei zeigt sich im Hinblick auf das Merkmal [+HUM], dass eine solche Festlegung zu kurz gegriffen ist. Nicht nur gehen einige Sprachen (z. B. Irisch) darüber hinaus, indem im unpersönlichen Passiv sogar unbelebte Entitäten syntaktisch demoviert werden können (s. u.), grundsätzlich gilt auch für das persönliche Passiv, dass ein menschliches Agens bevorzugt wird. Das liegt daran, dass eine Konstruktion wie das Passiv (persönliches und unpersönliches) mit einem hohen Grad an semantischer Transitivität verknüpft ist (s. Kapitel 1.2.3). Das heißt, dass es zwar typische „core verbs" gibt, doch sind gleichzeitig einzelsprachliche „Ausuferungen" möglich, weg vom idealen Agens und/oder Patiens. So meint Shibatani (1998: 131) zum persönlichen Passiv: „the class of verbs permitting the active-passive alternation is prototypically defined with those denoting volitional actions leading to a change of state in the object as its central members. The actual size of this class of verbs in different langua-

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Persönliches und unpersönliches Passiv

ges reflects different degrees of extension from the core members permitted by the language" (ebd. 131).17 Ein extremes Beispiel ist dabei Singhalesisch (Indo-Arisch), das ein Passiv von einigen wenigen Verben erlaubt (Beispiele Shibatani ebd.):18 pahara kanawa 'be attacked' baeTa kanawa 'get bashing' maerum kanawa 'be killed' Ein extremes Beispiel in die andere Richtung stellt laut Shibatani (1998: 127) dagegen das Englische dar, da auch „non-volitional" oder nichtkontrollierbare transitive Verben ein persönliches Passiv bilden können, so dass das Agens teilweise sogar unbelebt sein kann (Beispiele ebd.): The aty was destroyed by bombs. The package was received by him. The castle was owned by a count. The theory was understood. Ähnliche Verhältnisse beobachtet Shibatani 1998 auch für das unpersönliche Passiv von intransitiven Verben. In dem von ihm aufgestellten Schema nimmt der Grad an Agentivität von links nach rechts ab (ebd. 121). Volitional Animate Dutch Flemish 1st person Nepali

>

Animate & Potent Japanese

17

18

Volitional Human German (Dutch)

>

>

> No protagonist Lithuanian evidential passive

Inanimate Irish

Human Turkish Lithuanian [German]

>

Das bedeutet laut Shibatani (ebd.) im Übrigen auch, dass das Vorhandensein eines Passivs mit weniger agentischen Verben in einer Sprache (z. B. engl, forget, know, resemble) ein solches mit typischeren Verben (z. B. kill, break, open) impliziert. Dabei fungiert das Verb kanawa ,essen' als Passivauxiliar (Shibatani 1998: 130).

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Theoretische Überlegungen

Dabei entspricht dem singhalesischen persönlichen Passiv in seiner Extremheit das unpersönliche Passiv im Nepali (Indo-Arisch), das nur die Demotion der 1. Person Singular markiert und damit maximal kontrollierbare Ereignisse. Nicht kontrollierbare Vorgänge (z. B. äla- .itch") sind grundsätzlich nicht passivierbar (ebd. 121). Aktiv mx ghxr-x I.NOM home-to [Ί went home.']

gx-e' go-lSG.PAST

Unpersönliches Passiv ghxr-x gx-i-io home-to go-PASS-3SG.PAST '(I/*You/*He) went home.' Deutsch und Niederländisch „erlauben" ebenfalls nur ein menschliches Agens, das jedoch nicht wie im Nepali an eine bestimmte Person gebunden ist. Damit gehen kontrollierbare Handlungen einher. Bei manchen Sprechern des Niederländischen (und besonders des Flämischen) scheint es jedoch eine Tendenz zur Schwächung der Kontrollierbarkeit zu geben, was auch Tiere als Agens möglich macht (Shibatani 1998: 123; vgl. auch Frajzyngier 1982: 283). Er wordt geblaft/gehinnikt/gekrast/gemiauwd. 'It is (being) barked/whinnied/crowed/meowed.' Eine noch viel stärkere „Ausuferung" in den Vorgangsbereich scheint im Türkischen und Litauischen entwickelt zu sein (ebd. 123). Türkisch Bu yetimhane-de fabuk büyü-n-ür. this orphanage-LOC quickly grow-up-PASS-AOR 'Is grown up quickly in this orphanage/They grow up quickly in this orphanage.' Litauisch Vaik-u greit auga-m-a. children-GEN fast grow-PRES.PAST.PART-NEUTR 'Children do grow fast'.

Persönliches und unpersönliches Passiv

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Dazu meint Shibatani (1998: 124): „Comparison of Dutch/Flemish and Turkish/Lithuanian indicates that while the former have generalized the constraint along the parameter of volitional action to take in animal activities, the latter have generalized along the humanness parameter taking in non-volitional human protagonists while barring animal protagonists. In both developments, it is clear that extensions of the category of the human agent are involved." Auch das Deutsche kann, zumindest tendenziell, zur Gruppe Türkisch/Litauisch gestellt werden, da das unpersönliche Passiv von einigen Verben mit abgeschwächter Kontrollierbarkeit (z. B. ankommen, sterben19) möglich ist (s. Kapitel 1.2.3). Im Japanischen unpersönlichen Passiv von intransitiven Handlungsverben sind zwei Besonderheiten zu beachten. Zum einen wird ein zweiter Referent als Subjekt/Topik eingeführt, der jedoch nicht in der Valenz des betreffenden Verbs verankert ist. Zum anderen handelt es sich um ein „adversative passive" (ebd. 125), da dieser zusätzliche Referent von der Handlung des „eigentlichen" Satzes als negativ affiziert betrachtet wird. Interessant ist nun, dass das adversative Passiv ebenfalls weitgehend auf Handlungsverben mit belebtem Agens beschränkt ist (Beispiel nach Shibatani 1998: 125). Taroo

wa kyuuni Hanako ni hasira-re-ta. TOP suddenly DAT run-PASS-PAST 'Taro was adversely affected by Hanako's running suddenly.' Allerdings ist die Konstruktion auch mit unbelebten Entitäten möglich. Voraussetzung ist aber ihre Einstufung als „potent" in dem Sinne, dass sie „Adversativität" hervorrufen können. Wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, scheint diese Trennung jedoch relativ idiosynkratisch zu sein (Beispiele nach Shibatani 1998: 125). Taroo

wa ame ni bura-re-ta. TOP rain DAT fall-PASS-PAST 'Taro was adversely affected by the rain's falling.' *Taroo

wa kyuuni to ni aka-re-ta. TOP suddenly door DAT open-PASS-PAST 'Taro was adversely affected by the door's opening suddenly.'

19

Dies gilt im Übrigen auch für das persönliche Passiv, vgl. z. B. Fauchers 1987er Artikel „Von den Toden, die da gestorben worden waren".

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Theoretische Überlegungen

Irisch geht nun sogar noch einen Schritt weiter, indem auch unbelebte Entitäten zugelassen sind, lediglich Vorgangsverben ohne jegliche Referenten sind ausgeschlossen (Beispiele ebd. 126). Seasta anseo. stand-IMPERS here One stops here/Cars stop here.' agßsTähar is-IMPERS at growing. 'There is growing (going on).'

*Tahar is-IMPERS

fuar. cold

Mit dem zusätzlichen Merkmal der Evidentialität „erlaubt" das Litauische am rechten Ende der Skala sogar Vorgangsverben mit nichtmenschlichen, unbelebten Entitäten oder sogar ganz ohne Referenten (ebd. 126). Tu triusiif. taip greit aug-t-a [...]. those rabbits so fast grow-PAST.PASS.PART-NEUTR '(Judging by the result) these rabbits grow so fast [that I never noticed how].' Nakt-[ snig-t-a. night-ACC snow-PAST.PASS.PART-NEUTR '(It seems) it snowed at night.' Dabei bezieht sich Evidentialität auf „die Quelle der Information [...], die ein Sprecher weitergibt" (Bußmann 2002: 206). Die direkte Erfahrung ist i. Allg. unmarkiert, die indirekte markiert. Man unterscheidet v. a. Quotativ (durch Hörensagen vermittelt) und Inferential (durch Deduktion erschlossen) (ebd.), wobei es sich im obigen Beispiel genau genommen um einen Inferential handelt. Nicht eine indirekte, sondern eine direkte Aussage läge dagegen vor in nakt-\ snig-o 'it snowed at night', wobei die Aktivform verwendet wird (Beispiel nach Shibatani 1998: 126). Aus den Ausführungen Shibatanis ergeben sich also drei wichtige Aussagen: 1. Sowohl persönliches als auch unpersönliches Passiv werden bevorzugt von Handlungsverben gebildet und implizieren damit ein menschli-

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53

ches Agens. Diese Festlegung ist jedoch nicht absolut, da das Passiv auch in den Bereich der Vorgangsverben mit einem belebten (tierischen) oder unbelebten Partizipanten reichen kann. Die genauen Bedingungen müssen für jede Einzelsprache gesondert untersucht werden. 2.

Wenn das unpersönliche Passiv in den „schlechten" Vorgangsbereich dringt, ist es möglich, dass es uminterpretiert wird. Ein Beispiel dafür ist das Litauische, dessen unpersönliches Passiv evidentiale Semantik ausdrücken kann, wenn kein menschliches Agens vorliegt.

3.

Eine absolute Fesdegung auf das Merkmal [+HUM] beim unpersönlichen Passiv wie z. B. von Wehr (1995: 39) postuliert ist also nicht zutreffend. Wenn das unpersönliche Passiv in dieser Hinsicht dennoch stärker restringiert ist als das persönliche Passiv, so kann dies diachrone Ursachen haben. Zum einen ist denkbar, dass es sich um eine Ausweitung vom Handlungs- in den Vorgangs b er eich handelt, und letzterer in vielen Sprachen noch nicht erfasst ist. Ebenso möglich ist es, dass das unpersönliche Passiv eine andere Entwicklung in Richtung Anonymisierung oder Impersonalisierung (s. Kapitel 1.1.3.1) einschlägt, die natürlicherweise ein menschliches Agens impliziert. Dies ist m. E. für das Italienische der Fall (vgl. Kapitel 1.4.1), wodurch Wehrs Einschätzung motiviert ist. Auf historische Gesichtspunkte wird noch genauer in Kapitel 1.4 eingegangen.

Aufgrund der Entwicklung in Richtung Anonymisierung bzw. Impersonalisierung ist es nun allerdings auch nicht verwunderlich, dass Wehr (1995: 39) postuliert, dass das Agens des unpersönlichen Passivs im Italienischen nicht nur das Merkmal [+HUM], sondern gleichzeitig auch [-SPEZ] im Sinne von ,man' trägt. Das bedeutet, dass mit dem unpersönlichen Passiv Generizität bzw. ein „generalisierte[s] menschliche [s] Agens" (ebd. 235) einhergeht, so dass das Agens auch mit Hilfe des Kontexts nicht eindeutig spezifiziert wird. Da das jedoch in dieser Absolutheit sogar für das Italienische (noch?) nicht haltbar ist, unterscheidet Wehr (1995: 235-250) selbst zwischen einer neutralen und einer stilistischen Funktion. Während sie dem Merkmal Generizität die neutrale Funktion zuweist, unterbleibt ,,[b]ei der hier „stilistisch" genannten Funktion der SE-Diathese [...] aus Gründen der Distanzierung die Nennung eines spezifischen Agens, der sich aber aufgrund des Kontexts rekonstruieren lässt" (ebd. 240). Die stilistische Funktion ist, wie sie selbst (ebd. 250) sagt, „an keine Zeit und an keine Einzelsprache gebunden". Auch ist sie an keine bestimmte Person gebunden, obwohl die 1. Person Singular und Plural bevorzugt zu werden

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Theoretische Überlegungen

scheint.20 Ähnliches ließ sich bereits für das Nepali beobachten, dessen unpersönliches Passiv auf die Demotion der 1. Person Singular beschränkt ist (s. o.). Die Distanzierung speziell der 1. Person ist primär durch Höflichkeit motiviert, so dass dies aus pragmatischer Sicht eine der Hauptmotivationen für die Verwendung des unpersönlichen Passivs sein kann.21 Dass selbst bei einem nicht ausgedrückten Agens im unpersönlichen Passiv Generizität nicht typisch ist, zeigt bereits eindrucksvoll eine Untersuchung von Deckman (1920: 41) für das Lateinische mit seinen ausgeprägten unpersönlichen Passiven. Von 454 analytischen Passiworkommen vom Typ ventum est weisen nur 15% ein nicht-spezifizierbares bzw. rein generisches Agens auf, der Rest ist kontextuell erschließbar und damit zumindest sekundär spezifisch. Solange sich das unpersönliche Passiv nicht zur Impersonale-Konstruktion entwickelt hat, ist nur wesentlich, dass das Agens syntaktisch demoviert ist und sich nicht in Subjektposition befindet. Dabei kann es als obliques Objekt hinzugefügt werden oder auch nicht. In letzterem Fall kann man tatsächlich von „Entspezifizierung" sprechen, die dann jedoch anders definiert werden muss als bei Wehr. In diesen Bereich der „EntSpezifizierung" würde zum einen Generizität fallen, zum anderen aber auch Spezifizierung erst durch den Kontext. Man könnte hier von Indexikalität sprechen, da die Zeigefunktion auf den Kontext impliziert ist. Dass die beiden Bereiche konzeptuell benachbart sind, wird auch daran deutlich, dass das generische Pronomen man unter Heranziehung des Kontexts durchaus spezifische Referenz haben kann (vgl. z. B. zum Deutschen Dimowa 1981). Andererseits können Personalpronomina und -endungen (typische indexikalische Elemente) generische Funktion haben, vgl. dt. sie oder du.72 Aus historischer Sicht ist es deshalb nicht überraschend, dass eine Konstruktion wie das unpersönliche Passiv, dessen Agens entspezifiziert sein kann, die Möglichkeit der Entwicklung zu einer Impersonale-Konstruktion mit dem Merkmal [-SPEZ] im Sinne von Generizität beinhaltet. Dazu jedoch genauer Kapitel 1.4. Falls nicht EntSpezifizierung, sondern explizite Agenshinzufügung vorliegt, scheint es allerdings einen deutlichen Unterschied zwischen persönlichem und unpersönlichem Passiv zu geben. Hinsichtlich der Möglichkeit der Agenshinzufügung gilt nämlich: „Impersonals limit the ex-

20

21 22

Das kann sogar so weit gehen, dass das unpersönliche Passiv die synthetisch gebildete 1. Person Plural ersetzt: „Im heutigen gesprochenen Florent. besitzt SE + V den Status einer analytisch gebildeten Verbform der 1. Pers. pl." (Wehr 1995: 243). Vergleiche auch das japanische Element -(r)are-, das gleichzeitig passivische und honorative Bedeutung hat (Shibatani 1985: 822f.; s. a. Kapitel II.1.3.1). Zur generischen Verwendung von Personalpronomina vgl. auch Kitagawa/Lehrer 1990.

Persönliches und unpersönliches Passiv

55

pression of an agent more severely than personal passives." (Shibatani 1998: 135; s. a. Siewierska 1984: 100). Hier ist allerdings Vorsicht geboten, da eine solche Aussage nur dann von Relevanz sein kann, wenn eine Agenshinzufügung zumindest grundsätzlich möglich ist. Das heißt, es müssen von vornherein Konstruktionen ausgeschlossen sein, die sich bei genauerem Hinsehen nicht als unpersönliches Passiv, sondern als Impersonale-Konstruktionen herausstellen, was etwa bei den entsprechenden Beispielen im Ute oder im Finnischen der Fall ist. Dass Shibatanis Aussage aber auch für Sprachen mit „echtem" unpersönlichem Passiv zutrifft, zeigt beispielsweise Brinker (1971: 39f.) für das Deutsche, da das persönliche werden-Passiv in seinem Korpus geschriebener Sprache immerhin zu 14%, das unpersönliche Passiv nur zu 2% mit Agenshinzufügung vorkommt. Wodurch könnte das begründet sein? Dass die Agenshinzufügung im Passiv grundsätzlich selten ist, setzt Shibatani (1998: 134) in Bezug zu einer „Reverse Empathy Hierarchy", auf der eine weniger agentische Entität links, eine stärker agentische Entität rechts angesiedelt ist. natural force > instrument > institution > generic human > specific human > 3rd person > SAPs [speech act participants] Dabei beobachtet er, dass ein Element umso seltener hinzugefügt werden kann, je weiter „rechts" es steht, desto typischer es also als Agens ist (ebd. 135f.). Dies hat u. a. damit zu tun, dass gerade die „rechten" Partizipanten als prominente Sprechaktteilnehmer bevorzugte „Subjektkandidaten" sind, was im Widerspruch zu der peripheren syntaktischen Position im Passiv steht.23 Ungünstigerweise ist aus grammatischer Sicht das „beste" Passiv aber jenes, das eine genaue Umkehrung der Aktivkonstruktion darstellt, die Agensnennung also gerade favorisiert.24 Möglicherweise wird jetzt mit der Nicht-Nennung (jedoch syntaktischen und semantischen Implikation) des Agens eine Kompromisslösung erzielt (ebd. 137). Die Tatsache, dass das unpersönliche Passiv die Agenshinzufügung noch weniger favorisiert als das persönliche, kann nun damit zusammenhängen, dass es in vielen Sprachen (noch) auf den Kernbereich der Handlungsverben mit einem typischen Agens beschränkt zu sein scheint oder sich sogar in Richtung Impersonale-Konstruktion (mit generischem Agens) entwickelt (s. o.). Dadurch ist das jeweilige Agens schwerpunktmäßig in der rechten Hälfte des Kontinuums angesiedelt, was automatisch 23 24

Shibatani (1998: 137) spricht hier vom „Centrality Principle". Shibatani (1998: 119f., 137) nennt dies das „Principle of Maximization of Contrast".

56

Theoretische Überlegungen

eine geringere Agenshinzufügung nach sich zieht. Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn man zum einen bedenkt, dass Generizität im Vergleich zu Indexikalisierung relativ selten ist, so dass sogar v. a. nur das rechte Drittel des Kontinuums betroffen ist. Zum anderen haben wir gesehen, dass in einigen Sprachen aus pragmatischen Gründen (Höflichkeit) oft die 1. Person betroffen ist, die zu den „SAPs" am ganz rechten Rand zählt.

3. Perspektivierung 3.1 Subjektsprachen vs. Topiksprachen In Kapitel 1.2.2 wurde bereits festgestellt, dass das Subjekt, sofern man von einem grammatischen Subjekt mit bestimmten Kasus- und Kongruenzeigenschaften ausgeht, keine universale Kategorie ist, da es nur in einer begrenzten Anzahl von Sprachen existiert. Universal ist allerdings, dass einer Aussage eine kommunikativ funktionale Informationsstruktur zugrunde liegt, die i. Allg. aus zwei Einheiten besteht und u. a. als Satzgegenstand vs. Satzaussage, psychologisches Subjekt vs. psychologisches Prädikat, Thema vs. Rhema oder Topik vs. Comment/Focus bezeichnet wird (eine gute Übersicht zur Terminologie bietet z. B. Molnar 1991: 12f.). Als prototypisch für diese beiden Informationskategorien können die folgenden Ebenen mit ihren Eigenschaften gelten: -—Kategorie Ebene — Pragmatik Topologie Semantik25

Topik

Comment

bekannt/definit weiter vorne Agens

neu/indefinit weiter hinten Nicht-Agens

Aus kognitiver Sicht ist von diesen beiden Informationskategorien das Topik die zentralere, da es den Startpunkt der Aussage darstellt, der dem Comment zugrunde liegt bzw. über den der Comment eine Prädikation macht. Der Startpunkt bestimmt auch, von wo aus ein Ereignis gesehen bzw. wie es perspektiviert wird. Das Topik ist aber nicht in allen Sprachen gleich konzipiert, da eine Auswahl aus der Menge der möglichen Ebenen bzw. Eigenschaften getroffen werden kann. Im Hinblick darauf unterscheiden Li/Thompson 1976 zwei konträr angelegte Haupttypen, nämlich Subjektsprachen und Topiksprachen.

25

Wie bereits erwähnt wird hier nur von Nominativ-Akkusativ-Sprachen ausgegangen.

57

Perspektivierung

In Subjektsprachen (zu denen v. a. die indoeuropäischen Sprachen gehören) wird das Topik typischerweise vom (grammatischen) Subjekt repräsentiert, das anhand bestimmter morpho-syntaktischer Eigenschaften identifizierbar ist. Im Subjekt sind die Ebenen Pragmatik, Topologie und Semantik kodiert, es liegt also eine relativ komplexe „Schnürung" vor. Im Idealfall stimmen Subjekt, Agens, Definitheit/Bekanntheit und linear frühere (nicht unbedingt erste!) Position überein (s. a. Leiss 1992: 117). In Sprachen wie dem Mandarin Chinesischen dagegen basiert das Topik primär auf den Ebenen Topologie und Pragmatik, die Semantik ist eher sekundär. Man betrachte folgenden chinesischen Satz (Beispiel nach Li/Thompson 1976: 462): Nei-chang

huo xtngkui

that-classifier

fire

fortunate

xiaofang-dui fire-brigade

lai

de

kuäi

come

adv. particle

quick

'That fixe (topic), fortunately the fire-brigade came quickly.' Das Topik nimmt grundsätzlich die erste Position im Satz ein und zeichnet sich gleichzeitig durch Definitheit aus, d. h. die jeweilige Entität wird beim Hörer als bekannt vorausgesetzt. Eine Festlegung hinsichtlich der Semantik findet nicht statt, es ist noch nicht einmal gefordert, dass es sich um zum jeweiligen Ereignis gehörige Partizipanten handelt. „The topic sets a spatial, temporal, or individual framework within which the main predication holds" (Chafe 1976: 50, zitiert nach Pustet 1997: 142). Beim Topik kann es sich also um Elemente mit temporalem oder räumlichem Bezug handeln, aber auch um Personen oder Dinge. Diese brauchen jedoch nicht notwendigerweise in einer spezifischen semantischen Relation zum Verb zu stehen, es sind also nicht unbedingt Argumente des Verbs, und es wird nicht obligatorisch ein Kasusrahmen aufgespannt. Damit besteht keine notwendige syntaktische Dependenz zum Rest des Satzes, das Topik ist syntaktisch unabhängig. Man vergleiche im obigen Beispiel das Verb lai .kommen' und das Topik des Satzes, nei-chang huo ,jenes Feuer'. In dem Satz geht es nicht darum, dass das Feuer kam, sondern dass die Feuerwehr in Bezug auf das Feuer schnell kam. Solche für Topiksprachen typischen Sätze werden im Übrigen auch als „.double subject' constructions" bezeichnet (Li/Thompson 1976: 468). Das ist jedoch eigentlich eine falsche Bezeichnung, da zwar sowohl ein Topik als auch ein Agenspartizipant vorliegen, aber kein grammatisches Subjekt. Selbstverständlich existieren auch in Topiksprachen Elemente, die sowohl Agenspartizipant als auch Topik sind (Beispiel nach Li/Thompson 1989: 87).

58

Theoretische Überlegungen

Zhängsän da Zhangsan hit 'Zhangsan hit me.'

wo I

le. CRS26

Dass ein Agens- (oder ein sonstiger) Partizipant im Topik steht, ist jedoch auf keinen Fall obligatorisch und noch nicht einmal die Regel. Topiksprachen weisen also eine syntaktische Kategorie auf, die auf Bekanntheit/Definitheit und Erststellung basiert, die verbabhängige semantische Rolle, speziell das Agens, spielt dabei jedoch keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Deshalb braucht ein Agens in Topiksprachen strukturell auch nicht unbedingt verwirklicht zu werden. Je nach Kontext wird es mitgedacht, und zwar ohne dass ein solcher Satz speziell markiert werden muss (Beispiel nach Li/Thompson 1989: 89): fan %hü-jiäo-le yidian rice cook-burnt-PFV27 a:bit 'The rice, (we) burned it a litde bit.' Mit Schachter (1977: 282) kann man sagen, dass für Topiksprachen „referential prominence" bzw. „presupposed reference" wesentlich ist, wobei es darum geht, dass „the speaker assumes that the hearer knows the intended referent". In den Subjektsprachen, zu denen neben den indoeuropäischen Sprachen z. B. auch Finno-Ugrisch, Niger-Kongo, Semitisch usw. gehören (Li/Thompson 1976: 460), sind aber die verbabhängigen semantischen Rollen oder Partizipanten des Verbs wesentlich, d. h. im Zentrum des Satzes steht der durch das Verb bestimmte Kasusrahmen und damit die Valenz. Damit gilt für Subjektsprachen v. a. das, was Schachter als „role prominence" bezeichnet, „the individual whose role in an event the speaker sees as central" (Schachter 1977: 296). Dazu auch Jordens (1983: 146): „Diejenige NP hat also rollenprominente Funktion, die sich auf den Partizipanten bezieht, der relativ am meisten am Zustandekommen des durch das Verb bezeichneten Ereignisses beteiligt ist (= 'high participant')". Die Partizipanten des Verbs sind also hierarchisiert, und der vom Verb aus gesehen zentrale Partner bekommt i. Allg. die Subjektfunktion zugewiesen. In indoeuropäischen Sprachen als Vertreter des Nominativ-Akkusativ-Typs ist dies typischerweise das Agens, während die so genannten Absolutiv-Ergativ-Sprachen vereinfacht gesagt vom Patiens, dem Gegenstück zum Agens, aus perspektivieren. Für Subjektsprachen gilt aber nicht nur „role prominence", sondern typischerweise

26 27

Nach Li/Thompson (1989: xxiii) steht CRS für „currently relevant state". Nach Li/Thompson (1989: xxiii) steht PFV für „perfective aspect".

Perspektivierung

59

auch gleichzeitig „referential prominence". Die Ebenenbündelung ist also sehr viel komplexer, die Grammatikalisierung weiter fortgeschritten. Ein Subjekt ist nichts anderes als ein grammatikalisiertes, in Kombination mit der Semantik bzw. dem zentralen Partizipanten „verfestigtes" Topik.28 In einem häufig zitierten Beispiel zeigt Givon, wie aus einer markierten Topikkonstruktion, einer so genannten „topic-shift construction", durch Reanalyse eine syntaktisch neutrale Struktur mit einem Kongruenzmarker (AG) entstehen kann, so dass das ursprüngliche Topik Subjektstatus bekommt (Beispiel nach Givon 1976: 154f.): Topic-shift (marked) The man, he came TOP PRO Neutral (re-analyzed) The man he-came SUBJ AG Bei einer solchen Entwicklung kann es tatsächlich zu einer Fixierung der Ebenen Pragmatik (bekannt), Topologie (vorne) und Semantik (z. B. Agens) kommen. Für das dargestellte Ereignis ist dabei die Ebene der Semantik bzw. der Partizipanten am wesentlichsten. Es kommt also gleichzeitig auch zu einer fixierten oder grammatikalisierten Perspektivierung auf Partizipantenebene, die sich in den syntaktischen Funktionen (z. B. Subjekt) niederschlägt. Das Subjekt ist aber aufgrund seiner besonderen Markierung (z. B. Nominativ, der auch als 0 realisiert sein kann) nicht mehr an die topologisch erste Position im Aussagesatz gebunden. Theoretisch kann es überall stehen, wobei speziell Indefinitheit die Position nach dem Prädikat zu begünstigen scheint.29 Wahrscheinlich ist allerdings, dass im Aussagesatz zumindest die Stellung vor den Objekten bevorzugt wird. Als „neue" Topiks können nun v. a. diverse Adverbiale hinsichtlich der zeitlichen, räumlichen oder modalen Einordnung des Geschehens stehen. Sie bewirken eine „freie", nicht-grammatikalisierte Perspektivierung des Ereignisses. In dieser Position können andere Partizipanten außer dem (vorzugsweise definiten) Subjekt nur mit besonderer Markierung stehen. Die Topikalisierung eines Patiens ist z. B. in einer Subjektsprache wie dem Deutschen eher marginal und nur mit markierter Betonung auf dem Topik möglich: Den Computer kaufe ich mir! 28 29

Zur Grammatikalisierung von Topiks zu Subjekten vgl. z. B. Shibatani 1991. Dies geht teilweise mit fehlender Kongruenz mit dem finiten Verb einher, d. h. das Subjekt kann im Plural, das finite Verb im Singular stehen.

60

Theoretische Überlegungen

Noch marginaler und darüber hinaus auch morpho-syntaktisch markiert sind Konstruktionen mit solchen Partizipanten, die noch nicht einmal zur Valenz des Verbs gehören und nur in einem diskurspragmatischen Zusammenhang damit stehen (Beispiel nach Li/Thompson 1976: 459):30 As for education, Topic

John prefers Bertrand Russell's ideas. Comment

Allerdings können diese markierten Topiksätze in Subjektsprachen häufiger werden, so dass aus einer Subjekt- wieder eine Topiksprache wird, die wieder zu einer Subjektsprache wird usw. Man betrachte dazu den „diachronic cycle" von Li/Thompson (1976: 485) [Tp = topic-prominent; Sp = subject-prominent]: Ip (A)

(D)

Both Tp and Sp Topic sentences become less marked, more basic frame of verb

(C)

30

topic notion integrated into basic sentence structure; topic and subject distinct

(B)

Neither Tp nor Sp Topic becomes more closely integrated into case

Sp topic has become integrated into case frame of verb as a subject; subject and topic often indistinct, subjects having some nontopic properties; sentences with clear topics are highly marked

Zu niederländischen oder deutschen Beispielen vgl. Jordens (1983: 142f.)·

Perspektivierung

61

Aus diesem Grunde gibt es auch synchron gesehen nicht ausschließlich Subjekt- und Topiksprachen, sondern sowohl solche, die weder ein Subjekt noch ein Topik haben (Typ B, z. B. Tagalog), als auch solche, die gleichzeitig ein Subjekt und ein Topik aufweisen (Typ D, z. B. Japanisch, Koreanisch) (Li/Thompson 1976: 460).Jordens (1983: 144) hält es sogar für möglich, dass sich Niederländisch gerade von (C), einer rein subjektprominenten Sprache, zu (D) entwickelt, einer Sprache mit Topik und Subjekt.

3.2 Partizipantenperspektivierung in Subjektsprachen Subjektsprachen stellen also eine Entwicklungsstufe dar, in der es zu einer grammatikalisierten oder fixierten Perspektivierung im Hinblick auf die zu einem Ereignis gehörigen Partizipanten oder semantischen Rollen gekommen ist. Dies impliziert gleichzeitig eine Hierarchisierung der Partizipanten, wobei die priviligierte syntaktische Funktion dem Subjekt und so in Nominativ-Akkusativ-Sprachen dem Agens zukommt. Damit ist automatisch der Bogen zum Passiv geschlagen, da es hier bekanntlich darum geht, einen anderen als den erwarteten Partizipanten, speziell das Patiens, in die privilegierte syntaktische Funktion, also ins Subjekt, zu bringen. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass ein Passiv, im Sinne einer „Befreiung" der semantischen Bindung des Subjekts an das Agens, in Topiksprachen nicht unbedingt notwendig ist. „In other words, when one wishes to say something about the direct object of the verb in Mandarin, one simply makes the direct object into a topic." (Li/Thompson 1989: 499; Beispiel ebd. 498). nei-ben shü Jißng chüban le that-CL31 book already publish CRS 'That book has already been published.' Es muss betont werden, dass es sich dabei um in keiner Weise, auch nicht intonatorisch, markierte Sätze handelt. Allerdings gibt es so genannte ^«-Konstruktionen, die in Topiksprachen in Anlehnung an Subjektsprachen als „Passiv" bezeichnet werden. Dementsprechend steht das Patiens hier im Topik, der Unterschied ist jedoch, dass diese Konstruktionen semantisch eingeschränkt sind, da das Merkmal der „adversity" im Sinne einer negativen Betroffenheit vorliegen muss (Beispiel nach Li/Thompson 1989: 492). 31

Nach Li/Thompson (1989: xxiii) steht CL fur „classifier".

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Theoretische Überlegungen

tä bei jiejie mä LE 3sg BEI elder:sister scold PFV/CRS 'S/He was scolded by (his/her) older sister.' Dies gilt auch für „indirekte Objekte", sofern das entsprechende Verb Adversität ausdrückt (Beispiel ebd. 504). tä bei pe'ngyou töu-le qiän 3sg BEI friend steal-PFV money 'S/He was robbed of (his/her) money by a friend.' Deshalb ist folgendes Beispiel aufgrund der fehlenden negativen Betroffenheit ungrammatisch und entspricht damit auch nicht dem als Übersetzung gegebenen englischen Passivsatz (Beispiel nach Li/Thompson 1989: 498). *nei-ben shü yifing bei chübän that-CL book already BEI publish 'That book has already been published.'

le CRS

Da das Agens im Chinesischen nicht genannt werden muss, unterscheiden sich „Aktiv"- und „Passiv"-Sätze mit strukturell nicht-ausgedrücktem Agens bis auf den Zusatz von bei im „Passiv"-Satz nicht (Beispiele nach Li/Thompson 1989: 88,493). nei-ben shü chübän LE that-CL book publish PFV/CRS "That book, (someone) has published it.' tä bei ma LE 3sg BEI scold PFV/CRS 'S/He was scolded [by someone].' Die ^«-Markierung im chinesischen „Passiv" dient also weder der Bildung eines „falschen" Subjekts (da es ein Subjekt im traditionellen Sinne nicht gibt) noch der Agens-Defokussierung, wobei nur „Adversität" bleibt. Zwar fällt auf, dass sich die ^«-Konstruktion ausdehnt und ihre adversative Bedeutung verliert (Li/Thompson 1989: 496f.). Sollte es dadurch zu einer Ubergeneralisierung von ^«-Konstruktionen kommen, so wäre eine „Rechtswanderung" in dem „diachronic cycle" von Li/Thompson in Richtung „Neither topic-prominent nor subject-prominent" (Β) die Folge (s. Kapitel 1.3.1). Dies würde sich darin äußern, dass bei, befreit vom

Perspektivierung

63

Merkmal der Adversität und damit auch typischerweise daran geknüpfter bestimmter semantischer Rollen, zu einem eigenen „Kasus"-Marker wird. In Sprachen des Typs Β wird mit einem solchen speziellen Marker nämlich ein so genanntes „topic Philippine style" gekennzeichnet, das dem traditionellen Subjekt noch nicht und dem Topik im Chinesischen nicht mehr entspricht. Im Unterschied zu letzterem ist der Marker an „Mitspieler" des Verbs gebunden, also semantisch nicht mehr völlig frei (vgl. Li/Thompson 1976: 485: "Topic becomes more closely integrated into case frame of verb"). Gleichzeitig können damit aber verschiedene semantische Rollen markiert werden, so dass es sich noch nicht um ein traditionelles Subjekt handelt. Erst bei einer engen und restringierten Verknüpfung z. B. mit einem Agens kommt es zu einer weiteren Verschiebung in Richtung Subjektsprachen (Typ C). Subjektsprachen weisen damit eine Partizipantenperspektivierung auf, die sich im Kasusrahmen bzw. der Valenz des Verbs niederschlägt. „Valency is the property of the verb which determines the obligatory and optional number of its participants, their morphosyntactic form, their semantic class membership (e.g. ±animate, ihuman), and their semantic role (e.g. agent, patient, recipient)." (Mosel 1991: 240). Eine solch fixierte Partizipantenperspektivierung führt jedoch zu Inflexibilität und muss auch wieder auflösbar sein, es sollte also Mittel zur Veränderung der Perspektivierung geben. Diese Funktion hinsichtlich des Subjekts erfüllt nun das so genannte Passiv, indem eine „unpassende" semantische Rolle in das morpho-syntaktische Subjekt gebracht wird. Da es sich jetzt um ein „falsches" Subjekt handelt, ist die Konstruktion am Verb markiert. Übereinzelsprachlich häufig handelt es sich um die Füllung durch ein (definites) Patiens, wie bereits in Kapitel 1.2.1 festgestellt wurde. Das kanonische Passiv ist daher subjekthaltig (das so genannte persönliche Passiv), da es „falsche" Subjektfüllungen ermöglicht. Da ein subjekthaltiges bzw. persönliches Passiv vorzugsweise von transitiven Verben gebildet wird, erklärt sich so auch das von Kazenin (2001: 905; vgl. Kapitel 1.1.1) aufgestellte implikative Universale: ,,[N]o language has (impersonal) passives of intransitives without having some type of passive of transitives". Im Folgenden werden wir uns den verschiedenen Verfahren zur Änderung der Partizipantenperspektivierung in Subjektsprachen zuwenden und fragen, ob und inwieweit sich Prozesse auszeichnen, die das Subjekt bzw. das Passiv betreffen. Ausgehend von einem Ereignis sind alle Partizipanten irgendwie in Perspektive bzw. perspektiviert, auch wenn das Subjekt die zentrale Kategorie darstellt, den „Startpunkt", von wo aus perspektiviert wird, zumindest hinsichtlich der Partizipanten. Dabei gibt es eine neutrale Perspektivierung, die sich in einer gesetzten, unmarkierten Beziehung zwischen

64

Theoretische Überlegungen

dem Verb und seinen Partizipanten oder Argumenten zeigt, und eine davon abweichende, markierte Beziehung. Denn: „Der durch Valenz verursachte Zwang zur Nennung bestimmter Partizipanten wird nicht immer den Sprecherbedürfnissen gerecht" (Pustet 1997: 135). Perspektivierungsund Valenzveränderungen entsprechen sich also. Dabei können Valenzveränderungen quantitativer oder qualitativer Natur sein. Im Falle einer quantitativen Valenzveränderung kann ein Partizipant addiert oder subtrahiert werden. Addition: Tok Pisin (Mosel 1991: 241) mi rait I write mi rait — im I write TR Ί write a letter.'

pas letter

Subtraktion: Deutsch Sie isst einen Apfel. Sie isst. Die Subtraktion zielt auf eine Deperspektivierung ab, bei der das jeweilige Element syntaktisch noch im Bauplan des Verbs verankert sein kann, ausdrucksseitig wird es aber nicht mehr realisiert.32 In Abhängigkeit vom Kontext kann es jedoch als spezifische oder unspezifische (im Sinne von etwas) Entität hinzugedacht werden. Dagegen handelt es sich bei der Addition darum, etwas überhaupt erst in Perspektive zu bringen bzw. im syntaktischen Bauplan zu verankern. Parallel zu De- könnte man hier von Adperspektivierung sprechen. Deperspektivierung scheint in vielen Sprachen nicht explizit markiert zu sein. Diese Tatsache gibt auch einen Hinweis darauf, ob es sich in einem konkreten Fall um De- oder Adperspektivierung handelt, da letztere typischerweise markiert ist. Das zeigt zum einen das obige Beispiel aus dem Tok Pisin, aber auch ein deutsches Verb wie speisen. Hier ist rein konzeptuell durchaus ein zu speisendes Objekt vorstellbar, es kann jedoch nicht in einer syntaktischen Funktion erscheinen: *ich speise einen Apfel. Mit

32

Im Rahmen der Dependenzgrammatik wird hier auch von „fakultativer Valenz" gesprochen, vgl. z. B. Helbig/Buscha (2005: 517).

Perspektivierung

65

Hilfe des Präfixes ver- wird ein solches Objekt allerdings adperspektiviert und damit syntaktisch realisierbar: ich verspeise einen Apfel. Das Phänomen, das der Deperspektivierung zugrunde liegt, wird von Drossard (1991: 430) „Distanzierung" genannt, Pustet (1997: 134) spricht von „backgrounding". Parallel zu Distanzierung könnte man im Falle der Adperspektivierung von Ent-Distanzierung sprechen.33 Es gibt also einen Gegensatz Distanzierung vs. Ent-Distanzierung von Partizipanten, der sich im Bereich quantitativer Valenzveränderungen in Deperspektivierung bzw. Adperspektivierung niederschlägt. Auf der qualitativen Ebene beziehen sich Valenzveränderungen auf den syntaktischen und evtl. semantischen Status der Partizipanten, wobei entweder eine Vorstufung (Promotion) oder eine Rückstufung (Demotion) auf der Hierarchie syntaktischer Relationen stattfindet. Diese Hierarchie ist der besseren Orientierung wegen hier noch einmal aufgeführt (Keenan/Comrie 1977: 66; s. .a Kapitel 1.2.1): SU—DO—IO—OBL—GEN—OCOMP subject—direct object—indirect object—major oblique case NP—genitive—object of comparison

Promotion, ζ. B. indirect object > direct object: Deutsch Prossard 1991: 409) jdm. dienen (NOM-DAT [ - indirect object]) jdn. bedienen (NOM-AKK [= direct object]) Demotion, ζ. B. direct object > oblique case NP: Englisch (Drossard 1991: 432) shoot + AKK ([NOM-AKK [= direct object]) shoot at ([NOM-OBL]) Dabei handelt es sich im Gegensatz zur Ad- oder zur Deperspektivierung um reine Umperspektivierung. Etwas, das bereits in Perspektive ist, bekommt einen anderen syntaktischen und evtl. semantischen „Platz" zugewiesen. Je nach der „Bewegung" auf der syntaktischen Hierarchie können die jeweiligen Umperspektivierungen ebenfalls als Distanzierung („Bewegung nach hinten") oder Ent-Distanzierung („Bewegung nach vorne") kategorisiert werden.

Der Gegensatz zu backgrounding, nämlich foregrounding, bietet sich nicht an, da foregrounding i. Allg. nur auf das Subjekt oder Topik abzielt (s. z. B. Pustet 1997: 134f.).

66

Theotetische Überlegungen

Distanzierung

Deperspektivierung

Partizipant fällt aus der Perspektive

Umperspektivierung

Partizipant in Perspektive unterliegt

Adperspektivierung Ent-Distanzierung Umperspektivierung

der Demotion Partizipant wird in

Perspektive

gebracht Partizipant in Perspektive unterliegt der Promotion

Als nächstes stellt sich die Frage, inwieweit sich die Valenz- bzw. Perspektivierungsveränderungen im Hinblick auf das Subjekt, das bisher nicht genannt wurde, als dem zentralen Partizipanten von diesen Verhältnissen im Rahmen peripherer Partizipanten unterscheiden bzw. ihnen ähneln. Serzisko (1991: 303) trennt dabei die folgenden drei Phänomene, die mit Veränderungen im zentralen und/oder peripheren Partizipanten zu tun haben.

Zentraler Partizipant Peripherer Partizipant

1 gleich

2 verändert

3 verändert

verändert

verändert

gleich

Distanzierung

Umorientierung

Impersonalisierung/ Generalisierung

Im Hinblick auf das Subjekt als dem zentralen Partizipanten sind nur (2) und (3) relevant. Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, ist die Zuweisung von „Distanzierung" zu (1) außerdem defizitär. Es handelt sich nicht nur um den Bereich der Distanzierung (mit Deperspektivierung und Umperspektivierung), sondern auch um den der Ent-Distanzierung (mit Adperspektivierung und Umperspektivierung). Was passiert nur konkret im Falle von (2), der so genannten Passivierung, mit Blick auf Phänomene wie (Ent-)Distanzierung? Die Besonderheit ist, dass Promotion (Ent-Distanzierung) und Demotion bzw. Subtraktion (Distanzierung) kombiniert werden, wobei die semantische Rolle jeweils erhalten bleibt. Obwohl im Falle von (2) im Gegensatz zu (1) das Subjekt betroffen ist, wird auch hier ein peripherer Partizipant (das direkte Objekt mit seiner Patiens„füllung") ent-distanziert (wobei nur Umperspektivierung möglich ist), als Folge davon muss der zentrale Partizipant (das Subjekt mit seiner Agens,,füllung") distanziert werden. Prinzipiell ist hier sowohl Deperspektivierung (Subtraktion) als auch Umperspektivierung möglich.

67

Perspektivierung

Nahuatl lässt ζ. Β. grundsätzlich nur Deperspektivierung zu, das Agens kann nicht genannt werden (Beispiel nach Pustet 1997: 42). met^-tli 0-cua-lo- 0 Mond-ABSL 3SG.SUBJ-ess.IMP-PASS-PRES ,der Mond wird gefressen' Das subjekthaltige oder persönliche Passiv dient offensichtlich primär der Ent-Distanzierung eines peripheren Partizipanten. Die Distanzierung des zentralen Partizipanten ist lediglich Mittel zum Zweck, da es in einem Satz keine zwei Subjekte geben kann. Fall (3), der dem unpersönlichen oder subjektiosen Passiv entspricht, wird von Serzisko (1991: 305) als Impersonalisierung oder Generalisierung bezeichnet, was sich auf die Tatsache bezieht, „daß ein spezifizierter durch einen allgemeinen Partizipanten ersetzt wird, der typischerweise /+menschlich/ ist." Pustet (1997: 11) spricht hier auch von Depersonalisierung. Wir haben bereits an verschiedenen Stellen gezeigt, dass das in dieser Absolutheit nicht zutrifft, Generalisierung oder Generizität ist nur eine, und noch nicht einmal eine verbreitete, Möglichkeit (vgl. ζ. B. Kapitel 1.2.4). Das unpersönliche Passiv kann viel einfacher parallel zum persönlichen Passiv als Distanzierung bezeichnet werden, wobei entweder Deperspektivierung (Subtraktion) oder Umperspektivierung des zentralen Partizipanten möglich ist. Auch Drossard (1991: 430) spricht hier von Distanzierung, da er die Generalisierungshypothese grundsätzlich anzweifelt. Einer der Gründe dafür ist, dass gerade in Absolutiv-ErgativSprachen eine Veränderung ERG-ABS > ERG-OBL (also eine distanzierende Umperspektivierung des zentralen Partizipanten) nichts mit Impersonalisierung zu tun hat, sondern eher mit Aspekt und verminderter Kontrolle (ebd. 432f.). Diese verminderte Kontrolle zeige sich möglicherweise auch in manchen Nominativ-Akkusativ-Sprachen wie dem Walisischen (Beispiele Drossard 1991: 431 f.). Rhybuddi-odd y dyn y warnen-3SG/PRÄT ART Mann ART ,Der Mann warnte die Kinder.'

plant Kinder

Rhybuddi-nyd y plant gan warnen-IMPERS ART Kinder von ,Es warnte die Kinder durch den Mann.'

y ART

dyn Mann

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Theoretische Überlegungen

Unter Verwendung des Serziskosschen Schemas kann also vereinheitlichend gelten:

Zentraler Partizipant Peripherer Partizipant

1 gleich

2 verändert

3 verändert

verändert

verändert

gleich

Distanzierung/ Ent-Distanzierung

Ent-Distanzierung (impl.) Distanzierung Persönliches Passiv

Distanzierung Unpers. Passiv

Prinzipiell unterscheidet sich das Passiv also nicht von anderen Perspektivierungs- oder Valenzveränderungen, mit dem Unterschied, dass im Falle der Betroffenheit des zentralen Partizipanten Markierungen notwendig sind (im Gegensatz zur weitgehenden Unmarkiertheit der Distanzierung peripherer Partizipanten etwa). Gleichzeitig teilen persönliches und unpersönliches Passiv ein gemeinsames Merkmal, nämlich „Agens nicht in Subjektfunktion", was durch die Distanzierung des zentralen Partizipanten bedingt ist, und die Tatsache einer gemeinsamen Markierung in einigen Sprachen motivieren mag. Persönliches und unpersönliches Passiv haben aber sogar zwei Gemeinsamkeiten, nämlich nicht nur „Agens nicht in Subjektfunktion", sondern auch „markierte Struktur hinsichtlich des Subjekts", im Sinne von kein Subjekt (unpersönliches Passiv) oder unübliches Subjekt (persönliches Passiv). Im folgenden Kapitel 1.3.3 wird gezeigt, dass aber weder „Agens nicht in Subjektfunktion" noch „markierte Struktur hinsichtlich des Subjekts" die Funktion des Passivs ist, sondern nur Mittel zum Zweck. Ziel ist eine abweichende Ereignisdarstellung, die mit einer Änderung des zentralen Partizipanten einhergeht und damit Perspektivierungsveränderungen voraussetzt.

3.3 Ereignisperspektivierung in Subjektsprachen 3.3.1 Primäre Ereignisperspektivierung Wie in Kapitel 1.3.1 erläutert, setzt sich die Darstellung eines Ereignisses in kommunikativer Hinsicht aus zwei Informationseinheiten zusammen, die als Satzgegenstand vs. Satzaussage, psychologisches Subjekt vs. psychologisches Prädikat, Thema vs. Rhema oder Topik vs. Comment bezeichnet werden. In diesen Informationseinheiten sind nach den gramma-

Perspektivierung

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tischen „Richtlinien" der jeweiligen Sprache auch das Partizipatum („something participants take part in"), also das reine Geschehen oder die reine Handlung, sowie die Partizipanten („the one who or something which participates in a participatum") kodiert (Zitate Premper 1991: 4). Die Erfassung eines Ereignisses basiert also aus grammatischer Sicht auf den Einheiten Partizipatum und Partizipanten, aus kommunikativer Sicht auf Satzgegenstand und Satzaussage usw. Beide Ebenen sind in spezifischer Weise miteinander verknüpft, wobei sich als Haupttypen Topik- und Subjektsprachen ergeben (s. Kapitel 1.3.1). Dabei ist die „Zwei—heit" der Ereignisdarstellung aus kommunikativer Sicht möglicherweise grundlegend, jedoch nicht zwingend. Ereignisse können grundsätzlich auf zwei verschiedene Weisen dargestellt oder „perspektiviert" werden. Die beiden Perspektiven werden i. Allg. als kategorische und thetische Sätze bezeichnet (vgl. dazu v. a. Sasse 1987, 1995, 1996). Im Fall der kategorischen Perspektivierung liegen zwei autonome Informationsfoci vor, nämlich Satzgegenstand und Satzaussage u. Ä. Dabei ist der Satzgegenstand in Subjektsprachen typischerweise auf den zentralen Partizipanten, die Satzaussage auf das Partizipatum inklusive der weniger zentralen Partizipanten hin ausgerichtet. Man könnte dabei auch von Innenperspektive sprechen, da die innere Struktur des Ereignisses erkennbar ist. In Anlehnung an einen Terminus von Sasse (1987: 526; er verwendet ihn jedoch für einen Untertyp der thetischen Sätze) kann man sagen, dass die kategorischen Sätze in Subjektsprachen „entity-zentral" sind, da sie mit dem Subjekt auf einen autonomen Partizipanten hin ausgerichtet sind. Da das Subjekt in Nominativ-Akkusativ-Sprachen typischerweise ein Agens ist, dominieren hier entity-zentrale kategorische Sätze mit Handlungssemantik. Subjekthaltige Sätze mit Handlungssemantik sind also primär oder inhärent kategorisch. Im Gegensatz dazu stehen thetische Sätze, die nur einen Informationsfokus, eine „Ein—heit" repräsentieren, weil ihnen der Satzgegenstand bzw. der autonome Partizipant und damit das Subjekt fehlt. Besonders typisch sind hier Witterungsausdrücke wie russ. sneiit ,(es) schneit', das außer dem Partizipatum überhaupt keine Partizipanten aufweist, da ein agensloses Geschehen kodiert wird. Im Gegensatz zu kategorischen Sätzen sind ideale thetische Sätze also event-zentral, da es keine Partizipanten gibt, und der Blick dadurch auf das Ereignis als solches gelenkt wird. Bei Thetizität kann man auch von Außen- statt von Innenperspektive sprechen, da mit dem Vorliegen nur einer Einheit natürlicherweise keine innere Strukturierung sichtbar wird. Subjekdose Sätze mit Geschehenssemantik sind also primär oder inhärent thetisch. Damit ergibt sich folgende Dichotomie.

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Theoretische Überlegungen

Kategorische Sätze entity-zentral mit Subjekt/Partizipant Handlungssemantik

Thctigghg Sätze event-zentral ohne Subjekt/Partizipant Geschehenssemantik

Subjektsprachen (vom Nominativ-Akkusativ-Typ) zeichnen sich v. a. durch entity-zentrale kategorische Sätze mit Handlungssemantik aus, in sehr viel geringerem Maße weisen sie auch event-zentrale thetische Sätze mit Geschehenssemantik auf. Das Problem ist jedoch, dass sich nicht alle Konstruktionen in diese beiden Klassen einteilen lassen. Entity-zentrale kategorische und eventzentrale thetische Sätze stellen lediglich die zwei Endpunkte eines Kontinuums dar, zwischen denen sich die „Misch"-Kategorien der eventzentralen kategorischen und der entity-zentralen thetischen Sätze befinden. In beiden Fällen ist der Ubergangsbereich durch eine Abweichung vom kanonischen Typ gekennzeichnet. Während im Falle der event-zentralen kategorischen Sätze sowohl die Handlungssemantik als auch die Subjektstruktur beibehalten wird, verliert der Partizipant im Subjekt etwas von seiner Autonomie oder Spezifität, ist also z. B. generisch im Sinne von man. Rein konzeptuell verschiebt sich der Fokus dadurch vom Partizipanten auf das Partizipatum in Richtung Event-Zentralität. Auch auf der Seite der entity-zentralen thetischen Sätze ändert sich weder etwas an der Geschehenssemantik noch an der Subjektlosigkeit, die Konstruktionen sind jedoch partizipantenhaltig. Typisch sind hierfür Empfindungsimpersonalia mit obliquem Experiencer, z. B. mich friert. Dadurch liegt konzeptuell gesehen keine reine Event-Zentralität mehr vor, sondern eher Entity-Zentralität. Folgende Skizze soll diese Verhältnisse verdeutlichen:

Kategorische Sätze entity-zentral mit Subjekt Handlungssemantik

event-zentral mit „schlechtem" Subjekt

entity-zentral mit Partizipant

event-zentral ohne Subjekt Geschehenssemantik

Perspektivierung

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Im Folgenden wollen wir uns etwas genauer mit event-zentraler Kategorizität und entity-zentraler Thetizität beschäftigen. Event-zentrale Kategorizität ist wie bereits angedeutet dann gegeben, wenn der zentrale Partizipant bzw. das Subjekt „reduziert" wird, d. h. referentiell nicht voll spezifiziert ist. Es bleibt dann zwar als syntaktische Kategorie erhalten, sein semantischer Beitrag wird aber immer geringer, so dass sich das Schwergewicht schließlich zum Partizipatum hin verschiebt. Wir hatten dieses Phänomen in Kapitel 1.2.4 „EntSpezifizierung" genannt und in „Indexikalisierung" sowie „Generizität" unterteilt. Dabei ist der Bereich der Generizität semantisch noch stärker „endeert" als der der Indexikalisierung. Es ergibt sich also folgendes modifizierte Schema für event-zentrale Kategorizität.

Indexikalisierung, d. h. kontextgebundene Referenz, wird von Personalpronomina geleistet oder, noch extremer, der reinen Flexion am Verb, z. B. lat. amat ,er/sie/es liebt'. Im letzteren Fall spricht man auch von Mikrovalenz (Pasierbsky 1981: 162f., nach Ägel 2000: 220), ein Phänomen, das z. B. eine so genannte pro-drop-Sprache wie Italienisch auszeichnet. Die Kodierung des Subjekts kann dabei im Verb selbst geleistet werden. In Sprachen wie dem (modernen) Deutsch ist das Phänomen der Mikrovalenz extrem eingeschränkt und nur noch in der Imperativform erhalten: Steh aufl* Möglicherweise lässt sich das damit begründen, dass sich ein Befehl oder eine Aufforderung durch besonders starke Situationsgebundenheit und damit typischerweise durch kontextgebundene Referenz auszeichnet. Bei einer noch stärkeren EntSpezifizierung ist keinerlei kontextuelle Referenz mehr gegeben, sondern Generizität oder beabsichtigte NichtIdentifizierbarkeit des Partizipanten. Dieses Phänomen wird in der Typologie i. Allg. als Impersonalisierung oder Anonymisierung bezeichnet, d. h. ein „Verschwimmen der außersprachlichen Referenz eines Partizipanten" 34

Von pragmatisch markierten, d. h. umgangssprachlichen, Formen wie ßch) Komme u. A. wird hier abgesehen.

gleich.

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Theotetische Überlegungen

(Pustet 1997: 135). Als Ausdrucksmittel kommen hier dieselben sprachlichen Mittel wie bei der Indexikalisierung in Frage, nämlich Personalpronomina oder mikrovalenzielle Personalendungen. Allerdings liegt eine Einschränkung auf die 3. Person vor, wobei es sich zusätzlich meist um Pluralelemente handelt (z. B. engl, they, russ. oni). Der grammatische Plural impliziert jedoch nicht notwendigerweise eine Mehrzahl an Partizipanten in der außersprachlichen Wirklichkeit, die pluralische Form kann sich auch auf eine einzelne Person beziehen, vgl. die folgenden Beispiele aus dem Russischen (nach Koptjevskaja-Tamm/Wälchli 2001: 685f.) bzw. dem Neugriechischen (nach Haspelmath 1990: 49). Russisch Menja obokrali. me:ACC rob:PRET.3PL Ί was robbed.' [wörtlich: ,Mich beraubten sie.'] Neugriechisch Su tilefoni-s-an. you.DAT phone-AOR-3PL 'Someone called you.' [wörtlich: ,Dich riefen sie an."] In diesem Zusammenhang weist Pustet (1997: 85) auch auf ein besonders markantes Beispiel aus dem Lakota (Siouan-Sprache) mit dem Pluralsuffix -pi hin. Aufgrund des Kontextes kommt hier nämlich eindeutig nur die Mutter des Kindes und damit eine einzelne Person in Frage. ki'ci-0-t\-pi 3SG.BEN-3SG.PAT-gebär-PL ,[Einem Mann] wurde [ein Kind] geboren.' Möglich, aber seltener, ist statt des Plurals auch die Verwendung eines Singulars in der 3. Person, wie sie z. B. im Finnischen üblich ist (Beispiel nach Koptjevskaja-Tamm/Wälchli 2001: 685f.). Puhestaa-ni voi speech:ELAT.SG-POSS.l.SG can:PRES.3SG 'From my speech you can hear [...].'

kuulla, [...]. hear:INF

Koptjevskaja-Tamm/Wälchli (2001: 685) nennen solche Konstruktionen im Übrigen „zero-subject constructions", denn: „[...] the verb looks like a normal agreeing verb, but the subject is systematically absent". Mit Haspelmath (1990: 49) gehe ich hier jedoch von „generalized-subject

Perspektivierung

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constructions" aus. Solange alle Partizipanten ihre Markierung behalten und das Agens nicht zusätzlich hinzugefügt werden kann, spricht nichts dagegen, das Subjekt zumindest als mikrovalenziell kodiert zu betrachten. Unter diesen strukturellen Bedingungen kann man u. U. auch dann noch von einer generalisierten Subjektkonstruktion ausgehen, wenn nicht mehr Personalelemente, sondern eigene Marker verwendet werden. Hierzu können dann auch Fälle wie das „unpersönliche Passiv" im Finnischen oder im Ute gestellt werden (zum Ute s. a. Pustet 1997: 147), wo die entsprechende Funktion als spezifischer Marker am Verb realisiert ist (Beispiele nach Comrie 1977: 49 bzw. Givon 1988: 419). Finnisch Härtet jätetün kotiin. him was left home 'He was left at home.' Ute sivqqtu-ά paxd-ta-xa goat-OBJ kill-PASS-ANT[ERIOR] 'Someone killed the goat.' 'The goat was killed (by some unspecified person).' Ein solcher Marker unterscheidet sich nur insofern von einem Element wie dt. man (< ,Mann') oder frz. on (< lat. homö ,Mensch, Mann'), als hier auf lexikalischer Ebene generische Semantik ausgedrückt wird. Es muss allerdings zugegeben werden, dass ein Marker in dem Augenblick, da er nicht mehr mit einer synchron existierenden Personalendung übereinstimmt, leicht uminterpretiert werden kann. Zur historischen Entwicklung von generalisierten Subjektkonstruktionen zu Passiven siehe jedoch Kapitel 1.4.3. Im Bereich der Thetizität wird der „schlechte", d. h. entity-zentrale, Bereich von Geschehenskonstruktionen mit Partizipant(en) aufgebaut, während der event-zentrale Bereich keine Partizipanten involviert. Falls Partizipanten vorhanden sind, so weisen diese typischerweise keine Agentivität auf und können nicht als autonome, bewusst handelnde Entitäten betrachtet werden. Sie haben also idealerweise auch nicht Subjekt-, sondern Objektstatus. Durch das Fehlen eines grammatischen Subjekts steht im Verb außerdem ein „default"-Flexiv, üblicherweise die 3. Person Singular. Während in kategorischen Sätzen das Flexiv am Verb nicht nur assertiv-existentielle Funktion hat, sondern zusätzlich die Aufgabe der Kennzeichnung des Subjekts übernimmt, bleibt für thetische Sätze ohne Subjekt nur ersteres. Dies ist die basale Funktion der Verbflexion, die für

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Theoretische Überlegungen

kategorische und thetische Sätze gleichermaßen gilt. Darauf zielt auch Nurminen (2002: 89), wenn er feststellt, dass die Kategorie Genus verbi primär dazu diene, ein finites Prädikat und damit ein ,,propositionale[s] token" zu erzeugen. Da die Kategorie des grammatischen Subjekts aber für Subjektsprachen charakteristisch ist, kommt es trotz Geschehenssemantik häufig vor, dass ein Partizipant als Subjekt kodiert ist. D. h., dass im thetischen Bereich sowohl subjekthaltige als auch subjektlose Strukturen vorkommen. Rein strukturell gesehen lässt sich deshalb festhalten, dass sich der event-zentrale Bereich durch das reine, in der 3. Person Singular flektierte Verb auszeichnet. „Verboten" ist hier das Auftreten von Partizipanten mit Subjekt- oder Objektstatus, möglich ist allerdings ein Prädikativum, d. h. die um ein Adjektiv oder Substantiv erweiterte Kopula. Im entityzentralen Bereich kommen dagegen sowohl Sätze mit Objekt (als alleinigem Partizipanten) als auch Sätze mit Subjekt vor, wobei die Kodierung mit Objekt die eigentlich thetische ist.

Dabei scheinen sich bestimmte semantische Erscheinungen um „V" (meteorologische Sachverhalte), „O" (Empfindungsimpersonalia) und „S" („andere" Geschehenskonstruktionen) herum zu gruppieren. Aufgrund der Subjekttendenz greifen aber eigentliche „O"- und „V"-Phänomene auch in den „S"-Bereich über, erstrecken sich also über die gesamte Skala morpho-syntaktischer Möglichkeiten. Im Übrigen werden meteorologische Sachverhalte („V") und Empfindungsimpersonalia („O") meist weiterhin „Impersonalia" genannt, auch wenn sie mit Subjekt konstruiert sind. Im Folgenden sollen die drei Gruppen, „V", „O" und „S", kurz dargestellt werden. 1. Meteorologische Sachverhalte (typischer ,,V"-Bereich) Dass die angestammte Struktur für meteorologische Sachverhalte der „V"Bereich ist, zeigt sich v. a. noch auf den älteren Stufen der indoeuropäi-

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Perspektivierung

sehen Sprachen, da hier das reine Verb in der 3. Person Singular steht (Beispiele in Anlehnung an Von Seefranz-Montag 1983: 54): altind. Vati. ,(Es) weht.' lat. Pluit/Tonat/Fulgurat. ,(Es) regnet/donnert/blitzt.' Eventuelle Komplemente sind normalerweise im Instrumental oder im Dativ kodiert, vgl. (Beispiele ebd.): got. Rigrnda swibla (DAT). ,(Es) regnete Schwefel.' altisl. Drift hagle (INSTR). ,(Es) stiebt mit Hagel.' Ebenfalls möglich ist ein prädikatives Adjektiv in Kombination mit der Kopula sein in der 3. Person Singular (+ Neutrum, wenn eine Sprache im Verb auch nach Genus differenziert), so z. B. noch im modernen Russisch: Byk cholodno. ,(Es) war kalt.' Die Subjekttendenz (und damit die Verschiebung von Event- in Richtung Entity-Zentralität) äußert sich hier auf zweierlei Art und Weise. Üblich ist zum einen, dass zusätzlich zum meteorologischen Verb Gottheiten, Himmel, Wind oder Nominalisierungen der Witterungsausdrücke als Subjekt auftreten (Beispiele nach Von Seefranz-Montag 1983: 54): altind. Vato vati. ,Der Wind weht.' lat. luppiter/ Caelum pluit/tonat/fulgurat. net/ donnert/blitzt.'

,Iuppiter/der Himmel reg-

Dabei fällt auf, dass sich mit zunehmender Agentivität des Subjekts das Merkmal der Kausativität entwickelt. luppiter pluit wird eher interpretiert als .luppiter lässt regnen' denn als ,Iuppiter regnet (selbst)'. Kausativität kann sich also aus der Konfrontation von (eigentlich unvereinbarer) Agentivität mit einem Geschehensverb ergeben. An dieser Stelle sind auch die nicht-referentiellen oder Scheinsubjekte wie dt. es oder frz. il zu nennen, z. B. es regnet, ilpluit. Dies hat u. a. zur Folge, dass eine für agentiv-transitive Verben typische Struktur entstehen kann, mit es als dem Subjekt und dem Stimulus als direktem Objekt, vgl. z. B. Gestern hat es (SUBJ) die größten Tropfen (DO) geregnet, die ich je gesehen habe. Auf das Scheinsubjekt im Deutschen, seine Funktion und Entwicklung, wird jedoch näher in Teil III eingegangen.

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Theoretische Überlegungen

Der meteorologische Sachverhalts kann außer im Verb auch im Subjekt selbst ausgedrückt sein, wobei dann das Prädikat i. Allg. von einem relativ inhaltsleeren Verb gestellt wird, z. B.: Japanisch (Beispiel nach Broschart 1991: 33, Fußnote 2) Arne ga but-te-i-ru. rain NOM fall-CON-DUR-PRES.IMPFV 'Rain is falling.' Russisch lde-t dozd'. geh-3.P.Sg.Präs. Regen ,Es regnet.' (wörtlich: ,Geht Regen.*) Byl-a sein-3.P.Sg.Fem.Prät. ,(Es) war Winter.'

%tma}b Winter

Dabei scheint außerdem eine Tendenz zu bestehen, das Subjekt aufgrund seiner untypischen Eigenschaften (Indefinitheit, Unbelebtheit, NichtAgentivität) in die rhematische Position nach dem Prädikat zu bringen. 2. Empfindungsimpersonalia (typischer ,,0"-Bereich) Dass andererseits die angestammte Struktur für Empfindungsimpersonalia der „0"-Bereich ist, zeigt sich noch in vielen modernen Sprachen. Grundsätzlich gilt für die so genannten Empfindungsimpersonalia oder „internal agentless impersonals" etwa: „They present a verb denoting a psychological or physiological state" und „They present an animate participant in a marked syntactic position" (Moreno 1990: 256). Solche Verbkonstruktionen weisen einen belebten Experiencer im Akkusativ oder Dativ und damit einen Partizipanten mit Objektstatus auf, z. B. mich schaudert, mir graut. Ein eventueller Stimulus tritt typischerweise als Adverbiale auf {mirgraut davor). Fügungen dieser Art sind innerhalb des Indoeuropäischen besonders in den slavischen Sprachen vertreten, vgl. Russisch:

35

Die Kongruenz im Genus (Femininum) deutet m. E. darauf hin, dass qma ,Winter' hier als Subjekt aufzufassen ist und nicht als Prädikativum. Diese Einschätzung wird durch Behaghel (1924/1989: 126) unterstützt, der davon ausgeht, dass auch im Deutschen Konstruktionen wie es ist Abend (Subjekt es + sein + prädikatives Nomen) auf eine Struktur Subjekt + Vollverb sein zurückgehen. Im Russischen (und anderen Sprachen mit weniger ausgeprägter Subjekttendenz) wäre dieser Typus noch erhalten.

Perspektivierung

Mne chocetsja mir will-sich ,Ich möchte essen.'

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est'. essen

Jedoch kommt es aufgrund der Tendenz der „Subjektivierung" eines Partizipanten in den indoeuropäischen Sprachen häufig (als Parallel- oder Ersatzform) zur Nominativierung des Experiencers oder des Stimulus, vgl. dt. mich friert/ ich friere·, mhd. nach eime dinge jämert' in > nhd. etwas jammert ihn (s. Von Seefranz-Montag 1983: 186). Zum Experiencer (im Dativ) kann aber auch sein + Adjektiv bzw. Substantiv (im Subjekt) treten, wodurch eine Art Besitzverhältnis des Empfindungssachverhalts ausgedrückt wird (Beispiele nach Moreno 1990: 257f.).36 Russisch Junos-am boy-DAT+PLU

scast'e. happiness

'The boys are happy.' [wörtl.: ,Den Jungen (ist) Glück.'] Serbokroatisch Briga mu je to. worry he+DAT is for that 'He is worried about that.' Drago mi je. dear I+DAT is Ί am glad.' Das gleiche Verhältnis kann aber auch mit dem Verb haben ausgedrückt werden (s. a. Leiss 1992: 186f.), wobei der „Besitzer" im Subjekt, der Stimulus im direkten Objekt steht, ζ. B. dt. ich habe Hunger (vgl. mich hungert), frz. j'ai faim. Ebenfalls möglich ist ein logisches Prädikat wie in ich bin hungrig. 3. „Andere" Geschehenskonstruktionen (,,S"-Bereich) Neben die Empfindungsimpersonalia und meteorologischen Sachverhalte sind als dritte und sehr große Gruppe ganz „normale" Verben zu stellen,

36

Zu beachten ist dabei allerdings, dass in manchen Sprachen sein formal nicht repräsentiert ist, z. B. im Russischen (im Präsens).

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Theoretische Überlegungen

die eher Geschehen als Handlungen ausdrücken. Die dazugehörigen Konstruktionen sind in auffälliger Weise im „S"-Bereich angesiedelt. Im stärksten Maße wird eine Geschehenssemantik von Existenzverben (z. B. Gott existiert; Sasse 1987: 556) oder Kopulaverben wie sein, werden oder haben repräsentiert. Im Falle von sein führt dies zu so genannten logischen Prädikaten, z. B. meine Nachbarin ist Linguistin. Dabei fungiert die Kopula (in Sprachen, in denen sie vorhanden ist) als „assertion of existence (i. e. the reference to reality) with respect to the attributive relation between the content of noun and the content of adjective [or another noun]" (Goiab 1975: 2). Auch viele Intransitiva und Pseudotransitiva gehören hierher, da sie keinen agentischen, sondern einen patientischen sowie evü. einen Stimulus-Partizipanten aufweisen. Dass es sich um ein „untypisches" Subjekt handelt, ist in vielen Sprachen auch besonders gekennzeichnet. So kann das Prädikat (und nicht das Subjekt) die erste Position im Satz einnehmen, es kann nur das Subjekt betont sein (statt Subjekt und Prädikat)37 oder es steht ein spezifisches Element (z. B. dt. es) im Topik. Italienisch bevorzugt z.B. die erste, Deutsch die zweite und/oder dritte Option: Italienisch (Beispiel nach Schwarze 1995: 373) Arriva il traghetto. ,Die Fähre kommt.' Deutsch Die FÄHre kommt.38 Es kommt die Fähre. Daneben können solche Verben aufgrund der fehlenden Kontrolliertheit durch ein Agens i. Allg. nicht im Imperativ erscheinen und kein persönliches Passiv bilden, auch lassen sie sich nicht mit Adverbien verknüpfen, die Willkürlichkeit signalisieren {gerne, freiwillig etc.) (vgl. Bußmann 2002: 742, s. v. Vorgang vs. Handlung). Bei den Intransitiva betrifft dies v. a. Konstruktionen wie (die Blume) blüht, (der Baum) wächst schnell, (die Kinder) gedeihen, (die Aste) wehen im Wind usw. Dabei ist das Patiens im Subjekt, ein eventueller Stimulus bevorzugt als instrumentales oder lokales Adverbiale kodiert: der Baum kippte durch den Windstoß um, die Äste wehen im Wind. Man spricht hier auch von ergativen bzw. unakkusativischen Verben (s. a. Kapitel 1.2.2). 37 38

Man vergleiche zum Englischen und Deutschen z. B. Sasse (1987: 519-530). Zum Verhältnis von italienischen und entsprechenden deutschen Sätzen s. a. Schwarze (1995: 374).

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Perspektivierung

Bei den Pseudotransitiva gestalten sich die Verhältnisse umgekehrt, da das Patiens aufgrund der zugrunde liegenden Struktur transitiver Verben durch das Akkusativobjekt repräsentiert ist, weshalb hier der Stimulus im Subjekt steht. Vergleiche etwa: ich traf sie gestern zufällig in der Stadt (*Sie wurde gestern von mir getroffen), der Schal juckt mich (*Ich werde von dem Schal gejuckt), die Strömung treibt das Boot vom Ufer weg.39 In Sprachen, die nicht einer solch starken Subjekttendenz unterliegen (z. B. Slavisch), kann der Stimulus auch als instrumentales Adverbiale erscheinen. Das Verb unterliegt dabei keinen Kongruenzerscheinungen und steht deshalb grundsätzlich in der 3. Person Singular Neutrum. Die jeweiligen Sätze sind dann zwar entity-zentral, aber subjektlos, also im „0"-Bereich angesiedelt, vgl. Russisch (Beispiele nach Siewierska 1984: 94): Bur-ej povali-lo derev-o. storm-INSTR knock over-PAST:NEUTR tree:ACC 'The tree was knocked over by the storm.' [wörtlich: ,(Es) warf den Baum durch den Sturm um.'] versus Burja povali-la storm-NOM knock over-PAST:FEM 'The storm knocked over the tree.'

derev-o. tree:ACC

Das bedeutet aber, dass in Sprachen mit Subjekttendenz theoretisch mögliche ikonische Verhältnisse, bei denen unterschiedliche Semantik auch unterschiedlicher Struktur entspricht, zugunsten von dominierender Subjekthaltigkeit gestört sind. Thetizität zeichnet sich also zunehmend durch Entity-Zentralität und zugleich Subjekthaltigkeit aus.40 Dadurch wird aber, analog zu kategorischen Sätzen, zusätzlich Event-Zentralität mit Hilfe eines „schlechten", d. h. semantisch entspezifierten Subjekts möglich, vgl. die Blume blüht vs. es blüht (was dann häufig als impersonate oder unpersönliche Konstruktion bezeichnet wird).

39

40

Im Deutschen ist allerdings ein persönliches Passiv häufig auch dann möglich, wenn keine Kontrolle vorliegt, vgl. z. B. das Boot wird von der Strömung weggetrieben, das Piratenschiff wird von der Kanonenkugel getroffen usw. (s. a. Kapitel II.2.4). Dabei wird die semantische Definition des Subjekts automatisch diffuser, da der Prototyp „Agens" immer mehr aufweicht. Es stellt sich die Frage, ob dies nicht auch Konsequenzen für die Einordnung einer solchen Sprache im Hinblick auf die Pole topik-prominent und subjekt-prominent im Sinne von Li/Thompson 1976 hat (s. Kapitel II.3.1).

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Theoretische Überlegungen

Ein solch „neues" Katego nzitäts/Thetizitäts-Schema kann folgendermaßen aussehen:

An den Rand gedrängt sind Konstruktionen im entity-zentralen Bereich mit Partizipant (der aber nicht Subjekt ist) sowie im event-zentralen Bereich ganz ohne Partizipant (und damit ohne Subjekt). Der thetische Bereich sieht also komplett so aus:

Mit noch weiter fortschreitender „Subjektivierung" werden nichtsubjekthaltige Konstruktionen ganz beseitigt. Dadurch kommt es speziell im event-zentralen Bereich zur Einführung nicht-referentieller Scheinsubjekte, z. B. deutsch es (s. dazu Teil III). Im Übrigen ist es auch denkbar, dass in manchen Sprachen nicht kategorische, sondern thetische Strukturen dominieren und in den Handlungsbereich „überschwappen". So postuliert Bechert (1991: 12f.) z. B. für

Perspektivierung

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Irisch sowie für uralische und türkische Sprachen als basale Kategorie thetische Sätze.41 Grundlegende Thetizität wird im Übrigen von Sasse (1987: 522) auch für austronesische Sprachen angenommen. Darauf kann an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden. Abschließend seien hier noch einmal die wichtigsten Merkmale primärer (d. h. unmarkierter) kategorischer und thetischer Sätze in Subjektsprachen genannt. 1. Kategorizität zeichnet sich zum einen durch Handlungssemantik und damit durch „prototypical action verbs, i. e. volitional causative verbs" (Haspelmath 2001: 67) aus. Dies impliziert idealerweise ein Agens (im Subjekt) sowie ein affiziertes Patiens (im Objekt). Kategorische Sätze sind also im Bereich semantischer Transitivität angesiedelt , was auch bedeutet, dass das Verb eher perfektiv als imperfektiv sein sollte (vgl. dazu auch zur semantischen Transitivität Kapitel 1.2.3). Dabei ist das Agens oder Subjekt autonomer, weniger stark ans Verb gebunden als ein eventuelles Patiens oder Objekt, das von ihm selektiert wird. Die konzeptuellen Foci liegen somit zum einen auf dem Agens bzw. Subjekt (dadurch entsteht automatisch Entity-Zentralität), zum anderen auf dem Prädikat (im weiteren Sinne, d. h. unter Einschluss des Patiens). Es entsteht eine dichotomische, zweipolige Struktur. Man kann auch von Innenperspektive sprechen, da die interne Struktur des Ereignisses explizit gemacht wird.

Zwar sinkt der Grad an Kategorizität bzw. semantischer Transitivität, wenn es bei einem Verb außer dem Agens keine weiteren Partizipanten gibt oder diese „verblasst" sind (z. B. entspezifiziert oder Experiencer). Dies hat jedoch kaum Konsequenzen, solange das Agens als solches im Subjekt erhalten bleibt. Ein gewisser Schub ergibt sich allerdings dann, wenn das Agens weniger semantisch transitiv im Sinne von entspezifiziert ist, da sich der konzeptuelle Focus dann zum Prädikat hin verschiebt. Entity-Zentralität wird zu Event-Zentralität.

41

Für den Hinweis auf Bechert 1991 und die Bereitstellung seines Vortragsmanuskripts danke ich Barbara Wehr.

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Theoretische Überlegungen

2. Thetizität zeichnet sich im Gegensatz zu Kategorizität durch semantische Intransitivität aus. Das heißt, es herrscht Geschehenssemantik vor, wobei das Verb eher imperfektiv als perfektiv sein sollte. Hinsichtlich möglicher Partizipanten liegen entweder keine oder nicht-agentische vor. Man kann hier von (spezifisch thetischer) Event- bzw. Entity-Zentralität sprechen. Die jeweiligen Partizipanten sind als Nicht-Agens stärker ans Verb gebunden (und haben idealerweise den Status von Objekten), weshalb sie als zum Prädikat (im weiteren Sinne) gehörig betrachtet werden können. Konzeptuell handelt es sich also um eine „monolithische", einpolige Struktur bzw. eine Außenperspektive.

Aufgrund des Übergewichts von kategorischen Sätzen in Subjektsprachen kommt es jedoch häufig vor, dass auch in Geschehenskonstruktionen ein Partizipant als Subjekt kodiert wird, womit sich jedoch weder die Geschehenssemantik noch das monolithische Konzept ändert. Die „Subjektivierung" hat allerdings insofern Konsequenzen, als jetzt das Schema für Event-Zentralität aus dem kategorischen Bereich übertragen werden kann. Durch EntSpezifizierung des Subjekts (wofür z. B. es im Deutschen eintritt) entstehen „neue" event-zentrale Sätze.

3.3.2 Sekundäre Ereignisperspektivierung Bisher haben wir nur von primärer Kategorizität und Thetizität gesprochen, die auch semantisch durch Handlungs- vs. Geschehenssemantik motiviert war. Der zentrale Punkt ist nun, dass für eine Sprache entweder Kategorizität bzw. Handlungskonstruktionen oder Thetizität bzw. Geschehenskonstruktionen typisch ist. Für die meisten SAE-Sprachen sind dies primäre Kategorizität bzw. Handlungskonstruktionen mit Subjekt. Dies wirkt sich in zwei Richtungen aus. Einerseits kommt es im Bereich primärer Thetizität zu einer Übergeneralisierung der kategorischen Struktur, d. h. auch Geschehenskonstruktionen zeichnen sich überwiegend durch das Vorhandensein eines (externen) Subjekts aus (sowohl entity- als auch event-zentral). Gleichzeitig besteht aber ein Defizit im unterrepräsentierten thetischen Bereich, was zur Bildung „neuer" thetischer oder Geschehenskonstruktionen führt. Darauf weist schon Weisgerber (1963: 233) unter der

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Kapitelüberschrift „Die täterabgewandte Diathese" hin, unter der er u. a. auch Passiv und Antikausativum behandelt (nach Welke 2002: 269). M. E. sind hier aber fälschlicherweise zwei verschiedene, wenn auch konzeptuell verwandte, Dinge vereinigt. Beim Antikausativum liegt nämlich weder ein Agens noch Agentivität vor, es handelt sich um echte Geschehen oder primäre Thetizität. Allerdings ist die Konstruktion selbst abgeleitet, denn durch die Hinzufügung eines Antikausativ-Markers an Handlungsverben wird ausgedrückt, dass kein Agens impliziert ist, weder semantisch noch syntaktisch. Steinbach (2002: 4) spricht hier von „argument reduction", wobei diese Operation „completely removes the suppressed argument from the semantic representation" (vgl. auch Haspelmath 1987: 5, 7; Beispiele ebd. 2). Deutsch Die Tür öffnet

sich. ANTIC

Hausa Audu ya dama-u da Audu TM worry-ANTIC with 'Audu worries about this matter.'

shawarar thing

nan. this

Russisch Palk-a sloma-la-s'. stick(F)-NOM break-PAST:F.SG-ANTIC 'The stick broke.' Da es sich dabei nicht um eine bewusste, willentliche Steuerung durch ein Agens handelt, wird beim Antikausativum auch von einem „spontanen" Ereignis gesprochen (Haspelmath 1987: 7). Kulonen (1986: 225) nennt eine solche Bildung im Wogulischen „automative" und merkt an, dass hier (wie im Prinzip auch bei unmarkierten primär thetischen Sätzen) Stimuli möglich sind, z. B. aus dem Bereich „[natural] Force" wie in the sun is hidden by a cloud (ebd. 226). Das typische Antikausativum scheint subjekthaltig und damit entitiy-zentral zu sein, wobei aber wiederum sekundäre EventZentralität möglich ist, vgl. der Himmel übersieht sich (mit Wolkenj vs. es übersieht sich (mit Wolken). Um eine ganz andere Art von „Täterabgewandtheit" handelt es sich dagegen beim Passiv, das hier als sekundäre Thetizität eingestuft wird. Dabei bleibt das Agens (und damit die Handlungssemantik) impliziert, selbst wenn es strukturell „degradiert" wird. Genauer gesagt ist diese „Degradierung" sogar unerlässlich, denn bei sekundär thetischen Sätzen geht

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Theoretische Überlegungen

es darum, dass das zentrale Merkmal für die „Zwei—heit" kategorischer Sätze, nämlich das Vorhandensein eines agentischen Subjekts, beseitigt wird. Man vergleiche dazu auch Sasse (1987: 565): „The grammatical mechanisms of forming thetic statements are thus necessarily connected intimately with the removal of the grammatical subject—predicate relation in those languages in which it is strongly grammaticalized, [...]." Das bedeutet aber auch, dass das so genannte persönliche Passiv innerhalb der sekundär thetischen Sätzen markiert ist. Trotz der Füllung mit einem untypischen, weil nicht-agentischen, Partizipanten, liegt hier aus struktureller Sicht ein eindeutiges Subjekt vor, dadurch wird sozusagen der thetische „S"-Bereich repräsentiert. Mit der Merkmalskombination „markiertes Handlungsverb" + „affizierte Einheit im Subjekt" entspricht es dem Antikausativum, d. h. einer markierten Geschehenskonstruktion bzw. einem primär thetischen Satz. Dadurch, dass aber gleichzeitig auch noch ein Agens impliziert ist, wird eine eigene Kategorie „sekundäre Thetizität" aufgebaut. Durch das Kopieren von typischen Merkmalen primär thetischer Konstruktionen (z. B. kein Subjekt oder kein Agens in Subjektposition, Agens in Stimulus"verkleidung") wird eine sekundäre Monolithisierung oder Außenperspektivierung auf konzeptueller Ebene erzielt. Es gilt also Ähnliches wie für primär thetische Sätze (s. o. in Kapitel 1.3.3.1).

Wenn das Passiv deshalb als sekundäre Geschehens- oder Vorgangskonstruktion u. Ä. bezeichnet wird (z. B. Welke 2002: 167; 269f., dort mit Verweis auf Eisenberg 1989, Leiss 1992, Pape-Müller 1980 oder Von Polenz 1985), so sollte klar sein, dass es sich hier nur um die strukturellen Merkmale von Geschehenskonstruktionen handelt. Impliziert bleibt weiterhin Agentivität, sowohl beim persönlichen wie beim unpersönlichen Passiv. Deshalb ziehe ich den Terminus sekundäre Thetizität vor, da er nicht notwendigerweise auf Geschehen oder Handlungen abzielt. Der ideale oder unmarkierte sekundär thetische Satz wäre damit einer, der jeweils einem kategorischen Satz entspricht, jedoch mit strukturell „degradiertem" Subjekt. Dies impliziert zum einen Handlungssemantik und damit ein typisches, d. h. kontrollierendes und menschliches, Agens. Zum anderen sollten aber außer dem Subjekt keine anderen Satzglieder verändert werden, es ergeben sich im Idealfall subjekdose Sätze. Dadurch liegt der Fokus auf dem Ereignis als solchem, das Ereignis wird monolit-

Perspektivierung

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hisch betrachtet: „ein Aktant [wird] vorgestellt, aber nicht allein, sondern als Bestandteil eines Faktums. An sich wird also das gan^e Faktum als solches ,gesetzt'" (Ulrich 1985: 102, zitiert nach Wehr 2000: 268). Hand in Hand damit geht offensichtlich auch eher Aktualität bzw. Situationsgebundenheit, während die Schilderung von generischen Ereignissen seltener ist (Shibatani 1991: 99). Anwendung finden sekundär thetische Sätze v. a. bei der Beschreibung von Hintergrundsituationen (Sasse 1987: 528) oder um auf allgemeine „Was ist passiert?"-Fragen zu antworten (ebd.535). Ihre Funktion ist, „establishing scenery, where information is not given about someone or something, but about an entire state of affairs" (ebd.) (s. a. Sasse 1995: 14-20). Optimal geeignet für sekundäre Thetizität sind damit Handlungsverben, die entweder keine oder nur solche Objekte haben, die im Zweifelsfall nicht in die Subjektposition drängen, sondern als Objekte beibehalten werden. Das heißt aber, ideale sekundär thetische Sätze wären unpersönliche Passive vom Typ ,da wurde (von uns) gekichert' / ,gleich wird dir (von mir) geholfen' / ,gleich wird (von uns) den Koffer gepackt'. Überraschend ist dies deshalb, da Kazenin anhand seiner Implikationshierarchie gezeigt hat, dass gerade letztere Variante mit beibehaltenem direkten Objekt sehr selten zu sein scheint (in Anlehnung an Kazenin 2001: 905; vgl. Kapitel 1.1.1): Persönliches Passiv > Unpersönliches Passiv von Intransitiva > Unpersönliches Passiv von Transitiva. Allerdings weist Shibatani 1998 darauf hin, dass es durchaus Fälle gibt (wenn auch wenige), die diesem Schema nicht entsprechen. So nennt er etwa die indischen Sprachen Marathi (Indo-Arisch) oder Kannada (Drawidisch), die nur ein unpersönliches Passiv von Transitiva zu haben scheinen (ebd. 134). Kazenins Schema bezieht sich offensichtlich auf Sprachen mit Subjekttendenz bzw. der Übergeneralisierung subjekthaltiger Strukturen auch im thetischen Bereich. Hier kommt es dann darauf an, in welchem Maße die jeweilige Sprache ihren Objekten „erlaubt" oder sie sogar „zwingt", im Passiv strukturell Subjektstatus anzunehmen. Das ist deshalb möglich, weil durch die Degradierung des Agens die Subjektstelle ganz beseitigt oder auch wieder besetzt werden kann. Am stärksten drängen in die Subjektposition maximal affizierte patientische Partizipanten (persönliches Passiv), die im Aktiv als direktes Objekt fungieren. Manchmal, aber sehr selten, wird hier noch einmal differenziert, indem sich nicht-autonome, d. h. innere oder nicht-referentielle, Entitäten im Objekt einer Verschiebung widersetzen. Da die Objekte

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Theoretische Überlegungen

deshalb beibehalten werden, ergibt dies Kazenins - folgerichtig seltenes „unpersönliches Passiv von Transitiva". Ein solcher Verschiebungswiderstand findet sich auch häufig im Falle von Reflexivpronomina, da sie referentiell mit dem Agens identisch und deshalb minimal autonom sind. Autonome Objekte außerhalb der Patiensfunktion werden dagegen in der Regel (aber nicht immer, vgl. Latein) als nicht subjektfähig eingestuft, was die Beibehaltung des Markers im Passiv nach sich zieht. Das ist das „unpersönliche Passiv von Intransitiva" (s. o.). Da patientische Objekte außerdem häufig unbelebt, nicht-patientische belebt sind (Rezipient, Benefaktiv), kann sogar bei ein und demselben transitiven Verb eine Differenzierung durchgeführt werden, was (in Anlehnung an das differentielle Objekt) als differentielles Subjekt eingestuft wurde. Als Beispiel kann das Spanische herangezogen werden, wo im sePassiv im Falle von Unbelebten ein typisches, weil kongruierendes Subjekt vorliegt (unmarkierter Partner), mit Belebten jedoch ein nichtkongruierendes „objekthaftiges" Subjekt (markierter Partner). Aus Sicht eines idealen sekundär thetischen Satzes, beginnend mit a), ergibt sich also folgende Hierarchie im Hinblick auf das Passiv. UP a) beib. direktes Objekt (Transitiva): jet^t wird Zähne geputzt, jet^t wird sich gewaschen b) keine Objekte (objekdose Intransitiva): da wird gekichert c) indirekte Objekte (objekthaltige Intransitiva): mir wird geholfen d) differentielles Subjekt (Transitiva; markierter Partner) e) Subjekt (Transitiva): wir werden geschlagen oder differentielles Subjekt (Transitiva; unmarkierter Partner) PP Dabei scheint jetzt noch ein Typus zu fehlen, nämlich Konstruktionen vom Typ jet^t wird gefeiert, d. h. ein Passiv von einem absolut verwendeten transitiven Verb mit fakultativem direkten Objekt {etw. feiern). M. E. liegt hier lediglich ein Passiv mit einem ausdrucksseitig nicht realisierten generalisierten bzw. generischen Subjekt vor, also entsprechend jetqt wird (etwas) gefeiert, das in der Verbendung kodiert ist. Die Subjekthaltigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass eine Konstruktion wie Feierndes (gibt es immer) möglich ist, die jedoch ein modales Passiv mit generalisiertem Subjekt (X) ist ψ feiern impliziert. Dies zeigt ein Vergleich mit analogen Sätzen mit

Perspektivierung

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nicht-generalisiertem Subjekt: das verkaufende Auto impliziert das Auto ist verkaufen.42 Das unterstützt auch noch einmal die These, dass das „subtrahierte" Objekt in absolut verwendeten Transitiva weiterhin im Bauplan des Verbs verankert ist und nur ausdrucksseitig nicht realisiert wird (s. Kapitel II. 3.2). Wenn sich also in einer Sprache sekundäre Thetizität nicht durch reine Subjektlosigkeit, sondern ebenso durch kategorizitätstypische Subjekthaltigkeit auszeichnet, ergibt sich auch hier eine doppelte Struktur. In Anlehnung an das Schema zur primären Thetizität in Kapitel 1.3.3.1 könnte dasjenige für sekundär thetische Sätze im Deutschen folgendermaßen aussehen. entity-zentral

event-zentral ohne Partizipant da wird gekichert

mit autonomem Partizipanten

mit autonomem generalisiertem Partizipanten oder nicht-autonomem Partizipanten

mir wird geholfen

da wird geholfen da wird Zähne gepulst

ohne Subjekt mit Subjekt mit nicht-generalisiertem Subjekt

mit generalisiertem Subjekt

wir werden geschlagen

Ijeute wird (etwas) gefeiert

Wiederum aus Sicht eines idealen sekundär thetischen Satzes sind Konstruktionen ohne Subjekt grundsätzlich als „besser" einzustufen als solche mit Subjekt, und Event-Zentralität ist „besser" als Entity-Zentralität. Damit ist das typische persönliche Passiv (+S, entity-zentral) in unten stehender Skizze links, das typische unpersönliche Passiv (—S; event-zentral) rechts einzuordnen. In der Mitte befinden sich Zwischenstationen mit Bezügen zu beiden Seiten.

42

Diesen Hinweis verdanke ich Nanna Fuhrhop.

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Theoretische Überlegungen

event-zentral

J

jet^t wird gesungi

+s +s ich werde geschlagen

entity-zentr

Λ

event-zentral jet^t wird gelächelt jet^t wird Zähne geputzt jet^t wird sich gewaschen jet^t wird gelx) Ifen

^

r

Ein Problem für die Terminologie stellt dabei das hier als event-zentral, aber subjekthaltig, eingeordnete Passiv vom Typ jet^t wird gesungen dar. Traditionell wird es zum unpersönlichen Passiv geschlagen, wodurch sich dann allerdings die bisherige einfache Opposition von subjekthaltigem persönlichem Passiv und subjektlosem unpersönlichem Passiv nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Deshalb wird vorgeschlagen, nur noch von persönlich und unpersönlich, unter Absehung von subjekthaltig bzw. subjektlos, zu sprechen. Unter unpersönlich lässt sich dieser Typus nämlich weiterhin einordnen, da die traditionelle Definition von „unpersönlich" oder „impersonal" auch ein unspezifisches oder generelles Subjekt zulässt, (vgl. ζ. B. Behaghel 1924/1989: 122). Bemerkenswert ist dabei außerdem, dass die Subjekttendenz beim unpersönlichen Passiv (im hier angenommenen weiten Sinne) viel weniger stark ausgeprägt ist als im Bereich primärer Thetizität. Da es sich um thetische Handlungskonstruktionen handelt, die in Opposition zu kategorischen und damit subjekthaltigen Handlungskonstruktionen stehen, und Thetizität durch Subjektdegradierung erreicht wird, ist dies jedoch nur folgerichtig. Das zeigt sich etwa auch darin, dass das generalisierte Subjekt wie in heute wird gefeiert nicht extern (ζ. B. als es), sondern intern in der Verbendung kodiert ist. Eigentlich ist also das Passiv „nur" eines von mehreren Mitteln zur Perspektivierungsveränderung von Partizipanten (s. Kapitel 1.3.2). Die Tatsache, dass davon speziell der zentrale Partizipant, das Subjekt, betroffen ist, hat jedoch den Nebeneffekt, dass es zur sekundären Thetisierung bzw. zur sekundären Außenperspektivierung eines Ereignisses genutzt werden. Dabei zeichnet sich optimale Thetizität, primäre wie sekundäre, grundsätzlich durch Subjektlosigkeit aus. Subjektsprachen tendieren jedoch immer wieder zu subjekthaltigen Strukturen, die dann beseitigt wer-

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den, so dass sich ein Wechselspiel ergibt. Ist das Passiv deshalb erst einmal als Mittel zur „Subjektbeseitigung" eingeführt, kann es sogar passieren, dass auch primär thetische Sätze, also „echte" Geschehenskonstruktionen passiviert werden. In vielen Sprachen scheinen davon allerdings nur Verben betroffen zu sein, die von ihrer Merkmalskombination ohnehin zwischen Handlung und Geschehen angesiedelt sind. So hatte Shibatani (1998: 121) gezeigt, dass ein Passiv auch dann gebildet werden kann, wenn zwar nicht Kontrolle, wohl aber Belebtheit, wie etwa bei Tieren, vorliegt, z. B. niederländisch er wordt geblaft/gebinnikt/gekrast/gemiauwd (vgl. Kapitel 1.2.4). In anderen Sprachen, etwa Irisch oder Litauisch, kann das unpersönliche Passiv aber tatsächlich regelmäßig auch nicht-belebte Entitäten erfassen. Irisch (Beispiele nach Shibatani 1998: 126; s. a. Kapitel 1.2.4) Seasta anseo. stand-IMPERS here 'One stops here/Cars stop here.' agfisTahar is-IMPERS at growing. 'There is growing (going on).'

Litauisch (Beispiel nach Shibatani 1998: 126) Cia zoles aug-t-a. here grass.GEN grow-PAST.PASS.PART-NEUT 'It seems grass grew here.' Wie ebenfalls bereits in Kapitel 1.2.4 angemerkt, lässt sich hier außerdem beim unpersönlichen Passiv von Nicht-Belebten im Litauischen „eine Verwandtschaft mit der indirekten Aussageweise" beobachten (Christen 1995: 124), weshalb diskutiert wird, ob man diese Art von Konstruktion überhaupt noch Passiv nennen soll (ebd. 123f.). Eine Uminterpretation ist allerdings nicht zwingend, wie das Irische zeigt (s. o.). Da sich aber Thetizität grundsätzlich durch eine Abschwächung des Merkmals Kontrolle u. Ä. auszeichnet, besteht Affinität zu evidentialen Kategorien wie Quotativ und Inferential, die nicht-direkte Erfahrung und damit eine Art NichtKontrolle ausdrücken. Im Litauischen scheint dies speziell der Inferential zu sein, der durch Deduktion erschlossenes Wissen signalisiert (vgl. Christen 1995: 124; Shibatani 1998: 126). Markierte Evidentialität kann also offensichtlich als Nebenbedeutung von sekundärer Thetizität entste-

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Theoretische Überlegungen

hen, wobei der Schwerpunkt im Geschehensbereich zu liegen scheint, wo also von vornherein Nicht-Kontrolle gegeben ist. So erklärt sich auch, warum laut Shibatani (1998: 126) im Litauischen sogar Geschehensverben ohne jeglichen Partizipanten ein unpersönliches Passiv bilden können (Beispiel ebd.; s. a. Kapitel 1.2.4). Nakt-i snig-t-a. night-ACC snow-PAST.PASS.PART-NEUTR '(It seems) it snowed at night.' Da dies nicht mehr mit der Funktion der Subjektbeseitigung zu erklären ist, muss man hier von einer Übergeneralisierung der InferentialBedeutung im Bereich der Geschehensverben bzw. -konstruktionen ausgehen. In manchen Sprachen, z. B. Irisch oder Litauisch, ist das unpersönliche Passiv im Übrigen nicht auf das Aktiv beschränkt, dort kann sogar ein persönliches Passiv, also eine markierte Geschehenskonstruktion mit nicht-kontrollierendem Subjekt, die Ausgangsbasis sein. Dies führt zu einer Art doppeltem Passiv. Irisch (Beispiel nach Noonan 2001: 9) Bhtotas do mo bhualadh ag be.PPRF.AUT to 1 S.GEN hit.NOM at 'There was hitting of me by Joseph.'

Seosamh. Joseph

Litauisch (Beispiel nach Christen 1995:123)43 Niekieno nebüta senos moteries buciuojama. ,*Von niemandem nicht wurde von der alten Frau geküsst.' Als nächstes stellt sich die Frage, ob es neben dem Passiv noch andere Mittel der „Subjektbeseitigung" gibt, mit denen ebenfalls sekundär thetische Sätze erzeugt werden können. Einen wichtigen Hinweis liefern hier Topiksprachen wie das Chinesische, die ja im Gegensatz zu Subjektsprachen nicht obligatorisch ein Passiv benötigen, um damit eine andere Verknüpfung von syntaktischer Funktion und semantischer Rolle herbeizufuhren (vgl. Kapitel 1.3.1). Allerdings ist auch hier die unmarkierte Ereignisdarstellung kategorischer Art, es liegen zwei Informationsfoci vor, Topik und Prädikat (vgl. auch Bechert 1991: 14). Um sekundär thetische Sätze mit nur einem Fokus zu Zu diesem Beispiel von Christen bemerkt Wiemer (i. Dr.) allerdings, dass es von Muttersprachlern nur sehr bedingt akzeptiert wird.

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erzeugen, muss das Topik als zentraler Informationsfokus beseitigt werden, wobei sich strukturell markierte topiklose Sätze ergeben. Für das Chinesische als typische Topiksprache bedeutet dies, dass der entsprechende Partizipant indefinit ist und deshalb nach dem Verb stehen muss (Beispiel nach Li/Thompson 1989: 91). jtn-läi-k ji-ge ren enter-come-PFV one-CL person Ά person came in.' Eigentlich: ,Herein kam eine Person.' bzw. ,Da war Hereinkommen einer Person.' „In such sentences, the subject [gemeint ist das Agens] is usually an indefinite noun phrase, which cannot occur in sentence-initial position and cannot be a topic. Instead, the indefinite subject noun phrase must be placed after the verb. These sentences are called presentative sentences because they are structured to 'present* the indefinite noun phrase in discourse." (ebd. 91).

Auch in Subjektsprachen existieren solche Präsentativsätze, denen in der einschlägigen Forschung bisher jedoch relativ wenig Beachtung geschenkt wurde.44 Präsentativsätze weisen zwar ein Subjekt auf, das jedoch durch seine rhematische Position als „nicht normal" gekennzeichnet ist. In Kapitel 1.3.3.1 hatten wir gesehen, dass es sich dabei v. a. um ein häufiges Merkmal primär thetischer Sätze handelt. So kann etwa das Strukturmerkmal der Füllung der ersten Position im Satz durch das finite Verb auch auf prototypisch kategorische Sätze übertragen werden und erzeugt dort eine sekundäre Thetisierung, z. B. neugriech. Tilefonise ο Kostas! 'Kostas has called!' (Beispiel nach Sasse 1996: 31).45 In einigen Sprachen, ζ. B. Deutsch, muss das finite Verb im Aussagesatz jedoch grundsätzlich in der zweiten Position stehen. Im Rahmen von Kategorizität und Thetizität kann man sagen, dass „Zwei—heit" auf einer niedrigeren Ebene (sozusagen „unterhalb" des Subjekts) obligatorisch geworden ist. Dabei kann die erste Position oder das Topik außer durch das Subjekt auch durch ein Adverbiale gefüllt sein, das das Ereignis raumzeitlich oder modal einordnet, ζ. B. morgen singt der Toller Knabenchor. Dies ist möglich, da das Subjekt aufgrund seiner spezifischen Merkmale (Nominativ, Kongruenz mit dem finiten Verb) weiterhin als solches erkennbar ist, auch wenn es nicht die erste Position im Satz einnimmt (vgl. Kapitel

44 45

Eine detaillierte Studie liegt m. W. nur zum Niederländischen mit Kirsner 1979 vor. Sasse 1996 ist auch sehr aufschlussreich im Hinblick auf die Kommunikationsfunktionen thetischer Sätze.

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Theoretische Überlegungen

1.3.1). Es handelt sich jedoch weiterhin um einen kategorischen Satz, es findet keine „Monolithisierung" statt. Das bedeutet nun aber, dass ein ganz spezifisches Topikelement benötigt wird, um deutlich zu machen, dass es sich um einen sekundär thetischen, und nicht um einen kategorischen (anders als vom Subjekt aus perspektivierten), XVS-Satz handelt. In einigen Sprachen wird das Topik deshalb von einem pronominalen Element repräsentiert, z. B. dt. es, frz. il oder norw./schwed. det,46 das in diesem Zusammenhang weder als Subjekt noch als Adverbiale missinterpretiert werden kann. Während das Deutsche also ein „subjektivisches" Topik-Element aufweist, geht der entsprechende Marker in anderen Sprachen doch auf ein Adverb zurück.47 So wird im Niederländischen die Topikfiinktion zur Bildung von Präsentativsätzen von er übernommen: er blaafi een hond 'there barks a dog / a dog barks' (Kirsner 1979: 2). Das Topikelement ist dabei identisch mit dem (unbetonten) lokalen Adverb er ,da', das historisch wiederum auf das betonte Lokaladverb daar ,da' zurückgeht (Abraham 1993: 119).48 vgl. een hond blaft in de tuin / hier / daar / er 'a dog barks in the garden /here/ there (stressed) / there (unstressed)' (Kirsner 1979: 3). Die „Degradierung" des Subjekts wird in manchen Sprachen zusätzlich noch dadurch signalisiert, dass keine Kongruenz mehr zum finiten Verb vorliegt, was etwa im Französischen der Fall ist (Beispiel Lazard 1994: 1): il arrive des voyageurs. Das degradierte Subjekt nähert sich damit einem Objekt an,49 weshalb es manchmal auch eine eigene Kategorie zugewiesen bekommt, die sowohl vom Subjekt als auch vom Objekt distinkt ist (vgl. „actant H" bei Lazard 1994; zum Französischen ebd. 5-10). Da das Subjekt im Rhema steht, ist es außerdem vorzugsweise indefinit; auch Definitheit ist möglich, aber nicht immer akzeptabel (dies wird als „definiteness effect" bzw. Definitheitseffekt bezeichnet, vgl. Hauenschild 1993: 991 f.). Es kommt ein Ritter %um Tor herein. ?Es kommt der Kitter %um Tor herein. Inwieweit Definitheit zulässig ist, scheint von pragmatischen Faktoren abhängig zu sein, z. B. ob „die betreffende Nominalgruppe sich als neuer Redegegenstand interpretieren läßt", was nur unter bestimmten (noch 46 47 48 49

Hier sind bereits in voreinzelsprachlicher Zeit im Plural und im Neutrum Demonstrativa in den Bereich der Personalpronomina eingedrungen (Brugmann 1917: 2). Vgl. etwa auch engl, there (ζ. Β. Breivik 1977 und 1981). Dies gilt ebenso für dänisch der (Abraham 1993: 119). Siehe dazu auch Lambrecht 2000.

Perspektivierung

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nicht geklärten) Umständen der Fall ist (ebd. 997). Ausgeschlossen sind jedoch aufgrund ihrer singulären und damit maximal definiten Referenz Konstruktionen mit Nomina propria oder Personalpronomina: *es ist Karl gekommen·, *es kamen sie (Näßl 1996: 41). Auch Präsentativsätze sind nicht auf das Aktiv beschränkt. Da sie ebenso wie das unpersönliche Passiv der Subjektdegradierung dienen, kann auch ein persönliches Passiv die Ausgangsbasis sein, z. B. es werden ständig neue Häuser gebaut. Funktional entspricht diese Kombination von persönlichem Passiv und Präsentativsatz fast dem doppelten Passiv im Irischen oder Litauischen (s. o.). Zwar wird keine reine Event-Zentralität aufgebaut, aber durch die Subjekt-Degradierung erfolgt ein Schub in diese Richtung. Dadurch kann im Prinzip jedes Präsentativpassiv als unpersönliches, weil nicht kanonisches, Passiv eingeordnet werden, so dass die in der folgenden Skizze umrandeten Konstruktionen im Deutschen alle als unpersönliches Passiv bezeichnet werden können. Liegt eine Subjektgradierung vor, wird statt „S" in Anlehnung an Lazard ein Aktant „H" angenommen. event-zentral jet^t wird gesungen

^

+S der Hund wird erschlageη entity-zentral

es wird gesungen +H

+s

event-zentral

es wird der Hund erschlagen

jet^t wird gelächelt

+H

—^

es wird gelächelt etc.

-S

entity-zentral mir wird geholfen

^

es wird mir geholfen

-S

In manchen Sprachen, ζ. B. Italienisch oder Spanisch, ist das maximal subjekthaltige oder persönliche Passiv sogar weitgehend verschwunden. So steht das Subjekt im mit si gebildeten Passiv im heutigen Italienischen vorzugsweise rhematisch, ζ. B. si celebrarono le novge ,es wurde Hochzeit gefeiert' (Beispiel nach Schwarze 1995: 374). Da das Italienische Präsentativität mit Hilfe von VI signalisiert, wird dieses //-Passiv folgerichtig grundsätzlich als unpersönliches Passiv eingeordnet. In anderen Sprachen kann das ursprüngliche Topik-Element (das kategorische „Zwei-heit" signalisiert) im Laufe der Zeit sogar in alle einem Subjekt zugänglichen Positionen rutschen und übernimmt somit Subjektfunktion, vgl. ζ. B. Norwegisch (Bokmäl) (Beispiel nach Lenerz 1985: 111):

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Theoretische Überlegungen

Aussagesatz Det snakkes mye om vceret. ,Es wird viel über das Wetter gesprochen.' Dei bor mange mennesker i Oslo. ,Es wohnen viele Menschen in Oslo.' Fragesatz Snakkes *{det) mye om varet? ,Wird viel über das Wetter gesprochen?' Bor *{det) mange mennesker i Oslo? ,Wohnen viele Menschen in Oslo?' Im Norwegischen (wie im Festlandskandinavischen allgemein) setzt sich also die (Schein)Subjektivierungstendenz sogar im Bereich der sekundären Thetizität durch. Parallel dazu verliert das ursprüngliche Subjekt typische Merkmale, indem es z. B. nicht mehr durch einen Relativsatz modifiziert werden kann (Faarlund/Lie/Vannebo 1997: 835), so dass es fast wie ein ins Verb inkorporiertes Objekt erscheint (s. dazu noch genauer Kapitel II.3.3).

4. Das Passiv in seiner historischen Entwicklung 4.1 Reflexiv > Passiv (> generalisierte Subjektkonstruktion) In einer Arbeit von 1990 untersucht Haspelmath Passive von 31 Sprachen in ihrer historischen Entwicklung. Als häufigste „Quellen" v. a. auch für indoeuropäische Sprachen kristallisieren sich dabei Marker für Reflexivität (bzw. Reziprozität) (z. B. sich) und Inaktivität (z. B. sein) heraus.50 Innerhalb der indoeuropäischen Sprachen ist ein Passivmarker, der historisch gesehen auf ein pronominales Reflexivelement *s(w)e zurückgeht, etwa aus den romanischen, germanischen (skandinavischen) und slavischen Sprachen bekannt, z. B. ital. quest'articolo si vende dal tabaccaio .dieser Artikel wird im Tabakgeschäft verkauft' (Schwarze 1995: 186); dän. jeg elske-s Ί am loved', russ. seno kosit-sja 'the hay is (being) mowed' (Haspelmath 1990: 43, 45). 50

Außerhalb der indoeuropäischen Sprachen sind auch ursprüngliche Kausativelemente verbreitet, wie sie wahrscheinlich dem Passiv im Ungarischen, Grönländischen oder Tungusischen zugrunde liegen (vgl. Haspelmath 1990: 48).

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

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Die ursprüngliche Reflexivkonstruktion ist im Bereich entity-zentraler Kategorizität angesiedelt und impliziert ein Handlungsverb sowie die Identität von Agens und Patiens, z. B. russ. t y moes-sja ,du wäschst dich' (wörtlich: ,du wäschst sich*). Haspelmath (1990: 44f.) nimmt nun an, dass sich das Passiv aus einem solchen Reflexivum über die Zwischenstufe eines Antikausativums entwickelt hat. Ein Antikausativum ergibt sich nämlich dann, wenn mittels semantischer Erweiterung statt des ursprünglichen Agens ein nicht-agentiver Partizipant ins Subjekt gelangt, womit Affiziertheit des Partizipanten und gleichzeitig Spontaneität (statt bewusster Kontrolle) des Ereignisses gegeben sind, da ein Agens explizit ausgeschlossen ist (Haspelmath 1987: 5). Diese „Täterabgewandtheit" bedingt einen „Sprung" in den Bereich reiner Geschehenskonstruktionen bzw. hin zu entity-zentraler primärer Thetizität, vgl. ital. il sale si scioglie ,das Salz löst sich auf (Beispiel nach Schwarze 1995: 186). Ein unbelebter Stimulus im Sinne von ,das Salz löst sich im/durch das Wasser auf ist allerdings möglich (s. a. Kapitel 1.3.3.2). Eine neuerliche semantische Erweiterung, die obligatorisch eine externe, agentische Ηandlungsquelle impliziert (hinzugedacht oder in Stimulus„verkleidung" hinzugefügt), führt dann zum so genannten (persönlichen) Passiv, ζ. B. russ. pis'mo piset-sja 'the letter is (being) written' (Haspelmath 1990: 45). Aus einem eigentlich kleinen historischen Schritt ergibt sich damit der Aufbau des Bereichs der sekundären Thetizität. Da die affizierte Einheit im Subjekt steht, liegt der Beginn im entity-zentralen „S"-Bereich, d. h. mit Subjekt. Der Übergang vom Antikausativum zum Passiv mit (ursprünglichem) Reflexivmarker ist also fließend, weshalb es auch so scheint, als gäbe es hier ein Passiv mit unbelebtem "Agens". Gleichzeitig macht es auch die Voraussage möglich, dass bei Vorliegen von zwei oder mehr unterschiedlichen Passivformen in einer Sprache diejenige die ältere ist, die schon ein belebtes Agens zulässt, also nicht mehr Antikausativum, sondern bereits echtes Passiv ist (Shibatani 1998: 136f.). Während etwa die meisten romanischen und slavischen Sprachen sowie das Skandinavische den kompletten Weg vom Reflexiv über das Antikausativum zum Passiv gegangen sind, ist z. B. das Deutsche bei den Antikausativa „stecken geblieben". Die Kontrolle durch ein Agens ist nicht vorgesehen (Haspelmath 1990: 45). Die Erde dreht sich. Die Tür öffnet sich. Eine funktionsgleiche Konstruktion zum werden-Passiv element nicht vorstellbar:

ist mit Reflexiv-

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Theoretische Überlegungen ?? Der

Brief schreibt sich gerade (von mir/ durch mich). Φ Der Brief wird gerade (von mir) geschrieben. Ist es wie in einigen indoeuropäischen Sprachen aber erst einmal zu einem solchen entity-zentralen Passiv gekommen, steht einer weiteren Entwicklung in Richtung Event-Zentralität prinzipiell nichts mehr im Wege. Zum einen ist mit dem entity-zentralen Passiv automatisch nun nicht nur ein spezifisches, sondern auch ein unspezifisches bzw. generalisiertes Subjekt möglich, wie wir es in dt. gerade wird gegessen vorfinden. Damit ist auf konzeptueller Ebene der Übergang zur Event-Zentralität geschaffen, womit jetzt in einem nächsten Schritt auch ein Passiv von objektlosen Intransitiva, d. h. ein event-zentrales und gleichzeitig subjekdoses Passiv entstehen kann.51 Zum anderen ermöglicht ein entity-zentrales Passiv auch den Eintritt von Objekten (evd. über die Vorstufe eines differendellen Subjekts), wenn nämlich der entsprechende Partizipant Merkmale aufweist (ζ. B. Belebtheit), die ihn zu einem „schlechten" Subjekt machen (zu den entsprechenden Bedingungstypen vgl. Kapitel 1.2.2). In dem Fall kann die Objektmarkierung im Passiv beibehalten werden, ζ. B. altital. ti si scrisse ,dir wurde geschrieben/man schrieb dir' (Wehr 1995: 159, 201). Hier liegt zwar Entity· Zentralität vor, aber kein Subjekt, so dass ein unpersönliches Passiv von (objekthaltigen) Intransitiva entstanden ist. Handelt es sich außerdem um fakultative Objekte, die weggelassen werden und damit als generalisiert gelten können, so entsteht auch in diesem Bereich Event-Zentralität. In ganz seltenen Fällen kann das Prinzip der Beibehaltung der Markierung sogar auf transitive Verben und ihre Akkusativobjekte übertragen werden. Topikalität und damit Entity-Zentralität bleiben jedoch erhalten, vgl. altital. credo che lo s'occide ,ich glaube, man bringt ihn um' (Wehr 1995: 116, 200f.). Als dritte Möglichkeit erlaubt ein entity-zentrales Passiv unter bestimmten Bedingungen (z. B. Indefinitheit) schließlich auch die Rhematisierung des Subjekts und damit Präsentativität. Eine solche Struktur kann als (schwache) Subjektgradierung (zu „H") generalisiert werden und signalisiert außerdem einen ersten „Rutsch" Richtung Event-Zentralität (passivischer Präsentativsatz). Dabei kann Kongruenz vorliegen oder nicht, dies ist von Sprache zu Sprache und manchmal auch innerhalb einer Sprache (Dialekte, Soziolekte) verschieden. In einem nächsten Schritt wird das degradierte Subjekt sogar als Objekt uminterpretiert, was sich z. B. daran

Siehe dazu z. B. auch Curme (1922: 338), der ebenfalls von einer Motivation durch absolut gebrauchte transitive Verben ausgeht.

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

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zeigt, dass das finite Verb obligatorisch in der 3. Person Singular steht. Man vergleiche auch Selig (1998: 37) zum Italienischen: „Hier schließt an, daß diese nachgestellten PATIENS-Aktanten häufig auch die syntaktische Auszeichnung als Subjekte, nämlich die Verbkongruenz, verlieren und wieder als direkte Objekte kodiert sind." Sobald sich nun auch (zumindest ansatzweise) Akkusativmarkierungen zeigen, kann man von einem eventzentralen Passiv von Transitiva ausgehen.52 Das Entwicklungsschema kann also folgendermaßen aussehen:

entity-zentrales Passiv [+S; entity-zentral]

1. Stufe mit generalis. Subjekt [+S; event-zentral]

2. Stufe von objektl. Intransitiva [-S; event-zentral]

mit autonomem Objekt [—S; entity-zentral]

von objekth. Intransitiva [—S; event-zentral]

passiv. Präsentativsatz [+H; event-zentral]

v. Transitiva m. Obj.beib. [—S; event-zentral]

Alle drei Entwicklungsstränge sind unabhängig voneinander, sie müssen nicht alle realisiert werden, falls ja, kann die Realisierung zeitgleich erfolgen oder auch nicht. Die erste Stufe (generalisiertes Subjekt, autonomes Objekt, passivischer Präsentativsatz) ist dabei außerdem noch relativ häufig, dies gilt für die weitere Entwicklung (event-zentrales Passiv von objektlosen bzw. objekthaltigen Intransitiva sowie von Transitiva) nicht mehr. Speziell das event-zentrale Passiv von Transitiva scheint in Sprachen mit starker Subjekttendenz wenig ausgeprägt zu sein. Eine Konstruktion, bei der kein oder kein eindeutiges Subjekt (mehr) vorliegt, kann außerdem als generalisierte Subjektkonstruktion im Aktiv uminterpretiert werden. Dies führt in jedem Fall zur Unmöglichkeit der Agenshinzufügung, so dass dieses nur noch kontextuell oder zunehmend generisch zu interpretieren ist. Theoretisch kann es auch sein, dass erst jetzt, durch die Entwicklung Richtung aktivische generalisierte Subjektkonstruktion, Akkusativobjekte in der Fügung auftauchen. Das Gesamtentwicklungsschema könnte sich folgendermaßen gestalten:

52

Dies ist von dem sehr seltenen subjektlosen, aber entity-zentralen, Passiv von Transitiva zu trennen, s. o. altital. credo cht ίο s'ocade ,ich glaube, man bringt ihn um' (Wehr 1995: 116, 200f.).

98

Theotetische Überlegungen

Eine solche Entwicklung scheint z. B. im italienischen Reflexivpassiv vorzuliegen (s. Wehr 1995: 102-179). Dabei existieren die Passivkonstruktionen erster Sufe schon in den ältesten Texten des 13. Jahrhunderts. Agenshinzufügung ist „noch relativ häufig, aber sie ist sicher nicht die Regel" (Selig 1998: 36)." a) event-zentrales Passiv mit generalisiertem Subjekt: si ama ,es wird (etwas/jemand) geliebt'; b) entity-zentrales Passiv mit kasusmarkiertem Partizipanten: ti si scrisse (Dativobjekt) ,es wurde dir geschrieben/man schrieb dir'; c) event-zentrales Passiv mit Thematischem Subjekt (Minimalverschiebung Richtung Event-Zentralität): si vede ία Stella/si vedono le stelleI si vede le stelle ,es wird der Stern/werden die Sterne/wird die Sterne gesehen'. Bemerkenswert ist nun, dass die 2. Stufe von a), ein event-zentrales Passiv von Intransitiva vom Typ si va ,man geht/[es wird gegangen]' in den ältesten Texten noch nicht vorhanden ist; diese Konstruktion entsteht erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts mit Dante (Wehr 1995: 169). Die spätere Entwicklung bestätigt Naro (1976: 798f.) im Übrigen auch für das Portugiesische des 16. Jahrhunderts. Dazu passt, dass das Französische diese Kategorie überhaupt nicht ausgebildet hat (Wehr 1995: 169). Zur 2. Stufe von b), dem event-zentralen Passiv mit generalisierten kasusmarkierten Objekten, liegen mir keine historischen Angaben vor. 53

Weht 1995 geht allerdings auch furs Altitalienische nicht von einem Passiv, sondern bereits von einer generalisierten Subjektkonstruktion im Sinne von man (event-zentrale Kategorizität) aus. Diese Einschätzung wird hier nicht übernommen.

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

99

Ein Ausbau der 2. Stufe von c), passivischen Präsentativsätzen mit Thematischem Subjekt bzw. „H", erscheint erst zum Neuitalienischen hin zu erfolgen. Ein solches unpersönliches Passiv von Transitiva würde zwingend Singular im Verb vorschreiben, auch wenn in der Nominalphrase ein Plural steht. Eine entsprechende Konstruktion wie si vede le stelle gilt jedoch als Substandard (Wehr 1995: 233). Der Substandard zeigt m. E. hier schon deutlich die Entwicklung in Richtung event-zentrales Passiv mit Partizipant, die in der italienischen Standardsprache durch den Kongruenzzwang nicht sichtbar wird. Im Portugiesischen dagegen kommt es im 16. Jahrhundert zeitgleich mit der Ausbildung eines unpersönlichen Passivs von Intransitiva auch zu einem unpersönlichen Passiv von Transitiva und zwar ebenfalls durch den Ausbau des bereits vorliegenden Passivs mit Thematischem Subjekt, wobei sich allerdings der Singular im Verb grundsätzlich durchsetzt (Naro 1976: 799f.), z. B. vende-se estas casas 'they are selling these houses' (ebd. 780). Die Aufnahme eindeutiger Akkusativobjekte in die jeweiligen Konstruktionen erfolgt in beiden Sprachen nur zögerlich, und es ist nicht ganz klar, ob es sich dabei noch um einen Ausbau des Passivs von Transitiva oder bereits um eine Konsequenz der Umdeutung des Passivs zur generalisierten Subjektkonstruktion handelt. Das Portugiesische tendiert m. E. eindeutig zu Letzterem. Dafür spricht, dass in der modernen Sprache keine Agenshinzufügung mehr möglich ist, weshalb z. B. Naro (1976: 780) in einem Fall wie vende-se estas casas von einem „«-impersonal" (und keinem „Ji-passive") ausgeht. Konstruktionen mit eindeutig akkusativischem Personalpronomen scheinen aber hinsichtlich ihrer Grammatikalität noch sehr umstritten zu sein, z. B. temo que se me argua de [...] Ί am afraid that people will accuse me of [...]' (Naro 1976: 787 und Fußnote 21; Beispiel ebd. 787, Fußnote 21). Interessant ist dabei im Übrigen auch, dass das „alte" oder entityzentrale Passiv mit Subjekt bestehen bleibt, aber ebenfalls keine Agenshinzufügung mehr erlaubt (ebd. 780f.). Ich werde eine solche Form im Ubergang zwischen Passiv und generalisierter Subjektkonstruktion als Desubjektiv bezeichnen. Die „alte" Passivmarkierung ist dabei noch nicht als generalisiertes Subjekt zu interpretieren.54 Auch im Neuitalienischen finden Akkusativobjekte nur langsam Eingang in die Konstruktion mit si. Eindeutig hierher zu zählen sind Formen wie mi si V bzw. ti si V (,man Vt mich/dich") mit einem Patiens der 1. oder 2. Person (Wehr 1995: 200). Leider macht Wehr keine Angaben zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Form im Neuitalienischen, sie existiert 54

Den Terminus Desubjektiv übernehme ich dabei von Haspelmath (1990: 58), der damit jedoch den Umstand bezeichnet, dass die genetische Referenz auf das Agens nicht durch inhärente Flexion, sondern durch ein eigenes Element erfolgt.

100

Theoretische Überlegungen

jedoch bereits vor dem erst Anfang des 20. Jahrhunderts auftauchenden Akkusativ im Pronomen der 3. Person Singular, vgl. egli si vede NomMaskSg vs. lo si vede AkkMaskSg ,man sieht ihn' (ebd. 196-198). Trotzdem scheint im Italienischen noch keine reine generalisierte Subjektkonstruktion vorzuliegen, da die Möglichkeit der Agenshinzufügung laut Wehr (1995: 216) nicht ausgeschlossen, wenn auch stark eingeschränkt ist, sogar für das „alte" entity-zentrale Passiv (das dann nach unserer Terminologie in Richtung Desubjektiv tendiert). M. E. ist es durchaus möglich, dass sich hier beide Tendenzen überschneiden und stützen, zum einen die Beibehaltung von Akkusativen beim Ausbau eines unpersönlichen Passivs von Transitiva, gleichzeitig aber auch die verstärkte Entwicklung in Richtung generalisierte Subjektkonstruktion, die ebenfalls die Aufnahme von Akkusativobjekten favorisiert. Dies zeigt außerdem, dass der Ausbau eines event-zentralen Passivs von Transitiva unter Beibehaltung von Akkusativobjekten eher unwahrscheinlich ist, wenn es nicht gleichzeitig zu einer Entwicklung Richtung generalisierte Subjektkonstruktion kommt.

4.2 Inaktiv > Passiv (> generalisierte Subjektkonstruktion) Innerhalb der indoeuropäischen Sprachen gehen Passivmarker nicht nur auf ursprüngliche Reflexiva zurück, sondern auch auf Verben, die Inaktivität bezeichnen, z. B. dt. ich wurde bestohlen. Dazu Haspelmath (1990: 38): „By inactive I mean the opposite of active in the sense 'agentive, actional', i.e. 'non-agentive'. Sometimes Stative is used in this sense, but this term should be reserved for states. All states are inactive (because all actions are dynamic), but not all inactive situations are states. Thus, 'be' and 'sit' are both inactive and stative, but 'become' and 'fall' are inactive and dynamic." (Markierungen im Original). Es handelt sich also von vornherein um Geschehensverben, die als solche (primäre) entity-zentrale thetische Sätze mit einem Nicht-Agens im Subjekt oder Topik bilden. Werden in einem weiteren Entwicklungsschritt zusätzlich Handlungsverben in die Konstruktion geschleust, ergibt sich eine Mischung von Geschehen und Handlung bzw. sekundär thetische Sätze mit Entity-Zentralität. Wenn diese inaktiven Verben noch als autonome Elemente in der (späteren) Passivkonstruktion erkennbar sind, spricht man von einem periphrastischen, also einem „umschreibenden" Passiv. Sie können aber auch schon so weit grammatikalisiert sein, dass sie nur noch als Affixe am Verb erscheinen, das Passiv also synthetisch und nicht analytisch gebildet wird. So gehen vermutlich die Passivsuffixe im Türkischen {-it) und Japanischen (-ar(e)) auf das inaktive Verb sein zurück (Haspelmath 1990: 39).

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

101

Neben sein tauchen in Passivkonstruktionen weitere intransitive Geschehensverben auf, z. B. werden, bleiben, kommen, gehen (ebd. 38), aber auch Transitiva wie bekommen u. Ä. (ebd. 40). Konstruktionen mit transitiven Hilfsverben findet man v. a. im südostasiatischen Raum, wobei sich der Begriff „Passiv" eher aus semantischen Gründen im Sinne von „Leideform" zuweisen lässt, da es sich typischerweise um adversative Passive handelt, bei denen die negative Affiziertheit eines Partizipanten obligatorisch ist (ebd. 40-42).55 Dies gilt z. B. auch für das chinesische „Passiv" mit bei (vgl. Kapitel 1.3.2), das historisch auf ein transitives Verb mit der Bedeutung .bekommen' zurückgeht (Bennett 1981: 74). In den indoeuropäischen Sprachen sind dagegen Passive mit intransitiven Hilfsverben verbreiteter, besonders sein, vgl. z. B. im Germanischen, Romanischen und Slavischen: dt. Ich bin besiegt. ital. (Io) Sono vinta (FSg). tschech. Ja jsempremozena (FSg). Wie an der Struktur auch in den modernen Varianten der jeweiligen Sprachen noch zu erkennen ist, handelt es sich bei diesen Passiven um eine zugrunde liegende prädikative Struktur, d. h. um primäre entity-zentrale Thetizität (s. Kapitel 1.3.3.1). Dabei wird einem Subjekt mit Hilfe der Kopula ein Merkmal in Form eines Adjektivs oder Substantivs zugewiesen. Dadurch ergibt sich eine primäre Geschehensperspektive oder Thetizität. Partizipia Perfekta sind jedoch Verbalformen (historisch: Verbaladjektive), wodurch gleichzeitig Handlungssemantik vorliegt. Genauer wird ein Partizip Perfekt v. a. von perfektiven Verben gebildet und bezieht sich auf das Resultat der zeitlich vorausgehenden, im Verbstamm kodierten, Handlung. Im Gegensatz zu einem Adjektiv mit reiner Zustandsbedeutung sind also im Partizip Handlung und Zustand miteinander verknüpft (s. a. Leiss 1992: 185). Ausgedrückt wird der Zustand eines Partizipanten, wie er sich aus der vorausgehenden affizierenden Handlung durch ein Agens ergibt. In einem solchen Fall spricht man auch von einem „object-oriented resultative" (Nedjalkov 2001: 928). Die passivische Bedeutung resultiert dabei zum einen aus der Affiziertheit des Partizipanten im Subjekt, zum anderen aus der Tatsache, dass diese Affiziertheit explizit durch die Handlung eines Agens bedingt ist. Der affizierte Partizipant im Subjekt impliziert zum einen Entity-Zentralität, zum anderen (primäre) Thetizität. Durch das Merkmal der Agentivität kommt es jedoch gleichzeitig zu se-

55

Ammann (1961: 96) weist daraufhin, dass auch im Indoeuropäischen „Leide-Verben" wie schlagen u. A. die ursprünglichen waren.

102

Theoretische Überlegungen

kundärer Theti2ität, da keine reine Geschehensperspektive mehr vorliegt. Ebenso wie das „Reflexiv"-Passiv ist das entity-zentrale „Inaktiv"-Passiv also eine Kategorie, die in Subjektsprachen früher auftritt und auch typischer ist als die event-zentrale Variante. Ein solches „object-oriented resultative" ist nicht zu verwechseln mit einem „subject-oriented resultative" (Nedjalkov 2001: 928), das nicht von Transitiva, sondern typischerweise von unakkusativischen perfektiven Intransitiva gebildet wird und damit kein resultatives Passiv, sondern ein resultatives Aktiv, genauer ein resultatives Präsens darstellt.56 dt. Ich bin angekommen. ital. (Ίο) Sono venuta (FSg). tschech. Jajsemprisla (FSg). „What is common to the passive adjectival use and the unaccusative adjectival use is that the adjective refers to the state of the verb's patient that results from its undergoing the complete verbal action. Therefore such participles should be called resultative participles, rather than 'passive participles'." (Haspelmath 1990: 40). Zwar liegt auch im Falle eines „subject-oriented resultative" Affiziertheit vor, die jedoch nicht durch ein (externes) Agens bedingt ist, so dass die Konstruktion entity-zentral und primär thetisch bleibt, und es nicht zu sekundärer Thetizität kommt. Ebenfalls im entity-zentralen und primär thetischen Bereich sind (parallel zu ,,Reflexiv"-Antikausativa) „Inaktiv"-Antikausativa angesiedelt, d. h. Konstruktionen von transitiven Handlungsverben mit affiziertem Partizipanten, wobei es sich jedoch um ein echtes „täterabgewandtes" Geschehen handelt. Antikausativa schließen ein Agens aus, erlauben jedoch die Hinzufügung eines (nicht-agentischen) Stimulus: die Sonne ist von den Wolken verdeckt (s. a. Kapitel 1.3.3.2). Da sich dadurch ein Kontinuum von Antikausativum zu Passiv ergibt, sind automatisch Abgrenzungsprobleme impliziert. Gleichzeitig erklärt sich aber, warum bei ein und derselben morphologisch-syntaktischen Struktur nicht nur die Hinzufügung eines Agens, sondern auch die eines Nicht-Agens möglich ist, da nämlich in einem Fall ein Passiv, im anderen Fall ein Antikausativum vorliegt. So kann ein und derselbe Satz in Abhängigkeit vom Stimulus als

56

Theoretisch orientierte Autoren wie z. B. Grewendorf (1989: 184f.) gehen davon aus, dass das ^«»-Perfekt (im Gegensatz zum habetj-Perfekt) ein Kennzeichen ergativer bzw. unakkusativischer Intransitiva ist, bei denen das Oberflächensubjekt morphosyntaktische Eigenschaften eines Objekts aufweist. Andere Autoren, etwa Shannon (1990: 468f.), verwerfen diese These und nehmen an, dass für die Wahl des Auxiliars v. a. die Perfektivität des Verbs verantwortlich ist.

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

103

passivisch oder antikausativ interpretiert werden, z. B. Die beiden Zimmer sind verbunden. 1. Passiv: Die beiden Zimmer sind von t^wei Handwerkern verbunden (worden). 2. Antikausativum: Die beiden Zimmer sind durch einen Gang verbunden. Unklar ist, ob man wie bei der Entstehung des Reflexiv-Passivs davon ausgehen soll, dass dem Passiv grundsätzlich ein Antikausativum vorauszugehen hat. Theoretisch ist es möglich, dass sich alle drei strukturell verwandten Konstruktionen, subjektorientiertes Resultativ (Typ ich bin angekommen) ebenso wie objektorientiertes Resultativ (Antikausativum und Passiv), mehr oder weniger gleichzeitig auf der Basis prädikativer Sätze entwickeln. Das Gotische, die am frühesten in Texten überlieferte germanische Sprache (4. Jahrhundert n. Chr.), weist zumindest schon alle drei Varianten auf. In jedem Fall steht ebenso wie beim Reflexiv-Passiv auch beim Inaktiv-Passiv eine entity-zentrale Form am Anfang der Entwicklung, aus der sich die event-zentralen Varianten erst später entwickeln. Es wird postuliert, dass sich dabei prinzipiell das gleiche Entwicklungsschema aufstellen lässt wie für das Reflexiv-Passiv.

entity-zentrales Passiv [+S; entity-zentral]

1. Stufe mit generalis. Subjekt [+S; event-zentral]

2. Stufe von objektl. Intransitiva [-S; event-zentral]

mit autonomem Objekt [—S; entity-zentral]

von objekth. Intransitiva [-S; event-zentral]

passiv. Präsentativsatz [+H; event-zentral]

v. Transitiva m. Obj.beib. [-S; event-zentral]

So wird sich am Beispiel des Deutschen in Teil III zeigen, dass zwar im Althochdeutschen bereits Passive mit generalisiertem Subjekt sowie mit autonomem Objekt existieren (Kapitel II. 1.1.2), ein event-zentrales Passiv von objektlosen ebenso wie von objekthaltigen Intransitiva aber erst im Mittelhochdeutschen hinzukommt (Kapitel II.2.1.2.2) (s. dazu auch Behaghel 1924/1989: 211). Während das Deutsche dagegen nicht über die passivischen Präsentativsätze hinauszukommen scheint, die sich ebenfalls erst im Mittelhochdeutschen entwickeln (s. Kapitel II.2.3.2), sind die festlandskandinavischen Sprachen schon einen Schritt weiter und möglicherweise bereits bei einem event-zentralen Passiv von Transitiva angekommen, d. h. das Sub-

104

Theoretische Überlegungen

jekt wurde bereits als Objekt uminterpretiert. Man vergleiche die folgenden norwegischen Beispiele (nach Faarlund/Lie/Vannebo 1997: 845):57 Event-zentrales Passiv von Intransitiva Det vart arbeidt i hagen. ,Es wurde im Garten gearbeitet.' Event-zentrales Passiv von Transitiva Det vart skoti ein elg. ,Es wurde ein Elch geschossen.' Da das finite Verb im Norwegischen nicht nach Numerus differenzierbar und eine Nominalphrase im Akkusativ nicht markiert ist, müssen andere Kriterien herangezogen werden, um zu entscheiden, ob es sich noch um ein Subjekt oder bereits um ein Objekt handelt. Faarlund/Lie/Vannebo (ebd. 846f.) plädieren in jedem Fall dafür, die rhematische Nominalphrase als Objekt einzustufen, da wichtige Subjekteigenschaften wie ζ. B. Relativierung fehlen (ebd. 846). *Dette er den eigen som det wart skoti i haust. ,Dies ist der Elche, der im Herbst erschossen wurde.' Agenshinzufügung ist nicht unbedingt üblich, wohl aber grundsätzlich möglich (Beispiel ebd. 847): ? Det vart skoti ein elg avgrannen vär. ,Es wurde ein Elch von unserem Nachbarn erschossen.' Aufgrund dessen, und auch weil ζ. B. keine Reduktion der Agenshinzufügung im entity-zentralen Passiv zu beobachten ist, gehe ich außerdem davon aus, dass im Skandinavischen ein event-zentrales Passiv und (noch?) keine generalisierte Subjektkonstruktion vorliegt.58 Dagegen hat sich das entsprechende Passiv im Polnischen offensichtlich weiterentwickelt und ist zu einer generalisierten Subjektkonstruktion geworden, die etwa für das 17. Jahrhundert anzusetzen ist (vgl. Wiemer i. Dr.).59 Diese ist nicht nur durch das Merkmal der Objektbeibehaltung, 57 58

59

Für seine Hilfe bei den norwegischen Beispielen danke ich Arnfinn Vonen. Man vergleiche dazu z. B. auch Afarli (1992: 19f.), Faarlund/Lie/Vannebo (1997: 845ff.) oder Holmberg (1994: 18), die hier grundsätzlich von einem unpersönlichen Passiv und nicht von einem Impersonale o. A. sprechen. Historisch gesehen handelt es sich um nicht-kongruierende „Passiv"partizipien in der 3. Person Singular Neutrum auf -no/-to.

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

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sondern v. a. durch die nachfolgende Unmöglichkeit der Agenshinzufügung gekennzeichnet. Man vergleiche den folgenden polnischen Satz (nach Koptjevskaja-Tamm/Wälchli 2001: 687): Na wiec^or^e Jana tanc^o-no, mia-no siq at party:LOC Jan:GEN dance-IMPR laugh-IMPR REFL i pi-to wödkq. and drink-IMPR vodka:ACC 'At Jan's party there was dancing, [laughing] and vodka drinking.' Damit liegt ein ähnliches Gesamtentwicklungsschema vor wie beim Reflexiv-Passiv (s. o.).

Grundsätzlich kann man auch hier sagen, dass sich speziell in Subjektsprachen die Entstehung eines kanonischen entity-zentralen Passivs sehr häufig beobachten lässt. Relativ regelmäßig scheint auch die Ausbildung von Passiven mit generalisiertem Subjekt sowie von passivischen Präsentativsätzen zu sein, die eine Station zwischen Entity- und EventZentralität darstellen. Ob von da aus allerdings auch der event-zentrale Bereich mit einem Passiv von Intransitiva bzw. Transitiva aufgebaut wird, ist sehr fraglich. So hatte und hat z. B. Englisch kein Passiv von objektlosen Intransitiva.60 Außerdem kommt es häufig vor, dass, wie z. B. im Deutschen, nur Intransitiv-, jedoch keine Transitivpassive existieren. 60

Das Beispiel, das Von Seefranz-Montag (1983: 64) fur das Altenglische nennt, ist nicht korrekt, da es sich nicht um ein Passiv, sondern um die Verbindung von sein mit (von starken Verben abgeleiteten substantivischen) Kollektiva handelt: dar was sang ond sweg ,da war Gesang und Getöse/Lärm' (Beowulf 1063).

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Theoretische Überlegungen

Tauchen in Kombination mit der Passivmarkierung doch beibehaltene direkte Objekte auf, so lässt sich beobachten, dass es sich dabei um einen besonderen Typus von Objekten handelt, die als „nicht-autonom" bezeichnet werden können. Dazu gehören z. B. innere bzw. nichtreferentielle Objekte oder Reflexivpronomina. Werden auch andere Typen von direkten Objekten erfasst, so geht damit häufig der Abbau der Agenshinzufügung Hand in Hand, was bereits auf eine Weiterentwicklung in Richtung generalisierte Subjektkonstruktion hindeutet. Motiviert ist dies dadurch, dass eine Passivonstruktion ohne oder ohne eindeutiges Subjekt strukturell auch als event-zentrale kategorische Struktur gedeutet werden kann. Wenn im Zuge dieser Entwicklung übergeneralisierend auch im entity-zentralen Passiv kein Agens mehr hinzufügbar, sprechen wir parallel zur entsprechenden Situation im Reflexivpassiv von einem Desubjektiv. Abschließend sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass viele slavische und romanische Sprachen parallel sowohl ein Reflexiv- als auch ein Inaktiv-Passiv aufweisen, die sich sogar in aspektueller Hinsicht ergänzen. Vereinfacht gesagt stellt das Reflexiv-Passiv grundsätzlich einen dynamischen Prozess („Vorgangspassiv") dar, während das Inaktiv-Passiv prozessual-dynamische („Vorgangspassiv") oder statisch-resultative („Zustandspassiv") Bedeutung haben kann. Man vergleiche etwa zum Italienischen (Beispiele nach Wehr 1995: 145f.): „Zustandspassiv" mit sein il quale e preso ,welcher festgenommen ist' „Vorgangspassiv" mit sein e presa la Simona ,Simona wird festgenommen' „Vorgangspassiv" mit se l'altra mano se prende ,die andere Hand wird genommen' Da Prozessualität typischerweise (wenn auch nicht ausschließlich) an Imperfektivität und Resultativität an Perfektivität gebunden ist, erstaunt es nicht, dass es v. a. das Reflexiv-Passiv (und nicht das Inaktiv-Passiv) ist, das sich in Richtung Event-Zentralität und damit typische sekundäre Thetizität entwickelt. In Kapitel 1.3.3.1 hatten wir nämlich festgestellt, dass Thetizität eher mit Imperfektivität (als Ausfluss von niedriger semantischer Transitivität) als mit Perfektivität verknüpft ist. Prozessualität bzw. Vorgangspassiv und sekundäre event-zentrale Thetizität passen also be-

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

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sonders gut zusammen. Das zeigt sich im Übrigen auch im Deutschen, wo immer wieder darauf hingewiesen wird, dass das unpersönliche Passiv fast ausschließlich mit werden, d. h. also im Vorgangspassiv, und nicht im Zustandspassiv mit sein belegt ist (z. B. Hentschel/Weydt 2003: 133). 4.3 Generalisierte Subjektkonstruktion > Passiv Passive können sich nicht nur zu generalisierten Subjektkonstruktionen entwickeln, sondern umgekehrt diese auch zu Passiven werden. Generalisierte Subjektkonstruktionen haben typischerweise arbiträre ('anyone'), indefinite ('someone') oder generische ('people in general') Bedeutung und sind durch die reine Personenflexion am Verb oder durch Pronomina ((generische) Indefinitpronomina, Personalpronomina) markiert (Haspelmath 1990: 49). Die jeweiligen Partmpanten behalten ihre Kasusmarkierungen, eine zusätzliche Agenshinzufügung ist naturgemäß nicht möglich, z. B. (ebd. 49): Neugriechisch Su tilefoni-s-an. you.DAT phone-AOR-3PL 'Someone called you.' Konstruktionen mit solch entspezifizierten Subjekten stellen den eventzentralen Bereich innerhalb von Kategorizität dar (s. a. Kapitel 1.3.3.1). Ein Hinweis auf eine Entwicklung hin zum Passiv ist dann gegeben, wenn Subjektivierung eines abhängigen Partizipanten und/oder Agenshinzufügung auftritt. Die bekanntesten Fälle der Uminterpretation von Personen- zu Passivmarkern stammen dabei aus afrikanischen Sprachen. Vor allem Givon (z. B. 1979: 188, 211) hat ein Szenario entwickelt, wie dieser Prozess ζ. Β. im Kimbundu (Bantu) vonstatten gegangen sein könnte.63 Den Ausgangspunkt würde dabei eine generalisierte Subjektkonstruktion mit topikalisiertem Objekt darstellen (nach Haspelmath 1990: 50): N^ua, a-mu-mono. Nzua 3PL.SUBJ-3SG.OBJ-see 'Nzua, they saw him.'

63

Vgl. dazu auch Gteenberg 1959 zum Masai (Nilo-Saharisch).

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Theoretische Überlegungen

Auf dem Wege der Uminterpretation zum Passivmarker würde zuerst das Personenflexiv seinen Subjektstatus verlieren und als Folge davon das topikalisierte Objekt als Subjekt reanalysiert werden. Mit der Möglichkeit der Hinzufiiigung des Agens wäre die heutige Form entstanden, die damit alle strukturellen Merkmale eines Passivs aufweist (ebd.). N%ua a-mu-mono Nzua PASS-3SG.SUBJ-see 'Nzua was seen by me.'

kwa by

meme. me

Bei diesem Entwicklungsszenario fällt jedoch auf, dass eine Erklärung für den entscheidenden Startpunkt, nämlich den Verlust des Subjektstatus des Personenflexivs (und damit die Entfernung des Agens aus der Verbvalenz), fehlt. Er könnte jedoch motiviert werden, wenn man die Umdeutung des Objekts zum Subjekt an den Anfang der Entwicklung setzt. Mögliche Gründe für eine solche Umdeutung wären subjekttypische Merkmale wie Spezifität oder Definitheit des Partizipanten bzw. wie von Givon bereits angemerkt sein Topikstatus (s. o.). Verstärkt werden könnte dies noch durch formale Gleichheit von Subjekt und Objekt, wie es im Kimbundu der Fall zu sein scheint (s. o.). Dass Definitheit bzw. Spezifität bei der Umdeutung tatsächlich eine Rolle spielen, zeigt z. B. Pustet (1997: 42) am Nahuatl (klassisches Aztekisch). Hier gibt es eine mit einem Verbalaffix -o-, -lo- oder -hua-62 markierte Passivkonstruktion, in der das direkte Objekt eines transitiven Verbs im Subjekt steht, aber nur dann, wenn es spezifisch ist. metv^tli 0-cua-lo-0 Mond-ABSL 3SG.SUBJ-ess.IMP-PASS-PRES ,der Mond wird gefressen' Dabei lässt sich z. B. das Affix -lo- auf die rekonstruierte Form *-l-wa zurückführen, bei der es sich um eine Variante des generalisierten Subjektmarkers -iva handelt (Launey 1978: 476), z. B. cökö-wa ,man weint, die Leute weinen' (ebd. 472). Obwohl Pustet (1997: 42) die oben dargestellte Konstruktion im Nahuatl als Passiv bezeichnet, räumt sie selbst ein, dass keine Agenshinzufügung möglich ist. Deshalb möchte ich hier nicht von einem Passiv, sondern von einem Desubjektiv als historischer Stufe zwischen generalisierter Subjektkonstruktion und Passiv sprechen. Theoretisch kann es sein, dass sich nie ein „echtes" Passiv entwickelt. In Kapitel 1.4.1 hatten wir im Üb62

Die drei Varianten sind phonologisch bedingt (Pustet 1997: 42).

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

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rigen gesehen, dass ein Desubjektiv auch bei der umgekehrten Entwicklungsrichtung vom Passiv zur generalisierten Subjektkonstruktion entstehen kann. Wesentliches Merkmal eines Desubjektivs ist zum einen Subjekthai tigkeit, zum anderen Unmöglichkeit der Agenshinzufügung. Ähnliches wie im Nahuatl, nämlich eine Tendenz zum Desubjektiv, lässt sich möglicherweise gerade im Finnischen beobachten. Auch für das Finnische kann eine generalisierte Subjektkonstruktion angesetzt werden, allerdings mit zumindest gegenwartssprachlich eigener Form, nämlich -(t)ta/ä- + -Vn, z. B. sano-ta-an ,man sagt' (Fromm 1982: 106). Historisch gesehen handelt es sich dabei aber ebenfalls um nichts anderes als um ein Personensuffix der 3. Person Singular (Verlängerung des vorangehenden Vokals + «), das mit einem vorausgehenden Kausativ- oder Reflexivelement -t- verknüpft wird (Fromm 1982: 107, Fußnote H). Zum Zusammenhang von Kausativ oder Reflexiv mit einer generalisierten Subjektkonstruktion meint Kulonen (1986: 229) im Übrigen: ,,[t]he causative suffix, [...], has emphasized the agentivity, work of the latent subject." Grundsätzlich ist Objektbeibehaltung gegeben sowie Unmöglichkeit der Agenshinzufügung (Beispiel nach Holvoet 2001: 367). Minut kutsuttiin me:ACC invite:PRET.PASS Ί was invited for dinner.'

illalliselle. dinner:ALL

Da jedoch außer bei Personalpronomina und belebten Interrogativpronomina (Koptjevskaja-Tamm/Wälchli 2001: 662) kein formaler Unterschied zwischen Nominativ und Akkusativ besteht, kann im Falle der Topikalisierung des Objekts der Eindruck eines persönlichen Passivs entstehen. Naapuri kutsuttiin neighbour:NOM.SG invite:PRET.PASS 'The neighbour was invited for dinner.'

illalliselle. dinner:ALL

Gleichzeitig hat das Finnische auch eine analytische generalisierte Subjektkonstruktion, die im Perfekt und Plusquamperfekt verwendet wird und sich aus der 3. Person Singular des Hilfsverbs olla ,sein' und einem Partizip Perfekt Passiv auf -ttu zusammensetzt. Im Prinzip gilt auch hier, dass keine Agenshinzufugung möglich ist, und der Objektkasus beibehalten wird. Das Pendant zum obigen Satz wäre also im Perfekt: Minut on kutsuttu illalliselle. Ί have been invited for dinner.'

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Theoretische Überlegungen

Nun scheint diese Konstruktion aber zumindest in Ansätzen auch mit einem Nominativ und einem kongruierenden Hilfsverb möglich zu sein (persönliche Mitteilung Jarkko Nurminen). Also: ? Minä olen kutsuttu illalliselle. Hinzu kommt, dass das Finnische auch gleichzeitig eine Art Agenshinzufüigung mit taholta 'at the hands of oder toimesta 'through' erlaubt, die aber noch nicht so stark grammatikalisiert ist und eher einem Adverbiale als einem obliquen Objekt gleicht (Sulkala/Karjalainen 1992: 289). Ich denke, es ist zumindest möglich, dass das Finnische durch Reanalyse auf dem Weg zu einem Desubjektiv bzw. Passiv ist (zu einer anderen Ansicht s. jedoch Holvoet 2001: 368). Bei der Herausbildung eines Desubjektivs aus einer generalisierten Subjektkonstruktion findet also ein Sprung vom event-zentralen kategorischen in den entity-zentralen (sekundär) thetischen Bereich statt. Es entsteht eine Kombination von Geschehenssemantik (durch das Patiens im Subjekt) und Handlungssemantik (durch Implikation eines Agens) und damit automatisch die Herausbildung einer sekundär thetischen Struktur von Handlungsverben im entity-zentralen Bereich. Was die Konstruktionen ohne Partizipanten bzw. mit kasusmarkiertem Objekt angeht, so können diese weiterhin als generalisierte Subjektkonstruktion oder gegebenenfalls auch als Desubjektiv mit differentiellem Subjekt eingeordnet werden. Die Hinzufügung eines Agens in Stimulus funktion und damit die Entstehung eines „echten" Passivs wäre dann nur noch ein kleiner Schritt.

Das Passiv in seiner historischen Entwicklung

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Eine indoeuropäische Sprache, für die postuliert werden kann, dass sie den Weg von einer generalisierten Subjektkonstruktion zu einem Passiv vollständig gegangen ist, ist das Lateinische. Obwohl die historische Situation nicht ganz klar ist, besteht Einigkeit darüber, dass das r-Element im synthetischen Passiv des klassischen Latein, z. B. vocätur ,er/sie/es wird gerufen', ursprünglich ein Mittel zur Bezeichnung der 3. Person war (Szemerenyi 1990: 258).63 Wenn man also davon ausgeht, dass das r-Element (auch) für eine generalisierte Subjektkonstruktion steht, ist folgendes Entwicklungsszenario möglich. Im vorklassischen Latein (bis ca. 100 v. Chr.) dominieren zwei Varianten dieser Konstruktionen, nämlich solche mit objektlosen Verben (Plautus: fädle nubitur 'one-gets-married easily') und solche mit objekthaften Verben, die ihre Kasusrollen beibehalten (Statha-Halikas 1977: 580). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein direktes oder um ein indirektes Objekt handelt, es kommt nicht zur „Subjektivierung" des Objekts (Ennius: vitam vivitur 'one-lives (one's) life'; Plautus: Uli, quibus invidetur 'those, who one-grudges') (ebd.). Diese Konstruktionen erfüllen alle Voraussetzungen einer generalisierten Subjektkonstruktion: entspezifiziertes Agens, keine Agenshinzufügung, Beibehaltung der Kasusrollen sowie Handlungssemantik. Im klassischen Latein (100 v. Chr. - 14 n. Chr.) stellt sich die Situation völlig verändert dar, da jetzt direkte Objekte als grammatisches Subjekt behandelt werden können und sogar Agenshinzufügung möglich ist, z. B. Caesar: ab iis nationibus ... legati ad Caesarem mitterentur 'on the part of these nations ... legates to Caesar should-be-sent' (ebd. 580f.). Es ist also ein typisches entity-zentrales Passiv entstanden, zu dem jetzt auch (ursprünglich generalisierte Subjekt-) Konstruktionen mit indirekten Objekten gezählt werden können, die ihre Markierung beibehalten, vgl. Caesar: omnibus his resistitur 'all these are resisted/one-resists' (ebd.).64 Parallel dazu können (ebenfalls ursprünglich generalisierte Subjekt-) Konstruktionen mit objektlosen Verben als rein event-zentrales Passiv interpretiert werden (Vergilius: iturin antiquam silvam 'one-goes in the old forest') (ebd.). Erst nach der Ausbildung eines entity- sowie eines event-zentralen Passivs (unpersönliches Passiv von Intransitiva) zeigen sich in der Zeit nach dem klassischen Latein auch unpersönliche Passive von Transitiva, z. B.: mittellat. [...], ne bapti^etur eos? ,[...], dass jene nicht getauft werden?' 63 64

Hinzu kommt allerdings, dass schon das vorklassische Latein -r auch als Element zur Markierung eines Mediums nutzte (Kemmer 1993: 152). Im nachklassischen Latein können dann im Übrigen auch Dative zu grammatischen Subjekten werden, was jedoch bereits in poetischen Texten des klassischen Latein möglich war (vgl. Horatius: invideor, versus Cicero: mihi invidetur 'I-am-being-begrudged") (Statha-Halikas 1977: 580f.).

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Theoretische Überlegungen

(6./7. Jahrhundert n. Chr.), vgl. auch Matthaeum legitur ,man liest den Matthaeus' (um 1200) (Beispiele nach Wehr 1995: 31, s. dort auch weitere Beispiele). Es kann sich also nicht um eine Fortsetzung der generalisierten Subjektkonstruktionen mit direktem Objekt aus vorklassischer Zeit handeln. Vielmehr hat man hier von einer eigenen Entwicklung auf der Basis des entity-zentralen Passivs auszugehen (s. Kapitel 1.4.1 und 1.4.2). Ob es sich dabei allerdings schon um den Einfluss „neuer" generalisierter Subjektkonstruktionen oder um ein echtes unpersönliches Passiv von Transitiva handelt, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden.

5. Zusammenfassung Innerhalb der Passivforschung gibt es in Bezug auf das so genannte unpersönliche Passiv zwei Hauptrichtungen. Die eine, besonders prominent in den 70er Jahren, stellt die syntaktischen Verhältnisse in den Vordergrund. Im Hinblick auf das unpersönliche Passiv bedeutet dies, dass hier eine „spontane Demotion" (vgl. Comrie 1977) stattfindet, d. h. der Partizipant, der im Aktiv die Subjektposition besetzt (i. Allg. das Agens), wird zum obliquen Objekt zurückgestuft bzw. demoviert, nimmt also keine zentrale syntaktische Position mehr ein. Dabei kann das Agens auch unausgedrückt bleiben. Die Bezeichnung „spontan" bezieht sich außerdem darauf, dass diese Rückstufung nicht dadurch erzwungen ist, dass, wie im persönlichen Passiv, das Subjekt beibehalten und mit einem anderen als dem erwarteten Partizipanten (bevorzugt dem Patiens) besetzt wird, weshalb das Agens aus dem Subjekt entfernt werden muss. Dadurch ist das unpersönliche Passiv subjektlos und eventuelle Objekte behalten alle ihre Markierung. Prinzipiell gibt es also ein unpersönliches Passiv von Intransitiva (mit oder ohne Objekt) und von Transitiva, wobei z. B. Kazenin (2001: 905) feststellt, dass letzteres sehr markiert ist und i. Allg. ersteres in einer Sprache voraussetzt, ebenso wie ein unpersönliches oder subjekdoses ein persönliches oder subjekthaltiges Passiv zu implizieren scheint. Mit dieser Beschreibung auf syntaktischer Grundlage ist jedoch nicht die Frage nach der Funktion des unpersönlichen Passivs beantwortet. Dies wird dann v. a. in den 80er Jahren durch Givon aktuell, der die Aufgabe des unpersönlichen Passivs in der „Agens-Defokussierung" sieht. Aufgrund der Konzentration auf die Funktion wird das unpersönliche Passiv bei ihm unglücklicherweise mit konzeptuell ähnlichen, aber strukturell anders gelagerten Konstruktionen vermischt, v. a. mit dem so genannten Impersonale. Zwar ähneln sich unpersönliches Passiv und Impersonale dahingehend, dass es entweder keine Objekte gibt oder diese ihre Kasusmarkierungen beibehalten. Eine Impersonale-Konstruktion ist je-

Zusammenfassung

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doch nichts anderes als ein Satz im Aktiv mit einem semantisch „entspezifizierten", d. h. vorzugsweise generischen Agens. Wir sprechen hier von einer „generalisierten Subjektkonstruktion", unabhängig davon, ob es sich um ein eigenes (z. B. dt. man, Ute -ta-) oder um ein mit einer Personenmarkierung der 3. Person identisches Element handelt (z. B. engl, they, russ. -Ii).65 Der Unterschied zum unpersönlichen Passiv besteht darin, dass bei diesem eine Agenshinzufügung zumindest grundsätzlich möglich ist, da es sich nur um ein syntaktisch demoviertes Agens handelt. Auch wenn ein solches Agens aufgrund seiner wenig zentralen syntaktischen Position häufig weggelassen werden kann, besteht offensichtlich zudem ein semantischer Unterschied zu den generalisierten Subjektkonstruktionen. Das Agens ist zwar in beiden Fällen entspezifiziert, jedoch ist es beim Passiv weniger generisch als vielmehr kontextreferentiell (wir sprechen hier von Indexikalisierung). Selbstverständlich sind dies prototypische Merkmale, bis zu einem gewissen Grad sind immer Überschneidungen möglich. Dies liegt einfach in der Natur eines nicht genannten (aber implizierten) Partizipanten begründet, der entweder generisch oder indexikalisch sein kann. Theoretisch ist es sogar möglich, dass es, wie z. B. im Finnischen, zwei generalisierte Subjektkonstruktionen mit unterschiedlichen Markierungen gibt, die eine mit eher generischer (Verbaffix der 3. Person Singular), die andere mit eher indexikalischer (eigenes Verbaffix) Bedeutung. Zudem lassen sich aus historischer Sicht auch Ubergänge zwischen unpersönlichem Passiv und generalisierter Subjektkonstruktion (bzw. umgekehrt) beobachten. Da bei einem unpersönlichen Passiv von Intransitiva kein Subjekt vorliegt, kann der Passivmarker als generalisiertes Subjekt reanalysiert werden. Dies zieht automatisch die Unmöglichkeit der Agenshinzufügung nach sich, was z. B. im heutigen Portugiesisch der Fall ist. Wird dieses Merkmal auch auf persönliche Passive übertragen, kommt es zur Zwischenkategorie des Desubjektivs, das keine Agenshinzufügung mehr zulässt.66 Desubjektive entstehen jedoch auch, wenn das (vorzugsweise spezifische bzw. definite) Objekt in generalisierten Subjektkonstruktionen als Subjekt uminterpretiert wird, auf der Entwicklungsstufe aber noch keine Agenshinzufügung möglich ist. Erst mit dieser liegt ein „echtes" persönliches Passiv vor. Dementsprechend können nun die ursprünglichen generalisierten Subjektkonstruktionen ohne Partizipanten bzw. mit Objekt (das nicht als Subjekt uminterpretiert wurde) als unpersönliches Passiv kategorisiert werden. 65

Haspelmath (1990: 49), von dem der Terminus übernommen ist, verwendet ihn nur für letzteren Fall.

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Auch dieser Terminus geht auf Haspelmath (1990: 49) zurück, der ihn jedoch anders verwendet.

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Theoretische Überlegungen

Während in der heutigen Passivforschung zwar mit in Betracht gezogen wird, dass generalisierte Subjektkonstruktionen (traditionell: Impersonale) und unpersönliches Passiv strukturell unterschiedlich sind, wird als Funktionsbestimmung des unpersönlichen Passivs häufig immer noch von einer Agens-Defokussierung ausgegangen (z. B. Shibatani 2004: 1148). Daneben tauchen allerdings sporadisch Hinweise auf, dass die AgensDefokussierung letztendlich nur Mittel zum Zweck ist, um die Handlung selbst in den Vordergrund zu rücken oder das Ereignis als solches darzustellen (z. B. Hentschel/Weydt 2003: 130f.). Dieser Ansatz 'wurde hier ernst genommen und weiter verfolgt. Dabei stellte sich heraus, dass es tatsächlich möglich ist, zwei unterschiedliche Ereignisperspektivierungen anzusetzen, die auch als Kategorizität vs. ThetMtät bezeichnet werden können (vgl. v. a. Sasse 1987, 1995, 1996). Im ersten Fall liegt ein dichotomisches Konzept vor, das sich funktional gesehen auf Satzgegenstand und -aussage gleichermaßen stützt, während Thetizität durch ein monolithisches Konzept und die reine Satzaussage charakterisiert ist. Kategorizität ist konzeptuell mit Entity-Zentralität, Thetizität mit Event-Zentralität verknüpft. Diese beiden Perspektivierungsmöglichkeiten zeichnen sich nun in verschiedenen Sprachen durch unterschiedliche Bedeutungs- und Strukturmerkmale aus. In Subjektsprachen des Nominativ-Akkusativ-Typs (und nur dieser wurde hier betrachtet) ist das Konzept der Kategorizität strukturell an die Dichotomie von Subjekt (Satzgegenstand = Entity-Zentralität) und Prädikat (Satzaussage) gebunden, semantisch entspricht dem idealerweise ein Komplex aus Agens (im Subjekt kodiert), Handlungsverb und maximal affiziertem Objekt, was auch als semantische Transitivität bezeichnet wird. Demgegenüber steht das monolithische Konzept der Thetizität mit dem entgegengesetzten Merkmalskomplex, bestehend aus einem reinen Prädikat mit Geschehensverb ohne jegliche Partizipanten (= Event-Zentralität). Thetische Sätze sind also subjektlos und semantisch intransitiv. Die genannten Merkmalskomplexe stellen jedoch nur die Extrempunkte oder Eckpfeiler eines Kontinuums im Hinblick auf primäre oder „natürliche" Ereignisperspektivierung dar. Kategorische Sätze können unter Beibehaltung der Subjektstruktur (und der Handlungssemantik) konzeptuell auch event-zentral sein, wenn ihr Agens semantisch entspezifiziert ist, wozu v. a. generalisierte Subjektkonstruktionen zählen. Umgekehrt können thetische Sätze Partizipanten enthalten, die jedoch aufgrund ihrer Nicht-Agentivität kasusmarkiert sind, d. h. Geschehenssemantik und Subjektlosigkeit bleiben bestehen, obwohl ein entity-zentraler Bereich existiert.

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Zusammenfassung

entity-zentral

event-zentral

mit Subjekt

mit entspezifiziertem Subjekt

Handlungssemantik

Thetische Sätze entity-zentral

event-zentral

mit Partizipant

ohne Subjekt Geschehenssemantik

Die meisten Subjektsprachen vom Nominativ-Akkusativ-Typ (jedoch nicht alle) haben ihren Schwerpunkt im kategorischen Bereich, d. h. der Fokus liegt auf subjekthaltigen Sätzen. Das hat zur Folge, dass eine solche Struktur sich auch im thetischen Bereich durchsetzt, wodurch die Partizipanten des entity-zentralen Bereichs „subjektiviert" werden, und der event-zentrale Bereich ein „Scheinsubjekt" erhält. Gleichzeitig kann (in Anlehnung an das System kategorischer Sätze) zu diesen subjekthaltigen (entity-zentralen) Sätzen jeweils ein event-zentrales Pendant mit entspezifiziertem Subjekt gebildet werden. Dabei können Scheinsubjekt und entspezifiziertes Subjekt ausdrucksseitig identisch sein oder auch nicht.

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Theoretische Überlegungen

Gleichzeitig besteht das Bedürfnis, ganz „neue" Geschehenskonstruktionen oder markierte primär thetische Sätze zu erzeugen, was auf der Basis der dominierenden Handlungsverben geschehen kann. Wichtig ist dabei, dass der oder die Parti2ipanten nicht-agentisch sind. Deshalb bieten sich hier speziell solche Konstruktionen an, die eine Veränderung der Partizipantenperspektivierung dahingehend erzielen, dass im Subjekt ein nichtagentischer Partizipant steht. U. U. kann die jeweilige Konstruktion sogar subjekdos sein bzw. ein anderer Kasus als der Nominativ am jeweiligen Partizipanten auftreten (allerdings sollten subjekttypische Topikposition und Definitheit erhalten sein), wenn dieser eine spezifische (zusätzliche) Bedeutung transportiert, z. B. geringere Affiziertheit (was häufig mit belebten Entitäten Hand in Hand geht). Damit ist zwar kein reines Subjekt mehr, wohl aber noch Entity-Zentralität gegeben. Die zwei wichtigsten markierten Konstruktionen im entity-zentralen Geschehensbereich sind das so genannte Antikausativum und das Passiv. Im ersteren Fall ist das Agens bzw. der Handlungsaspekt vollkommen ausgeschaltet, es liegt also ein echtes Geschehen und damit primäre Thetizität vor. Beim Passiv bleibt der Handlungsaspekt jedoch zusätzlich erhalten, wobei das Agens außerdem in peripherer syntaktischer Funktion als obliques Objekt („Stimulusverkleidung") hinzugefügt werden kann. Damit ist auf grammatischer Ebene der maximale Kontrast zum Aktivsatz mit identischen semantischen Rollen erzielt (vgl. Shibatani 1998: 119f., 137). E s besteht aber nicht nur ein Defizit im primär thetischen Bereich, d. h. ein Fehlen von Geschehenskonstruktionen mit einer affizierten Einheit im Subjekt (oder Topik). Gleichzeitig fehlt auch sozusagen auf höherer Ebene das „monolithische" Gegengewicht zu den dominierenden kategorischen (und damit „dichotomischen") Sätzen, d. h. mit dem Merkmalskomplex Handlungssemantik + Subjekthaltigkeit. Der größte konzeptuelle Kontrast zwischen kategorischen und den entsprechenden thetischen Sätzen ergibt sich dann, wenn der Handlungsaspekt und alle Partizipanten in ihren syntaktischen Funktionen erhalten bleiben, mit Ausnahme des Agens bzw. Subjekts, das als charakterisierendes Element eines kategorischen Satzes „beseitigt" sein soll. Aufgrund der Handlungssemantik solcher Sätze handelt es sich also um eine sekundäre Ereignisperspektivierung bzw. um sekundäre Thetizität. Dadurch wird aber auch deutlich, dass ein Zusammenhang zum so genannten persönlichen Passiv besteht. Nicht nur liegt hier Handlungssemantik vor, sondern gleichzeitig steht auch das Agens nicht in Subjektfunktion. Gleichzeitig handelt es sich allerdings auch um den „schlechtesten" Repräsentanten, da sich das persönliche Passiv weiterhin durch ein Subjekt sowie durch Geschehenssemantik (neben der gleichzeitig vorliegenden Handlungssemantik) auszeichnet. Das entity-zentrale Passiv mit

Zusammenfassung

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Subjekt, das so genannte persönliche Passiv, ist also eine echte Zwischenkategorie, die primäre und sekundäre Thetizität miteinander verknüpft. „Bessere" Repräsentanten sind das entity-zentrale Passiv ohne Subjekt (mit kasusmarkiertem Partizipanten im Topik), das event-zentrale Passiv von objekdosen Intransitiva sowie von Transitiva (s. detaillierter die Tabelle in Kapitel 1.3.3.2). Alle Typen von subjektlosem Passiv (sowohl entity- als auch event-zentral) können als unpersönlich bezeichnet werden. Kategorische und sekundär thetische Sätze stehen außerdem in Opposition zueinander. Da das wesentliche Merkmal von sekundär thetischen Sätzen ihre „monolithische" Struktur und damit Subjekdosigkeit ist, erklärt sich auch, warum sich die Subjektivierungstendenz hier wenig bis gar nicht durchsetzen kann. Gleichzeitig wird auch klar, dass im unpersönlichen bzw. subjektlosen Passiv das Agens deshalb seltener hinzugefügt wird als im persönlichen bzw. subjekthaltigen, weil es sich hier um den extremsten Fall der Agensdegradierung handelt. Eigentlich sollte das event-zentrale Passiv von Transitiva (mit ausdrucksseitig beibehaltenem Objekt) das „beste" unpersönliche Passiv sein, denn in diesem ist der konzeptuelle Kontrast von kategorischen und sekundär thetischen Sätzen optimal. Das erklärt auch, warum es tatsächlich Sprachen gibt (z. B. Marathi), die nur eine solche Passivkonstruktion ausgebildet haben. Andererseits gibt es nur wenige Sprachen mit einem unpersönlichen Passiv von Transitiva. Der Grund dafür ist in der Tatsache zu suchen, dass die Optimierung von grammatischem und konzeptuellem Kontrast im Widerspruch zueinander stehen (vgl. Shibatani 1998). Im ersten Fall führt dies zur Ausbildung eines entity-zentralen Passivs mit Subjekt, im zweiten Fall zu einem unpersönlichen Passiv von Transitiva. Dass die meisten Sprachen trotzdem ein entity-zentrales Passiv mit Subjekt und damit die Optimierung des grammatischen Kontrastes zu bevorzugen scheinen, liegt daran, dass die Bereitstellung sekundär thetischer Konstruktionen für Subjektsprachen nicht so wichtig ist wie die Veränderung der Partizipantenperspektivierung, speziell im Subjekt. Das Fehlen eines event-zentralen Passivs kann auch durch ein event-zentrales Aktiv, d. h. eine generalisierte Subjektkonstruktion (traditionell: Impersonale) aufgefangen werden, z. B. man tan^t vs. es wird getankt. Obwohl es sich um strukturell völlig anders gelagerte Sätze handelt, liegen aufgrund des entspezifizierten Agens Affinitäten vor. Dagegen stellt das persönliche Passiv mehr oder weniger die einzige Möglichkeit in Subjektsprachen dar, um die stark grammatikalisierte Verknüpfung von Subjekt und semantischer Rolle (v. a. Agens) unter Beibehaltung der Handlungs- und Kontrollsemantik aufzulösen. Aus historischer Sicht entsteht deshalb i. Allg. auch zuerst ein persönliches Passiv, das auf markierten sekundär thetischen Sätzen basiert. Die

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Theoretische Überlegungen

weitere Entwicklung, durch die sich Subjekdosigkeit und damit eigentlich als Nebeneffekt sekundäre Thetizität ergibt, ist nicht zwingend. Wenn dies passiert, bleiben Sprachen auch häufig bei der Passivform stehen, in der die Widersprüche zwischen grammatischem und konzeptuellem Kontrast sich auflösen, und das ist das unpersönliche Passiv von objektlosen Intransitiva, da es hier keinen Partizipanten gibt, der in die Subjektposition drängen kann. Es repräsentiert sowohl maximal grammatischen als auch maximal konzeptuellen Kontrast. Unpersönliche Passive von Transitiva sind selten und zudem instabil, da sich hier die Subjektivierungstendenz bemerkbar macht. Selbst das unpersönliche Passiv von Intransitiva ist instabil, da es sich zu einem event-zentralen kategorischen Satz entwickeln kann (so genanntes Impersonale bzw. generalisierte Subjektkonstruktion). Während sich sekundäre Thetizität also quasi als Nebeneffekt ergibt, falls das subjekthaltige Passiv eine subjekdose Erweiterung bekommt, ist dies bei den so genannten Präsentativsätzen die eigentliche Funktion. Hier verliert das Subjekt syntaktisch an „Wert", indem es sich einem Objekt annähert. Dazu gehört etwa eine „monolithische" Intonationskurve mit der Betonung nur auf dem Subjekt oder die markierte Rhematisierung des Subjekts durch Spitzenstellung des Verbs bzw. durch einen Topikmarker. Diese Strukturen finden sich typischerweise in primär thetischen Sätzen. Durch ihre Übertragung auf Handlungssätze kann sekundäre Thetizität erzeugt werden.67 Präsentativsätze ebenso wie die funktionsäquivalenten unpersönlichen Passive sind allerdings in pragmatischer Hinsicht relativ markierte Konstruktionen, da es sich um Hintergrundbeschreibungen u. Ä. handelt (zu einer genaueren Analyse möglicher Auftretensbedingungen vgl. v. a. Sasse 1995 und 1996). Das erklärt möglicherweise auch ihre geringe Frequenz, was besonders beim Vergleich von persönlichem und unpersönlichem Passiv auffällt. So machte Brinker (1971: 39f.) für sein Korpus geschriebener Texte der deutschen Gegenwartssprache nur etwa 3% unpersönliche werde «-Passive aus.68 Präsentativsätze dürften sogar noch seltener auftreten, genaue Aussagen sind jedoch nicht möglich, da dazu bislang keine empirische Untersuchungen existieren.

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Man könnte auch noch weiter gehen und spekulieren, dass die Spitzenstellung des Verbs in (Entscheidungs-) Frage- und Befehlssätzen Ausdruck einer generalisierten „Monolithisierung" ist. Darauf, dass die Kommunikationssituation von Einfluss sein kann, weist z. B. Vogel (2003: 148) hin, die in Chattexten einen sehr viel höheren Anteil von 11% für das unpersönliche werden-Vzssiv feststellt.

II. Das Passiv im Deutschen unter besonderer Berücksichtigung des unpersönlichen Passivs 1. Althochdeutsch (800-1050) 1.1 Das Passiv: Die Ursprünge 1.1.1 Das persönliche Passiv Voauszuschicken ist, dass es sich bei der althochdeutschen Konstruktion Subjekt + uuesan/uuerdan + Partizip Perfekt (z. B. arslagan uuirdit chrisP, Isidor 471) (noch) nicht um das Zustande- bzw. Vorgangspassiv handelt, wie es im Neuhochdeutschen vorliegt. Zum einen wird seit Schröder 1955 und Rupp 1956 häufig davon ausgegangen, dass die Elemente uuesan bzw. uuerdan und das Partizip Perfekt im Althochdeutschen noch relativ autonom sind im Sinne von Kopula + Prädikativum (Christus ist/wird ein erschlagener) und keine periphrastische Verbindung darstellen. Das Hauptargument für die syntaktische Autonomie des Partizips im Sinne eines Prädikativums, dass nämlich das Partizip teilweise noch mit dem Subjekt nach Numerus, Kasus und Genus kongruiert, weist allerdings z. B. Gronvik 1986 als invalide zurück. Mit Recht nennt er Fälle, bei denen trotz syntaktischer (und semantischer) Periphrasierung Kongruenzphänomene erhalten sind, vgl. Nynorsk han vartfunnen (Sg.) vs. deivartfunne (PI.) ,er wurde/sie wurden gefunden' (Granvik 1986: 29). Ähnliches findet sich sogar noch im Walliserdeutschen (Höchstalemannisch): der chunnt dernaa va denä Gsellu im Regierigssaal gidreetä [.gedrehter1] undgchesslutä [.gekesselter1] ,der wird [wörtlich: kommt] hinterher von diesen Burschen im Regierungssaal „von allen Seiten manipuliert" 1 (Beispiel nach Fuchs 1993: 68). Umgekehrt deutet jedoch die vollständige Aufgabe der Kongruenz und damit der prädikativen Struktur auf eine vollzogene syntaktische Periphrasierung hin, d. h. Kopula und Partizip Perfekt sind zum Verbalkomplex verschmolzen und beziehen sich als Ganzes auf das Subjekt. Diese Stufe ist allerdings erst ab dem 12. Jahrhundert erreicht (Kotin 1998: 124), so dass offen bleiben muss, wie weit die Periphrasierung bis dahin fortgeschritten ist. Andererseits sind die einzelnen Elemente (finites Verb + Partizip Perfekt) innerhalb des Verbalkomplexes semantisch gesehen noch

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Das Passiv im Deutschen

relativ autonom. Dies ändert sich erst anschließend mit der Stufe der semantischen Periphrasierung, die bis zum 16./17. Jahrhundert dauert, und an deren Ende die „neue" Passivperiphrase mit den Merkmalen Prozessualität und affizierte Einheit im Subjekt steht. Die Periphrasierung des Passivs ist kein Einzelfall. Auch das habenPerfekt geht auf eine Konstruktion mit flektierendem Partizip zurück, die Anfang des 9. Jahrhunderts auftaucht. Dabei handelt es sich um eine Fügung mit eigan bzw. haben (im Sinne von ,besitzen*) und einem direkten Objekt, wobei das adjektivische Partizip Perfekt zumindest ursprünglich als Attribut zu diesem Objekt fungiert und mit ihm in Numerus, Kasus und Genus kongruiert. Man vergleiche dazu das häufig zitierte Beispiel (s. z. B. Ebert 1978: 58): phtgboum habeta sum giflan^otan [Nom.Sg.Akk. starke Flexion] in sinemo uuingarten, [...]. (Tatian 102, 2) .Einen Feigenbaum hatte jemand (als) gepflanzten in seinem Weingarten.' Jedoch existieren schon bei Otfrid (2. Hälfte 9. Jahrhundert) Belege mit einem Nebensatz in Objektfunktion bzw. mit so als Adverbialbestimmung. Dies zeugt laut Ebert (1978: 58f.) bereits von einer gewissen Grammatikalisierung, da der Nebensatz bzw. so nicht mehr als von haben, sondern als vom Partizip abhängig gedacht wird (Beispiel ebd. 58). [...], so wireigun nu gisprochan\ (Otfrid, I, 25,11) ,[...], so haben wir nun gesprochen.' Offensichtlich ist die Grammatikalisierung des Perfekts etwa mit Notker (um 1000) abgeschlossen, da dann (allerdings sehr zögerlich) auch Intransitiva in die Konstruktion eintreten können (Ebert 1978: 59). Vuir eigen gesündot [...]. (Notker, Psalm 105, 6) ,Wir haben gesündigt [...].' Unabhängig davon, wann nun die syntaktische Periphrasierung des Passivs vollständig vollzogen ist, liegen aber auf jeden Fall historisch gesehen prädikative Strukturen und damit logische Prädikate aus dem „S"Bereich der (primären) entity-zentralen Thetizität zugrunde (x ist/wird/bleibt y) (vgl. Kapitel 1.3.3.1). Die Kopula bzw. das Geschehensverb, das Subjekt und Prädikatsnomen miteinander verbindet, wird typischerweise von sein mit dem Merkmal der Dauer oder werden mit dem Merkmal der Veränderung gestellt.

Althochdeutsch (800-1050)

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Das Besondere an dieser Konstruktion ist jedoch, dass im Prädikativum nicht ein primäres Adjektiv steht, sondern ein von einem transitiven Handlungsverb abgeleitetes und mit Adjektivendungen versehenes Partizip Perfekt. Das heißt, zusätzlich zur bestehenden Geschehensbedeutung (x ist/wird y) ist eine im Partizip verankerte Handlungsperspektive freigesetzt, so dass durch diesen „Trick" die Anbindung zur sekundären Thetizität möglich wird. Gleichzeitig ist das von einem transitiven Verb abgeleitete Partizip objektgerichtet. Durch die Gleichsetzung des Subjekts mit dem flektierten Partizip (ich bin eine erschlagene) dringt das Merkmal der Affiziertheit und damit der Passivität ins Subjekt ein. Damit entspricht diese passivische Konstruktion den in Kapitel 1.4.2 dargestellten Inaktivkonstruktionen mit einem intransitiven Kopulaverb. Der Ursprung der passivischen Konstruktion aus logischen Prädikaten wird v. a. daran deutlich, dass in den früheren althochdeutschen Dokumenten Tatian und Otfrid (beide 9. Jahrhundert) noch etwa ein Drittel der Adjektivpartizipien mit dem Subjekt nach Numerus, Kasus und Genus kongruiert. Dabei besteht das gleiche Verhältnis bei uuesan- und uuerdanKonstruktionen (Kotin 1998: 74; nachfolgende Beispiele ebd.). In thritten tage brütloujti gitano [Fem.Pl.Nom. starke Flexion] uuarun in thero steti thiu [...]. (Tatian 45,1) ,Am dritten Tage wurde Hochzeit (wörtlich: wurden Hochzeiten) gefeiert (im Sinne von: wurden gefeierte) in der Stadt, die [...].' Mit thiu her tho sata, sumu fielun nah themo uuege inti vvurtun furtretanu [Neutr.Pl.Nom. starke Flexion], [...]. (Tatian 71, 2) ,Als er da säte, fielen manche [Samen] auf den Weg und wurden zertreten (im Sinne von: wurden zertretene).' Das von einem Handlungsverb abgeleitete Partizip impliziert außerdem von Anfang an die Möglichkeit einer Agensnennung, die jedoch bei Ansetzung eines Prädikativums als Erweiterung des Prädikatsnomens betrachtet werden müsste. „Thar rvirditfon iu füntan ein eselin gibüntan, [...]. ["] (Otfrid IV, 4, 9) ,Dort wird von euch eine Eselin angebunden vorgefunden, [...].' Im Gegensatz zum Neuhochdeutschen gibt es keine Beschränkungen bei /«'»-Konstruktionen (Kotin 1998: 105): [...]; wanta istgibet thina^Jon drühtine gihörtav^ [...]. (Otfrid I, 4, 28) ,[...] ,denn dein Gebet ist vom Herrn erhört (worden), [...]'

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Das Passiv im Deutschen

Dies deutet zusätzlich darauf hin, dass es noch keinen Unterschied macht, ob als Kopulaverb sein oder werden steht, es handelt sich um ganz parallel konstruierte Sätze. Dass es sich bei der Agensnennung in Otfrid I, 4, 28 (s. o.) außerdem nicht um ein Übersetzungsphänomen handelt, zeigt Tatian 2, 5, der im Gegensatz zu Otfrid streng der lateinischen Vorlage ohne Agenshinzufügung folgt (Beispiel in Anlehnung an Kotin 1998: 105). niforbti thu thir, Zacharias, uuantagihorit ist tbingibet, [...]. Obwohl die Kopulafunktion am häufigsten von uuerdan und uuesan wahrgenommen wird, kommen auch andere Verben vor, so z. B. stän/sten stehen', das wie uuesan mit dem Bedeutungsmerkmal der Dauer in Zusammenhang gebracht werden kann: tba^güata steit gihält anjob mäg sih ba^giwdltan. (Otfrid V, 25, 50) ,Das Gute bleibt (wörtlich: steht) erhalten und vermag noch stärker zu wirken.' Eroms (1990: 92f.) erwähnt zudem eine Konstruktion mit bleiben, die schon bei Otfrid auftaucht. Offenbar stammt diese Konstruktion aus dem Nordwesten des deutschsprachigen Gebiets und betont speziell das Fortdauern eines Zustandes (Beispiel ebd. 93). [...]; ungilonot ni bileip tbergotes wiv^ode kleip [...]. (Otfrid, Ad Salomonem 20)

,Der blieb nicht ungelohnt, der Gottes Gesetz einhielt.' Ebenfalls auf prädikative Sätze gehen strukturell verwandte Konstruktionen zurück, deren (adjektivisches) Partizip Perfekt von Intransitiva gebildet und damit aber subjektorientiert bzw. aktivisch ist. Da es sich dabei typischerweise um Ableitungen von Geschehens- und nicht von Handlungsverben handelt, bleibt primäre Thetizität erhalten. Es handelt sich um den Vorläufer des /«'«-Perfekts. [...], dba^s dher allere beilegono beilege drubtin nerrendeo cbrist iu ist langbe quhoman. (Isidor 455f.) ,[...], dass der Herr Erlöser Christus Heiliger aller Heiligen schon lange gekommen ist (im Sinne von: ist ein gekommener).' Die gleiche Konstruktion ist auch mit werden statt mit sein möglich:

Althochdeutsch (800-1050)

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Huueo auh Jona abrahames samin uuardh quhoman druhtin iesus christus. (Isidor 554-556) ,Wie auch von dem Samen Abrahams wurde gekommen (im Sinne von: wurde ein gekommener) der Herr Jesus Christus.' Konstruktionen mit werden tauchen allerdings nur in den frühesten althochdeutschen Dokumenten Isidor und Tatian sowie den Monseer Fragmenten und einigen Glossen auf (Eggers 1987: 250f.). Häufiger sind sie dagegen im Altenglischen und Altsächsischen (Heliand und Genesis), möglicherweise gibt es sie sogar noch bis zum 15. Jahrhundert im Mittelniederländischen (Eggers 1987: 250f.; Gronvik 1986: 20). Soweit ist festzustellen, dass die Befunde für die Ursprünge des Passivs den Erwartungen entsprechen. Nicht nur lässt sich das (spätere) entity-zentrale und subjekthaltige bzw. persönliche Passiv auf primär thetische Strukturen zurückführen (hier: logische Sätze), das Subjekt kann sowohl im Thema als auch im Rhema stehen (s. Beispiele oben), was durch die relativ freie Wortstellung des Althochdeutschen noch erleichtert wird. Prinzipiell ist speziell bei Thematischem Subjekt (wie in Kapitel 1.4.1 im Zusammenhang mit dem Italienischen oder Portugiesischen erörtert) auch Inkongruenz zwischen finitem Verb und Subjekt möglich. In den althochdeutschen Uberlieferungen kommt hierfür allerdings nur ein einziges Beispiel in Frage, das sich bei Otfrid in der Widmung an Hartmut und Werinbert (117-118) findet. Ist uns hiar gi^einot in bethen to thuruh not, in übili inti in güati, unserem ^ühto dati. ,Es ist uns hier nachdrücklich auf zweifache Weise im Bösen und im Guten die Wesenheit/Taten unserer Lebensführung aufgezeigt.' Dabei geht es um die 3. Person Singular ist gi^einot ,ist gezeigt', die zu dem Subjekt dati ,Tat(en)' gehört, bei dem es sich aber sowohl um einen Plural als auch um einen Singular handeln kann (Erdmann 1876: lf., 31). Es ist also noch nicht einmal sicher, dass hier tatsächlich Inkongruenz vorliegt. Aufbauend auf der prädikativen Struktur logischer Sätze mit Subjekt + sein/werden + Partizip Perfekt ergeben sich im Laufe der Zeit Verschiebungen auf syntaktischer und semantischer Ebene, die zum späteren Passiv führen. In semantischer Hinsicht ist dabei maßgeblich die Aspektbzw. Aktionsartensemantik der betroffenen Verben beteiligt. Reichhaltige Details dazu finden sich u. a. in Ebert (1978: Kapitel 3.5); Eroms 1989, 1990 und 1992; Kotin 1998 und 2001; Leiss (1992: Kapitel 4); Oubouzar 1974; Riehl 2001; Rupp 1956; Schröder 1955 und Valentin 1987. Die Er-

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Das Passiv im Deutschen

gebnisse brauchen für unsere Belange an dieser Stelle nur kurz skizziert zu werden, wobei ich mich weitgehend auf Kotin 1998 stütze. Auffällig ist, dass das Partizip Perfekt noch im Althochdeutschen vorzugsweise von perfektiven Verben gebildet wird, wodurch sich Nachzustandsbedeutung oder Resultativität ergibt (Kotin 1998: 77). Als substantiviertes Verbaladjektiv konnte es zumindest ursprünglich prädikative Funktion in logischen Sätzen übernehmen und damit den Bereich der (entity-zentralen) primären Thetizität ausbauen helfen. Insgesamt sind aber drei verschiedene Konstruktionen möglich (vgl. auch Kapitel 1.4.2): 1. mit intransitiven Geschehensverben ein aktivisches Resultativ der Form ,ich bin/werde eine Gekommene'; 1 2. mit transitiven Handlungsverben ein antikausatives Resultativ der Form ,der Stein ist/wird ein Niedergelegter' unter expliziter Ausschaltung des Agens bzw. Handlungsmerkmals; 3. mit transitiven Handlungsverben ein passivisches Resultativ der Form ,ich bin/werde eine Erschlagene' unter expliziter Einbeziehung des Agens bzw. Handlungsmerkmals. Mit (3) ergibt sich außerdem die Verknüpfung von primärer und sekundärer Thetizität bzw. Geschehen (aufgrund der affizierten Entität im Subjekt) und Handlung (aufgrund des von einem Handlungsverb gebildeten Partizips Perfekt). Interessant ist außerdem, dass die Kombination des Partizips Perfekt mit sein im Althochdeutschen laut Kotin (1998: 86f.) nicht ausschließlich, aber primär antikausativ (in seiner Terminologie: medial) und nicht passivisch ist.2 Ausgedrückt wird dabei „ein inaktives Merkmal [...], welches als ständige Eigenschaft dem Subjekt zugeschrieben wird" (ebd. 86), nicht Passivität im Sinne der durch eine vorausgegangene Handlung eines Agens bewirkten Affiziertheit des Subjekts (Beispiel ebd.). denne ferit er deru mahalsteti, deru dar kimarchot ist (Muspilli 78) ,dann fährt er zu der Gerichtsstätte, die dort vermerkt ist' 3 1

2

3

Zusammen mit der Konstruktion haben + Partizip Perfekt (die ursprünglich ebenfalls nur von perfektiven Verben gebildet wurde) ergibt sich im Althochdeutschen zusätzlich zur Tempusopposition (Präsens, Präteritum) eine Phasenopposition, da bei den analytischen Fugungen die Nachphase bzw. ein Tatbestand fokussiert wird (Oubouzar 1974: 16). Damit ist sein mit primärer und werden mit primärer und sekundärer Thetizität verknüpft. Diese „Uberfrachtung" von werden führt möglicherweise zur Beseitigung von Konstruktionen wie ,ich werde eine Gekommene' (mit primärer Thetizität), so dass sich im Althochdeutschen eine funktionale Trennung sein + Partizip Perfekt (primäre Thetizität) und werden + Partizip Perfekt (sekundäre Thetizität) herausbildet. Wörtlich eigentlich ,der (Fem. Dat.) dort vermerkt ist', da das Relativpronomen im Althochdeutschen häufig den Kasus des Bezugswortes im übergeordneten Satz erhält (hier:

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Althochdeutsch (800-1050)

Bei antikausativen Konstruktionen werden vorausgehende Handlung und Handlungsträger explizit ausgeblendet, während sie im Falle von Passivität explizit eingeblendet sind (vgl. Kapitel 1.3.3.1).4 Aufbauend auf einem resultativen Partizip Perfekt wird also in Kombination mit uuesan Antikausativität bzw. Merkmalssemantik erzeugt, indem der reine (Nach)Zustand fokussiert wird. Hand in Hand damit geht die Ausblendung der vorausgehenden Handlung und damit auch des Handlungsträgers.

/ V y w w

y\

Im Gegensatz dazu sind Fügungen mit uuerdan + Partizip Perfekt im Althochdeutschen eher passivisch und nicht antikausativ zu interpretieren (Kotin 1998: 86). Das heißt, die vorausgehende Handlung und damit auch der Handlungsträger sind immer impliziert, es handelt sich explizit um einen Handlungsnachzustand. Gleichzeitig wird durch das aktional ingressive Merkmal von uuerdan spezifisch der Übertritt in einen Nachzustand signalisiert (Zustandsänderung).

Dass gerade die Kopula uuerdan (und nicht uuesan) Passivität impliziert, mag eben daran liegen, dass das ingressive Merkmal von uuerdan die Übertrittsphase besonders fokussiert und damit gleichzeitig die vorausgehende Handlung sowie den Handlungsträger, womit Passivität impliziert ist. Aufgrund dieses ingressiven Merkmals kann im Übrigen auch ein zukünftiges Moment mitschwingen (Beispiel Kotin 1998: 86). endi arslagan uuirdit christ (Isidor 471) ,und Christus wird erschlagen (werden)' 1924/1989: 201)

(vgl. auch

Behaghel

Dativ) (vgl. E r d m a n n 1874: 130). Solche Fälle werden hier im Übrigen nicht zum unpersönlichen Passiv gezählt. 4

Nedjalkov (2001: 928) unterscheidet zwischen einem „resultative p r o p e r " und „derived statives", wobei gilt, dass „the latter express a state of an entity without implying a previous event". Damit entspricht das passivische Resultativ dem eigentlichen Resultativ, das antikausative Resultativ dem abgeleiteten Stativ.

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Das Passiv im Deutschen

Zusammenfassend kann man also sagen: Die Bildung eines Partizips Perfekt erlaubt die Fokussierung zweier verschiedener Phasen, einmal den Abschluss der vorausgegangenen Handlung bzw. den Übergang in einen Nachzustand, zum anderen den Nachzustand selbst. Im ersteren Fall ist außerdem typischerweise das für die Handlung verantwortliche Agens mit eingeschlossen (Passiv); in letzterem Fall ist es ausgeschlossen (Antikausativum). Mit Hilfe von sein wird der Nachzustand bzw. das sich in einem Zustand Befinden fokussiert (wobei mit dem Präsens Gegenwarts-, mit dem Präteritum Vergangenheitsbezug vorliegt). Dadurch wird die zum Nachzustand führende Handlung ebenso wie der Ubergang in den Nachzustand ausgeblendet, es entsteht Antikausativität, d. h. „Selbst-Affiziertheit" des Subjekts. Der Übergang zum reinen Zustand, z. B. durch Adjektive repräsentiert, ist fließend. Antikausativität mit sein

Η

i

Das Verb werden trägt zwei Merkmale, nämlich Prozessualität und Ingressivität (ich werde rot). Aufgrund dieser Möglichkeit, Zustandsänderungen zu bezeichnen, ist es ideal geeignet zur Fokussierung eines Eintritts in den Nachzustand als Folge einer vorausgegangenen Handlung (wobei auch hier das Präsens Gegenwarts-, das Präteritum Vergangenheitsbezug hat). Dadurch ergibt sich passivische Bedeutung, „Fremd-Affiziertheit" des Subjekts. Aufgrund ihres Bezugs zu Handlungsverben stellen solche Konstruktionen außerdem bereits partiell eine Art thetischen Gegenpart zu kategorischen Sätzen bzw. Aktivstrukturen mit Handlungsverben dar, jemand erschlägt mich vs. ich werde (vonjemandem) erschlagen. Passivität mit werden

In wenigen Fällen gibt es auch schon Mischkategorien, d. h. eine passivische Konzeption wird auch mit sein (statt mit werden) verknüpft. Das ist deshalb möglich, weil sein genauso gut einen „echten" Nachzustand unter

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Althochdeutsch (800-1050)

Einschluss der vorausgegangenen Handlung sowie des Handlungsträgers fokussieren kann (Beispiel in Anlehnung an Kotin 1998: 87). uuissi. diu uuider imo getan uuds. (Notker, De consolatione Philosophiae I, S. 25f., Z. 30,1) .dass er von der Verschwörung wisse, die gegen ihn organisiert war (worden war)' dd^ er dia einunga

Graphisch lässt sich das als ein Befinden im Nachzustand unter Einblendung von vorausgehender Handlung (und Handlungsträger) darstellen.

Für die Konstruktion sein + Partizip Perfekt ergeben sich also im Althochdeutschen zwei Möglichkeiten, wobei Antikausativität typisch ist. sein + Partizip Perfekt

Passivität Handlungsnachzustand

Antikaus ativität (Nach)Zustand

ist/ war erschlagen

ist/war erschlagen

ist/war erschlagen worden

Kotin (1998: 91) bemerkt nun, dass es neben (den wenigen) passivischen .(•««-Fügungen mit Handlungsnachzustand (er spricht hier von resultativstatal) auch schon einige seltene durativ-statale /«'«-Konstruktionen gibt (Beispiel ebd. 87). [...] min tohter ubilo fon themo tiuualegiuueigit

ist ( T a t i a n 8 5 , 2)

,meine Tochter wird vom Teufel schrecklich gequält'

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D a s Passiv im Deutschen

Während passivische /«'«-Fügungen mit Perfektiva (ich bin erschlagen (worden)) einen Zustand oder Tatbestand als Folge einer vorausgegangenen Handlung fokussieren, ist dies bei Imperfektiva nicht mehr möglich. Zum einen muss die Vorzeitigkeit der Handlung aufgrund der fehlenden Grenze in der Zeit als Gleichzeitigkeit interpretiert werden. Da es außerdem keinen mit der Handlung verknüpften Nachzustand gibt, kann nur die eigentliche Handlung fokussiert werden. Es ergibt sich also eine Form entsprechend nhd. ich bin/ war gequält werdend. Fokussiert wird durch das Partizip Perfekt nicht das sich im Nachzustand, sondern das sich im Prozess Befinden. Gleichzeitig kann sein nicht mehr den Zustand bzw. Tatbestand der vorausgegangenen Handlung fokussieren. Dies führt zu einer weiteren Uminterpretation, bei der sein auf den Tatbestand oder das Faktum des sich im Prozess Befindens gerichtet ist (s. o. sie ist gequält werdend). Prozessualität bleibt aber weiterhin dominant.

In Anlehnung an Kotin (1998: 95; Beispiele 86f.) kann das älteste Passivitäts-System im Althochdeutschen folgendermaßen skizziert werden, wobei Kombinationen mit werden dominieren. Am zweithäufigsten sind seinKonstruktionen mit der Bedeutung eines Handlungsnachzustandes.

statal mit sein

Handlungsnachzustand

Prozessualität

ist/sind + PP uuas/uuärun + PP getan uuesan

mutativ mit werden (Übergang in einen Nachzustand)

ist/sind + PP uuas/uuärun + PP ffeigit

uuesan

uuirdit/uuerdent + PP uuard/uuurtun + PP arslagan uuerdan

Spätalthochdeutsch, also etwa im 11. Jahrhundert, kommt es jedoch zu Veränderungen im Passivitäts-Bereich. Besonders folgenschwer ist dabei, dass die Opposition statal mit sein (Handlungsnachzustand bzw. Prozessualität) vs. mutativ mit werden (Übergang in einen Nachzustand/Zustands-

Althochdeutsch (800-1050)

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änderung) abgeschwächt wird, da jetzt auch Konstruktionen mit werden prozessuale Bedeutung bekommen (vgl. Kotin 1998: 99). Zu Prozessualität kommt es auch hier dann, wenn imperfektive statt perfektive Verben in die «^^«-Konstruktion eintreten (vgl. z. B. Leiss 1992: 173,182) (Beispiel in Anlehnung an Kotin 1998: 97). dd^ tiu güoti nieht kelteret neuuirt. mit temo ämbahte . mibe da% dmbaht uuirt kelteret. mit tero güoti. (Notker, De consolatione Philosophiae II, S. 90, Z. 4f.) ,dass die Güte nicht geschmückt wird mit der (Amtsgewalt (Macht), es sei denn die (Amtsgewalt werde geschmückt mit der Güte' Aufgrund der prozessualen Semantik des (imperfektiven) Partizip Perfekts kann werden nur noch sein prozessuales Merkmal aktivieren. Damit zeichnet sich die gesamte Konstruktion durch reine Prozessualität aus.

Da dadurch außerdem ein semantisch reduziertes werden entsteht, das sich vom Vollverb werden unterscheidet und gleichzeitig eine bestimmte Konstruktion auszeichnet, kann man hier von einer beginnenden (semantischen) Periphrasierung sprechen. Kotin (2001: 253) weist ebenfalls darauf hin, dass die Auxiliarisierung von werden in Kombination mit dem Partizip Perfekt „durch schrittweisen Abbau seiner mutativen Aktionalität, durch Realisierung des in seiner Eigenbedeutung vorhandenen abstrakten Vorgangsbezugs" erfolgt. Sofern es sich um imperfektive Verben handelt, drücken jetzt sowohl sein als auch werden + Partizip Perfekt Prozessualität aus. sein + Partizip Perfekt und werden + Partizip Perfekt treten dadurch außerdem in Konkurrenz zueinander. Das nachfolgende Schema (in Anlehnung an Kotin 1998: 99) skizziert die Situation im Spätalthochdeutschen (dabei ist die Neuerung umrandet, die dominanten Konstruktionen erscheinen im Fettdruck).

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Das Passiv im Deutschen

mutativ mit werden (Ubergang in einen Nachzustand)

statal mit sein/werden

Handlungsnachzustand

Prozessual! tat

sein + PP

sein + PP

t

weiden + PP

werden + PP

Sowohl sein + Partizip Perfekt als auch werden + Partizip Perfekt werden aber immer noch primär von Perfektiva gebildet, so dass der Fokus auf dem Nachzustand liegt, im ersten Fall rein auf dem Handlungsnachzustand, im zweiten Fall auf dem Übergang in den Nachzustand. Durch die Kombination von imperfektiven Partizipia Perfekta mit sein und v. a. mit werden ist jedoch schon ein Schritt in Richtung Vorgangspassiv getan, wie es im Neuhochdeutschen vorliegt. Das Spätalthochdeutsche des 11. Jahrhunderts zeichnet sich also zumindest durch eine beginnende semantische Periphrasierung der Kombination werden + Partizip Perfekt in Richtung aspektneutrales Vorgangspassiv aus. In vereinfachter Form kann das spätalthochdeutsche System folgendermaßen dargestellt werden:

Prozess mit seinIwerden (ipf.) ffeigit uuesan kelteret uuerdan Nachzustand mit sein/werden (pf.) getan uuesan arslagan uuerdan

Als weitere Veränderung im Spätalthochdeutschen fällt auf, dass zunehmend die Adjektivendungen am Partizip Perfekt verschwinden (v. a. in Verbindung mit werden) (Kotin 1998: 82). Das deutet daraufhin, dass spä-

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testens jetzt die Kombination werden/sein + Partizip Perfekt immer weniger als Kopula + Prädikativum interpretiert wird, man muss also auch von einer syntaktischen Periphrasierung ausgehen, durch die ein Verbalkomplex entsteht, der sich als Ganzes auf das Subjekt bezieht. Wodurch ist das zu motivieren? Als offensichtliche Lösung bietet sich das Eindringen der Imperfektiva in die Konstruktion an, wodurch die semantische die syntaktische Periphrasierung nach sich ziehen würde. Dies ist m. E. jedoch nicht haltbar. Zum einen handelt es sich dabei im Spätalthochdeutschen immer noch um eine Randerscheinung (s. o.), zum anderen gibt es Hinweise, dass die syntaktische Periphrasierung bereits im 12. Jahrhundert, die semantische Periphrasierung jedoch erst im 16./17. Jahrhundert abgeschlossen ist (Kotin 1998: 124). Es muss also nach einer anderen Lösung gesucht werden. Mein Vorschlag ist deshalb, dass die syntaktische Periphrasierung dadurch zustande kommt, dass Konstruktionen mit Partizip Perfekt im Sinne von ich werde/ bin eine (von jemandemj erschlagene Passivität repräsentieren, da sie ein durch eine Handlung affiziertes Subjekt enthalten und gleichzeitig einen Handlungsträger implizieren. Dadurch können sie bereits als konzeptueller passivischer Gegenpart zu aktivischen Sätzen mit Handlungsverben fungieren (Jemand erschlägt mich), selbst wenn dabei noch eine prädikative Struktur sowie eine semantische Spezifizierung „Übergang in einen Nachzustand" bzw. „Befinden in einem Nachzustand" existieren. Dieses „Prä-Paradigma" führt nun m. E. zu einer syntaktischen Periphrasierung, in der v. a. werden, aber auch sein (wo es nicht Antikausativität, sondern Passivität repräsentiert), mit dem Partizip Perfekt zum Verbalkomplex verschmilzt, der sich somit als Ganzes auf das Subjekt bezieht. Das hat nicht notwendigerweise sofort Auswirkungen auf die semantischen Bezüge im Verbalkomplex. Die Bezugsetzung von aktivischen und passivischen Handlungskonstruktionen auf syntaktischer Ebene hat allerdings zur Folge, dass neben transitiven Perfektiva auch transitive Imperfektiva miteinbezogen werden. Anders ausgedrückt: Erst die syntaktische Periphrasierung zieht also die semantische Periphrasierung nach sich, denn durch die Aufnahme von Imperfektiva verändern sich zunehmend auch die semantischen Verhältnisse im Verbalkomplex in Richtung aspektneutrales Vorgangspassiv. Dies nimmt jedoch noch die ganze mittel- und frühneuhochdeutsche Periode in Anspruch, wie wir in den Kapiteln II.2.1 und II.3.1 zum Mittel- und Neuhochdeutschen noch sehen werden.

132

Das Passiv im Deutschen

1.1.2 Das unpersönliche Passiv 1.1.2.1 Transitive Verben im absoluten Gebrauch Neben den im vorausgehenden Kapitel II. 1.1.1 vorgestellten entityzentralen passivischen Konstruktionen mit eindeutigem Subjekt gibt es im Althochdeutschen noch Sätze, für die diskutiert werden muss, ob sie ein Subjekt aufweisen oder nicht bzw. ob sie konzeptuell schon dem eventzentralen oder noch dem entity-zentralen Bereich angehören. Letztere Frage stellt sich insbesondere bei Konstruktionen mit transitiven Verben in absoluter Verwendung, z. B. essen, singen u. Α., die auch ohne Realisierung ihres direkten Objekts verwendet werden können. Wird nun ein solches Verb passiviert, so hatten wir in Kapitel 1.3.3.2 zumindest für das Neuhochdeutsche postuliert, dass eine Konstruktion wie jetyt wird gegessen zwar konzeptuell event-zentral ist, aber ein generalisiertes Subjekt enthält (das von der Verbendung repräsentiert wird). Ich postuliere nun auch für Althochdeutsch, dass es durch zunehmende „Reduzierung" der lexikalischen Füllung des Subjekts zu einer so vagen Bedeutung kommt, dass der inhaltliche Schwerpunkt sich zum reinen Ereignis hin verschiebt. Damit handelt es sich um Grenz- oder Übergangsfälle zum typischen event-zentralen Passiv, das eindeutig subjektlos ist. Ein rein event-zentrales Passiv von objekdosen Intransitiva gibt es im Althochdeutschen allerdings noch nicht. Wie kommt es nun zu einem semantisch „ausgedünnten" Subjekt? Die Funktion des Subjekts muss grundsätzlich nicht mit einem voll spezifizierten Lexem gefüllt sein, statt dessen kann auch ein Pronomen stehen, dessen Bezug vom Kontext abhängt. Hier ist also der Bereich der Indexikalisierung angesprochen, der den Übergang von Entity- zu EventZentralität darstellt (vgl. Kapitel 1.3.3.1). Sün barsi tho %ei%an, therwäs uns iogihei^an; [...]. (Otfrid 1,11, 31) ,Den lieben Sohn gebar sie da, der war uns schon verheißen; [...].' Dabei kann das Pronomen im Althochdeutschen (wie in allen älteren germanischen Sprachen) auch allein in der Verbendung stecken, es liegt also pro-drop vor (vgl. Kapitel II.1.3). Ibu banne in drittiun stigu jorstolan wirdit, [...]. (Lex salica5 II, 2; Steinmeyer 1916: 56) ,Wenn es (= ein saugendes Ferkel) aber in dem dritten Gehege gestohlen wird, [...].' 5

Wahrscheinlich kurz nach 800 aus dem Lateinischen übersetzt.

Althochdeutsch (800-1050)

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Statt auf einen Partizipanten kann der Bezug auch auf einen Sachverhalt erfolgen. Dieser ist durch die Verbendung (pro-drop) oder ein Pronomen repräsentiert, die singularisch und neutral sein müssen. In beiden Fällen ist die Erweiterung durch einen attributiven Nebensatz möglich, wobei bei der Kombination Verbendung + Nebensatz nicht entschieden werden kann, ob der Nebensatz Subjekt- oder Attributfunktion hat. Pronomen als Subjekt (mit zusätzlichem attributivem Nebensatz) /ζ istgiscriban Jona thir, tha^Jaren engila mit thir, [...]. (Otfrid II, 4, 57) ,Es ist von dir geschrieben, dass Engel dich begleiten, [...].' Verbendung (pro-drop) [...]:gientot ist. (Tatian 208, 4)6 ,[...]: es ist vollbracht.' Nebensatz als SubjektP/Verbendung (pro drop) (mit attributivem Nebensatz)? giscnban ist in älawar, tha^ männilih [...]. (Otfrid II, 4, 75f.) .Geschrieben ist (es?) fürwahr, dass jeder Mensch [...].' Ebenfalls hierher zähle ich ein bei Fritz 1994 diskutiertes Beispiel aus Otfrid II, 4, 93f. „Far hina, widarwerto, ni rtiah ich thero mrto; in büachon ist irdeilitjoh älleswio gimeinit.["] ,Fahr hin, Widersacher, nicht beachte ich deine Worte; in den Büchern ist es entschieden und anders dargestellt.' Im Fall von ist gimeinit akzeptiert Fritz (1994: 168f.) pro-drop. Für ist irdeilit nimmt er jedoch an, dass irdeilen hier mit einem elliptischen Dativobjekt steht, so dass ein traditionell unpersönlich genanntes Passiv eines intransitiven Verbs mit Dativobjekt vorliegen würde. Allerdings hat schon Kelle (1881/1963: 312) darauf hingewiesen, dass das Verb einmal mit Dativ, einmal mit Akkusativ steht, wobei es mit Dativ die Bedeutung .Urteil fällen' bzw. mit Akkusativ ,etw. entscheiden, bestimmen' oder ,jdn. verurteilen' hat. Für das Beispiel in büachon ist irdeilit passt die Bedeutung mit Akkusativ (bzw. Nominativ im Passiv) viel besser und bietet zudem keine Probleme; sie ist sogar die einzige, die von Kelle (ebd.) hier angegeben

6

Bei Kaufmann (1912: 93) wird dieses Beispiel allerdings unter „Subjektlose Passivkonstruktionen" aufgeführt.

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Das Passiv im Deutschen

wird. Damit kann für beide Fälle, ist gimeinit und ist irdeilit, pro-drop im Subjekt angesetzt werden. Weiterführend und teilweise überlappend mit dieser indexikalischen EntSpezifizierung sind auch im frühesten Althochdeutsch schon Generizität bzw. generalisierte Subjektkonstruktionen möglich. Dabei liegt zwar ein mit dem Verb konzeptuell verknüpftes bzw. hinzugedachtes Subjekt sowie ein konkreter Numerus im Verb vor, nämlich die 3. Person Singular, die involvierte Entität sowie deren Anzahl bleibt jedoch unausgedrückt. Der grammatische Singular bedeutet also nicht notwendig die Einzahl eines Patienspartizipanten in der außersprachlichen Wirklichkeit. In Kombination mit dem Patiens ist auch ein anderer Partizipant, z. B. ein Rezipient oder Benefaktiv im Dativ möglich, der dadurch stärker in den Vordergrund rückt, wodurch die Konstruktion weiterhin entity-zentral bleibt. In themo menge thie irme^et, ist iu gimesgan. (Tatian 39, 4)7 Lat. Et in qua mensura mensifueritis, metietur vobis. ,In dem Maße, wie ihr messt, wird euch gemessen.' [...], inti clophontemo uuirditgioffanot. (Tatian 40, 5) Lat. [...], etpulsanti aperietur. ,[...], und dem Klopfenden wird geöffnet.' logiuuelihhemo therde habet uuirditgigeban, [...]. (Tatian 149, 8) Lat. Omni enim habenti dabitur, [...]. Jeglichem, der da hat, wird gegeben, [...].' [...], tha^togiuuelihhemo habentemo uuirdit gigeban, [...]. (Tatian 151, 11) Lat. [...], quia omni habenti dabitur, [...]. ,[...], dass jeglichem, der hat, gegeben wird, [...].' Im Spätalthochdeutschen mit Notker tritt ein Verb mit generischem Patiens erstmals ohne jeglichen Partizipanten auf.8 Nu uuirt aber uuiselicho gesungen. (Notker, Psalm 46, 8) ,Nun wird aber weise gesungen.'

7 8

Auch dieses Beispiel wird bei Kaufmann (1912: 93) unter „Subjektlose Passivkonstruktionen" aufgeführt. V o m 9. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende klafft eine Überlieferungslücke, so dass für die Zeit dazwischen keine Angaben möglich sind.

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Althochdeutsch (800-1050)

Dabei handelt es sich jedoch immer um das Verb singen, das eindeutig genetisch verwendet wird, da es mit direktem Objekt vorkommen kann.9 Oisen salmen sang Dauid. (Notker, Psalm 58, 1) .Diesen Psalm sang David.' Durch solche passivischen Konstruktionen mit genetischem Subjekt ohne weitere Partizipanten rutscht die Konstruktion endgültig in den eventzentralen Bereich und hilft ihn aufbauen. Es gibt jetzt also innerhalb der passivischen Sätze eine entity-zentrale und eine event-zentrale Variante. Im ersten Fall liegt typischerweise ein spezifisches, im letzten Fall ein genetisches Subjekt vor. Konstruktionen mit genetischem Subjekt und einem zusätzlichen spezifischen Objekt stehen dazwischen.

1.1.2.2 Intransitive Verben mit Objekt Ein großes Problem für die Theorie zur Passivbildung stellen Konstruktionen von intransitiven Verben mit Genitiv- oder Dativobjekt dar. 10 Zum einen handelt es sich mit rund zwei Dutzend Bildungen nicht um eine bloße Randerscheinung. Zum anderen sind es sehr alte Bildungen, die bereits im 9. Jahrhundert auch bei Otfrid und im Muspilli auftauchen, also in Dokumenten, die bereits als „deutsch" gelten und nicht wie Tatian nahezu reine Übersetzungen der lateinischen Vorlage darstellen. Als eines der frühesten Beispiele führt Kotin (1998: 80) folgende Konstruktion mit Dativ aus dem Muspilli an. enti imo after sinen tatin arteilit uuerde (Muspilli 85) ,Und er (= der Mensch) werde nach seinen Taten verurteilt.' 11 Solche Fälle sind deshalb problematisch, weil sich ohne ein Subjekt die These der Entstehung des Passivs aus prädikativen Strukturen bzw. logischen Sätzen nicht ohne Probleme halten lässt. Insgesamt gilt deshalb für die Entstehung solcher Passive mit Dativ oder Genitiv dann auch i. Allg.: imo uuirt dtserpsalmus kesüngen (Not-

9

Vgl. dazu auch passivische Fügungen mit Subjekt, z. B. ker, Psalm 14, 7f.).

10

Intransitiva mit zusätzlichem Akkusativobjekt bleiben hier ausgeklammert, sie wurden in Kapitel III.l.1.2.1 mit behandelt. Kotin (1998: 80) übersetzt hier ,Und ihm (= dem Menschen) nach seinen Taten erteilt (gegeben) werde'. Es ist jedoch günstiger, artiilen mit Dativ mit ,jdn. verurteilen' (s. Schützeichel 1995: 281) zu übersetzen, da ansonsten aufgrund der lautlichen Nähe zu nhd. ,jdm. etw. erteilen' der Eindruck entsteht, es könnte ein genetisches Akkusativobjekt enthalten sein.

11

136

Das Passiv im Deutschen

„Das historische Verhältnis der unpersönlichen Passivkonstruktion zu der persönlichen ist nicht ganz klar." (Dal 1966: 130) bzw. „The rise of the construction is obscure" (Lockwood 1968: 145). Vielfach wird vorgeschlagen, deren Entstehung an andere bereits existierende unpersönliche Konstruktionen mit Kasusobjekt anzuschließen (Dal 1966: 131; Kotin 1998: 81; Lockwood 1968: 145f.). Die Frage, wie das konkret vor sich gegangen sein soll, bleibt allerdings unbeantwortet. Deshalb postuliert z. B. Welke (2002: 300f.), dass es bereits ein grammatikalisiertes Passiv geben muss, wenn Intransitiva mit Objekt in der Konstruktion auftreten, d. h. also schon zu Beginn der althochdeutschen Periode. Umgekehrt ist Kotin (1998: 84) der Ansicht, dass mit dem Eintritt objekthaltiger Intransitiva in die althochdeutsche Konstruktion werden/ sein + Partizip Perfekt automatisch ein grammatikalisiertes Passiv entsteht, da es kein Subjekt gibt, auf das sich das Partizip bzw. Prädikativum zurückbeziehen kann. Bei ihm bleibt allerdings offen, wie der Eintritt objekthaltiger Intransitiva in eine Konstruktion zu motivieren ist, für die er selbst noch mindestens bis zum Spätalthochdeutschen eine prädikative Struktur annimmt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Grammatikalisierung des Passivs im Sinne einer syntaktischen Periphrasierung bis zum 12. Jahrhundert nicht als gesichert gelten kann, das Muster dieser Konstruktionen aber offensichtlich schon alt ist, muss es direkt an einen Satz mit Subjekt und Prädikativum angebunden werden. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden aufzudecken, wie es zur Entstehung von Passiven mit Dativ- oder Genitivobjekt gekommen sein könnte, ohne dass deshalb die Herkunft des entity-zentralen Passivs aus logischen Sätzen in Frage gestellt werden muss. Anders gefragt: wie lässt sich ein Dativ oder Genitiv mit der Funktion des Subjekts verknüpfen? Zur Klärung dieser Frage fassen wir hier noch einmal kurz zusammen, was in Kapitel 1.2.2 zur Markierung von Objekten gesagt wurde. Aufbauend darauf, dass der Akkusativ den kanonischen Objektskasus repräsentiert und alle anderen Kasus „Abweichungen", nicht-kanonische Markierungen darstellen, kommt Haspelmath 2001 zu drei verschiedenen Kategorien von Bedingungen für das Auftreten solcher Abweichungen. 1.

Reference-related conditions: Wenn die Abweichung bei der Referenz auf ein Objekt eintritt, kann eine andere als die erwartete Markierung erfolgen. Eine solche Abweichung liegt z. B. im Falle eines Partitivs vor, wenn ein Objekt nur zu einem Teil von einer Handlung betroffen ist (ebd. 5 η .

Althochdeutsch (800-1050)

137

2.

Clause-related conditions: Wenn sich verbale Aspektualität im Kasussystem niederschlägt, kann es wie im Finnischen im Falle von Perfektivität zu einem Akkusativ, im Falle von Imperfektivität zu einem Partitiv kommen (ebd. 58).

3.

Predicate-related conditions: Wenn es sich beim Objekt nicht um ein typisches Patiens handelt, sondern um eine Entität mit agentischen Eigenschaften, steht in einigen Sprachen z. B. ein Dativ (ebd. 59).

Um es mit einem Zitat aus Nurminen (2002: 33) zu sagen: „Ich vermute, dass die Kasusalternierung der [...] Objekte eine weitere Funktion hat. Ich vermute auch, dass diese zusätzliche Funktion durch die Passivform des Prädikats nicht berührt werden darf bzw. kann. Meine vorläufige Hypothese lautet wie folgt: Der Nominativ und der Akkusativ drücken Gleiches aus - sie teilen ein Merkmal miteinander und sind deswegen in Aktivbzw. Passivkonstruktionen gewissermaßen parallel. Der Nominativ ist aber nicht fähig, die Merkmale von Dativ-, Genitiv- und Präpositionalobjekten zu sich zu nehmen, sondern sie müssen formal als solche erhalten bleiben in der Aktiv-Passiv-Achse." Hinzugefügt seien außerdem noch folgende Überlegungen. a)

Im Falle der Bedingungskategorien reference-related und clauserelated liegen typischerweise Kasusalternationen bei demselben Verb vor. Willems/Van Pottelberge (1998: 65) sprechen hier von der oppositiv-paradigmatischen Funktion eines Kasus (in ihrem Fall speziell des Dativs), da er „eine distinktive Rolle gegenüber konkurrierenden zweistelligen Konstruktionen desselben oder eines verwandten Verbs kennzeichnet". In einem solchen Fall (s. o. unter 2) ) möchte ich von einem differentiellen Subjekt (parallel zu einem differentiellen Objekt) sprechen. Ein differentielles Subjekt ebenso wie ein differentielles Objekt bedingen, dass die Kasusalternation bei demselben Verb auftritt und damit nicht primär lexikalisch begründet ist.

b) Verben mit alternierender Kasusverwendung können allerdings in die Kategorie predicate-related „rutschen". Man kann sich vorstellen, dass ζ. Β. ein Verb aufgrund seiner inhärenten Semantik vorwiegend mit partitiver Funktion vorkommt, so dass dieser Kasus letztendlich an das Verb und dessen spezifische Bedeutung gebunden ist und keine Alternationen mehr erlaubt sind. Denkbar wäre als Konsequenz einerseits, dass eine Verwendung (in unserem Szenario diejenige mit Akkusativ) ganz wegfällt. Andererseits könnten auch zwei Verben mit un-

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Das Passiv im Deutschen

terschiedlicher Bedeutung entstehen, wobei das eine mit einem Genitiv (d. h. einem grammatikalisierten Partitiv), das andere mit einem Akkusativ verknüpft wäre (der wiederum im Passiv einen Nominativwechsel impliziert). Bei beiden Entwicklungssträngen würde man von einem Objekt und nicht mehr von einem differentiellen Subjekt sprechen. Man könnte dabei in Anlehnung an Willems/Van Pottelberge (1998: 65) von der diakritisch-syntagmatischen Funktion eines Kasus ausgehen, da er sich „in erster Linie aufgrund seiner diakritischen Unterscheidung einem anderen obliquen Kasus gegenüber begründen läßt". So muss im Objekt ein anderer Kasus als der Nominativ stehen, die Verwendung eines spezifischen Kasus ist jedoch oft idiosynkratisch, wenn vielleicht auch historisch nachvollziehbar. c) Aber auch in der Kategorie predicate-related kann ein Kasus eine oppositiv-paradigmatische Funktion haben. Das ist z. B. dann der Fall, wenn ein Kasus verbübergreifend eine bestimmte Bedeutung hat und damit in Opposition zum Akkusativ steht. Haspelmath (2001: 59) hatte in dem Zusammenhang auf den Dativ hingewiesen, der in einigen Sprachen ein Objekt mit stärker agentischen und weniger patientischen Eigenschaften kennzeichnet. Im Hinblick auf prädikative Satzstrukturen (und damit den Vorläufer des Passivs) bedeutet das, dass statt des eigentlich obligatorischen Subjekts im Nominativ auch ein Dativ oder Genitiv stehen könnte, wenn dieser in Opposition zum Akkusativ eine zusätzliche Bedeutung transportiert. Damit würde ein differentielles Subjekt mit einem unmarkierten Partner im Nominativ und einem markierten Partner im Dativ oder Genitiv vorliegen. Objektmarkierungen, die keine „oppositive" Funktion haben, könnten zumindest anfänglich nicht in diesem „Passiv" auftauchen. Außerdem sollte der markierte Partner möglichst Merkmale wie Definitheit und Topikalität aufweisen, wie sie für Subjekte typisch sind. Lässt sich im Althochdeutschen tatsächlich ein differentielles Subjekt mit einem Dativ oder Genitiv als markiertem Partner eines differentiellen Subjekts nachweisen (oder zumindest Reste davon), kann Welkes Postulat, mit dem die (syntaktische) Periphrasierung der passivischen Konstruktionen Voraussetzung für das Auftreten von Dativen oder Genitiven als einzigem Partizipanten ist (s. o.), als zumindest nicht-obligatorisch eingestuft werden. Periphrasierung muss erst dann vorausgesetzt werden, wenn Verben mit nicht-oppositiven Genitiven oder Dativen in die Konstruktion eintreten.

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Möglicherweise beginnt die Periphrasierung sogar hier im Bereich der differentiellen Subjekte, wenn es noch während des Vorliegens solcher Subjekte zu einer Auflösung der paradigmatischen Opposition kommt, so dass zwei verschiedene Verbbedeutungen entstehen, die z. B. jeweils an ein Vorkommen mit Akkusativ- und Dativ- oder Genitivobjekt geknüpft sind. Das hätte zur Folge, dass in der passivischen Konstruktion ein autonomes Objekt in Subjektposition zu stehen käme. Da dies nun überhaupt nicht mehr zur prädikativen Struktur passt (noch nicht einmal über den Umweg des differentiellen Subjekts), würde es in solchen Fällen zur Synthetisierung von werden/sein + Partizip Perfekt zum Verbalkomplex kommen, also zur syntaktischen Periphrasierung. An diesem Punkt könnten dann auch Verben mit nicht-oppositiven Genitiven oder Dativen diese Konstruktion für sich nutzen. Damit wäre direkt aufbauend auf einem subjekthaltigen entity-zentralen Passiv eine subjektlose entity-zentrale Konstruktion entstanden.

1.1.2.2.1 Genitiv Wenn wir im Hinblick auf Kasusbeibehaltung unter Oppositionsbedingungen von den zwei Bedingungskategorien reference-related, und clauserelated ausgehen, so gilt für den Genitiv im Althochdeutschen Folgendes. a) reference-related: Hier kommt v. a. die Verwendung des Genitivs in partitivischer Funktion in Frage, wobei alternierend ein (standardmäßiger) Akkusativ vorliegen muss. Dieser partitive Genitiv steht z. B. bei Verben wie essen, trinken, geben, holen oder nehmen, da insbesondere hier nur ein Teil von der Handlung betroffen sein kann (zum Partitiv vgl. z. B. Dal 1966: 15-17). Uaa% chldgetost tu dth . übe du mer getrünchen habest tespe^eren? (Notker, De consolatione Philosophiae II, S. 52, Z. 14-15) .Warum beklagtest du dich, falls du mehr getrunken hast vom Besseren?' Häufig fungiert der Partitivus jedoch als Attribut zu einem Substantiv oder Pronomen, so dass sich die Frage, ob der Partitivus ein Subjekt oder ein Objekt ist, nicht stellt. Vgl. im folgenden Beispiel nieht,nichts': Niehl ne-mdg uuäreren erdenchet uuerden . (Notker, De consolatione Philosophiae III, S. 170, Z. 17-18) ,Nichts Wahreres vermag ausgedacht zu werden.'

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Das Passiv im Deutschen

In meinem Korpus des Althochdeutschen kommt ein solcher Partitiv jedoch nur im Aktiv, nicht im Passiv mit sein oder werden vor. b) clause-related: Hier wird es im Althochdeutschen spannend, da es Anzeichen gibt, dass manche Verben eine Akkusativ/Genitiv-Alternation aufweisen, die Konsequenzen für die Deutung des Satzes hat. Dabei steht der Akkusativ für eine perfektivische oder definite Sichtweise, der Genitiv für eine imperfektive oder indefinite. Mit dem Zusammenbruch des Aspektsystems im Mittelhochdeutschen schwindet auch die Opposition Akkusativ vs. Genitiv, wobei der Genitiv v. a. durch Akkusative und Präpositionalobjekte verdrängt wird. Wenn also Genitiv und Akkusativ auf grammatischer Ebene alternieren, ist tatsächlich zu überlegen, ob in solchen Fällen nicht auch bei einer Genitiv-NP in passivischen Konstruktionen von einem (differentiellen) Subjekt ausgegangen werden soll. Darauf weist bereits Eroms (1992: 239) hin; man vergleiche dazu auch Wilmanns (1909: 538), der z. B. einen gotischen partitiven Genitiv als „Subjekt" bezeichnet. Nachdem Leiss den Zusammenhang von Aspekt, Akkusativ vs. Genitiv und den nominalen Kategorien Definitheit vs. Indefinitheit 1987 bei einem Vortrag auf dem Internationalen Kongress der Linguisten in Berlin vorgestellt hat (veröffentlicht 1991 und ausführlicher 1994), wird ihre Idee von anderen Sprachwissenschaftlern aufgegriffen. 12 So liegt z. B. mit Donhauser 1991 eine materialreiche Datenbasis vor, in der (u. a.) 43 Verben mit Akkusativ/Genitiv-Alternation im Althochdeutschen bei Tatian, Otfrid und Notker untersucht werden. In einem Artikel von 1990 fasst sie ihre Ergebnisse folgendermaßen zusammen (ebd. 108f.): „Handelt es sich um Verben, die bereits lexikalisch eindeutig auf eine perfektive Lesung festgelegt sind, so realisiert die Akkusativ/Genitiv-Variation die nominale Kategorie .Definitheit vs. Indefinitheit'; ist das Verb dagegen lexikalisch noch auf keine besondere aspektuelle Lesung fixiert, so markiert die Kasusmorphologie selbst die aspektuelle Charakteristik des Verbs, wobei der Akkusativ der perfektiven Lesart, der Genitiv dagegen allen imperfektiven Lesarten zuzuordnen ist." Als Beispiel für letztere Kategorie führt sie etwa an (ebd. 106): 1. mit Akkusativ (perfektive Lesart) Tha% imbot siegihörtunjoh iro ferti iltun; [...]. (Otfrid I, 17, 53) ,Diesen Auftrag vernahmen sie und eilten dahin; [...].'

12

Zum Problem des Genitivschwundes s. z. B. auch Abraham 1996 und 1997, Donhauser 1990,1991 und 1998 sowie Schrodt 1992 und 1996.

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2. mit Genitiv (imperfektive Lesart) Job sinero mrto erhörtafilu härto, [...]. (Otfrid II, 53, 57) ,Und seine Worte (wörtlich: seiner Worte) vernahm er deutlich, [...].' Dabei wird in der perfektiven Lesart mit nominalem Akkusativ Abgeschlossenheit oder Grenzbezogenheit signalisiert, während die imperfektive Lesart mit Genitiv für Nicht-Abgeschlossenheit bzw. NichtGrenzbezogenheit steht. Sie setzt also folgende Gleichung an (dargestellt nach Leiss 2000: 190): Verb Verb

+ +

NP (Gen.) NP (Akk.)

= =

imperfektive Lesart des Verbs perfektive Lesart des Verbs

In Leiss 2000 wird der Zusammenhang zwischen Artikel und Aspekt noch einmal aufgegriffen und damit auch der Bezug zur Akkusativ/GenitivAlternation (zum Althochdeutschen vgl. Leiss 2000: Kapitel 5.4). Dabei modifiziert sie das von Donhauser aufgestellte System, da diese ihr zufolge das bevorzugte Aufkommen des Artikels in den genitivischen Nominalphrasen nicht genügend berücksichtigt hat und die von ihr vertretene Gleichung deshalb zu einfach sei. Von einer detaillierteren Erläuterung des Systems soll an dieser Stelle jedoch abgesehen werden. In meinem althochdeutschen Korpus kommen in der Konstruktion uuerdann + Partizip Perfekt + Genitiv-NP nur drei Verben (bzw. vier Stellen) vor, die eine Akkusativ/Genitiv-Alternation zulassen. Alle Beispiele sind imperfektiv zu interpretieren und erfüllen außerdem die Bedingung der Definitheit und damit der „Subjekthaftigkeit" (s. o.). [...], thes imrti ouh thargiß^an, [...]. (Otfrid IV, 29, 20) ,[...], darum wurde sich auch dort bemüht, [...].' Forte diu uuirt hier beiden gebeten. (Notker, Psalm 142,10) .Daher wird hier um beide gebeten [Leib und Seele].' Te'ro allere uuirt kegerot ümbe eina dia säligheit. (Notker, De consolatione Philosophiae III, S. 113, Z. 27f.) ,Das alles wird allein wegen der Seligkeit begehrt.' so alles Idnes pediu gegerot uuirt. (Notker, De consolatione Philosophiae IV, S. 196, Z. 13) ,Wenn aller Lohn darum begehrt wird [,weil...].' 13 uuesan kommt

nicht vor.

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Das Passiv im Deutschen

M. E. liegt hier noch eine echte oppositiv-paradigmatische Verwendung des Genitivs vor, so dass man von einem differentiellen Subjekt mit Genitiv sprechen kann. c) predicate-related: Daneben existieren jedoch schon einige Verben, die nur mit einem Genitiv erscheinen, so dass man hier nicht mehr von einer oppositiv-paradigmatischen Funktion des Genitivs wie unter a) oder b) ausgehen kann. Damit läge ein eindeutiges Objekt und ein (zumindest auf syntaktischer Ebene) periphrasiertes Passiv vor. Mit einem Genitiv (und evd. einem zusätzlichen Dativ) sind in meinem Korpus fünf Verben in der Konstruktion mit uuerdan (1 Mal mit uuesan) + Partizip Perfekt verknüpft: äge^on ,etw. vergessen' (2 Stellen bei Notker), antwurten ,etw. beantworten, auf etw. antworten' (2 Stellen bei Notker), giwahinen ,etw. erwähnen' (1 Stelle bei Otfrid),/ergeben ,etw./jdn. vergessen' (1 Stelle bei Notker), spoton ,jdn. verspotten' (1 Stelle Alemannischer Glauben und Beichte). Alle Genitiv-NPs sind definit. Vgl. etwa: Thes eriu wardgiwähinit, [...]. (Otfrid I, 9,1) ,Das wurde euch gegenüber schon vorher erwähnt, [...].' Vuanda so fürnomes ne-uuirtfeigeren dero ärmon. (Notker, Psalm 9,19) ,Denn somit werden die Armen nicht völlig vergessen werden.' Ein weiteres Beispiel liegt mit dem Verb gilondn ,jdm. etw. vergelten' vor, das mit Genitiv und Dativ steht (vier Stellen). An allen Stellen kann der Genitiv als elliptisch (d. h. entspezifiziert bzw. generalisiert) eingestuft werden, vgl. z. B.: [...], min odo sie thih abur uuidarladon, inti ist thirgilonot. (Tatian 110, 4) Lat. [...] etfiat tibi retributio. ,[...], und es wird dir vergolten.' [...]: thir uuirditgilonot in thera arstantnessi rehtoro. (Tatian 110, 4) Lat. [...]; retribuetur enim tibi in resurrectione iustorum. ,[...] es wird dir vergolten bei der Auferstehung der Gerechten.' Fritz (1994: 168) erwähnt außerdem noch folgende Stelle bei Otfrid, für die er einen elliptischen Genitiv annimmt. [...], so hiarföra wardgiwäht. (Otfrid IV, 7, 92) ,[...], wie hier vorher erwähnt wurde.'

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giwäht wird jedoch normalerweise als abstraktes Substantiv mit der Bedeutung .Erwähnung' und nicht als Partmp Perfekt zu giwahinen (+ Genitiv) ,etw. erwähnen' eingeordnet wird (so etwa zu Otfrid bei Kelle 1881/1963: 230 oder zu Notker bei Sehrt/Legner 1955: 223 und Sehrt 1962: 75). Es wird nicht bestritten, dass giwahinen und giwdht etymologisch aufeinander zu beziehen sind, doch lautet das Partizip Perfekt zu giwahinen ganz regulär giwahinit, wie es z. B. in Otfrid I, 9, 1 vorkommt (s. o.). Ich gehe deshalb im Falle von ward giwäht nicht von einer passivischen Konstruktion aus, weshalb die Übersetzung auch eher lauten sollte: ,[...], wie hier vorher Erwähnung fand.' Damit existiert aber keine echte event-zentrale Variante einer passivischen Konstruktion mit Genitiv, da dieser entweder nicht elliptisch vorkommt oder wenn doch, neben einem anderen nicht-generalisierten Partizipanten (hier: Dativ, s. o.), so dass aufgrund dessen weiterhin EntityZentralität vorherrscht. Dies entspricht der Voraussage in Kapitel 1.4.1 bzw. 1.4.2. 1.1.2.2.2 Dativ Leiss (2000: 193) vermutet mit Verweis auf Van Pottelberge 1998 die Möglichkeit einer „paradigmatischen Kraft" wie bei der Akkusativ/Genitiv-Alternation auch bei der Dativ/Akkusativ-Alternation. Obwohl solch auffällige Alternationen noch im Mittelhochdeutschen existieren, lässt sich eine Unterscheidung nur schwer auf grammatische Regularitäten zurückführen, vgl. mhd. klagen + Akkusativ ,etwas beklagen' vs. klagen + Dativ ,bei jdm. Klage erheben' (Van Pottelberge 1998: 454). Es ist jedoch möglich, dass es eine solche Opposition in älterer Zeit gegeben hat, dass aber der „Zusammenbruch" früher eingesetzt hat als bei der Akkusativ/Genitiv-Alternation. Wie könnte eine solche Opposition ausgesehen haben? Auffällig ist, dass der Dativ primär an Personen geknüpft ist (z. B. Brugmann 1904: 431; Grimm 1898: 725). Das hat damit zu tun, dass im Indoeuropäischen „in ihn [den Dativ] der Nominalbegriff kommt, mit Hinblick und Rücksicht auf welchen die Handlung geschieht, welchem sie gilt, er ist der Kasus der Beteiligung und des Interesses" (Brugmann 1904: 431). Der Dativ ist also v. a. der Kasus des Rezipienten oder Nutznießers der im Verb ausgedrückten Handlung und zeichnet sich durch eher agentische (und nicht patientische) Merkmale wie Belebtheit, Spezifität/Definitheit und gering(er)e Affiziertheit aus. Als solcher kann er stehen:

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a) entweder begleitend zu einem Patiens bzw. Akkusativ (etwa als Dativus commodi, z. B. ich kommen dir die Arbeit) (s. Kapitel II. 1.1.2.1); b) falls ein bestimmtes Verb aufgrund seiner Semantik vorzugsweise einen belebten Partizipanten selektiert, auch an Stelle eines Akkusativs (z. B. winken, gratulieren, gehorchen·, s. Haspelmath 2001: 59); c) bei ein und demselben Verb als Markierung für einen belebten Partizipanten in paradigmatischer Opposition zu einem im Akkusativ markierten unbelebten Partizipanten. Fall c) erinnert stark an das Phänomen des differentiellen Objekts, wie es u. a. im Spanischen vorkommt. Dabei ist der unbelebte Partizipant im unmarkierten Kasus kodiert (der mit dem Nominativ formgleich ist), der belebte Partizipant im markierten Kasus (der mit dem Dativ übereinstimmt) (Beispiel in Anlehnung an Moravcsik 1978b: 273; s. a. Kapitel 1.2.1).

el chico ve la nieve ,Der Junge sieht den Schnee.' el chico ve a esa chica , Der Junge sieht dieses Mädchen.' Was bedeutet das nun für passivische Konstruktionen mit Dativobjekt im Althochdeutschen? Es ist möglich, dass auf früheren Sprachstufen nicht nur die Alternation Akkusativ/Genitiv, sondern bei manchen Verben auch Dativ/Akkusativ paradigmatisch-oppositive Funktion hatte, womit ein Dativ als markierter Partner eines differentiellen Subjekts erscheinen dürfte. Gleichzeitig ist auch hier ein Lexikalisierungs-„Rutsch" in die Kategorie predicate-related gegeben, d. h. es kommt zur Auflösung der Alternation, wodurch die Verbindung Verb + Akkusativobjekt bzw. Verb + Dativobjekt zu einer festen Fügung mit spezifischer Semantik wird (dabei kann auch nur eine der beiden Verbindungen „überleben"). Eine solche Entwicklung hätte auch hier zur Folge, dass ein Dativ, der rein theoretisch in einem logischen Satz in seiner Funktion als differentielles Subjekt stehen kann, isoliert wird und als Objekt zu interpretieren ist. Dadurch muss der Komplex werden/sein + prädikatives Partizip Perfekt als Verbalkomplex uminterpretiert werden, es entsteht ein (teil)periphrasiertes entity-zentrales Passiv mit Dativobjekt, wodurch grundsätzlich Verben mit nicht-oppositivem Dativ in die Konstruktion eintreten können. Aus Sicht der althochdeutschen passivischen Konstruktionen scheint die paradigmatisch-oppositive Kraft der Akkusativ/Dativ-Alternation

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schon sehr schwach gewesen zu sein. Immerhin lässt sich für zwei im Korpus vorkommende Verben, nämlich arteilen und helfan, feststellen, dass es rein formal noch eine Alternation Akkusativ/Dativ im Aktiv gibt, auch wenn eine semantische Weiterentwicklung stattgefunden hat. Am häufigsten erscheint dabei im Passiv arteilen (7 Belegstellen), das laut Kelle (1881/1963: 312) mit Akkusativ die Bedeutung ,etw. entscheiden, bestimmen', mit Dativ ,über jdn. das Urteil fällen' hat. Die semantische und grammatische Trennung verläuft also eindeutig zwischen belebten und unbelebten Partizipanten. Das zeigen auch einige passivische Konstruktionen mit Dativ, z. B.: Muspilli 84 (Steinmeyer 1916: 71) enti imo after sinen tatin arteilit uuerde. ,und über ihn wird das Urteil gemäß seinen Taten gesprochen.' Otfrid II, 12, 84 theist ju sargimeinit, tha£ themo ist giwisso irdeilit. 'das ist so bestimmt, dass über denjenigen gewiss das Urteil gefällt wird.' Notker, Psalm 1, 5 sie ne-bitent danne urteildo. uuanda in tu irteilet ist. ,[...]. Denn über sie ist bereits das Urteil gefällt.' Notker, Psalm 36, 33 Nob erferbräset in . so imo irteilet uuirdet! föne dien übelen. ,[...]. Wenn über ihn das Urteil gefällt wird von den Bösen.' Notker, De consolatione Philosophiae III, S. 127, Z. 18 dd% imo fore demo erteilet uuürte. ,Dass über ihn vor dem das Urteil gefällt würde.' Ein Vergleich von 30 Stellen mit arteilan (im Passiv oder Aktiv) bestätigt außerdem, dass arteilan mit Dativ nicht mit Unbelebten vorkommt. Überraschend ist allerdings, dass Belebte in passivischen Konstruktionen nicht nur wie erwartet im Dativ, sondern manchmal auch im Nominativ (bzw. im Aktiv im Akkusativ) stehen. Das zeigt folgende Tabelle: Passiv: 13 Nom/bel: 5 Dat/bel: 7

Nom/unbel: 1 Dat/unbel: -

Aktiv: 17 Akk/bel: 5 Dat/bel: 10

Akk/unbel: 2 Dat/unbel: -

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Das Passiv im Deutschen

Offensichtlich hat hier noch einmal eine semantische Differenzierung innerhalb der Gruppe der Belebten stattgefunden, denn auf die Verknüpfung von arteilen mit Nominativ (Passiv) bzw. Akkusativ (Aktiv) passt ein „neutral-unbelebtes" beurteilen viel besser als ein „emotional-belebtes" verurteilen, vgl. z.B. Notker, Psalm 1, 5 Ene ne-irstänt. da* sie irteilet uuerden. noh tise ne-irstänt da% sie irteilen. Jene erstehen nicht auf, um beurteilt zu werden, und diese erstehen nicht auf, um zu urteilen.' 14 Ähnliches stellt im Übrigen Grimm (1898: 725) sogar noch für nhd. helfen fest: „[Es] läßt sich erkennen, daß wenn eine person gegenständ des verbums ist, statt des acc. gern der dat. construiert wurde, der ausdruck erscheint dann persönlicher und lebhafter, es ist aber keine fahrlässigkeit, sondern glückliche gäbe der älteren spräche, daß sie zu dem einen oder dem andern casus greifen darf, je nachdem sie die ruhig erfolgende einwirkung auf ein object, oder das subjectivere Verhältnis bezeichnen will, was hilft mich das? ist objectiver geredet, was hilft mir das? persönlicher." Für ahd. (gi)helfan ist im Aktiv tatsächlich eine Alternation Akkusativ/Dativ in Bezug auf Personen belegt (s. a. Schützeichel 1995: 163), in meinem Passiv-Korpus kommt es allerdings nur ein Mal vor und zwar erwartungsgemäß mit Dativ: Notker, Psalm 27, 7 unde dannan ist mir geholfen. ,Und von dort ist mir geholfen (worden).' Unter der Prämisse, dass passivische Konstruktionen mit Dativ schon so weit grammatikalisiert waren, dass auch Verben mit autonomem Objekt eintreten können, ist hierher auch die Wendung guate (gi)sprechan ,jdn. grüßen, freundlich ansprechen' (Schützeichel 1995: 239) zu rechnen. Man vergleiche dazu die Stelle aus Otfrid V, 8, 35. So ist themogötes drute gispröchan vggüate, [...]. ,So wird der Freund Gottes freundlich angesprochen, [...].' Auch das Verb (gi)lSnön ,jdm. etwas lohnen/vergelten' kann dazu gezählt werden, wenn nicht wie sonst üblich die Sache als Genitivobjekt kodiert

14

Siehe auch die Übersetzung bei Okken (1994: 10).

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ist (s. z. B. Schützeichel 1995: 176), sondern wie an zwei Stellen aus spätalthochdeutschen Texten als Präpositionalobjekt. Ich gelob, da£ mirgelonot sol werden nach minen werchen: [...]. (Alemannischer Glauben und Beichte, Steinmeyer 1916: 351, Z. 29f.) ,Ich glaube daran, dass mir nach meinen Taten vergolten werden wird: [···]·' Ich geloube, da% ich irsterbin sol unde abir irstan sol unde mir gelonot werdin sol nach minin werchin. (Sangaller Glauben und Beichte III, Steinmeyer 1916: 353, Zeüen 16f.) ,Ich glaube daran, dass ich sterben und aber auferstehen werde und mir nach meinen Taten vergolten werden wird.' Alle Formen mit Dativ sind also im entity-zentralen Bereich angesiedelt und gehen manchmal noch sichtbar auf Konstruktionen mit einer paradigmatischen Opposition von Akkusativ und Dativ zurück, auch wenn semantische Weiter- und Auseinanderentwicklungen eingetreten sind. Da im Althochdeutschen bereits einige Verben mit Dativobjekt ohne (historische) Kasusalternation in die Konstruktion eintreten können, hat sich bereits ein Verbalkomplex herausgebildet (und damit ein syntaktisches periphrasiertes Passiv). Ein „elliptischer" Dativ existiert entsprechend zum Genitiv (noch) nicht.

1.1.2.3 Einzelbelege An dieser Stelle sollen zwei Einzelbelege besprochen werden, die in keine der bisherigen Kategorien passen, und auf den ersten Blick wie subjektlose Passive mit beibehaltenem Akkusativobjekt bzw. Präpositionalobjekt aussehen. So liegt in Isidor 436-438 anscheinend eine passivische Konstruktion ohne Subjekt, aber mit Präpositionalobjekt vor. In dhemu heilegin daniheles chiscribe ist umbi dhea Christes chumft qrnustliihho araughit [...]. ,In des heiligen Daniels Schrift ist von der Ankunft Christus' sicher gezeigt [...].' Eichinger, der sich in zwei Artikeln von 1987 intensiv mit den Passiworkommen bei Isidor beschäftigt, geht hier überraschenderweise von einem persönlichen (Zustands)Passiv aus und setzt neben einer NP mit umbi

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Das Passiv im Deutschen

(umbi dhea Christes chumjt) sowie in (in dhemu heilegin daniheles chiscribe) auch eine NP im Nominativ (bei ihm NPi) an (Eichinger 1987a: 136; 1987b: 422). Da aber im Beispiel selbst nirgendwo ein externes Subjekt erkennbar ist, und er nicht weiter auf das Problem eingeht, bleibt letztendlich unklar, was als Subjekt bezeichnet werden soll. Kaufmann (1912: 93) dagegen ist der Meinung, dass es sich hier tatsächlich um einen subjektlosen Satz handelt, wobei der Schreiber zwar von der lateinischen Quelle mit Subjekt abweicht (tempus avuentus eius certissime ostenditur), die vorliegende Konstruktion jedoch trotzdem vom Lateinischen beeinflusst ist. Dabei verweist er auf semantische Parallelen mit Präpositionalobjekt wie etwa de quo diät dauid in psalmo und die entsprechende althochdeutsche Übersetzung umbi huuenan dauid in psalmom quhad (Isidor 205f.; ebd.). Kaufmann geht also von einem unpersönlichen Passiv mit Präpositionalobjekt aus. Obwohl es sich hier um das einzige Beispiel dieser Art im Althochdeutschen handelt, schließe ich mich seiner Meinung an. Wenn passivische Fügungen soweit grammatikalisiert sind, dass auch bereits Objekte ohne paradigmatisch-oppositive Kraft eintreten können, gilt dies nicht nur für Dative und Genitive, sondern auch für Präpositionalobjekte. Dass solche Fälle selten sind, mag daran liegen, dass Konstruktionen mit Präpositionalobjekten „im Deutschen vor allem nach der mittelhochdeutschen Blütezeit" an Bedeutung gewinnen (Engelen 1970: 12; zitiert nach Hundt 2001:171, Fußnote 15). Auch in dem Beispiel eines möglicherweise unpersönlichen Passivs mit beibehaltenen Akkusativobjekt handelt es sich um eine Stelle aus Isidor 466-468 mit araugen. After dhem sibun^o uuehhom ist hear offono araughit %iuuare christan iu chiboranan ioh chimartorodan, endi dha^s dhiu burc hierusalem aruuostit uuardh endi ghelstar ioh salbunga bilunnan uurdun. ,Nach der 70. Woche ist hier klar offenbart worden den schon geborenen und gemarterten Christus, und dass die Stadt Jerusalem zerstört wurde [...].' Auch auf diese problematischen Stellen bei Isidor geht Eichinger nicht weiter ein. In Eichinger (1987a: 136) und (1987b: 422) wird zwar angegeben, dass es sich dabei um eine Partizipialkonstruktion handelt, die offensichtlich mit einem durch dhav^s eingeleiteten Gliedsatz in Subjektfunktion gleichgesetzt wird, wie das jedoch vonstatten gehen soll, bleibt unklar. M. E. gibt es zwei Interpretationsmöglichten. Die eine ist, dass es sich hier um eine Beeinflussung durch die lateinische Vorlage handelt (wobei in Isidor i. Allg. sehr frei damit umgegangen wird.)

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Post LXX enim ebdomadas et natus et passus ostenditur christus et ciuitatem hierusalem in exterminatione fiusse et sacrifiäum unctionemque cessasse. Im Lateinischen wechselt innerhalb des Subjekts die Konstruktion, da christus vom Passiwerb ostenditur direkt abhängt und einen Nominativ aufweist, die beiden damit koordinierten Nebensätze jedoch im Acl stehen und damit akkusativisch sind. In der althochdeutschen Übertragung wechselt die Konstruktion ebenfalls, aber umgekehrt. Zuerst steht ein Akkusativ (wo eigentlich ein Nominativ zu erwarten wäre), danach folgen die Nebensätze im Nominativ, da der Acl durch einen dass-Satz aufgelöst wurde. Möglich ist daher auch, dass der Akkusativ christan durch den Zwang zum Wechsel motiviert ist, wobei es sich um einen Acl handelt, bei dem der Infinitiv weggelassen wurde, also:15 *After dhem sibun^o uuehhom ist hear offono araughit ^iuuare christan iu chiboranan ioh chimartorodan [uuesan], endi dha^s.... Rein theoretisch ist es aber auch möglich, dass der Akkusativ hier „echt" und als entity-zentrales, aber subjeküoses Passiv von Transitiva zu interpretieren ist. Es wäre also eine (allerdings sehr zögerliche) Parallelentwicklung in den Bereich der direkten Objekte hinein anzunehmen, sobald erst einmal ein grammatikalisiertes Passiv mit autonomem Genitiv- oder Dativobjekt vorliegt. In Kapitel 1.4.1 wurde bereits auf ähnliche, ebenso seltene Fälle im Altitalienischen hingewiesen (z. B. credo che lo s'occide ,ich glaube, man bringt ihn um', Wehr 1995: 116, 200f.), die hier allerdings auf Pronomina der 3. Person beschränkt waren. Damit lassen sich beide Einzelbelege integrieren, ohne dass sich ein Widerspruch zur aufgestellten These hinsichtlich der Passiventwicklung im Althochdeutschen ergibt.

1.2 Das so genannte modale Passiv Neben dem Passiv Subjekt + uuerdan/uuesan + Partizip Perfekt gibt es im Althochdeutschen noch eine verwandte Konstruktion, bestehend aus Subjekt + uuesan + Präposition φ + Verbalsubstantiv. Als Verbalsubstantiv fungiert der Infinitiv im Dativ (bedingt durch die Präposition auf anne/-enne (s. ζ. B. Demske-Neumann 1992: 74f.).

15

Für diesen Hinweis danke ich Regine Froschauer.

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[...]: mantles sun ist vg sellenne in hant manno, [...]. (Tatian 93, 1) Lat. [...]: filius hominis tradendus est in manus hominum, [...]. ,Der Menschensohn ist in die Hände der Männer zu überantworten, [...].' Die althochdeutsche Konstruktion übersetzt dabei weitgehend ein lateinisches Gerundivum (vgl. Demske-Neumann 1994: 75). Dabei steht wie beim „normalen" Passiv eine stark affizierte Entität im Subjekt, mit der über die Kopula sein die präpositionale Fügung + Infinitiv eines Handlungsverbs verknüpft ist. Es ergibt sich eine auf das Objekt der Handlung gerichtete Sehweise mit der zusätzlichen modalen Komponente der Notwendigkeit (Wilmanns 1906: 128).16 Historisch gesehen liegt auch hier ein logischer Satz mit Subjekt und Prädikativum und damit Entity-Zentralität zugrunde. Als „Quelle" für diese spezielle Art von Prädikativum dienen wahrscheinlich mit ψ regierte Präpositionalphrasen mit Substantiven, ζ. B. (Beispiel in Anlehnung an Demske-Neumann 1994: 76): Tha^situ %eichane, [...]. (Tatian 6, 2) ,Das diene euch als Zeichen, [...].' Durch die Besetzung des primären durch ein sekundäres Substantiv, nämlich einen substantivierten Infinitiv, ergibt sich eine Handlungskomponente (zur durch die affizierte Entität bedingten Geschehenskomponente) und damit zusätzlich sekundäre Thetizität. Die Periphrasierung der Konstruktion, d. h. die Analyse von + Infinitiv + sein als komplexes Verb wird von Demske-Neumann (1992: 80f.) sogar erst für das 14./15. Jahrhundert angesetzt (vgl. Kapitel II.3.2.2). Ebenso wie beim nicht-modalen Passiv handelt es sich also ursprünglich um entity-zentrale Fügungen mit maximal affizierten Entitäten, weshalb aus Sicht der Infinitive fast ausschließlich Handlungsverben mit direkten Objekten, also transitive Verben, involviert sind (DemskeNeumann 1994: 64). Auch Nebensätze waren als Subjekt möglich (Demske-Neumann 1992: 75): Neo nist ^i chilaubanne dha^s [...]. (Isidor 638) .Durchaus nicht ist [das/es] zu glauben, dass [...].'

16

Das Gotische kannte diese Konstruktion noch nicht (Wilmanns 1906: 128). Die weitere modale Komponente der Möglichkeit ist außerdem erst neuhochdeutsch (DemskeNeumann 1994: 76).

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Allerdings scheinen schon im Althochdeutschen auch unpersönliche Konstruktionen zu existieren, d. h. Infinitive, denen intransitive Verben zugrunde liegen. Allerdings zählt Demske-Neumann (1994: 73) hier nur fünf Belege, wobei vier einstellige Verben {leben, wandern, fechten, beten, Demske-Neumann 1992: 75; 1994: 65) sowie ein zweistelliges Verb mit Genitiv (geron ,begehren") beteiligt sind (Demske-Neumann 1994: 73; Beispiele ebd. 65).17 Zweistelliges Verb (Nom. + Gen.) Nu ist to gutsso allero mähte gerönne. (Notker, De consolatione Philosophiae IV, S. 194, Z. 8f.) ,Nun ist gewiss aller Macht zu begehren.' Einstellige Verben Vmeo arbeitsam hier lebenne ist. (Notker, Psalm 83, 2) ,Wie arbeitsam hier zu leben ist.' In allen fünf Fällen geht Demske-Neumann (1992: 72; 1994: 65, 73) von Ausnahmefällen aufgrund von lateinischem Einfluss aus. Dazu ist allerdings zu bemerken, dass selbst bei einer kursorischen Durchsicht althochdeutscher Texte weit mehr „Ausnahmen" zu Tage treten und nicht nur „aus dem späten Ahd. [...] oder bereits aus dem Mhd." (Demske-Neumann 1994: 65). So finden sich bereits zwei Beispiele mit den Verben beten und loben in den Murbacher Hymnen, die zusammen mit Isidor (beide Anfang des 9. Jahrhunderts) als eines der frühesten althochdeutschen Zeugnisse gelten können. mittes takes petonne ist (Murbacher Hymnen 17,1) Lat. Meridie orandum est, [...]. ,mittags ist zu beten' ioh dera einun capurti [Genitiv] lobone uns simbulum ist (Murbacher Hymnen 1, 2) Lat. uniusque substantie laudanda nobis semper est. ,und deren einzigartige Wesenheit ist von uns immer zu preisen' Bei Notker tauchen weitere Beispiele auf u. a. mit den Verben leben, fehtan, sih forhten (mit Genitiv), gatrüen ,jdm. etwas glauben' (mit Dativ der Person

17

Mittelhochdeutsch ebenso wie alt- und mittelenglisch ist kein einziger Beleg nachzuweisen Pemske-Neumann 1994: 73).

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und Genitiv der Sache), ähten ,jdn. verfolgen' (mit Akkusativ oder Genitiv), gerdn ,etw. begehren' (mit Genitiv oder Akkusativ). Ich postuliere nun, dass das modale Passiv im Althochdeutschen strukturell den nicht-modalen Konstruktionen entspricht. Das heißt, dass sich auch hier entweder noch entity-zentrale Konstruktionen mit differentiellem Subjekt finden (z. B. bei ähten oder gerdn, s. o.; auch loben, das in den Murbacher Hymnen vorkommt, steht mit Akkusativ- oder Genitivobjekt) oder auch schon syntaktisch periphrasierte Formen mit autonomem Genitiv-, Dativ- oder Präpositionalobjekt. Diese Einschätzung wird durch ein weiteres Einzelbeispiel mit einem durch das Adjektiv deutlich markierten Akkusativ unterstützt, das im Übrigen kein Latinismus sein kann (s. a. Demske-Neumann 1994: 70). Ouh niuuan min in niuua belgi sentenne ist, [...]. (Tatian 56, 9) Lat. Sed vinum novum in utres novos mittendum est [...]. ,Auch neuer [wörd. neuen] Wein in neue Schläuche zu schütten ist, [...].' Zwar handelt es sich um den einzigen eindeutigen Fall mit Akkusativ, möglich wäre jedoch eine akkusativische Deutung bei vielen Beispielen, da Nominativ und Akkusativ in fast allen vokalischen Deklinationsklassen des Deutschen identisch sind (Demske-Neumann 1994: 70). So wird etwa bei Sehrt/Legner (1955: 218) für das folgende Notker-Beispiel ein Akkusativ angesetzt, obwohl hier Nominativ und Akkusativ auf -i ausgehen. Dero gemeinsame ist fliehenne. (Notker, Psalm 100, 5) ,Die Gemeinsamkeit mit ihnen ist zu fliehen.' Allerdings ist sowohl im Deutschen als auch im Lateinischen normalerweise ein Nominativ gefordert, was sich besonders bei overter Kasusmorphologie zeigt (Beispiele in Anlehnung an Demske-Neumann 1994: 70f.). er ist hina uuerfinne. (Notker, Psalm 88, 45) ,dass er hinunterzuwerfen ist' Substantia ist specialiter sdgenne. (Notker, Categoriae, S. 17, Z. 7f.) ,die Wesenheit ist besonders zu betonen' Da der Akkusativ in den jeweiligen Beispielen in(an) bzw. substantiam lautet, kann kein Zweifel bestehen, dass hier ein Nominativ vorliegt. Dass solche Beispiele vom Typ entity-zentrales, aber subjektloses Passiv von Transitiva, sehr selten sind, passt allerdings zu unserem Befund

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(vgl. auch Kapitel II.1.1.2.3) und ist das Erwartete. Die jeweiligen Bedingungen für ihr Auftreten können jedoch aufgrund eben dieser niedrigen Frequenz nicht festgelegt werden. Dass das modale Passiv tatsächlich schon sehr weit in Richtung Event-Zentralität entwickelt ist, zeigt auch ein Beispiel aus Notker mit dem Verb geban, bei dem sowohl das Akkusativ- als auch das Dativobjekt generalisiert sind. Übe däv^ ter man haben nemag. ta% er dndermo gibet. so istJone diu gebenne . uudnda [...]. (Notker, De consolatione Philosophiae II, S. 77, Z. 12-14) .Falls einer dasjenige nicht zu behalten vermag, das er einem anderen gibt, so ist deshalb zu geben, weil [...].' Dies unterstützt die These, dass es bereits ein event-zentrales Passiv von objekdosen Intransitiva geben kann, wie es in den Murbacher Hymnen mit beten (s. o.) bzw. bei Notker mit leben (Beispiel s. o.) oder fehtan vorzuliegen scheint (dazu würde auch das von Demske-Neumann genannte Verb wandern gehören; s. o.). Möglicherweise ist die Konstruktion tatsächlich, wie von DemskeNeumann postuliert, vom Lateinischen beeinflusst. Das muss jedoch nicht unbedingt heißen, dass sie „undeutsch" bzw. nicht systemgerecht ist, was sich schon daran zeigt, dass subjektlose Konstruktionen entgegen ihrer Behauptung nicht absolute Ausnahmen sind.

1.3 Exkurs: Pronomen versus Flexion (pro-drop) Bevor wir uns im nächsten Kapitel den primär thetischen Konstruktionen im Althochdeutschen zuwenden, sind noch ein paar Worte zur Verteilung von Pronomen und Flexion bzw. Makrovalenz und Mikrovalenz notwendig. Eine Sprache wie das Serbische lässt ζ. Β. die reine Flexion (pro-drop, Mikrovalenz) sowohl in indexikalischer als auch in generalisierter oder assertiv-existentieller Funktion zu:18 indexikalisch: volim te ,ich liebe dich' (wörd.:,liebe dich') generalisiert : ovdeprodaju knjige .hier verkauft man Bücher' assertiv-existentiell: biloje hladno ,es war kalt'

18

Für die Auskünfte zum Serbischen danke ich Elke Hentschel.

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Das Russische dagegen weist im indexikalischen Bereich Makrovalenz auf, in generalisierter und assertiv-existentieller Funktion aber Mikrovalenz. Die Tendenz zur Beseitigung von pro-drop setzt also möglicherweise im stärker referentiellen indexikalischen Bereich ein. indexikalisch: *ljublju tebja generalisiert : %des'prodajut knigi ,hier verkauft man Bücher' assertiv-existentiell: bylo cholodno ,es war kalt' Während das Gegenwartsdeutsche mikrovalenzielle Strukturen in keiner dieser Funktionen zulässt liebe dich, *hier verkauft Bücher, *war kali), zeigt das Althochdeutsche noch ein anderes Bild. So lässt sich beobachten, dass die Setzung des (nicht betonten) Personalpronomens in der 1. und 2. Person häufiger als in der 3. Person und häufiger im Nebensatz als im Hauptsatz ist (Ebert 1978: 54; s. a. Eggenberger 1961: 168f.). Je stärker offensichtlich der Grad der Eindeutigkeit der Referentialität bzw. der referentiellen Determination, desto eher wird das entsprechende Pronomen explizit gesetzt. Häufigkeit der Setzung sowie Grad der referentiellen Determination verhalten sich also proportional zueinander. Die Besonderheit besteht lediglich darin, dass die Differenzierung sogar innerhalb des indexikalischen Bereichs erfolgt. +

Häufigkeit der Setzung/Grad der referentiellen Determination



Dazu würde nun passen, dass im Falle generischer bzw. generalisierter Bedeutung, wo minimale referentielle Determination vorliegt, ebenfalls die reine Flexion genügt. Das Althochdeutsche verhält sich allerdings anders, da Generizität eher pronominal ausgedrückt wird (vgl. ahd. mart). Ich argumentiere nun, dass hier offensichtlich eine zusätzliche Differenzierung im Bereich der 3. Person mit geringer(er) referentieller Determination erfolgt ist, und zwar dahingehend, dass Generizität eher markiert ist (d. h. es wird ein Personalpronomen gesetzt), Indexikalität ist hingegen eher unmarkiert (d. h. es genügt die reine Flexion). Die Kriterien Häufigkeit der

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Setzung des Pronomens und Grad der referentiellen Determination verhalten sich also umgekehrt proportional zueinander. Häufigkeit der Setzung

+

Grad der referentiellen Determination

+

-

Aufgrund dieser „Umklammerung" von Indexikalität in der 3. Person durch makrovalenzielle Strukturen, ist es nicht verwunderlich, wenn die Lücke auf späteren Sprachstufen geschlossen und hier ebenfalls pronominal markiert wird. Damit bleiben an dieser Stelle aber noch zwei Fragen offen: 1. Wie kommt es überhaupt zur pronominalen Markierung im generischen und damit minimal referentiellen Bereich? 2. Wie verhält es sich im Althochdeutschen mit dem assertivexistentiellen Bereich? Beide Fragen hängen m. E. eng zusammen. Um mit der zweiten Frage zu beginnen, so ist bemerkenswert, dass an verschiedenen Stellen (z. B. Dal 1966: 167) explizit darauf hingewiesen wird, dass typische Konstruktionen aus dem event-zentralen primär thetischen Bereich das Element «ζ ,es' schon althochdeutsch in jeder Stellung aufweisen, vgl. v. a. Ausdrücke für Witterungsvorgänge sowie Jahres- und Tageszeiten: regonot, sniwit, taget, nahtet, äbendet (Beispiele nach Wilmanns 1906: 465). Meine Vermutung ist deshalb, dass die pronominale Markierung sowohl im referentiell stärksten indexikalischen als auch im referentiell schwächsten assertiv-existentiellen Bereich beginnt, wobei von da aus auch der Bereich der Generizität „vereinnahmt" wird.

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Erstaunlich ist dabei nur, dass die Tendenz zur Beseitigung von prodrop den assertiv-existentiellen Bereich überhaupt so früh erfasst. Die Ursache dafür ist m. E. darin zu suchen, dass sehr früh schon kategorische Strukturen, d. h. explizite Zweigliedrigkeit, auf den primär thetischen Bereich übertragen werden (s. dazu auch Reis 1985: 26). Davon ist automatisch speziell der event-zentrale Bereich betroffen, da hier weder ein Subjekt noch irgendein anderer Partizipant existiert. Da im Althochdeutschen offensichtlich auch noch keine Stimuli zum Subjekt gemacht werden können, bleibt als einzige Lösung, ein Scheinsubjekt einzuführen. 19 Dabei verweisen schon Wilmanns (1906: 464) und Brugmann (1917: 24) darauf, dass das bei Naturvorgängen aus historischer Sicht mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mit dem referentiellen, d. h. generischen oder unbestimmten, zusammenhängt. 20 Vielmehr handelt es sich um eine zufällige Übereinstimmung, da sich das Personalpronomen der 3. Person Singular als unmarkierte Form für ein unspezifiziertes Subjekt und damit Event-Zentralität anbietet. Dass das Scheinsubjekt außerdem nicht notwendigerweise neutral sein muss, zeigen einige keltische Sprachen, z. B. Gälisch, das für diese Funktion die feminine Form hi verwendet (s. Lambert 1998: 308).

1.4 Primär thetische Konstruktionen Sekundäre Thetizität ist im Althochdeutschen erst im Aufbau begriffen. Immer noch existiert in allen entsprechenden Konstruktionen gleichzeitig ein an eine affizierte Entität gekoppeltes Geschehensmerkmal bzw. primäre Thetizität. Reine sekundäre Thetizität in Form eines Passivs von objekdosen Intransitiva ist nur im modalen Passiv gegeben. Dabei ist allerdings unklar, inwieweit es sich um lateinischen Einfluss handelt, da im Mittelhochdeutschen keine solchen Fälle belegt sind. Den Zugang zum thetischen Bereich „erschwindeln" sich die Handlungsverben außerdem, indem sie für sich zugängliche Positionen in Geschehenskonstruktionen besetzen, nämlich das Prädikativum eines logischen Satzes. Dadurch ergibt sich eine Mischung von primärer und sekundärer Thetizität. Zwar ist es im Althochdeutschen schon zur syntaktischen Periphrasierung von Kopula + Prädikativum zum Verbalkomplex gekommen, eine affizierte Entität liegt mit dem Objekt aber immer noch vor. Dies gilt selbst dann, wenn Subjekt oder Objekt generalisiert bzw. 19 20

Den Terminus Scheinsubjekt im Sinne eines nicht-referentiellen Subjekts verwenden zuerst Wilmanns (1909: 463) und Brugmann (1917: 1). Die Alternation mit demonstrativem das (z. B. nhd. Das regnet ja heute wieder, vgl. auch nfrz. (apleut) ist althochdeutsch nicht möglich bzw. zumindest nicht belegt.

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generisch sind und der Satz damit konzeptuelle Event-Zentralität ausdrückt. Rein primär thetische Konstruktionen sind auf lexikalischer Ebene und damit alleine aufgrund ihrer inhärenten Semantik Geschehen. Ausgeschlossen ist also ein Agens als Partizipant, möglich dagegen ein Patiens oder Experiencer als „Ziel" des Geschehens. Idealerweise würde sich die Differenzierung in kategorisch und thetisch auch in der morphosyntaktischen Struktur widerspiegeln. Kategorizität wäre dabei durch ein agentisches Subjekt (entity- oder event-zentral) gekennzeichnet, Thetizität durch Subjekdosigkeit, entweder ganz ohne Partizipanten (event-zentral) oder mit Kasusobjekten (Patiens, Experiencer; entity-zentral). Im Falle einer solch idealen primären Thetizität wären alle Strukturen subjektlos, die Verbendung der 3. Person Singular hätte nur assertivexistentielle Funktion für das Geschehen. 21 Entity- und Event-Zentralität würden lediglich durch das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein (impliziert auch Entspezifkierung) eines Partizipanten unterschieden. Primäre Thetizität („Soll-Zustand") -S

entity-zentral

event-zentral

+P

-P

Auf der Basis einer solchen Idealvorstellung von Semantik und Struktur wird in der Literatur oft semantische Agenslosigkeit mit struktureller Subjekdosigkeit gleichgesetzt und die entsprechenden Konstruktionen als „Impersonalien" bezeichnet (vgl. z. B. Dal 1966: 166). Da in Sprachen mit primärer Handlungsperspektive aber sowohl Kategorizität (im Sinne von Zweigliedrigkeit) als auch Subjekthaltigkeit dominant ist, wird beides häufig auf thetische Sätze übertragen, so dass agenslose Sätze eben nicht automatisch auch subjektlos sind. Das zeigt sich in den meisten indoeuropäischen Sprachen v. a. im Bereich belebter Entitäten mit Patiens Semantik (z. B. ich laufe), die nicht nur typischerweise ein Subjekt aufweisen, sondern sogar in event-zentrale kategorische Struktu21

Die 3. Person Singular bietet sich dabei als Default-Flexiv an. Rein theoretisch wäre auch eine andere Flexion möglich. Doch sind 1. und 2. Person aufgrund ihrer Merkmale „Sprechende^)" bzw. „Angesprochene(r)" ausgeschlossen. Stark markiert wäre auch ein Plural (der 3. Person), da dieser automatisch autonome Entitäten und so Agentivität und Kategorizität impliziert, weshalb sich solche Strukturen eher im kategorischen event-zentralen Bereich finden.

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ren eintreten können {matt läufl). Darüberhinaus setzt sich die Subjekttendenz immer mehr durch, so dass im Laufe der Zeit im Subjekt nicht nur ein Patiens möglich ist {ich laufe), sondern auch ein Experiencer {ich friere) oder Stimulus {der Sturm wirft mich uni)\ sogar die eigentlich partizipantenlosen Konstruktionen bekommen ein „Schein"subjekt (in dem kein wie auch immer gearteter Partizipant kodiert ist). Wenn wir einmal von Verben mit belebten Partizipanten im Subjekt wie laufen etc. absehen (die sowieso eine Zwischenstellung einzunehmen scheinen, s. o.), wird der Bereich der primären Thetizität im Althochdeutschen schon von zweigliedrigen (wenn auch nicht notwendigerweise subjekthaltigen) Strukturen dominiert. Das hat zum einen zur Folge, dass entity-zentrale, aber subjekdose, Konstruktionen vom Typ mich friert u. Ä. aufgrund ihrer inhärenten Zweigliedrigkeit als solche bestehen bleiben (s. genauer weiter unten). Zum anderen nehmen Konstruktionen ohne Partizipanten, bei denen das Flexiv vorher nur assertiv-existentielle Funktion hatte, zunehmend ein externes Subjekt zu sich. Dadurch entstehen nicht nur zweigliedrige, sondern auch subjekthaltige Strukturen, die mit spezifischem Subjekt als entity-zentral bzw. mit als Scheinsubjekt oder generischem bzw. generalisiertem Subjekt als event-zentral eingeordnet werden können. Durch Übertragung kategorischer Strukturen entsteht also ein subjekthaltiger Bereich, der darüberhinaus durch einen paradigmatischen Aufbau von Entity- und Event-Zentralität gekennzeichnet ist. Primäre Thetizität im Ahd. („Ist-Zustand")

entity-zentral Patiens/Experiencer

entity-zentral

event-zentral Scheinsubjekt i^J

spez. Subjekt

generalis. Subjekt

Wenden wir uns zuerst dem entity-zentralen „—S"-Bereich zu. Dabei handelt es sich um Verben mit obliquem Element im Dativ oder Akkusativ, das i. Allg. einen menschlichen Referenten in Experiencer- oder Rezipientenfunktion bezeichnet, sowie häufig einem weiteren Genitiv- oder Präpositionalobjekt. Diese Verben sind i. Allg. schon gemeingermanisch und geben v. a. subjektive Erfahrungen im Bereich von körperlichen {mih

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jucchit, mir swintilot) oder geistigen Vorgängen (mir troumit) wieder (Beispiele s. Behaghel 1924/1989: 128-130). Für folgende Gruppen nimmt Behaghel (ebd. 131-138) dagegen eher einzelsprachliche bzw. althochdeutsche Entstehung an: a) sein/werden + Adverb oder Adjektiv: so hei^ ward mir, b) seelische Erregung: mir anget, c) Mangelhaben oder Genügehaben: mir bristit eines dinges (,mir mangelt einer Sache1); d) Vorsichgehen (oder das Gegenteil) anzeigend: thie %it, in thero imo ba %eta ,die Zeit, in der ihm besser wurde'. Diese Konstruktionen stellen also den historisch „alten" Bereich thetischer Konstruktionen nur mit Obliqui ohne Subjekt dar, bei denen das Flexiv rein assertiv-existentielle Funktion hat. Auffällig ist dabei, dass das Element «ζ im Althochdeutschen hier (noch) nicht auftaucht (Dal 1966: 168). Μ. E. lässt sich das damit erklären, dass das oblique Element nicht Event-, sondern Entity-Zentralität signalisiert. Da die betroffenen Partizipanten grundsätzlich das Merkmal [+belebt] aufweisen und sich damit zumindest partiell einem Agens annähern (weshalb sie i. Allg. auch vor dem Verb in Topikposition stehen), ähneln sie kategorischen Konstruktionen mit spezifischem Subjekt. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass schon althochdeutsch statt eines Dativs oder Akkusativs manchmal ein spezifisches Subjekt steht, z. B. bei hungern (Ebert 1999: 31). Umgekehrt kann aber offensichtlich ein Stimulus noch nicht als Subjekt erscheinen. Was den „+S"-Bereich angeht, so wird hier parallel zu den kategorischen Sätzen eine Opposition entity- vs. event-zentral aufgebaut. Innerhalb von Event-Zentralität sollte aber zwischen Konstruktionen mit Scheinsubjekt und solchen mit genetischem bzw. generalisiertem Subjekt unterschieden werden. Auch wenn es sich (zumindest im Deutschen) um dasselbe Element handelt, taucht zuerst nur bei einer bestimmten Gruppe von Konstruktionen obligatorisch in Subjektposition auf, nämlich bei Ausdrücken für Witterungsvorgänge sowie für Jahres- und Tageszeiten wie regonot, taget usw. Wir hatten in Kapitel II. 1.3 argumentiert, dass das damit zusammenhängt, dass diese Konstruktionen offensichtlich als am wenigsten referentiell eingestuft werden und deshalb im Zuge der Zweigliedrigkeitstendenz am frühesten und konsequentesten einen „künstlichen" Partizipanten und damit ein so genanntes Scheinsubjekt bekommen. Aufgrund der semantischen „Leere" von ίζ ordnen wir diese Konstruktionen dem event-zentralen Bereich zu. Dieselbe Funktion, nämlich die Hinzufügung eines (ebenfalls sehr künstlich anmutenden) Partizipanten, können auch spezifische Subjekte

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erfüllen (dadurch entsteht allerdings Entity-Zentralität; vgl. auch Kapitel 1.3.3.1). So fungiert beim Verb regnen häufig Gott, der Himmel oder die Wolken als Subjekt (vgl. auch Große 1990: 37). Er regenot über sündige striccha. Er regenot über sie da% sie chelot. (Notker, Psalm 10, 7) ,Er [= Gott] regnet/lässt regnen über die Sündigen Fallstricke. Er [= Gott] regnet/lässt regnen über sie, was sie quält.' [...], ther [...] reganot ubar rehte inti ubar ünrehte. (Tatian 32, 3) ,[...] der/welcher [= Gott] regnet/regnen lässt über Gerechte und über Ungerechte.' Ab einem bestimmten Zeitpunkt scheinen also minimal referentielle Bildungen obligatorisch Zweigliedrigkeit und damit ein externes Subjekt zu benötigen. Diese Forderung kann sowohl durch ein spezifisches Subjekt wie ein unspezifisches «ζ erfüllt werden. Letzteres könnte nun theoretisch auch als generisches oder generalisiertes Subjekt interpretiert werden. Das liegt daran, dass es auch so genannte „gelegentliche Impersonalien" gibt, bei denen „die Verbalhandlung nicht als Ausfluß eines bestimmten Einzelsubjekts erscheint" (Behaghel 1924/1989: 122). Hierzu gehören Verben, die normalerweise mit einem spezifischen Subjekt (also persönlich) konstruiert werden, zunehmend aber auch unpersönlich, also mit einem unspezifischen bzw. generalisierten Subjekt. Hinter der Benennung „impersonal" steckt wahrscheinlich die Intuition, dass bei EntSpezifizierung des Subjekts ebenso wie bei „guten", d. h. partizipantenlosen, Impersonalien konzeptuelle Event-Zentralität impliziert ist. Die Beispiele für event-zentrale primäre Thetizität oder gelegentliche Impersonalien sind dabei im Althochdeutschen allerdings gering (was auch durch die schlechte Beleglage bedingt sein kann), z. B. wagon .schwanken' (Beispiele in Anlehnung an Näßl 1996: 171; vgl. a. ebd. 163191 und 195f. zu den Bedeutungsfeldern; weitere Beispiele bei Behaghel 1924/1989: 123-126). entity-zentral (Sprichwörter lf.; Steinmeyer 1916: 403) [...], so uuath, so uuagont te bomma. ,So es weht, so schwanken die Bäume.' event-zentral (Notker, Die kleineren Schriften: De partibus logicae, S. 194, Z. 5) So uuät so uudgot i\. ,So es weht, so schwankt es.'

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Im Unterschied zum obligatorischen Scheinsubjekt ist das generische aber nicht obligatorisch, auch wenn es immer häufiger erscheint (vgl. Näßl 1996: 191-194). Das heißt also, auch der etwas stärker referentielle Bereich der Generizität wird von dem Prinzip der Zweigliedrigkeit erfasst. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Konstruktion mit generischem Subjekt auf Geschehensverben mit unbelebten Entitäten begrenzt zu bleiben scheint. Möglicherweise ist dies dadurch bedingt, dass der „S"-Bereich mit belebten Entitäten wie bereits bemerkt zur parallelen /»««-Struktur nach dem Vorbild kategorischer Sätze tendiert (s. o.). Zu den „gelegentlichen Impersonalien" können im Übrigen auch die Verben sein/werden in Verbindung mit einem Prädikatsnomen gezählt werden, z. B. un^ tag ist bzw. want i^filu kalt was (Beispiele nach Wilmanns 1906: 466f.). Theoretisch könnte das Prädikativum sein!werden + Prädikatsnomen wie ein Verb alleine stehen und reine Event-Zentralität signalisieren, wobei das Flexiv wiederum assertiv-existentielle Funktion hätte, vgl. etwa noch so hei% wirt sumere (ebd.). Eine solche Struktur ist aber im Schwinden begriffen, d. h. es wird häufig das Subjektelement eingeführt im generischen Sinne von der Tag ist heiß > es ist heiß'P2 Damit setzt sich als Marker für Event-Zentralität im primär thetischen Bereich zunehmend durch, wobei es oft im generalisierten bzw. generischen Sinne interpretiert werden kann. Im Passiv wird ein generalisiertes Subjekt allerdings niemals als externes Subjekt realisiert (was sich auch im Neuhochdeutschen nicht geändert hat). Μ. E. zeichnet sich hier schon eine Entwicklungsrichtung ab, dass nämlich primär thetische Sätze zunehmend die zweigliedrige Struktur kategorischer Sätze übernehmen. Sätze mit einem Anteil sekundärer Thetizität, also passivische Konstruktionen, werden schon früh als in komplementärer Opposition zu entsprechenden kategorischen Konstruktionen stehend gesehen. Deshalb sollten sie möglichst eingliedrig bleiben, selbst wenn das Subjekt (wie bei transitiven Verben in absoluter Verwendung) im finiten Verb kodiert ist.

22

Dabei findet sich jedoch selten neben einem Substantiv (Wilmanns 1909: 467), was dadurch bedingt sein mag, dass das Substantiv hier als Subjekt, und nicht als Prädikativum interpretiert wird (ebd.; vgl. auch Behaghel 1924/1989: 126).

2. Mittelhochdeutsch (1050-1350) 2.1 Das Passiv: Weiterentwicklung 2.1.1 Allgemeines In Kapitel II.1.1.1 wurde argumentiert, dass spätestens im 12. Jahrhundert werden bzw. sein und Partizip Perfekt zum Verbalkomplex verschmolzen sind (syntaktische Periphrasierung), was sich v. a. am zunehmenden Verschwinden der Adjektivendungen am Partizip Perfekt zeigt. Dass der Flexionsschwund bei den Konstruktionen mit sein allerdings nicht so deutlich ist, liegt daran, dass damit immer noch häufig Antikausativität (und nicht Passivität) ausgedrückt wird. Aufgrund der Betonung des reinen Zustandes sind hier die Bezüge zu Adjektiven (und nicht zu Verben) und damit zu einer prädikativen Struktur noch besonders eng. Mit dem Vorliegen eines Verbalkomplexes muss aber auch nicht mehr notwendigerweise ein Subjekt vorhanden sein, auf das sich das (ehemalige) Prädikativum zurückbezieht. Dies führt zur Erweiterung der lexikalischen Basis des subjekdosen Passivs und zwar zum einen durch verstärkte Aufnahme von objekthaltigen Intransitiva, zum anderen aber, wie mein Korpus zeigt, erstmals im 12./13. Jahrhundert durch objekdose Intransitiva. M. E. ist es kein Zufall, dass Kotin (1998: 124) genau für diese Zeit, nämlich das 12. Jahrhundert, feststellt, dass es jetzt keine Flexion mehr am Partizip Perfekt in passivischen Konstruktionen gibt. Damit ist die syntaktische Periphrasierung abgeschlossen. Dadurch werden bereits existierende event-zentrale Konstruktionen mit generalisiertem Subjekt weiterentwickelt (also +S/+Ev > —S/+Ev) (s. Kapitel 1.4.2). Es entsteht nun eine Konstruktion, die gleichzeitig subjektlos und event-zentral ist. Das hat ein Kontinuum mit den Polen +S/entity-zentral und —S/event-zentral zur Folge. Die Konstruktionen in der Mitte teilen gleichzeitig Merkmale mit beiden Polen. event-zentral jet^t wird gesungen

ich werde erschlagen

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Die umrandeten Konstruktionen, die außerdem intransitiv sind, haben die Eigenschaft, dass sie die „besten" sekundär thetischen Sätze zu ihren kategorischen Pendants darstellen, da sie ihnen bis auf die strukturelle „Beseitigung" des Subjekts genau entsprechen. Auch in den anderen beiden Fällen (mit transitiven Verben) ist sekundäre Thetizität gegeben, die aber durch das Vorhandensein von Partizipanten markiert ist. Von linken Pol aus gesehen dominiert also das Konzept der Partizipantenveränderung, vom rechten Pol aus das der sekundären Thetizität. Durch die Bezugsetzung von kategorischen und sekundär thetischen Sätzen wird die ursprüngliche Beschränkung auf Perfektiva im persönlichen Passiv zunehmend aufgehoben, eine Entwicklung, die schon im Spätalthochdeutschen begonnen hat. Da Intransitiva außerdem bevorzugt imperfektiv sind, wird der Trend zu Imperfektiva noch verstärkt. Dies führt dann letztendlich zur semantischen Periphrasierung, die jedoch erst im Frühneuhochdeutschen abgeschlossen ist (s. Kapitel II.3.1.1). Die semantische Entwicklung spielt sich also weitgehend im aspektuellen Bereich ab, der auch Bedeutung für die temporale Einordnung des Geschehens bekommt. Im mittelhochdeutschen Passiv dominieren jedoch noch (wie im Althochdeutschen) die beiden Tempora Präsens und Präteritum, während das Aktiv in dieser Hinsicht weiter ausgebaut ist (vgl. Eroms 1989: 83f.). Im 12./13. Jahrhundert zur Blütezeit des Mittelhochdeutschen kommt es also nun durch verstärkte Aufnahme von Imperfektiva zu einer quantitativen Erweiterung der Prozess-Konstruktionen und damit zu entscheidenden Veränderungen im Passivsystem des Deutschen (Kotin 1998: 128). Besonders betroffen ist davon die Mw 1) dagegen kann das Verb im Plural oder im Singular stehen, letzterer v. a. bei hundert und tüsent (+ Genitiv Plural). 3. Werden mehrere Substantive durch und konjugiert, und stehen alle im Singular, so ist der Singular des finiten Verbs die Regel. Plural taucht zwar auf, ist aber bei Voranstellung des Verbs sehr viel seltener als bei Nachstellung. Grundsätzlich ist er bei der Bezeichnung von Personen häufiger als bei Sachen oder Abstrakta. Reiten (ebd. 83) erklärt dies damit, „dass zwei Abstrakta am ehesten, zwei Personen am schwersten als eine Ganzheit empfunden werden können". Werden Substantive miteinander verknüpft, die sowohl im Singular als auch im Plural stehen, so richtet sich das finite Verb im Allgemeinen nach dem Numerus des nächststehenden Substantivs. 4. Im Falle von weder - noch bzw. entweder - oder ist der Singular die Regel. Im Bereich der reinen Inkongruenz, wo kaum semantische Motivationen nachzuweisen sind, scheint speziell bei Voranstellung des Verbs der Singular häufig zu sein (z. B. Reiten 1964: 85). Darauf weist auch Lockwood (1968: 203) hin, der jedoch zu bedenken gibt, dass es sich hier um „circumstances which have not yet been c l a r i f i e d " handele. Paul/Wiehl/Grosse (1998: 328) dagegen erwähnen den Wortstellungsfaktor überhaupt nicht, sondern meinen, dass „relativ häufig das Subjekt, auf welches ein Prädikatsverbum im Sg. bezogen ist, ein Neutrum PI. ist, selten ein Maskulinum oder ein Femininum". Sie geben allerdings zu bedenken (ebd.): „Das Material ist nicht systematisch gesammelt". Mein eigenes Korpus 27 von etwa 60 Vorkommen mit reiner Inkongruenz (d. h. unter Ausschluss von Synesis-Fällen) zeigt allerdings kein absolutes Überwiegen von Neutra. Zwar taucht das Neutrum bei den Substantiven, wo nur ein Genus möglich ist (46 Fälle), bei etwa der Hälfte der Beispiele auf (48%), Maskulinum und Femininum sind jedoch auch beteiligt, und zwar zu 30% bzw. 22%. Genus Neutrum Maskulinum Femininum

27

46 Fälle 48% 30% 22%

Es handelt sich dabei um Fälle aus dem mittelhochdeutschen Korpus sowie zusätzlich um Beispiele aus der folgenden Sekundärliteratur: Behaghel (1928: 25), Erdmann (1898: 47), Grimm (1898: 228f.), Paul (1919/1968: 199), Paul/Wiehl/Grosse (1998: 328), Reiten (1964: 78), Schachinger (1889: 82-85), Wilmanns (1906: 307).

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In der Tat zeigt sich jedoch ein Überwiegen der Verbvoranstellung und zwar bei 78%. Dabei macht die Kombination Verbvoranstellung + Indefinitheit nur 30% aus, 48% dagegen die Kombination Verbvoranstellung + Definitheit. Indefinitheit + Verbnachstellung ist zu 12%, Definitheit + Verbnachstellung zu 10% vertreten. Kombinationen Verbvoranstellung + Indefinitheit Verbvoranstellung + Definitheit Indefinitheit + Verbnachstellung Definitheit + Verbnachstellung;

60 Fälle 30% 48% 12% 10%

Dabei ist Inkongruenz im Aktiv zu ca. 63%, im Passiv zu 37% vertreten. Bedenkt man, dass das Passiv z. B. bei Parzival28 nur etwa 6.2% Anteil an den Gesamtfinita hat (Eroms 1989: 86), so ist der große Passiv-Anteil auffällig (daraufhatte z. B. bereits Wilmanns 1906: 307 hingewiesen). Umgekehrt ist in Anbetracht dessen, dass der Parzival rund 21.500 finite Verbformen enthält (Eroms 1989: 86), eine Anzahl von 60 „auffälligen" Singularen verschwindend gering.29 Selbst wenn man von einer ungleich höheren „Dunkelziffer" ausgeht, wird ihr Anteil die 1%-Marke mit Sicherheit nicht überschreiten. Zudem bemerkt Schachinger (1889: 85), dass dieses Phänomen bei Wolfram von Eschenbach sogar noch besonders häufig sei, seltener bei Hartmann von Aue und im Volksepos, so gut wie gar nicht existent in der Prosa und schließlich nicht existent bei Walther von der Vogelweide, Gottfried von Straßburg und Konrad von Würzburg. Was ist daraus zu schließen? Offensichtlich bestand noch im Mittelhochdeutschen eine gewisse Freiheit in der Verwendung der Kombination finites Verb im Singular und Subjekt im Plural auch außerhalb einer direkten semantischen Motivation. Zum Neuhochdeutschen hin wird diese Möglichkeit der Variadon aufgegeben, da sich der Numerus des finiten Verbs stärker am grammatischen als am semantischen Numerus ausrichtet. Zumindest im älteren Frühneuhochdeutsch scheinen aber Synesisfälle noch nicht ganz so selten zu sein. So ist es bei Substantiven in Verknüpfung mit Zahlen möglich, das Verb in den Singular zu setzen, etwa noch im 15. Jahrhundert bei Luther (Beispiele nach Erdmann 1898: 46). der die gestorben waren, war vierzehn tausend 28 29

Die Belege im Parzival machen 57% meines Gesamtkorpus aus. Dabei kann etwa die Hälfte reimbedingt sein.

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Das Passiv im Deutschen

da keret des Volks um zwei und %wen%ig tausend der war bei dreissig Mann Auch Kollektiva, v. a. Menge, Haufe, Rotte, Heer, Volk usw., scheinen noch bei Luther manchmal Inkongruenz hervorzurufen, indem im Verb der Plural steht (Erdmann 1898: 43): alle Menge deines Hauses sollen sterben die Macht der Chaldaeerjagten dem Könige nach Reine Inkongruenz kommt dagegen nur noch ganz sporadisch vor (z. B. Findreng 1976: 427). wirtuf gelesen die brösamlein (15. Jahrhundert) (Grimm 1898: 229) dem bischoffgefiel Ulenspiegels schwenck gant% wol (17. Jahrhundert) (Behaghel 1928: 25; s. a. Ebert et al. 1993: 423) Gegenwartsdeutsch (Beispiele nach Van de Velde 1988: 194f.) Noch aberplagt das norddeutsche Gründerteam keine Zweifel (Zeit 17.9.85, 29) In diesem Seminar soll am Beispiel der Phonologie die Fragen untersucht werden, nach welchen Gesetzmäßigkeiten Kinder ihre Muttersprache erwerben (Aushang) Trot% der Tatsache, dass manchmal rahmenbildende Elemente fehlen, kann in einigen Fällen Elemente auftreten, die... (Deutsche Sprache 1982, 339) Siehe dazu auch Jaeger (1992: 58, Fußnote 49) zur reinen Inkongruenz „Die deutsche Inkongruenzbewegung, die besonders bei Wolfram von ESCHENBACH in Erscheinung tritt, ist im Laufe der weiteren Sprachentwicklung fast spurlos untergegangen [...]." Was das Gegenwartsdeutsche angeht, so kann man mit Findreng (1976: 426) zusammenfassend sagen, dass Inkongruenz in den Synesisfällen v. a. dann auftaucht, wenn ein komplexes Subjekt mit (syndetisch oder asyndetisch) verknüpften singularischen NPs vorkommt. Wesentlich sind dabei die Stellung des finiten Verbs sowie die Bedeutung der Einzelsubjekte.30 Zu einer detaillierteren Analyse hinsichtlich Numerus(in)kongruenz im Gegenwartsdeutschen s. z. B. Jaeger (1992: 129-174) und Van de Velde 1988. Im Mittelhochdeutschen scheint dabei hinsichtlich der reinen Inkongruenz ein Zusammenhang zur Verbvoranstellung zu bestehen. Definitheit oder Indefinitheit des folgenden Subjekts ist dabei nicht so wesent30

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse von Findreng 1976 findet sich bei Jaeger (1992: 240-246).

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lieh und eher von kommunikativen Faktoren abhängig, auch wenn Indefinitheit in vielen Sprachen bevorzugt zu werden scheint (vgl. z. B. Hauenschild 1993: 991f. zum Definitheitseffekt). Dieses Muster der markierten Nachstellung des Subjekts hätte sich als Präsentativsatz mit der Funktion einer graduellen Subjektdegradierung und damit einem Schub in Richtung weniger Entity-Zentralität etablieren können. Dazu ist es jedoch nicht gekommen, Präsentativität wurde von Sätzen mit dem Topikmarker übernommen, in denen im Deutschen normalerweise keine Inkongruenz vorkommt (s. Kapitel II.2.3.2).

2.2 Das so genannte modale Passiv Laut Demske-Neumann (1994: 64) bleibt die auf einem Prädikativum aufbauende Konstruktion aus sein + ^u + Infinitiv noch im Mittelhochdeutschen unverändert erhalten, es kommt nicht zur Periphrasierung als Verbalkomplex. Deshalb existieren bis zum Ende der Epoche nur mit der Prädikativum-Struktur vereinbare subjekthaltige Konstruktionen, die auf transitiven Verben aufbauen (ebd. 73; Beispiel zitiert nach ebd. 64): wä er vindert weere (Iwein 5761) ,wo er zu finden wäre' Das Vorkommen von Konstruktionen mit autonomem Objekt bzw. ohne Objekt noch im Althochdeutschen stuft sie als Ausnahmefälle aufgrund von lateinischem Einfluss ein (Demske-Neumann 1992: 72; 1994: 65, 73). Kapitel II. 1.2 zum modalen Passiv im Althochdeutschen hat allerdings gezeigt, dass es sich gar nicht um so wenige Fälle handelt, die sich außerdem ganz konform zur Entwicklung im nicht-modalen Passiv verhalten, wobei im modalen Passiv ein event-zentrales Passiv von objektlosen Intransitive sogar früher zu entstehen scheint. Es wurde daher bereits für das Althochdeutsche von einer Periphrasierung ausgegangen. Möglicherweise lässt sich die „Lücke" so erklären, dass es sich im Althochdeutschen um eine vom Lateinischen beeinflusste Entwicklung handelt, deren Ergebnis in Vergessenheit geriet. Im Mittelhochdeutschen beginnt dann unanhängig davon ein Entwicklungsstrang, der einen ähnlichen Verlauf nimmt.

182

Das Passiv im Deutschen

2.3 Andere thetische Konstruktionen 2.3.1 Primär thetische Konstruktionen Betrachten wir noch einmal die Skizze aus Kapitel II. 1.4 zur primären Thetizität im Althochdeutschen: Primäre Thetizität im Ahd.

entity-zentral

+S

Patiens/Hxpenencer^^^

entity-zentral

event-zentral Scheinsubjekt ittf

spez. Subjekt

generalis. Subjekt

Als markante Veränderung hatte sich dort v. a. die Etablierung einer zweigliedrigen Struktur ergeben, d. h. in Konstruktionen, in denen kein Partizipant vorlag bzw. die Flexionsendung rein assertiv-existentielle Funktion hatte, wurde ein externes Scheinsubjekt ζ'ξ eingeführt. Im Zuge dieser Entwicklung, so wurde postuliert, etablierte sich in zunehmendem Maße ein externes Subjekt auch dort, wo dem Flexiv generische Bedeutung zugewiesen werden konnte, was immer dann möglich war, wenn die Konstruktion auch mit spezifischem Subjekt vorkam. Dadurch kristallisierte sich als Marker für Event-Zentralität im primär thetischen Bereich heraus. Im Mittelhochdeutschen wird nun der event-zentrale Bereich mit dem genetischen Subjekt ausgebaut, indem immer mehr Verben diese Bildungsweise wahrnehmen, ζ. B.:101 do sluoc er an daζ erhal und da^ in die burc erschal (Iwein 301 f., zitiert nach Behaghel 1924/1989: 124). ,Da schlug er an die Tür, dass es hallte und bis in die Burg dröhnte' Näßl 1996 spricht hier in Anlehnung an Erben (1980: 84) auch von „okkasionellen Ereignisverben". Diese Konstruktionen heißen deshalb „okka101 Näßl (1996: 202, Fußnote 473) zählt 64 mittelhochdeutsche Belege, von denen nur drei (noch) kein enthalten (s. dazu ebd. 197f.).

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sionell", weil die entsprechenden Verben „im allgemeinen ein bestimmtes Subjekt bei sich haben, also habituell .persönlich' konstruiert werden, aber mit dem Scheinsubjekt es in unpersönlicher aktivischer Konstruktion erscheinen können" (ebd. 36). Ereignisverben sind es deshalb, weil Geschehen und nicht Handlungen wiedergegeben werden, d. h. der Vorgangsträger ist unbelebt. In semantischer Hinsicht finden sich nämlich etwa Licht- und Farbwahrnehmungen mit liuhten oder scheinen, Schallwahrnehmungen mit krachen oder die „Bezeichnung der Bewegung von Unbelebtem" mit riselen oder triefen usw. (weitere Belege Näßl 1996: 316-321): [...] e%n dorft niht mer da crachen. (Parzival 567, 25) ,[...] es konnte nicht stärker da dröhnen' do begunde ev^ liuhten von dem tage, [...]. (Parzival 588, 8) ,da fing es an zu leuchten von dem Tage, [...]' In den seltenen Fällen, in denen dieser Regel nicht gehorcht wird, scheint außerdem nur ein nicht-menschliches Agens möglich zu sein: Der also vilgeriefe in einen touben wait, antwürte ime dar eteswenne. (Des Minnesangs Frühling 246,1; zitiert nach Näßl 1996: 247). ,Der da viel rief in einen toten Wald, es antworte ihm daraus irgendwann' Aufgrund dessen ist also mit diesem Mittel keine sekundäre Thetizität bzw. die Erweiterung auf Handlungsverben „erlaubt". Dies ist erst im (späten) Neuhochdeutschen möglich (s. Kapitel II.3.3). Daneben kann über den Umweg der Subjektivierung von Partizipanten oder Stimuli nun auch der ursprüngliche ,,-S"-Bereich eine mit markierte event-zentrale Variante (im Sinne eines generisch zu interpretierenden Subjekts) aufbauen. Noch einmal ein kurzer Rückblick auf das Althochdeutsche: Während nullwertige Verben (z. B. zur Bezeichnung von meteorologischen Vorgängen) als typische eingliedrige Konstruktionen obligatorisch ein Scheinsubjekt /ζ erhalten, fehlt dies noch bei den ein- und zweiwertigen mit obliquem Experiencer im Akkusativ oder Dativ. Dessen typische Subjekteigenschaft der Belebtheit führt dazu, dass diese Konstruktion nicht als eingliedrig eingestuft wird und deshalb auch keinen /^-Marker erhält. Das gilt auch noch für die mittelhochdeutsche Periode. Eine Hinzufügung von ist nur über Subjektivierung und die damit verbundene Möglichkeit eines generischen Subjekts möglich.

184

Das Passiv im Deutschen

Um zu einem solchen Subjekt zu gelangen, kann zum einen der oblique Experiencer durch einen Nominativ ersetzt wird. 32 Dabei existieren im Mittelhochdeutschen teilweise nominativische und oblique Form nebeneinander, vgl. m h d . er/ime/in wundert/ mangelfi1/ riuwet/ verlanget (Von Seefranz-Montag 1983: 160). Unter Umständen kann eine solche Nominativierung zu einem generischen Subjekt und damit zu Event-Zentralität führen. So weist Von SeefranzMontag (ebd. 193) darauf hin, das die Konstruktion mich freut (+ Genitiv) im Mittelhochdeutschen ein reflexives Pendant ich freue mich erhielt, worauf wiederum das/es freut mich konstruiert werden kann. Falls hier auftritt, wird es also generisch interpretiert. Bei zweiwertigen Verben mit obliquem Experiencer kann allerdings statt der Person jetzt auch die Sache bzw. der ursprünglich als Genitiv oder Präpositionalobjekt kodierte Stimulus zum Subjekt werden. Auch dafür finden sich bereits mittelhochdeutsche Beispiele. Ebert (1999: 58f.) verweist hier etwa auf gelingen (urspr. mit Dativ + Genitiv oder Präpositionalobjekt), gebresten (urspr. mit Dativ + Genitiv oder Präpositionalobjekt: mir gebrichet eines dingest an einem dinge) oder genüegen (urspr. mit Dativ + Genitiv oder Präpositionalobjekt: do sol mich gar ml an geniiegeti). Als fördernder Faktor für diese Entwicklung kommt der Zusammenfall der mittelhochdeutschen Laute % und s hinzu. Dadurch wird die Opposition von Gen. es und Nom./Akk. aufgehoben, und es entsteht eine gemeinsame Form Gen./Nom./Akk. es. Auf diese Weise kann das genitivische Stimulus-Objekt zusätzlich als nominativisches Stimulus-Subjekt uminterpretiert werden, vgl. mhd. es (Gen.) verdriu^et mich, das aufgefasst wird als es (Nom.) verdrießt mich (Ebert 1999: 59). Auch hier ist also möglich, aber ebenfalls nur als generisches Subjekt.

32 33

Dass dies beim entity-zentralen Passiv ohne Subjekt (Typus: mir wird geholfen) nicht ist, wird hier damit begründet, dass sekundär thetische Sätze explizit subjektlos sein Hier handelt es sich allerdings um den (selteneren) umgekehrten Fall, da mangeln hochdeutschen noch persönlich konstruiert wurde (Dal 1966: 169; s. a. Ebert 1999:

der Fall sollen. im Alt61).

Mittelhochdeutsch (1050-1350)

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2.3.2 Präsentativsätze Da also grundsätzlich Subjektfunktion hat (außer da, wo es direktes Objekt ist), kann das Pronomen in bestimmten Konstruktionen nicht auftreten, nämlich: 1. wenn bereits ein (spezifisches oder generisches) Subjekt vorhanden ist; 2. wenn ein Experiencer Subjektfunktion vertritt; 3. beim event-zentralen Passiv von transitiven Verben in absoluter Verwendung, da das generische Subjekt hier durch das Flexiv alleine vertreten wird (da sekundär thetische Konstruktionen möglichst subjekdos und/oder eingliedrig sein sollen). Im Mittelhochdeutschen bekommt (neben Subjekt und Objekt) jedoch noch eine weitere Funktion, nämlich als eine Art „Default-Topik" im Aussagesatz, nachdem die Besetzung der Topikposition mit der Verbzweitstellung um das 13. Jahrhundert obligatorisch wurde (s. z. B. Von Seefranz-Montag 1983: 180). Das bedeutet darüber hinaus, dass sich spätestens dann die kategorisch-zweigliedrige Struktur etabliert hatte (vgl. Kapitel 1.3.3.2). Das Element kann nun auch da stehen (allerdings nur in Topikfunktion), wo es vorher ausgeschlossen war. 1. Ε ζ ί η subjekthaltigen Konstruktionen (Entity-Zentralität) Hier wird im Mittelhochdeutschen ganz geläufig und hat zumindest oberflächlich gesehen dieselbe oder eine ähnliche Funktion wie das semantisch relativ unspezifische Adverb mhd. do (Brugmann 1917: 37). Beide dienen im Mittelhochdeutschen nicht nur der Deckung der Anfangsstellung aufgrund von fest werdendem V2, sondern auch der Markierung des Aussagesatzes, was im Althochdeutschen wegen (möglichem) VI noch nicht notwendig war (Brugmann 1917: 35, 37). Während dö aber immer noch (wenn auch eine schwache) raum-zeitliche Bedeutung hat, kann dies für ein Personalpronomen wie in keinem Fall gelten. Da die Besetzung der Position vor dem finiten Verb durch die Rhematisierung des Subjekts erzwingt, markiert eben genau diese besondere Satzstruktur. Es handelt sich also um das Aufkommen eigens markierter Präsentativsätze. Das wird auch dadurch bestätigt, was über die Verwendung von Sätzen mit Topik-Λζ gesagt wird, die nämlich „namentlich gern zu eingang oder im fortgang einer erzählung, [...]" auftreten (Deutsches Wörterbuch, Band 3, Sp. 1112).

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Das Passiv im Deutschen

e\ wuohs in Burgonden ein schcene magedtn (Nibelungen 2, 1; zitiert nach Deutsches Wörterbuch, Band 3, Sp. 1113) Präsentativität scheint dabei in auffälliger Weise weniger im kategorischen als im thetischen („S"-)Bereich zu operieren. Das umfasst sowohl aktivische (primär thetische) als auch passivische (sekundär thetische) Sätze. Durch die Präsentativität erfährt der Satz einen kleinen Ruck nach „rechts" (also in Richtung Event-Zentralität). Hand in Hand damit geht, dass das Thematisierte Subjekt trotz seiner Beibehaltung zwischen typischem Subjekt und typischem Objekt zu stehen kommt (s. Kapitel 1.3.3.2). Lazard 1994 hatte hier auch vom „actant H " gesprochen, der weder als Subjekt noch als Objekt fungiert (vgl. Kapitel 1.3.3.2). Durch diesen „Rechtsruck" weg vom typischen Subjekt entstehen „bessere" thetische Sätze, vgl. nhd. es lieg· ein Buch auf dem Tisch, es wurde ein Buch gefunden.

Durch die Nachstellung des Subjekts findet sich manchmal Inkongruenz mit pluralischem Subjekt und singularischem finiten Verb, außerdem sind die Subjekte meist (aber nicht immer) indefinit (s. o. Kapitel II.2.1.3). Aktiv (Beispiele zitiert nach Deutsches Wörterbuch, Band 3, Sp. 1113) was ein küneginnegesehen überse (Nibelungen 325, 1) wuohs in Irelande ein richer künic her (Gudrun, 1,1) e^gruonet wol diu beide (Neidhart 11,8) sint in mime huse unkunde degene (Nibelungen 84, 2) e^giengen dem häse die iwer degene (Nibelungen 2270, 2) Passiv (hier mit Inkongruenz) wart die scharfen geren üf geeilt (Dietrichs Ahnen und Flucht zu den Hunnen 9431; zitiert nach Grimm 1898: 229)

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2. Ε ζ in subjektlosen Konstruktionen (Entity-Zentralität) Möglich, aber selten, ist in Topik-Position dagegen in Konstruktionen ohne Subjekt, aber mit subjektähnlichem Argument, also mit autonomem Objekt (s. ζ. B. Brugmann 1917: 30f.; Erdmann 1886: 7). Dabei handelt es sich ebenfalls um entity-zentrale Fügungen aus dem thetischen Bereich, die durch die Λζ-Hinzufügung einen leichten „Rechtsruck" in Richtung Event-Zentralität erfahren. Parallel zum „actant H" (s. o.) könnte das „verrutschte" Objekt als O' bezeichnet werden, vgl. nhd. es friert mich, es wird mir geholfen.

Die entsprechenden Konstruktionen können sowohl aktivisch sein, also aus dem primär thetischen Bereich stammen, oder passivisch, also dem sekundär thetischen Bereich angehören. Aktiv mit obliquem Experiencer (Beispiel zitiert nach Erdmann 1886: άαΐζ e^ irsus missegangen ist (Iwein 4126) ,dass es ihr so übel ergangen ist' Passiv mit Genitivobjekt enwart nie geste mere ba% gepflegen Paul/Wiehl/Grosse 1998: 308)

(Nibelungen 689, 3; zitiert nach

Passiv mit Dativobjekt enkunde ba^ gedienet nimmer heleden sin (Nibelungen 964, 2; zitiert nach Lenerz 1985: 105) Passiv mit Präpositionalobjekt er sprach > enwart mit mir gestriten. [...]< (Parzival 424,15)

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3.

Das Passiv im Deutschen

in event-zentralen Konstruktionen

Interessanterweise sind hiervon nur Passive betroffen (also sekundär thetische Konstruktionen), d. h. Passive mit generischem Subjekt (im Flexiv kodiert) oder Objekt bzw. ohne Partizipanten (die aufgeführten Beispiele sind die einzigen im mittelhochdeutschen Gesamtkorpus, ein Beleg mit generischem Objekt existiert nicht). Transitives Verb im absoluten Gebrauch (Generische EventZentralität) e* wart aldä verquicket, [mit swerten verbicket], (Parzival 680, 23f.) ,es wurde da eingeklemmt, [mit Schwertern zugehauen].' Intransitives Verb ohne Objekt (Reine Event-Zentralität) [e^ wart aldä verdicket], mit swerten verbicket. (Parzival 680, 23f.) Μ. E. handelt es sich hier ebenfalls um einen Rechtsruck, so dass eine Übermarkierung von Event-Zentralität entsteht, vgl. nhd. es wird gesessen, es wird geholfen, es wird gelächelt.

Auffällig ist außerdem, wie bereits bemerkt, dass nicht-passivische eventzentrale Konstruktionen das Topik-^ζ blockieren, da hier das Personalpronomen (als generisches oder Scheinsubjekt) bereits obligatorisch enthalten ist, vgl. nhd. *es weht es, *es regnet es. Möglicherweise ist das dadurch bedingt, dass das generische bzw. Scheinsubjekt es mit dem „echten", d. h. maximal referentiellen Personalpronomen es identisch ist. In Präsentativsätzen ist Indefinitheit zwar nicht unbedingt obligatorisch, Personalpronomina sind jedoch aufgrund ihrer indexikalischen und damit maximal definiten Referenz ausgeschlossen: *es sang sie. Dies wird dadurch bestätigt, dass ein funktional verwandtes, semantisch weitgehend endeertes Adverb wie da, nicht blockiert wird, vgl. nhd. da regnete es, da wehte es.

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An dieser Stelle sind m. E. zwei Fragen hinsichtlich der Entstehung des Topik-i^ offen: 1. 2.

Stehen Topik-i^ und generisches bzw. Scheinsubjekt-ί^ in einem historischen Zusammenhang, falls ja, in welchem? Warum setzt sich das Topik-q; in entity-zentralen Sätzen mit Subjekt früher durch als in solchen mit Objekt bzw. in event-zentralen (Passiv)Sätzen (s. o.)?

Mit der ersten Frage beschäftigt sich v. a. die ältere Germanistik, allen voran Brugmann 1917 und Wilmanns (1909: 463-472), die im Übrigen statt von einem Topik-w von einem „syntaktischen es" sprechen. Dabei ist noch die Besonderheit zu erwähnen, dass Wilmanns (ebd. 470) das es beim subjekdosen Passiv trotz ausschließlicher Topikposition nicht als „syntaktisches es" betrachtet, da er hierfür festgelegt hat, dass dem Verb ein Subjekt folgen muss (zur Terminologie bei Brugmann und Wilmanns s. a. Paul/Wiehl/Grosse 1998: 322, Anm. 1). In jedem Fall wird das Topik-w historisch gesehen auf ein „präparatives" und damit ein textreferentielles Subjekt-w zurückgeführt. Bei den Verben mit obliquem Experiencer im Akkusativ oder Dativ sieht Brugmann (1917: 28f.) das Topik-w als Analogiebildung zu Sätzen mit präparativem es und verbaler Kasusrektion im Sinne von Es schmerzt mich, dass ... bzw. Es schadet mir, dass ... . Beim subjekdosen Passiv geht er dagegen von einer Entlehnung des präparativen es aus dem persönlichen Passiv aus: Er verbot es, dass ... > Es wurde von ihm verboten, dass ... . (ebd. 1917: 29f.). Im Falle eines Präsentativsatzes mit nachgestelltem Subjekt führt Brugmann (1917: 35) das „syntaktische es" auf das „präparative es" als Korrelat zum nachfolgenden Nebensatz in Subjektfunktion zurück, wobei er eine Entwicklungsfolge von folgendem Typ ansetzt: es schmerzt mich, daß ich wund bin > es schmerzt/en mich meine Wunde/ n. Wilmanns (1909: 470f.) weicht davon etwas ab, indem er den Ursprung ganz allgemein in einem demonstrativen Subjekt- oder Objekt-„es" in erster Position als Verweis auf einen vorangehenden oder folgenden Haupt- oder Nebensatz sieht, vgl. ahd. Ist thi^ th'er betalari in war, ther hiar sa% blinter ubarjär? quädun sume thero knehto: ist th'ers'elbo rehto (Otfrid 3, 20, 31; zitiert nach Wilmanns ebd.). Neben den nur teilweise einleuchtenden Übertragungswegen fehlt hier allerdings auch eine Erklärung für die unterschiedlich starke Ausbreitung des Topik-££ im Mittelhochdeutschen. Die Frage ist also immer noch: Welche Möglichkeit gibt es, das Topik-ei historisch auf das Subjekt-w zu beziehen (wie es auch Brugmann und Wilmanns versuchen) und gleichzeitig die Entwicklungsrichtung von Sätzen mit Subjekt zu Sätzen mit obliquem Experiencer bzw. zum unpersönlichen Passiv zu erklären?

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Das Passiv im Deutschen

Die Herkunft aus einem Subjekt-w ebenso wie die Tatsache, dass sich das Element im Mittelhochdeutschen zuerst bei subjekthaltigen Konstruktionen durchsetzt, möchte ich damit begründen, dass es aus strukturgleichen prädikativen Fügungen mit textreferentiellem es, der Kopula sein und einem substantivischen Prädikatsnomen „entlehnt" wurde. Damit lässt sich die Entstehung aus einem präparativen oder demonstrativen es, wie von Brugmann und Wilmanns postuliert, problemlos übernehmen. Vorläufer sind m. E. also thetische Konstruktionen des Typs: e\ was ein wilder grife, der kam dar geflogen (Gudrun 55, 1) (Beispiel zitiert nach Deutsches Wörterbuch, Band 3, Sp. 1113). In einem nächsten kleinen Schritt kann das Kopulaverb durch ein Vollverb ersetzt werden, was an der morphologischen Struktur selbst nur wenig ändert: Kopulaverb Vollverb

Substantiv Substantiv

Dadurch entstehen Sätze wie: e% giengen dem häse die iwerdegene (Nibelungen 2270, 2) (Beispiel zitiert nach Deutsches Wörterbuch, Band 3, Sp. 1113). Syntaktisch findet hier allerdings eine Reanalyse statt, denn das ursprüngliche Prädikativum ebenso wie das ursprüngliche Subjekt müssen vollständig umgedeutet werden. Mit dem Vorhandensein eines „echten" Subjekts muss speziell das ursprüngliche Subjekt reanalysiert werden. Da dabei in subjekttypischer Topikposition steht und als Personalpronomen ohnehin semantisch weitgehend entspezifiziert ist, kann hier ein reiner Topikmarker entstehen.

SUBJEKT

Kopulaverb + Substantiv VERB + PRÄDIKATIVUM

wird umgedeutet zu: TOPIKMARKER

Vollverb PRÄDIKAT

Substantiv SUBJEKT

Erst nach einer solchen syntaktischen Reanalyse zu einem Topikmarker kann die Funktion bekommen, Präsentativität zu signalisieren. Und erst danach kann der Marker in dieser Funktion auf andere entity-zentrale oder

Mittelhochdeutsch (1050-1350)

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sogar event-zentrale Konstruktionen übertragen werden. Aufgrund der Herkunft aus thetischen Konstruktionen ist außerdem zu erwarten, dass sich anfänglich im thetischen und dann erst im kategorischen Bereich manifestiert. Obwohl dieser Aspekt nicht empirisch überprüft wurde, fällt im Mittelhochdeutschen die Dominanz thetischer Konstruktionen (Aktiv oder Passiv) auf (s. o.). Handlungsverben sind seltener, vgl. (Beispiel zitiert nach Deutsches Wörterbuch, Band 3, Sp. 1113): weinte ouch manec meit (Nibelungen 71,1). Das Topik-ίζ markiert also eine neue Kategorie Präsentativsätze. Dadurch wird nicht nur eine konzeptuelle „Monolithisierung" des Ereignisses bewirkt, sondern auch eine „Rechtsverrückung" in Richtung EventZentralität, da der rechte, event-zentrale Rand optimale Thetisierung repräsentiert. Dies funktioniert offenbar am besten und frühesten bei primär und sekundär thetischen Sätzen. Aber auch kategorische Sätze können ein e% erhalten (wenn im Mittelhochdeutschen auch selten). Dadurch kopieren sie Merkmale thetischer Präsentativsätze, wodurch automatisch sekundäre Thetizität entsteht (jedoch ohne Partizipantenveränderung). Der „Rechtsruck" findet allerdings nur im Subjektbereich statt, vgl. nhd. es sang der Chor in höchsten Tönen. Interessant ist auch hier, dass es keine Präsentativsätze mit generischem man gibt, vgl. nhd. *es singt man. Möglicherweise handelt es sich hier um eine Gleichsetzung von generischem es mit gleichzeitiger Übertragung der Bildungsblockade (vgl. oben *es weht es). Ein funktional ähnliches da ist nämlich ebenso wie bei den thetischen Sätzen möglich: da weht es vs. da singt man endlich. Die im Mittelhochdeutschen entstehenden Präsentativsätze sind jetzt aber nur insofern neu, als sie im Mittelhochdeutschen mit dem Topik-i^ markiert werden. Offensichtlich kann dieselbe Funktion nämlich noch auf älteren Sprachstufen allein durch die Abfolge VS wahrgenommen werden. Moreno (1990: 260) etwa spricht hinsichtlich VS im Indoeuropäischen von „event-focusing in discourse", und Fourquet (1974 34 : 316-318) weist darauf hin, dass im altgermanischen System mit der verbalen Spitzenstellung der ganze Satzinhalt hervorgehoben wurde. So schreibt er zur Spitzenstellung: „[...] die Spitzenstellung des Verbs kommt auch in Aussagesätzen vor, wenn der Kontext eine Hervorhebung des Inhalts erfordert." Denn: „Erstere [= Sätze mit Spitzenstellung des Verbs] entsprechen einer Hervorhebung des Satzinhalts (nicht des Verbs allein!)."35 Diese Opposition von V I (Präsentativsatz) und V2 (nicht-präsentativ) ist aber spätes34

Ausführlicher in Fourquet 1938.

35

Möglicherweise handelt es sich bei der Spitzenstellung des Verbs im (Entscheidungs)Frageund Befehlssatz um eine durch die kommunikative Situation bedingte Übergeneralisierung sekundärer Thetizität, da es um das Ereignis als solches geht.

192

Das Passiv im Deutschen

tens mit der Festlegung von V2 im mittelhochdeutschen Aussagesatz nicht mehr regelhaft vorhanden: „Im Germanischen und Deutschen ist diese absolute Eingangsstellung kaum mehr bezeugt." (Behaghel 1932: 28; s. a. Maurer 1926: 198, 212).* Um einen adäquaten Ersatz für frühere durch VI markierte Präsentativsätze zu schaffen, muss das Subjekt im unmarkierten Aussagesatz systematisch aus der (üblichen) Position vor dem finiten Verb verdrängt werden. Eine Möglichkeit ist die Füllung dieser Position mit semantisch „ausgedünnten" Adverbien wie da, dort usw., die in der Tat häufig vorkommen und als „gedeckte Spitzenstellung" bezeichnet werden, d. h. Sätze, „wo vor dem Verb nur ein unbetontes Wort steht" (Dal 1966: 174). Mit der Reanalyse von prädikativen Sätzen bietet sich jedoch mit einem in Topikposition eine explizite Markierung an, die keine andere Funktion hat bzw. haben kann als die Rhematisierung des Subjekts. Dazu auch Behaghel (1932: 48): „Eine Nachwirkung alter Spitzenstellung liegt vor, wenn ein satzeinleitendes das eigentliche Subjekt vorausnimmt". Das Subjekt steht dadurch automatisch in Thematischer Position nach dem Verb, wodurch es häufig, aber nicht immer, indefinit ist. Teilweise geht damit auch Inkongruenz einher, die allerdings mit der starken Ausbreitung der grammatischen Kongruenz im Deutschen weitgehend beseitigt wird.

2.4 Übersicht: Die Verteilung von «ζ im Mittelhochdeutschen Nachdem als generisches oder Scheinsubjekt im Althochdeutschen nur im event-zentralen Bereich primärer Thetizität möglich war (s. Kapitel II.1.4), erweitert sich dessen Auftreten im Mittelhochdeutschen durch die Möglichkeit der Setzung eines Topik-i^ in allen anderen Bereichen primärer und sekundärer Thetizität.

36

Siehe zu VI-Aussagesätzen im Gegenwartsdeutschen z. B. Önnerfors 1997.

193

Mittelhochdeutsch (1050-1350)

Primäre Thetizität im Mhd.

entity-zentral

+S

Patiens/Experiencer Topik-f^ es friert mich entity-zentral

event-zentral

spez. Subjekt

Scheinsubjekt e s j

Topik-i^

generalis. Subjekt κ*

es liegt ein Buch auf dtm Tisch

*es weht /regnet es

Sekundäre Thetizität im Mhd.

entity-zentral

event-zentral

entity-zentral

event-zentral

Mit Partizipantenveränderung (Passiv) Topik-ίς; es wird ein buch gelesen

Topik-«^

Topik-e^

Topik-ίζ

es wird gegessen

es wird mir geholfen

es wird geholfen/gelächelt

O h n e P a r t i z i p a n t e n v e r ä n d e r u n g (Aktiv) es sang der Chor

*es sang man

Damit ist der Bereich der primären Thetizität sowohl durch Subjekt- als auch durch Topik-w charakterisiert, der Bereich der sekundären Thetizität nur durch letzteres.

3. Neuhochdeutsch (ab 1350) 3.1 Das Passiv: Abschlussentwicklung 3.1.1 Allgemeines Wie sich in den vorausgehenden Kapiteln herauskristallisiert hat, kommt die Ambivalenz der passivischen Konstruktion werden + Partizip Perfekt hinsichtlich Resultativität bzw. Prozessualität im Spätalthochdeutschen auf, kennzeichnet des Weiteren die gesamte mittelhochdeutsche Epoche und hält sich bis ins 16. Jahrhundert (Kotin 1998: 124). Bedingt ist die Ambivalenz durch das Eindringen von Imperfektiva in eine ursprünglich an Perfektiva gebundene Konstruktion, die den Übergang in einen Nachzustand signalisierte. In der Zeit bis zum 16. Jahrhundert und verstärkt durch den Zusammenbruch des Aspektsystems im 14./15. Jahrhundert übernimmt werden jedoch immer mehr die Aufgabe, Prozessualität zu signalisieren. Im 16. Jahrhundert „kippt" das System also endgültig. Man vergleiche dazu auch Oubouzar (1974: 94): „Von der Mitte des 16. Jh. an können die Formen w+pll [werden + Partizip Perfekt] als kursiv interpretiert werden." Am Ende der Entwicklung repräsentiert werden als Hilfsverb in Kombination mit einem Partizip Perfekt eine vollständig grammatikalisierte Periphrase im Sinne des gegenwartsdeutschen „Vorgangspassivs", mit dem nicht ein Zustand, sondern ein Prozess bezeichnet wird. Nicht nur hat hier eine syntaktische Periphrasierung stattgefunden, so dass sowohl Transitiva als auch objektlose Intransitiva erfasst wurden, was in letzterem Fall zu subjektlosen und zugleich event-zentralen passivischen Konstruktionen führt (im 12./13. Jahrhundert abgeschlossen). Anschließend kommt es noch zusätzlich zur semantischen Periphrasierung, wobei jetzt neben Perfektiva immer mehr Imperfektiva in die Konstruktion eindringen, was die Herausbildung des dominierenden Merkmals der Prozessualität nach sich zieht. Am deutlichsten wird dies in Kombination mit imperfektiven Verben, vgl. das folgende Beispiel vom Ende des 15. Jahrhunderts (zitiert nach Kotin 1998:135). werden mit imperfektivem Verb der sol furbaser in der gemeinschaft und freyheit der Goldsmid hie Wienn in dheinen wege nichttgehallten noch gelitten werden (Maxililian, 1494) ,der darf keinesfalls in der Gemeinschaft und Genossenschaft der Goldschmiede hier zu Wien gehalten und gelitten werden'

Neuhochdeutsch (ab 1350)

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Lexikalische Perfektivität stört aber in gewisser Weise, wenn sie mit Prozessualität konfrontiert ist, weshalb es zur Uminterpretation kommt. Eine Möglichkeit, bei der die Prozesssemantik beibehalten wird, ist die Fokussierung der Vorphase, also etwa bei erschlagen werden der Vorgang, der letztlich zum Zustand erschlagen sein führt. Kotin (1998: 136) postuliert außerdem, dass es zur Interpretation als Faktum kommt, vgl. nachfolgendes Beispiel aus der Mitte des 16. Jahrhunderts (1558) (zitiert nach ebd.). werden mit perfektivem Verb Wie wol sie oft drob werden gfangenj erslagn, erschossen, gschünden und ghangen (Hans Sachs, Ursprung dreyerley feintschaft, 99f.) Eine ähnliche Bedeutungsnuancierung in Richtung Faktum war bereits in Kapitel II. 1.1.1 zum Althochdeutschen angesprochen worden. Dort fuhrt umgekehrt die Kombination von zustandsfokussierendem sein und imperfektiv-prozessualem Verb dazu, dass die Fokussierung des Prozesses mit Hilfe von sein ein zusätzliches (allerdings schwaches) Merkmal Faktizität bekommt. Man vergleiche dazu auch noch die gegenwartsdeutsche Opposition die Gefangenen sind bewacht vs. die Gefangenen werden bewacht. Der Bedeutungsunterschied ist nur gering, es besteht aber keine absolute Synonymie zwischen den beiden Konstruktionen. Dieser Meinung ist auch Thieroff (1994: 38), wobei er aber einräumt: „Was genau der Unterschied [...] ist, ist allerdings schwer zu fassen". Dem gegenüber steht die Kombination von sein mit perfektiven Verben, die immer noch ein „echtes" Zustandspassiv mit dem Fokus auf dem (Handlungs)Nachzustand darstellt, z. B. unsere Feinde sind erschlagen. Ein vereinfachtes System des neuhochdeutschen Passivs ab dem 16. Jahrhundert könnte also folgendermaßen aussehen: sein + Perfektiva: Zustand erschlagen sein werden + Perfektiva: Prozess (Vorphase) bzw. Faktum erschlagen werden

sein + Imperfektiva: Prozess (+Faktum) bewacht sein werden + Imperfektiva: Prozess bewacht werden

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die verschiedenen Konstruktionen ein unterschiedliches „Alter" haben. 1. Am frühesten ist das /«»-Passiv grammatikalisiert. Da schon bei Parzival sowohl perfektive als auch imperfektive objektlose Intransitiva vorkommen, ist von einer vollzogenen syntaktischen Periphrasierung auszugehen.

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Das Passiv im Deutschen

Mit Imperfektiva (Parzival 189, 5) hie sol niht mer geswigen sin Mit Perfektiva entsläfen [unde enbisgen] was (Parzival 45, 20) .ausgeschlafen [und getrunken/gespeist] war' Da es semantisch außerdem zu keiner Uminterpretation kommt, kann für das /«'«-Passiv das 12./13. Jahrhundert angesetzt werden. Ein Zustandspassiv ist das /««-Passiv jedoch nur in Verbindung mit Perfektiva, weshalb die Termini nicht synonym bzw. austauschbar sind. 2. Dagegen ist die Grammatikalisierung des awvfc«-Passivs (mit Prozessoder Faktumbedeutung hinsichtlich Imperfektiva bzw. Perfektiva) tatsächlich später, etwa für das 16. Jahrhundert, anzusetzen, da jetzt erst die Vorgangsbedeutung (im Gegensatz zur früheren Nachzustandsänderung) dominiert. Vereinfacht ist das oben skizzierte System außerdem deshalb, weil weitere Veränderungen durch die Eingliederung in das im Aktiv entstandene Tempussystem hinzukommen, dessen Entwicklungsgang hier kurz skizziert werden soll (von der Darstellung des Modussystems wird dabei abgesehen).37 Noch im Althochdeutschen sind aspektuale und temporale Verhältnisse (d. h. die zeitliche Einordnung eines Geschehens in Bezug auf den Sprechzeitpunkt) eng miteinander verknüpft. Die Bildung des Präteritums (temporale Vergangenheit) mittels Ablaut oder Dentalsuffix führt bei perfektiven Verben zu einer vollendeten, bei imperfektiven Verben zu einer unvollendeten Vergangenheit, z. B. teta (ipf.) [+verg, —vollendet] vs. geteta (pf.) [+verg, +vollendet] (Beispiele nach Oubouzar 1974: 16). Dadurch ergibt sich aspektabhängig ein unvollendetes und ein vollendetes Präteritum.38 Präsensbildung bedingt im Falle von Imperfektivität temporalen Gegenwartsbezug, bei Vorliegen von Perfektivität jedoch Zukunftsbezug (Leiss 1992: 241). Damit „fehlt" den Perfektiva Gegenwarts-, den Imper37 38

Zum Tempussystem des Gegenwartsdeutschen s. genauer Thieroff 1992 oder speziell zum Perfekt Musan 2002. Ahnliche Verhältnisse geben auf älteren Stufen indoeuropäischer Sprachen Imperfekt und Aorist wider. Dabei ist im unvollendeten Präteritum bzw. Imperfekt, z. B. es regnett, nichts über die Abgeschlossenheit des Vorgangs ausgesagt, es kann also zum Sprechzeitpunkt immer noch regnen oder auch nicht. Das vollendete Präteritum bzw. der Aorist implizieren dagegen obligatorisch Abgeschlossenheit.

Neuhochdeutsch (ab 1350)

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fektiva Zukunftsbezug. Beide Bezüge werden nun analytisch mit zusätzlichen „Hilfsmitteln" hergestellt. Im letzteren Fall treten noch im Mittelhochdeutschen Konstruktionen mit Modalverb (z. B. wollen, sollen, müssen) + Infinitiv ein, denn ,,[d]ie Modalitäten [...] setzen den Verbalvorgang in Beziehung zu dem Willen des Sprechers und verleihen ihm zugleich den Charakter des Zukünftigen" (Paul/Wiehl/Grosse 1998: 295).39 Im 16. Jahrhundert kommt es schließlich durch Grammatikalisierung einer ingressiven (und damit zukunftsweisenden) Konstruktion werden + Partizip Präsens40/Infinitiv zur Herausbildung von werden + Infinitiv als so genanntes Futur I (ich werde laufett) (Oubouzar 1974: 93f.). Das so genannte Futur II (ich werde gelaufen sein) erhält seinen temporalen Wert erst im 17. Jahrhundert (ebd. 94), wohl auf der Basis eines bereits grammatikalisierten Futur I. Perfektive Verben dagegen können sich Gegenwartsbezug nur durch das Vorliegen eines zum Sprechzeitpunkt gegebenen Nachzustandes eines in der Vergangenheit angesiedelten Vorgangs „erschwindeln", es handelt sich um das so genannte Perfekt (vgl. Leiss 1992: 240). Das Perfekt repräsentieren Bildungen mit sein (nur bei perfektiven, intransitiven Geschehensverben) oder haben + Partizip Perfekt, die zwar bereits im Spätalthochdeutschen auftreten, aber erst zum 13. Jahrhundert hin zahlreicher werden, z. B. ahd. ist chomen, habet getan. Mit dem Perfekt entsteht außerdem das, was Oubouzar (1974: 8) in Anlehnung an Fourquet Phasenopposition nennt. Während bei Imperfektiva grundsätzlich nur eine Mittelphase bzw. der eigentliche Vorgang vorliegt, der fokussiert werden kann, bietet sich bei Perfektiva auch die Nachphase an. Das Perfekt repräsentiert nach Oubouzar (1974: 9) die „Vollzugsstufe des Präsens": „Dadurch wird hervorgehoben, daß [...] die Phase nach dem Vorgang [...] ausgedrückt wird und nicht eine temporale Nuancierung". Parallel dazu bildet sich außerdem eine Vollzugsstufe des Präteritums heraus (das so genannte Plusquamperfekt), z. B. uuas chomen, habetagetan (Oubouzar 1974: 16).41 Wenn man die drei Bildungen im Vergleich betrachtet, zeigt sich, dass sie eine Komplexitätshierarchie darstellen.

39 40

41

Vgl. dazu noch heute engl. I shall come, she will come. So ζ. Β. noch sehr häufig im Ring von Heinrich Wittenwiler (um 1410): Fluochend ward er und auch schelten Umb sein ofenchruken baide. ,Er fluchte und schimpfte wegen seiner beiden Krücken'. (591 f.). Zur Entstehung des neuhochdeutschen Futurs vgl. ζ. B. Kleiner 1925 oder jüngst Diewald/Habermann 2005. Zu diesen aktivischen Bildungen fügen sich auch die passivischen ist/uuas getan (s. Kapitel

III.l.l.l).

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Das Passiv im Deutschen

unvollendetes Präteritum +verg, —vollendet vollendetes Präteritum +verg, +vollendet (vollendetes) Perfekt +verg, +vollendet, +Nachzustand Theoretisch kann das Perfekt also durch Verlust oder Neutralisierung seiner überzähligen Merkmale die anderen Formen ersetzen. Genau das lässt sich auch beobachten. So konnte das Perfekt in den romanischen Sprachen (m. E. aufgrund der gemeinsamen Merkmale [+verg, +vollendet]) immer wieder den Aorist (vollendetes Präteritum) verdrängen, während das Imperfekt (mit den Merkmalen [+verg, —vollendet]) stabil blieb (Thieroff 1992: 164). In den slavischen Sprachen ging der Prozess noch weiter, hier wurden sowohl das Imperfekt (unvollendetes Präteritum) als auch der Aorist (vollendetes Präteritum) ersetzt (ebd.). Daraus ergibt sich für das Perfekt die Merkmalskombination [+verg, ±vollendet]. Es ist damit zum allgemeinen Vergangenheitstempus geworden. Auch im Deutschen hat eine Uminterpretation des Perfekts (und Plusquamperfekts) stattgefunden. Vermutlich wurde diese durch die Auflösung der Aspektopposition im 14./15. Jahrhundert und die Übernahme des Perfekts auch durch die jetzt dominierenden imperfektiven Verben ausgelöst (Oubouzar 1974: 91). Mit imperfektiven Verben kann das Perfekt nämlich nicht mehr in gewohnter Manier als Fokussierung der Nachphase eines in der Vergangenheit vollendeten Vorgangs interpretiert werden. Das einzige, was Imperfektiva diesbezüglich wahrnehmen können, ist ein „in der Vergangenheit stattgefundener Vorgang" (vgl. Paul 1920/1968: 137; s. a. Leiss 1992: 275). Das Perfekt trägt jetzt also die Merkmale [+verg, +vollendet] (s. o. zu den slavischen Sprachen). Gleichzeitig verschwindet das Nachzustandsmerkmal des (vollendeten) Perfekts nicht spurlos, es wird jedoch im Hinblick auf den im Perfekt dargestellten Vorgang in ein schwächeres Resultats- oder Relevanzmerkmal (zum Sprechzeitpunkt) umgedeutet, das auch Imperfektiva wie ζ. B. essen oder regnen realisieren können. Man vergleiche dazu etwa Hentschel/Weydt (2003: 109) zu entsprechenden Sätzen im Gegenwartsdeutschen: „So fragt jemand seinen Gast, wenn er wissen will, ob er hungrig ist: Haben Sie schon gegessen? und nicht Aßen Sie schon?, weil es ihm auf das aktuelle Resultat des Vorganges, nicht auf den vergangenen Vorgang

Neuhochdeutsch (ab 1350)

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selbst ankommt." Ähnlich würde man auch angesichts einer nassen Straße sagen es hat geregnet, nicht *es regnete (ebd. 110). Das „neue" Perfekt wäre ein gegenwartsrelevantes Perfekt mit den Merkmalen [+verg, ivollendet, +gegenwartsrelevant], wobei mit Imperfektiva ein unvollendetes, mit Perfektiva ein vollendetes Perfekt vorläge. Dem entsprächen Sätze wie:42 +vollendet, +gegenwartsrelevant -vollendet, +gegenwartsrelevant

sie haben die Tür gemacht (und sie ist z. B. noch zu) es hat geschneit (es liegt z. B. noch Schnee)

Im Gegensatz dazu stünde weiterhin das nicht-gegenwartsrelevante Präteritum mit den Merkmalen [+verg, +vollendet, —gegenwartsrelevant], also etwa: +vollendet, —gegenwartsrelevant —vollendet, -gegenwartsrelevant

sie machten die Tür ^u (sie ist jetzt aber z. B. schon wieder offen) es schneite (der Schnee ist aber z. B. schon wieder weggetaut)43

Allerdings kommt es im oberdeutschen Raum sehr schnell zu einer Neutralisierung des Merkmals der Gegenwartsrelevanz (womöglich ausgehend von den Imperfektiva), so dass das Perfekt jetzt endgültig zum allgemeinen Vergangenheitstempus wird und die Merkmalskombination [+verg, ivollendet, igegenwartsrelevant] aufweist. Also: Gegenwartsrelevantes Perfekt +vollendet, +gegenwartsrelevant —vollendet, +gegenwartsrelevant

sie haben die Tür t^ugemacht (und sie ist z. B. noch zu) es hat geschneit (es liegt z. B. noch Schnee)

42

Das schwächere Merkmal der Relevanz ermöglicht es kontextabhängig allerdings auch, dass das Resultat des im Perfekt ausgedrückten Vorgangs zum Sprechzeitpunkt nicht mehr vorliegt, wohl muss aber dessen Relevanz weiterhin gegeben sein: Heute Nacht hat es geschneit, aber der Schnee ist leider nicht liegen geblieben (Hentschel/Weydt 2003: 109); Der Redner ist angekommen und sogleich wieder abgefahren (weil nurfünf Zuhörer da sind) (Thieroff 1992: 175).

43

Dem widerspricht nicht die Tatsache, dass das Präteritum auch einen nichtabgeschlossenen Vorgang wiedergeben kann, vgl. Wir kamen über die Autostrada nach Floren% das in einem breiten Tal lag [und dort noch immer liegt] (Thieroff 1992: 113).

200

Das Passiv im Deutschen

Nicht-gegenwartsrelevantes Perfekt +vollendet, —gegenwartsrelevant

—vollendet, —gegenwartsrelevant

sie haben die Tür yugemacht (sie ist jetzt aber z. B. schon wieder offen) es hat geschneit (der Schnee ist aber z. B. schon wieder weggetaut)

Das führt ab ca. 1500 südlich einer Linie, die etwa bei Frankfurt in WestOst-Richtung verläuft (der so genannten Präteritumslinie oder -grenze) (Hentschel/Weydt 2003: 108), in sehr kurzer Zeit zum so genannten Präteritumschwund (z. B. Lindgren 1957: 65-68, nach Leiss 1992: 280), während es nördlich davon noch bis heute erhalten ist. Deshalb kann dort auch jedes „süddeutsche" nicht-gegenwartsrelevante Perfekt durch ein Präteritum ersetzt werden (s. z. B. Thieroff 1992: 185, er spricht hier allerdings von nicht-perfektischem Perfekt). Da es für das Plusquamperfekt keine Konkurrenz gibt (im Gegensatz zur Opposition Perfekt vs. Präteritum), werden alle Merkmale neutralisiert, es herrschen also Verhältnisse wie beim süddeutschen Perfekt. Da außerdem alle Ereignisse temporal gesehen sozusagen „eine Ebene zurückgestuft" sind, ergibt sich hier statt vergangen und gegenwartsrelevant (wie im Perfekt) vorvergangen und vergangenheitsrelevant. Es gilt also für das Plusquamperfekt [+vorverg, ivollendet, ±vergangenheitsrelevant], z. B. als ich gestern aus dem Haus trat (verg.), hatte es geschneit (+vorverg. und +vergangenheitsrelevant in Bezug auf vergangenes als ich gestern aus dem Haus trat). Das Tempussystem des Passivs liegt in seiner Gesamtheit erst im 17. Jahrhundert vor (Kotin 1998: 151; Oubouzar 1974: 94), bildet sich also etwas später aus als das des Aktivs. Dabei hat das Aktivsystem wohl starken Vorbildcharakter, besonders im Bereich der Futurtempora. Ein Perfekt oder Plusquamperfekt präsentischer und präteritaler Nachzustände von Perfektiva scheint es dagegen vereinzelt schon bei Wolfram, also im 12./13. Jahrhundert zu geben, es verbreitet sich aber erst im 14. und 15. Jahrhundert (Ebert 1978: 62) und wird im 16. Jahrhundert vollständig ins System integriert (Oubouzar 1974: 94). Mit dem temporalen Ausbau des Passivs etabliert sich nun ein vollständiges Genusparadigma mit den Diathesen Aktiv und Passiv. Dabei stellt das so genannte Vorgangspassiv mit werden das „Normale" dar, da die Merkmale Prozess mit Imperfektiva {bewacht werden) und Prozess (Vorphase) bzw. Faktum mit Perfektiva (erschlagen werden) in beiden Diathesen identisch sind.

Neuhochdeutsch (ab 1350)

201

Isoliert steht seit dem 17. Jahrhundert das /«»-Passiv, das deshalb von Oubouzar (1974: 94) selbst nicht mehr zum Passiv gezählt wird. Statt dessen wird hier häufig von einem Kopulasatz mit partizipialem Prädikativum ausgegangen, vgl. z. B. schon bei Grimm (1898: 16f.) oder in neuerer Zeit bei Lenz 1995 oder Rapp 1996 und 1997. Da aber mittelhochdeutsche Belege gezeigt haben, dass bereits im 12./13. Jahrhundert ein subjektloses /««-Passiv möglich war, was eine syntaktische Periphrasierung voraussetzt, wird hier nicht von einer Kopulakonstruktion, sondern von einem Passiv ausgegangen. Davon ausgeschlossen sind selbstverständlich Fälle, in denen es kein dazugehöriges Verb (mehr) gibt, z. B. er ist unrasiert/ungebildet (*unrasieren, *unbilden) (Hentschel/Weydt 2003: 134). Am wenigsten greift die Annahme einer Kopulakonstruktion bei Imperfektiva mit sein {bewacht sein). Da sie ebenso wie werden + Partizip Perfekt typischerweise einen Prozess ausdrücken (wenn auch mit schwacher Faktumkomponente) und teilweise füreinander ersetzbar sind (ich bin von allen gefürchtet vs. ich werde von allen geßrchtet) gibt es keinen Grund, im einen Fall (mit werden) ein Passiv, im anderen (mit sein) eine prädikative Struktur anzusetzen. Dabei ist hier jedoch nicht von einem Zustandspassiv auszugehen, da ja eher Prozessualität ausgedrückt wird bzw. dominant ist.44 Schwieriger gestaltet sich die Situation bei sein mit Perfektiva (erschlagen sein). TsxiLt hat die Konstruktion eindeutig sowohl Passiv- als auch (Handlungsnach)Zustandscharakter, sie steht jedoch nur bedingt in direkter Opposition zu einer Vorgangspassivkonstruktion mit werden. Das liegt daran, dass Konstruktionen mit perfektiven Verben auch Faktumcharakter haben können. Es sei hier noch einmal auf die obige Tabelle verwiesen: sein + Perfektiva: Zustand erschlagen sein werden + Perfektiva: Prozess (Vorphase) bzw. Faktum erschlagen werden

sein + Imperfektiva: Prozess (+Faktum) bewacht sein werden + Imperfektiva: Prozess bewacht werden

Eigentlich steht sein mit Perfektiva also allein im System. M. E. ist das aber kein Grund, hier nicht von einem Zustande- oder genauer Resultativpassiv

44

Problematisch scheinen auf den ersten Blick Sätze mit offensichtlich imperfektiven Verben wie essen, streichen u. Α., die keinen Prozess, sondern einen Nachzustand darstellen: das Gemüse ist gegessen (im Sinne von aufgegessen) oder das Fenster ist gestrichen (im Sinne von fertig gestrichelt). Eisenberg (2004: 133) weist jedoch daraufhin, dass es sich hier um inkrementelle Verben handelt, bei denen „der Vorgang sich kontinuierlich in Schritten derselben Art [vollzieht]". Damit liegt eine Unterart der perfektiven Verben vor.

202

Das Passiv im Deutschen

zu sprechen.45 Mit Litvinov/Nedjalkov (1988: 5) verweist Thieroff (1992: 176) nämlich darauf, dass es diese Konstruktion, und nicht etwa das Perfekt, ist, die Resultativität repräsentiert. Im Gegensatz zum Perfekt gibt das (präsentische) Resultativpassiv tatsächlich einen bis zum gegenwärtigen Sprechzeitpunkt anhaltenden (Handlungsnach)Zustand wieder (Beispiel ebd.): Die Tür ist (immer) noch geöffnet. *Er ist immer noch angekommen. Der Grund, weshalb man überhaupt Bezüge zum Vorgangspassiv herstellt, liegt darin begründet, dass ein Zustandspassiv (im Präsens oder Präteritum) aussieht wie ein um worden verkürztes Vorgangspassiv (im Perfekt oder Plusquamperfekt). 46 Zustandspassiv Die Tür ist geöffnet Vorgangspassiv Die Tür ist geöffnet worden Wie Thieroff (1992: 176f.) aber bereits anmerkt, handelt es sich nicht um äquivalente Sätze, da im ersten Fall ein Zustandspräsens, im zweiten Fall ein Vorgangsperfekt vorliegt. 47 Während das Zustandspassiv in Form von sein + Partizip Perfekt (von perfektiven Verben) immer noch Resultativfunktion hat, impliziert das Perfekt des Vorgangspassivs (ebenso wie des Aktivs) lediglich, dass der Vorgang in der Vergangenheit stattgefunden hat und eine gewisse Relevanz für einen späteren Zeitpunkt hat (s. o.) (Beispiele nach Thieroff 1992: 176). *Die Tür ist geöffnet, aber Hans hat sie wieder geschlossen. Die Tür ist geöffnet worden, aber Hans hat sie wieder geschlossen.

45

46 47

Nach Rapp (1996: 239) geht die Annahme eines Zustandspassivs (auch „3. Genus" oder „/«»-Passiv") auf Glinz 1968 zurück. Von einem Zustandspassiv (und nicht einer Kopulakonstruktion) gehen u. a. auch die DUDEN-Grammatik (2005: 558-562), Eisenberg (2004: 132f.), Engel (1996: 456f.), Heidolph/Flämig/Motsch (1984: 540-560 passim), Helbig/Buscha ( 2 0 0 5 : 155-162), Hentschel/Weydt (2003: 132-134) o d e r Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997: 1808-1817) aus. Zu dieser Auffassung siehe bereits Wilmanns (1906: 141) oder in neuerer Zeit Erben (1980: 100) und Eisenberg (1989: 145) (nach Thieroff 1992: 176f., Fußnote 49). Würde werden sein Perfekt nicht mit sein, sondern mit haben bilden, hätte wahrscheinlich niemand postuliert, dass es sich beim Zustandspassiv um ein verkürztes Vorgangspassiv handelt.

Neuhochdeutsch (ab 1350)

203

Deshalb impliziert zwar das Zustandspassiv grundsätzlich, dass der im Perfektpassiv ausgedrückte Vorgang in der Vergangenheit stattgefunden hat {die Tür ist geöffnet C die Tür ist geöffnet worden), umgekehrt gilt dies jedoch nicht (die Tür ist geöffnet worden (£ die Tür ist geöffnet). Letzteres, nämlich das kontinuierliche Vorliegen des direkten Resultats des im Perfekt dargestellten Vorgangs, ist zwar theoretisch gegeben, jedoch nur als Teilmenge des allgemeineren Merkmals Relevanz. Trotzdem ist die Möglichkeit der Hinzufügung von worden an die Form sein + Partizip Perfekt ein wichtiger Test. Zum einen kann dadurch das Zustandspassiv von einem Perfekt intransitiver perfektiver Verben abgegrenzt werden: *das Feuer ist aufgelodert worden (Hentschel/Weydt 2003: 134). Zum anderen kann dadurch (oft aber nur kontextabhängig) festgestellt werden, ob es sich eher um die passivische (mit werden) oder die antikausative (ohne werden) Verwendung der Konstruktion handelt. In letzterem Fall wäre dann eine Kopulakonstruktion mit partizipialem Prädikativum anzusetzen. '1

s,

eher passivisch du bist besiegt C du bist besiegt worden du bist aufgeregt C }du bist aufgeregt worden du bist beleidigt C }du bist beleidigt worden der Stoff ist ausgefranst C *?der Stoff ist ausgefranst worden eher antikausativ

Je weniger ein Agens oder auch nur ein unbelebter Stimulus (vgl. das hat mich gan^ schön aufgeregt) möglich ist, desto eher verbietet sich auch die Hinzufügung von worden, da die Konstruktion mit werden schon seit dem Althochdeutschen die passivische (im Gegensatz zur antikausativen) Funktion repräsentiert (vgl. Kapitel II.1.1.1). Grundsätzlich kann man sagen, dass im Neuhochdeutschen die Anzahl der passivischen Konstruktionen mit sein im Vergleich zu denen mit werden abnimmt. Während sich im Parzival (Mittelhochdeutsch) noch 55% mit sein finden (Eroms 1989: 86), sind es im Gegenwartsdeutschen nur noch 26% (Brinker 1971: 40, 83). Der Grund dafür ist m. E. in der Prozessbedeutung von werden + Partizip Perfekt zu suchen, die im 14./15. Jahrhundert beginnt sich durchzusetzen, und im 16. Jahrhundert vollends etabliert ist. Während vorher sein + Partizip Perfekt (von Perfektiva, ist erschlagen, oder Imperfektiva, ist gequält) Prozessualität mit ausdrücken konnte und musste (bei Perfektiva als dem Nachfolgezustand vorausgehende Handlung impliziert), wird im Frühneuhochdeutschen die werden-Variante gewählt, die nun statt Übergang in einen Nachzustand reine Prozessualität ausdrückt.

204

Das Passiv im Deutschen

Dadurch wird nicht nur bei Imperfektiva werden + Partizip Perfekt der «/«-Variante vorgezogen (wird gequält statt ist gequält, vgl. auch Kapitel II.2.1.1), das Resultativpassiv (ist erschlagen) verliert auch zunehmend die Implikation der vorausgehenden Handlung und wird zu einem echten Zustandspassiv. Soll weniger der nachfolgende Zustand und eher die vorausgehende Handlung betont werden, tritt das Perfekt des Vorgangspassiv dafür ein (ist erschlagen worden). Dadurch nähert sich das Zustandspassiv konzeptuell mehr dem Antikausativum an, was die zunehmende Schwierigkeit der Agenshinzufügung erklärt (z. B. Kotin 1998: 160). So ist auch der Befund zu deuten, dass in Texten aus meinem Korpus ab dem 14./15. Jahrhundert die Konstruktion sein + Partizip Perfekt immer ambiger hinsichtlich Antikausativum und Passiv und immer schwieriger zu deuten wird, da in beiden Fällen ein Zustand (und nicht eine vorausgehende Handlung) im Fokus steht. Hinsichtlich des unpersönlichen Passivs fällt außerdem auf, dass der Anteil der «/«-Passive hier noch stärker sinkt ist als beim persönlichen Passiv, vgl. 56.5% «/«-Konstruktionen im persönlichen vs. 27% im unpersönlichen Passiv im Parzival (Eroms 1989: 86) im Vergleich zu 27% vs. 5% in der Gegenwartssprache (Brinker 1971: 40, 83). Da (sekundäre) Thetizität Affinitäten zu Intransitivität und damit zu Imperfektivität hat (s. Kapitel 1.3.3.1), sind Perfektiva hier grundsätzlich selten, vgl. aber jet^t ist auspalavert, damit war ausgesungen·, ab \-wei Ohr ist wieder geöffnet, hier ist geschlossen-, dort soll geschlossen sein (Beispiele nach Engel 1996: 460). Da das mit sein gebildete Passiv im Frühneuhochdeutschen weitgehende Beschränkung auf von Perfektiva gebildete Zustände erfährt, ist es im unpersönlichen Passiv erwartungsgemäß noch seltener als im von transitiven und damit häufig perfektiven Verben gebildeten persönlichen Passiv.48

3.1.2 Das unpersönliche Passiv 3.1.2.1 Allgemeines Das Neuhochdeutsche ist im Prinzip durch die Bewahrung der Situation im Mittelhochdeutschen gekennzeichnet, so dass im (älteren) Frühneu-

48

Zum unpersönlichen Zustandspassiv im Gegenwattsdeutschen siehe v. a. Leirbukt 1983. Leirbukt (1983: 78) weist im Übrigen auch auf die interessante Tatsache hin, dass es beim deontischen Gebrauch von Modalverben im Passiv offenbar zu einer Aufhebung der Opposition von Zustands- und Vorgangspassiv kommt, weshalb die Verwendung eines unpersönlichen Zustandspassivs von Modalverben weniger problematisch erscheint (s. o. das Beispiel bei Engel: dort soll geschlossen sein).

205

Neuhochdeutsch (ab 1350)

hochdeutschen die dort aufgestellen Untertypen vorliegen (vgl. Kapitel II.2.1.2): 1. Das entity-zentrale Passiv (immer ohne Subjekt) a) mit Genitivobjekt, z. B. Der nachtgeprechen sey aller vergessen; [...]. (Ackermann, 28, 36f.) b) mit Dativobjekt, z. B. [...],jr Todt, euch sey verfluchet1. (Ackermann 1, 2f.) c) mit Präpositionalobjekt, z. B. Des ward nu von dem tant^gelassen; (Ring 6247) Ein entity-zentrales Passiv mit beibehaltenem Akkusativobjekt findet sich im Korpus nicht. Dass die Vorstellung so abwegig aber nicht ist, zeigen z. B. Fälle aus dem Mittelniederländischen um 1500, für das Burridge (1993: 152-159) auf die so genannten „Akkusativ-Subjekte" hinweist, die unter anderem auch im Passiv auftreten (Brabantisch; Beispiel ebd. 153): Den balsem boom wort geplant gelijk the balsam tree:ACC?49 is planted like 'The balsam tree is planted like the vine(yard).'

den the

wijngaert. vineyard

Auffällig ist auch hier die Definitheit und die Topikposition der fraglichen NP, die auf ein autonomes Objekt hindeutet (und deshalb nicht als inneres Objekt eingeordnet werden sollte). 2.

Das event-zentrale Passiv (mit oder ohne Subjekt)

a) transitive Verben im absoluten Gebrauch mit generalisiertem Subjekt Hierfür findet sich im Korpus kein Beispiel, weshalb wir eine Konstruktion eines dreistelligen Verbs (.austeilen*) mit Nominativ, Dativ und Akkusativ aufführen, bei der im Passiv sowohl das Subjekt als auch das Dativobjekt generalisiert ist: Wen man hört wie man hindeich haltet und den armen teglich ab bricht und so täglich ußgeteilt wurt / (Geiler, 21 Artikel, S. 184, Z. 19-21)

49

Akkusativ und Dativ sind meist nicht klar geschieden, so dass die Akkusativnotation hier von Burridge mit einem Fragezeichen versehen wurde. Im Neuniederländischen werden Substantive nicht mehr nach Kasus flektiert.

206

Das Passiv im Deutschen

b) intransitive Verben mit generalisiertem Objekt, z. B. mit Genitiv: Des ward nit lenger dogepitten: (Ring 391) c) intransitive Verben ohne jegliche Objekte, z. B. Es muoss halt sein ghofieret, Gestochen und gturnieret! (Ring 19 5 f.) Innerhalb der beiden Oberkategorien von entity- und event-zentralem Passiv hat sich jedoch zum Gegenwartsdeutschen hin eine zahlenmäßige Verschiebung ergeben, da ersteres häufiger, letzteres seltener wird. Das zeigen die folgenden Vergleichswerte (Näherungswerte) aus dem Mittelhochdeutschen, (älteren) Frühneuhochdeutschen und der Gegenwartssprache (dabei wurden dreistellige Verben aus der Bewertung ausgeschlossen). Entity-zenttales Passiv Genitiv Dativ MHD (64) + ÄLT.FNHD (24) GGWD (235)

50%

31% 54% 71%

Präpositionalobjekt 19%

(Brinker 1971: 40, 83)

Der zahlenmäßige Anstieg innerhalb des entity-zentralen unpersönlichen Passivs ist v. a. deshalb erstaunlich, da gerade Konstruktionen mit adverbalem Genitiv, die bis zum Frühneuhochdeutschen noch sehr häufig sind, im Neuhochdeutschen weitgehend verschwinden. Die meisten Verben sterben allerdings nicht aus, sondern der Genitiv wird durch ein Präpositional- oder Akkusativobjekt ersetzt (z. B. Lenz 1996: 17). Obwohl eine detailliertere Analyse bei Brinker im Bereich des gegenwartsdeutschen entity-zentralen unpersönlichen Passivs fehlt, ist anzunehmen, dass der zahlenmäßige Anstieg grundsätzlich auf die Ausweitung im Bereich der Konstruktionen mit Präpositionalobjekt zurückgeht. Darauf deutet jedenfalls die Analyse eines literarischen Textes, nämlich den „Unkenrufen" von Günter Grass, hin, in dem 90% des entity-zentralen unpersönlichen Passivs diesem Typus zuzurechnen sind (die restlichen 10% repräsentieren Konstruktionen mit Dativobjekt).50 Im Gegensatz zum entity-zentralen geht das event-zentrale Passiv im Gegenwartsdeutschen zurück: 50

Das Passivkorpus wutde mit freundlicherweise von Sari Valkama-Ikonen von der Universität Jyväskylä zur Verfugung gestellt.

Neuhochdeutsch (ab 1350)

MHD (62) + ÄLT.FNHD (13) GGWD (97)

Event-zentrales Passiv Objekdose Transitiva mit Intransitiva generalis. Subj. 65% 25% 46% 29%

207

Objekthaltige Intransitiva 9%

(Brinker 1971: 40, 83)

Möglicherweise ist dieser Rückgang auf einen Abbau im Bereich der Konstruktionen von objektlosen Intransitiva zurückführen. Auffallig ist nämlich in jedem Fall, dass solche im genannten „Unkenrufe"-Passivkorpus vollständig fehlen, die vorhandenen Fälle teilen sich je zur Hälfte auf Transitiva mit generalisiertem Subjekt sowie auf objekthaltige Intransitiva auf. Auch in meiner eigenen Untersuchung zum Passiv im Chat (also in konzeptuell mündlicher Sprache) dominieren nicht objekdose Intransitiva, sondern Transitiva mit generalisiertem Subjekt bzw. in absoluter Verwendung (vgl. Vogel 2003: 149f.).

3.1.2.2 Tendenzen Neben den bereits im vorausgehenden Kapitel genannten Tendenzen, nämlich dem zahlenmäßigen Ausbau des entity-zentralen bzw. dem Abbau des event-zentralen unpersönlichen Passivs, lassen sich im Neuhochdeutschen noch zwei weitere feststellen. Im einen Fall kommt es im Neuhochdeutschen i. e. S. (ab 1650) zu einigen Subjektivierungen auch im Bereich der Dativobjekte, vgl. etwa die Beispiele bei Behaghel (1928: 212): denn der Buhler buhlt dem Buhler, buhlt und wird gebuhlt nicht minder (17. Jhd.) (s. a. Ebert et al. 1993: 417); da sind wir auf viele Jahre geholfen (18. Jhd.); sie werden auf den Zahn gefühlt werden (19. Jhd.); bis er abgewinkt wurde (20. Jhd.). Erdmann (1886: 90) und Behaghel (1928: 212; 400f.) weisen außerdem auf einige weitere Verben mit Dativ hin, die ein unpersönliches Passiv bilden sollten, im 18. Jahrhundert aber mit persönlichem Passiv verbreitet sind, was sie allerdings spezifisch auf französischen Einfluss zurückführen. Dabei handelt es sich v. a. um folgen (frz. etre suivi) und gehorchen (frz. etre obe'i): gehorcht sein wie er konnte kein Feldherr... sich rühmen·, man muss vorauf gehn, wenn man gefolgt sein will. Da es sich dabei grundsätzlich um belebte Entitäten handelt, die im Dativobjekt kodiert sind, verwundert die (wenn auch sporadische) Sub-

208

Das Passiv im Deutschen

jektivierung nicht weiter. Es handelt sich dabei um einen agensnahen Bereich, der in anderen Sprachen (z. B. Latein, Altgriechisch) regelmäßig vom persönlichen Passiv erfasst wird (vgl. dazu auch Kapitel 1.3.2). Im Deutschen konnte sich die Subjektivierung trotz der oben genannten Beispiele jedoch nicht durchsetzen. Wenn im Gegenwartsdeutschen Konstruktionen wie Da werden Sie geholfen! in der Werbung zu hören sind, deutet das gerade auf ihren markierten Status hin. Eine andere Tendenz im Neuhochdeutschen betrifft ein, möglicherweise erst im Gegenwartsdeutschen entstehendes, Passiv von Verben mit innerem, also semantisch eng ans Verb gebundenem, Akkusativobjekt (z. B. Karten spielen).* Von Seefranz-Montag (1983: 68f., Fußnote 37) spricht hier von „quasi-lexikalisierten komplexen Verb-ObjektVerbindungen mit der Tendenz zur morphologischen Zusammenbildung", z. B. es wird Walser und Foxtrott getankt, es wird Spaghetti gekocht. Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997: 1801) betrachten solche Konstruktionen als idiomatisierte Verb-Komplement-Fügungen. Reis (1985: 50-53) nennt v. a. Funktionsverbgefüge vom Typ Folge leisten, Beachtung schenken, FLinhalt gebieten usw. (s. a. Starke 1985: 63f.). Es wäre nun nicht überraschend, wenn sich solche „inneren" Akkusativobjekte anders verhielten als typische direkte Objekte. Genau dies scheint auch der Fall zu sein. Zum einen steht das finite Verb im Falle eines pluralischen Bestandteils häufig in der 3. Person Singular, es kongruiert also nicht (ζ. Β. jet^t wird/*werden Karten gespielt). Reis 1985 geht außerdem davon aus, dass es sich bei den entsprechenden Substantiven auch nach Umformung des Ausdrucks in ein Passiv nicht um „echte" Subjekte handelt. Anders als „normale" Passivsubjekte bleiben sie häufiger im Mittelfeld (und damit näher beim Verb), können aber überraschenderweise zusammen mit dem finiten Verb vorangestellt werden: Folge geleistet wurde dem Befehl nur nach mehrmaliger Aufforderung vs. *Ein Mann getötet wurde dabei aus Versehen (ebd. 51). Während Abramov (1967: 369) solchen Konstruktionen eine Zwischenstellung zuweist, folgert Reis (1985: 53), dass die Zugehörigkeit des Abstraktums zum Verbalkomplex besonders eng ist, weshalb sie die entsprechenden Fügungen direkt als unpersönliche Passive von intransitiven V e r b e n einordnet. Auch Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997: 1801) sprechen hier aufgrund der engen semantischen Einheit zwischen Verb und Komplement ganz explizit von einer Inkorporation des Akkusativkomplements in die Verbgruppe, das dadurch nicht promovierbar ist, woraus sich ebenfalls ein unpersönliches Passiv (bei ihnen Eintakt-Passiv) ergibt. 51

Davon ausgenommen ist der Spezialfall der Figura etymologica, die bereits im Mittelhochdeutschen im Passiv möglich ist, vgl. [...], so enmart nyt schlag furbas geschlagen, [...] ,da wurde kein Schlag mehr geschlagen' (Prosalancelot, S. 194, Z. 26f.).

Neuhochdeutsch (ab 1350)

209

Die entsprechenden Konstruktionen neigen also dazu, sich wie „komplexe Intransitiva" zu verhalten und schließen sich an das unpersönliche Passiv von objektlosen Intransitiva an. Theoretisch wäre jetzt auch die Beibehaltung des Akkusativs möglich (auch im Singular), womit ein unpersönliches Passiv von Transitiva entstanden wäre. Tatsächlich gibt es eine, wenn auch sehr schwache, Tendenz, solche „inneren" Akkusativobjekte nicht in den Nominativ zu setzen, man vergleiche etwa Daher wurde besonderen Wert darauf gelegt, ... (Kühn 1978: V; zitiert nach Reis 1985: 52). Auch bei Bänziger (1970: 69f., 117) finden sich einige Spontanbelege. Auf die konventionelle äussere Form des Gedichtes wird in den Hymnen verachtet und dafür einer metrischen Form den Vorzug gegeben. Als einen Hinweis auf die Forderung nach einer Gipfelkonferenz werden Erklärungen gewertet, die Parteisekretär Cestmir Cisar am Montag vor einem Parteiaktiv der Stahlarbeiter in Kladno abgab. Als besonders schweren Schlag gegen die Labourregierung wird hier die Entscheidung Canadas zugunsten des alten Kalibers von 7,6 mm empfunden. Petko Kunin, ehemaliger Finanzminister, wird von Karaiwanoff als einen der prominentesten bulgarischen Revolutionäre bezeichnet. Die Erklärung der „Zweitausend Worte" müsse als einen offenen Angriff auf die tschechoslowakische KP, auf den sozialistischen Staat und auf die sozialistischen Errungenschaften der Tschechoslowaken angesehen werden. Bei einer Feier, die im Kibbuζ stattfand, unterstrichen die drei aus dem von Israel besetzten Teil Jordaniens stammenden Araber, dass ihre Mithilfe am Auftau des jüdischen Kibbuz als einen Schritt auf dem Weg zur Verbrüderung verstanden werden sollte. Folgende Beispiele sind von mir selbst gesammelt: Der methodische Umgang mit Literatur wird geübt, wobei besonderen Wert auf die planmässige Verknüpfung von Wissen aus unterschiedlichen Fachgebieten gelegt wird. (Aushang am Institut für Germanistik der Universität Bern) Besonderen Wert wird auf die früheren Epochen gelegt, .... (Proseminararbeit am Institut für Germanistik der Universität Bern)

210

Das Passiv im Deutschen

Als zweiten, sehr wichtigen Grund kann angefügt werden, dass es kaum arabische Lehnwörter gibt, ... . (Proseminararbeit am Institut für Germanistik der Universität Bern) Oer Ausfall des initialen l- wird dadurch erklärt, dass es im Spanischen fälschlicherweise als arabischen Artikel gedeutet wurde ... . (Proseminararbeit am Institut für Germanistik der Universität Bern) ..., wurde der jiddischen Kultur grossen Schaden zugefügt (Proseminararbeit am Institut für Germanistik der Universität Bern) Dass hier eine Ersetzung durch für jemanden noch möglich ist, obgleich der Dativ ^nehmend als festen Bestandteil der Konstruktionen mit kaufen empfunden [...] wird,.... (Manuskript von Harald Weydt zum „Handbuch der deutschen Grammatik") Es wird also sowohl das Sprachsystem kritisiert bekämpft als auch den Sprachgebrauch. (Hauptseminararbeit am Institut für Germanistik der Universität Bern) Offensichtlich können also Verben mit inkorporiertem Objekt in das Passivmuster der objektlosen Intransitiva gezogen werden, was sich primär an Inkongruenz (im Falle eines Plurals) und teilweise an Akkusativbeibehaltung zeigt. M. E. hat das Passiv von Verben mit inkorporiertem Objekt Ähnlichkeiten mit dem unpersönlichen Passiv von unecht reflexiven Verben (Typus: da wird sich geholfen (Dativ) oder da wird sich umarmt (Akkusativ)). Während sich der Haupttypus des Reflexivpassivs, nämlich das unpersönliche Passiv von echt reflexiven Verben mit lexikalischem sich (Typus: da wird sich amüsiert) schon um 1200 findet (s. Kapitel II.2.1.2.2), scheinen Fügungen von unecht reflexiven Verben im gesamten Mittel- und Frühneuhochdeutschen nicht aufzutauchen (vgl. auch Behaghel 1924/1989: 214f.). Ich vermute deshalb, dass dieser Bildungstyp neuhochdeutsch oder sogar erst gegenwartsdeutsch ist, was evtl. auch erklären könnte, warum er gegenüber Bildungen von echt reflexiven Verben nur etwa einen Anteil von 20% hat (Hundt 2002: 142). Zustande gekommen sein könnte er wie bereits angedeutet durch die Passivbildungsdrift Richtung „komplexe" Intransitiva. „Unechte" Reflexivpronomen ebenso wie innere Objekte haben nämlich gemeinsam, dass sie einen geringeren Grad an referentieller Autonomie aufweisen (vgl. auch Kapitel 1.4.2). Deshalb ist es gut möglich, dass beide Konstruktionstypen zeitgleich auftauchen, wodurch sich eine spezielle Art unpersönliches Passiv von Transitiva entwickelt.

211

Neuhochdeutsch (ab 1350)

Dadurch erweitert sich aber das event-zentrale und subjektlose unpersönliche Passiv, der „rechte" Rand wird also ausgebaut, wie bereits in Kapitel 1.3.3.2 dargestellt. event-zentral jet^t wird gesungen

ich werde geschlagen

jetyt wird gelächelt jet^t wird Zähne geputzt jetyt wird ach gewaschen jet^t wird geholfen

Nun wäre es theoretisch sogar möglich, dass Fügungen mit beibehaltenem Akkusativobjekt die Bedingung der geringen Autonomie aufgeben und auch mit „normalen" Substantiven gebildet werden können. Voraussetzung wären allerdings inkorporationsbegünstigende Eigenschaften wie Rhematisierung und/oder Indefinitheit. Genau von einem solchen unpersönlichen Passiv von Transitiva mit Inkongruenz und Akkusativbeibehaltung scheinen Abraham 1986 und Walther 1990 auszugehen. Dabei nimmt Walther (ebd. 93) an, dass diese Fügungen nur in der Hochsprache nicht akzeptabel seien, aber durchaus im sprechsprachlichen Bereich.52 Bei ihr und Abraham 1986 werden folgende (allerdings nirgendwo belegte) Beispiele genannt: Uedergesungen wird (von Kindern) gern. Mit dem Fischmesser wird doch nicht Apfel geschält. Hier wird keine Faxen gemacht! Es wird jet^t gerade Gedichte vorgelesen. Es wird in diesem Werk Geschichten über sich seihst erzählt. Dabei geht Abraham (1986: 21) davon aus, dass Deindividualisierung, d. h. Indefinitheit, vorliegt, so dass Objekt-Inkorporierung und damit im Prinzip ein intransitives Prädikat die Fole ist. Wie die zwei letzten Bei-

52

Meine eigenen Untersuchungen zu Passiworkommen im Chat (s. Vogel 2003) haben allerdings keinerlei Fälle erbracht.

212

Das Passiv im Deutschen

spiele zeigen, wird die Konstruktion hier möglicherweise durch die Präsentativität mit es begünstigt. Auch Plank (1993: 151) kommt zu dem Schluss, dass bei einer möglichen Opposition Hier werden sich nicht die Hände gewaschen! versus Hier wird sich nicht die Hände gewaschen! die letztere Möglichkeit gewählt wird, wenn Nominativ und Akkusativ nicht distinkt sind, und die entsprechende Nominalphrase außerdem keine typischen Subjekteigenschaften besitzt wie Topikalität und semantische Unabhängigkeit vom Verb.53 Dabei ist NichtTopikalität häufig mit Indefinitheit verknüpft ist, wie bereits mehrfach erwähnt. Die Beobachtungen von Abraham 1986, Plank 1993 und Walther 1990 sind allerdings tatsächlich nur marginale Tendenzen zu einem unpersönlichen Passiv von Transitiva mit unterschiedlichen Akzeptabilitätsgraden bei verschiedenen Sprechern. Man kann mit Sicherheit (noch?) nicht von einem unpersönlichen Passiv von Transitiva im Deutschen ausgehen.

3.2 Passiwarianten Außer der modalen Passivkonstruktion sein + + Infinitiv, die bereits im Althochdeutschen vorkommt (s. Kapitel II.1.2), entstehen alle weiteren heute existierenden Passiwarianten erst in (früh)neuhochdeutscher Zeit. Sie können als solche bezeichnet werden, da sie nicht dem „kanonischen" Passiv mit werdenIsein + Partizip II entsprechen, aber gewisse Ähnlichkeiten mit ihm aufweisen (s. u.). 53

Dass der Faktor der Nicht-Distinktheit von Nominativ und Akkusativ im Zusammenhang mit dem Subjekt in der Tat von Bedeutung sein kann, wird auch durch das Beispiel von Verben mit zwei Akkusativen (Akkusativ der Person kombiniert mit Akkusativ der Sache) bestätigt, z. B. lehren (siehe Askedal 1980; allgemein zu anomalen Ditransitiva siehe auch Plank 1987). Wird der Satz Die Lehrerin lehrte mich den Katechismus ins Passiv gesetzt, kann nur der Akkusativ der Person in Subjektposition gebracht werden (a), und das auch vorwiegend nur dann, wenn Akkusativ und Nominativ der Sache nicht-distinkt sind (b-c). (a) *Mich wurde der Katechismus gelehrt. (b) Ich wurde die deutsche Sprache gelehrt. (c) fleh wurde den Katechismus gelehrt. Eine mögliche Erklärung ist, dass es bei der Passivierung eine gewisse Rivalität um die Subjektposition zwischen den beiden Akkusativen gibt. Wenn ein Akkusativ der Sache und ein Akkusativ der Person in einem Satz nebeneinander vorkommen, hat der Akkusativ der Person im Passiv Priorität, da Personen „subjektischer" sind als Sachen (a). Wenn der Akkusativ der Person nun vorgestuft wird, Nominativ und Akkusativ der Sache jedoch distinkt sind, fuhrt das offenbar zu einer „Stigmatisierung" dieser Konstruktion und zu geringer Akzeptanz (c). Nur wenn die Kasusformen nicht-distinkt sind, darf der Akkusativ der Sache erhalten bleiben (b). Damit liegt eine ähnliche Situation vor wie beim Reflexivpassiv mit direktem Objekt, das nur dann Objekteigenschaften behält, wenn Nominativ und Akkusativ neutralisiert sind.

Neuhochdeutsch (ab 1350)

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Unterschieden werden soll im Folgenden zwischen dem so genannten Dativpassiv und den so genannten Passivperiphrasen, die weitestgehend (noch) eine modale Komponente aufweisen. Die Entwicklung der Passivperiphrasen wird dabei nur kurz angeschnitten, da hier eingehendere historische Untersuchungen noch ausstehen (mit Ausnahme der Form sein + ψ + Infinitiv). 3.2.1 Dativpassiv Das Dativpassiv (ζ. B. Eroms 1978: 359) wird auch als Adressaten-Passiv (ζ. B. Schlobinski 1992: 173), Rezipienten-Passiv (Eisenberg 2004: 133) oder bekommen-Passiv (Helbig/Buscha 2005: 167, Zifonun/Hoffmann/ Strecker 1997: 1824) bezeichnet. Es wird mit bekommen, erhalten oder kriegen + Partizip II gebildet (wir bekommen das Buch geschenkt) und zwar nur von solchen Verben, die im Aktiv einen Dativ bei sich haben, wobei dieser Dativ zum Subjekt des Passivsatzes wird. Der Status des Dativpassivs war lange Zeit umstritten, was auch daran liegt, dass es v. a. umgangssprachlich Verwendung findet und außerdem weitgehend auf den Süden des deutschen Sprachgebiets beschränkt zu sein scheint (Pape-Müller 1980: 37, auch Fußnote 26). In den letzten Jahren wird es aber zunehmend als eine reguläre Passivform im Deutschen betrachtet (vgl. ζ. B. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997: 1824). Leider ist die historische Entwicklung noch nicht im Detail untersucht, jedoch finden sich bei Ebert (1978: 63f.), Eroms 1978 und Wellander 1964 einige Hinweise dazu. Wie Ebert (1978: 63) bereits bemerkt, weist das Dativpassiv, von dem es keine subjektlose Variante gibt, strukturelle Ähnlichkeiten mit dem kanonischen Passiv auf, da nur passivfähige Verben daran beteiligt sind, ein Agens mit Hilfe von durch, von o. Ä. angeschlossen werden kann, und außerdem eine semantisch gleichwertige Periphrase im werden-Passiv existiert (Er bekommt/ kriegt geholfen ~ Ihm wird geholfen·, Sie kekommtI kriegt ein Buch geschenkt ~ Ihr wird ein Buch geschenkt). Die ältesten Belege (die zudem mit kriegen gebildet sind) scheinen dabei aus dem 16./17. Jahrhundert zu stammen (Eroms 1978: 365): Bat mich, ich wollt die kunst nicht schweigen, ich soll't sie wohl belohnet kreigen [sie!]. (1590) In bestimmten Fällen kann das unpersönliche Dativpassiv durch das persönliche Rezipientenpassiv ersetzt werden. Man vergleiche dazu:

214

Das Passiv im Deutschen

Mittelhochdeutsch den wart von im gedanket vil. (Parzival 12, 22) ,denen wurde von ihm sehr gedankt' oder ,sie bekamen von ihm sehr gedankt' Ebert (1978: 63f.) stellt anhand noch existierender Möglichkeiten vier Entwicklungsstufen auf, an denen sich die Grammatikalisierung des Dativpassivs gut zeigen lässt. Stufe I Repräsentativ hierfür sind Sätze wie Oer kleine Hans bekam das Spielzeug geschenkt, da Spielzeug Objekt zu bekommen wie auch zu schenken ist. Gleichzeitig wird die Semantik von bekommen in dem Sinne beibehalten, dass der Partizipant tatsächlich etwas erhält, also Rezipient im positiven Sinne ist. Stufe II Auf dieser Stufe sind die strengen Selektionsbeschränkungen zwischen erhalten/ bekommen und seinem Akkusativobjekt bereits teilweise aufgehoben, indem beispielsweise auch ein Nebensatz als Objekt fungieren kann: als ich... geschrieben erhielt, dass...;... der seine Worte wiedererzählt bekam. Stufe III Hier entwickelt sich eine Semantik, die im Widerspruch zu erhalten oder bekommen steht: Oer betrunkene bekam/kriegte sofort die Fahrerlaubnis entzogen. Stufe IV Auf der letzten Entwicklungsstufe ist die Auxialisierung von bekommen! kriegen/ erhalten vollständig vollzogen, da jetzt kein Akkusativobjekt mehr selektiert zu werden braucht; jetzt können auch intransitive Verben in die Konstruktion eintreten: Hans bekam/kriegte von uns geholfen!geschmeichelt/gekündigt/ vorgelesen. Die Valenz geht nur noch vom Partizip aus. Wie bereits bemerkt, ist jedoch noch keine vollständige Grammatikalisierung eingetreten, da im Gegenwartsdeutschen noch gewisse Beschränkungen existieren, da objekdose Intransitiva sowie Verben des Nehmens und unbelebte NPs ausgeschlossen sind (Wegener 1985: 203-210) (s. dazu auch Askedal 1984; Gaudigs 1995; Leirbukt 1987).

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Neuhochdeutsch (ab 1350)

Hinsichtlich der drei Verben bekommen, kriegen und erhalten stellt Eroms (1978: 359-368) fest, dass kriegen das älteste und wichtigste ist (s. o. zu den ältesten Beispiele, die mit kriegen gebildet sind), bekommen und erhalten kommen erst im 19. Jahrhundert dazu; der älteste Beleg mit bekommen scheint dabei von 1823 zu stammen (Eroms 1978: 366): [...] so muß man die Ursache darin suchen, dass sie dergleichen einer Zeit als Dogmen überliefert bekommen haben, wo sie selber noch auf den Schulbänken saßen. Etwa ab dem 18. Jahrhundert tritt kriegen in der Schriftsprache grundsätzlich gegenüber bekommen und erhalten zurück, im Mündlichen bleibt es aber erhalten (ebd. 363). Dies wirkt sich auch auf das Dativpassiv aus, wo die Variante mit kriegen inzwischen als die niederere empfunden und schriftsprachlich v. a. von bekommen und teilweise von erhalten abgelöst wird (ebd. 360). „Kriegen wird in der Schriftsprache fast ausschließlich nur noch dann verwendet, wenn umgangssprachlicher Gebrauch gekennzeichnet werden soll." (ebd. 366). In schriftsprachlichen Zeugnissen des Gegenwartsdeutschen verzeichnet Eroms (ebd. 368) ein Verhältnis von 3% : 25% : 72% für kriegen : erhalten : bekommen. Dem entspricht die Aufstellung eines Vergleichs von Schrift- und Sprechsprache bei Schlobinski (1992: 78): kriegen bekommen erhalten

Sprechsprache 98.7 11.3 0

Schriftsprache 8.6 77.3 14.1

3.2.2 Passivperiphrasen Vom Dativpassiv zu trennen sind die Passivperiphrasen als Passiwarianten. Es handelt sich dabei v. a. um:54 1. ist + ^»-Infinitiv (Das ist heute noch erledigen!), 2. lassen + sich + Infinitiv (Das lässt sich machen.) sowie 3. Reflexivpronomen + Verb (Das Buch liest sich leicht.).

54

Zu einer Übersicht aller Passiwarianten im Gegenwartsdeutschen s. a. Askedal (1987: 2232).

216

Das Passiv im Deutschen

Die Passivperiphrasen zeichnen sich durch Akkusativkonversion aus (im Gegensatz zur Dativkonversion beim Dativpassiv) und haben aktivische Form, aber passivische Bedeutung, weshalb sie in ein kanonisches werdenPassiv überführt werden können. Das ist deshalb möglich, weil ein passivisches Subjekt und ein Agens impliziert ist. Außerdem zeichnen sie sich durch eine modale können- oder müssen/sollen-Komponente aus. Eine modale Komponente ist immer ein Hinweis auf Agentivität, Umgekehrtes gilt natürlich nicht. Da es sich bei den Passivperiphrasen ebenfalls um markierte Konstruktionen mit Agensdemotion und Handlungsverben handelt, können auch diese Bildungen als sekundär thetisch eingeordnet werden. Es ist zu erwarten, dass es sowohl persönliche als auch unpersönliche Bildungen gibt, wobei die persönlichen mit größter Wahrscheinlichkeit früher und häufiger auftreten. Nachfolgend sollen die Passivperiphrasen, die sowohl persönliche als auch unpersönliche Konstruktionen zulassen, kurz dargestellt werden. 55 1. sein + ^»-Infinitiv Wie bereits in den Kapiteln II.1.2 und II.2.2 erwähnt, ist die Situation hier nicht eindeutig. Entgegen Demske-Neumanns Annahme finden sich bereits im Althochdeutschen nicht wenige Konstruktionen auch ohne Subjekt, was prinzipiell die Reanalyse der prädikativen Konstruktion zum Verbalkomplex voraussetzt. Erstaunlich ist dann allerdings, dass im Mittelhochdeutschen nur subjekthaltige Formen existieren, eine Tatsache, für die eine Erklärung noch aussteht. In jedem Fall tauchen unpersönliche Konstruktionen verstärkt erst wieder seit dem 15. Jahrhundert auf, wobei sich ihre Anzahl zwischen 1500 und 1600 sogar verdoppelt (Demske-Neumann 1994: 158f., Beispiele ebd. 158). Man muß... schweigen, so schweigen ist. (1510) dem ist auch nicht raten (1400) ist also teglich hemans ψbesorgen (1609) daß am beschluß desselbigen nicht mehr %weiffein (1609) Insgesamt dominieren wie erwartet die persönlichen Konstruktionen, auch wenn eine Analyse von 500 neuhochdeutschen Daten ergab (ab 1700), dass die subjeküosen Konstruktionen immerhin einen Anteil von 55

Da ihnen unpersönliche Konstruktionen fehlen, wird auf bleiben/stehen/gehen + ^u + Infinitiv sowie gehören/ bleiben + Partizip Perfekt nicht eingegangen (s. Askedal 1987: 23-27).

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Neuhochdeutsch (ab 1350)

ca. 12% ausmachen (Demske-Neumann 1994: 159). Im Neuhochdeutschen entwickelt sich neben der müssenIsollen- außerdem die könnenModalität der Fügung (Demske-Neumann 1994: 76). Auch im Gegenwartsdeutschen sind persönliche Konstruktionen verbreiteter, wobei die £ö«»i»-Modalität sogar häufiger zu sein scheint als die müssen//o/fetf-Modalität. So findet Brinker (1971: 122f.) in seinem Korpus der gegenwartsdeutschen Schriftsprache zu über 70% die könnenModalität. Agenshinzufügung ist grundsätzlich selten und offensichtlich nur bei der müssen/soilen-M-ofaYitiX möglich (Askedal 1987: 23). Die Vorschriften sind (von allen Angestellten) vji befolgen. Diese gravierenden Probleme sind auch (von Spezialisten) nicht mehr

lösen.

In unpersönlichen Konstruktionen dagegen scheint Agenshinzufügung unmöglich zu sein (Askedal 1987: 24). In diesem Jahr ist (*von den Journalisten) mit Neuwahlen

rechnen.

Nicht erlaubt ist hier außerdem die (über das Topik-w hinausgehende) Verwendung von er. Es ist laufen. *Ist es ψ laufen? *..., weil es ψ laufen ist. 2.

lassen + sich + Infinitiv

Die Fügung lassen + sich + Infinitiv mit können-Moäa\itit entsteht nicht vor dem Frühneuhochdeutschen. Dabei ist die £ö»«tf«-Modalität offensichtlich an unbelebte Subjekte geknüpft, da belebte Subjekte eine zulassen- oder veranlassen-RtAexituTig haben, vgl. die Frau lässt sich tragen (Brinker 1971: 119). Es ist zu vermuten, dass Konstruktionen dieser Art als historischer Vorläufer der Passivperiphrase fungieren. Nicht weiter überrascht, dass persönliche Bildungen früher existieren als unpersönliche. So nimmt Reis (1985: 42) hinsichtlich der historischen Entwicklung für das Auftreten subjekthaltiger Fügungen das 15. Jahrhundert an (ohne Beispiel). Das früheste Beispiel bei Matzke (1977: 138) datiert aus dem 16. Jahrhundert: Darauf sprangen die Kader in die Luft, daß sich ein jegliches Rad bei einem besondern Tor hatfinden lassen, [...].

218

Das Passiv im Deutschen

Für das Auftreten unpersönlicher Fügungen mit objektlosen intransitiven Verben (Event-Zentralität) nimmt Reis (1985: 43) dagegen das 18., für solche mit objekthaltigen intransitiven Verben (Entity-Zentralität) das 20. Jahrhundert an. Objekdose Intransitiva (18. Jahrhundert) wie leicht sich 's leben lässt Objekthaltige Intransitiva (20. Jahrhundert) dem ließ sich nicht beikommen mir lässt sich helfen Auch Beispiele von intransitiven Verben mit generalisiertem Objekt können spätestens auf das 18. Jahrhundert datiert werden, vgl. (Beispiel nach Reis 1985: 43):56 mit Worten lässt sich trefflich streiten Aus historischer Sicht scheint es zunächst überraschend, dass eventzentrale subjektlose Konstruktionen früher vorkommen als entityzentrale. Da zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits ein grammatikalisiertes Passivsystem mit entity- und event-zentralen Konstruktionen besteht, an die sich die Passivperiphrasen anlehnen können, bedarf es keiner selbständigen Entwicklung von event-zentralen über entity-zentrale Fügungen. Dadurch ist auch nicht obligatorisch zu erwarten, dass Entity- vor Event-Zentralität auftritt. Die Fügungen entstehen abhängig vom Bedarf des Sprachbenutzers. Auch im Gegenwartsdeutschen sind persönliche und unpersönliche Konstruktionen mit £ö«»e«-Modalität verbreitet, wobei Agenshinzufugung sehr selten und eher bei persönlichen Konstruktionen möglich ist (Askedal 1987: 25, auch nachfolgende Beispiele). Der Reifen lässt sich (? von einem Spezialisten) flicken. Bei dieser Bezahlung lässt sich (*vonjedem hehrer) gut arbeiten. Für unpersönliche Konstruktionen vermutet Askedal (ebd. 31) außerdem das regelmäßige Vorliegen eines Adverbials der Art und Weise. ..., mit der essl sich vorzüglich plaudern ließ. 56

Reis zählt das Beispiel allerdings zu den objektlosen Intransitiva. Nach unserem Schema liegt hier aber das Verb streiten mit jdm. vor und dem Beispiel damit ein generalisiertes Präpositionalobjekt zugrunde.

Neuhochdeutsch (ab 1350)

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Das vorangehende Beispiel zeigt außerdem, dass die (über das Topik-w hinausgehende) Verwendung von es bei dieser Art von Passivperiphrase manchmal fakultativ möglich ist, vgl. auch (Beispiel nach Höhle 1978: 62): Bei dieser Bezahlung lässt (es) sich gut arbeiten. Meist ausgeschlossen scheint es nach Höhle (1978: 63) bei Intransitiva mit Dativ oder Präpositionalobjekt zu sein (Beispiel a.a.O): Diesem Argument lässt (*es) sich nicht widersprechen. Askedal (ebd. 31) nimmt an, dass die Konstruktion aufgrund der gemeinsamen £ö««i»-Modalität als eine durch lassen ergänzte oder beeinflusste Reflexivkonstruktion aufgefasst werden kann. Da das es in den unpersönlichen Reflexivkonstruktionen obligatorisch ist (s. u.), könnte es als fakultatives Element analog übertragen worden sein (s. a. Fagan 1992: 229). Bei dieser Bezahlung arbeitet *(es) sich gut. Bei dieser Bezahlung lässt (es) sich gut arbeiten. — Bei dieser Bezahlung kann man gut arbeiten. 3. Reflexivpronomen + Verb Dieser sehr komplexe Typus soll hier anhand von Askedal (1987: 30-32) nur kurz zusammengefasst werden. Askedal (ebd.) unterscheidet dabei zwei Typen von Reflexivkonstruktionen, nämlich solche ohne und solche mit Argumenthinzufügung. Reflexivkonstruktionen ohne Argumenthinzufügung weisen keine modale Komponente auf, ein belebtes Agens ist nicht möglich, jedoch Hinzufügung eines unbelebten Stimulus v. a. mittels durch. Es handelt sich also um ein Antikausativum und damit um primäre Thetizität (s. Kapitel 1.3.3.2). Subjekdose Fügung scheinen nicht vorzukommen, was für geringe Produktivität im Deutschen spricht (ebd. 31, 32). Die Gardine bewegte sich (durch den Wind/*von dem Wind/*von dem Stubenmädchen). Die Lage des Theaters hat sich (durch Subventionen) entschieden gebessert. Bei Reflexivkonstruktionen mit Argumenterweiterung ist dagegen grundsätzlich ein menschliches Agens impliziert, das jedoch strukturell nicht 57

Das es ist hier m. E. nicht obligatorisch.

220

Das Passiv im Deutschen

hinzugefügt werden kann (Askedal 1987: 30, 32). Diese Bildungen werden auch als Medium oder Mittelkonstruktionen bezeichnet (vgl. z. B. Steinbach 2002). Mit dem Merkmal der Agentivität ist sekundäre Thetizität impliziert, was bereits auf eine historische Weiterentwicklung vom Antikausativum in Richtung Passiv hindeutet. Allerdings scheint im Deutschen die modale Komponente können sowie ein modales Adverbiale (noch?) obligatorisch zu sein. Ich stimme dabei Kaufmann (2003: 153) zu, die hier einen Zusammenhang sieht, da nämlich „die Funktion des Adverbs darin besteht, die modale Bedeutungskomponente einzubringen, die die Initiierbarkeit der Situation durch einen Agens festschreibt". Aufgrund der Merkmale sekundär thetische Konstruktion + £ö»«£«-Modalität entsprechen diese Reflexivfügungen auch sich ^««-Konstruktionen (s. o.). Reflexivkonstruktionen mit Argumenthinzufügung bzw. Mittelkonstruktionen sind relativ produktiv. Das zeigt sich daran, dass nicht nur persönliche, sondern auch unpersönliche Konstruktionen möglich sind. Im Falle von persönlichen Konstruktionen handelt es sich bei der Argumenthinzufügung um ein obligatorisches Adverbiale der Art und Weise (Askedal 1987 30): Das sagt sich *(leicht) (*von/ durch geschickte(n) Journalisten). Der Apfel schält sich *(leicht) (*von/durch geschickte(n) Kochlehrlinge(n)). Unpersönliche Konstruktionen speziell von objektlosen Intransitiva benötigen zusätzlich noch ein obligatorisches Adverbiale des Ortes (ebd. 30): *(In der neuen Universitätsbibliothek) arbeitet es sich *(bequem) (*von/durch den (die) Wissenschafiler(n)). Dabei ist das «immer obligatorisch (ebd. 30). In der neuen Universitätsbibliothek arbeitet *(es) sich bequem. Teilweise ist die modale Komponente in den Reflexivonstruktionen (schon?) sehr schwach oder gar nicht mehr vorhanden, vgl. Das schreibt sich eigentlich anders, als es hier steht ~ Das wird eigentlich anders geschrieben, (nicht: kann anders geschrieben werden) (Hentschel/Weydt 2003: 138). Man könnte hier evd. sogar bereits von einem Reflexivpassiv sprechen, wie es in den romanischen Sprachen vorkommt. M. E. ist Modalität nicht unabdingbar für die Entwicklung eines Passivs, es handelt sich jedoch um eine implikative Bedingung. D. h. falls

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Modalität auftaucht, ist sie grundsätzlich mit Agentivität (implikativ oder strukturell) verknüpft. Zudem gilt, falls strukturelle Agenshinzufügung möglich ist, ist auch reine Agensimplikation möglich. Außerdem kann Modalität zu Nicht-Modalität werden, aber nicht umgekehrt. Es lässt sich also in etwa folgendes Entwicklungsszenario aufstellen: Primäre Thetizität nicht-modal/kein Agens: Antikausativum

I

modal oder nicht-modal/Agens-Implikation: Mittelkonstruktion

modal oder nicht-modal/Agenshinzufügung: Passiv58 Sekundäre Thetizität Im Falle der deutschen Reflexivkonstruktion liegt historisch wahrscheinlich ein echtes Antikausativum ohne Agensimplikation zugrunde (s. a. Kaufmann 2003: 145). Daraus hat sich das modale agentische Antikausativum bzw. die Mittelkonstruktion entwickelt, bei dem das Agens impliziert ist, aber (noch?) nicht hinzugefügt werden kann (s. o.). Persönliche Konstruktionen scheinen dabei nach Reis (1985: 42) schon im Mittelhochdeutschen zu existieren (kein Beispiel angegeben). Das früheste Beispiel bei Matzke (1977: 74) findet sich allerdings erst im 16. Jahrhundert: [...], da schüttet sich das Erdreich voneinander [...]. im Sinne von: ,da schütten (die Höllenkräfte) das Erdreich voneinander' (a.a.O) Event-zentrale Konstruktionen von objektlosen Intransitiva sind ab dem 18. Jahrhundert bekannt, vgl. Behaghel (1924/1989: 212): „Bei adverbieller Ergänzung kann im späteren Nhd. eine reflexive Konstruktion im Sinne des Passivs auftreten", z. B. (ebd.): drum lügt sich'sgut aus einer solchen Ferne (18. Jahrhundert) wie saß es sich da angenehm (19./20. Jahrhundert)

58

Kaufmann (2003: 153) weist darauf hin, dass in den romanischen Sprachen (im imperfektiven Aspekt) grundsätzlich die modale Lesart auftreten kann, aber nicht muss, ζ. Β. span. estasfrutas se comen ,diese Früchte sind essbar/[können gegessen werden]'.

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Das Passiv im Deutschen

Zwar setzt Reis (1985: 42) eine solche Fügung bereits für das 17. Jahrhundert an, da es sich bei ihrem Beispiel jedoch um die absolute Verwendung eines transitiven Verbs und damit um ein generalisiertes Subjekt handelt, ist diese Konstruktion nicht hierher zu zählen (Beispiel ebd.). im Alter lernt sich 'j" nicht wohl Entity-zentrale Konstruktionen von objekthaltigen Intransitiva finden sich dagegen offensichtlich erst im 20. Jahrhundert (Beispiel nach Reis 1985: 42). dir hilft sich 'j schwer Ebenso wie bei der Passivperiphrase mit sich + lassen + Infinitiv existieren hier event-zentrale subjektlose Konstruktionen vor entity-zentralen. Da beide Fügungen nicht vor dem späten Mittelhochdeutschen bzw. Frühneuhochdeutschen vorkommen, wird auch für die modale Reflexivkonstruktion postuliert, dass sie sich an das bereits grammatikalisierte kanonische Passiv mit seinem System von subjekthaltigen und subjektlosen Varianten anlehnt. Dadurch können event-zentrale subjektlose Konstruktionen vor entity-zentralen auftreten. Grundsätzlich handelt es sich bei den Passivperiphrasen also um sekundär thetische Sätze, die sich auf den ersten Blick nicht anders verhalten als das kanonische Passiv. Ein abweichendes Merkmal sticht jedoch besonders heraus, nämlich die Setzung von (nicht-spezifisch referierendem) es. Dabei scheinen sich w-Setzung und Möglichkeit der Agenshinzufügung umgekehrt proportional zueinander zu verhalten. Man vergleiche: kanonisches Passiv: Agenshinzufügung grundsätzlich möglich, nie es sein + ψ + Infinitiv: Agenshinzufügung grundsätzlich möglich, nie es sich + lassen + Infinitiv: Agenshinzufügung selten, manchmal es Mittelkonstruktion (sich 4- Verb): nie Agenshinzufügung, immer es Je eher die Agenshinzufugung möglich ist, desto eher ist die Konstruktion auch als Passiv zu bezeichnen (das deshalb dem sekundär thetischen Bereich angehört). Bei einem unpersönlichen Passiv ist jedoch nie ein es erlaubt, da hier kein oder kein explizites Subjekt vorliegen sollte. Ist eine Agenshinzufügung dagegen nicht oder eher weniger möglich, steht die jeweilige Konstruktion als agentisches Antikausativum bzw.

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Mittelkonstruktion zwischen primär und sekundär thetischem Pol (s. o.). Dementsprechend kann sie in unpersönlicher Konstruktion dem primär thetischen Bereich zugeordnet werden und ein w-Subjekt erhalten. Man vergleiche dazu auch Askedal (1987: 30) zur Konstruktion Reflexivpronomen + Verb, der hier „konstitutionelle Eingliederung in das syntaktische System unpersönlich gebrauchter Verblexeme in Aktivkonstruktionen" vermutet (s. dazu auch Kapitel II.3.4). 3.3 Andere thetische Konstruktionen Hinsichtlich primär thetischer Konstruktionen mit kasusmarkiertem Patiens/Experiencer setzt sich im Neuhochdeutschen die Tendenz zur Subjektivierung weiter durch, wobei entweder die Person (ursprünglich im Dativ oder Akkusativ) oder die Sache (ursprünglich im Genitiv oder als Präpositionalobjekt) zum Subjekt werden kann. Hinsichtlich der Person gilt dies z. B. frühneuhochdeutsch für verlangen, gelüsten, träumen, hungern, dürsten (Ebert 1999: 58). Bezüglich der Sache nennt Von Seefranz-Montag (1983: 186) etwa das genügt mir (mhd. noch mich genüeget + Genitiv), das rei^t mich (mhd. mich rettet + Präpositionalobjekt mit %uo) u. Ä. Letzterer Konstruktionstyp verbreitet sich besonders im 16. bis 18. Jahrhundert (ebd.). Sobald die Sache im Nominativ steht, kann dafür auch wieder ein generalisiertes es (zur Signalisierung von Event-Zentralität) eintreten. Trotzdem verschwindet der Typus mit Kasusmarkierung nicht vollständig. Oft tritt die jeweilige Konstruktion mit Subjekt erst spät auf (z. B. ist träumen mit Subjekt im 17. Jahrhundert noch selten; Ebert 1999: 32), existiert als Parallelform, oder es entstehen sogar neue Konstruktionen ohne Subjekt. So gibt es im älteren Neuhochdeutsch in Anlehnung an Bildungen auf -ern (z. B. schon ahd. schläfern) v. a. dialektale Wortbildungen wie essern, trinkern, lächern usw. (schriftsprachlich im 18. Jahrhundert) (ebd.). Ebenfalls im Neuhochdeutschen tauchen auch neue subjektlose Fügungen auf wie mich erbarmt deiner oder mich (ge)reut einer Sache neben subjekthaltigem das erbarmt mich oder das reut mich (ebd. 61). Auch mangeln wurde noch im Althochdeutschen mit Subjekt konstruiert (ich mangele einer Sache·, Dal 1966: 169; frnhd. mir mangelt etwas-, Ebert 1999: 61), seit dem Frühneuhochdeutschen jedoch auch mir mangelt daran (ebd.). Bei Vorliegen eines nicht-subjektivierten, kasusmarkierten Partizipanten kommt es außerdem seit dem 16. Jahrhundert zur Verbreitung von (fakultativem) es auch in nicht-erster Position (Ebert 1999: 32). Dies gilt auch noch für das Gegenwartsdeutsche: Mich friert (es); Friert (es) dich?, es ist hier nicht mehr nur Topik-Element, sondern Scheinsubjekt, da es keinerlei Referenz besitzt).

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Das Passiv im Deutschen

Es sieht also so aus, als sollte der gesamte primär thetische Bereich „subjektiviert" werden, selbst wenn (kasusmarkierte) Entity-Zentralität vorliegt. Auch bei den anderen Geschehensverben, die mit spezifischem und parallel dazu mit generalisiertem Subjekt es gebildet werden können, ergeben sich Veränderungen. Im Bereich der so genannten „okkasionellen Ereignisverben" dominierten im Mittelhochdeutschen noch solche, bei denen es sich um die „Wahrnehmbarkeit von Bewegungen, Licht- und akustischen Phänomenen" handelte (Näßl 1996: 249) (s. Kapitel II.2.3.1). Diese Gruppe wird nun im Frühneuhochdeutschen lexikalisch erweitert, und zwar durch Geruchsverben (ebd. 248) ebenso wie durch Bezeichnungen für Affekte, Emotionen, Stimmungen oder subjektive Sinneswahrnehmungen, eine Tendenz, die sich etwa ab dem 18. Jahrhundert noch verstärkt (ebd. 250f., 252f.). Dadurch, so meine These, werden nun auch Geschehensverben mit einem menschlichen Subjekt erfasst, vgl. etwa (Beispiel ebd. 253; 20. Jahrhundert): In Onkel Arthur dachte es: [...]. Dadurch können außerdem auch „echte" Ηandlungsverben in die Konstruktion eintreten. Dies hat zur Folge, dass normalerweise durch Menschen kontrollierte Handlungen als unkontrolliert dargestellt werden, vgl. ζ. B. Verben wie sprechen oder rechnen (Beispiele nach Näßl 1996: 251, 253 (beide 19./20. Jahrhundert)): Wieder trat eine Pause ein, nach der wir Sebulon sagen hörten: "Ei rechnet in mir, es rechnet! Onaußörlich! Bei Tag und bei Nacht!" „Ich liebe dich ", sagte ich, oder richtiger, es sprach aus mir heraus. Gleichzeitig kann dieselbe Konstruktion mit Handlungsverben nun in Kontexten auftreten, wo Nicht-Kontrolle als Merkmal nicht mehr unbedingt gegeben ist. Näßl (1996: 247) meint dazu: „Im Nhd. treten zu der Bezeichnung des bloßen Geräuschs, wie sie im Ahd., Mhd. und Frnhd. belegt ist, auch Fälle, in denen das bezeichnete Geräusch mit der Vorstellung einer das Geräusch verursachenden Menge von Personen verbunden ist [(...)]. Eine völlig neue Funktion der okkEV von Schallverben im Nhd. ist die Darstellung direkter Rede [(-.)]." (Beispiele ebd.248). In Innsbruck war Wein— und Schnapssonntag. Es brüllte, jauchzte, hieb, zerbrach und knallte in allen Gassen. Aber es ruß, schreit, %etert von allen Enden: [...].

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Spätestens hier, so kann man argumentieren, sind rein sekundär thetische Konstruktionen entstanden, die Handlungs- und nicht Geschehenssemantik haben. Dadurch entsteht eine Funktionsäquivalenz zwischen Passiv, es- und »»««-Konstruktion, wobei in letzterem Fall allerdings Kategorizität vorliegt: im Haus wurde gejauchzt ~ esjauchzte im Haus ~ man jauchzte im Haus. Gleichzeitig ist jedoch hinzuzufügen, dass, obwohl das es zur Not immer noch als generisches Subjekt interpretiert werden kann, es schon zum reinen Scheinsubjekt herabsinkt. Das wird besonders dort deutlich, wo das ursprüngliche Agens als Adverbiale angefügt werden kann, vgl. es jauchzte im Haus durch die Kinder/ von den Kindern, es ist also auf dem Weg zu einem bloßen Markierer für Event-Zentralität.

3.4 Ubersicht: Die Verteilung von wim Neuhochdeutschen Ein Blick auf die Verteilung von (nicht-spezifisch referierendem) es im Neuhochdeutschen zeigt, dass es eine typische Vorkommensstruktur gibt. Dabei wird zum einen deutlich, dass der Bereich der primären Thetizität weitgehend „subjektiviert" ist. Wo nicht ohnehin schon ein spezifisches Subjekt vorliegt, erfüllt ein es diese Funktion, das entweder schwach referentiell oder reines Scheinsubjekt (also nicht-referentiell) ist. Die einzige Ausnahme stellen Verben mit kasusmarkiertem Patiens/Experiencer und nur fakultativem es dar. Wegener (1999: 192) weist allerdings darauf hin, dass dies lediglich für etablierte Verben gilt. Neubildungen wie mir stinkt's, mich haut's um u. Ä. weisen ein obligatorisches w-Subjekt auf. Primäre Thetizität im Nhd.

±S entity-zentral Patiens/Experiencer fakult. Subjekt es entity-zentral spez. Subjekt Topik-w

+S event-zentral Scheinsubjekt es/ generalis. Subjekt es

Für sekundäre Thetizität gilt im Prinzip genau das Umgekehrte, nämlich w-Subjekdosigkeit. Eine Ausnahme stellen die (allerdings seltenen) okkasionellen Ereignisverben vom Typ es jauchet u. Ä. mit obligatorischem es-

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Das Passiv im Deutschen

Subjekt dar. Dessen Auftreten lässt sich historisch erklären, da die entsprechenden Fügungen auf primär thetischen mit generalisiertem Subjekt aufbauen, in die jetzt agentische Handlungsverben „eingeschleust" werden. Sekundäre Thetizität im Nhd.

+S

entity-zentral

event-zentral

-S

entity-zentral

Mit Partizipantenveränderung (Passiv) Topik-iJ· Topik-ij

Topik-«

es wird ein Buch gelesen

es wird gegessen

es wird mir geholfen

event-zentral

Topik-w es wird geholfen/gelächelt

Ohne Partizipantenveränderung (Aktiv) es singt der Chor

Topik-w

es singt in mir

generalis. Subjekt es

Betrachtet man andere germanische Sprachen, zeigt sich jedoch, dass die Ausbreitung von subjektivischem es noch viel weiter gehen kann. So gilt z. B. laut Lenerz (1985: 113) für Schwedisch und Norwegisch,59 dass das Pendant zu dt. es, nämlich det,60 nicht nur im gesamten primär thetischen Bereich, sondern darüber hinaus sogar im unpersönlichen Passiv und in Präsentativsätzen in allen Positionen obligatorisch ist. det markiert hier also Thetizität in ihrer Gesamtheit (Beispiele nach Lenerz 1985: 111). Norwegisch (Bokmäl) Det snakkes mye om varet.

,Es wird viel über das Wetter gesprochen.' Snakkes *{dei) mye om veeret?

,Wird viel über das Wetter gesprochen?' 59

Lenerz muss hier Schwedisch und Norwegisch und nicht wie von ihm angegeben Dänisch und Norwegisch meinen.

60

Hier sind schon in voreinzelsprachlicher Zeit im Plural und im Neutrum Demonstrativa in den Bereich der Personalpronomina eingedrungen (Brugmann 1917: 2). D e m entspricht auch isl. pat, das hier aber irrelevant ist, da es in allen unpersönlichen Konstruktionen grundsätzlich in nur-erster Position steht (Lenerz 1985: 110f.).

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Det bor mange mennesker i Oslo. ,Es wohnen viele Menschen in Oslo.' Bor *(det) mange mennesker i Oslo? .Wohnen viele Menschen in Oslo?' Das Niederländische scheint dagegen zwischen Deutsch und Festlandskandinavisch zu stehen, da dort das Pendant zu dt. es, nämlich fr,61 in Präsentativsätzen in allen Positionen fakultativ, im unpersönlichen Passiv jedoch zunehmend obligatorisch ist (Beispiele nach Lenerz 1985: 112). Niederländisch Er maggedanst worden ,Es darf getanzt werden.' Mag ergedanst worden? ,Darf getanzt werden?' Er reden drie ruiters naar depoort. ,Es ritten 3 Reiter zum Tor hinaus.' Reden (er) drie ruiters naar de poort? .Ritten 3 Reiter zum Tor hinaus?' Dass tatsächlich eine Implikation unpersönliches Passiv > Präsentativsätze besteht, zeigt auch Falk (1993: 164f.) für das Schwedische, da hier det beim unpersönlichen Passiv von Anfang an, das heißt in Texten vom Ende des 16. Jahrhunderts, auch in nicht-erster Position vorkommt. Dies zieht offenbar die Markierung in Präsentativsätzen nach sich, da det erst jetzt auch dort außerhalb des Topiks vorkommen darf. Meine Schlussfolgerung ist zum einen, dass das es sich vom primär thetischen auf den sekundär thetischen Bereich ausbreitet. Dabei sollte es sich häufiger, und auch früher, in Konstruktionen ohne (explizites) Subjekt zeigen, d. h. im unpersönlichen Passiv, bevor auch Präsentativsätze, die ja eigentlich ein, wenn auch „schlechtes", Subjekt haben, davon erfasst werden. Dass meine Hypothese in die richtige Richtung geht, wird durch die (extrem) wenigen Ausnahmen im Deutschen bestätigt, die ein es im sekundär thetischen Bereich auch außerhalb der Topikposition aufweisen.

61

Historisch gesehen gehen niederl./fries. (d)er ebenso wie dän. der auf ein Lokaladverb daar (,da·) zurück (Abraham 1993: 119; s. a. Lenerz 1985: 128) (vgl. auch engl, there bzw. ahd. thö, mhd. do). Im Zusammenhang mit niederl. er ist auch interessant, dass hier bis zum 17. Jahrhundert het stand (Burridge 1993: 165) (het ist das Pendant zu dt. es im Bereich primärer Thetizität). M. E . hat die Ablösung durch er im unpersönlichen Passiv und in Präsentativsätzen die Funktion, primäre und sekundäre Thetizität auch auf der Formebene zu trennen.

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Das Passiv im Deutschen

Das früheste mögliche Beispiel findet sich dabei am Ende des 15. Jahrhunderts (1494) bei Geiler von Kayserberg und zwar in einem entityzentralen Passiv mit Genitivobjekt. [...] und wie esgat so muß es nun der verspotten werden / (Geiler, Pilger S. 63, Z. 19 f.) ,[...] so muss es nun sie verspottet werden.' Interessanterweise passt dies zeitlich gut zum Auftreten des fakultativen es bei Impersonalia mit obliquem Experiencer im 16. Jahrhundert (s. Kapitel II.3.3). Es ist also theoretisch möglich, dass der Entwickliingskanal von primärer zu sekundärer Thetizität über die Hinzufügung eines Subjekt-« bei subjektlosen, aber entity-zentralen Konstruktionen läuft. In diesem Zusammenhang weist außerdem Frey (1906: 28)62 auf den Aargauer Dialekt von Kulm (Schweiz) hin, in dem sich ein ex-Subjekt im unpersönlichen Passiv findet. „Selbst das unpersönliche Passivum ermangelt gewöhnlich des Pronomens nicht. [...] Allerdings würde das Fehlen des es hier nicht eben als Sprachunrichtigkeit empfunden." (ebd.): Do wird's g'wärchet ,da wird gearbeitet'; Am 1. August wird's im gan^e hand ume g'lütet ,Am 1. August wird im ganzen Land geläutet' (ebd.). Zum anderen fanden sich in einem Chatkorpus, das Vogel 2003 zugrunde liegt, zwei Spontanbelege mit „falschem" es, ebenfalls nur im unpersönlichen Passiv: Wie wurde es vorbin so schön gesagt: [...]. Du musst den Code beijedem Booten neu updaten, weil es nicht permanent dated wird.

upge-

Auch wenn im Deutschen der „w-Sprung" von primärer zu sekundärer Thetizität noch nicht stattgefunden hat, gibt es einige „Ausrutscher", die erwartungsgemäß im unpersönlichen Passiv auftreten, und dort ebenfalls Subjektlosigkeit beseitigen. Von einer übergeneralisierenden Markierung primärer und sekundärer Thetizität durch es ist das Deutsche jedoch (noch?) weit entfernt.

62

Für diesen Hinweis danke ich Elvira Glaser (s. a. Glaser 2003: 44).

4. Zusammenfassung Für das Althochdeutsche (800-1050) ist nicht absolut klar, ob die passivische Konstruktion Subjekt + sein/werden + (evd. flektiertes) Partizip Perfekt eines Handlungsverbs noch als prädikative Struktur zu interpretieren ist (im Sinne von ich bin eine erschlagend) oder bereits eine Periphrasierung stattgefunden hat. In jedem Fall liegt mit der zumindest ursprünglich prädikativen Struktur eine primär thetische oder Geschehenskonstruktion vor. Der Zugang wird für Ηandlungsverben nur dadurch möglich, dass das Prädikatsnomen auch von einem Partizip Perfekt repräsentiert werden kann. Dadurch ergibt sich die passivische Bedeutung, die sich aus zwei Momenten zusammensetzt. Zum einen wird das Partizip Perfekt von transitiven und gleichzeitig perfektiven Verben gebildet. Daraus resultiert im Partizip eine Zustandsbedeutung, in Bezug auf die das Subjekt als affizierte Entität erscheint: ich bin eine erschlagene. Zum anderen kann bei Handlungsverben das Agens explizit ausgeblendet werden, so dass eine eher antikausative Fügung entsteht, die im primär thetischen Bereich angesiedelt ist. Ist das Agens jedoch explizit eingeblendet (dadurch ist außerdem grundsätzlich Agenshinzufügung möglich), ist eine eher passivische Konstruktion entstanden, die neben der primären auch sekundäre Thetizität wiederspiegelt. Die passivische Bedeutung (im Gegensatz zur antikausativen) wird offensichtlich nicht nur, aber primär durch die Kombination mit werden repräsentiert. Da werden ebenso wie sein + Partizip Perfekt syntaktisch und semantisch noch relativ autonom sind, hat die Kombination mit werden mutativ-ingressive Bedeutung (Übergang in einen Handlungsnachzustand), die Kombination mit sein Stative Bedeutung (das sich in einem Handlungsnachzustand Befinden). mutativ-ingressive Passivität mit werden

Stative Passivität mit sein

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Das Passiv im Deutschen

Dass gerade werden und nicht sein mit einer passivischen (im Gegensatz zu einer antikausativen) Bedeutung verknüpft ist, kann möglicherweise damit begründet werden, dass der Übergang in einen Nachzustand die vorausgehende Handlung und damit den Handlungsträger automatisch impliziert, während ein sich in einem Nachzustand Befinden die dazu führende Handlung (und den Handlungsträger) entweder mehr (Passiv) oder weniger (Antikausativum) betonen kann. Dass werden eher mit sekundärer Thetizität oder Handlungssemantik verknüpft ist, kann auch der Grund dafür sein, dass es aus den aktivischen Fügungen mit intransitiven und perfektiven Geschehensverben verdrängt wird {ich werde eine gekommen?), da hiermit ebenfalls primäre Thetizität impliziert ist. Deshalb setzt sich die Verbindung mit sein durch {ich bin eine gekommene). Hinzuzufügen ist allerdings, dass bereits im Spätalthochdeutschen auch imperfektive Verben in passivischen Konstruktionen mit sein und werden auftreten, was an Stelle der Zustands- zu einer, allerdings noch seltenen, Prozessbedeutung führt. Neben subjekthaltigen passivischen Konstruktionen existieren schon vom frühesten Althochdeutschen an subjektlose Fügungen mit beibehaltenem Genitiv- und Dativobjekt, mit rund zwei Dutzend Bildungen nicht eine absolute Randerscheinung. Hier besteht nun das Problem, dass sich aufgrund der Subjektlosigkeit, zumindest auf den ersten Blick, keine ursprüngliche prädikative Struktur zuweisen lässt. Das Problem kann auf zwei Wegen gelöst werden. Für einige Verbindungen mit Genitiv wird das Konzept eines differentiellen Subjekts eingeführt, das dann zur Anwendung kommt, wenn Genitiv und Nominativ (bzw. im Aktiv Genitiv und Akkusativ) in einer aspektuell bedingten grammatischen Opposition zueinander stehen. Allerdings gibt es auch Fälle, v. a. mit Dativ, aber auch mit Genitiv, in denen im Althochdeutschen keine solche Opposition bei ein und demselben Verb vorliegt. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine solche Opposition teilweise noch im Voralthochdeutschen existierte, aber durch semantische Auseinanderentwicklung und/oder Aussterben eines der beiden Partner verloren ging. Da eine prädikative Struktur an diesem Punkt nicht mehr haltbar war, musste es gezwungenermaßen zur syntaktischen Periphrasierung von sein/werden + Partizip Perfekt kommen, das sich nun als komplexes Verb oder Verbalkomplex insgesamt auf das jetzt autonome Objekt bezog. Gleichzeitig kann dieses „Passivmuster" (-S; +entity) nun Vorbild für andere Konstruktionen mit Objekt sein. Dazu gehören eventuell zwei Einzelbelege mit Präpositional- und Akkusativobjekt, die sonst nur mit Mühe integriert werden können. Damit kann das System passivischer Konstruktionen im Althochdeutschen folgendermaßen skizziert werden:

231

Zusammenfassung

+! ich werde erschlagen entity-zentral

event-zentral jet^t wird gesun^ +S

event-zenttal

-S entity-zee mir wird geh -S syntaktische Periphrasierung vollzogen Eine subjektlose und gleichzeitig event-zentrale Variante der passivischen Konstruktion (jet^t wird geholfen, jet^t wird gelächelt) ist im Althochdeutschen noch nicht dokumentiert. Das gesamte Schema lässt sich dagegen in passivischen Konstruktionen der Struktur sein + + Verbalsubstantiv mit modaler müssenIsollenKomponente nachweisen. Da aber im Mittelhochdeutschen nur subjekthaltige Fügungen dukomentiert sind (was theoretisch auf eine noch nicht vollzogene Periphrasierung schließen lässt), ist unklar, inwieweit im Althochdeutschen lateinischer Einfluss geltend zu machen ist. Während der sekundär thetische Bereich erst im Aufbau begriffen ist (und, wie wir noch sehen werden, im weiteren Verlauf durch Eingliedrigkeit bzw. Subjekdosigkeit dominiert wird), macht sich im primär thetischen Bereich eine zunehmende Tendenz zu kategorischen Strukturen bemerkbar. Am stärksten wirkt sich dies dort aus, wo das Flexiv nur assertivexistentielle Funktion und damit keinerlei Referenz hat, nämlich bei Ausdrücken für Witterungsvorgänge sowie für Jahres- und Tageszeiten. Obwohl pro-drop, also die reine Flexion, im Althochdeutschen mit sinkendem Grad der referentiellen Determination zunimmt, kommt es hier nun zu einer entgegengesetzten Tendenz, nämlich der, Zweigliedrigkeit herzustellen. Dies geschieht durch Einführung eines Scheinsubjekts ίζ («ζ regonot, taget usw.). Dass es sich tatsächlich primär um reine Zweigliedrigkeit und nicht um „Subjektivierung" handelt, wird daran deutlich, dass der entityzentrale Bereich mit kasusmarkiertem Experiencer von einer Subjektivierung (vorerst noch) weitgehend verschont bleibt. Um eine ähnliche Auswirkung der Tendenz zur Zweigliedrigkeit handelt es sich bei Geschehenskonstruktionen, die i. Allg. mit spezifischem

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Das Passiv im Deutschen

Subjekt konstruiert werden. Wenn das Subjekt generische Bedeutung hat, also minimal referiert (Event-Zentralität), wird auch hier zunehmend ein explizites Subjekt gesetzt (so genannte okkasionelle Ereignisverben), z. B. uuät. M. E. handelt es sich dabei zum einen um eine analoge Markierung zu mit man markierten generischen Sätzen im kategorischen Bereich. Zum anderen ist es aber gut möglich, dass das aus dem ebenfalls event-zentralen nicht-referentiellen Bereich „herüberdropt". Damit sind am Ende der althochdeutschen Periode primär thetische Strukturen alle zweigliedrig, gleichzeitig ist dort Event-Zentralität einheitlich mit einem Subjekt (i%) markiert. Was das Mittelhochdeutsche angeht, so zeichnet sich der Passivbereich dadurch aus, dass die syntaktische Periphrasierung in jedem Fall abgeschlossen ist, d. h. v. a. werden + Partizip Perfekt sind zum komplexen Verb bzw. Verbalkomplex verschmolzen. Die Auswirkungen zeigen sich spätestens im 12./13. Jahrhundert. Zum einen ist die Flexion am Partizip (v. a. in der für passivische Konstruktionen typischen Kombination mit werden) jetzt verschwunden, zum anderen können nun auch objektlose Intransitiva in die Konstruktion eintreten, was die Annahme einer prädikativen Struktur unmöglich macht. Erst nach der syntaktischen Periphrasierung, so wird argumentiert, können durch die Bezugsetzung von Aktiv und Passiv auch verstärkt Imperfektiva in die Konstruktion eintreten, so dass sich mit (häufigerem) werden das Merkmal der Prozessualität, mit sein dagegen Faktumsbedeutung etabliert. Damit setzt eine semantische Periphrasierung ein, die allerdings erst im 16. Jahrhundert vollständig abgeschlossen ist, und an deren Ende das neuhochdeutsche Passiv steht. Dominant ist im Mittelhochdeutschen jedoch immer noch die (Handlungs)Nachzustandsbedeutung mit werden und verstärkt auch mit sein. Mit der vollzogenen syntaktischen Periphrasierung im 12./13. Jahrhundert ist das Feld der unpersönlichen Passivkonstruktionen nun komplett. Unter strukturellem Gesichtspunkt gibt es im Schema auf der linken Seite einen Bereich, der sich durch eher kategorische Strukturen auszeichnet, da ein „neues" Subjekt im Sinne eines Geschehensträgers vorliegt. Hier hat also gleichzeitig eine Partizipantenumperspektivierung, ausgehend vom Objektbereich, stattgefunden. Auf der rechten Seite findet sich der subjekdose oder typisch thetische Bereich, wo eine solche fehlt. Gleichzeitig ist eine Konstruktion entstanden, die als sekundär thetisch bezeichnet werden kann, da die Handlungssemantik (die im Partizip kodiert ist) zwar erhalten bleibt, die Struktur aber aufgrund der „Entfernung" des agentischen Subjekts „thetisiert" wird. Dabei sind zwei Sichtweisen möglich.

Zusammenfassung

233

Von „rechts" gesehen dominiert im Schema die Funktion der Ereignisumperspektivierung, wobei am rechten Rand mit objekdosen Intransitiva rein sekundäre Thetizität ohne einen eventuellen Geschehensträger und damit einem Anteil an primärer Thetizität vorliegt (—S, event-zentral). Von „links" dominiert dagegen die Funktion der Partizipantenumperspektivierung, dabei ist am linken Rand der Anteil an Geschehenssemantik oder primärer Thetizität aufgrund des nicht-generischen Subjekts am höchsten (+S; entity-zentral). Gerechtfertigt ist die terminologische Aufteilung in persönliches und unpersönliches Passiv v. a. aus historischer Sicht. Da subjekthaltige, entityzentrale, traditionell persönliches Passiv genannte, Konstruktionen den „Startpunkt" darstellen, können alle, die davon abweichen, als unpersönlich bezeichnet werden.

Passivische Konstruktionen sind aber nicht die einzigen, die den Bereich der sekundären Thetizität aufbauen helfen. Im Mittelhochdeutschen entwickeln sich noch andere Fügungen mit derselben Funktion, die so genannten Präsentativsätze. Indem ein Element in das Topik (und nur dorthin) gebracht wird, wird das Subjekt daraus entfernt und findet sich in einer eher für Objekte typischen Position wieder. Dadurch entstehen Sätze vom Typ es singt der Chor. Ein kategorischer Satz mit Handlungsverb wird also zu einem sekundär thetischen, wobei konzeptuell gesehen eine Mischung aus Entityund Event-Zentralität entsteht, und der Partizipant selbst kein „echtes" Subjekt mehr ist (weshalb diese Zwischenkategorie auch manchmal als „actant H" bezeichnet wird). Es hat damit nicht nur ein Wechsel vom

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Das Passiv im Deutschen

kategorischen in den (sekundär) thetischen Bereich stattgefunden, sondern auch ein „Rechtsruck" Richtung Event-Zentralität. event-zentral

jet^t wird gesungen +S +S

Η

ich werde erschlagen

Präs.satz

entity-zentral

event-zentral

jet^t wird gelächelt/geholfen

es singt der Chor

-S entity-zentral

mir wirdgeholfen -S

Es muss allerdings eingeräumt werden, dass im Mittelhochdeutschen noch kaum Handlungs-, sondern vielmehr Geschehenskonstruktionen (aktivische und passivische) selbst von der e^-Topikalisierung betroffen sind, d. h. sie operiert weniger im kategorischen, sondern vielmehr im thetischen Bereich. Da Subjekthaltigkeit eigentlich „schlecht" ist für den thetischen Bereich, entstehen durch den „Rechtsruck" „bessere" thetische Sätze. Deshalb ist im Mittelhochdeutschen von der ίζ-Topikalisierung auch primär der „linke" subjekthaltige und entity-zentrale Rand betroffen (im nachfolgenden Schema grau markiert). Die Verschiebung der anderen Konstruktionen (die zu einer überoptimalen Thetizität führt) ist zwar möglich, aber noch selten. event-zentral es weht

*es weht es

jti^l wird gesungen

es wird gesungen

+S event-zentral

+S der Hund sitzt dort der Hund wird erschlagen

e ι sit%t der Hund dort

es regnet

*es regnet es

es wird der Hund erschlagen

jet^t wird gelächelt

es wird gelächelt etc.

entity-zentral

-S entity-zentral mir wird prholjcn

es wird mir geholfen

mir ist übel

es ist mir übel

-S

Im Neuhochdeutschen kommt es dann v. a. zum Abschluss der semantischen Periphrasierung innerhalb der passivischen Konstruktionen und zwar etwa im 16. Jahrhundert. Grund dafür ist die zunehmende Dominanz imperfektiver Verben, was durch den Zusammenbruch des Aspekt-

Zusammenfassung

235

systems im 14./15. Jahrhundert noch unterstützt wird. Das führt dazu, dass die Passivkonstruktion werden + Partizip Perfekt von imperfektiven Verben dominiert, die Vorgangs- bzw. genauer Prozessbedeutung hat. Ohnehin nicht häufiges sein mit Imperfektiva (das Prozessbedeutung mit Faktumsbedeutung kombiniert) wird zunehmend durch werden + Imperfektiva verdrängt. Dagegen bekommt werden mit Perfektiva Faktumsbedeutung, da mit Perfektiva keine Prozessbedeutung zustande kommen kann. Dem gegenüber steht nun sein mit Perfektiva, das als Zustande- oder Resultativpassiv bezeichnet werden kann. sein + Perfektiva: Zustand erschlagen sein werden + Perfektiva: Faktum erschlagen werden

sein + Imperfektiva: Prozess (+Faktum) bewacht sein werden + Imperfektiva: Prozess bewacht werden

Während die Zahl der Kombinationen von sein mit Perfektiva (mit passivischer Bedeutung) vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen angestiegen war, sinkt sie nun im Neuhochdeutschen wieder. Wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass die Fügung noch im Mittelhochdeutschen sowohl die vorausgehende Handlung als auch den daraus resultierenden Zustand mit einschloss, ist/war erslagen hatte also sowohl die Bedeutung entsprechend nhd. ist/war erschlagen als auch ist/war erschlagen worden. Im Neuhochdeutschen verlagert sich der Schwerpunkt jedoch zunehmend auf den (präsentischen bzw. präteritalen) Zustandsteil, da die vorausgegangene Handlung eher mit den „neuen" Vergangenheitstempora Perfekt bzw. Plusquamperfekt ausgedrückt wird. Aufgrund dieser Abschwächung des Merkmals der vorausgehenden Handlung und der stärkeren Fokussierung des (Nach) Zustandes nähern sich Resultativpassiv und Antikausativum im Neuhochdeutschen immer mehr an, was eine Unterscheidung zunehmend schwieriger macht. Die Tendenz zum Abbau von Konstruktionen mit sein macht sich im unpersönlichen Passiv sogar noch stärker bemerkbar als im persönlichen, da hier Imperfektiva dominieren, sein in Kombination mit Imperfektiva aber weitgehend durch werden ersetzt wird. Insgesamt zeigt sich im unpersönlichen Passiv in der Entwicklung vom Mittelhochdeutschen zum Gegenwartsdeutschen ein Anstieg der entity-zentralen Variante (im Korpus 54% > 71%), was wahrscheinlich auf eine Zunahme bei den Konstruktionen mit Präpositionalobjekt zurückzuführen ist. Dagegen nimmt die Zahl der event-zentralen Fügungen ab (im Korpus 46% > 29%), wobei der Rückgang v. a. bei den objektlosen Intransitiva und damit dem typischen unpersönlichen Passiv zu liegen scheint.

236

Das Passiv im Deutschen

Außerdem macht sich im Gegenwartsdeutschen eine Tendenz bemerkbar, das Passiv auch von Verben mit innerem, d. h. semantisch eng ans Verb gebundenem Akkusativobjekt zu bilden, z. B. Karten spielen oder auch Funktionsverbgefiige wie Beachtung schenken usw. Häufig werden diese Bildungen wie „komplexe Intransitiva" behandelt, d. h. sie werden in das Passivmuster der objektlosen Intransitiva gezogen, was sich primär an Inkongruenz (im Falle eines Plurals) und teilweise an Akkusativbeibehaltung zeigt. Auch das unpersönliche Passiv mit anaphorischem Reflexivpronomen bzw. reflexiv verwendeter transitiver Verben kann hierher gezählt werden, z. B. da wurde sich geküsst (das damit neben älterem Passiv von inhärent reflexiven Verben mit lexikalischem sich steht, z. B. da wurde sich beeilt). Nun ist es durchaus möglich, dass sich das Prinzip der Inkorporation von inneren (d. h. semantisch eng ans Verb gebundenen) Objekten auf „normale" Akkusativobjekte ausweitet, wie es im Deutschen marginal möglich zu sein scheint. Von einem event-zentralen und subjektlosen Passiv von Transitiva (d. h. einem unpersönlichen Passiv von Transitiva mit inkorporiertem Objekt) kann allerdings erst dann gesprochen werden, wenn sowohl der Singular im finiten Verb als auch die Beibehaltung des Akkusativobjekts obligatorisch ist. Davon ist das Deutsche jedoch noch weit entfernt, falls es überhaupt jemals dazu kommt, da der entgegengesetzte strukturelle Sog mit dem persönlichen Passiv sehr stark ist. Das Passivsystem sieht im Gegenwartsdeutschen also folgendermaßen aus.

event-zentral jet^t mrdgesunget

J

+S ich werde geschlagen

jet^t wird gelächelt j e t f t wird Zähne geputzt jeltg wird ach gewaschen j e t f t wird geholfen

Sehr viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass sich ein solches unpersönliches Passiv von Transitiva wie in anderen Sprachen auch aus Präsentativ-

Zusammenfassung

237

sätzen entwickelt. Aufgrund der typischen Nachstellung und Indefinitheit der Subjekte ist eine strukturelle Umdeutung als Objekt möglich, eine Entwicklung, die z. B. Norwegisch und Spanisch genommen zu haben scheinen. Dabei wird Präsentativität im Norwegischen durch das Topikelement det, im Spanischen durch VI ausgedrückt. Im Deutschen kämen hierfür mit dem Topik-ίΐ markierte Präsentativsätze in Frage, doch lässt sich keine deutliche Tendenz in diese Richtung (Interpretation zum eindeutigen Objekt) ausmachen. Neben dem kanonischen Passiv existieren auch noch so genannte Passivperiphrasen, die in ein kanonisches Passiv überführt werden können, meist mit zusätzlichem modalen Merkmal. Drei davon weisen nicht nur eine persönliche, sondern auch eine unpersönliche Variante auf, nämlich 1. sein + %u + Infinitiv (das ist tun, hier ist liegen), 2. sich lassen + Infinitiv (das lässt sich machen, hier lässt es sich leben) und 3. sich + Infinitiv (das sagt sich leicht, hier sit^t es sich gut). Dabei ist Fall 1) von 2) und 3) zu trennen. Im Fall von 2) und 3) finden sich die frühesten Konstruktionen erst im 15./16. Jahrhundert (persönliche) bzw. im 18. Jahrhundert (unpersönliche). Fall 1) ist dagegen sowohl in persönlicher als auch in (vollständiger) unpersönlicher Ausprägung schon im Althochdeutschen bezeugt. Da im Hinblick auf unpersönliche Fügungen im Mittelhochdeutschen jedoch eine Lücke klafft und unpersönliche Konstruktionen erst wieder ab dem 15. Jahrhundert auftreten, ist es möglich, dass es sich im Althochdeutschen um durch das Lateinische beeinflusste Bildungen handelt. Auch ein selbsstständiger Aufbau mit nachfolgendem Verlust im Althochdeutschen und erneutem Aufbau im Mittelhochdeutschen ist theoretisch vorstellbar. Was den thetischen Bereich außerhalb des Passivs angeht, so sind es v. a. Entwicklungen des Mittelhochdeutschen, die im Neuhochdeutschen weitergeführt werden. Das betrifft zum einen die Präsentativsätze, die nun nicht mehr nur auf die persönlichen Konstruktionen im primär thetischen Bereich konzentriert sind (Typus: es sit^t dort ein Mädchen, es wurden %wei Hunde erschlageri). Sie weiten sich jetzt verstärkt auf den gesamten Bereich der primären und sekundären Thetizität aus und führen so zu einer strukturellen „Verbesserung" der thetischen Sätze (nicht erlaubt sind jedoch Präsentativsätze bei Vorliegen eines es als Scheinsubjekt oder generalisiertem Subjekt). Auch kategorische Sätze werden immer mehr davon erfasst und repräsentieren nun neben dem Passiv die aktivische Struktur innerhalb der sekundären Thetizität (Typus: es singt der Chor).

238

Das Passiv im Deutschen

event-zentral es weht

*es weht es

jet^t wird gesungen

es wird gesungen

+S +S der Hund sit^t dort der Hund wird erschlagen

event-zential es sit^t der Hund dort

es regnet

*es regnet es

es wird der Hund erschlagen

jet^t wird gelächelt

es wird gelächelt etc.

entity-zentral

-S entity-zentral mir wird geholfen

es wird mir geholfen

mir ist übel

es ist mir übel

-S

Da aber im Präsentativpassiv ein Ruck nach rechts weg vom linken Rand erfolgt, kann jedes Präsentativpassiv ebenso wie jede Passivkonstruktion, die nicht [+S; entity-zentral] ist, als unpersönlich bezeichnet werden. Folgende Fügungen (in der Skizze umrandet) repräsentieren also das unpersönliche Passiv im Gegenwartsdeutschen.

event-zentral jet^t wird gesungen

>

es wird gesungen

+S event-zentral

+S der Hund wird erschlagen

js wird der Hund erschlagen

jet^t wird gelächelt

entity-zentral

^es wird gelächelt etc.

-S entity-zentral mir wird geholfen

^

es wird mir geholfen

-S

Gleichzeitig treten weitere Veränderungen im primär thetischen Bereich auf. Die ganze mittelhochdeutsche Periode ist zwar Zweigliedrigkeit, aber nicht unbedingt Subjekthaltigkeit obligatorisch, weshalb sich subjektlose Konstruktionen mit kasusmarkiertem Experiencer halten können. Im Neuhochdeutschen scheint sich nun zunehmend Subjekthaltigkeit durchzusetzen. Das zeigt sich zum einen darin, dass ab dem 16. Jahrhundert bei Konstruktionen vom Typus mich friert ein Scheinsubjekt es fakultativ in

Zusammenfassung

239

allen Positionen auftreten kann. Bei neu gebildeten Fügungen mit Experience wie z. B. mich haut es um ist es bereits obligatorisch. Diese Tendenz, Thetizität mit einem Subjekt-« zu markieren, kann nun sogar auf den sekundär thetischen Bereich „überspringen" und sollte sich zuerst im unpersönlichen Passiv manifestieren, da hier kein oder zumindest kein explizites Subjekt vorliegt. Erst danach sollten auch Präsentativsätze davon erfasst werden, da es hier bereits ein, wenn auch „schlechtes", Subjekt gibt. Am Ende einer solchen Entwicklung wäre Thetizität insgesamt mit einem Scheinsubjekt es markiert. Diese Situation liegt z. B. im Norwegischen und Schwedischen vor, wobei Untersuchungen zum Schwedischen bestätigen, dass det, die Entsprechung zu deutsch es, in Präsentativsätzen nicht vor unpersönlichen Passivsätzen auftritt (dort im 16./17. Jahrhundert). Im Niederländischen ist die «-Entsprechung er im unpersönlichen Passiv in allen Positionen fast schon obligatorisch, in Präsentativsätzen jedoch noch deutlich fakultativ. Während also in diesen Sprachen ein Subjektelement schon in den sekundär thetischen Bereich „gedropt" ist, kommt es im Deutschen (noch?) kaum je vor. Die wenigen Ausnahmen (der erste Beleg stammt evtl. schon aus dem 15./16. Jahrhundert) sind jedoch im unpersönlichen Passiv angesiedelt und bestätigen so die Entwicklungsrichtung unpersönliches Passiv > Präsentativsätze.

III. Resümee Die Funktion des unpersönlichen Passivs wird in dieser Arbeit nicht, wie bislang in der einschlägigen Forschung häufig geschehen, als bloßes Äquivalent zu einem /»«»-Impersonale bestimmt, sondern als Mittel der Ereignisumperspektivierung. Diese veränderte Sicht bewirkt, dass das Ereignis thetisiert und als „Ein-heit" oder Ganzes gesehen wird. Man könnte hier auch von einer Außenperspektive auf das Ereignis oder von einem perfektiven Satzaspekt sprechen. Dies ist deshalb ungewöhnlich, da Subjektsprachen des NominativAkkusativ-Typs (und nur diese werden in der vorliegenden Arbeit betrachtet) ein Ereignis bevorzugt als kategorisches Konzept bzw. als „Zwei—heit" darstellen. Die „Zwei—heit" ist maßgeblich durch das Vorhandensein eines agentischen Partizipanten und damit eines zweiten autonomen Zentrums neben der Verbalhandlung selbst bestimmt. Syntaktisch schlägt sich das in Subjekt und Prädikat nieder. Dabei impliziert das typische Subjekt nicht nur Agentivität, sondern auch Spezifität. Wir sprechen hier vom (typischeren) entity-zentralen Bereich mit spezifischem („persönlichem") Subjekt. Hand in Hand damit geht ein externes Subjekt bzw. strukturelle Zweigliedrigkeit. Den (weniger typischen) event-zentralen Bereich repräsentieren Konstruktionen mit entspezifiziertem (generischem oder kontextuell eruierbarem) Subjekt. Dieses kann in manchen Sprachen auch intern im Verb kodiert sein (pro-drop), was auf struktueller Ebene zu Eingliedrigkeit führt. Wir sprechen im Falle von (entity- oder event-zentralen) Konstruktionen mit agentischem Subjekt und Handlungssemantik von primärer Kategorizität. Dem gegenüber stehen die in Nominativ-Akkusativ-Sprachen selteneren Konstruktionen, die ein Ereignis als thetisches Konzept oder als „Ein—heit" darstellen, weil es keine agentischen und damit „autonomen" Partizipanten gibt. Es dominiert also Geschehenssemantik und syntaktische Subjektlosigkeit. Bei Vorliegen eines (nicht-agentischen und nichtnominativischen) Partizipanten kann man von (zweigliedriger) EntityZentralität, im entgegengesetzten Fall von (eingliedriger) Event-Zentralität sprechen. Die Verbflexion hätte in jedem Fall rein existentielle Funktion. Da in Subjektsprachen aber Subjekthaltigkeit (und gleichzeitig Zweigliedrigkeit) dominiert, liegen hier trotz Nicht-Agentivität bzw. Geschehenssemantik häufig Subjektkonstruktionen vor (mit spezifischen Subjekten ist wiederum Entity-, mit unspezifischen Event-Zentralität impliziert). Wir

242

Resümee

sprechen im Falle von (entity- oder event-zentralen) Konstruktionen mit keinen bzw. mit nicht-agentischen Partizipanten von primärer Thetizität. Kategorizität oder konzeptuelle „Zwei—heit" impliziert also in Subjektsprachen das Konzept Agenssubjekt, Thetizität oder konzeptuelle „Ein-heit" eine Abweichung davon, d. h. also kein Subjekt oder zumindest kein Agenssubjekt. Da Thetizität bzw. Geschehensereignisse in Subjektsprachen das weniger typische Konzept repräsentieren, entsteht hier außerdem ein „Vakuum", was zu Ausgleichserscheinungen führt. Es kommt zu sekundärer Thetizität, d. h. das kategorische Handlungsereignis wird als konzeptuelle „Ein—heit" umperspektiviert. Ziel sind thetische Handlungskonstruktionen, d. h. Konstruktion, die Ηandlungssemantik mit Subjekdosigkeit (oder zumindest einem Nicht-Agenssubjekt) verknüpfen. Die Abweichung kann sich also im semantischen (Nicht-Agentivität) oder im strukturellen Bereich (Subjekdosigkeit) manifestieren. In letzterem Fall kommt es zu sekundär thetischen Handlungskonstruktionen mit struktureller „Degradierung" bzw. Nachstellung des Subjekts, weshalb hier statt von ,,S"(ubjekt) auch von dem Aktanten „H" gesprochen wird (Lazard 1994). Konzeptuell wird das Ereignis als „Ganzes" gesehen. Dies sind die so genannten Präsentativsätze, die zumeist entity-zentral sind, da i. Allg. ein spezifischer (wenn auch häufig indefiniter) Partizipant vorliegt. Je nachdem, ob die jeweilige Einzelsprache im thetischen Bereich Eingliedrigkeit (pro-drop) erlaubt, dominiert hier VI oder V2 (wobei die Stelle vor dem finiten Verb mit einem speziellen Topikelement gefüllt wird, vgl. dt es). Gleichzeitig benötigen Subjektsprachen mit ihrem fest gefügten System von semantischer Rolle und syntaktischer Funktion auch Mittel der Partizipantenveränderung. Eines dieser Mittel ist in Nominativ-AkkusativSprachen das so genannte Passiv, wodurch die privilegierte syntaktische Funktion, das Subjekt, nicht mit einem Agens, sondern (typischerweise) mit einem Patiens gefüllt ist. Dies ergibt sekundär thetische Konstruktionen mit einer Abweichung nur im semantischen Bereich, also sekundär thetische Handlungskonstruktionen mit nicht-agentischem Subjekt. Ein solches subjekthaltige Passiv wird auch persönliches Passiv genannt. Mit spezifischem Subjekt ist es entity-, mit unspezifischem oder generischem Subjekt event-zentral. In letzterem Fall ist (abhängig von der jeweiligen Einzelsprache) Eingliedrigkeit (VI) oder Zweigliedrigkeit (V2) möglich. Ein persönliches Passiv impliziert zum einen die Subjektkonversion, die Rückstufung des Subjekts, damit es im Gegenzug zur Objektkonversion kommen kann, zur Vorstufung des Objekts zum Subjekt. Weist das jeweilige Verb jedoch keine Partizipanten auf, die zum Subjekt werden können, so ergibt sich mit der alleinigen Subjektkonversion oder -degradierung (sozusagen als parasitäre Entwicklung) ein funktionales

243

Resümee

Pendant zu den Präsentativsätzen, also sekundär thetische Handlungskonstruktionen ohne Partizipantenveränderung im Subjekt. Dieses Passiv ist obligatorisch subjekdos und perspektiviert das Ereignis deshalb ebenfalls als konzeptuelle „Ein—heit". Mit (nicht-nominativischen) Topikpartizipanten liegt Entity-, ohne bzw. mit generischen oder inkorporierten Partizipanten (mit Kasusbeibehaltung) liegt Event-Zentralität vor. Auch für das event-zentrale subjektlose Passiv ist in Abhängigkeit von der jeweiligen Einzelsprache Eingliedrigkeit (VI) oder Zweigliedrigkeit (V2) „erlaubt". Gleichzeitig ergibt sich eine Affinität zwischen dem event-zentralen subjektlosen und dem event-zentralen persönlichen Passiv mit generischem Subjekt, bei dem der Geschehensträger in den Hintergrund rückt und der Handlungsaspekt deshalb in den Vordergrund tritt. So kommt es, dass nicht nur der subjekdose, sondern auch dieser Passivtypus als unpersönliches Passiv bezeichnet wird. „Unpersönlich" bedeutet in diesem Fall nichts anderes als eine Abweichung vom typischen persönlichen Passiv mit spezifischem („persönlichen") Subjekt. Aus Sicht der Ereignisumperspektivierung werden innerhalb des Passivs die „besten" thetischen Handlungskonstruktionen durch die genauen Umkehrungen zu kategorischen Handlungen (entity-zentral; AgensSubjekt) repräsentiert, d. h. event-zentrale und gleichzeitig subjektlose Passivkonstruktionen. Am „schlechtesten" ist das entity-zentrale subjekthaltige Passiv, da hier nur die semantische Rolle ausgetauscht ist. In der folgenden Skizze befindet sich das „beste" Passiv (-S; eventzentral) im Rahmen der Ereignisumperspektivierung also rechts, das „schlechteste" (+S; entity-zentral) links. Passive mit den Merkmalen (+S; event-zentral) und (—S; event-zentral) nehmen eine Zwischenposition ein. event-zentral jetyt wird gesungen

ich werde

geschlagen

jet^t wird gelächelt jet^t wird Zähne geputzt jet^t wird sich gewaschen jetzt wird geholfen

entity-zeo mir wird geh -S

Unpersönliches Passiv

244

Resümee

Passivkonstruktionen ebenso wie Präsentativsätze erzeugen also mit Hilfe der „De—Autonomisierung" des Subjekts (strukturell oder semantisch) sekundär thetische Handlungskonstruktionen, so dass die konzeptuelle „Zwei-heit" zu einer „Ein-heit" wird. Obwohl das Agens im Passiv prinzipiell als obliques Objekt hinzufugbar ist, fällt doch auf, dass dies gerade beim typischen, d. h. eventzentralen und subjekdosen, unpersönlichen Passiv sehr selten der Fall ist. U. U. erklärt sich das damit, dass dieses „reinste" unpersönliche Passiv ganz besonders auf die strukturelle Subjektdegradierung abzielt, was eine Deperspektivierung (Subtraktion) wahrscheinlicher macht als eine Umperspektivierung (Demotion). Eine Deperspektivierung hat allerdings zur Folge, dass das Agens als entspezifiziert interpretiert werden muss, d. h. es ist generisch oder aus dem Kontext erschließbar. Dadurch ergeben sich nun Affinitäten zu den event-zentralen kategorischen Sätzen (Impersonale oder generalisierte Subjektkonstruktion), was noch durch die gemeinsame Struktur unterstützt wird, da in beiden Fällen keine oder Objekte mit Kasusbeibehaltung vorliegen. Dies hat auch historische Konsequenzen, generalisierte Subjektkonstruktionen können nämlich als event-zentrales unpersönliches Passiv uminterpretiert werden (z. B. Latein) oder umgekehrt (z. B. Portugiesisch). Der typische „Startpunkt" für die Entstehung eines unpersönlichen Passivs scheint jedoch in Subjektsprachen nicht so sehr bei generalisierten Subjektkonstruktionen als vielmehr beim persönlichen Passiv (d. h. mit einem spezifischen Subjekt) zu liegen. Das ist wahrscheinlich durch die Notwendigkeit der Partizipantenveränderung bedingt. Dabei lässt sich das obige Schema auch als chronologische Abfolge lesen und zwar von links nach rechts. Im Allgemeinen treten die Zwischenkategorien, d. h. ein event-zentrales subjekthaltiges und ein entity-zentrales subjektloses Passiv, vor dem Prototyp des event-zentralen subjektlosen Passivs auf. Dies umfasst v. a. Konstruktionen von Intransitiva ohne Objekte bzw. mit entspezifizierten Objekten. Als Erweiterung der Gruppe der objektlosen Intransitiva können schließlich auch Verben mit inkorporiertem Objekt gefasst werden, d. h. das Objekt hat hier geringe semantische Autonomie (s. o. jet^t wird Zähne geputzt, jet^t wird sich gewaschen). Verbreiteter ist dieses Phänomen des beibehaltenen Akkusativobjekts in einigen Sprachen (z. B. Norwegisch) im Zusammenhang mit passivischen Präsentativsätzen. Da das (meist indefinite) Objekt hier rhematisch ist und teilweise Inkongruenz nach sich zieht (d. h. das finite Verb steht im Singular), kann es als Objekt uminterpretiert werden. Eine solche Uminterpretation geht aber sehr oft Hand in Hand mit der Entwicklung zur generalisierten Subjektkonstruktion, wie einige romanische Sprachen zeigen (z. B. Italienisch, Spanisch, Portugiesisch).

Resümee

245

Interessanterweise tauchen außerdem in mehreren Sprachen schon auf frühen Sprachstufen (z. B. Althochdeutsch) ganz sporadisch Beispiele mit einem beibehaltenen Akkusativobjekt in Topikposition auf. Wahrscheinlich handelt es sich dabei aber um (ganz marginale) Parallelbildungen zum unpersönlichen Passiv von objekthaltigen Intransitiva (entsprechend mir wird geholfen ~ mich wird gesehen). Das Althochdeutsche weist neben diesen unpersönlichen Passiven von objekthaltigen Intransitiva (und seltenen beibehaltenen Akkusativobjekten) nur solche von absolut verwendeten Transitiva mit entspezifiziertem Subjekt auf (jetyt wird gesungen). Ein „echtes" unpersönliches Passiv von objeküosen Intransitiva (jet%t wird gelächelt) oder von Intransitiva mit entspezifiziertem Objekt (jet^t wird geholfert) ist nicht vor dem Mittelhochdeutschen belegt. Erst ins Neuhochdeutsche fällt mit größter Wahrscheinlichkeit die Erweiterung des event-zentralen unpersönlichen Passivs in den Bereich der inhärenten Objekte, Konstruktionen, die man als „komplexe Intransitiva" einordnen könnte (Jet^t wird Zähne geputzt, jetyt wird sich gewaschen). Eine Entwicklung zum event-zentralen unpersönlichen Passiv von Transitiva mit beibehaltenem Objekt (außerhalb des Bereichs der inhärenten Objekte), vergleichbar mit dem Norwegischen, oder gar zu generalisierten Subjektkonstruktionen ist aber nicht auszumachen. Während sich im Bereich der primären Thetizität, d. h. bei „echten" Geschehenskonstruktionen, außerdem die Tendenz zu einem genetischen (es weht) oder nicht-referentiellen Scheinsubjekt es durchsetzt (es regnet), ist dies beim Passiv als sekundär thetischem Konstruktionstyp nicht der Fall. Obligatorisch ist hier im Deutschen lediglich V2 und damit Zweigliedrigkeit im Aussagesatz (VI ist durchaus randständig), nicht jedoch das Auftreten eines (expliziten) Subjekts es, z. B. im Fragesatz, das hier sogar „verboten" ist (*wird es getankt?). Dies lässt sich damit erklären, dass sekundäre Thetizität gerade durch die „Degradierung" des Subjekts erreicht wird. Wo also nicht ein spezifisches, wenn auch semantisch „degradiertes", Subjekt vorliegt (im so genannten persönlichen Passiv), gibt es entweder kein Subjekt oder nur als pro-drop wie beim event-zentralen Passiv von Transitiva (dort wurde gegessen). Dass dies jedoch kein absoluter Zustand ist, zeigt z. B. das Norwegische (ebenso wie einige wenige Belege im Deutschen selbst oder in Ansätzen das Niederländische), wo das ursprüngliche Topikelement (das V2 im Aussagesatz sicherte) Subjektstatus erlangt hat und nun auch in anderen Satzarten auftritt. Ähnliches gilt für die Präsentativsätze mit Thematischem Subjekt, die ebenfalls als sekundär thetische Konstruktionen fungieren und im Deutschen (noch?) kein Subjekt-, sondern nur ein Topik-w aufweisen (es singen Kinder im Gartert). Sie kommen erst im Mittelhochdeutschen auf und reparieren dort die Lücke, die durch die kaum mehr existenten VI-

246

Resümee

Aussagesätze mit derselben Funktion der „Ein—heits-Ereignisperspektivierung" entstanden ist. Sie können das deshalb, weil sie die jetzt obligatorisch gewordene Zweigliedrigkeit erfüllen. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass das Topikement semantisch so weit entleert ist, dass es nicht einfach zu einer anderen Perspektivierung, z. B. im Hinblick auf Raum oder Zeit, kommt. All dies wird von es erfüllt. Erst im Übergang zum Neuhochdeutschen wird das präsentative es auch im Passiv häufiger und signalisiert so eine „Über-Thetizität", speziell in den event-zentralen Konstruktionen. Während also Präsentativsätze im Aktiv als die direkten Nachfolger der mit dem Althochdeutschen weitgehend verschwundenen VIAussagesätze betrachtet werden können, ist das Merkmal der „Ein—heitsPerspektivierung" beim Passiv mit spezifischem Subjekt (persönliches Passiv) anfänglich nur ein Nebeneffekt. Erst als im Mittelhochdeutschen in die Konstruktion auch objektlose Intransitiva eintreten, entsteht ein subjektloses und event-zentrales Passiv, wo diese parasitäre Funktion zum Hauptmerkmal wird. Obwohl der pragmatische Aspekt von sekundär thetischen Sätzen in dieser Arbeit nicht untersucht wurde, lässt sich sagen, dass es sich um sehr markierte Fügungen handelt, was sich auch daran zeigt, dass sie in Texten relativ selten sind. Sasse 1996 und 1997 hat auch ihre Funktionen im aktuellen Kontext untersucht (wobei er nur von Präsentativsätzen ausgeht) und nennt als die wichtigsten: „annuntiative" („statements out of the blue", ζ. Β. SCHULBUS verunglückt!·, ebd. 30f.), „introductive" („textopening strategy"; Sasse 1996: 33), „interruptive" („sudden event"; ebd. 34), „descriptive" („scene-setting", ζ. Β. ein BUZZARD nahte-, ebd. 35) und „explanative" („explanations of or elaborations on a given situation", ebd. 36). Μ. Ε. setzen unpersönliche Passive und Präsentativsätze unterschiedliche Schwerpunkte, wobei erstere besonders im Bereich „descriptive" operieren. Aber auch die annuntiative Funktion scheint sehr prominent zu sein, was erklären könnte, warum unpersönliche Passive im Gegenwartsdeutschen auffällig oft in Befehlssätzen auftauchen: Jetqt wird hier aber mal endlich aufgeräumt! Eine genauere Untersuchung der (unterschiedlichen und gemeinsamen) Anwendungskontexte für unpersönliche Passive und Präsentativsätze steht aber noch aus.

Literaturverzeichnis 1. Quellen Althochdeutsch Isidor Murbacher Hymnen Notker Otfrid Steinmeyer Tatian

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Annolied Berthold Buch der Natur Genesis

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Personenregister Abraham, W. 92, 140, 211, 212, 227 Abramov, B. A. 208 Admoni, W. 30 Afarli, T. A. 104 Ägel, V. 71 Ammann, H. 35, 101 Askedal, J. O. 212, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 223

Deutsches Wörterbuch von J. u. W. Grimm 185,186,190,191 Diewald, G. 197 Dimowa, A. 54 Donhauser, K. 140, 141 Drossard, W. 65, 67 DUDEN-Grammatik, 5, 202 Dürscheid, 8, 32, 39, 41

Baldiger, A. 209 Bechert,). 80, 81, 90 Behaghel, O. 76, 88, 103, 125, 160, 161, 166, 167, 168, 177, 180,182,192, 207, 210, 221 Bennett, P. A. 101 Bomemann, E. 43, 44, 48 Bossong, G. 33, 35, 38, 41, 42 Breivik, L. E. 92 Brinker, K. 55, 118, 203, 204, 207, 217 Broschart, J. 76 Brugmann, K. 92, 143, 156, 185, 189,190, 226 Burridge, K. 205, 227 Buscha, J. 64, 202, 213 Bußmann, H. 8, 52, 78

Ebert, R. P. 120, 123, 154, 159, 180, 184, 200, 207, 213, 214, 223 Eggenberger, J. 154 Eggers, H. 123 Eichinger, L. M. 147, 148 Eisenberg, P. 42, 84, 201, 202, 213 Engel, U. 133, 202, 204 Engelen, B. 148 Erben, J. 182, 202 Erdmann, O. 123, 125, 174, 177, 178, 179,180, 187, 207 Eroms, H.-W. 122, 123, 140, 163, 173,179, 203, 204, 213, 215

159, 178,

206, 187,

Chafe, W. L. 35, 57 Christen, S. 89, 90 Cole, P. 36 Comrie, Β. 13, 17,18, 19, 65, 73, 112 Corbett, G. G. 177 Croft, W. 7 Curme, G. O. 96 Dal, I. 136, 139, 155, 157, 159, 176, 184,192, 223 Deckman, Α. A. 54 Demske-Neumann, U. 3, 5, 149, 150, 151,152,153,181,216, 217

Faarlund, J. T. 35, 94, 104 Fagan, S. Μ. B. 219 Falk, C. 227 Faucher, Eu. 51 Findreng, A. 177, 180 Flämig, W. 202 Fourquet,J. 191, 197 Frajzyngier, Z. 22, 23, 25, 28, 48, 50 Frey, A. 228 Fritz, T. 133, 142 Fromm, H. 109 Fuchs, G. 119 Gabelentz von der, H. C. 30 Gaudigs, R. 214 Givön, T. 7, 13, 20, 21, 22, 25, 29, 32, 59, 73,107, 108,112 Glaser, E. 228

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Personenregister

Glinz, Η. 202 Gobb, Ζ. 78 Greenberg, J. Η. 107 Grevisse, Μ. 177 Grewendorf, G. 102 Grimm, J. 143, 146, 175, 177, 178, 180,186, 201 Gronvik, O. 119, 123 Grosse, S. 172, 178,187, 189,197 Große, R. 160 Habermann, M. 197 Haspelmath, M. 38, 39, 41, 42, 46, 72, 81, 83, 94, 95, 99, 100, 102, 107, 113,136,138, 144 Hauenschild, Ch. 92,181 Heidolph, Κ. E. 202 Heibig, G. 64, 202, 213 Hentschel, E. 30, 42, 107, 114, 153, 198,199, 200, 201, 202, 203, 220 Herbermann, C.-P. 35 Hoffmann, L. 42, 202, 208, 213 Höhle, T. 219 Holmberg, A. 104 Holvoet, 109, A. 110 Hopper, P. J. 44, 45, 46, 47, 48 Hundt, M. 30, 43,148, 210 Jaeger, Ch. 180 Jongman, A. 17 Jordens, P. 58, 60, 61 Karjalainen, M. 110 Kaufmann, I. 220, 221 Kaufmann, P. 133,134,148 Kazenin, Κ. I. 7, 8, 9, 11, 43, 63, 85, 112 Keenan, E. L. 7,11, 12,18, 35, 65 Kelle, 133, 143,145 Kemmer, S. 111 Khrakovsky, V. S. 22 Kirsner, R. S. 91, 92 Kitagawa, Ch. 54 Klaiman, Μ. H. 7 Kleiner, M. 197 Koptjevskaja-Tamm, M. 72, 105,109 Kotin, M. 5, 119, 121, 122, 123, 124, 125, 127, 128, 129, 130, 131, 135,

136,162, 163, 164, 165, 194,195, 200, 204 Kühn, P. 209 Kühner, R. 44 Kulonen, U. 83, 109 Lambert, P.-Y. 156 Lambrecht, K. 92 Launey, M. 108 Lazard, G. 92, 93, 186, 242 Legner, W. K. 143,152 Lehmann, Ch. 176 Lehrer, A. 54 Leirbukt, O. 204, 214 Leiss, E. 57, 77, 84, 101, 123, 129, 140,141,143, 196,197, 198, 200 Lenerz, J. 93,187, 226, 227 Lenz, B. 201, 206 Li, Ch. N. 35, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 63, 79, 91 Lie, S. 94,104 Lindgren, Κ. B. 200 Litvinov, V. P. 202 Lockwood, W. B. 136,176,178 Matzke, B. 217, 221 Maurer, F. 192 Mel'iuk, I. A. 8 Molnär, V. 56 Moravcsik, Ε. A. 33, 38,144, 176,177 Moreno, J. C. 76, 77, 191 Mosel, U. 63, 64 Mötsch, W. 202 Musan, R. 196 Naro, A. 98, 99 Näßl, S. 93,160,161,182,183, 224 Nedjalkov, V. P. 101,102, 125, 202 Noonan, M. 90 Nurminen, J. 74, 110, 137 Okken, L. 146 Onishi, M. 38 Onnerfors, O. 192 Oubouzar, E. 123, 124, 194, 196, 197, 198,200, 201 Pape-Müller, S. 84, 213

Personenregister

Pasierbsky, F. 71 Paul, H. 172, 177, 178, 187, 189, 197, 198 Perlmutter, D. M. 14, 15,16 Plank, F. 212 Polenz von, P. 84 Postal, P. M. 14,15,16 Pottelberge van, J. 39, 137,138,143 Premper, W. 69 Pustet, R. 22, 29, 30, 57, 64, 65, 67, 72, 73,108 Rapp, I. 201, 202 Reis, M. 156, 208, 209, 217, 218, 221, 222 Reiten, H. 176,177,178 Riehl, C. M. 123 Risch, E. 43, 44, 48 Rupp.H. 119,123 Sasse, H.-J. 69, 78, 81, 84, 85, 91, 114, 118, 246 Schachinger, R. 178, 179 Schachter, P. 58 Schlobinski, P. 213, 215 Schröder, W. 119,123 Schrodt, R. 140 Schützeichel, R. 135, 146, 147 Schwarze, Ch. 78, 93, 94, 95 Seefranz-Montag von, A. 37, 75, 77, 105,184,185, 208, 223 Sehrt, E. H. 143,152 Selig, M. 97, 98 Serzisko, F. 66, 67 Shannon, T. F. 102 Sheintuch, G. 37 Shibatani, M. 7, 8, 9, 10, 20, 23, 24, 25, 48, 49, 50, 51, 52, 54, 55, 59, 85, 89,90, 95,114,116,117 Siewierska, A. 7, 9, 11, 17, 32, 34, 36, 37, 42,48, 55, 79 Starke, G. 208 Statha-Halikas, H. 111

267

Stegmann, C. 44 Steinbach, M. 83, 220 Steinmeyer von, E. 132, 145,147,160 Strecker, B. 42, 202, 208, 213 Sulkala, H. 110 Szemerenyi, O. 111 Thieroff, R. 195, 196, 198, 199, 200, 202 Thompson, S. A. 35, 44, 45, 46, 47, 48, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 63, 79, 91 Timberlake, A. 12 Ulrich, M. 85 Valentin, P. 123 Vannebo, 94,104 Velde van de, M. 180 Vogel, P. M. 118, 207,211,228 Wälchli, B. 72,105,109 Walther, G. 211,212 Wegener, Η. 214, 225 Wehr, Β. 14, 17, 22, 25, 27, 28, 30, 31, 44, 48, 53, 54, 81, 85, 96, 97, 98, 99,106,112,149 Weisgerber, L. 82 Welke, K. 83, 84,136 Wellander, E. 213 Weydt, H. 30, 42, 107, 114, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 220 Wiehl, P. 172,178, 187,189,197 Wiemer, B. 12, 90,104 Willems, K. 39, 137, 138 Wilmanns, W. 140, 150, 155, 156, 161,174, 175, 178, 179, 189, 190, 202 Wunderlich, D. 8 Zifonun, G. 42, 202, 208, 213 Ziv, Y. 37

Sach- und Sprachenregister 1. Person, 154, 157 2. Person, 154,157 3. Person, 72, 75, 79, 97, 109, 111, 134,154f., 157, 208 Absolutiv-Ergativ-Sprachen, 58, 67 Abstrakta, 178 Ackermann, 205 actant H, 92, 93, 96, 103, 186, 187, 233, 242 Adperspektivierung, 64, 65, 66 Adressaten-Passiv, 213 Adverb, 92, 185, 188, 192 Adverbiale, 59, 76, 78, 79, 91, 110, 218, 220, 225 adversatives Passiv, 51, 61, 62,101 Affiziertheit, 7, 33, 44, 45, 85, 101, 121 afrikanische Sprachen, 107 Agens, Kap. 1.2.4; 31, 56, 58, 63, 69, 95,101, 157,173, 203, 216, 220 genetisches, 53, 54,173 menschliches, 21, 23, 25, 26, 27, 48, 50, 52, 53, 67 nicht-menschliches, 183 tierisches, 50, 52 Agens-Defokussierung, Kap. 1.1.3.1; 3,10, 22, 29, 30, 62,112,114 Agensgefälle, 42, 43 Agenshinzufügung, 48, 54, 55, 97, 100,102,104,105,107, 108,109, 110,111,113,173, 204,217, 218, 221, 222

Agensimplikation, 221 Agensnennung, 121, 122 Agentivität, Kap. 1.2.4; 34, 35, 73, 75, 84, 220, 241 Akkusativ/Dativ-Alternation, 143, 144, 146 Akkusativ/ Genitiv-Alternation, 140, 141,143, 167 Aktionalität, 21

Aktiv, 2, 8, 20, 26, 31,174,187,193 Albanisch, 33 Altaisch, 11 Altenglisch, 105,123, 151 Altgermanisch, 191 Altgriechisch, 11, 32, 208 Althochdeutsch, Kap. II I; 103, 163, 164, 165, 166, 167, 169, 171, 174, 181, 182, 183, 184, 185, 192, 194, 195,196, 197, 203, 212, 216, 223, 245, 246 Altindisch, 75 Altisländisch, 75 Altitalienisch, 97, 98,149 Aldatein, 44 Altsächsisch, 123 Anonymisierung, 29, 31, 53, 71 Antikausativität, 125, 126, 127, 131, 162 Antikausativum, 83, 84, 95, 102, 103, 116, 124, 125, 126, 203, 204, 219, 221, 222, 230, 235 Aorist, 196, 198 Applikativ, 8, 31 Arabisch, 23 Argumenterweiterung, 219 Aspektopposition, 164,198 Aspektualität, 38, 45, 81, 82,123,137, 140,163, 167 assertiv-existentielle Funktion, 73, 153,154,157,158,159, 161,182, 231 assertiv-existentieller Bereich, 155, 156 Aufforderung, 71 Außenperspektive, 30, 69, 82, 84, 241 austronesische Sprachen, 81 backgrounding, 29, 31, 65 Bantu, 11, 107 Baskisch, 9

270

Sach- und Sprachenregister

Befehl, 71,192, 246 beibehaltenes direktes Objekt, 5, 11, 16, 18, 23, 43, 44, 48, 85, 86, 96, 97, 99, 100, 104, 105, 106, 111, 112,117,118,147,148,152,169, 176, 205, 209, 210, 211, 212, 244, 245 ^«-Passiv, 61, 62 Belebtheit, 32, 33, 35, 40, 46, 47, 145, 183 Benefaktiv, 9, 32, 33, 34, 39, 86, 134 Benefaktivpassiv, 32, 36 Bengali, 33 Besitzverben, 42 Besitzverhältnis, 77 Betonung, 78,118 case-recoverability, 32 Chat, 207, 211 Chinesisch s. Mandarin Chinesisch Chukchee, 46 Comment, 56, 68 constructio ad sensum, 176 Dativobjekt, Kap. II.1.1.2.2.2; 39, 43, 147, 149, 164,165, 166, 168, 169, 187, 205, 207 s. a. Objekt, genetisches Dativpassiv, Kap. II.3.2.1; 44, 48, 216 definiteness e f f e c t , 92 Definitheitseffekt, 181 Demonstrativpronomen, 156 Demotion, Kap. 1.1.2.2; 2, 8, 15, 17, 18, 19, 22, 28, 31, 42, 49, 53, 65, 66

spontan, 18, 19, 112 Deperspektivierung, 64, 65, 66, 67, 244 Desubjektiv, 99, 100, 106, 108, 109, 110,113 Detransitivierung, 8, 22, 28, 29 Deutsch, 11, 16, 17, 19, 23, 28, 32, 39, 49, 50, 51, 55, 59, 64, 65, 71, 78, 83, 91, 95, 103,105,107 Diathese, 8, 9, 25, 26, 27, 28, 31, 53, 200

differentielles Objekt, 33, 37, 40, 46, 137, 144,165

differentielles Subjekt, 39, 40, 45, 86, 96, 110, 137, 138, 139, 140, 142, 144,152,165,167 Diskordanz, 176 Distanzierung, 28, 53, 65, 66, 67, 68 Ditransitiva, 212 Dravidisch, 11 (/»««^-Subjekt, 14,15,16,17 Eintakt-Passiv, 208 Empfindungsimpersonalia, 70, 74, 76 Empfindungsverben, 37, 41 Englisch, 20, 28, 32, 34, 36, 37, 49, 65,105,123,151 Ent-Distanzierung, 65, 66 Entity-Zentralität, Kap. 1.3.3.1, II.2.1.2.1; 114 EntSpezifizierung, 107,134,157,160 Equi-NP-Deletion, 35, 36 Ereignisumkehrung, 165 Ereignisumperspektivierung, 241, 243 Event-Zentralität, Kap. 1.3.3.1, II. 2.1.2.2; 96, 114, 132, 156, 157, 160,182,186,191, 218, 223 Evidentialität, 52, 53, 89 Existenzverben, 78 Experiencer, 37, 41, 42, 70, 76, 77, 157, 158, 182,183, 184, 185, 187, 189,190,193, 223, 225, 228, 231, 238 Faktizität, 195 Faktum, 128,195, 200, 201, 235 Festlandskandinavisch, 94 figura etymologica, 208 Final 1 Law, 15 Finnisch, 12, 13, 18,19, 29, 31, 38, 55, 72, 73,109,110,113,137 Finno-Ugrisch, 11, 33, 42, 58 Flämisch, 49, 50 Flexionsschwund, 162 Florentinisch, 53 Focus, 25, 26, 56 foregrounding, 29 Fragesatz, 192 Französisch, 92, 98,156,166,177 französischer Einfluss, 207 freie Wortstellung, 123

Sach- und Sprachenregister

Frühneuhochdeutsch, Kap. II.3; 163, 179 Funktionsverbgefüge, 208, 236 Futur, 197, 200 Gälisch, 156 gedeckte Spitzenstellung, 192 Gegenwartsbezug, 196, 197 Gegenwartsdeutsch, 154, 180, 192, 195,196,198, 203, 204, 206, 208, 214, 215, 217, 218, 223 gelegentliche Impersonalien, 160,161 generalisierte Subjektkonstruktion, Kap. 1.4; 3, 73, 97, 98, 99, 100, 104, 106, 107,108, 109, 110, 111, 112,113,117,118, 244,245, generalisiertes Objekt s. Objekt, genetisches generalisiertes Subjekt s. Subjekt, genetisches Generalisierung s. Generizität Generizität, 53, 54, 55, 67, 71, 153, 154,155,161 Genesis, 123 Genitivobjekt, Kap. II.l.1.2.2.1; 142, 143,146, 149, 164, 165, 166,169, 187, 205 s. a. Objekt, genetisches Genitivpassiv, 44, 48 Genitivschwund, 140 Genus verbi, 2, 7, 8, 9,10, 13, 74 Germanisch, 101,191 Gerundivum, 150 Geschehenskonstruktion, 82, 84, 89, 95,116 Geschehenssemantik, 69, 70, 74, 78, 82, 241 Geschehensverben, 90, 100, 101, 114, 161 gesprochene Sprache, 211, 215 s. a. Chat Gleichzeitigkeit, 128 Gotisch, 75, 103,140 Grammatikalisierung, 100, 110, 120, 136,195, 196,197, 214 grammatisches Subjekt, 35, 36, 37, 56 Griechisch, 11, 32, 43, 44, 47, 72, 107, 208

271

^ » - P e r f e k t , 120 Handlungskonstruktion, 82, 242 Handlungsnachzustand, 125, 128,130 Handlungssemantik, 45, 69, 70, 81, 84,101, 242 Handlungsträger, 125,131 Handlungsverben, 40, 42, 44, 52, 55, 85, 95, 100, 114, 121, 126, 165, 183,191 Hauptsatz, 154 Hausa, 83 Hebräisch, 46 Heliand, 123 Hierarchie semantischer Rollen, 32 Hierarchie syntaktischer Funktionen, 32 Hierarchie syntaktischer Relationen, 18, 65 Hilfsverben, 1, 9, 101, 109, 110, 194, 214 Hindi, 33 Höchstalemannisch, 119 Höflichkeit, 24, 28, 54, 56 Idiomatisierung, 165,167 Imperativ, 71, 78 Imperfekt, 196,198 imperfektive Verben, 106, 128, 129, 131,163,164,194,196 Imperfektivität, 140, 141, 196 Impersonale, 3, 22, 25, 31, 53, 54, 55, 67,112,117, 244 Inaktivität, 94, 100 (In)definitheit, 33, 35, 46, 56, 57, 58, 140, 211,212 Indexikalisierung, 71, 72, 113, 132 Indexikalität, 54, 55, 153, 154, 155 Indisch, 75 Indoeuropäisch, 9, 11, 143, 191 indoeuropäische Sprachen, 34, 35, 37, 42, 44, 56, 58, 75, 94, 100, 101, 157,196 Indonesisch, 9 Inferential, 52, 89, 90 Infinitiv, 149, 150, 181, 197, 212, 215, 216, 217, 222, 237 Ingressivität, 125,126

272

Sach- und Sprachenregister

Inkongruenz, 123, 174, 175, 176, 179, 180, 186, 192, 208, 210, 211, 236, 244 reine, 177,178,180 inkrementelle Verben, 201 Innenperspektive, 69, 81 inneres Objekt, 47, 48, 106 s. a. Objekt, inkorporiertes intransitive Verben, 11, 18, 26, 42, 49, 120, 151, 167, 208, 218, 220, 221, 222 objekthaltig, Kap. II. 1.1.2.2; 1, 5, 43, 86, 96, 136, 162, 165, 170, 171, 174, 205, 206, 219, 245 objekdos, 1, 5, 10, 47, 86, 96, 105, 118, 153, 156, 162, 170, 172, 173, 174, 181, 188, 206, 207, 209, 210, 244, 246 Irisch, 13, 48, 49, 51, 81, 89, 90, 93 Isidor, 119, 122, 123, 125, 147, 148, 150,151 Isländisch, 9, 36, 75 Italienisch, 23, 25, 28, 53, 71, 78, 93, 97, 98, 99, 106, 123, 149, 174, 244 Japanisch, 24, 32, 49, 51, 54, 61, 76, 100 Kannada, 85 Kasusalternation, 137, 147 Kasusrahmen, 57, 58, 63 Kategorizität, 95,114, 241 Kausativ, 8,109 Kausativität, 75 Keltisch, 27, 42,156 Kimbundu, 107, 108 klassisches Griechisch, 43, 44, 47 klassisches Latein, 44,111 Kollektivität, 176,177, 180 Komitativ, 176,177 Kongruenz, 34, 35, 40, 43, 44, 47, 59, 96,119,120,121 externe, 176 grammatische, 176, 192 Konjunktion, 176, 178,180 Kontrolle, 7, 24, 49, 67, 79, 89

Kopula, 74, 75, 78, 101, 119, 120, 125,150, 190 Kopula + Prädikativum, 119, 131, 156 Koreanisch, 61 Lakota, 72 Lanzelet, 167 Latein, 11, 12, 23, 28, 44, 45, 48, 54, 75,111,208, 244 lateinischer Einfluss, 148, 151, 152, 153,156,181 Leningrader Schule, 8, 25 Lex salica, 132 Lexikalisierung, 144 Litauisch, 49, 50, 51, 52, 53, 89, 90, 93 logische Prädikate, 77, 78, 120, 121 logische Sätze, 123, 124, 135, 136, 150,156,165 logisches Subjekt, 35 Luther, 179 Makro valenz, 153, 154,155 Mandarin Chinesisch, 35, 57, 62, 90, 91,101 man-Sitze, 3, 22, 23, 29, 70,191, 241 Marathi, 85,117 Masai, 107 Medium, 220 meteorologische Sachverhalte, 74 meteorologische Vorgänge, 183 Mikrovalenz, 71, 72, 73, 153, 154 Mittelenglisch, 151 Mittelfeld, 208 Mittelhochdeutsch, Kap. 11.2; 103, 140, 143, 148, 151, 156, 201, 203, 204, 206, 208, 214, 216, 221, 222, 245, 246 Mittelkonstruktion, 220, 221, 222 Mittellatein, 45, 111 Mittelniederländisch, 123, 205 Mittelphase, 197 modales Passiv, Kap. II. 1.2, II.2.2; 3, 86, 212 Modalität, 216, 219, 220, 221 Modalverben, 197, 204 Möglichkeit (Modalität), 150, 216, 217, 218, 219, 220

Sach- und Sprachenregister

Mongolisch, 33 Monseer Fragmente, 123 Murbacher Hymnen, 151,152, 153 Muspilli, 124, 135,145 nachklassisches Latein, 111 Nachphase, 124,197,198 Nachzustand, 124, 126, 127, 128, 130, 131, 194 Nahuad, 30, 66,108,109 Nebensatz, 120,133,150, 154, 214 Negation, 39 Nepali, 49, 50, 53 Neufranzösisch, 156 Neugriechisch, 72, 107 Neuhochdeutsch, 119, 130, 132, 150, 156, 161, 164, 174, 177, 179,183, 245, 246 Neuisländisch, 9, 36 Neuitalienisch, 99 Neuniederländisch, 205 Nibelungen, 186,187,190,191 Niederländisch, 11, 14, 15, 23, 39, 49, 50, 61, 92,123,169, 205, 245 Niger-Kongo, 11, 58 Nilo-Saharisch, 11,107 Nomina propria, 93 Norwegisch, 93, 94, 104, 119, 175, 245 Notker, 120, 127, 129, 134, 135, 139, 140, 141, 142, 143, 145, 146,151, 152,153,160 Notwendigkeit (Modalität), 150, 216, 217 Numeralia, 176,177, 178 Oberdeutsch, 199 Objekt s. a. beibehaltenes (direktes) Objekt genetisches, 98, 142, 143, 96, 103, 147, 153, 170, 171, 188, 206, 218, 244 inkorporiertes, 174, 175, 208, 209, 210, 211, 244 s. a. inneres Objekt Standard-, 38 Objektkonversion, 2, 242

obliques Objekt, 8, 9, 23, 28, 54, 116, 244 okkasionelle Ereignisverben, 224, 225 Otfrid, 120, 121, 122, 123, 132, 135, 140, 141, 142, 143, 145, 1$9

273 110, 182, 133, 146,

Partitiv, 38, 39, 136, 137,138, 139 Partizip Perfekt, 101,121,124 Partizipantenveränderung, Kap. 1.3.2; 242, 244 Partizipatum, 69, 70, 71 Parzival, 166, 167, 168, 171, 172, 173, 174, 176, 179, 183, 187, 188, 195, 196, 203, 204, 214 Passiventwicklungsschema, 97, 103, 105 Passivität, 121, 131 Passivkontinuum, 47, 86, 88, 162, 170, 211,243 Passivperiphrasen, Kap. II.3.2.2; 2, 3, 120, 218 Passiwarianten, Kap. II.3.2; 2 Patiens, 9, 31 Patiens-Fokussierung, 30 Patiens-Topikalisierung, 28 Perfekt, 120, 197, 198, 199, 200, 202, 203 nicht-perfektisches, 200 perfektive Verben, 101, 102, 106, 124, 128,130,163,194,196 Perfektivität, 140,141, 195 Perfektpassiv, 203 Periphrasierung, 119, 120, 129, 130, 131, 136, 138, 139, 150, 156, 162, 163, 165, 171, 181, 194, 195, 201, 229, 230, 231, 232, 234 periphrastisches Passiv, 100 Persisch, 32 Personalendung, Kap. II.1.3; 54 Personalpronomen, Kap. II. 1.3; 54, 71, 72, 93, 109, 132, 133, 154, 155 Perspektivierungsveränderung, 3 Phasenopposition, 124, 197 Plusquamperfekt, 197, 198, 200, 202, 235

274

Sach- und Sprachenregister

Polnisch, 12, 23, 28, 38, 39, 104 Portugiesisch, 98, 99, 113, 123, 174, 244 Potentialität, 24, 2 5 Prädikation, 56 prädikative Struktur, 123 Prädikativum, 74, 75, 101, 103, 120, 1 2 1 , 1 3 1 , 1 3 6 , 138, 150, 1 5 6 , 1 6 2 , 1 6 5 , 1 8 1 , 1 9 0 , 203 Prädikatsnomen, 1 2 0 , 1 6 1 , 1 9 0 präparatives es, 189 Präpositionalobjekt, 140, 147, 148, 164, 165, 1 6 7 , 1 6 9 , 1 8 4 , 187, 205, 206, 2 3 5 Präpositionalphrase, 2 Präsens, 1 6 3 , 1 9 6 , 1 9 7 , 2 0 2 Präsentativität, 9 6 , 1 7 5 , 181, 212, 237 Präsentativsätze, Kap. II.2.3.2; 91, 93, 96, 103, 105, 118, 175, 181, 227, 233, 237, 239, 242, 243, 244, 245, 246 Präteritum, 124, 126, 163, 199, 200, 2 0 2 Präteritumschwund, 2 0 0 Präteritumslinie, 2 0 0 primäre Thetizität, Kap. II.1.4, II.2.3.1; 95, 101, 120, 1 2 2 , 1 2 4 pro-drop, Kap. II.1.3; 71,

196, 198,

I. 3.3.1, 102, 116, 132, 133,

134, 241, 242, 2 4 5 Promotion, Kap. 1.1.2.1; 2, 8, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 22, 31, 34, 65, 66 Prozessbedeutung, 163 Prozessualität, 106, 120, 126, 128, 129, 130, 164, 194, 195, 201, 203, 232 pseudotransitive Verben, 78, 79 Pseudotransitivität, 42 psychologisches Prädikat, 56, 6 8 psychologisches Subjekt, 35, 56, 68 Raising, 35, 36 Reanalyse, 110, 190, 191, 192, 2 1 6 referentielle Determination, 154, 155, 231 reflexive Verben, 167, 168, 169, 2 1 0 Reflexivkonstruktion, 219, 220, 221

Reflexivpassiv, 5 , 1 6 9 , 210, 2 2 0 Reflexivpronomen, 86, 94, 106, 167, 210, 215, 219, 223 Reim, 1 7 6 , 1 7 9 Relationale Grammatik ( R G ) , 13, 14, 16,17 Relativpronomen, 124 Relevanzmerkmal, 1 9 8 , 1 9 9 , 200, 2 0 2 Resultativ, 1 0 2 , 1 0 3 , 1 2 4 , 125 Resultativität, 1 0 1 , 1 0 6 , 1 2 4 , 1 6 4 , 1 9 4 Resultativpassiv, 201, 204, 2 3 5 Rezipient, 32, 33, 34, 39, 86, 1 3 4 , 1 4 3 , 158, 2 1 4 Rezipientenpassiv, 2, 32, 36, 37, 213 Rhema, 56, 68, 76, 91, 92, 9 3 Romanisch, 101 romanische Sprachen, 94, 95, 106, 198, 220, 221, 2 4 4 Rückstufung, 2, 8, 1 3 , 1 5 , 65, 112, 2 4 2 s. a. D e m o t i o n Rumänisch, 33 Russisch, 11, 12, 17, 39, 69, 72, 75, 76, 77, 79, 8 3 , 1 5 4 , 1 7 6 SAE-Sprachen, 42, 82 Sanskrit, 32 Satzaussage, 34, 56, 68, 6 9 , 1 1 4 Satzgegenstand, 34, 35, 56, 68, 114

69,

Scheinsubjekt, 75, 80, 115, 156, 158, 159,161,182,183,188, 189,192, 193, 223, 225, 237, 238, 239, 2 4 5 Schwedisch, 32 SE-Diathese, 25, 26 /«'»-Passiv, 201 /«»-Perfekt, 122 sekundäre Thetizität, Kap. 1.3.3.2; 95, 100, 102, 106, 110, 116, 118, 121,

150, 156, 161, 163, 165, 183, 191, 216, 220, 242, 2 4 5 semantische Rollen, Kap. 1.2.1; 8, 29, 58,61 Semitisch, 58 ίί-Passiv, 40, 86 Serbisch, 153 Serbokroatisch, 77 Shona, 11 Singhalesisch, 4 9

Sach- und Sprachenregister Situationsgebundenheit, 71, 85 Skandinavisch, 104 skandinavische Sprachen, 94,103 Slavisch, 79, 101 slavische Sprachen, 33, 76, 94, 95, 106,198 Spanisch, 12, 23, 28, 33, 38, 40, 46, 86, 93,144, 221, 244 Spontaneität, 24, 25, 83, 95 Sprechzeitpunkt, 196, 197, 198, 199, 202

Stativität, 20 Stimulus, 41, 75, 76, 77, 78, 79, 83, 84, 95, 102, 110, 156, 158, 159, 183, 184, 203, 219 Stratal Uniqueness Law, 15, 16 Stratum, 14,15,16 Subjekt, Kap. 1.2.2 s. a. grammatisches Subjekt s. a. logisches Subjekt s. a. psychologisches Subjekt externes, 148,158,160,182, 241 generisches, 2, 86, 96, 105, 113, 132, 135, 158, 159, 160, 162, 170, 171, 182, 183, 184, 188, 205, 241, 242 morphologisches, 36 Thematisches, 98, 99, 118, 123, 174,175,185,186,192, 245 spezifisches, 108, 241 syntaktisches, 36, 37 Subjektdefinition, 35 Subjektdegradierung, 181, 244 Subjektivierung, 37, 77, 80, 82, 107, 111,117,118,183, 207, 208,223, 231 Subjektkonversion, 2, 3, 34, 42, 242 subjekdoses Passiv, 1, 2, 88,117 subjektprominente Sprachen, Kap. 1.3.1; 35 Subjektsprachen, Kap. 1.3.1; 63, 69, 82, 90 Synesis, 176,177, 178 syntaktische Funktionen, Kap. 1.2.1; 8, 29, 35 syntaktisches es, 189 Synthetisierung, 139

275

Tagalog, 61 Taramahua, 11 Tatian, 120, 121, 122, 123, 127, 133, 134,135,140,142,150, 152,160, 164 Tempussystem, 196, 200 Passiv, 200 Thema, 56, 68 Tok Pisin, 64 Topik, 20, 21, 22, 26, 27, 34, 35, 51, 56, 57, 58, 59, 61, 63, 68, 78, 91, 92, 93, 96,118,159 Topikalisierung, 59 Topikalität, 7, 34 Topik-fj-, 175, 181, 185, 188, 189,191, 192, 193, 212, 217, 219, 223, 225, 226, 237, 242, 245 topiklose Sätze, 91 Topikmarker, 190, 191 topikprominente Sprachen, Kap. 1.3.1; 35 Topiksprachen, Kap. 1.3.1; 35, 61, 69, 90 Topologie, 56, 59 transitive Verben, 1, 11, 26, 27, 42, 63,121,131,150, 181 absolute (intrans.) Verwendung, Kap. II I. 1.2.1; 2, 11, 86, 132, 161, 170, 171, 174, 185, 188, 205, 207, 222, 245 Transitivität, Kap. 1.2.3 morphosyntaktische, 44 semantische, 45, 48, 81, 82,114 Transitivitätsgrad, 46 Türkisch, 11, 16, 23, 33, 49, 50, 51, 100 türkische Sprachen, 81 Übermarkierung, 188 Umperspektivierung, 65, 66, 67, 117 Ungarisch, 39 unpersönliche Konstruktionen, 3 uralische Sprachen, 81 Ute, 13, 20, 21, 22, 29, 31, 55, 73 Uto-Aztekisch, 11 Valenz, 58, 60, 63, 214 fakultative, 64

276

Sach- und Sprachenregister

Valenzminderung, 8 Valenzrahmenwechsel, 8, 22, 29 Addition, 64 Subtraktion, 64 Verbaladjektiv, 101 Verbalkomplex, 119, 131, 139, 144, 147, 156, 162, 165, 171, 181, 208, 216, 230, 232 Verbalsubstantiv, 149 Verbnachstellung, 178,179 Verbspitzenstellung, 93, 185, 191, 192, 242, 245 Verbvoranstellung, 178,179,180 Verbzweitstellung, 185,192, 245 Vergangenheit, 196, 203 Vergangenheitstempus, 198,199 Vollverb, 190

vorklassisches Latein, 44,111 Vorphase, 195, 200, 201 Vorstufung, 2, 8, 12, 15, 18, 34, 65, 242 s. a. Promotion Vorzeitigkeit, 128

Vorgangspassiv, 1, 106, 107, 119, 130, 131,194,200, 2 0 1 , 2 0 2 , 2 0 4 Vorgangsperfekt, 202 Vorgangsse, 202mantik, 41 Vorgangsverben, 41, 42, 43, 51, 52

Zukunftsbezug, 196 Zustandspassiv, 1, 106, 107, 119, 147, 195,196, 201, 202, 203, 204 Zustandspräsens, 202

Walisisch, 43, 67 Walliserdeutsch, 119 awi/?»-Perfekt, 122 Witterungsausdrücke, 69 Witterungsvorgänge, 155,159 Wogulisch, 83 Wortbildung, 223 Yuman, 11