Das Umweltrecht des Auslandes [1 ed.] 9783428483556, 9783428083558


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German Pages 380 Year 1995

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Das Umweltrecht des Auslandes [1 ed.]
 9783428483556, 9783428083558

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MICHAEL KLOEPFER · EKKEHART MAST

Das Umweltrecht des Auslandes

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Mich a e I K I o e p f er, Berlin

Band 55

Das Umweltrecht des Auslandes

Von

Prof. Dr. Michael Kloepfer Ekkehart Mast

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kloepfer, Michael: Das Umweltrecht des Auslandes I von Michael Kloepfer ; Ekkehart Mast. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 55) ISBN 3-428-08355-5 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-08355-5

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Vorwort Mit der globalen Ausbreitung der Umweltschutzidee in den vergangenen funfundzwanzig Jahren haben sich in vielen Staaten der Welt eigene Umweltrechtsordnungen- teilweise in sehr schnellem Wachstum- herausgebildet. Unterschiedliche ökologische, wirtschaftliche und politische Grundvoraussetzungen in den verschiedenen Staaten lassen eine große Vielfarbigkeit der Umweltrechtssituation des Auslandes erkennen. Dies gilt besonders dann, wenn nicht nur die Normentexte, sondern auch die unterschiedlichen Qualitäten des Rechtsvollzugs in den einzelnen Staaten betrachtet werden. Umgekehrt zeigt sich auch hier das eigentliche Faszinosum der Rechtsvergleichung, daß bei aller Unterschiedlichkeil normativer Ansätze doch im Gesamtergebnis häufig in etwa vergleichbare Steuerungsstrukturen und -konsequenzen erkennbar sind. Dies hat für die Umweltrechtsvergleichung seinen Grund u. a. in der prinzipiellen Ähnlichkeit vieler Umweltprobleme einschließlich ihrer Ursachen sowie Lösungsmöglichkeiten. Ein weiterer wesentlicher Grund hierfür ist die wechselseitige gedankliche Durchdringung der Umweltrechtsordnungen im Sinne eines weltweiten Im- und Exports umweltrechtlicher Ideen. Der Erfolg solcher grenzüberschreitenden Inspirationen von Umweltrecht setzt maßgeblich die Kenntnis ausländischer Umweltrechtsordnungen voraus. Hierzu will die vorliegende Schrift einen Beitrag leisten, indem sie die Umweltrechtsordnungen von zweiundzwanzig Staaten behandelt, die für die Umweltrechtsvergleichung von besonderem Interesse sind. Die Schrift legt in der Regel den Rechtszustand vom Frühjahr 1994 zugrunde. Das Vorhaben zu einer Darstellung des ausländischen Umweltrechts hatten wir im Institut für Umwelt- und Technikrecht an der Universität Trier seit vielen Jahren verfolgt. Dabei vermittelten uns die Gespräche mit den zahlreichen ausländischen Gästen des Instituts vielfältige wertvolle Informationen und Einsichten. Angesichts der schnellen Ausweitung und Veränderungen der verschiedenen nationalen Umweltrechtsordnungen, vor allem aber angesichts des außerordentlichen Umfangs der Aufgabe gab es auch Momente des Verzagens bei der Vollendung dieser Schrift. Unser Wechsel nach Berlin hätte aufgrund der Bibliotheksverhältnisse an der Humboldt-Universität zu Berlin das Projekt fast zum Scheitern gebracht. Die Darstellung der Umweltrechtsordnungen vor allem wichtiger Schwellen- und Entwicklungsländer (u. a. Mexiko, Argentinien, Ägypten, Nigeria, Indien, China und Korea) stand damals noch aus und konnte von Berlin aus nicht mehr bewältigt werden. Nur ein schmerzhafter Schnitt, d. h. der Verzicht auf die Darstellung dieser Rechtsordnungen, konnte unter den gegebenen Umständen das Gesamtprojekt noch retten. Die Schwel-

6

Vorwort

len- und Entwicklungsländer sind somit lediglich durch die Umweltrechtsordnungen Brasiliens und Kolumbiens vertreten. Auch bei der Darstellung des Umweltrechts der ehemals sozialistischen Staaten waren wesentliche Abstriche unvermeidbar, hier vor allem aber wegen der epochalen politischen Umbruchsituation, die auch die jeweiligen Umweltrechtsordnungen voll erfaßt hat. Vielleicht lassen sich diese Lücken einmal in künftiger Zeit beseitigen. Bis dahin wollten wir allerdings nicht warten, weil die vorliegende Darstellung des Umweltrechts vor allem der ("westlichen") Staaten Europas, Nordamerikas, Japans, Australiens und Neuseelands schon jetzt den vergleichenden Einblick in die Umweltrechtsordnungen im wesentlichen ähnlich strukturierter Staaten ermöglicht. Auch diese Darstellungen können freilich nur ein Anfang sein fiir eine umfassendere Umweltrechtsvergleichung als eine letztlich internationale Disziplin im Sinne einer ausgreifenden Vergleichung umweltrechtlicher Prinzipien, Instrumente und Verfahren der Umweltrechtsordnungen der Welt.

Berlin, im Dezember 1994

Michael K/oepfer

Ekkehart Mast

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung

25

A. Grundfragen der Umweltrechtsvergleichung....................................................... 25 I. Umweltrechtsvergleichung als Vergleichung von öffentlichem Recht.. ......... 25 II. Umweltrechtsvergleichung als Mittel der internationalen Harmonisierung ... 27 1. Chancen .................................................................................................. 27 2. Risiken .................................................................................................... 29 B. Methoden, Systematisierungskriterien und Auswahl... ........................................ 30 I. Methoden der Umweltrechtsvergleichung .................................................... 30 II. Systematisierungskritierien ......................................................................... 33 III. Zur Auswahl der V ergleichsobjekte............................................................. 34

2. Kapitel Länderberichte

36

A. Europa ............................................................................................................... 36 I. Mitteleuropa .................................................................................................. 36 1. Schweiz................................................................................................... 36 a) Umweltsituation ........................................................................ ........ 36 b) Umweltrechtsentwicklung ................................................................. 37 c) Verfassungslage ................................................................................ 37 d) Umweltschutzinstitutionen ................................................................ 39 e) Umweltrechtsprinzipien .................................................................... 39 f) Umweltschutzinstnlmente.................................................................. 41 g) Umweltrechtsschutz .......................................................................... 43 h) Umweltrechtsgebiete ......................................................................... 44 aa) Allgemeines Umweltrecht ......................................................... 44 bb) Immissionsschutzrecht .............................................................. 46 cc) Strahlenschutzrecht. ................................................................... 4 7 dd) Abfallrecht ................................................................................ 47 ee) Gefahrstoffrecht ........................................................................ 49 ff) Gewässerschutzrecht .................................................................. 49

8

Inhaltsverzeichnis

gg) Bodenschutzrecht ..................................................................... 50 hh) Naturschutzrecht ....................................................................... 50 i) Gesamtwürdigung .............................................................................. 51 2. Österreich ............................................................................................... 53 a) Umweltsituation ................................................................................ 53 b) Umweltrechtsentwicklung ................................................................. 53 c) V erfassungstage ................................................................................ 54 d) Umweltschutzinstitutionen ................................................................ 57 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................... 58 f) Umweltschutzinstrumente.................................................................. 59 g) Umweltrechtsschutz .......................................................................... 61 h) Umweltrechtsgebiete ......................................................................... 62 aa) Allgemeines Umweltrecht ......................................................... 62 bb) Immissionsschutzrecht .............................................................. 63 cc) Abfallrecht ................................................................................ 66 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................... 67 ee) Gefahrstoffrecht ....................................................................... 68 ff) Gewässerschutzrecht ................................................................. 69 gg) Bodenschutzrecht ...................................................................... 69 hh) Naturschutzrecht ....................................................................... 70 i) Gesamtwürdigung .............................................................................. 71 li. Westeuropa ................................................................................................. . 72 1. Frankreich ............................................................................................... 72 a) Umweltsituation ................................................................................ 72 b) Umweltrechtsentwicklung ................................................................. 72 c) V erfassungstage ................................................................................ 73 d) Umweltschutzinstitutionen ................................................................ 74 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................... 76 f) Umweltschutzinstrumente .................................................................. 78 g) Umweltrechtsschutz .......................................................................... 79 h) Umweltrechtsgebiete ......................................................................... 80 aa) Allgemeines Umweltrecht ......................................................... 80 bb) Immissionsschutzrecht .............................................................. 81 cc) Strahlenschutzrecht. ................................................................... 83 dd) Abfallrecht ................................................................................ 83 ee) Gefahrstoffrecht ........................................................................ 84 ff) Gewässerschutzrecht .................................................................. 85 gg) Naturschutzrecht ....................................................................... 86 i) Gesamtwürdigung .............................................................................. 86 2. Belgien.................................................................................................... 88 a) Umweltsituation ................................................................................ 88 b) Umweltrechtsentwicklung ................................................................. 88

Inhaltsverzeichnis

9

c) Verfassungslage ................................................................................ 89 d) Umweltschutzinstitutionen ................................................................ 90 e) Umweltschutzprinzipien.................................................................... 91 f) Umweltschutzinstrumente.................................................................. 91 g) Umweltrechtsschutz .......................................................................... 92 h) Umweltrechtsgebiete ......................................................................... 93 aa) Allgemeines Umweltrecht ......................................................... 93 bb) Immissionsschutzrecht .............................................................. 94 cc) Strahlenschutzrecht ................................................................... 96 dd) Abfallrecht ................................................................................ 96 ee) Gefahrstoffrecht ........................................................................ 97 ff) Gewässerschutzrecht .................................................................. 97 i) Gesamtwürdigung .............................................................................. 98 3. Niederlande ............................................................................................. 99 a) Umweltsituation ................................................................................ 99 b) Umweltrechtsentwicklung ................................................ ................. 99 c) Verfassungslage .............................................................................. 101 d) Umweltschutzinstitutionen ............................................... ............... 102 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 103 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 104 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 107 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 108 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 108 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 109 cc) Abfallrecht .............................................................................. 109 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 110 ee) Gefahrstoffrecht ...................................................................... 110 ff) Gewässerschutzrecht ................................................................ 111 gg) Bodenschutzrecht .................................................................... 112 hh) Naturschutzrecht ..................................................................... 112 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 113 4. Großbritannien ...................................................................................... 114 a) Umweltsituation ....................................................................... ....... 114 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 114 c) Verfassungslage .............................................................................. 116 d) Umweltschutzinstitutionen ................ .............................................. 116 e) Umweltschutzprinzipien .............. :................................................... 118 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 119 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 121 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 122 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 122 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 123

10

Inhaltsverzeichnis

cc) Abfallrecht .............................................................................. 125 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 125 ee) Gewässerschutzrecht ............................................................... 126 ff) Naturschutzrecht ...................................................................... 126 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 127 111. Nordeuropa ............................................................................................... 129 1. Dänemark.............................................................................................. 129 a) Umweltsituation .............................................................................. 129 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 129 c) V erfassungstage .............................................................................. 131 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 131 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 132 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 134 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 135 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 136 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 136 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 136 cc) Abfallrecht .............................................................................. 137 dd) Gefahrstoffrecht ..................................................................... 138 ee) Gewässerschutzrecht ............................................................... 138 tl) Naturschutzrecht ...................................................................... 138 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 139 2. Schweden .............................................................................................. 140 a) Umweltsituation .............................................................................. 140 b) Umweltrechtsentwicldung ............................................................... 140 c) V erfassungstage .............................................................................. 141 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 141 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 142 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 143 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 144 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 144 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 144 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 145 cc) Abfallrecht .............................................................................. 145 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 146 ee) Gefahrstoffrecht ...................................................................... 147 ff) Gewässerschutzrecht ............................................................... 147 gg) Naturschutzrecht ..................................................................... 147 i) GesamtwOrdigung ............................................................................ 149 N. Südeuropa ................................................................................................. 151 1. Italien.................................................................................................... 151 a) Umweltsituation .............................................................................. 151

Inhaltsverzeichnis

11

b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 151 c) Verfassungslage .............................................................................. 152 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 152 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 153 t) Umweltschutzinstrumente................................................................ 153 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 154 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 155 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 155 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 156 cc) Abfallrecht .............................................................................. 156 dd) Gewässerschutzrecht .............................................................. 157 ee) Naturschutzrecht.. .................................................................... 158 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 158 2. Spanien ................................................................................................. 159 a) Umweltsituation .............................................................................. 159 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 159 c) V erfassungsJage .............................................................................. 160 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 162 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 163 t) Umweltschutzinstrumente................................................................ 163 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 164 h) Umweltrechtsgebiete....................................................................... 165 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 165 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 165 cc) Abfallrecht .............................................................................. 167 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 167 ee) Gefahrstoffrecht ..................................................................... 168 ft) Gewässerschutzrecht ............................................................... 168 gg) Naturschutzrecht ..................................................................... 169 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 169 3. Portugal ................................................................................................ 170 a) Umweltsituation .............................................................................. 170 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 170 c) V erfassungsJage .............................................................................. 171 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 172 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 172 t) Umweltschutzinstrumente................................................................ 173 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 174 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 174 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 174 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 17 5 cc) Abfallrecht .............................................................................. 176

12

Inhaltsverzeichnis

dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 176 ee) Gefahrstoffrecht ..................................................................... 177 ff) Gewässerschutzrecht ................................................................ 177 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 177 4. Griechenland ......................................................................................... 178 a) Umweltsituation .............................................................................. 178 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 178 c) Verfassungslage .............................................................................. 179 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 180 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 181 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 181 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 183 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 183 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 183 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 184 cc) Abfallrecht .............................................................................. 184 dd) Gewässerschutzrecht .............................................................. 185 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 185 V. Osteuropa ................................................................................................... 186 1. Polen ..................................................................................................... 186 a) Umweltsituation .............................................................................. 186 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 186 c) Verfassungslage .............................................................................. 187 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 188 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 189 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 190 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 191 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 192 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 192 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 192 cc) Abfallrecht .............................................................................. 193 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 193 ee) Gefahrstoffrecht ..................................................................... 193 ff) Gewässerschutzrecht ............................................................... 193 gg) Naturschutzrecht ..................................................................... 194 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 194 2. Tschechische Republik .......................................................................... 196 a) Umweltsituation .............................................................................. 196 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 197 c) Verfassungslage .............................................................................. 198 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 199 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 200

Inhaltsverzeichnis

13

f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 201 g) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 202 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 202 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 203 cc) Abfallrecht .............................................................................. 203 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 204 ee) Gewässerschutzrecht ............................................................... 204 ff) Naturschutzrecht ...................................................................... 205 gg) Bergrecht ................................................................................ 206 h) Gesamtwürdigung ........................................................................... 206 3. Rußland................................................................................................. 208 a) Umweltsituation .............................................................................. 208 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 209 c) V erfassungstage .............................................................................. 210 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 211 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 211 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 212 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 213 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 213 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 213 bb) Strahlenschutzrecht ................................................................. 214 cc) Gewässerschutzrecht ............................................................... 214 dd) Bergrecht ................................................................................ 214 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 215 B. Amerika ........................................................................................................... 216 I. Nordamerika ................................................................................................ 216 1. Vereinigte Staaten von Amerika ............................................................ 216 a) Umweltsituation .............................................................................. 216 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 217 c) V erfassungstage .............................................................................. 218 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 219 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 220 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 222 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 224 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 227 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 227 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 229 cc) Strahlenschutzrecht.. ................................................................ 231 dd) Abfallrecht .............................................................................. 232 ee) Gefahrstoffrecht ...................................................................... 234 ff) Gewässerschutzrecht ................................................................ 235

14

Inhaltsverzeichnis

gg) Natur- und Bodenschutzrecht .................................................. 237 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 239 2. Kanada .................................................................................................. 241 a) Umweltsituation .............................................................................. 241 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 242 c) V erfassungstage .............................................................................. 242 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 244 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 245 f) Umweltschutzinstnunente................................................................ 245 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 247 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 248 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 248 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 250 cc) Abfallrecht .............................................................................. 250 dd) Gefahrstoffrecht ..................................................................... 250 ee) Gewässerschutzrecht ............................................................... 251 ff) Bodenschutzrecht ..................................................................... 252 gg) Naturschutzrecht ..................................................................... 252 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 252 II. Lateinamerika ............................................................................................ 254 1. Brasilien................................................................................................ 254 a) Umweltsituation .............................................................................. 254 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 255 c) Verfassungslage .............................................................................. 255 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 256 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 257 f) Umweltschutzinstnunente................................................................ 258 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 259 h) Umweltrechtsgebiete....................................................................... 260 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 260 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 261 cc) Abfallrecht .............................................................................. 261 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 262 ee) Natur- und Artenschutzrecht .................................................... 262 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 262 2. Kolumbien ............................................................................................ 264 a) Umweltsituation .............................................................................. 264 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 264 c) V erfassungstage .............................................................................. 266 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 266 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 267 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 268

Inhaltsverzeichnis

15

g) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 268 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 268 bb) Abfallrecht .............................................................................. 269 cc) Gefahrstoffrecht ..................................................................... 269 dd) Naturschutzrecht ..................................................................... 270 ee) Bergrecht................................................................................. 270 h) Gesamtwürdigung ........................................................................... 270 C. Japan, Australien und Neuseeland .................................................................... 272 1. Japan ..................................................................................................... 272 a) Umweltsituation .............................................................................. 272 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 272 c) Verfassungslage .............................................................................. 275 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 276 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 276 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 278 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 282 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 283 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 283 bb) lnunissionsschutzrecht ............................................................ 283 cc) Abfallrecht .............................................................................. 285 dd) Strahlenschutzrecht ................................................................. 285 ee) Gefahrstoffrecht ..................................................................... 286 ff) Gewässerschutzrecht ............................................................... 286 gg) Bodenschutzrecht .................................................................... 286 hh) Naturschutzrecht ..................................................................... 286 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 287 2. Australien ............................................................................................. 288 a) Umweltsituation .............................................................................. 288 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 288 c) Verfassungslage .............................................................................. 290 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 292 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 292 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 293 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 294 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 295 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 296 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 297 cc) Abfallrecht .............................................................................. 298 dd) Gewässerschutzrecht .............................................................. 298 ee) Gefahrstoffrecht ...................................................................... 299 ff) Naturschutzrecht ...................................................................... 299

16

Inhaltsverzeichnis

i) Gesailltwürdigung ............................................................................ 300 3. Neuseeland............................................................................................ 301 a) Umweltsituation .............................................................................. 301 b) Umweltrechtsentwicklung ............................................................... 301 c) V erfassungsJage .............................................................................. 303 d) Umweltschutzinstitutionen .............................................................. 304 e) Umweltschutzprinzipien .................................................................. 305 f) Umweltschutzinstrumente................................................................ 306 g) Umweltrechtsschutz ........................................................................ 307 h) Umweltrechtsgebiete ....................................................................... 307 aa) Allgemeines Umweltrecht ....................................................... 307 bb) Immissionsschutzrecht ............................................................ 308 cc) Abfallrecht .............................................................................. 308 dd) Gefahrstoffrecht ..................................................................... 309 ee) Naturschutzrecht. ..................................................................... 309 i) Gesamtwürdigung ............................................................................ 310

3. Kapitel

Sehlußfolgerunaen

311

A. Allgemeines ..................................................................................................... 311

B. Rechtskreisspezifische Entwicklungstendenzen ................................................ 312 I. Rechtskreis des Common Law ................................................................... 313 II. Romanischer Rechtskreis........................................................................... 314 111. Nordischer Rechtskreis ............................................................................. 315 IV. Deutscher Rechtskreis ............................................................................... 316 V. Ehemals sozialistischer Rechtskreis........................................................... 317 C. Rechtskreisübergreifende Unitarisierungstendenzen in der Umweltrechtsentwicklung? ................................................................................................... 318 I. Der Einfluß des inter- bzw. supranationalen Rechts ................................... 318 li. Beispiele filr Harmonisierungstendenzen ................................................... 319 111. Beharrungselemente .................................................................................. 321 D. Rechtspolitischer Ertrag - insbesondere filr eine mögliche Kodifikation des Umweltrechts ............................................................................................ 321 I. Allgemeines............................................................................................... 321 II. Kodifikationsvarianten .............................................................................. 323 III. Regelungsimpulse für das deutsche Recht ................................................ 325

Inhaltsverzeichnis

17

E. Perspektiven ..................................................................................................... 327 I. Die Bewältigung globaler Umweltprobleme durch das Völkerrecht ............ 327 li. Zur Zukunft der Umweltrechtsvergleichung ............................................... 329 1. Bedeutungsanstieg der Umweltrechtsvergleichung ................................ 329 2. Exkurs: Wechselseitige Durchdringung der Umweltrechtsordnungen .... 329 a) Räumliche Durchdringung............................................................... 329 b) Zeitliche Durchdringung ................................................................. 332 c) Vertikale Durchdringung ................................................................. 333 d) Völkerrecht und einzelstaatliches Recht. ......................................... 333 e) Staatliche und gesellschaftliche Regeln ........................................... 3 34 3. Ausblick................................................................................................ 334

Llteraturven:elchnls

336

I. Allgemeine Literatur ......................................................................................... 336 li. Einzelne Länder ............................................................................................... 340 1. Australien ................................................................................................... 340 2. Belgien ....................................................................................................... 341 3. Brasilien ..................................................................................................... 342 4. DäneD18J"k ................................................................................................... 343 5. Frankreich ................................................................................................... 344 6. Griechenland ............................................................................................... 347 7. Großbritannien ............................................................................................ 348 8. Italien ......................................................................................................... 350 9. Japan........................................................................................................... 353 10. Kanada ...................................................................................................... 355 11. Kolumbien ................................................................................................ 357 12. Neuseeland................................................................................................ 357 13. Niederlande ............................................................................................... 358 14. Österreich ................................................................................................. 361 15. Polen ......................................................................................................... 365 16. Portugal .................................................................................................... 366 17. Rußland..................................................................................................... 367 18. Schweden .................................................................................................. 368 19. Schweiz..................................................................................................... 369 20. Spanien ..................................................................................................... 372 21. Tschechische Republik .............................................................................. 373 22. Vereinigte Staaten von Amerika ................................................................ 374

2 Kloopfer/Mast

Abkürzungsverzeichnis

A.C. ALJ ALR ANEME ANZEC

ARAB AS Awb AWG

BAlNEEC BBl. BGBl BGE BMUJF BPEO BRMB B.S.

BUWAL BV B-VG B.W. c. CADA

c.c.

CCME C.E. CEPA

C.F.R

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CF

CIMA eh.

Appeal Cases (Kanada) Australian Law Journal Australian Law Reporter Agence de l'environnement et de la maitrise de l'energie (Frankreich) Australian and New Zealand Environment Council Algemeen Reglement voor de Arbeidsbescherming (Belgien) Amtliche Sammlung der eidgenössischen Gesetze Algemene Wet Bestuursrecht (Niederlande) Abfallwirtschaftsgesetz (Österreich) Best available techniques not entailing excessive costs (Großbritannien) Bundesblatt (Schweiz) Bundesgesetzblatt (Österreich) Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichtshofs Bundesministerium filr Umwelt, Jugend und Familie (Österreich) Best practicable environmental option (Großbritannien) Butterworths Resource Management Bulletin (Neuseeland) Belgisch Staatsblad Bundesamt filr Umwelt, Wald und Landschaft (Schweiz) Schweizerische Bundesverfassung Bundes-Verfassungsgesetz (Österreich) Burgerlijk Wetboek (Belgien) chapter Commission d'Acces aux Documents Administratifs (Frankreich) Code Civil (Belgien) Canadian Council of Ministers ofthe Environment Conseil d'Etat (Frankreich) Canadian Environmental Protection Act Code ofFederal Regulations (USA) Council on Environmental Quality (USA) Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (USA) Constitui~ao da Republica Federativa (Brasilien) Comisi6n Interministerial de Medio Ambiente (Spanien) chapter

Abkürzungsverzeichnis CL

CLR CO C02 CONAMA CoPA COx

CPSA

CRM

CSFR DASETT DDT DoE D.P.R. Dz.U.

EC

Ed.

EDI EELR EFTA EIA EIS EPA EPL EPLJ EtK

19

Clause Common Law Reporter (Australien) Kohlenmonoxyd Kohlendioxyd Conselho Nacional do Meio Ambiente (Brasilien) Control of Pollution Act 1974 (Großbritannien) Kohlenoxyde Consumer Product Safety Act (USA) Centraale raad Milieubeheer (Niederlande) Tschechische Sozialistische Föderative Republik Commonwealth Department of Arts, Sport, the Environment, Tourism and Territories (Australien) Dichlordiphenyltrichlorä.than Department ofthe Environment (Großbritannien) Decreto del Presidente della Republica (Italien) Dziennik Ustaw Polskiej Rzeczypospolitej Ludowej (Gesetzblatt der Volksrepublik Polen) Environment Canada Edition Eidgenössisches Departement des Innern (Schweiz) European Environmental Law Review European Free Trade Association Estudo de Impacto Ambiental (Brasilien) Environmental Impact Statement (USA) Environmental Protection Act 1990 (Großbritannien), Environmental Protection Agency (USA) Environmental Policy and Law Environmentaland Planning Law Journal (Australien) Efimerida tis Kiwernisseos tis ellinikis Dirnokralias (Regierungsbulletin der Griechischen Repubik)

FAO FFDCA FIFRA FOIA ForstG FWPCA

Food and Agriculture Organization ofthe United Nations Federal Food, Drug and Cosmetic Act (USA) Federal Insecticide, Fungieide and Rodenticide Act (USA) Freedom of Information Act (USA) Forstgesetz (Österreich) Federal Water Pollution Control Act (USA)

GSchG

Bundesgesetz über den Schutz der Gewä.sser (Schweiz)

Hastings Int'l & Comp. L. Rev. HdUR HELR

Hastings International and Comparative Law Review Handwörterbuch des Umweltrechts Harvard Environmental Law Review (USA)

20 H.L. HMIP HSE

Abkürzungsverzeichnis House of Lords (Großbritannien) Her MaJesty's Inspectorate ofPollution (Großbritannien) Health and Safety Executive (Großbritannien)

JBl. JV

Instituto Brasileire do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renovaveis (Brasilien) International Joint Commission Instituto Nacional de los Recursos Naturales y del Ambiente (Kolumbien) Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung Juristische Blätter (Österreich) Japanische Verfassung

LGBl

Landesgesetzblatt (Österreich)

L.R. LRG-K LRV LSV

Law Reports (Großbritannien) Luftreinhaltegesetz ftlr Kesselanlagen (Österreich) Luftreinhalte-Verordnung (Schweiz) Lärmschutz-Verordnung (Schweiz)

MenR MOG

Tijdschrift Milieu en Recht (Niederlande) Marktordnungsgesetz (Österreich)

MOPT MOPU NAFTA NEPA

Ministeno de Obras PUblicas y de Transporte (Spanien) Mini&terio de Obras l'llblicas y de Urbanizacion (Spanien) North American Free Irade Association National Environmental Policy Act (USA) Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (Schweiz)

IBAMA

JJC INDERENA

IVU

NHG

NOx

Stickstoffoxyde

NRA NRC NRTEE NSPS num.

National Rivers Authority (Großbritannien) Nuclear Regulatory Comrnission (USA) National Round Table on the Environment and the Economy (Kanada) New Source Performance Standards (USA) numero

NZELR NZLR

New Zealand Environmental Law Reporter New Zealand Law Reporter

ÖBIG OECD ÖJZ OPA

Organization for Econornic Co-operation and Development Österreichische Juristen-Zeitung

O. Reg. OSHA O.V.A.M.

Österreichisches Institut ftlr das Gesundheitswesen

Oil Pollution Act (USA) Ontario Regulations Occupational Health and Safety Administration (USA) Oe Openbare Afvalstoffenmaatschappij voor het Vlaamse Gewest (Belgien)

Abkürzungsverzeichnis

21

OzonG ÖZöRV

Ozongesetz (Österreich) Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht

Pos.

Position

RCRA R.D.P. RECLAIM R.F.D.A. RGPT RGW RIMA RIVM

Resource Conservation and Recovery Act (USA) Revue du droit public et de Ia science politique (Frankreich) Regional Clean Air Incentives Market (USA) Revue fran~ise de droit administratif Reglement General pour Ia Protection du Travail (Belgien) Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Relat6rio de Impacto Ambiental (Brasilien) Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieuhygiene (Niederlande) Revue juridique de l'environnement (Frankreich) Resource Management Act 1991 (Neuseeland) Revised Regulations of Ontario Revised Statutes ofCanada Russische Föderative Sozialistische Sowjetrepublik Revised Statutes ofOntario Revised Statutes ofQuebec

R.J.E. RMA R.R.O. R.S.C. RSFSR R.S.O. R.S.Q.

s, s.

SSSI Stb. StOB

section Sbirka zakonu CR (Gesetzblatt der Tschechischen Republik) Statutes of Canada Supreme Court Reports (Kanada) Supreme Court (USA) Symwoulion tis Epikrateias (Griechischer Staatsrat) Svensk Författningssamling (Schweden) Sistema Nacional do Meio Ambiente (Brasilien) Schweizerische Juristenzeitung Schwefeldioxyd Statutory Instrument Regulations (Kanada) Statens offentliga utredningar (Schweden) Systematische Sammlung des Bundesrechts (Schweiz) sections Statutes of Saskatchewan Sites of Special Scientific Interest (Großbritannien) Staatsblad (Niederlande) Strafgesetzbuch (Österreich)

TRI TSCA TVA

Toxics Release Inventory (USA) Toxic Substances Control Act (USA) Technische Verordnung Ober Abfälle (Schweiz)

Sb. S.C. S.C.R. S.Ct. SE SFS SISNAMA SJZ S02 SOR SOU SR

ss.

S.S.

22 UCLA J. Envtl. L. & Pol'y UdSSR UFG UKELA UNEP UNESCO UNO

URP

u.s.

U.S.C.A. USG

UTR

uv

UVP UVP-G UVPV

AbkOIZilngsveneichnis University of California Los Angeles Journal of Environmental Law and Policy Union der sozialistischen Sowjetrepubliken Umweltmrderungsgesetz (Österreich) United Kingdom Environmental Law Association United Nations Environmental Programme United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United Nations Organization Umweltrecht in der Praxis (Schweiz) United States Reports United States Code Annotated Bundesgesetz Ober den Umweltschutz (Schweiz) Umwelt- und Technikrecht Ultraviolett Umweltverträglichkeitsprüfung Bundesgesetz Ober die Prüfung der Umweltverträglichkeit und die Borgerbeteiligung (Österreich) Verordnung Ober die Umweltverträglichkeitsprofung (Schweiz)

VVSSSSR

versus Österreichischer Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und BeschlUsse des Verfassungsgerichtshofs (Österreich) Verordnung Ober Getrllnkeve!packungen (Schweiz) Valutazioee di 1mpMto .AalbietWile (I&Miea) Vlaams Reglement Milieuvergunning (Belgien) De Vlaamse Milieumaatschappij (Belgien) Volatile Organic Compounds Volume Ministerie van Volkshuisvesting, Ruimtelijke Ordening en Milieubeheer (Niederlande) Verordnung Ober Schadstoffe im Boden (Schweiz) Verordnung Ober den Verkehr mit Sonderabfllllen (Schweiz) Vedomosti S"ezda Narodnych Deputatov RF i Verchovnogo Soveta RF (Gesetzblatt der Russischen Föderation) Vedomosti Verchovnogo Soveta RSFSR (Gesetzblatt der Russischen Föderativen Sozialistischen Sowjetrepublik) Vedomosti Verchovnogo Soveta SSR (Gesetzblatt der UdSSR)

WABM Wm WRA WRG

Wet Algemene Bepalingen Milieuhygiene (Niederlande) Wet Milieubeheer (Niederlande) Waste Regulatory Authority (Großbritannien) Wasserrechtsgesetz (Österreich)

Yb. Int'l Env.L.

Yearbook of International Environmental Law

z

Ziffer Zeitschrift fl1r Rechtsvergleichung, internationales Privatrecht und Europarecht (Österreich)

V

VfGH

VfSlg

VGV VIA VLAREM VMM

voc

Vol. VROM VSBo

vvs

VVSRF VVSRSFSR

ZtRV

AbküJZUngsveJZeichnis

Ztv ZtvB ZSR

23

Zeitschrift ftlr Verwaltung (Österreich) Zeitschrift ftlr Verwaltung Rechtsprechungsbeilage (Österreich) Zeitschrift ftlr schweizerisches Recht

Wegen der übrigen Abkürzungen siehe H. Kirchner, AbküJZUngsveJZeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl. Berlin, New York 1993.

1. Kapitel

Einleitung A. Grundfragen der Umweltrechtsvergleichung l Umweltrechtsvergleichung als Vergleichung von öffentlichem Recht

Die zunächst auf dem Gebiete des Privatrechts entstandene Rechtsvergleichungi ist eine zwar noch relativ junge, aber gleichwohl traditionsreiche und insbesondere fiir das Internationale Privatrecht unentbehrliche2 Disziplin. Bedingt durch die transnationalen Bezüge vor allem des öffentlichen Wirtschaftsrechts, aber auch des Technik- und Umweltrechts, gewinnt sie zunehmend auch im öffentlichen Recht an Bedeutung3. Der Umstand, daß Umweltprobleme nicht an den Grenzen eines Staates haltmachen, macht sich nicht nur in wachsenden europa- und völkerrechtlichen Einflüssen auf das Umweltrecht bemerkbar, sondern er bedingt auch dessen markante rechtsvergleichende Dimension. Die - noch wenig durchbildete - Umweltrechtsvergleichung hat die Aufgabe, die verschiedenen Umweltrechtsordnungen der einzelnen Staaten miteinander zu vergleichen und dabei Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede sowie deren Gründe zu beschreiben und zu analysieren. Um dabei allerdings Perspektivverzerrungen von vomherein zu vermeiden, darf sich gerade die Umweltrechtsvergleichung nicht auf eine Betrachtung des bloßen Gesetzestextes verengen, sondern muß auch die tatsächliche Umweltsituation, das politische, historische, wirtschaftliche, rechtliche und administrative Umfeld des Umweltrechts sowie schließlich den Standard des Umweltrechtsvollzugs in ihr Blickfeld einbeziehen. I Allgemein zur Rechtsvergleichung s. etwa Eben, Rechtsvergleichung. Einflihrung in die Grundlagen, Bern 1978; Rheinstein, Einfilhrung in die Rechtsvergleichung, 2. Aufl. MOnehen 1987; Zweigen I Kötz, Einflihrung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, Bd. I, 2. Aufl. TObingen 1984; Zweigen I Puttfarken (Hrsg.), Rechtsvergleichung, Darmstadt 1978; Großfeld, Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, Tübingen 1984. 2

Zweigen I Kötz (Fn. I), S. 7.

3 Zur Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht vgl. insbes. Bemhardt, Eigenheiten und Ziele der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, ZaöRV 24 (1964), 431 ff. m. w. N. insbes. aufdas ausländische Schrifttum (432 mit Fn. 4); Hailbronner, Ziele und Methoden völkerrechtlich relevanter Rechtsvergleichung, ZaöRV 36 ( 1976), 190 ff.

26

I. Kapitel: Einleitung

Die Umweltrechtsvergleichung4 ist primär Vergleichung von öffentlichem Recht, weil das Umweltrecht - wie im einzelnen noch auszuführen sein wird auch im internationalen Vergleich überwiegend öffentlich-rechtlich geprägt ist. Zugleich sind freilich Tendenzen zur möglichen Verstärkung privatrechtlicher Gestaltungselemente im Umweltrecht nicht zu übersehen, die sich etwa in Bestrebungen zur Privatisierung umweltbezogener Kontrollen und der Ausformung umfassender Umwelthaftungsmodelle, im verstärkten Einsatz ökonomischer Instrumente oder in einem ökologisch getönten Unternehmensrecht zeigen. Auch ist zu bedenken, daß in manchen Rechtsordnungen - insbesondere denen des angelsächsischen Rechtskreises - die in Deutschland und anderswo so geläufige Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht weniger ausgeprägt ist. In diesen Ländern weist das Umweltrecht in aller Regel noch starke Prägungen durch das nach hiesigem Verständnis zivilistische Common Law auf. Insoweit hat die Umweltrechtsvergleichung gleichennaßen die Aufgabe, privatrechtliche Institutionen untereinander sowie mit öffentlich-rechtlichen Gestaltungsfonnen und umgekehrt zu vergleichen. Dies ist auch deshalb notwendig, weil der Verlauf der Grenze zwischen privatem und öffentlichem Recht jeweils von den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich festgelegt wird. Gerade die Rechtsvergleichung schärft den Blick für die funktionelle Vergleichbarkeit einzelner zivilistischerund öffentlichrechtlicher Instrumente. Da die Umweltrechtsvergleichung aber- jedenfalls in Kontinentaleuropa derzeit noch - insgesamt maßgeblich öffentlich-rechtliche Rechtsmaterien miteinander zu vergleichen hat, erweisen sich die besonderen Probleme einer Vergleichung des öffentlichen Rechts5 auch für die Umweltrechtsvergleichung als prägend: Das öffentliche Recht regelt zunächst die häufig grundlegend verschiedenen politischen Strukturen der Staaten. Es ist in weiten Bereichen -jedenfalls im Vergleich zum Zivilrecht - weniger von einer immanenten Sachgesetzlichkeit als vielmehr von politischen Gestaltungsentscheidungen geprägt; typisch ist häufig seine spezifische politische und historische Situationsgebundenheit Es besteht überdies oft aus einer nahezu untrennbaren Gemengelage von geschriebenem und (durch die Praxis beeinflußtem und deshalb häufig schwer auffindbarem) ungeschriebenem Recht; es arbeitet besonders stark mit Rahmenvorschriften und ausfiillungsbedürftigen Rechtsbegriffen; und schließlich: da das öffentliche Recht die Gestaltungsfreiheit der staatlichen Organe intensiv berührt, unterliegt es naturgemäß einem starken politischen Druck, der zu kurzfristigen Änderungen des Rechtsbestandes führen kann. Schließlich sind beim Vergleich insbesondere des öffentlichen Rechts häufig außerrechtliche Feststellungen erforderlich, da die außerrechtlichen Komponenten oft erst das Ver4 Vgl. hierzu den instruktiven Beitrag von Rehbinder, Umweltrecht Rechtsvergleichendes Generalreferat, RabelsZ 40 ( 1976), 363 ff.

5

Dazu insbes. Bernhardt (Fn. 3}, 432 ff.

A. Grundfragen der Umweltrechtsvergleichung

27

ständnis rechtlicher Eigenheiten und besonders auch die Beurteilung der Effektivität des positiven Rechts erlauben. 6 Erschwerend für die Rechtsvergleichung des öffentlichen Rechts wirkt insbesondere der Umstand, daß die prägende Berücksichtigung des jeweiligen politischen und sozialen Ambientes unentbehrlich ist. Nach dem Gesagten kann das stark öffentlich-rechtlich geprägte Umweltrecht weder in einer "Makrovergleichung", d. h. einer Vergleichung von (Teil-) Rechtsordnungen, noch in einer "Mikrovergleichung" 7, d. h. einer Vergleichung einzelner Rechtsinstitute, losgelöst von seiner Einbindung in das politische System, insbesondere in das jeweilige Staats- und Verwaltungsrecht, vergleichend betrachtet werden. Dies gilt umso mehr, als der politische Gehalt des Umweltrechts im Ganzen gesehen evident ist. Gleichzeitig lassen sich freilich in Einzelbereichen des Umweltrechts mit einem ausgeprägten juristisch-technischen oder naturwissenschaftlich-technischen Charakter sinnvolle "entpolitisierende" Eingrenzungen für eine erkenntnisfördernde Vergleichung vornehmen, die eine hinreichende Konkretisierung der Vergleichsobjekte ermöglichen. Hinzu kommt, daß der starke technisch-naturwissenschaftliche Bezug des Umweltrechts eine problemorientierte Rechtsvergleichung (z. B. bei der Gegenüberstellung von Grenzwerten und technischen Normen) zu erleichtern vermag.

IL Umwe/trechtsvergleichung als Mittel der internationalen Harmonisierung 1. Chancen Die Rechtsvergleichung ist mehr als eine allein auf wissenschaftliche Erkenntnis gerichtete zweckfreie Disziplin. 8 Sie hat in erster Linie auch wesentliche praktische Funktionen: So vermag die Umweltrechtsvergleichung für das nationale Umweltrecht Hinweise zu geben auf geeignete oder auch ungeeignete Problemlösungen, mit denen andere Rechtsordnungen bereits Erfahrungen gesammelt haben. 9 Die Umweltrechtsvergleichung kann somit die rechtspolitische Phantasie des Gesetzgebers stimulieren, aber auch disziplinieren. Bezüglich des bereits geltenden nationalen Umweltrechts kann die Umweltrechtsver6 Vgl. Strebe/, Vergleichung und vergleichende Methode im öffentlichen Recht, ZaöRV 24, (1964), 405 tT., 409 ff., 412 f.; Rest, Artikel "Umweltrechtsvergleichung", in: Kilruninich I v. Lersner I Storm (Hrsg.), HdUR, Bd. II, 2. Auß. Berlin 1994, Sp. 2391 ff. 7

Vgl. zu dieser begrifflichen Unterscheidung Zweigert I Kötz (Fn. 1), S. 5.

8

Zu den Zielen der Rechtsvergleichung s. a. Rest (Fn. 6), Sp. 2399 f.

9 Allgemein hierzu Drobnig I Dopffe/, Die Nutzung der Rechtsvergleichung durch den deutschen Gesetzgeber, RabelsZ 46 (1982), 253 ff.; vgl. fernerZweigert I Kötz (Fn. 1), S. 17 ff., mit dem treffenden Ausspruch Rudolph von Jherings: "Die Frage von der Rezeption fremder Rechtseinrichtungen ist nicht eine Frage der Nationalitllt, sondern eine einfache Frage der Zweckmäßigkeit, des Bedürfnisses. Niemand wird von der Ferne holen, was er daheim ebensogut oder besser hat, aber nur ein Narr wird die Chinarinde aus dem Grunde zurückweisen, weil sie nicht auf seinem Krautacker gewachsen ist.", aus: Geist des römischen Rechts, Erster Teil, 9. Aufl., 1955, S. 8 f.

28

l. Kapitel: Einleitung

gleichung Alternativen aufzeigen und somit die relativierende Einsicht fördern, daß die jeweils gefundene nationale Lösung nicht der Weisheit letzter Schluß sein muß. Insbesondere aber gehen zahlreiche supranationale und internationale Regelungen des Umweltrechts häufig auch aus der vergleichenden Betrachtung unterschiedlicher Rechtsordnungen hervor. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle des Völkerrechts können im wesentlichen nur durch Rechtsvergleichung festgestellt werden.l 0 Auch bei der Umweltrechtsgestaltung (insbesondere der Rechtsangleichung) durch die Europäische Gemeinschaft wie auch im Rahmen der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs spielt die vergleichende Feststellung des zu harmonisierenden nationalen Rechts - zumindest idealiter - eine bedeutsame Rolle. 11 Die Ausformung eines europäischen Verfassungsrechts und eines europäischen Verwaltungsrechts wie überhaupt der "allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts" (vgl. Art. F II des EUV) sind ohne Rechtsvergleichung unvorstellbar. Ebenso spielt die Rechtsvergleichung für andere internationale Organisationen eine erhebliche Rolle.l2 Auch im internationalen Verwaltungsrechtn muß das bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen angerufene Gericht in der Frage des anzuwendenden Rechts (etwa bei der Anwendung des sog. Günstigkeitsprinzips14) häufig rechtsvergleichende Betrachtungen anstellen.

10 Zur zuftehmellden Bedeutung der Rechtsvergleichung fllr das Völkerrecht Lorenz, Rechtsvergleichungals Methode zur Konkretisierung der allgemeinen Grundsatze des Rechts, JZ 1962, 269 ff.; Kötz, Allgemeine Rechtsgrundslltze als Ersatzrecht, RabelsZ 34 (1970), 663 IT.; Rheinstein (Fn. l), S. 115 ff. m. w. N.; Zweigert I Kötz (Fn. l), S. 8 f.; Bothe, Die Bedeutung der Rechtsvergleichung in der Praxis internationaler Gerichte, ZaöRV 36 (1976), 280 ff.; Hailbronner (Fn. 3); Butler (Hrsg.), International Law in Comparative Perspective, Leiden 1980; Rest (Fn. 6), Sp. 2395 f.

11 Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung im EG-Recht Bleckmann, Die Rolle der Rechtsvergleichung in den Europliischen Gemeinschaften, ZVglRWiss. 75 (1976), 106 ff.; Daig, Zur Rechtsvergleichung und Methodenlehre im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: Festschrift ftlr Konrad Zweigert zum 70. Geburtstag hrsg. v. Drobnig I Kötz, Tübingen 1981, S. 395 ff.; Pescatore, Le recours dans la jurisprudence de Ia Cour de Justice des Communautes Eurepeennes il des normes deduites de la comparaison des droits des etats membres, Revue internationale de droit compare 32 ( 1980), 337 ff. 12 Vgl. Zemanek, Was kann die Vergleichung staatlichen öffentlichen Rechts ftlr das Recht der internationalen Organisationen leisten?, ZaöRV 24 (1964), 453 ff.; Ress, Die Bedeutung der Rechtsvergleichung ft1r das Recht der internationalen Organisationen, ZaöRV 36 (1976), 227 ff. 13 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, München 1989, § 6 Rn. 84.

14 Vgl. hierzu insbes. Rest, Die Wahl des günstigeren Rechts im grenzüberschreitenden Umweltschutz: Stllrkung des Individualrechts, Berlin 1980; ferner etwa Fröhler I Zehetner, Rechtsschutzproblerne bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen, Bd. II, Linz 1980, S. 47 ff.; Lummert, Zivilrechtliche Schadensersatz- und Unterlassungsklagen - Anwendbares Recht (Bundesrepublik Deutschland), in: Bothe I Prieur I Ress (Hrsg.), Rechtsfragen grenzOberschreitender Umwe1tbelastungen, Berlin 1984, S. 183 ff., 185 f.; Oppermann I Kilian, Gleichstellung ausländischer Grenznachbarn im deutschen Umweltverfahren: Zur Rechtsgrundlage in der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung ihrer völker- und europarechtlichen Einbindungen und vergleichender Aspekte, USA-Berichte 8 I 81, Berlin 1981, S. 138 f.

A. Grundfragen der Umweltrechtsvergleichung

29

Wichtigste Kraftquelle für eine internationale Umweltrechtsharmonisierung ist - jedenfalls derzeit noch - die Beseitigung der Unterschiedlichk.eit umweltrechtlicher Regelungen, die als nichttarifitre Handelsschranke wirken, etwa durch Bestrebungen im Rahmen des GATT oder der OECD. Der notwendige Paradigmenwechsel für eine internationale Umweltrechtsharmonisierung - von der Liberalisierung des Welthandels zur globalen Umweltverantwortung der Völkerrechtsgemeinschaft fiir das globale Ökosystem als internationales Gemeinschaftsgut15- zeichnet sich möglicherweise ftir eine (freilich nicht sehr nahe) Zukunft ab. Einer der Hauptzwecke der Umweltrechtsvergleichung ist die internationale Harmonisierung 16 einzelstaatlicher Umweltvorschriften, gleichgültig ob die Harmonisierung einseitig im Wege der Übernahme ausländischer Vorbilder in das nationale Umweltrecht, durch eine Rechtsvereinheitlichung im Rahmen internationaler oder supranationaler Organisationen oder schließlich durch sonstige verpflichtende Regelungen des Völkerrechts erfolgt. Dabei kann die internationale Harmonisierung des Umweltrechts als ein wesentliches Instrument internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes und zum Abbau nichttarifärer Handelsschranken durch Umweltschutz begriffen werden. 2. Risiken Allerdings dürfen die beträchtlichen Risiken einer internationalen Harmonisierung des Umweltrechts17 nicht unterschätzt werden. So faszinierend Vorstellungen einer Weltrechtsordnung und speziell eines einheitlichen, universellen Umweltrechts sein mögen, so nachteilig kann sich der damit verbundene Verlust an Vielgestaltigkeit des Rechts und an Vielfarbigkeit nationaler Rechtskulturen auswirken. Ein politischer "Wettbewerb" um das bessere Umweltrecht mit der beträchtlichen Innovationskraft eines Konkurrenzmodells würde durch eine nivellierende Harmonisierung weitgehend verhindert. Vor allem: Solange es wesentliche Unterschiede in der politischen, ökonomischen und sozialen Struktur der Staaten gibt, besteht immer die keineswegs fernliegende Gefahr einer internationalen Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen ökologischen 15 Vgl. dazu insbes. Woifrum, Die Internationalisierung staatsfreier Raume: Die Entwicklung einer internationalen Verwaltung ftlr Antarktis, Weltraum, Hohe See und Meeresboden, 1984, passim.

16 Die Begründer der heutigen Rechtsvergleichung sahen in der Harmonisierung und der Vorbereitung eines "Weltrechts" noch die vorrangige Funktion der Rechtsvergleichung, vgl. Laben, Conception gimerale et definition de Ia science du droit compare, Proces-verbaux des seances et documents, Congres international de droit compare (1905), S. 26, abgedr. in: Zweigert I Puttfarken (Fn. I), S. 30.

17 Vgl. zum folgenden bereits Kloepfer I Bosse/mann, Zentralbegriffe des Umweltchemikalienrechts. Rechtsvergleichende Analysen und Vorschläge zur internationalen Harmonisierung, Berlin 1985, S. 13; Kloepfer, Aspekte der internationalen Harmonisierung des Umweltrechts, UPR 1984, 281 ff.

30

1. Kapitel: Einleitung

Nenner.'& Schließlich muß das jeweilige Umweltrecht auch die spezifischen geographischen Verhältnisse der Regionen berücksichtigen. In einem anspruchsvollen Sinne kann die Forderung nach international vergleichbaren Umweltschutzstandards deshalb gerade auch einmal in ein Postulat regionenspezifischer Maßnahmen münden. Zudem ist eine international vereinbarte Harmonisierung im Vergleich zu nationalen Regelungen nicht selten so zählebig, daß die Schere zwischen dem umweltpolitisch Notwendigen und dem tatsächlich Erreichten schon relativ bald nach einer internationalen Harmonisierung ständig größer werden könnte. Solchen Gefahrenmomenten kann nur dadurch begegnet werden, daß fortlaufend an der Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen für die internationale Umweltrechtsharmonisierung gearbeitet wird. Zu den Rahmenbedingungen eines verbesserten internationalen Umweltschutzes gehört gerade auch, ihn von politischen Vorwürfen und Einwänden der internationalen Handelserschwerung (durch nationale Umweltstandards) zu befreien. Bei internationaler Wettbewerbsneutralität werden Umweltschutzmaßnahmen nicht mehr dem Einwand hierdurch verschlechterter Wettbewerbspositionen einzelner Staaten ausgesetzt sein. Gleichwohl ist einzuräumen, daß dieser Idealzustand erst bei einer (letztlich unrealistischen) Vollharmonisierung des Umweltrechts erreicht wäre. Jedenfalls kann das Bemühen um den Abbau ungerechtfertigter Handelsschranken (mit- zumindest auch- umweltrelevanten Bezügen) eng verknüpft sein mit dem Bemühen um die Durchsetzung von mehr international harmonisiertem Umweltschutz. Entscheidend fUr die Schaffung eines international vergleichbaren Umweltrechts auf ökologisch anspruchsvollem Niveau wird letztlich sein, inwieweit die gegenwärtig international bestehenden politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen und Koordinationsebenen die Einsicht in die für die Staatengemeinschaft existentielle - Bedeutung eines wirksamen Umweltschutzes fördern können.

B. Methoden, Systematisierungskriterien und Auswahl I. Methoden der Umwe/trechtsverg/eichung19 Wird die Umweltrechtsvergleichung nicht lediglich zweckfrei betrieben, so prägt das konkrete, vor allem praktische Ziel der Rechtsvergleichung wesentlich auch die Methode der Vergleichung. Der Zweck beeinflußt die Auswahl der zu vergleichenden Objekte. Bleibt die (zweckgerichtete) Rechtsverglei18 Zum möglichen Mißbrauch des Völker- und Europarechts auch Bryde, Völker- und Europarecht als Alibi flir Umwe1tschutzdefizite?, Gedächtnisschrift ftlr Wolfgang Martens, Berlin u. a. 1987, S. 769 ff. 19 Vgl. hierzu auch Rest (Fn. 6), Sp. 2400 ff.

B. Methoden, Systematisierungskriterien und Auswahl

31

chung nicht auf das Aufzeigen von Unterschieden beschränkt, so wird bereits bei der Objektauswahl zu berücksichtigen sein, ob eine Rechtsvergleichung von ihrer jeweiligen Funktion her - überhaupt sinnvoll erscheint. Soll etwa die Rechtsvergleichung maßgeblich auch der Befruchtung der nationalen Rechtsordnung dienen, so setzt eine sinnvolle Vergleichung ähnliche Lebenssachverhalte und grundsätzlich ähnliche Rechtsstrukturen voraus, anderenfalls fehlt es eigentlich bereits an der Vergleichbarkeit.ZO Die Vergleichsobjekte können wiederum jeweils unterschiedliche methodische Vorgehensweisen verlangen. So sind etwa- wie erwähnt- beim Vergleich des Verwaltungsrechts und somit der wesentlichen Gehalte des Umweltrechts in besonderer Weise die außerrechtlichen historischen, soziologischen und ökonomischen Umstände sowie die Effektivität der Normen, insbesondere der Vollzugsstandard einschließlich etwaiger Rechtsschutzmöglichkeiten, zu berücksichtigen.2t Insgesamt handelt es sich dabei um eine höchst anspruchsvolle und nur sehr schwer optimallösbare Aufgabe. Eine reformorientierte Umweltrechtsvergleichung zum Zwecke der Verbesserung des deutschen Umweltrechts wird insgesamt den größten Nutzen beim Vergleich des Umweltrechts mit solchen Staaten haben, die in etwa ähnliche wirtschaftliche, soziale und politische Standards wie Deutschland aufweisen. Zu denken ist dabei vorrangig an die Mitglieder der OECD.22 Eine sinnvolle Umweltrechtsvergleichung wird insbesondere auch die ökologische Situation eines Landes (die natürliche Umwelt einschließlich der gewichtigsten Belastungsfaktoren) zu berücksichtigen haben. Damit ist das große und noch wenig aufgehellte Thema des wechselseitigen Einflusses von Umwelt und Umweltrecht angesprochen. Umweltrecht kann effektiven Umweltschutz nur bewirken, wenn es die vorgefundene Umweltsituation eines Landes nicht außer Betracht läßt. Umgekehrt beeinflußt das Umweltrecht selbst die Umwelt, genauer: das Ausmaß der Umweltbelastung. Dabei sind freilich die Maßstäbe für die Nennung eines etwaigen "Erfolgs" oder "Mißerfolgs" von Umweltrecht noch ungesichert. Insgesamt läßt sich aber auf jeden Fall sagen, daß eine erfolgreiche Umweltrechtsvergleichung gewiß nicht umweltblind sein darf. I

Eine umfassende Umweltrechtsvergleichung müßte das Umweltrecht jedenfalls der wichtigsten Staaten detailliert darstellen und dieses unter Berücksichtigung seiner Einbettung in das jeweilige Staats- und Verwaltungsrecht, der spezifischen tatsächlichen geographischen, ökonomischen und administrativen Gegebenheiten systematisieren und analysieren. Eine vollständige Vergleichung hätte zudem das regional unterschiedliche Umweltvölkerrecht einschließlich 20 Bemhardt(Fn. 3), 437. 21 Strebe/ (Fn. 6), 409 tf. 22 Zu den umweltpolitischen Aktivitäten der OECD selbst s. Kloepfer (Fn. 13), § 6 Rn. 75, und Smets, Artikel "Organization for Economic Co-operation and Development", in: Kimminich I v. Lersner I Storm (Hrsg.), HdUR, Bd. II, 2. Aufl. Berlin 1994, Sp. 1575 tf.

32

I . Kapitel: Einleitung

des Umweltrechts regional begrenzter internationaler Organisationen einzubeziehen. Die folgende makrovergleichend angelegte Darstellung kann dies alles schon aus Raumgründen allenfalls ansatzweise leisten. Allein eine detaillierte Darstellung der unterschiedlichen Umweltrechtsordnungen würde bereits enzyklopädische Ausmaße annehmen. Im Rahmen der hiesigen Darstellung soll vielmehr versucht werden, einige (zwangsläufig unvollkommene) Hinweise auf mögliche Systernatisierungskriterien und auf die wichtigsten einschlägigen Regelungen des ausländischen Umweltrechts einer begrenzten Anzahl von Staaten zu geben. Aus den genannten Gründen wird dabei das entscheidende Gewicht auf solche Länder gelegt, die in etwa ein gleichwertiges wirtschaftliches, soziales und politisches Niveau wie Deutschland aufweisen. Im übrigen sind auch von der- bislang nur vereinzelt betriebenen- Mikrovergleichungbedeutsame Impulse für die Fortentwicklung des nationalen Umweltrechts zu erwarten.23 Dabei ist freilich im besonderen der Gefahr Rechnung zu tragen, daß bei einer isolierten Betrachtung einzelner Institute oder Instrumente unter Außerachtlassung der von der jeweiligen Gesamtrechtsordnung geprägten Umstände deren Ergebnisse allzu leicht verfti.lscht werden können. Makro- wie Mikrovergleichung verlangen schließlich besondere Vorsicht bei der Bewertung des ausländischen Umweltrechts. Die Umweltrechtsvergleichung dient nicht der Proklarnation von "Umweltschutzwunderländem"24 oder der Anprangerung von "Sünderstaaten", auch wenn ein behutsames umweltpolitisches "ranking" auf die nationale Rechtsetzung möglicherweise stimulierend wirken könnte. Unerläßliche Voraussetzung bei der Bewertung ist dabei die genügende Distanz von der eigenen Rechtsordnung, d. h. insbesondere die Bereitschaft, deren Schwächen zu benennen und bei Darstellung ihrer Stärken nicht die Möglichkeit positiver Alternativen in anderen Ländern zu übersehen. Selbst gute umweltrechtliche Lösungen sind häufig noch verbesserungsfli.hig; nur selten fehlt es an Alternativen, die in etwa gleichwertig sind. Umgekehrt ist gerade in Deutschland auch vor einem naiven Internationalismus zu warnen, der meint, gute umweltpolitische Lösungen müßten stets aus dem Ausland kommen.

23 Aus der neueren Literatur seien beispielhaft folgende Arbeiten genannt: Rehbinder, Das Vorsorgeprinzip im internationalen Vergleich, DUsseldorf 1991, Will I Marticke, Verantwortlichkeit für ökologische Schäden, 2 Bde., Typoskript Saarbrücken 1992, Jaedicke I Kern I Wollmann, Internationaler Vergleich von Verfahren zur Festlegung von Umweltstandards, VBA-Berichte 3 I 93, Berlin 1993, Hoh/och, Entschädigungsfonds auf dem Gebiet des Umwelthaftungsrechts - Rechtsvergleichende Untersuchung zur Einsatzflhigkeit einer "FondslOsung", USA-Berichte I I 94, Berlin 1994; vgl. ferner noch Bothe I Gündling, Neuere Tendenzen des Umweltrechts im internationalen Vergleich, VBA-Berichte 2 I 90, Berlin 1990. 24 Tendenzen in dieser Richtung zeigen beispielsweise die Beiträge bei Tsuru I Weidner (Hrsg.), Ein Modell für uns: Die Erfolge derjapanischen Umweltpolitik, Köln 1985.

B. Methoden, Systematisierungskriterien und Auswahl

33

li. Systematisierungskritierien

Die in der (zivilrechtlichen) Rechtsvergleichung übliche Systematisierung der Vergleichsobjekte nach Rechtskreisen kann mit Einschränkungen auch der Umweltrechtsvergleichung zugrundegelegt werden. Diese Systematisierung nach Rechtskreisen geht davon aus, daß die nationalen Rechtsordnungen zwar jeweils einzigartige Besonderheiten aufweisen, jedoch regelmäßig durch die Tradition regionaler oder historischer und I oder ideologischer Vorbilder geprägt werden, die eine grobe Zuordnung zu einem durch bestimmte Gemeinsamkeiten geprägten Rechtskreis erlauben. 25 Rechtskreistypische Gemeinsamkeiten ergeben sich insbesondere in jenen Bereichen des Umweltrechts, die mit traditionellen Rechtsgebieten eng verbunden sind. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Bezüge des Umwelthaftungsrechts zum Zivilrecht, welches im angelsächsischen Rechtskreis maßgeblich durch das Common Law26, im kontinentaleuropäischen Bereich durch römischrechtliche Vorstellungen und in den Staaten des sozialistischen Rechtskreises ehemals durch überwölbende ideologische Besonderheiten geprägt ist bzw. war. Systemtypische Gemeinsamkeiten lassen sich etwa auch für den romanischen, deutschsprachigen, nordischen, fernöstlichen oder den islamischen Rechtskreis feststellen.27 Zunehmend wachsen vor allem in der Europäischen Union die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zusammen und beeinflussen darüber hinaus im Wege der "autonomen", d. h. freiwilligen Rezeption auch die (Noch-)Nicht-Mitgliedstaaten, dies vor allem in Osteuropa. Die in der Rechtsvergleichung verbreitete herkömmliche, primär am Privatrecht orientierte Einteilung in Rechtskreise kann jedoch nicht unbesehen Iür das gesamte öffentliche Recht oder das Umweltrecht übernommen werden. Hier könnten spezifisch öffentlich-rechtliche Rechtskreise auch nach anderen Kriterien erfaßt werden, so etwa nach bestimmten Staatsstrukturmerkmalen (Demokratien, Bundesstaaten, Zentralstaaten usw.) oder nach politisch-ideologischen Gesichtspunkten. Bei einem recht neuen und politisierten Rechtsgebiet wie dem Umweltrecht können gerade die politisch-wirtschaftlichen Außenumstände systembildend wirken. Als relativ junges, aktuell problembezogenes Rechtsgebiet kann das Umweltrecht der einzelnen Staaten innerhalb der traditionellen Rechtskreise und über deren Grenzen hinaus auch durch vergleichbare Lebenssachverhalte (geographische, meteorologische, ökonomische Gemeinsamkeiten), durch die Rezeption (nicht dem traditionellen Rechtskreis zugehöriger) ausländischer Vorbilder und schließlich durch vorgegebene inter- oder supranational harmonisierte 25 Zur Problematik geeigneter Kriterien, der Materienbezogenheil und Zeitbedingtheit der Kategorisierung von Rechtskreisen Zweigert I Kötz (Fn. 1), S. 72 ff. m. w. N. 26 Zur Bedeutung des Common Law etwa ftlr das Umweltrecht der USA s. u. S. 222. 27 Vgl. zu dieser Einteilung etwa Zweigert I Kötz (Fn. 1), S. 72 ff. 3 Kloepfer/Mast

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1. Kapitel: Einleitung

Standards beeinflußt sein. Ob man unter solchen Gesichtspunkten auch bereits von einer sich abzeichnenden Bildung spezifischer "Umweltrechtskreise" sprechen könnte, müßte eine noch umfassendere Rechtsvergleichung, die auch die Effektivität der jeweiligen Nonnen in den einzelnen Staaten detailliert berücksichtigt, erst ergeben. 1/l Zur Auswahl der Vergleichsobjekte

Im Hinblick auf die fortschreitende Hannonisierung des Umweltrechts der EU-Staaten untereinander liegt der quantitative Schwerpunkt dieser Schrift insgesamt auf der Darstellung des europäischen Umweltrechts. Schon wegen der beträchtlichen kulturellen, sprachlichen und politischen Parallelen, die zwischen der Schweiz, Österreich und Deutschland bestehen und auch in einem regen wissenschaftlichen Austausch zum Ausdruck kommen, bildet die Darstellung des Umweltrechts der beiden erstgenannten Staaten den Auftakt. Das rechtsvergleichende Interesse an der dortigen Entwicklung dürfte unter Berücksichtigung des in greifbare Nähe gerückten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union - der in der Schweiz (vorerst) aufgrund des negativ beschiedenen Referendums über einen Beitritt zum EWR vereitelt wurde - zukünftig eher noch wachsen. Breiten Raum nimmt die folgende Darstellung des Umweltrechts der übrigen EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Luxemburgs) ein, die mit der Einbeziehung des ebenfalls vor einem EU-Beitritt stehenden und umweltpolitisch weit entwickelten Schweden eine gewisse Abrundung erfllhrt. Sodann richtet sich der Blick auf drei ehemals sozialistische Staaten (Rußland, Polen und Tschechien), die in den vergangenen fünf Jahren einen tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen - zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vollständig abgeschlossenen - Wandlungsprozeß durchlaufen haben. Angesichts der manifesten ökologischen Krise weiter Teile Osteuropas stellt der durch den Systemwechsel bedingte Umbruch der rechtlichen Strukturen einen besonderen Reiz dar. Er erweist sich aber wegen der anhaltend regen Gesetzgebungstätigkeit in diesen Staaten zugleich als ein die Aktualität der Untersuchung gefllhrdendes Moment. Eine weitere Einschränkung resultiert aus der ohnehin kargen Quellenlage, die mangels einschlägiger Fremdsprachenkenntnisse der Verfasser noch zusätzlich begrenzt war. Den Auftakt in der Darstellung der außereuropäischen Umweltrechtsordnungen bildet mit den Vereinigten Staaten von Amerika einer der Hauptvorreiter im Umweltschutz, der wie wohl kein anderes Land die rechtsvergleichende Neugier (nicht nur) in Deutschland geweckt hat. Die Beschäftigung mit dem US-amerikanischen Recht wird erheblich dadurch erleichtert, daß die dortige umweltrechtliche Literatur in voller Blüte steht. Mit Kanada, einem in seinen stärker bevölkerten Teilen ebenfalls industriell weit entwickelten Staat, rücken

B. Methoden, Systematisierungskriterien und Auswahl

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mehr noch als bei den USA die spezifischen Bedingungen des Umweltschutzes vor dem Hintergrund bundesstaatlich begrenzter Kompetenzzonen in das Blickfeld. Die gerade auch in Anbetracht des Umfangs der Studie beträchtlichen Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, die aus den im Vorwort genannten Gründen noch verstärkt wurden, finden ihren Niederschlag insbesondere in der Zusammenstellung der folgenden Abschnitte. So wünschenswert es gewesen wäre, auch die übrigen Staaten Mittel- und Südamerikas möglichst umfassend darzustellen, erwies sich vor allem die insgesamt dürftige Literaturlage als ein beträchliches, der Darstellung enge Grenzen setzendes Hindernis. So mußten auch bedeutsame Schwellenländer wie z. B. Mexiko und Argentinien unberücksichtigt bleiben. Immerhin konnten mit Brasilien und Kolumbien zwei Staaten einbezogen werden, die gerade im Kontrast zueinander recht heterogene Entwicklungsmuster erkennen lassen. Während Kolumbien bereits seit den frühen siebziger Jahren über ein fiir die damalige Zeit außerordentlich beachtliches Umweltschutzgesetz mit einem differenzierten Steuerungsinstrumentarium verfUgt, hat die Rechtsentwicklung in Brasilien vor allem seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre u. a. mit detaillierten verfassungsrechtlichen Regelungen interessante Neuerungen hervorgebracht, die u. U. auch die deutsche rechtspolitische Diskussion bereichern könnten. Im übrigen Weltmaßstab bleibt die Auswahl aus den genannten Gründen bedauerlicherweise besonders lückenhaft, was sich zunächst im Ausklammern der afrikanischen und des allergrößten Teils der asiatischen Staatenwelt manifestiert. Immerhin schien die Einbeziehung des japanischen Umweltrechts in die Untersuchung schon wegen der internationalen Bedeutung Japans von besonderer Wichtigkeit, zumal die Erfolge der japanischen Umweltpolitik bei im übrigen vergleichbaren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Vergleichung interessante Erkenntnisse ermöglichen. Als ausgesprochen günstig erwies sich dabei der Umstand, daß der wissenschaftliche Austausch zwischen Japan und Deutschland traditionell besonders rege ist und sprachliche Barrieren somit leichter zu überwinden sind als anderswo. Den Abschluß bilden mit Australien und Neuseeland zwei wirtschaftlich ebenfalls hochentwickelte Staaten, die die Gruppe der hier behandelten Länder des angloamerikanischen Rechtskreises vervollständigen. Der Umstand, daß bei einem rur industrialisierte Regionen vergleichsweise geringen ökologischen Problempotential zunächst in Neuseeland und neuerdings auch in Australien mit übergreifend angelegten Gesetzgebungsvorhaben neue Akzente gesetzt werden, macht schließlich auch diese Länder rechtsvergleichend besonders interessant.

2. Kapitel

Länderberichte A. Europa I. Mitteleuropa

I. Schweiz a) Umweltsituation

In der Schweiz zeigen sich die wesentlichen Umweltprobleme einer westlichen Industrienation. 1 An bestimmten Standorten, so insbesondere in der Nordschweiz, fmdet sich eine hohe Konzentration umweltbelastender Industriebranchen. So haben sich beispielsweise im Großraum Basel zahlreiche Unternehmen der chemischen Industrie angesiedelt. Bedingt durch das geologische Profil des Landes und seinen begrenzten Siedlungsraum stellt sich das Problem des Flächenverbrauchs in besonderer Schärfe. Die Grundwasserbelastung mit Nitraten aus der intensiven Landwirtschaft sowie mit leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffen aus diffusen Quellen hat mittlerweile ein ernstzunehmendes Ausmaß erreicht. Zur Umweltbelastung trägt ferner die Fremdenverkehrsbranche bei, die ähr!lich wie in Österreich zu einem guten Teil vom alpinen Skitourismus profitiert. Die hieraus resultierenden Bodenbeeinträchtigungen sowie die durch Wanderer verursachten Eingriffe in das empfmdliche ökologische Gefüge des alpinen Raumes erhöhen u. a. die Gefahr von Erdrutschen und bedrohen somit auch den menschlichen Lebensraum. Erschwerend kommt hinzu, daß der (teilweise monok:ulturelle) Baumbestand in vielen Hochlagen ohnehin durch Luftverunreinigungen geschädigt bzw. geschwächt ist. Das im Herzen Europas gelegene Land leidet zudem unter den Emissionen des massiven innereuropäischen Transitverkehrs, der von der betroffenen Bevölkerung zunehmend als Belastung empfunden wird. Derzeit sind Bemühungen um eine weitgehende Verlagerung von LKW-Transporten auf die Schiene im Gange. 1 Zur Umweltsituation vgl. zuletzt Bundesamt fi1r Umwelt, Wald und Landschaft (Hrsg.), Umweltbericht 1993. Zur Lage der Umwelt in der Schweiz, Bern 1994.

l. Schweiz

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b) Umweltrechtsentwicklung Frühe Anknüpfungspunkte für eine gesetzliche Verankerung des Umweltschutzgedankens finden sich im Forstpolizeigesetz des Jahres 1902, das (auch) eine Reaktion auf Erosionsprobleme und Uberschwemmungen darstellte. In ihm fmdet sich erstmalig der Begriff der Nachhaltigkeit, der als Beschränkung der Nutzung auf den Ertrag unter Erhaltung der Substanz verstanden wurde. Mit dem Gewässerschutzgesetz aus dem Jahre 1951 entwickelten sich erste sektorale Ansätze zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung. Wegen seiner föderalistisch bedingten Zurückhaltung filhrte das Gewässerschutzgesetz im Hinblick auf die Abwasserklärung indes nur zu bescheidenen Erfolgen. Aus den sechziger Jahren stammen das Natur- und Heimatschutzgesetz (1966) sowie das stoffbezogene Giftgesetz (1969). Mit der vergleichsweise frühen Verabschiedung einer umweltschutzbezogenen Verfassungsbestimmung wurden im Jahre 1971 die Grundlagen für ein modernes Umweltrecht geschaffen. Freilich trat das hierauf gestütze Bundesgesetz über den Umweltschutz (Umwe1tschutzgesetz [USG])2, das eine beachtliche, wenn auch teilweise recht weitmaschige und nicht vollständige Umweltrechtskodifikation darstellt, erst am 1. Januar 1985 in Kraft. Die bemerkenswerten Entwicklungen des schweizerischen Umweltschutzrechts3 haben sich in einer großen Anzahl einschlägiger wissenschaftlicher Veröffentlichungen niedergeschlagen4, wobei- im Hinblick auf den ursprünglich geplanten Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum durchaus naheliegend- zuletzt auch die europäische Perspektive stärker in das Blickfeld geraten ist.5

c) Verfassungslage Das politische Umfeld des schweizerischen Umweltrechts erhält durch drei verfassungsrechtliche Faktoren eine besondere Prägung: Zu nennen ist in erster Linie die starke plebiszitäre Komponente der schweizerischen Demokratie (sog. Referendumsdemokratie), die beispielsweise die zivile Nutzung der Kernkraft nicht unwesentlich beeinflußt hat. Die in der schweizerischen Bundesver-

2

Gesetz vom 7. Oktober 1983, Systematische Sammlung des Bundesrechts (SR) 814.01.

Zum aktuellen Normenbestand Rausch, Panorama des Umweltrechts: Umweltschutzvorschriften des Bundes im Überblick, 2. Autl. Bern 1994. 3

4 Überblicksartig zuletzt Rausch, Kleiner Versuch einer umweltrechtlichen Standortbestimmung, ZSR 110 I 1991, I, 147 ff. Eine gute Literaturübersicht, die auch deutsche Beiträge einschließt, findet sich bei Kölz I H-U Müller (Hrsg.), Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Bd. I (Loseblatt: Stand September 1994), ZOrich 1985 ff.; vgl. ferner Rausch I Trüeb, Artikel "Schweiz", in: Kimminich I v. Lersner I Storm (Hrsg.), HdUR, Bd. II, 2. Autl Berlin 1994, Sp. 1815 ff. 5 Vgl. z. B. Schwager I Knoepfel I Weidner, Umweltrecht Schweiz-EG - Das schweizerische Umweltrecht im Lichte der Umweltschutzbestimmungen der Europäischen Gemeinschaften - ein Rechtsvergleich, Bern u. a. 1988; Schwager, Umweltschutzrecht EG - Schweiz: Rechtsvergleich

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2. Kapitel: Länderberichte

fassung vorgesehenen verschiedenen Volksabstimmungen, insbesondere auch Initiativrechte6, geben Umweltschutzverbänden und einzelnen Bürgern unmittelbare Einflußmöglichkeiten nicht nur auf die Gesetzgebung, sondern auch auf die Gestaltung der Verfassung. Weiterhin ist die politische Landschaft gekennzeichnet von einem ausgeprägten politischen Grundkonsens in wichtigen Fragen, der institutionell durch die quasi-paritätische Zusammensetzung des regierenden Bundesrates (sog. Konkordanzdemokratie)1 abgesichert wird. Schließlich spielt auch die mit dem Begriff der Kantonalverfassung umschriebene bundesstaatliche Gliederung des Landes eine bedeutende Rolle für die aktuelle Gestalt des Umweltrechts. Vor dem geschilderten Hintergrund wird es verständlich, daß die ursprünglich von den Eidgenössischen Räten ausgehende Initiative zur Ergänzung der Bundesverfassung um einen Umweltschutzartikels der Annahme durch Volk und Stände bedurfte. Durch ein mit überwältigender Mehrheit erfolgreiches Referendum wurde Art. 24septies im Jahre 1971 in die Bundesverfassung aufgenommen.9 Sein Absatz 1 ennächtigt und verpflichtet den Bund, "Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt gegen schädliche oder lästige Einwirkungen" zu erlassen. Hervorgehoben werden dabei die Bekämpfung von Luftverunreinigungen und Lärm, doch erklärt sich dies nicht nur aus der Wichtigkeit dieser Aufgaben, sondern auch aus dem Vorhandensein spezieller Kompetenzen für andere Bereiche des Umweltschutzes (z. B. für Gewässerschutz, Atomenergie, Natur- und Heimatschutz).IO Der Umweltschutzartikel wild von der schweillerischeft Staatslehre nicht nur als Kompeteomonn bzw. Kompetenzübertragung auf den Bund, sondern auch als (verpflichtende) Staatszielbestimmung bzw. als Verfassungsauftrag verstanden.ll Hingegen wird Art. 24septies kein unmittelbar anwendbares Grundrecht auf Umweltschutz entnommen.t2

zwischen den gemeinschaftlichen und den schweizerischen Umweltschutzvorschriften, Schriftenreihe Umwelt (SRU) Nr. 129, hrsg. v. Bundesamt fllr Umwelt, Wald und Landschaft, Bern 1990. 6 Hierzu nAher Hangartner, GrundzUge des schweizerischen Staatsrechts, Bd. I, Zürich 1977, S. 102 ff. 7 Vgl. Wildhaber, Staatsaufgabe Umweltschutz in der Schweiz - Bericht. VVDStRL 38 (1980), S. 325 ff., 330; zum schweizerischen Bundesrat Hangartner(Fn. 6), S. 121 ff. 8 Sog. Motion Binder vom 13. Mlrz 1964. Zur Entstehungsgeschichte Rausch, Die Umweltschutzgesetzgebung, Zürich 1977, S. 122 ff. 9 Hierzu Fleiner-Gerster, Erläuterungen zu Art. 24, in: Aubert u. a. (Hrsg.), Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Bundesgenossenschaft vom 29. Mai 1874, Basel u. a. 1987 ff. 10 Vgl. die Aufstellung bei Wildhaber (Fn. 7), S. 325 tf. II Vgl. nur Fleiner-Gerster, Der Verfassungsauftrag der schweizerischen Bundesverfassung, in: Breuer I K.loepfer I Marburger I SehrOder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1989, UTR Bd. 9, Dosseidorf 1989, S. 293 ff. m. w. N. 12 Vgl. Fleiner-Gerster (Fn. 11), S. 296 f. Von einem "grundrechtsAhnliehen Charakter" spricht demgegenüber Rausch (Fn. 8), S. 135.

l. Schweiz

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Als weitere umweltschutzbezogene Verfassungsbestimmung ist der bereits in die Bundesverfassung (BV) eingefügte Art. 24sexies besonders zu erwähnen. Diese Bestimmung erklärt den Natur- und Heimatschutz grundsätzlich zur Sache der Kantone (Abs. 1), doch trägt Absatz 2 dem Bund auf, in der Erfüllung seiner Aufgaben das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kunstdenkmäler zu schonen und bei überwiegendem allgemeinen Interesse ungeschmälert zu erhalten. Aufgrund einer Volksinitiative im Jahre 1987 gegen einen in einer Moorlandschaft gelegenen Truppenübungsplatz (Rothenthurm) wurde Art. 24sexies BV schließlich um den Schutz der Moore und Moorlandschaften ergänzt. 1962

d) Umweltschutzinstitutionen

Die schweizerische Umweltverwaltung stellt ein getreues Abbild der bundesstaatlichen Gliederung des Landes in Bund und Kantonen dar. Das auch insofern einschlägige Umweltschutzgesetz begründet in Art. 36 bis 48 ein System des "Vollzugsrnderalismus".B Die Ausfiihrung des Bundesverwaltungsrechts obliegt größtenteils den Kantonen, die ihrerseits Aufgaben an die gemeindliche Ebene delegieren können. Dadurch sind unterschiedliche Zuständigkeiten in den einzelnen Kantonen bedingt. Lediglich für Teilbereiche sind dem Bund gewisse Vollzugskompetenzen und verbindliche Koordinierungsaufgaben übertragen (vgl. Art. 24septies Abs. 2 BV). Von der Errichtung eines spezifischen Umweltministeriums wurde letztlich aus allgemeinen politischen Erwägungen bislang abgesehen. Mit dem in das Eidgenössische Departement des Innem (EDI) eingegliederten Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) verfügt der Bund jedoch über eine Behörde, deren Kompetenzen über diejenigen des deutschen Umweltbundesamtes14 hinausgehen. Als sog. Umweltschutzfachstelle des Bundes (vgl. Art. 42 Abs. 2 USG) ist es u. a. für die Information und Koordination in Umweltschutzfragen sowie fiir Stellungnahmen im Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung (Art. 9 Abs. 7 USG) zuständig. Eine Schlüsselstellung nimmt es bei der Vorbereitung der praktisch bedeutsamen Rechtsverordnungen zum Umweltschutzgesetz ein. Schließlich sind ihm zahlreiche Vollzugsaufgaben des Bundes übertragen. e) Umweltrechtsprinzipien

Das schweizerische Umweltschutzgesetz beruht auf ähnlichen Prinzipien wie das deutsche Umweltrecht15, die von ihm freilich in mancherlei Hinsicht deutlicher formuliert werden und partiell eine spezifische Prägung erfahren. Zentrale Bedeutung kommt dem in Art. 1 Abs. 2 USG kodifizierten Vorsorgeprinzip zu, 13 Naher Saladin, Zur Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen im Umweltschutzrecht, in: Festschrift ftlr Dietrich Schindler zum 65. Geburtstag. hrsg. v. W. Haller, Basell989, S.759 ff. 14 Hierzu Kloepfer, Umweltrecht, München 1989, § 2 Rn. 68. 15 Allgemein dazu Kloepfer (Fn. 14), § 3 Rn. I ff.

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2. Kapitel: Underberichte

das als verbindlicher Rechtssatz im Sinne einer Pflicht zur frühzeitigen Begrenzung potentiell schädlicher Einwirkungen verstanden wird.16 An zahlreichen Stellen des USG erßhrt das Prinzip noch weitere Ausformung und Konkretisierung. Das Verursacherprinzip!? wird zunächst in Art. 2 USG als reines Kostenzurechnungsprinzip18 formuliert. Danach hat derjenige, der Maßnahmen nach diesem Gesetz verursacht, die Kosten dafür zu tragen. Darüber hinaus wird es aber auch in seiner weiteren Bedeutung als verursacherbezogenes Vermeidungsgebot verwirklicht (vgl. etwa Art. 11 Abs. 1 USG). Auch im schweizerischen Umweltrecht spielt das Kooperationsprinzip eine tragende Rolle.19 So sollen "alle interessierten Kreise (...) am Entscheidungsprozeß beteiligt werden und mitwirken können".20 Dem tragen etwa das sog. Vernehmlassungsverfahren vor Erlaß von Ausführungsvorschriften nach Art. 39 Abs. 3 USG sowie die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft bei Sanierungsmaßnahmen nach Art. 16 Abs. 3 USG Rechnung. Weitere Ausprägungen finden sich bei der von Art. 26 Abs. 2 USG statuierten Pflicht zur Selbstkontrolle im Hinblick auf umweltgefährdende Stoffe.21 Einem derzeit auch in Deutschland verstärkt diskutierten Trend entspricht die etwa von Art. 43 USG vorgesehene Zusammenarbeit beim Gesetzesvollzug durch die Betrauung Privater mit Überwachungsaufgaben. In engem Zusammenhang mit dem Kooperationsprinzip steht nach schweizerischem Rechtsverständnis die Information der Öffenilichkeit in Umweltschutzfragen,22 Besondere Bedeutung

16 Näher Koechlin, Das Vorsorgeprinzip im Umweltschutzgesetz- unter besonder Berücksichtigung der Emissions- und Immissionsgrenzwerte, Basel u. a. 1989; ferner Rehbinder, Das Vorsorgeprinzip im internationalen Vergleich, DUsseldorf 1991, insbes. S. 205 ff.; allgemein zu den Problemen einer nachhaltigen Umweltpolitik Saladin, Probleme des langfristigen Umweltschutzes, Kritische Vierteljahresschrift ftlr Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 1989 (5), S. 27 ff. 17 Monographisch hierzu B. Wagner, Das Verursacherprinzip im schweizerischen Umweltschutzrecht, Basel 1989; Petitpierre-Sauvain, Le principe pollueur-payeur- en relation avec Ia responsabilite du pollueur, ZSR 108/ 1989 II, 429 ff.; zum deutschen Verständnis Kloepfer (Fn. 14), § 3 Rn. 27 ff. 18 Jungo, Die Umweltverträglichkeitsprüfung als neues Institut des Verwaltungsrechts, FreiburgiCH 1987,S. 5, 12.

19 Vgl. etwa Steinmann, Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft in der Schweiz- Formen, Möglichkeiten und Grenzen, in: Hill (Hrsg.), Verwaltungshandeln durch Verträge und Absprachen, Baden-Baden 1990, S. 59 ff. Allgemein zur Kooperation Kloepfer (Fn. 14), § 3 Rn. 44 ff.

20 Botschaft des schweizerischen Bundesrates zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) v. 31. Oktober 1979, BBI. 1979111,749 ff., Tz. 56.

2! Allgemein zur Selbstkontrolle Schmid, Selbstverantwortung und behördliche Kontrolle im Umweltrecht, in: Festschrift ftlr Ulrich Häfelin zum 65. Geburtstag, hrsg. v. W. Haller u. a., Zürich 1989, S. 557 ff.

22 Vgl. Jungo (Fn. 18), S. 13. Ausftlhrlicher zur Umweltschutzinformation in der Schweiz Barthe, Zur Informationstätigkeit der Verwaltung unter besonderer Berücksichtigung des Umweltschutzgesetzes des Bundes, Basel u. a. 1993; Ueberwasser, Staatliche Information beim Umwelt-

I. Schweiz

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kommt insoweit Art. 6 USG, Art. 50 Gewässerschutzgesetz23 sowie Art. 34 Waldgesetz24 zu, wonach die Umweltschutzfachstellen die Öffentlichkeit über den Umweltschutz und den Stand der Umweltbelastung informieren, Behörden und Private beraten sowie Maßnahmen zur Verminderung der Umweltbelastung empfehlen. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Umweltpolitik wird dabei ausdrücklich mit dem Ungenügen eines allein auf staatlichen Eingriffen beruhenden Umweltschutzes begründet.25 Auf die Einführung eines Akteneinsichtsrechts nach dem Muster der EG-Informationsrichtlinie 90 I 313 EWG26 konnten sich die gesetzgebenden Körperschaften bei der Beratung der USG-Revision27 indessen nicht verständigen. Im Zusammenhang mit dem Kooperationsprinzip steht auch das im Bereich der Gefahrstoffkontrolle dem Umweltschutzgesetz teilweise zugrundeliegende Subsidiaritätsprinzip, das im Sinne eines Vorranges privater Verantwortung zu verstehen ist. 28

j) Umweltschutzinstrumente29 Das schweizerische Umweltrecht setzt ganz überwiegend auf ordnungsrechtliche Maßnahmen in Gestalt von Ver- und Geboten, Bewilligungen sowie daran geknüpften Begrenzungen usw. Für die Planung, Errichtung und Änderung von umweltbelastenden Anlagen schreibt Art. 9 USG eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor.3o Nähere Konkretisierungen zum diesbezüglichen Verfahren fmden sich in der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV) vom 19. Oktober 1988.31 Im Gegensatz zum deutschen Modell der Umweltverschutz in der Schweiz, in: Heckmann I Meßerschmidt (Hrsg. ), Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts, Berlin 1988, S. 233 ff. Zur Gewährung von Akteneinsicht vgL Dubach, Das Recht auf Akteneinsicht, ZUrich 1990, mit rechtsvergleichenden Exkursen und eigenen rechtspolitischen Vorschlägen aufS. 283 ff. 23 SR 814.20. 24 SR921.0. 25 Botschaft (Fn. 20), Tz. 55.

26 Richtlinie des Rates v. 7. Juni 1990, ABI. EG Nr. L 158 v. 23. Juni 1990, S. 56. 27 VgL die Botschaft des schweizerischen Bundesrates zu einer Änderung des Bundesgesetzes

über den Umweltschutz vom 7. Juni 1993, BBL 1993 II, 1445 ff., Tz. I.

28 VgL Jungo (Fn. 18), S. 15.

29 Hierzu Vollender, Ziele und Instrumente des schweizerischen Umweltrechts, in: Festschrift für Mario Pedrazzini, Bern 1990, S. 197 ff. 30 Näher Rausch, Art. 9 Rn. I ff., in: Kölz I Müller (Fn. 4); rechtsvergleichend Loretan, Die Umweltverträglichkeitsprüfung, Diss. iur. Zürich 1986; R. Maner, Gedanken zur Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 9 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 und gemäß der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 mit einem Blick auf den Entwurf von Mitte November 1989 zu einer bernischen Einführungsverordnung, Zeitschrift des bernischen Juristenvereins 126 I 1990, 225 ff.

31 Zu deren Entstehung Jungo (Fn. 18), S. 315 ff.; zur Praxis vgL BUWAL (Hrsg.), Handbuch Umweltverträglichkeitsprüfung!UVP: Richtlinien ftlr die Ausarbeitung von Berichten zur Umwelt-

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2. Kapitel: Länderberichte

träglichkeitsprüfung "in einer Hand"32 erfolgt indessen eine A!lfgabenteilung zwischen der für das Vorhaben zuständigen Behörde und der hiervon institutionell getrennten Umweltschutzfachstelle. Die eigentliche Planung ist dem Raumplanungsgesetz des Bundes von 1979 vorbehalten33 , das ökologische Belange durch die Trennung von Siedlungsund Nichtsiedlungsgebieten berücksichtigt und Vorkehrungen gegen eine uDkontrollierte Landschaftszersiedlung trifft. Ferner ist auch das schweizerische Baurecht vom Umweltschutzgesetz beeinflußt,34 Ebenfalls im Umweltschutzgesetz enthalten sind einzelne Strafbestimmungen35 (Art. 60 bis 62 USG). Im übrigen folgt das USG einem anderen Regelungsmodellals der deutsche Gesetzgeber, der sich für die Integration des Umweltstrafrechs in das Strafgesetzbuch entschieden hat,36 Weitere Straftatbestände finden sich nämlich in speziellen Umweltschutzgesetzen (z. B. im Gewässerschutzgesetz), dagegen aber lediglich am Rande im schweizerischen Strafgesetzbuch. Die Konzentration auf ordnungsrechtliche Mittel schließt die Verwendung influenzierender Instrumente - wie die beschriebene Regelung der Umweltinformation in Art. 6 USG - freilich nicht aus. So regeln Art. 49 bis 53 USG die Förderung von (staatlichen) Umweltschutzmaßnahmen durch den Bund. Hiervon unberührt bleibt die Gewährung von Umweltschutzsubventionen an Private. Nach wie vor in der Diskussion ist auch die Einführung von Umweltabgaben, wie sie ein Vorentwurfzum Umweltschutzgesetz bereits enthalten hatte.37 Abgesehen von herkömmlichen Nutzungsgebühren sieht das geltende schweizerische Umweltrecht derzeit noch keine echte Umweltabgabe vor. Denn es erscheint zweifelhaft, ob die - auch umweltpolitisch begründete - 1983 durch Bundesbeschluß eingeführte Schwerverkehrsabgabe und die "Autobahnvignette" als Umweltabgabe eingestuft werden dürfen. Im Rahmen der unmittelbar Verträglichkeit gernäss Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983, Bern 1990; ferner Loretan, Die Verordnung Ober die U mweltverträglichkeitsprOfung steht in Kraft, URP 1989, 36 ff.

32 33

Kloepfer(Fn. 14), § 4 Rn. 91.

Bundesgesetz Ober die Raumplanung vom 25. Juni 1979, SR 700. Vgl. auch Lendi, Die Raumplanung als Vorsorge im Umweltschutz, UPR 1992, 281 ff.; dens., Grundfragen im Zusammenhang mit dem Bodenschutzgesetz Ober die Raumplanung, SJZ 1980, 53 ff.

34 Vgl. Fleiner-Gerster, Die Auswirkungen des schweizerischen Umweltrechts auf das Bauen, in: Breuer I Kloepfer I Marburger I Sehröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und T echnikrechts 1987, UTR Bd. 3, 1987, S. 319 ff.

35 Näher zum Ganzen Ettler, Vorbemerkungen zu Art. 60-62, in: Kölz I Müller (Fn. 50), Bd. III (Stand: März 1991); ferner Heine, Umweltschutzrecht in der Schweiz, UPR 1985, 345 ff., 348 ff.; aus der älteren Literatur vgl. noch No//, in: MOller-Stahel (Hrsg.), Schweizerisches Umweltschutzrecht, Zürich 1973, S. 393 ff. 36 37

K/oepfer(Fn. 14), § 13 Rn. 20 ff.

Vgl. den EntwurfSchürmann, abgedruckt in: WuR 1975,331 ff. Zu den Gründen, weshalb dieser Vorschlag nicht in das USG übernommen wurde, Fleiner-Gerster, Das Umweltschutzgesetz

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bevorstehenden Revision des USG wird indessen- in Umsetzung der UNO-Klimakonvention von Rio de Janeiro - die Einführung einer Energiesteuer erwogen. Der Sache nach soll es sich dabei um eine Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe handeln. Vorderhand wird freilich gegen derartige Pläne vorgebracht, daß damit ein nicht akzeptabler Wettbewerbsnachteil gegenüber den EU-Mitgliedstaaten verbunden wäre. Bislang noch nicht im Umweltschutzgesetz nonniert ist das Haftungsrecht38, wenngleich Art. 54 und 59 einen staatlichen Kostenerstattungsanspruch für Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen vorsehen. Abgesehen von den allgemeinen Vorschriften über die zivile Verschuldens- bzw. Kausalhaftung, die als haftungsbegründendes Merkmal eine Obliegenheitsverletzung voraussetzen, finden sich lediglich partielle umweltbewgene Haftungsbestimmungen. So sehen das Gewässerschutzgesetz (GSchG) in Art. 69 sowie das kürzlich entsprechend ergänzte Fischereigesetz39 in Art. 15 medienbewgene Haftungstatbestände vor.4o Unterdessen zeichnet sich im Rahmen der Revision des USG die Einfügung einer verschuldeosunabhängigen Haftung in Art. 59 a USG ab. Nach dem Muster des Art. 69 GSchG soll hierbei insbesondere die Gefahrdungshaftung auf die gesamte Umwelt ausgedehnt werden. 41 Ferner soll nach Art. 59 b des Entwurfs dem Bundesrat die Möglichkeit geschaffen werden, für bestimmte umweltgefli.hrdende Anlagen den Abschluß einer Haftpflichtversicherung vorzuschreiben. g) Umweltrechtsschutz42

Die Beteiligung Privater am Umweltschutz fmdet sich auch in Gestalt des (bis zuletzt umstrittenen)43 Beschwerderechts der gesamtschweizerischen Um-

im Lichte des Verfassungsauftrags und der internationalen Umweltschutzgesetzgebung, Verwaltungspraxis 341 1980 Nr. 10, 7 ff., 10. 38 Vgl. hierzu Loser, Kausalitätsprobleme bei der Haftung ftlr Umweltschäden, Bem 1994; ferner Will I Marticke, Verantwortlichkeit ftlr ökologische Schäden, Teilbd. II I l, Typoskript Saarbrücken i992, S. 33 ff.

39 Amtliche Sammlung der eidgenössischen Gesetze (AS) 1991,2259.

40 Monographisch hierzu Bertisch, Die zivilrechtliche Haftungsbestimmung der Gewässerschutzgesetzgebung - Abhandlung und Rechtfertigung einer verschuldensunabhllngigen Anspruchsgrundlage, Bern 1991. 41 Botschaft des schweizerischen Bundesrats (Fn. 27), Tz. 8. S. auch Petitpierre, Zivilrechtliehe Haftpflicht ftlr Umweltschädigungen nach schweizerischem Recht: unter Berücksichtigung der Bestimmungen von Art. 138 IPRG und Art. 59 a USG (Entwurf), Basel u. a. 1993. 42 Einen Teilauschnitt behandelt Schaub, Der vorläufige Rechtsschutz im Anwendungsbereich des Umweltschutzgesetzes, Zürich 1990. 43 Vgl. F/einer-Gerster (Fn. 34), S. 333 m. w. N., sowie F. Matter, Art. 55 Rn. 5, in: Kölz I Müller (Fn. 4).

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2. Kapitel: Länderberichte

Weltschutzorganisationen (Art. 55 USG).44 Parallel hierzu besitzen die gesamtschweizerischen Natur- und Heimatschutzverbände in Angelegenheiten des Naturschutzes bereits seit 1966 ein Beschwerderecht (Art. 12 Abs. 1 Natur- und Heimatschutzgesetz).45 Letzteres umfaßt sowohl die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat als auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, also die (ideelle bzw. altruistische) Verbandsklage.46 Ähnliche Regelungen finden sich in den meisten kantonalen Naturschutzgesetzen. Im Bundes-Umweltschutzgesetz nicht selbständig geregelt wird das Beschwerdeverfahren, da Art. 54 USG auf die allgemeinen Vorschriften des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren47 und des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege48 verweist. Danach kennt das in diesem Punkt von der Rechtsprechung verschiedentlich konturierte schweizerische Recht zwar keine Popularbeschwerde, läßt aber das Vorliegen "praktischer Auswirkungen" der streitbefangenen Maßnahme gegenüber dem Beschwerdefiihrer ausreichen. 49 h) Umweltrechtsgebiete aa) Allgemeines Umweltrecht Aus dem Gesagten wird deutlich, daß das im Jahre 1983 nach mehrjähriger wechselhafter Gesetzgebungsgeschichte5o verabschiedete und als Ausfuh.rungsakt von Art. 24septies BV zu verstehende Bundesgesetz über den UmweltschutzSt im Mittelpunkt des schweizerischen Umweltrechts steht. Nach der grundlegenden Zweckbestimmung des Art. 1 Abs. 1 USG soll das Gesetz

44 Näher Troeb, Rechtsschutz gegen Luftverunreinigung und Lllrm - Das Beschwerdevetfahren bei Errichtung und Sanierung ortsfester Anlagen im Geltungsbereich des Umweltschutzgesetzes, Zürich 1990. 45 Vgl. F. Matter, Die Verbandsbeschwerde im schweizerischen Umweltrecht, ZSR 100 I 1981 I, 445 ff.; ferner H. Huber, Das Beschwerderecht der Natur- und Heimatschutzverbände in der schweizerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, DÖV 1976, !57 ff.

46 Dazu F. Matter, Das ideelle Verbandsbeschwerderecht im schweizerischen Umweltrecht, UPR 1982, 370 ff. 4 7 SR 172.021.

48 SR 173.110.

49 So etwa der Bundesgerichtshof in BGE 103 lb 150. Allgemein zur Judikatur in Umweltsachen R. Matter, Die ersten Jahre des eidgenössischen Umweltschutzrechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, URP 1989, 289 ff. 50 Vgl. insbes. den nicht verabschiedeten Vorentwurfvon 1973 (sog. EntwurfSchürmann [Fn. 37].), das hierauf bezogene Rechtsgutachten von Fleiner-Gerster, Wirtschaft und Recht 1975, 20 I ff., sowie die Botschaft des schweizerischen Bundesrates (Fn. 20). Eine vollständige tabellarische Übersicht der weiteren Gesetzgebungsstationen findet sich bei H.-U Müller, in: Kölz I ders. (Fn. 4), Bd. I, Teillll (Stand: Januar 1992). 51 Hierzu Gianella I Mohr I Stad/er, Das neue Umweltgesetzbuch- Ein wichtiger Schritt im Rahmen der Schweizer Umweltpolitik, ZfU 1985, 97 ff.; rechtsvergleichend Knebel ! Sundennann,

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"Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen schädliche und lästige Einwirkungen schützen und die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten".52 Das Gesetz vereinigt im wesentlichen die wesentlichen Regelungen des Immissionsschutzrechts, des Bodenschutzrechts, des Gefahrstoffrechts und des Abfallrechts (vgl. Art. 7 USG). Auch wenn es wegen der Ausklarnmerung des Strahlenschutzrechts (Art. 3 Abs. 2 USG) bzw. der NichteiDbeziehung des Gewässerschutzrechts und von Teilen des Naturschutzrechts, die Gegenstand selbständiger Gesetzesregelungen bleiben, keine Gesamtkodifikation des Umweltrechts darstellt, geht es doch über eine Teilgesetzgebung wesentlich hinaus und kommt dem Modell eines integrierten Umweltschutzgesetzes recht nahe. Auch soweit anderweitige Regelungen fortbestehen, wirkt das Umweltschutzgesetz "wie ein Scharnier, das das bestehende Umweltrecht auf eine einheitliche Konzeption ausrichtet". 53 Von daher besitzt das prägnant formulierte und mit insgesamt 63 Artikeln überschaubar strukturierte Gesetz auch Vorbildcharakter für die in Deutschland erwogene Kodifikation des Umweltrechts54, wenngleich die rechtlichen Ausgangslagen verschieden sind: Zwar fand auch das schweizerische Umweltschutzgesetz keine umweltrechtliche "tabula rasa" vor, sondern mußte in eine bestehende Umweltrechtsordnung (soweit es diese nicht veränderte) zum Teil auch eingepasst werden, 55 doch war diese weit weniger ausgebaut und flächendeckend als die heutige deutsche Umweltgesetzgebung. Die Gesetzgebungstechnik des USG ist stark von seiner Ausfüllungsbedürftigkeit geprägt. Als ausgesprochenes Rahmengesetz beschränkt es sich in weiten Bereichen auf Grundsatzregelungen und Regelungsermächtigungen. In Art. 4, 64 USG werden zudem Mindestanforderungen an die Ausführungsvorschriften zu anderen Umweltschutzgesetzen formuliert. Insgesamt liegen mittlerweile 16 Verordnungen des Bundesrates als Ausführungsregelungen zum USG vor, die dessen Zielpostulate in den wesentlichen von ihm erfaßten Bereichen konkretisieren und mit Leben füllen.

Der Entwurf eines Schweizerischen Umweltgesetzbuches - Bestandsaufnahme und Analyse in vergleichender Sicht zum deutschen Umweltrecht, UPR 1983, 8 ff.

52 Hinzuweisen ist freilich darauf, daß das Medium Wasser in der Definition der «Einwirkung» in Art. 7 Abs. 1 USG fehlt. Aus anderen Gründen kritisch auch Rausch, Art. 7 Rn. 7, in: Kölz I Müller (Fn. 4). 53 Fleiner-Gerster, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, 2. Aufl. Zürich 1980, S. 385.

54 Hierzu K/oepfer I Rehbinder I Schmidt-Aßmann I Kunig, Umweltgesetzbuch- Allgemeiner Teil, USA-Berichte 7 I 90, Berlin 1990, sowie Jarass I Kloepfer u. a., Umweltgesetzbuch- Besonderer Teil, USA-Berichte 4 I 94, Berlin 1994.

55 Vgl. zur Rechtslage vor Erlaß des USG die Gesetzessammlung von H-U Müller I Rausch I Winzeler (Hrsg.), Das Umweltschutzrecht des Bundes, Zürich 1975.

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2. Kapitel: Länderberichte

Im Verhältnis zu anderen umweltbezogenen Gesetzen des Bundes stellt Art. 3 Abs. 1 USG deren Weitergeltung klar, sofern sie strengere Vorschriften als das USG enthalten. bb) Immissionsschutzrecht Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten mit einer modernen Umweltpolitik sieht das Umweltschutzgesetz kein eigenes immissionsschutzrechtliches Anlagengenehmigungsverfahren vor. Es beläßt es vielmehr bei den herkömmlichen (z. B. gewerberechtlichen oder baurechtlichen) Kontrollverfahren, die allerdings durch die nach Art. 9 USG vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung angereichert werden. Für nicht gesetzeskonforme Anlagen zeichnet das Umweltschutzgesetz allerdings in Art. 16 bis 18 ein besonderes Sanierungsverfahren vor. Das Hauptinstrument des Umweltschutzgesetzes beim Schutz vor Luftverunreinigung, Lärm, Erschütterungen und (nicht radioaktiven)56 Strahlen stellen vorsorgeorientierte Emissionsbegrenzungen (Art. 12 USG) dar. Die einschlägigen Festlegungen trifit in recht detaillierter Form die (unterdessen mehrfach modifizierte) Luftreinbalte-Verordnung (LRV} vom 16. Dezember 198557 in ihren ersten sechs Anhängen. Überdies erfüllt die LRV in ihrem Anhang 7 den Rechtsetzungsauftrag der Art. 13 bis 15 USG, soweit dieser sich auf die Statuierung von spezifischen Immissionsgrenzwerten für die Luftreinhaltung bezieht. Bemerkenswert scheint, daß Art. 13 Abs. 2 USG insofern ganz allgemein die Berücksichtigung von Personengruppen mit erhöhter Empfmdlichkeit vorschreibt. 58 Schließlich widmen die Art. 19 bis 25 USG dem Lärmschutz besondere Aufmerksamkeit. Der Verordnungsgeber hat seinen hieraus resultierenden Pflichten mit Erlaß der Lärmschutz-Verordnung (LSV} vom 15. Dezember 198659 Rechnung getragen, die die abstrakten gesetzlichen Anforderungen an Geräte und Maschinen beispielsweise durch das Erfordernis einer Typenprüfung vor dem Inverkehrbringen umzusetzen hilft. Ferner formuliert die LSV spezifische Anforderungen an die Errichtung und Unterhaltung ortsfester Anlagen. Der durch das Umweltschutzgesetz gewährleistete Schutz gegenüber verkehrsbedingten Immissionen (vgl. insbesondere Art. 7 Abs. 7 sowie Art. 20, 21 USG) wird noch durch das Straßenverkehrsgesetz und das Luftfahrtgesetz ergänzt. Dem Umweltschutz (wie auch der Verkehrssicherheit) dient z. B. das 1984 im Verordnungswege60 eingefiihrte und seither umstrittene61 generelle 56 VgL zur Abgrenzung gegenüber dem Strahlenschutzrecht Rausch, Art. 7 Rn. 8, in: Kölz I Müller (Fn. 4).

57 SR. 814.318.142.L 58 Zur Standardsetzung nlher Jaedicke I Kern I Wollmann, Internationaler Vergleich von Verfahren zur Festlegung von Umweltstandards, UBA-Berichte 3 / 93, Berlin 1993, S. 9 ff. 59 SR 814.4L 60 SR 74l.ll.

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Tempolimit auf schweizerischen Straßen. Als weitere Beispiele für die relativ ausgeprägten Umweltschutzgehalte des schweizerischen Straßenverkehrsrechts seien die Geltung besonders strenger (am amerikanischen Beispiel orientierter) Abgaswerte für Kraftfahrzeuge und das Abschaltgebot für Motoren vor Verkehrsampeln genannt.62 Ferner wurde versuchsweise im Sommer 1991 durch die sog. Sommersmog-Verordnung63 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf bestimmten Nationalstraßen verfügt, um die Entstehung der Vorläufersubstanzen für bodennahes Ozon einzudämmen. cc) Strahlenschutzrecht In Anbetracht einer nahezu hälftigen Deckung des Strombedarfs mit kerntechnisch erzeugtem Strom spielt das Atomrecht eine praktisch bedeutsame Rolle. Ähnlich wie in Deutschland ist es seit geraumer Zeit spezialgesetzlich im Bundesgesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz (Atomgesetz) vom 23. Dezember 195964 sowie in der Verordnung über den Strahlenschutz vom 30. Juni 197665 geregelt.66 Eine weitere Parallele zeigt sich darin, daß die Kernenergienutzung politisch sehr umstritten und Gegenstand mehrerer Volksinitiativen gewesen ist.67 Während die Mehrzahl dieser Begehren letztlich erfolglos geblieben sind, wurde am 23. September 1990 erfolgreich eine Übergangsbestimmung in Art. 19 der Bundesverfassung eingefügt, die ein Moratorium für den Bau und die Inbetriebnahme von kerntechnischen Anlagen verfügt. Die wesentlichen administrativen Zuständigkeiten in diesem Bereich liegen beim Bundesamt für Energiewirtschaft. In einem selbständigen Kernenergiehaftpflichtgesetz ist seit 1983 die atomrechtliche Haftung geregelt. dd) Abfallrecht Im Hinblick auf Abfälle geht das USG in Art. 30 bis 32 - im Unterschied zur Rechtslage in Deutschland- zumindest gesetzestechnisch grundsätzlich von einer Selbstentsorgungspflicht (bzw. -berechtigung) der Abfallinhaber aus (vgl. Art. 30 Abs. 1 USG). Daneben sind aber nach Art. 31 USG auch bei sog. Sied61 Eine Folgeerscheinung ist das Entstehen von sog. Autofahrerparteien, die in einigen kantonalen Parlamenten Einzug gehalten haben.

62 Einfuhrend zu diesem Themenkreis Baroni I Brunner I Knoepfel I Moor, Straßenverkehrsrecht im Lichte des Umweltrechts, Basel1991. 63

SR 741. 121.

64 SR 732.0.

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SR. 814.50.

66 Hierzu näher Rausch, Schweizerisches Atomenergiegesetz, Zürich 1980; vgl. ferner Seiler, Das Recht der nuklearen Entsorgung in der Schweiz, Bem, 1986.

67 Eingehend Bühlmann, Politische und rechtliche Aspekte der Ausstiegsforderung in der Schweiz, in: Pelzer (Hrsg. ), Kernenergierecht zwischen Ausstiegsforderung und europäischem Binnenmarkt; Tagungsbericht der AIDN I INLA Regionaltagung in WUrzburg 1990, Baden-Baden 1991, S. 223 ff. Zur Komplementärfrage der Alternativenergien Gonesmann, Rechtliche Probleme der Alternativenergie Erdwärme (geothermische Energie) in der Schweiz, NuR 1991 , 406 ff.

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2. Kapitel: Underberichte

lungsabfällen die Kantone für die Entsorgung einschließlich der Verwertung verantwortlich. Die Abgrenzung der jeweiligen Verantwortungssphären obliegt gem. Art. 30 Abs. 1 USG konkretisierenden Vorschriften des Bundes und der Kantone. Wichtige untergesetzliche Konkretisierungen hinsichtlich der Verminderung, Behandlung und Deponierung von AbflUlen enthält die Technische Verordnung über AbflUle (TVA) vom 10. Dezember 199068. Nach Art. 15 bzw. 16 TVA sind die Kantone zur Erstellung von Abfallverzeichnissen und von Abfallplänen verpflichtet. Art. 21 TVA schreibt ein eigenes Bewilligungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb von Abfalldeponien vor. Uberdies formuliert die TVA, gesondert nach den zulässigen Deponietypen, Anforderungen an die Beschaffenheit der abzulagernden AbflUle. Aus Art. 38 ff. TVA ergeben sich schließlich materielle Maßstäbe fiir den Betrieb und die Errichtung von Abfallverbrennungsanlagen. Eine gesetzliche Sonderregelung gilt für gefli.hrliche Abfli.lle: Diese dürfen nach Art. 30 Abs. 4 USG im Inland nur an Unternehmungen weitergegeben werden, die über eine Bewilligung zur Entgegennahme solcher Abfli.lle nach Art. 32 Abs. 2 Buchst. b USG verfügen. Die Anforderungen an den Umgang mit Sonderabfällen werden im übrigen in der Verordnung über den Verkehr mit SonderabflUlen (WS)69 präzisiert, die u. a. für den Abfalltransport ein auch im deutschen Recht bekanntes Begleitscheinverfahren vorsieht. Eine Effektivierung abfallwirtschaftlicher Gesichtspunkte setzt - wie in Deutschland - eine entsprechende Verordnungsgebung voraus. Als mögliche

RegelungsgegenstAnde nennt Art. 32 Abi. 4 USG u. a. die geiODderte ÜberQabe

von Abfli.llen, Verwertungsgebote, Rücknahmepflichten für bestimmte Produkte und Verpackungen, die Einführung eines Zwangspfandes sowie Verwendungsbeschränkungen und -verbote für schwer zu entsorgende oder baden- und gewässerschädigende Stoffe. Die Verordnung über Getränkeverpackungen vom 22. August 1990 (VGV)10 verpflichtet den Handel nach Art. 5 bei der Abgabe von Mehrwegverpackungen zur Erhebung eines Pfandes. Ferner gibt Art. 6 Abs. 2 VGV Restabfallmengen für Einweggetränkeverpackungen vor, die sich um die Menge der jeweils wiederverwerteten Verpackungen reduziert. Lediglich diskutiert, aber wohl nicht ernsthaft erwogen wurde die Verabschiedung einer Verpackungsverordnung nach deutschem Vorbild.7I Aktuell zeichnen sich - auf freiwilliger Basis - erste Ansätze zur Wiederverwertung von Elektronikschrott ab. Dabei haben die Gerätehersteller sich zur Abnahme von Altgeräten verpflichtet und belasten im Gegenzug die Käufer

68 SR 814.015. 69 SR 814.014. 70 SR 814.017. 71 S. insbes. K. Müller I Braun, Eine schweizerische Verpackungsverordnung nach deutschem Vorbild?- Pro, Contra, Konsequenzen, Milli und Abfall 1993,717 ff.

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von Neugeräten mit einer sog. vorgezogenen Recyclinggebühr, die zum Aufbau eines Entsorgungsnetzes verwendet wird. Im Rahmen der bevorstehenden TeilRevision des USG soll eine allgemeine Rechtsgrundlage für die Erhebung derartiger Gebühren geschaffen werden. ee) Gefahrstoffrecht Hinsichtlich des Inverkehrbringens und der Verwendung umweltgefllhrdender Stoffe mißt das USG in Art. 26 bis 29 der Selbstkontrolle der Hersteller und Importeure noch größere Bedeutung zu als das deutsche Chemikaliengesetz72. Es verzichtet sogar regelmäßig auf ein Anmeldeverfahren, doch kann der Bundesrat (d. h. die Exekutive) im Gefahrenfall nach Art. 29 USG einschränkende Vorschriften bis hin zu einem- in der Norm allerdings nicht ausdrücklich genannten- Verbot73 erlassen. Die Vorschriften des Gesetzes hat der Bundesrat durch die Verordnung über umweltgefli.hrdende Stoffe vom 9. Juni 198674 (sog. Stoffverordnung) für den Vollzug näher ausgeführt. 75 Über die gefahrstoffrechtlichen Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes hinausgehende Regelungen enthält schließlich auch das parallel weitergeltende Giftgesetz von 1969.

fi) Gewässerschutzrecht Auf eine umfassendere Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 24bis BV) stützt sich das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (GSchG), das im Jahre 1991 grundlegend novelliert worden und nach einer Volksabstimmung am 1. November 1992 in Kraft getreten ist. 76 Schon in seiner urspünglichen Fassung lag dem Gewässerschutzgesetz das unterdessen erreichte Ziel zugrunde, einen Beitrag zur Verbesserung der Abasserreinhaltung zu leisten. Zu diesem Zweck schreibt Art. 17 GSchG die Behandlung aller Abwässer in Kläranlagen vor. Überdies hat der Bund auf der Grundlage des GSchG einen wichtigen finanziellen Beitrag zur Abwasserreinigung geleistet. Ein Hauptanliegen der Novelle bestand in der Akzentuierung des quantitativen Gewässerschutzes. Der (grundsätzlich ebenfalls vom Gewässerschutzgesetz umfaßte) Grundwasserschutz obliegt primär den Kantonen (Art. 29 GSchG). Unter den auf das Gewässerschutzgesetz gestützten Verordnungen verdienen insbesondere die Allgemeine Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 197277, die Verordnung vom 72 Dazu Kloepfer (Fn. 14), § 13 Rn. 20 ff. 73 Vgl. Jungo (Fn. 18), S. 9. 74 SR 814.013. 75 S. hienu noch folgende vom BUWAL herausgegebene Schriften: Erläuterungen zur Stoffverordnung, Bern 1988; Vollzug der Stoffverordnung, Fachtagung Vollzug der Stoffverordnung, 23. und 24. März 1988, Kurzfassung der Referate, Bern 1988. Zu den technischen Einzelfragen vgl. schließlich die vom EDI edierte Schrift: Verfahren und Grundsätze der guten Laborpraxis (GLP) in der Schweiz, Bern 1990. 76 SR814.20. 77 SR 814.201. 4 Kloepfer/Mast

2. Kapitel: Länderberichte

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8. Dezember 1975 über Abwassereinleitungen78 sowie die Verordnung vom 28. September 1981 über den Schutz der Gewässer vor wassergetahrdenden Flüssigkeiten79 besondere Erwähnung. Spezielle Gewässerschutzbestimmungen enthalten u. a. das Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte sowie das Bundesgesetz über Rohrleitungsantagen zur Beförderung flüssiger oder gasilirmiger Brenn- oder Treibstoffe (nebst Verordnungen). Einem Verbot unterliegen phosphathaltige WaschmitteL gg) Bodenschutzrecht Nicht umfassend ausgeformt sind die in Art. 33 bis 35 USG enthaltenen bodenschutzrechtlichen Regelungsansätze. So fehlt es insbesondere an einer Pflicht zur Sanierung beeinträchtigter Böden. Die u. a. auf Art. 33 USG gestützte Verordnung über Schadstoffe im Boden vom 9. Juni 1986 (VSBo)80 konkretisiert- insbesondere mit den in ihrem Anhang angegebenen Richtwerten- die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Bodenbelastung, unter denen die Kantone gern. Art. 35 USG zur Festsetzung verschärfter Emissionsbegrenzungen verpflichtet sind. hh) Naturschutzrecht

Zentrale naturschutzrechtliche Regelungen enthält das Bundesgesetz über den Natur- u.nd Heimatschutz (NHG) vom 1. Jwi 1966.81 Obileich der Naturschutz nach Art. 24sexies Abs. 1 BV überwiegend Angelegenheit der Kantone ist, die in aller Regel eigene Naturschutzgesetze erlassen haben, werden dem Bund durch dieses Gesetz beträchtliche Einflußmöglichkeiten eröffnet. Unter dem Blickwinkel der Rechtsvergleichung dürfte die Einführung einer Wiederherstellungspflicht bei rechtswidrigen Eingriffen in geschützte Biotope nach Art. 24e des Natur- und Heimatschutzgesetzes eine interessante Neuerung darstellen. Besondere Akzentuierung erfahrt auch der Biotopschutz nach Maßgabe von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 NHG, wonach die "Erhaltung genügend großer Lebensräume (Biotope)" postuliert wird, ohne daß freilich ein Adressat dieser Verpflichtung geannt ist. Aufuntergesetzlicher Ebene ist die neue Auenschutzverordnung vom 28. Oktober 199282 zu erwähnen, die sich den Auengebieten von nationaler Bedeutung widmet. Den weitgehend auf internationaler Ebene formulierten Erfordernissen des Artenschutzes trägt die gleichnamige Verordnung83 Rechnung. 78 79 80

SR 814.225.21.

83

VO vom 19. August 1981, SR453.

SR 814.226.21. SR 814.12. 81 SR451. 82 SR 451.31.

1. Schweiz

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Umweltschutzbezüge weist auch das insgesamt protektionistisch ausgerichtete und im Landwirtschaftsgesetz vom 3. Oktober 195184 geregelte schweizerische Landwirtschaftsrecht auf. In jüngster Zeit widmet sich dieses mit der ÖkoBeitragsverordnung freilich auch der Förderung des ökologischen Landbaus und schafft entsprechende Subventionierungsmechanismen. Zu nennen ist schließlich das neuerdings im Waldgesetz vom 30. November 199285 geregelte Forstrecht. i) Gesamtwürdigung

Im Ganzen betrachtet verfugt die Schweiz über eine der führenden Umweltrechtsordnungen, die trotz mancher Rückschläge - man denke nur an den Sandoz-Brand und die damit einhergehende Rheinverschmutzung86 - bereits in vielen Bereichen zu einer deutlichen Reduzierung der Umweltbelastung geführt hat. Ähnlich wie in Deutschland hat sich der Gesetzgeber dabei überwiegend ordnungsrechtlicher Vorgaben bedient. Wenngleich auch in der Schweiz die Unübersichlichkeit der Rechtslage beklagt wird, so unterscheidet sich das schweizerische Recht vom deutschen Umweltrecht augenfällig durch die überschaubare Zusammenfassung wichtiger Umweltschutzmaterien in einem Gesetz. Freilich ist die relative Kürze auch einer ungleich stärkeren Delegation von Einzelregelungen an die Verordnungsgebung zu verdanken. Einer Vorbildwirkung der Schweiz sind insofernjedenfalls in Deutschland verfassungsrechtliche Schranken gesetzt. So dürfte hierzulande namentlich wegen Art. 80 Abs. l GG und im Hinblick auf die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine höhere gesetzliche Regelungsdichte geboten sein. Nachdem der geplante Beitritt der Schweiz zum Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der eine Anpassung auch des Umweltrechts an das EG-Recht erforderlich gemacht hätte, 87 aufgrund eines abschlägigen Referendums gescheitert ist, wird eine umfassende Novellierung des USG voraussichtlich bis zum Jahre 1996 in Kraft treten.88 Dabei werden, wie bereits erwähnt, eine umweltbezogene Gefii.hrdungshaftung sowie Vorschriften über die Gentechnik, die Altlastensanierung und abfallwirtschaftliche Pflichten in das Gesetz aufgenommen werden. Ein weiterer deutlicher Akzent liegt schließlich auf der Ei.nltihrung von influenzierenden Steuerungsinstrumenten wie Len84 SR910.1. 85 SR921.0. 86 Vgl. hierzu umfassend Tercier, L'indemnisation des prejudices causes pardes catastrophes en droit suisse, ZSR 109 I 1990 II, 72 ff. 87 Vgl. die nunmehr erledigte Botschaft I des Bundesrates über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht (Zusatzbotschaft zur EWR-Botschaft) vom 27. Mai 1992, SR 92.057, insbes. den unter Abschnitt 3.2 enthaltenen Bundesbeschluß über die Änderung des USG. 88 Zu den Einzelheiten vgl. die Botschaft des schweizerischen Bundesrates (Fn. 27). Der Gesetzentwurf ist am 2. Juni 1994 mit geringftlgigen Änderungen vom Ständerat gebilligt worden.

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2. Kapitel: Underberichte

kungsabgaben auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) sowie auf Heizöl mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,1 %.8 9 Somit zeichnet sich nach einer Phase gesetzgebenscher Zurückhaltung eine behutsame Fortentwicklung und Abrundung der mittlerweile konsolidierten Materie ab.

89 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die rechtspolitischen Vorstöße von Meier I Wa/ter, Umweltabgaben ftlr die Schweiz: ein Beitrag zur Ökologisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, Chur 1991.

2. Österreich

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2. Österreich a) Umweltsituation Die Umweltsituation stellt in gewisser Hinsicht ein Abbild der Problemlage in Deutschland dar.l So hat etwa ein früherer sorgloser Umgang mit den Risiken der Technik dem Land zahlreiche altlasten-verdächtige Flächen hinterlassen.2 Die massive Schädigung der Wälder und ihrer Böden durch luftgetragene Schadstoffe stellt in Österreich ebenso greifbare Realität dar wie der drohende Kollaps bei der Abfallbeseitigung.3 Ein spezifisches Folgeproblem des intensiven Skitourismus sind die vor allem im Sommer manifesten Landschafts- und Bodenbeeinträchtigungen im Alpenraum. 4 Da Österreich traditionell ein in hohem Maße agrarisch genutztes Land ist, spielt schließlich die Landwirtschaft als landschaftsgestaltendes Element eine bedeutsame Rolle für den Umweltschutz.5 Die Österreichische Umweltbewegung hat ihre Mobilisierungskraft verschiedentlich unter Beweis gestellt. So wurde nach langwierigen Auseinandersetzungen auf die ursprünglich beabsichtigte Errichtung eines Wasserkraftwerkes in Hainburg verzichtet, das die Zerstörung der dortigen, als Rückzugsraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten bedeutsamen Donauauen befürchten ließ. Auch die unterbliebene Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes in Zwentendorfund der Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie (der freilich mit dem Import ausländischen Atomstroms kontrastiert) gehen auf das Wirken der Umweltbewegung zurück. b) Umweltrechtsentwicklung Die Österreichische Umweltrechtsgeschichte findet erste Ansatzpunkte u. a. in den Landesjagdgesetzen des 19. Jahrhunderts sowie dem Reichsforstgesetz, das ähnlich wie das schweizerische und deutsche Forstrecht des ausgehenden 19. Jahrhunderts den Grundsatz der nachhaltigen Bewirtschaftung formulierte. Zu nennen ist ferner das erste Reichswassergesetz aus dem Jahre 1869 mit seinen Regelungen über die Gewässernutzung und den Hochwasserschutz, welches schon kurze Zeit später durch Landeswassergesetze ergänzt wurde. Die gegenseitige Beeinflussung mit der deutschen Rechtsentwicklung läßt sich u. a. daran ablesen, daß die Kontrolle gewerblicher Anlagen ihren Ausgang mit der I

Näher Fischer-Kowalski, Öko-Bilanz Österreich, Wien u. a. 1988.

2

Kasper, Altlastenprobleme in Österreich, Umwelt (VDI) 1990, 329 ff.

3 Vgl. etwa den Bericht des Österreichischen Instituts fur das Gesundheitswesen (ÖBIG), Umweltbericht Abfall, Wien 1989. 4 Vgl. dazu die Reihe "Alpine Umweltprobleme" aus der Reihe "Beiträge zur Umweltgestaltung" im Erich Schmidt Verlag, Berlin. 5 Das Werk von Holzer I Reischauer, Agrarumweltrecht - Kritische Analyse des "Grünen Rechts" in Österreich, Wien 1991, widmet sich schwerpunktmäßig den hieraufbezogenen Rechtsnormen, ohne freilich die Darstellung des übrigen Umweltrechts zu vernachlässigen.

54

2. Kapitel: Underberichte

Reichsgewerbeordnung von 1859 nahm. Auch das seit den zwanziger Jahren auf Landesebene ausgefonnte Naturschutzrecht erfuhr zwischenzeitlich durch die Übernahme des deutschen Reichsnaturschutzgesetzes im Jahre 1939 eine gewisse Angleichung an die deutsche Rechtsentwicklung, die indes nach 1945 durch den Übergang des Reichsrechts in Landesrecht wieder endete. 6 Mit der Ausfonnung des modernen Umweltrechts erfuhren die Parallelen einen weiteren Bruch. Während in Deutschland zu Beginn der siebziger Jahre mit einem komplexen Bündel gesetzgebenscher Maßnahmen die Grundlage für das heutige Umweltrecht geschaffen wurde, hat man in Österreich auf Bundesebene zunächst noch primär auf den Ausbau des Nachbarrechtsschutzes gesetzt. 7 Zeitgleich mit der Herauslösung des deutschen BlmSchG aus der GewO wurde die Österreichische Gewerbeordnung von 1959 im Jahre 1974 entsprechend ergänzt. Im folgenden Jahr wurde- letztlich aus Kompetenzgründen-das Forstgesetz mit immissionsschutzrechtlichen Regelungen angereichert. Schon im selben Jahre - und damit fliiher als in Deutschland- wurde das Strafrecht um Umweltschutzaspekte erweitert. Die achtziger Jahre brachten schließlich eine Verbesserung und Dynarnisierung der ordnungsrechtlichen Befugnisse. Nach wesentlichen Ergänzungen der Bundeskompetenzen war die Österreichische Gesetzgebung in den letzten Jahren von nahezu hektischer Betriebsamkeit geprägt8 und hat somit den Gleichklang mit der Situation in Deutschland wieder hergestellt. Letzteres gilt übrigens gleichermaßen für die gerichtliche Fortbildung wie die wissenschaftliche Durchdringung dei Stoffä.9

c) Veifassungslage Der Umweltschutz hat sowohl in das Verfassungsrecht des Bundes als auch in die Verfassungen der Bundesländer ausdrücklich Eingang gefunden. So wurde durch das Bundes-Verfassungsgesetz vom 27. November 1984 über den umfassenden UmweltschutzlO folgender im Verfassungsrang stehender Passus ge6 Näher Melichar, Die Entwicklung des Naturschutzrechts in Österreich, in: Oberndorfer I Schamheck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft, Festschrift filr Ludwig Fröhler zum 60. Geburtstag, Berlin 1980, S. 155 ff. 7 Näher Glatz, Österreichische Umweltpolitik in den siebziger Jahren, Wirtschaft und Gesellschaft 1980, 203 ff.

8 Dies illustriert beispielhaft die Übersicht von Wegscheider, Umweltrecht Index über umweltrelevante Rechtsakte des Jahres 1992, Wien 1993. Vgl. zum folgenden auch die von List bearbeitete Textsamrnlung: Umweltrecht, 3. Aufl. Wien 1992. 9 Allgernein zum Umweltrecht Holzer I Reisehauer (Fn. 5); Onz, Umweltrecht Kritischer Überblick über die rechtlichen Instrumente des Umweltschutzes in Österreich, Laxenburg 1987; Schröjl, Handkommentar zum Umweltschutzrecht, 2. Aufl., Wien 1992, der sich freilich neben der Wiedergabe der wesentlichen Texte auf einen Kurzkommentar beschrlnkl; ferner Stampfer, in: Seidl (Hrsg.), Industrie und Umweltschutz: Rechts- und Planungsgrundlagen filr das Gewerbe und die Industrie, 4. Aufl. Wien 1990, S. 205; Schäfer, Artikel "Österreich", in: Kimrninich I v. Lersner I Storm (Hrsg.}, HdUR, Bd. II, 2. Aufl. Berlin 1994, Sp. 1529 ff. 10 Bundesgesetzblatt (BGBl) 19841491.

2. Österreich

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schaffen: "Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden Umweltschutz" .1 1 Der Sache nach handelt es sich hierbei um eine Staatszielbestimmung von begrenzter Wirkkraft12, die sich zumindest nach Auffassung des Parlaments auf einen reinen Gesetzgebungsauftrag reduziert. Ähnliche, teilweise auch detailliertere, Aussagen finden sich in den Verfassungsgesetzen der Länder. Beispielhaft genannt seien etwa Art. 7 Abs. 3 der Vorarlberger Verfassung und Art. 7a der Oberösterreichischen Verfassung, die indes wie das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) keine Umweltgrundrechte gewährleisten.13 Umgekehrt formuliert§ 1 Abs. 2 des Umwelt-Verfassungsgesetzes des Landes Kärnten eine umweltbezogene Grundpflicht, wonach jedem Kärntner in Eigenverantwortung die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen seiner Heimat anvertraut ist. Die vielßltigen Parallelen zwischen der Österreichischen und der deutschen Rechtsordnung, die teils historisch bedingt sind, teils durch einen regen wissenschaftlichen Gedankenaustausch gefördert werden, zeigen sich auch daran, daß die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte im Umweltschutz eine gewichtige Rolle spielt.14 Hinsichtlich der fiir einen Bundesstaat essentiellen Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen begründet das Bundes-Verfassungsgesetz zusätzlich zu der seit jeher bestehenden Bundeskompetenz für Gewerbe und Gewässer seit dem Jahre 1984 eine ausdrückliche, aber lediglich partielle Umweltschutzkompetenz des Bundes. Nach dem seinerzeit eingefUgten und in der Literatur als "Umweltalarrnkompetenz"15 charakterisierten Art. 10 Abs. I Z 12 B-VG kann (allein) der Bund "Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entstehen", ergreifen. Die Inanspruchnahme dieser Kompetenz setzt jedoch gemäß Art. li der Verfassungsnovelle von 198316 den Abschluß einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die zugrundeliegenden Schwellenwerte vorII Hierzu Hattenberger, Der Umweltschutz als Staatsaufgabe, Wien u. a. 1993; ferner Marko , Umweltschutz als Staatsziel, ÖJZ 1986, 289 ff.

12 So etwa Raschauer, Umweltschutzrecht, Wien 1986, S. 13 ("eher ... verfassungsrechtliches Glaubensbekenntnis ... als verpflichtende Norm"); zur vorangegangenen Diskussion Duschanek, Wege einer verfassungsrechtlichen Umweltschutzgarantie, in: Festschrift filr Kar! Wenger zum 60. Geburtstag, Wien 1983, S. 279 ff. , und Wenger, Staatsaufgabe Umweltschutz in Österreich, WDStRL 38 (1980), S. 318 ff., 322.

13 Zu deren Gewährung de constitutione ferenda Pernthaler, Bemerkungen zum Recht auf Umweltschutz, in: Rack (Hrsg.), Grundrechtsform, Wien 1985, 205 ff.

14 Vgl. etwa Holzer I Reisehauer (Fn. 5), S. 32 ff. m. w. N.; Gutknecht I Holoubek I Schwarzer, Verfassungsrecht als Grundlage und Schranke der Umweltpolitik, ZfV 1990, 554 ff. 15 Stolzlechner, Neuere Entwicklungen des Osterreichischen Umweltschutzrechts, UPR 1987, 161 ff., 162. 16 BGB11983 I 175.

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aus, was in der Praxis beträchtliche Schwierigkeiten verursacht. 17 Die noch sehr punktuelle Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 Z 12 ist durch die mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle aus dem Jahre 198818 eingefügten Bundeskompetenzen für Luftreinhaltung und Abfallwirtschaft ergänzt worden. 19 Letztere wirft allerdings - wie auch die anderen Kompetenztatbestände - partielle Auslegungsschwierigkeiten auf.2° Zwar besteht nunmehr flir gefährliche Abflille eine alleinige Bundeskompetenz, hinsichtlich der abfallwirtschaftlichen Gesetzgebung im übrigen gilt dies aber nur dann, "wenn ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist". In allen weiteren, nicht ausdrücklich in Art. 10 Abs. 1 Z 12 genannten Bereichen unterflillt der Umweltschutz auch zukünftig nicht einer einzelnen Kompetenzbestimmung bzw. einer spezifischen Umweltkompetenz21, sondern kann nur im Zusammenhang mit anderen im Kompetenzkatalog der Verfassung angeführten Sachmaterien i. S. einer "komplexen flexiblen Adhäsionsmaterie" geregelt werden. 22 Unklar ist auch, ob die neue abfallwirtschaftliche Bedarfskompetenz zur partiellen Verdrängung der beschriebenen Annexkompetenz geführt hat.23 Im Hinblick auf die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung wurde im Jahre 1993 schließlich eine eigene Bedarfskompetenz des Bundes in Art. 11 Abs. 1 Z 7 B-VG eingefügt24, die- bedingt durch den engen sachlichen Zusammenhang mit der gleichzeitigen Ausdehnung der Bürgerbeteiligung (s. u. S. 62) - noch durch den neuen Art. 11 Abs. 6 B-VG ergänzt wird, wonach der Bund im Bedarf~alle auch bundesrechtliche Regelungen der Bürgerbeteiligung und der Verfahrensgestaltung treffen darf. Im Ergebnis kommt es zu dem für eine lliderale Ordnung kennzeichnenden und nicht immer konfliktfreien25 Nebeneinander von Bundes- und Landesge17 Srolzlechner, Die neue Umweltschutzkompetenz des Bundes (Art. 10 Abs. I Z 12 B-VG), Schriftenreihe des Instituts ftlr Kornrnunalwissenschaften und Umweltschutz, Bd. 72, 1985, 53 ff. 18 BGB11988/685. 19 Näher Schwarzer, Die Verteilung der Umweltkompetenzen in Österreich - ein Beitrag zur Reform der Kompetenzverteilungsmuster, in: Merten (Hrsg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, Berlin 1990, S. 213 ff.; ders., Die neuen Luftreinhaltungskompetenzen des Bundes, Österreichische Zeitschrift ftlr Wirtschaftsrecht 1989, 47 ff. 20 Näher Drug I Thomasirz, Abfallrecht Kurzkornrnentar mit Anmerkungen, Judikatur und Materialien, Wien 1990, S. 14 ff. 21 Zu den gescheiterten Bemühungen zur Einftlhrung einer einheitlichen Umweltschutzkompetenz Wenger (Fn. 12), S. 322. 22 So die Formulierung von Wenger (Fn. 12), S. 320; in der Sache ebenso die Judikatur des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH), vgl. dessen Erkenntnis zum Wiener Sonderabfallgesetz, Vtslg 7792 / 1976.

23 In diesem Sinne Drug I Thomasirz (Fn. 20), S. 17; a. A. Funk, Die neue Umweltschutzkompetenz des Bundes, in: Waller (Hrsg.), Verfassungslnderungen, Wien 1988, S. 63 ff. 24 BGBI1993 I 508.

25 Vgl. die Beispiele bei Rasehauer (Fn. 12}, S. 209, 216, und Schwarzer, Österreichisches Luftreinhaltungsrecht, Wien 1987, S. 213.

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setzgebung zum Umweltschutz, wobei vor allem nach der letzten Novelle ähnlich wie in Deutschland26 - ein Kompetenzübergewicht des Bundes festzustellen ist. Dieses manifestiert sich auch in so zentralen Bereichen wie dem Gewerberecht, dem Strahlenschutzrecht und Forstrecht sowie den für den Umweltschutz zumindest mittelbar relevanten Materien des Luftfahrtrechts, des Straßenrechts und des Kraftfahrzeugrechts. d) Umweltschutzinstitutionen Ihre Entsprechung findet die zergliederte Kompetenzlage im Aufbau der Umweltschutzverwaltung, deren starke Parzellierung beklagt wird.27 Wie in Deutschland besteht auf Bundesebene mit dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie (BMUJF, vormals: Gesundheit und Umweltschutz28) einefreilich nur für Teile der Umweltverwaltung gemeinsame- Verwaltungsspitze. Bedingt durch den Umstand, daß z. B. wichtige andere Teilbereiche des Umweltschutzes wie das Gewerberecht beim Bundesministerium für Öffentliche Wirtschaft sowie das Forst- und das Landwirtschaftsrecht bei dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft ressortieren, sind die Durchsetzungschancen des BMUJF im Kabinett allerdings gemindert. Dem Umweltministerium unterstellt ist das Umweltbundesamt als spezialisierte Bundesbehörde. Es nimmt vor allem technische und wissenschaftliche Fachaufgaben wie die Umweltbeobachtung und Umweltforschung, die Durchführung und Auswertung von Messungen sowie die Schulung wahr, ohne indessen über eigene Vollzugskompetenzen zu verfügen. Bei den in einigen Bundesländern eingerichteten - und derzeit auch auf Bundesebene diskutierten - Umweltanwaltschaften29 handelt es sich demgegenüber um besondere weisungsfreie Organe, die in umweltbezogenen Verwaltungsverfahren die Interessen des Umweltschutzes als Verfahrenspartei vertreten und darüber hinaus Bürger im Verwaltungsverfahren beraten und unterstützen. Aus Kompetenzgründen gilt dies freilich nur für landesrechtliche Verfahren. Die Umweltanwaltschaften sind nicht mit Strafverfolgungsbehörden zu verwechseln und auch kaum den Vertretern des öffentlichen Interesses im deutschen Verwaltungsprozeß (§§ 35 bis 37 VwGO) vergleichbar, da sie im Unterschied zu jenen bereits in das Verwaltungsverfahren eingeschaltet sind und nicht allgemein das öffentliche Interesse vertreten, sondern mit der Wahrnehmung eines spezifischen öffentlichen Interesses betraut sind, was Konflikte mit 26 Dazu Kloepfer, Umweltrecht, München 1989, § 2 Rn. 53 ff. 27 So etwa von Rasehauer (Fn. 12), S. 15. Vgl. allgemein zur Umweltverwaltung auch Krott,

Öffentliche Verwaltung im Umweltschutz, Wien 1990, der sich indessen auf den Waldschutz beschränkt.

28 Dazu noch Kopp, Organisatorische Probleme des Umweltschutzes im Bereich der öffentlichen Verwaltung, JBl. 1976,247 ff., 252 ff.

29 Näher Barbian, Innovative Umweltpolitik Qua Verfahren: Die Institution des Österreichischen Umweltanwalts, Ztu 1992, 187 ff.

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anderen Behörden einschließt. Eher ist ein Vergleich zur skandinavischen Institution des Ombudsmannes zu ziehen. 3o e) Umweltschutzprinzipien

Auch das österreichische Umweltrecht läßt sich anhand einzelner Strukturprinzipien systematisieren.JI Oe lege lata hat das Vorsorgeprinzip u. a. im Bereich des Anlagenrechts Niederschlag gefunden. 32 Anders als in der Zielbestimmung des Abfallwirtschaftsgesetzes (§ l Abs. l) wird der Begriff der Vorsorge in § 77 Abs. 3 GewO zwar nicht explizit genannt, aber die Norm gibt den zuständigen Behörden auf, bei der Genehmigung von Betriebsanlagen Emissionen von Luftschadstoffen "jedenfalls nach dem Stand der Technik zu begrenzen". Dem Wortlaut nach könnte die Formulierung so verstanden werden, daß sie auch die Festsetzung von Grenzwerten unterhalb des Standes der Technik zuläßt. Nach der Rechtsprechung dürfen dem Betreiber Emissionsminderungsmaßnahmen allerdings nur zur Erfüllung der gesetzlichen Schutzzwecke auferlegt werden.JJ Ein weiteres Vorsorgebeispiel ist die kürzlich eingeführte Umweltverträglichkeitsprüfung (hierzu u. S. 62). Dem Kooperationsprinzip34 zuzurechnen ist das bislang im mehrpoligen Betriebsanlagenrecht nach §§ 353 ff. GewO verankerte Einwendungsverfahren35, an dem alt jene zu beteiligen sind, die begründete Einwendungen erhoben haben. Mit Wirkung ab dem l. Januar 1995 findet die Bürgerbeteiligung im Rahmen der Umweltv~itspnlfuua mu, sofern es iich um eiD Vorhaben nach Anhang I des neuen Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G)36 handelt. Ergänzend sehen die§§ 30 bis 38 UVP-G für Vorhaben nach Anhang II des Gesetzes ein eigenständiges (bloßes) Bürgerbeteiligungsverfahren für nicht UVP-pflichtige Projekte vor. 30 Stolz/echner (Fn. 15), 169. 31 Allgemein zu den Prinzipien Schäfer, Prinzipien der Umweltpolitik und Rechtsgrundlagen des Immissionsschutzes in Österreich, in: Österreichisches Bundesinstitut filr Gesundheitswesen (Hrsg.), Gesundheit und Umwelt 1-2 I 89, Wien 1989, S. 75 ff. 32 Näher Gennann, Das Vorsorgeprinzip als vorverlagerte Gefahrenabwehr, Wien 1993.

33 34

Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 28. Mai 1991, Zl. 90 I 04 I 0320.

Allgemein zu kooperativen Formen des Verwaltungshandeins Wimmer I Amo/d, Dialogisches Verwaltuogshandeln im Lichte des Legalitltsprinzips, in: Hill (Hrsg.), Verwaltuogshandeln durch Vertrage und Absprachen, Baden-Baden 1990, S. 51 ff. 35 Vgl. Dolp, Zum Bürgerbeteiligungsverfahren bei umweltrelevanten Großprojekten, ÖJZ 1988, 481 ff.; Heinz Mayer, Bürgerbeteiligung zwischen Rechtsstaat und Demokratie, Wien 1988; Pesendorfer, Umweltschutz und Umweltnutzung - Rechtsanspruch oder Ideologie: Bürgerbeteiligung auf dem Prüfstand, ZfV 1989, 439 ff.; Davy, Verfahrensgegenstand und Nachbarrechte im Betriebsbewilligungsverfahren, ZfV 1989, 20 ff.; aus der Alteren Literatur ferner Pauger, Partizipation im Umweltschutzrecht, in: Reformen des Rechts. Festschrift zur 200-Jahr-Feier der Rechtswissenschaftlichen Fakultlt der Universitlt Graz, Graz 1979, S. 969 ff. 36 Bundesgesetz über die Prüfung der Umweltverträglichkeit und die BUrgerbeteiligung, BGBl 1993 I 697. Vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte im einzelnen Raschauer, Kommentar zum UVP-GUmweltvertrlglichkeitsprüfungsgesetz, Wien, New York 1995, S. 3 ff.

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Ähnlich wie im deutschen Recht wurde die Gewährung von Informationsrechten bis vor kurzem restriktiv gehandhabt. Freilich hatten bereits die Auskunftspflichtgesetze des Bundes37 und der Länder erste Auflockerungen des Grundsatzes der Geheimhaltung gebracht.38 Veranlaßt durch den Beitritt zum EWR kam es schließlich zum Erlaß eines Umweltinformationsgesetzes (UIG)39, das am 1. Juli 1993 in Kraft getreten ist. Rechtsvergleichend interessant scheint daran vor allem der Umstand zu sein, daß das Gesetz unter Anerkennung berechtigter Geheimhaltungsinteressen nicht nur umweltbezogene Akteneinsichtsrechte schafft, sondern zugleich Veröffentlichungspflichten statuiert. So haben etwa Betriebe nach§ 13 Abs. 1 UIG ihre aufgrundanderweitiger Verpflichtungen gesammelten Emissionsdaten (freilich nur in Form von Summen- bzw. Mittelwerten, vgl. § 4 Abs. 2 UIG) bekanntzumachen. Ähnlich wie das deutsche Immissionsschutzrecht40 verpflichtet § 14 UIG die Betreiber störfallträchtiger genehmigungspflichtiger Anlagen (vgl. auch§ 82a Abs. 3 GewO) zur Information der Offentlichkeit in regelmäßigen Abständen über die zur Störfallvorsorge getroffenen Maßnahmen. j) Umweltschutzinstrumente

Hinsichtlich der für das Umweltrecht typischen Instrumente ist ein Übergewicht bei den ordnungsrechtlichen Regelungen zu konstatieren. Eine eigenständige Umweltleitplanung existiert in Österreich nicht. Für den präventiven Umweltschutz bedeutsam ist allerdings die wie in Deutschland grundsätzlich dreistufige Raumplanung4I, die freilich auf der Landesebene geregelt ist. Das Osterreichische Strafgesetzbuch42 enthält seit 1987 erweiterte Bestimmungen über "Gemeingeßihrliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt" (§§ 180 ff. StGB).43 Umweltrelevant ist auch die 37 Bundesgesetz vom 15. Mai 1987 Ober die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz), BGB11987 /287. 38 Vgl. noch Schwaighofer, Recht auf Information. Zum neuen Österreichischen Auskunftpflichtgesetz, in: Heckmann I Meßerschmidt (Hrsg.), Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts, Berlin 1988, S. 263 ff. 39 BGBll993 /495. Hierzu Bidner, Über den Zugang zu Umweltinformationen in Österreich, UPR 1994,408 ff. 40 Vgl. § lla der Störfallverordnung (Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. September 1991, BGBl. I S. 1891). 41 Dazu etwaRaschauer(Fn. 12), S. 168; aus der älteren Literatur Wimmer, Raumordnung und Umweltschutz (Gutachten), in: Verhandlungen des Sechsten Juristentages, Bd. I, l. Teil, Wien 1976. 42 Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen, BGB11974/60, ber. BGBI 1988/398.

43 Naher zum ganzen Petznek, Umweltstrafrecht, Wien 1989; Wegscheider, Zur Praxis des Umweltstrafrechts in Österreich, ÖJZ 1989, 641 ff., sowie ders., Die Praxis des Umweltstrafrechts nach der Reform 1989, ÖJZ 1994, 648 ff. Kritisch zur Wirksamkeit der Reform Tri.ffterer, Thesen zur Bewältigung der Umweltkrise, ÖJZ 1988, 545 ff., 550.

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2. Kapitel: Länderberichte

neue Bestimmung des § 20 a StGB über die Abschöpfung der Bereicherung durch strafbare Handlungen, wobei Unternehmen u. U. auch für strafbare Handlungen ihrer leitenden Angestellten haften(§ 20 a Abs. 3 StGB). Seit den achtziger Jahren haben auch indirekt wirkende Anreizinstrumente an Boden gewonnen. 44 Zu nennen ist in diesem Zusammenhang vor allem das UmweltfOrderungsgesetz (UFG)45, welches Finanzierungshilfen für private Umweltschutzmaßnahmen regelt.46 Von den hierzulande diskutierten Fondsmodellen47 unterscheidet es sich wesentlich aufgrund der primären Finanzierung durchHaushaltsmittel-und nicht durch Verursacherabgaben. Es akzentuiert damit die hervorgehobene Rolle des Gemeinlastprinzips im Österreichischen Umweltrecht. 48 Die Förderungsschwerpunkte des UFG liegen im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft (§§ 16 ff.), des Betrieblichen Umweltschutzes (§§ 23 ff.) sowie der Altlastensanierung (§§ 29 ff.). Überdies ermöglicht § 23 Abs. 2 i. V. m. § 24 Z 7 UFG die (immaterielle) Förderung von anlagenbezogenen Maßnahmen in den östlichen Nachbarstaaten (Tschechien, Slowakei, Ungarn) zum Zwecke der Reduzierung der Immissionsbelastung in Österreich. Das Gesetz verwirklicht insgesamt kein neuartiges umweltökonomisches Konzept, sondern entspricht einer in Österreich weit verbreiteten Form der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch selbständige, aus der allgemeinen öffentlichen Verwaltung ausgegliederte Verwaltungseinheiten49, die in Deutschland kaum eine unmittelbare Entsprechung fmden.

Trotz vereinzelter Regehu:l&sansat:re ist das Osterreichische Abgabenrecht bisher von eher geringer Bedeutung für den Umweltschutz. Aktuelle Beispiele sind die Düngemittelabgabe gemäß §§53 a ff. des Marktordnungsgesetzes5o, die auf die Verwendung von bestimmten Düngemitteln erhoben wird, sowie die nach dem Altlastensanierungsgesetz5 1 erhobene Deponieabgabe. Lediglich diskutiert wird die Einführung einer Energie- bzw. einer Abwasserabgabe auf Bundesebene. Gleiches gilt fiir landesrechtliche Naturschutzabgaben. Auch das Umweltprivatrecht spielt augenscheinlich bislang eine eher begrenzte Rolle. Dies gilt insbesondere fiir das Nachbarrecht, das auf allgemeine Regelungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1811 zurückgreift. 44 Allgemein zu ökonomischen Instrumenten Glatz, Markt statt Paragraphen?: Marktwirtschaftliche Instrumente in der Umweltpolitilc, Wien 1985.

45 Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung und zum Schutz der Umwelt im Ausland, BGB11993 / 185, zuletzt geändert durch Bundesgesetz zur Änderung des UFO, BGB11994/30.

46 Hierzu Schwarzer, Die Finanzierung des Umweltschutzes im Österreichischen Wirtschaftsrecht, in: Marko I Stolz (Hrsg.), Demokratie und Wirtschaft, Wien 1987, S. 209 ff. 47 Vgl. Kloepfer (Fn. 26), § 4 Rn. 329.

48 Vgl. Glatz (Fn. 7), 208.

49 Hierzu allgemein Stolzlechner, Öffentliche Fonds, Wien 1982. 50 BGB11985/210, zuletzt geändert durch die MOG-Novelle BGB11992/373. 51 BGB11989/299.

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Nach dessen (insofern aus dem deutschen Recht rezipierten) Bestimmungen wird die Geltendrnachung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen aus § 364 ABGB durch die Ausschlußklausel des § 364 a ABGB in wichtigen Punkten eingeschränkt.52 In schadensersatzrechtlicher Hinsicht ergeben sich ferner die typischen Probleme beim Schadens- bzw. Kausalitätsnachweis.53 Wirkungsvoller scheinen die Schadensersatzbestimmungen in den §§53, 54 des Forstgesetzes54 zu sein55, die für Schäden aus Luftverunreinigungen besondere Beweislastregeln vorsehen und bislang in zwei obergerichtliehen Entscheidungen zur Waldschadensproblematik herangezogen worden sind. 56 Praktisch relevant wird auch die im Vergleich zum deutschen Recht engere Schadensersatzregelung des § 26 Wasserrechtsgesetz. Rechtspolitisch angestoßen durch die Verabschiedung des Umwelthaftungsgesetzes in Deutschland wurde ein erster Regierungsentwurf fiir ein Umwelthaftungsgesetz im Jahre 1991 57 vorgestellt, der allerdings insbesondere im Hinblick auf den Ersatz ökologischer Schäden weitergehende Regelungsvorschläge enthält. 58

g) Umweltrechtsschutz Im gerichtlichen Rechtsschutz bestehen zwischen Österreich und Deutschland teilweise bemerkenswerte Parallelen, wenngleich es an einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit fehlt. Markantestes Beispiel ist die Rechtsprechung zur Klagebefugnis von Nachbarn gegenüber wnweltrelevanten Anlagen, die in beiden Ländern auf das Bestehen subjektiver öffentlicher Rechte rekurriert59. 52 Vgl. hierzu die Kontroverse zwischen Hecht I Muzak, Umwelthaftung im Nachbarrecht, JBI. 1994, 159 ff., und Kerschner, Umwelthaftung im Nachbarrecht, JBI.l993, 217 ff., zum Verhältnis zwischen privatrechtlichem Unterlassungsanspruch und Offentlieh-rechtlicher Erlaubnis. Vgl. ferner Jabomegg, Privates Nachbarrecht und Umweltschutz, ÖJZ 1983, 365 ff. Zu dem ftlr Österreich als Transitland praktisch bedeutsamen Thema der Abwehr verkehrsbedingter Immissionen Hecht, Nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche und Immissionen von Straßen, ÖJZ 1993, 289 ff. 53 NAher Banreich I Schwarzer (Hrsg.), Umwelthaftung, Wien 1991; ferner Rummel, Umweltgeßhrdungshaftung - auch in Österreich?, in: Breuer I Kloopfer I Marburger I SehrOder (Hrsg.), Jahrbuch ftlr Umwelt- und Technikrecht 1990, UTR Bd. 12, Düsseldorf 1990, S. 405 ff. 54 BGB11975 1440. 55 Hierzu Gimpei-Hinteregger, Anspruchsgrundlagen ftlr den Ersatz von UmweltschAden, ÖJZ 1991, 145 ff., 150 f. sowie neuerdings umfassend dies., Grundfragen der Umwelthaftung, Wien 1994. 56 Oberster Gerichtshofvom 14. Dezember 1988, JBI. 1989, 578 (Rauchschlden), sowie vom ll. Juli 1990, JBI. 1990, 789 (Staatshaftung ftlr Schäden durch winterliche Salzstreuung).

57 Vgl. Berger I Madl I Schmelz, Zum Entwurf eines Umwelthaftungsgesetzes, ÖJZ 1992,

393 ff.

58 Hierzu und zum Vorangegangenen Will I Marticlce, Verantwortlichkeit für ökologische SchAden, Teilbd. li I l, Typoskript Saarbrücken 1992, S. 7 ff. 59 Vgl. Rasehauer (Fn. 12), S. 59 ff. m. w. N.; s. aber auch Schoibl, Die Verbandsklage als Instrument zur Wahrung "öffentlicher" oder "UberindividueUer" Interessen im Osterreichischen Zivilverfahrensrecht, ZfRV 1990, 3 ff. Zum deutschen Recht K/oepfer (Fn. 26), § 5 Rn. l3 ff.

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h) Umweltrechtsgebiete

aa) Allgemeines Umweltrecht In Ermangelung eines übergreifenden Regelungsansatzes fmden sich nur begrenzt Elemente eines noch in der Entwicklung begriffenen Allgemeinen Umweltrechts. Ein Beispiel ist die Ausgestaltung des Gesetzesvollzuges. Da auch in Österreich das Problem der Vollzugsdefizite im Umweltschutz nicht unbekannt bzw. unerörtert geblieben ist60, hat der Bund mit dem Bundesgesetz vom 20. März 1984 über die Umweltkontrolle61 (sog. Umweltkontrollgesetz) insofern Abhilfe zu schaffen versucht. Trotz seines zu Mißverständnissen verleitenden Namens handelt es sich dabei freilich nicht um ein mehr oder weniger umfassendes Umweltschutzgesetz, wie es in der Schweiz oder den Niederlanden bereits existiert62, oder gar um ein Umweltgesetzbuch, wie es sich in Deutschland derzeit im Entwurfsstadium befindet63. Das Umweltkontrollgesetz beauftragt vielmehr das Umweltministerium bzw. das Umweltbundesamt mit der Überwachung des Zustandes und der Entwicklung der Umwelt (Wasser, Luft, Lärm und Boden). Die Ergebnisse sind den zuständigen Behörden mitzuteilen bzw. auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da dem Umweltministerium bzw. Umweltbundesamt keine spezifisch hoheitlichen Befugnisse eingeräumt werden, können diese Stellen weitere behördliche Maßnahmen lediglich anregen oder nötigenfalls strafrechtliche Sanktionen veranlassen. Die eigentliche Anlagenüberwachung fällt demgegenüber in die Zustlndigkeit andem' Bchöftieft. Weitreichende Neuenmgen des vorhabenbezogenen Verwaltungsverfahrensrechts bringt das bereits im Jahre 1993 verabschiedete, aber erst am 1. Januar 1995 vollständig in Kraft tretende Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz64 mit sich. Es schaffi nicht nur die Voraussetzungen für eine integrative Prüfung der Umweltauswirkungen der Vorhaben, sondern fuhrt, wie bereits erwähnt, zugleich zu einer deutlichen Stärkung der Ötfentlichkeitsbeteiligung. Einer seiner wichtigsten Fortschritte ist die Überwindung der bislang herrschenden Verfah60 Davy, Folgenloses Umweltrecht: Rechtspolitische Anmerkungen zu Schwächen der Gesetzgebungs- und Vollziehungspraxis in Österreich, Wien 1989, ftlhrt sie vornehmlich auf Versäumnisse der inflationären und unrealistische Erwartungen nährenden Gesetzgebung zuruck, vgl. insbes. seine Thesen aufS. 40 tr. 61 BGB11984/ 127. 62 Vgl. oben s. 44 bzw. unten S. 108.

63 Vgl. insbesondere den sog. "Professorenentwurf' Kloepfer I Rehbinder I Schmidt-Aßmann I Kunig, Umweltgesetzbuch- Allgemeiner Teil, USA-Berichte 7 I 90, Berlin 1990, sowie Jarass I Kloepfer u. a. , Umweltgesetzbuch- Besonderer Teil, USA-Berichte 4/94, Berlin 1994.

64 Hierzu Rasehauer (Fn. 36); zu den vorangegangenen Diskussionen vgl. ikns., Umweltverträglichkeitsprllfung und Genehmigungsverfahren, ZfVB 1992, 100 tr.; Heinz Mayer, Bemerkungen zum "Entwurf eines Umweltverträglichkeitsprllfungsgesetzes", ÖJZ 1990, 385 tr.; Gladt, Umweltverträglichkeitsprllfungsgesetz - ein trojanisches Pferd im Rechtsstaat, Österreichische Zeitschrift fllr Wirtschaftsrecht 1989, 97 tr.; Schäfer I Onz, Umwe1tverträglichkeitsprufung, Wien 1988.

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renskonkurrenz65 bzw. der Mehrfachregelung: So gilt nach§ 3 Abs. 2 UVP-G fiir die Umweltverträglichkeitsprüfung eine mit § 13 BlmSchG vergleichbare Konzentrationsregelung. Für die Überprüfung der in der Verantwortung der Landeshauptmannschaften liegenden Verfahrensentscheidungen ist eigens ein administratives Berufungsverfahren in der Verantwortung des Bundes geschaffen worden. Zunächst probeweise bis zum Jahre 2000 wurde zu diesem Zweck auf Bundesebene ein sog. Umweltsenat beim BMUJF eingerichtet66, gegen dessen Bescheide wiederum die Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof zulässig ist. Überdies kreiert § 25 UVP-G nach dem Muster des Datenschutzrates einen neuen, ebenfalls beim BMUJF eingerichteten Umweltrat, der beratend und beobachtend tätig werden soll. Es handelt sich hierbei allerdings um ein rein politisch besetztes Gremium (vgl. § 26 UVP-G). bb) Immissionsschutzrecht67 Gegenstand mehrerer sehr unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen ist der Imrnissionsschutz.68 Die Osterreichische Gesetzgebung geht dabei sowohl gegenüber dem kompakten Regelungsmodell des Bundes-Immissionsschutzgesetzes als auch im Vergleich zu anderen Staaten mit einer getrennten Regelung von Luftreinhaltung und Lärmschutz - man denke etwa an die USA69 und Japan7o- eigene Wege. Dabei sind die überkommenen gewerberechtlichen Vorschriften durch mediale Sondervorschriften ergänzt worden. Die daraus resultierende Regelungsvielfalt wird im Anlagenrecht71 noch dadurch verschärft, daß auch Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes, des Bergrechts und des Elektrizitätswirtschaftsrechts 72 zu beachten sind. Materiell am bedeutsamsten sind die Vorschriften der 1973 neugefaßten und zuletzt 1988 grundlegend novellierten Gewerbeordnung über gewerbliche Be-

65 Vgl. Heinz Mayer, Genehmigungskonkurrenz und Verfahrenskonzentration, Wien 1985; Rasehauer (Fn. 12), S. 74 ff. und Schwarzer (Fn. 25), S. 242. Zur Parallelproblematik im deutschen Recht Kloepfer (Fn. 26), § 4 Rn. 54 ff. 66 67

Vgl. das Bundesgesetz über den Umweltsenat, BGB11993 / 698.

Zur Luftreinhaltung vgl. Schwarzer (Fn. 25); ferner List I Schwarzer I Wischin, Luftreinhaltungsrecht für Betriebsanlagen, Wien 1990; s. ferner die "grauen" Veröffentlichungen des Institutes für Wirtschaft und Umwelt (Hrsg.), Luftreinhaltepolitik, Informationen zur Umweltpolitik Nr. 39, Wien 1987, sowie Waldsterben und staatliebe Politik in Österreich, Informationen zur UmweltpolitikNr. 37, Wien 1987.

68 Zu dem noch in der Entwicklung begriffenen Gentechnikrecht vgl. Stolz, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme der Gentechnologie - die Osterreichische Sicht, in: Mellinghoff (Hrsg.), Die Leistungsfllbigkeit des Rechts, Heidelberg 1988, S. 203 ff. 69

S. u. S. 230 ff.

70 S. u. S. 283 ff. 71 Hierzu eingehend Davy, Gefahrenabwehr im Anlagenrecht, Wien 1990. 72 So sieht das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (BGBl 1975 I 260) in § 11 ein eigenes elektrizitätswirtschaftliches Bewilligungsverfahren filr Anlagen zur Stromerzeugung vor.

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triebsanlagen (§§ 74 ff. Gew0).73 Die von ihr erfaßten Anlagen unterliegen u. a. im Hinblick auf ihre Umweltauswirkungen einer Genehmigungspflicht Nach § 77 Abs. 2 GewO richtet sich die Zumutbarkeit von Belästigungen danach, "wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenen Erwachsenen auswirken". Eine entsprechende gesetzliche Konkretisierung des Zumutbarkeitsmaßstabes, die freilich durch Einbeziehung besonders empfindlicher Menschen, Pflanzen oder Tiere auch strenger ausfallen könnte, fehlt im deutschen Umweltrecht Bei der Formulierung der tatbestandliehen Genehmigungsanforderungen bedient sich der Gesetzgeber zahlreicher Begriffe, die im deutschen Immissionsschutzrecht gleichermaßen Verwendung finden und welche augenflillig die der GewO ursprünglich zugrundeliegende nachbarrechtliche Schutzk:onzeption74 widerspiegeln ("nachteilige Auswirkungen", "Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn", "Gefährdung des Eigenturns oder sonstiger dinglicher Rechte der Nachbarn", "Belästigung der Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise"). Bemerkenswert ist die Regelung des § 78 Abs. 2 GewO, die bei Vorliegen bestimmter Umstände neben dem bisher einheitlich konzipierten Genehmigungsbescheid eine gesonderte Betriebsbewilligung erforderlich macht, Sonderregelungen für den Probebetrieb formuliert und schließlich eine Befristungsmöglichkeit vorsieht. Nach der Gewerbeordnung richtet sich teilweise auch die Sanierung von Altanlagen (§ 79a GewO). Insgesamt kann man sagen, daß das Österreichische Anlagengenehmigungsrecht eine dynamische administrative Kontrolle umweltgefährlicher Anlagen anstrebt, wie sie in ähnlicher Form auch im Bundes-Immissionsschutzgesetz verwirklicht ist. Für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens werden ergänzend die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes herangezogen. Die in der Gewerbeordnung allgemein postulierten Standards werden inzwischen durch eine ganze Reihe von Emissionsgrenzwerteverordnungen konkretisiert. Das Bundesgesetz vom 23. Juni 1988 zur Begrenzung der von Dampfkesselanlagen ausgehenden Luftverunreinigungen (Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen- LRG-K)75, das vielfältige Parallelen mit dem deutschen Bundes-Immissionsschutzgesetz aufweist, hat das frühere Dampfkesselemissionsgesetz von 1980 abgelöst. Im Verhältnis zur Gewerbeordnung handelt es sich hierbei gern. § 6 LRG-K um eine nichtverdrängende Spezialregelung. Das Gesetz enthält 73 Zum neuen Recht Duschanek, Die Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerberechtsnovelle 1988, ZfV 1989, 215 ff.; Novacek, Änderungen des Betriebsanlagenrechts in Österreich, GewArch 1989, 51 ff.; Steindl, Umweltschutz im Betriebsanlagenrecht, Österreichische Zeitschrift ftlr Wirtsch;Utsrecht 1988, S. 6 ff. 74 Hierzu Davy, Verfahrensgegenstand und Nachbarrechte im Betriebsbewilligungsverfahren, ZfV 1989, 20 ff. 75 BGBll988/380.

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Vorschriften u. a. über die Genehmigung von Dampfkesselanlagen (§ 4 LRGK), nachträgliche Anordnungen(§ 5 LRG-K) und Uberwachung (§ 7 LRG-K) sowie Übergangsbestimmungen für Altanlagen (§ 11 LRG-K). Als Kernstück des Gesetzes wird gemeinhin die Sanierungsregelung des § 12 LRG-K hervorgehoben, welche die für die Anlagensanierung maßgeblichen Grenzwerte wie auch das Verfahren ihrer Ermittlungen unmittelbar im Gesetz sowie in den Anlagen 1 und 2 zu § 12 regelt. Das Genehmigungsverfahren ist ähnlich wie im deutschen Immissionsschutzrecht bei größeren Anlagen als Einwendungsverfahren ausgestaltet (sog. Ediktalverfahren).76 Strukturell vergleichbar mit § 19 BlmSchG ist auch das vereinfachte Genehmigungsverfahren für untergeordnete Vorhaben mit geringeren Umweltauswirkungen. Eine dritte Säule des Österreichischen Immissionsschutzrechts bildet das Forstgesetz von 1975. Im Unterschied zum deutschen Bundeswaldgesetz77 beschränkt sich das Österreichische Gesetz nicht auf den Schutz der Wälder vor direkten Eingriffen (Rodungs- und Umwandlungsverbote usw.), sondern trifftletztlich aus kompetenzrechtlichen Erwägungen - Vorkehrungen auch gegen "forstschädliche Luftverunreinigungen". Nach Maßgabe der §§ 47 ff. ForstG bedürfen Anlagen, die durch Emission von Schadstoffen in die Luft Waldkulturen gefahrden können, einer forstbehördlichen Bewilligung. Das Bewilligungserfordernis entfällt allerdings beispielsweise dann, wenn die Anlage bereits der Genehmigungspflicht nach der Gewerbeordnung oder dem Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen unterliegt. Die zunächst wenig effektiv gewordene Regelung wird vor dem Hintergrund des Waldsterbens inzwischen stärker beachtet; dies gilt insbesondere seit ihrer Konkretisierung durch die Zweite Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen von 1984.78 Auf den ersten Blick leicht in ihrer Bedeutung zu überschätzen sind demgegenüber die Luftreinhaltegesetze der Länder.79 Entgegen dem durch Grundsatznormen in den Gesetzen oftmals genährten anfangliehen Eindruck handelt es sich um keine umfassenden Regelungen zur Luftreinhaltung; ihr Regelungsgehalt konzentriert sich vielmehr in erster Linie auf die bundesgesetzlich nicht normierten Bereiche der Luftverunreinigung durch Hausbrand sowie des immissionsbezogenen Gebietsschutzes. Zu diesem Zweck können Immissionsgrenzwerte erlassen werden, soweit letzteren nicht die Umweltalarmkompetenz des Bundes entgegensteht. In Ausfüllung dieser Kompetenz hat der Bund bislang zwei Gesetze erlassen: Das Smogalarmgesetz des Bundes80 aus dem Jahre 1989 ermöglicht die behördliche Vefiigung von Notmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für das Le76 Der Begriff nimmt auf das Erfordernis einer öffentlichen Bekanntmachung ("Edikt") Bezug.

77 78 79 80

Hierzu Kloepfer(Fn. 26), § 10 Rn. 104 ff.

Vgl. Schwarzer(Fn. 25), S. 139 ff. So auch Rasehauer (Fn. 12), S. 214.

BGBII989/38.

5 Kloepfer/Mast

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ben und die Gesundheit von Menschen bei Luftverunreinigungen. Als ergänzende Spezialregelung zur Bekämpfung des sog. Sommersmogs ist das 1992 geschaffene Ozongesetz (0zonG)& 1 anzusehen, das in seinen beiden Anlagen die Schwellenwerte für die Auslösung von Warnstufen gern. § 7 OzonG bestimmt. Während § 8 OzonG behördliche Pflichten zur öffentlichen Bekanntmachung der Warnstufenauslösung statuiert, verpflichtet § 15 OzonG die Landeshauptmannschaften nach Auslösung der Warnstufen u. a. zur Anordnung von Verkehrs- und Betriebsbeschränkungen. Neben der allgemeinen Verpflichtung des § 11 OzonG zur zeitlich gestuften Reduzierung der Ozonvorläufersulr stanzen bis zum Jahre 2007 um insgesamt 70 % (bezogen auf die Belastung der Luft mit NOx im Jahre 1985 und mit flüchtigen organischen Verbindungen [VOC] im Jahre 1988) gibt § 13 OzonG den Landeshauptmannschaften unter bestimmten Bedingungen die Aufstellung eines Sanierungsplans auf. cc) Abfallrecht Das Abfallrecht&2 hat in den letzten Jahren einen grundlegenden Wandel erfahren und ist zu einem Recht der Abfallwirtschaft fortentwickelt worden. 83 Vorangegangen war die oben erwähnte Verfassungsänderung aus dem Jahre 1988. Das neue Abfallwirtschaftsgesetz (AWG)84 hat die bundesrechtlichen Regelungen des Sonderabfallgesetzes und des Altölgesetzes in sich aufgenommen und- kompetenzrechtlich bedingt- die Abfallbeseitungs- und Müllabfuhrgesetze der Länder lediglich hinsichtlich der Vorschriften über gefährliche Abf!Ue aufgehoben. In Anbetracht des akuten Mangels an Deponieraum85 fordert das neue Gesetz in der Zielbestimmung des § 1 Abs. 1 u. a. eine Ausrichtung der Abfallwirtschaft auf die Schonung der Rohstoffreserven (Z 2) und eine möglichst geringe Inanspruchnahme von Deponieflächen (Z 3). In der nachfolgenden Grundsatznorm des § 1 Abs. 2 tritt ergänzend die Pflicht zur Abfallvermeidung&6 und -verwertung sowie zur (biologischen, thermischen oder chemischphysikalischen) Vorbehandlung von Abtallen vor ihrer Deponierung hinzu. In81 Bundesgesetz über Maßnah.men zur Abweh.r der Ozonbelastung und die Information der Bevölkerung über hohe Ozonbelastungen, BGBl 1992 I 210, geändert durch. Bundesgesetz zur Änderung des Ozongesetzes BGB11994, 309.

82 Näher D111g I Thomasitz (Fn. 20). 83 Vgl. im einzelnen Kubanek, Perspektiven der Abfallwirtschaft nach der B-VG-Novelle

1988, Wien 1991; zum alten Rechtszustand vgl. noch Stampfer, Recht der Abfallwirtschaft in Österreich, Wien 1986.

84 BGBl 1990 I 325, zuletzt geändert durch Bundesgesetz zur AWG-Novelle BGBl 1994 I

155.

85 Symptomatisch der Titel des Beitrages von Jahnel, Wohin mit dem Müll?, Grundsätze des Abfallwirtschaftsrechts in der EG und Österreich, ZfV 1991,549 ff. 86 Vgl. insbes~ zur Hausmüllvermeidung die Beiträge in dem von Schaljfund Vogel herausgegebenen Tagungsband zum 2. Wiener Abfallwirtschaftskongreß vom 13.- 17. Mai 1991, Abfallvermeidung und Abfallverringerung. Problemstoffmanagement - Internationale Erfahrungen, 2. Aufl. Wien 1991, S. 43 ff.

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des statuiert das Gesetz keine Rangfolge im Verhältnis zum Gebot der umweltverträglichen Ablagerung von Abfli.llen. Ein wichtiges Instrument der Zielformulierung stellt der nach § 5 Abs. 1 AWG vom Bundesumweltminister aufzustellende Abfallwirtschaftsplan dar, der alle drei Jahre fortzuschreiben ist. In ihm sind gern. § 5 Abs. 2 A WG u. a. konkrete Vorgaben zur Reduktion der Abfallmengen, zur Entsorgung sowie zur regionalen Verteilung der für die Behandlung gefährlicher Abfälle erforderlichen Anlagen zu festzulegen. Ansätze einer Produktverantwortung regelt 6 Abs. 1 A WG, der die Hersteller verpflichtet, durch geeignete Herstellungsverfahren, Vertriebsformen und Warengestaltung zur Reduzierung des Abfallaufkommens beizutragen. Absatz 2 der Vorschrift hält den Bund dazu an, bei der Warenbeschaffung vorrangig solche Produkte zu berücksichtigen, die nach Gebrauch als Abfall möglichst wenig Umweltbelastungen verursachen. Praktisch bedeutsam ist schließlich § 7 AWG, der eine mit § 14 des deutschen Abfallgesetzes vergleichbare Verordnungsermächtigung schafft, auf deren Grundlage u. a. Rücknahmepflichten für Batteriens7 und Pfandflaschen88 statuiert worden sind. Ähnlich wie in Deutschland versucht man in Österreich vor allem die Hausmüllmengen durch Sammel- und Wiederverwertungspflichten zu reduzieren und hat zu diesem Zwecke eine Verpackungsverordnung verabschiedet. 89 Das verfahrensmäßig bei der Landeshauptmannschaft konzentrierte Bewilligungsverfahren für Anlagen zur Deponierung oder Verbrennung von Abfli.llen richtet sich nach § 29 A WG.90 Für Anlagen zur Behandlung von gefahrliehen Abfällen kann die Standortplanung gern. § 26 A WG vom Bundesumweltminister durchgefiihrt werden.91 Endlich regelt das Gesetz ausführlich die Abfallverbringung; für die Überwachung der Sonderabfälle sieht es ein Nachweisund Begleitscheinverfahren vor. dd) Strahlenschutzrecht Das Strahlenschutzrecht ist seit 1969 durch das Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft vor Schäden durch ionisierte Strahlen (Strahlen87 Verordnung des Bundesministers fl1r Umwelt, Jugend und Familie vom 19. Juli 1990 über die Rücknahme und Schadstoffbegrenzung von Batterien und Akkumulatoren, BGBl 1990 I 514. 88 Verordnung des Bundesministers fllr Umwelt, Jugend und Familie vom 19. Juli 1990 über die Festsetzung von Zielen zur Vermeidung, Verringerung und Verwertung von Abfllllen aus Getränkeverpaclrungen, BGBll990 1516. 89 Hierzu jetzt Drug I Keri, Handbuch zur Verpaclrungsverordnung, Wien 1994. 90 Zu den einschlägigen technischen Anforderungen Fischer I Schenkel, Anforderungen an die

Ablagerung von Abfllllen in der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreich, Müll und Abfall 1990, 2 ff.; Lechner, Die Österreichischen Richtlinien fllr Mülldeponien, AbfallwirtschaftsJournal Heft 7 I 8 1989, 60 ff.

91 Näher Madner, Die Standortregelung im Abfallwirtschaftsgesetz, ZfVB 1992, 523 ff.

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2. Kapitel: Underberichte

schutzgesetz92) geregelt. Nach langjährigen heftigen Auseinandersetzungen wn das geplante Kernkraftwerk in Zwentendorf hat sich Österreich nach einer entsprechenden Volksabstimmung mehrheitlich gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie entschieden. Durch das sog. Atomsperrgesetz aus dem Jahre 1978 93 wurde die friedliche Nutzung der Kernenergie zum Zweck der Elektrizitätserzeugung beendet, so daß das Strahlenschutzgesetz in seinem wesentlichsten Teilbereich leerläuft. Die ablehnende Haltung der Bevölkerungsmehrheit gegenüber der Atomenergie hat Österreich auch dazu bewogen, sich mittels grenzüberschreitender Verfahrensbeteiligung94 gegen die (letztlich aus finanziellen Gründen gescheiterte) Errichtung einer nuklearen Wiederaufarbeitungsanlage im bayerischen Wakkersdorf zu wenden. 95 Das 1986 unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl geschaffene Katastrophenfondsgesetz regelt den - in Deutschland lediglich in Verwaltungsvorschriften geregelten96- Härteausgleich nach NuklearunflUlen. ee) Gefahrstoffrecht Das Recht der gefli.hrlichen Stoffe befmdet sich derzeit im Umbruch. Das bisherige Giftgesetz wurde durch das am 1. Februar 1989 in Kraft getretene Chemikaliengesetz97 abgelöst. Dieses statuiert insbesondere Einstufungs-, Anmeldungs- und Verpackungspflichten. Bei Abfassung des Gesetzes sind namentlich die deutschen Erfahnmgen berikiksichtigt worden. Strukturell vergleichbar ist deshalb auch die Regelungstechnik, nach der einzelne Stoffverbote bzw. -beschränkungen auf dem Verordnungswege verfügt werden..Zusätzliche stoffbezogene Regelungsgehalte finden sich vor allem im Düngemittelgesetz des Bundes9s und die Pflanzenschutzgesetze der Länder auf.

92

93

BGBll969/227.

Gesetz Uber das Verbot der Nutzung der Kernspaltung ftlr die Energieversorgung in Österreich, BGBI 1978/676.

94 HieiZU noch Zehetner, Welche rechtlichen Maßnahmen empfehlen sich zur Abwehr grenzüberschreitender Umweltbeeintrachtigung?, Verhandlungen des 10. Österreichischen Juristentages, Wien 1988; Jakusch, Rechtslage bei grenzüberschreitenden Umweltbeeintr!chtigungen, in: Bund Deutscher Verwaltungsrichter (Hrsg.), Dokumentation zum 9. Deutschen Verwaltungsrichtertag 1989, Stuttgart u. a. 1989, S. 265 ff. 95 Vgl. Moser, Die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf- aus österreichischer rechtlicher Sicht, ÖJZ 1987,97 ff. 96 Kloepfer (Fn. 26), § 8 Rn. 68.

97 BGBI1987 I 326. Vgl. hie!ZU die Kommentierung von Stad/er (Hrsg.), Chemikaliengesetz, Wien 1988. 98 BGB11985 /488.

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ff) Gewässerschutzrecht Der Schutz der Gewässer ist vorwiegend im Wasserrechtsgesetz des Bundes von 1959 (WRG)99 geregelt. Seit seiner letzten Novellierung im Jahre 1990 gilt für Direkt- wie Indirekteinleiter nach § l3 Abs. 1 WRG eine strikte Emissionsminderungspflicht nach dem Stand der Technik, die zusätzlich mit einer qualitätsorientierten Gewässergütepolitk kombiniert wird. Lediglich in Ausnahmefli.llen unterfallen Gewässernutzungen nicht dem Bewilligungserfordernis. Beispiele sind der bei Erfilllung zusätzlicher Anforderungen erlaubnisfreie Haus- und Wirtschaftsbedarf bei Grundwassernutzungen gern. § 10 WRG sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung. Andererseits bestimmt § 32 Abs. 2 Buchst. f WRG Obergrenzen für die Ausbringung von Stickstoffdünger und macht die Tierhaltung bei Überschreitung der in Absatz 2 Buchst. g genannten Dunggroßvieheinheiten bewilligungspflichtig. Seit der Novelle von 1990 sind Wasserrechte strikt zu befristen. Das Gesetz statuiert eine allgemeine Sorgfaltspflicht zur Gewässerreinhaltung; es enthält zudem Vorschriften über die Ausweisung von Wasserschutzgebieten sowie über die Wassergenossenschaften 100 und die W asserverbände. 101 Als wasserschutzrechtliche Spezialregelung ist das seit 1984 bestehende Gesetz über die Umweltverträglichkeit von Waschmitteln102 zu nennen, das zur Festlegung von entsprechenden Anforderungen durch Rechtsverordnung ermächtigt. gg) Bodenschutzrecht Deutliche Parallelen zur Situation in Deutschland zeigen sich in der bislang eher stiefmütterlichen Behandlung des Bodenschutzes durch den Bund. Wohl finden sich in zahlreichen Bundesgesetzen mittelbar bodenschützende Vorschriften103, allein es fehlt an einer systematischen Ordnung und Lückenschließung. Zahlreiche Bundesländer haben eigene Bodenschutzgesetze erlassen, waren aber aufgrund der kompetenzrechtlichen Situation gehindert, umfassende (sondergesetzliche) Regelungen der Materie zu schaffen. In der Regel beschränken sie sich deshalb auf Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der Fruchtbarkeit landwirtschaftlich genutzter Böden.

99 S. hierzu die Kommentienmg von Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, Wien u. a. 1993; ferner Kaan, Wasserrechtsgesetz 1959- in der Fassung der Novelle BGBI 252 I 90 nach dem Stande vom 1.7.1990, 2. Autl. Eisenstadt 1990.

100 Zu deren Rechtsstatus Rose-Kaan, Die Wassergenossenschaft und ihre Mitglieder, ZfV 1988, 21 ff.

101 Überblicksartig Funk, Wassergenossenschaften und Wasserveibände als Träger öffentlicher Aufgaben, ZfV 1983,581 ff. 102 BGB11984/ 300.

103 Einzelheiten bei Holzer I Reisehauer (Fn. 5), S. 45 Iandesrechtlichen Regelungen behandeln.

tr.

m. w. N., die aufS. 61 ff. auch die

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2. Kapitel: Länderberichte

Für den Teilbereich der Altlastensanierung verfügt der Bund allerdings mit dem Altlastensanierungsgesetz aus dem Jahre 1989104 über ein primär der Finanzierung dienendes Instrument. los Das Gesetz hat die Grundlagen für die Erhebung einer zweckgebundenen Bundesabgabe für das Deponieren, Zwischenlagern und Ausführen von Abflil.len (sog. Altlastenbeitrag) geschaffen.I06 Das Altlastensanierungsgesetz steht in begrifflicher und systematischer Hinsicht in engem Zusammenhang mit dem oben erwähnten Abfallwirtschaftsgesetz, was sich vor allem an der weitgehend übereinstimmenden Verwendung der Legaldefmitionen zeigt. hh) Naturschutzrecht Die Regelung des Naturschutzes ist den Landesnaturschutzgesetzen vorbehalten, die allerdings in den wichtigsten Punkten übereinstimmen. So finden sich durchweg Bewilligungs- und Anzeigepflichten für bestimmte Vorhaben, die zu Eingriffen in den Naturhaushalt führen. In diesem Zusammenhang sollen -wie auch bei der Eingriffsregelung des deutschen Rechts- Beeinträchtigungen vermieden oder ausgeglichen werden. So dürfen auch schwerwiegende Veränderungen des Naturhaushalts nicht untersagt werden, wenn ein öffentliches Interesse fiir sie streitet oder der Eingriff durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden kann. Derzeit befinden sich die Landesnaturschutzgesetze in einer Umbruchphase, die, wie im Burgenlandl07 und in Tirottos bereits &eschehen, allgemein zu einer Stärkung des Biotop- und Habitatschutzes führen soll. Der Gesetzesvollzug obliegt in der Regel den Bezirkshauptmannschaften, die teilweise private "Naturwacheorgane" mit der Pflege einzelner Naturbestandteile oder Flächen betrauen. Den eingangs erwähnten Problemen des alpinen Raumes wird durch zahlreiche landesrechtliche Alpschutzgesetze Rechnung getragen. Das Forstrecht wiederum ist Gegenstand bundesrechtlicher Regelungen.

104 BGBll9891299.

105 Speziell zur Finanzierung - auch in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht - Brandt I Schwarzer, Rechtsfragen der Bodensanierung, Wien 1988, S. 97 ff. S. ferner Institut filr Wirtschaft und Umwelt (Hrsg.), Die Finanzierung von Altlastensanierung, Informationen zur Umweltpolitik Nr. 45. Wien 1987. 106 Zu diesem Fragenkreis etwa Schwarzer, Die Genehmigung von Sonderabfallposten, Österreichisches Recht der Wirtschaft 1989, 87 ff.; ferner ders., Das Alt1astensanierungsgesetz. Die Abgabe auf das Deponieren, Zwischenlagern und Exportieren von Abfällen, JBl. 1989, 266 ff. sowie 304 ff.; Thomasitz, Das Altlastensanierungsgesetz, Österreichische Zeitschrift filr Wirtschaftsrecht 1990, 8 ff. 107 LGB1199l/27.

108 LGB1199l/29.

2. Österreich

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i) Gesamtwürdigung

Im Ganzen gesehen hat sich das Osterreichische Umweltrecht in den letzten Jahren in vielflUtiger Hinsicht fortentwickelt. Gleichwohl weist es mit seiner tendenziell eher noch vertieften, teilweise föderal bedingten Zersplitterung eine auch für das deutsche Recht häufig konstatierte Schwäche auf. Das lawinenartige Anwachsen des umweltrechtlichen Normenbestandes hat zuletzt - unter Hinweis auf das schweizerische Umweltschutzgesetz und die Kodifikationsbemühungen in Deutschland- die Forderung nach Schaffung eines Umweltgesetzbuches laut werden lassen.109 Auf der gesetzgebensehen Agenda finden sich derzeit indessen andere Prioritäten: Nachdem der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum 110 (und die unterdessen erfolgte Aufnahme in die Europäische Unionl11) zunächst noch heftige Diskussionen ausgelöst hatte, wurden vor kurzem durch Volksentscheid die notwendigen verfassungsrechtlichen Grundlagen geschaffen. Hieraus resultiert für den Gesetzgeber die Verpflichtung, sich verstärkt um die Angleichung des umweltrechtlichen Normenbestandes an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu bemühen. Dabei ist auch in Österreich die Problematik des nationalen Alleingangs11 2 in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Freilich treffen die notwendigen Anpassungen das Land nicht unvorbereitet. So hat der Gesetzgeber, gleichsam prophylaktisch, mit dem neuen Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und dem Chemikaliengesetz den Regelungsstrukturen der einschlägigen EG-Richtlinien bereits Rechnung getragen.

109 Wegscheider I Soko/off, Recht auf Umwelt, Wien u. a. 1990, S. 222 ff. (mit Gliederungsvorschlag aufS. 242 ff.). 110 VgL etwa Hummer (Hrsg.), Der europäische Wirtschaftsraum und Österreich, Wien 1994. 111 Zu den möglichen Konsequenzen eines Beitritts Eilmansberger, Beschränkungen umweltpolitischer Kompetenzen Österreichs im Falle eines Beitritts zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ZfV 1991, 105 ff.; vgL ferner Binder, Wege der Rechtsangleichung am Beispiel des Umweltrechts, Österreichisches Wirtschaftsrecht und Recht der EG 1990, 163 ff. 112 VgL hierzu Hoffen, Europarecht und nationale U mweltpolitik; Nationale Abweichungsmöglichkeiten von der gemeinschaftlichen Rechtsangleichung und Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrsam Beispiel des Umweltschutzrechts, Wien 1993.

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2. Kapitel: Länderberichte

Il Westeuropa 1. Frankreich

a) Umweltsituation Die ökologische Problemsituation stellt sich in Frankreich als einem - abgesehen von Großräumen wie Paris - weniger dicht und in der Fläche relativ homogen besiedelten Staat nicht in derselben Schärfe wie in Deutschland mit seinen zahlreichen Ballungsräumen dar. I Trotz einer großen Vielzahl und Vielgestaltigkeit natürlicher Ressourcen hat die Entfaltung der menschlichen Produktivkräfte in der Vergangenheit zu beträchtlichen Natureinbußen gefiihrt.2 Vergleichsweise defizitär ist bislang noch die Klärung industrieller wie häuslicher Abwässer. In Verbindung mit den Stoffeinträgen aus der volkswirtschaftlich bedeutsamen Landwirtschaft fiihrt dies zu einer teilweise bedenklichen Schadstoffkonzentration in den Oberflächengewässern (z. B. zu einer signifikanten Nitratbelastung von Loire und Seine). Bei der Luftreinhaltung zeigen sich Parallelen zur Situation in Deutschland, indem neben der industriellen Verfeuerung von fossilen Brennstoffen der Verkehrsbereich zu den Hauptquellen des Schadstoffeintrags gerechnet werden muß. Nicht nur die agrarische Düngung, sondern auch unkontrollierte Abfallablagerungen beeinträchtigen die Bodenqualität und das Grundwasser. In den vergangenen Jahren sind verstärkte

Anstrengungen zur staatlichen Umweltbeobachtung unternommen worden.

Insgesamt kann man wohl sagen, daß der Umweltschutz im Bewußtsein der französischen Öffentlichkeit (derzeit noch) eine geringere Rolle spielt als in Deutschland bzw. - aus französischer Sicht - "nüchterner" betrachtet wird. 3

b) Umweltrechtsentwicklung Das heutige französische Umweltrecht kann insbesondere im Recht der umweltgefllhrdenden Anlagen, das in wesentlichen strukturbildenden Teilen unmittelbar auf ein (napoleonisches) Dekret von 1810 zurückgeht, 4 auf eine lange Tradition zurückblicken. Auch das Naturschutzrecht wurde in Teilbereichen 1 Zum Ganzen zuletzt Ministere de l'Environnement, Etat de l'Environnement, Ed. 1990, Paris 1991. 2 Auch der vom Secretariat d'Etat aupres du Premier Ministre, charge de l'Environnement et de Ia Prevention des Risques technologiques et naturels majeurs herausgegebene Plan National pour l'environnement, Supplement il environnement actualite, n° 122, September 1990, S. 15, konstatiert lediglich "un bilan globalement mediocre".

3 Mathieu, Defense de l'Environnement en France, Paris 1992, S. 5 f. zufolge, der sich auf eine von der EG initiierte Umfrage bezieht, lag das Interesse der Franzosen am Umweltschutz im europäischen Vergleich am niedrigsten. 4 Zu dessen Geschichte Gausset I Magistry, Le Droit des etablissements dangereux, insalubres ou incommodes, Paris 1968, S. 4 ff.; monographisch ferner Thibaut, Le droit des nuisances au XIX siecle, These pour le Doctorat en Droit, Typoskript Paris 1975, S. 41 ff.

I. Frankreich

73

schon im 19. Jahrhundert gesetzlich geregelt. Die Entdeckung des Umweltschutzes als wichtiges Politikfeld fiel freilich erst in die siebziger Jahre unseres Jahrhunderts. Sie hat zu einem im einzelnen stark ausdifferenzierten Geflecht bereichsspezifischer SachTegelungen geführt. Die in Deutschland zu verzeichnenden Bemühungen um eine umfassenden Harmonisierung der (verstreuten) Teilmaterien in einer großen Gesamtkodifikation haben in Frankreich ungeachtet entsprechender Diskussionsansätze kein (echtes) Pendant gefunden.s Das französische Umweltrecht jedenfalls - wie auch dessen wissenschaftliche Behandlung6- steht gleichwohl auf einem relativ hohen Niveau. Nach französischem Verständnis nimmt der (dort nicht legaldefmierte) Umweltbegriff in besonderem Maße kulturelle Gehalte auf und wird folglich meist in einem umfassenderen Sinne als Lebensrahmen (cadre de vie) bzw. weitergehend noch als Synonym für Lebensqualität verstanden. 7 Da er nach allgemeiner Vorstellung auch das kulturelLe Erbe (patrimoine) umfaßt, wird - wie auch in Belgien, Italien, Griechenland und Portugal - das Recht des Städtebaus und des Denkmalschutzes gleichermaßen zum Umweltrecht gerechnet.

c) Verfassungslage Die Verankerung des Umweltschutzes in der französischen Verfassung wurde zumindest zeitweise diskutierts, ist jedoch aktuell wohl von untergeordnetem Interesse, wobei allerdings die unterschiedliche Intensität der normativen Kraft der französischen Verfassung im Vergleich mit dem deutschen Grundgesetz bedacht werden muß. Die umweltrechtliche Normerlaßkompetenz liegt grundsätzlich beim Zentralstaat, wobei der Legislative nach Maßgabe der Art. 21, 34, 37 und 38 der Verfassung gegenüber der Exekutive ein vergleichsweise weiter Gestaltungsspiel5 Vgl. noch Despax, Droit de l'environnement, Paris 1980, S. XI. Im Jahre 1991 hat das Umweltministerium eine Expertenkommission unter der Leitung von Prof. Martin (Nizza) eingesetzt und damit beauftragt, einen Entwurf zur kompilatorischen Zusammenfassung der vorhandenen Umweltgesetze in einem "Code de l'environnement" zu erstellen. 6 Aus der Lehrbuchliteratur vgl. Prieur, Droit de l'environnement, 2. Aufl. Paris 1991; Bil/audot I Besson-Guil/aumot, Environnement, urbanisme, cadre de vie, Paris 1979; Despax (Fn. 5); instruktiv ferner die (kritische) Zwischenbilanz von Untennaier, Le droit de l'environnement. Reflexions pour un premier bilan, in: Annee de l'Environnement, 1981, I ff.; Kiss (Hrsg.), L'ecologie et Ia loi. Le statut juridique de l'environnement, Paris 1990; Remond-Gouil/oud, Du droit de detruire, Paris 1989; in deutscher Sprache Kromarek, Artikel "Frankreich", in: Kiffiminich I v. Lersner I Storm (Hrsg.), HdUR, Bd. I, 2. Aufl. 1994, Sp. 773 ff., Woehrling, Umweltschutz und Umweltrecht in Frankreich, DVBI. 1992, 884 ff., sowie Kloepfer I Mast, Zum Umweltrecht in Frankreich, RIW 1992, 5 ff.

7 Im Begriff klingt eine sehr anthropozentrische und zugleich wertgebundene Konzeption des Umweltschutzes an. Vgl. paradigmatisch die Beiträge bei Temisien (Hrsg.), Environnement et Qualite de Ia Vie, Paris 1975. 8 Vgl. Untennaier, Droit de l'homme ill'environnement et libertes publiques, Revue juridique de l'environnement (R.J.E.) 1978, 329 ff.; Kromarek (Hrsg.), Environnement et droits de l'homme, UNESCO Paris 1987.

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2. Kapitel: Underberichte

raum zukommt.9 Beim Vergleich der französischen Umweltgesetze mit den deutschen flUlt die geringere Regelungsdichte und eine höhere Anzahl an Rechtsverordnungsermächtigungen ins Auge. Auch im Hinblick auf die extensive zivile Kernkraftnutzung in Frankreich fehlt es weitgehend an entsprechenden gesetzlichen Grundlagen, was auf eine insgesamt anders gelagerte verfassungsrechtliche Problemsicht hinweist.' o Die Rechtsetzungskompetenz der Administrative, der sog. pouvoir reglementaire, ist schon wegen des Fehlens eines umfassenden Parlamentsvorbehaltes sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgesprochen weit gefaßt.ll Weiterhin ist eine gewisse Neigung der Exekutive erkennbar, im Rahmen der Ausarbeitung der gesetzesausfüllenden Bestimmungen (sog. reglements pour l'execution des lois) legislative Vorgaben zu korrigieren.l2 Insgesamt ist die Rechtslage von großer Komplexität geprägt: In Rechtsverordnungen (ordonnances und decrets) enthaltenes Exekutivrecht wird in erster Linie vom Präsidenten der Republik und dem Ministerpräsidenten als obersten Exekutivorganen gesetzt. Daneben werden zahlreiche Ausführungsvorschriften auch auf den niedrigeren Verwaltungsebenen, sei es durch die einzelnen Minister, die Regierungskommissare oder die Bürgermeister, in Gestalt sehr unterschiedlicher- nicht durchweg mit Außenwirkung versehener- NormtypenD (arretes ministeriels bzw. prefectoraux oder municipaux, circulaires und instructions) erlassen.l4

d) Umweltschutzinstitutionen Auf institutioneller Ebene haben die wachsenden Umweltprobleme schon relativ frühzeitig durch die Gründung des Umweltministeriums (Ministere de la Protection de la nature et de l'Environnement delegue aupres du Premier Ministre) im Jahre 1971 Beachtung gefunden. Der derzeitige Aufgabenbereich des

9 Zur Doktrin vgl. Rivero, Droit ad.ministratif, 12. Autl. Paris 1987, S. 80 ff.; ferner Schlette, Die Konzeption des Gesetzes im französischen Verfassungsrecht, JöR. N. F. 33 (1984), 279 ff.

10 Unzutreffend hinsichtlich des (angeblichen) VerrechtlichungsdeflZits Backhaus, Länderbericht Frankreich. Gefahren und Gefahrenbeurteilungen in der Rechtsordnung Frankreichs, in: Lukes (Hrsg.), Gefahren und Gefahrenbeurteilungen im Recht, Bd. li, Köln u. a. 1980, S. 209 ff., 234 f. II Er urnfaßt nach Art. 37 der Verfassung auch die gesetzesunabhängige Rechtsetzung durch die sog. reglements autonomes.

12 Vgl. etwa fUr die Ausgestaltung des UVP-Gesetzes Prieur, Les Etudes d'impact en droit zru 1984, 367 ff. , 373.

fran~ais,

13 Zu der unter dem Stichwort des "principe de legalite" abgehandelten Hierarchie der Rechtsnormen De Lauhadere I Venezia I Gaudemet, Traite de droit adrninistratif, Bd. I, 11. Auf!. Paris 1990, S. 499 tf.; einführend ferner Hübner I Constantinesco, EinfUhrung in das französische Recht, 3. Autl., München 1994, S. 5 tf. Monographisch zu den Rechtsfragen der Verwaltungsvorschriften Pavlopoulos, La directive en droit fran~ais, Paris 1978. 14 Als unverzichtbare Orientierungshilfe dient der monatlich aktualisierte Code Permanent Environnement et Nuisances, 2 Bde. (Loseblatt: Stand: 15. Juli 1994), Paris 1976 tf., eine Sammlung und Kurzkommentierung der einschlägigen Rechtsvorschriften. Ihm sind auch die wichtigsten Judikate beigefUgt.

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häufig umgestalteten Ressorts15 wird im wesentlichen durch drei Dekrete präzisiert16 und ist weitgehend vergleichbar mit dem des deutschen Bundesumweltministeriums. Durch ein dichtes Geflecht von interministeriellen Organen (häufig unter Federfiihrung anderer Ministerien) soll sichergestellt werden, daß auf der gesamten Ministerialebene die Umweltbelange durch eine Beteiligung des Umweltministeriums Berücksichtigung finden. Die Vollzugskompetenzen im Umweltbereich liegentrotzgewisser Dezentralisierungsansätze in wichtigen Bereichen bei der staatlichen Zentrale. 17 Diese wird in der Regel durch die Ministerialverwaltung selbst tätig, die sich mangels eigenen Unterbaus hierbei der Außendienste (services exterieures) anderer Ressorts, insbesondere des Industrieministeriums (für den Bereich der Anlagenüberwachung) und des Landwirtschaftsministeriums (im Naturschutzsektor) bedient.1 8 Der durch die Dezentralisierung mit neuen Kompetenzen ausgestatteten Ebene der Regionen wird zwar gesetzlich eine eigene umweltpolitische Vemntwortung zugebilligt,19 gleichwohl verfUgen diese Gebietskörperschaften über keinerlei eigene Rechtsetzungsbefugnisse. Gewisse Einflußmöglichkeiten scheinen sich im Bereich der Planung und über die seit etwa zehn Jahren praktizierte vertragliche Zusammenarbeit mit der staatlichen Zentrale zu ergeben. 2o So sind in einzelnen Bereichen gemeinsam finanzierte Umweltschutzprojekte (beispielsweise der Umweltforschung und -aufldärung) initüert worden. Auf der Departementsebene sind bedeutsame Befugnisse in der Hand des Vertreters der Zentralebene, des sog. Commissaire de la Republique (ehedem Präfekt genannt), konzentriert, der einzelne, lokal begrenzte Aufgaben wiederum an die Subpräfekten delegiert. Er fungiert beispielsweise als Genehmigungsbehörde fur Vorhaben, deren Auswirkungen auf das Gebiet seiner Gebietskörperschaft beschränkt sind, und ist für die Ausweisung von Naturreservaten zuständig. Freilich fehlt es auch auf dieser Stufe bislang an aufgabenspezifischen Personalressourcen. Auf der kommunalen Ebene existiert schon wegen des kleinen Zuschnitts der Mehrzahl der Kommunen in der Regel ebenfalls keine eigenständige UII\weltverwaltung. Die Bürgermeister besitzen gleichwohl eine (polizeirechtliche) 15 Eingehende Darstellung seiner wechselvollen Geschichte bei Prieur (Fn. 6), Rn. 169 ff.; vgl. ferner Despax (Fn. 5), S. 521 ff. 16 DekretNr. 88-856 vom 8. August 1988, sowie Nr. 89-234 und 235 vom 17. Aprill989. 17 Umfassend zur Umweltverwaltung Va/let, L'administration de l'environement, Paris 1975; Romi, L'Administration de l'Environnement, La Garenne-Colombes 1990. Zu aktuellen Tendenzen Billaudot, Les mutationsadministratives de l'environnement. Aspects de l'application du plan national pour l'environnement, RJ.E. 1991 , 333 ff. 18 Vgl. im einzelnen Prieur (Fn. 6), Rn. 243 ff. 19 Art. 1 der Loi du 7 Janvier 1983 relative a Ia repartition des competences. 20 Prieur (Fn. 6), Rn. 258 ff., 262.

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subsidiäre Zuständigkeit in Umweltangelegenheiten.2I Während größere Städte über Umweltbeauftragte verfUgen, entfalten die kleineren Gemeinden eigene Umweltschutzaktivitäten meist nur im Bereich der Eigenvomahme im Rahmen von interkommunalen Arbeitsgemeinschaften (Betrieb von Kläranlagen, Abfallbeseitigungsanlagen etc.).

e) Umweltschutzprinzipien Bemerkenswert scheint zunächst, daß dem Umweltrecht auch in der französischen Literatur gewisse Leitprinzipien zugeordnet werden, wobei freilich gewisse Abweichungen gegenüber der in Deutschland gebräuchlichen Terminologie festzustellen sind.22 In Umsetzung des Verursacherprinzips (Principe pollueur payeur) wurden zahlreiche Abgaben23 eingeführt, wobei sich die dogmatischen Schwierigkeiten, die in Deutschland insbes. mit der kompetenzrechtlichen Ableitung und Abschichtung entspechender Abgaben verbunden sind, im zentralistisch strukturierten Frankreich nicht gestellt haben. Allerdings scheinen die Abgaben wegen ihrer geringen Höhe regelmäßig eher eine Finanzierungsfunktion als eine effektive Lenkungsfunktion zu erfüllen. 24 Die Ausgestaltung ist in den Rechtsformen von taxe, taxe parafiscale oder redevance (d. h. Steuer, parafiskalische Abgabe oder Gebühr) erfolgt. Im Zusammenhang mit der Verwaltung des Aufkommens der parafiskalischen Abgaben spielt die infolge einer Reorganisation dreierälterer Einrichtun&en entstandene Umwelt- und Energieagentur (Agence de l'environnement et de la rnaitrise de l'energie, ANEME)25 eine gewichtige Rolle. Zwar wird das Vorsorgeprinzip im französischen Umweltrecht nicht ausdrücklich erwähnt. Gleichwohl ist in zahlreichen Teilbereichen die Ausrichtung auf eine fortschreitende, von der jeweiligen örtlichen Umweltqualität unabhängige Minimierung von Umweltbeeinträchtigungen festzustellen.26 Dieser Befund gilt allerdings nur bedingt für die nur schwach ausgeprägte technische Standard- und Regelsetzung. Zumindest bei der Vorhabenzulassung kommt es unter Berücksichtigung der örtlichen Vorbelastung und der wirtschaftlichen

21 Art. L. 131-2 des Code des communes. Zu den Zuständigkeiten der Kommunen vgl. noch die Beiträge bei Jeannot I Renard I Theys (Hrsg.), L'environnement entre Je maire et !'Etat, Actes du colloque de Royaumont, Paris 1990.

22 23

S. zum folgenden Prieur (Fn. 6), Rn. 57 ff.

Vgl. hierzu auch Henzog, Environmental Fiscal Policy in France, in: Gaines I Westin (Hrsg.), Taxation for Environmental Protection, New York 1991, S. 15 ff.

24 Prieur(Fn. 6), Rn. 142. Einzelbeispiele bei Kloepfer l Mast (Fn. 13), S. 8. 25 Errichtungsgesetz war Loi n° 90-1130 du 19 decembre 1990 portant creation de l'Agence de

l'environnement et de Ia maitrise de l'energie. Einen guten Überblick über deren Entwicklungsgeschichte, Aufgabenbereiche sowie Organisation gibt Faberon, L'Agence de l'environnement et de Ia maitrise de l'energie, R.J.E. 1991, 153 ff.

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Zumutbarkeit zu einer einzelfallbezogenen Festlegung der jeweils erforderlichen technischen Schutzvorkehrungen. Die Einhaltung des Standes der verfügbaren Technik ist zwar nicht positivrechtlich gefordert, wird aber gleichwohl in aller Regel praktisch realisiert. Vor diesem Hintergrund erweist sich die bereits seit 1978 erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (hierzu unten S. 80) mit ihrem übergreifenden Bewertungsansatz als wichtiger lückenfüllender Baustein einer vorsorgenden Umweltpolitik. Ähnlich wie im deutschen Umweltrecht, teilweise mit noch ausgeprägteren Akzenten, kommt dem Kooperationsprinzip, in französischer Diktion dem Principe de Ia participation et de l'information des citoyens27, in Frankreich erhebliches Gewicht zu. Der Gewährleistung von Informationsrechten wird schon seit Erlaß des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Verwaltungsdokumenten (Loi du 17 juillet 1978 sur la liberte d'acces aux documents administratifs) besondere Bedeutung beigemessen. Im Regelfall besteht ein Auskunftsanspruch für jedennann.zs Gewisse Einschränkungen29 ergeben sich indes aus schützenswerten öffentlichen oder privaten Geheimhaltungsinteressen. Von der Verwaltung abgelehnte Auskunftsersuchen müssen einer vorgerichtlichen Überprüfung durch die Commission d'Acces aux Documents Administratifs (CADA)30 zugeführt werden. Ergänzend zu den oben beschriebenen Verwaltungsstrukturen treten auf allen Stufen des Umweltrechtsvollzuges die sog. konsultativen Verwaltungsorgane in Gestalt von Komitees und Kommissionen auf den Plan, auch dies ein Beleg für die praktische Bedeutung der Kooperation von Staat und Bürgern im Umweltschutz. Obwohl ihr jeweiliger Bestand einem beträchtlichen Wandel unterworfen ist, kommt ihnen ein erhebliches Gewicht bei der Fonnulierung der nationalen Umweltpolitik und bei der unmittelbaren Gesetzesanwendung auf Departementsebene zu.3I In der französischen Literatur wird dieser Befund als

26 Näher Rehbinder, Das Vorsorgeprinzip im internationalen Vergleich, Dosseidorf 1991, S. 121 ff. 27 Näher Prieur (Fn. 6), Rn. 97 ff. 28 Zu dieser Entwicklung Lemasurier, Versune democratie administrative: du refus d'informer au droit d'etre informe, R.D.P. 1980, 1239 ff.; aus deutscher Sicht Winter, Akteneinsicht in Frankreich in: ders. (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen, Baden-Baden 1990, S. 175 ff.

29 Diese ergeben sich häufig aus verschiedenen ministeriellen Erlassen. Ein Beispiel hierfllr findet sich bei Prieur (Fn. 6), Rn. 104; im übrigen hat sich aus der Entscheidungspraxis der CADA sowie den einschlägigen Judikaten des Conseil d'Etat und den Instanzgerichten eine recht verzweigte Kasuistik herausgebildet, die in ihren Grundzügen von Winter (Fn. 28), S. 186 ff. wiedergegeben wird. 30 Hierzu näher Lasserre, La commission d'acces aux documents adrninistratifs, Etudes et documents du Conseil d'Etat, Paris 1981, S. 49 ff. Vgl. auch die jährlichen Tätigkeitsberichte z. B. CADA (Hrsg.), L'acces aux documents adrninistratifs. Sixieme rapport d'activite et Guide de l'acces aux documents administratifs, Paris 1990. 31 Im Anlagengenehmigungsrecht spielt insbes. der Conseil departemental d'hygiene eine wichtige Rolle, vgl. etwa Gabolde, Les installations classees pour Ia protection de l'environnement,

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Ausdruck eines umweltrechtlichen Abstimmungsprinzips (Principe de concertation32) gewertet. Die Konsultativorgane, die beratende Funktionen ausüben, setzen sich in aller Regel aus Vertretern der staatlichen Verwaltung, aus fachkundigen Vertretern der jeweils einschlägigen Berufssparten (z. B. Ingenieuren, Architekten und Stadtplanern) sowie aus Vertretern der Umweltverbände zusammen.

j) Umweltschutzinstrumente Bei den Instrumenten lassen sich grundsätzliche Parallelen zum deutschen Recht bei gleichzeitigen Divergenzen im Detail feststellen. Trotz der traditionell großen Bedeutung der volkswirtschaftlichen "Planification" ist das umweltbezogene Planungsinstrumentarium etwa vergleichsweise weniger stark ausdifferenziert.33 Sein Anwendungsbereich liegt hauptsächlich im Städtebaurecht, im Wasserrecht und auch im Abfallrecht Ein qualitativer Regelungsschwerpunkt liegt mit staatlichen Ge- und Verboten sowie behördlichen Genehmigungsvorbehalten auf dem Gebiete des Ordnungsrechts. Das Umweltstrafrecht34 hat seit den siebziger Jahren an Gewicht gewonnen, spielt aber - wie in vielen anderen Staaten auch - in der Rechtspraxis insgesamt keine herausragende Rolle. Die Öffnung des französischen Umweltrechts für indirekt wirkende flexible Instrumente kommt daneben nicht nur in den erwähnten umweltbezogenen Abgabetatbeständen zum Ausdruck. So ist beispielsweise auf Absprachen über die Reduzierung bestimmter Emissionen hinzuweisen.35 Sie treten zum einen als Branchenverträge (contrats bzw. programmes de branche) zwischen dem Umweltminister und verbandsmäßig organisierten Vertretern einer Industriebranche auf, zu deren Wirksamkeit es noch der Zustimmung der einzelnen Mitgliedsunternehmen bedarf.36 In der Regel werden die Branchenverträge von staatlichen Investitionsbeihilfen in Höhe von maximal 80 % der gesamten Minderungskosten begleitet. Zum anderen werden auch Einzelabsprachen mit größeren Unternehmen getroffen (sog. programmes d'entreprise), die den Vorteil einer flexiblen Durchfiihrung von mittelfristigen Emissionsminderungszielen bieten. Freilich scheint dieses Instrument- nach anfänglich großen Erfolgen bei Paris 1978, S. 52 ff.; insgesamt kritisch zur Tätigkeit der Konsultativorgane Billaudot I BessonGuillaumot (Fn. 6), S. 663 f.

32 So insbes. Prieur (Fn. 6), Rn. 131 ff.

3J Bei dem "Plan National pour l'environnement" (Fn. 2) handelt es sieb. lediglich um eine politische Absicb.tserklärung.

34 Hierzu Roben I Remond-Gouil/oud, Droit Penal de l'Environnement, Paris 1981. 35 Zu den Grenzen Conseil d'Etat, Urteil vom 8. März 1985 "Les Amis de Ia Terre", Actualite

juridique- Droit admioistratif 1985, 382 f. (mit Besprechung von Moreau). Insgesamt ablehnend zu den Abkommen Caballero, Essai sur Ia notionjuridique de nuisance, Paris 1981, S. 152 ff. 36 S. b.ierzu auch Autexier I Stuhlick, Diskussionsbeitrag zu: "Die Branchenabkommen in Frankreich", in: Dokumentation zur 7. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft ftlr Umweltrechte. V., Berlin 1984, S. 195 ff.

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der Reduzierung der industriellen Gewässerbelastung (Beispiel der Papierindustrie) in den siebziger Jahren- heute an Bedeutung verloren zu haben,37 Eine französische Besonderheit in instrumenteller Hinsicht ist schließlich die Einrichtung von Schutzzonen als Element des passiven Umweltschutzes. Zutiickgehend auf das Dekret über genehmigungsbedürftige Anlagen von 181 0, das zwingend eine Trennung von besonders gefahrträchtigen Anlagen und Wohnbebauung vorschrieb, ist die Begründung von Schutz- bzw. Abstandsflächen seit der Novelle des Anlagenrechts von 1976 gern. Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes über gefllhrliche Anlagen (Loi no 76-663 du 19 juillet 1976 relative aux installations classees pour la protection de l'environnement) in das Ermessen der Genehmigungsbehörde gestellt. Die Trennung wird rechtstechnisch durch die Eintragung öffentlich-rechtlicher Dienstbarkeiten (servitudes d'utilite publique) abgesichert. 38 Für kontaminierte Flächen aufgelassener Industriestandorte und Abfallentsorgungsanlagen sowie bergrechtlich genehmigter Vorhaben erlaubt Art. 7 Abs. 5 des genannten Gesetzes neuerdings die Statuierung von Unterlassungspflichten durch Eintragung entsprechender Dienstbarkeiten.

g) Umweltrechtsschutz Der Verwaltungsrechtsschutz ist im Prinzip von der Weite der Klagebefugnis bei relativ geringer materieller Kontrolldichte39 geprägt. Zur Bejahung der Klagebefugnis (interet agir) reicht in aller Regel die von den Gerichten kaum hinterfragte Behauptung des Klägers, die streitige Maßnahme verletze seine Interessen.

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Eine wichtige Einschränkung des Grundsatzes einer zwar objektiven, aber im Ergebnis recht formalistischen Rechtmäßigkeitskontrolle gilt freilich hinsichtlich der umweltgefii.hrdenden Anlagen und neuerdings auch im Wasserrecht, da gern. Art. 14 des Gesetzes über klassifizierte Anlagen4o sowie Art. 15 des Wassergesetzes eine vollständige gerichtliche Kontrolle erfolgt. Dabei kann das

37 In den Niederlanden kommt die Absprache als branchenbezogenes Vorsorgeinstrument seit kurzem ebenfalls verstärkt zur Geltung, vgl. unten S. 105. 38 Vgl. zuletzt Despax, Servitudes autour des installations classees pour Ia protection de l'environnement, Droit et Ville n° 30 1990, 125 ff. ; umfassend ferner Prieur I Henriot, Servitudes de droit public et de droit prive. Limitations du droit de propriete en faveur de l'environnement. 4. Aufl. Paris 1979.

39 Zu den Prüfmaßstäben bei der ErmessensOberprüfung Schielte, Die verwaltungsgerichtliche Ermessenskontrolle in Frankreich, Baden.ßaden 1992. Spezieller filr das Umweltrecht Woehrling, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Frankreich auf dem Gebiet des Umweltrechts-unter Einschluß der Probleme der grenzOberschreitenden Verfahrensbeteiligung, in: Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes I Nr. 70, Saarbrücken 1986, S. 16 ff.; Caballero, Le Conseil d'Etat, ennemi de l'environnement?, R.J.E. 1984,28 ff.

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2. Kapitel: Länderberichte

Gericht - anders als im deutschen Verwaltungsprozeß - sogar eine eigene Zweckmäßigkeitsprüfung treffen (sog. juridiction du plein contentieux). Seine Entscheidung tritt in diesen Fällen an die der Verwaltungsbehörde. h) Umweltrechtsgebiete aa) Allgemeines Umweltrecht Übergreifende gesetzliche Regelungen des Umweltschutzes existieren bislang nicht; stattdessen finden sich entsprechende Aussagen in einer Reihe von "besonderen" Umweltgesetzen. So sehen das Naturschutzgesetz (Loi no 76-629 du 10 juillet 1976 relative a la protection de la nature) und das Städtebaureformgesetz (Loi no 76-1285 du 31 decembre 1976 relative a la reforme de l'urbanisme) eine dem deutschen Recht weitgehend vergleichbare staatliche Lizensierung von Verbänden vor. Dessen Bedeutung ist allerdings eher gering zu veranschlagen, da in den meisten Fällen auch nicht zugelassene Gruppierungen beteiligt werden. Andererseits spielt der den lizensierten Verbänden gesetzlich vorbehaltene Bereich, d. h. vor allem die Möglichkeit der Beteiligung am strafprozessualen Adhäsionsverfahren, eine zunehmend gewichtige Rolle bei der Durchsetzung des Umweltrechts.41 Im Rahmen von Gestattungsverfahren42 ist für größere Projekte eine Bürgerbeteiligung43 vorgesehen, deren Ziel gem. Art. 2 des Gesetzes Nr. 83-630 vom 12. Juli 1983 über die Demokratisierung der öffentlichen Anhörungen44 darin besteht, fiir eine optimale Informationsbeschaffung der Verwaltung zu sorgen. Die Einzelheiten der sog. enquete publique ergeben sich aus dem Gesetz und dem hierzu ergangenen Ausfiihrungsdekret Nr. 85-453 vom 23. April 1985, in dessen Anhang die einschlägigen Anlagen enumerativ aufgezählt sind. In den übrigen Fällen kommt die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (etude I notice d'impact)45 gern. Art. 2 des Naturschutzgesetzes zum Tragen. Materiell ist diese für öffentliche und zulassungspflichti-

40 Näher Carlier, Contentieux des installations classees, Juris Classeur Environnement (Loseblan: Stand 1992), Paris 1992 ff., Fascicule 1040.

41 Vg1. zur Verbandsbeteiligung auch die Beiträge bei He/in I Ho.stiou (Hrsg.), Les associations, l'environnement et 1e droit, Paris 1984. 42 Vgl. zum Umweltverfahrensrecht auch Randelzhofer I Hamdt, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, USA-Berichte 2 I 89, Berlin 1989, S. 151 ff.

43 Rechtsvergleichend dazu Prieur, Le droit ill'environnement et !es citoyens: La participation, R.J.E. 1988, 397 ff.

44 Loi n° 83-630 du 12 juillet 1983 relative il La democratisation des enquetes publiques. Zur Reform vgl. die Beiträge bei He/in I Hostiou I Jegouzo I Thomas (Hrsg.), Les nouvelles procedures d'enquete publiques, Paris 1986; ferner Cail/osse, Enquete publique et protection de l'environnement. R.J.E. 1986, 151 ff.

45 Näher Prieur (Fn. 12); ferner Bil/audot I Besson-Guil/aumot (Fn. 6), S. 310 ff.

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ge private Vorhaben sowie fiir städtebauliche Planungen darauf ausgerichtet, die Beachtung der Umweltbelange vorgeschrieben46. Für die aufgrund ihrer Dimensionen oder Auswirkungen potentiell umweltgeflihrdenden Projekte wird die Anfertigung einer Umweltverträglichkeitsstudie (etude d'impact) durch den Vorhabenträger verlangt. Das Dekret Nr. 771141 vom 12. Oktober 1977 bestimmt die einzelnen Modalitäten, begründet aber zugleich praeter legem zahlreiche Ausnahmetatbestände. 47 Das Dekret differenziert ferner zwischen der (im Gesetzestext nicht vorgesehenen) weniger anspruchsvollen Umweltverträglichkeitserklärung (notice d'impact) für die in seinem Anhang IV aufgeführten Vorhaben und der llirmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung (etude d'impact). Letztere ist nicht als eigenständiges Verfahren ausgestaltet und nur mit außerordentlich schwacher Bindungswirkung gegenüber der Genehmigungsbehörde ausgestattet. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich in diesem Punkt auf eine verfahrensorientierte Prüfung im Rahmen der lnzidentprüfung. 48 bb) Immissionsschutzrecht Das französische Immissionsschutzrecht ruht auf zwei Säulen. Zu nennen ist zunächst das programmsatzartig formulierte Gesetz betreffend die Bekämpfung von Luftverschmutzungen49, das vor allem für nichtstationäre Quellen von Bedeutung ist. Praktisch ungleich wichtiger ist indes das bereits erwähnte querschnittartig angelegte Gesetz über klassifizierte Anlagen.5o Konstitutive Voraussetzung fiir seine Anwendbarkeit ist die Aufnahme einer Anlage in die - im Ausfiihrungsdekret vom 20. Mai 195351 enthaltene- Liste (sog. nomenclature), die anders als die 4. BimSchV zwischen genehrnigungs- und (bloß) anzeigepflichtigen Anlagen unterscheidet. Die notwendigen Konkretisierungen in Ge46 Im französischen Text lauten die Schlüsselbegriffe travaux, projet d'amenagement sowie documents d'urbanisme. Zur Auslegung im einzelnen Bothe I Gündling, Neuere Tendenzen des Umweltrechts im internationalen Vergleich, UBA-Berichte Berlin 1990, S. 137 ff. Coenen I Jörrissen, Umweltverträglichkeitsprüfung in der Europäischen Gemeinschaft, Berlin 1989, S. 133 ff. 47 Vgl. aber auch Änderungsdekret Nr. 93-245 vom 25. Februar 1993: Hierduch wurde der Zuschnitt des Kreises der betroffenen Anlagen sowie der Anwendungsbereich der Öffentlichkeitsbeteiligung für die im Anhang des Dekrets Nr. 85-453 erfassten Projekte modifiziert. Die Befreiungen von der UVP-Pflicht betreffen in erster Linie Modernisierungs- und Unterhaltungsarbeiten sowie kleinere Vorhaben (z. B. elektrische Fernleitungen geringerer Kapazität). Mit Recht kritisch in Bezug auf diese im Gesetz nicht vorgesehene Privilegierung Prieur (Fn. 12), 367 ff. 48 Vgl. beispielhaft T.A. Grenoble du 24 octobre 1984, Les Amis de Ia Terre c I Ministre de I'Environnement, R.J.E. 1984, 205 ff.; zusammenfassend Hebrard, Les Etudes d'impact sur l'environnement devant le juge administratif, R.J.E. 1981, 129 ff. 49 Loi n° 61-842 du 2 aotit 1961 relative il La Lutte contre les pollutions atmospheriques el les

odeurs.

50 Vgl. hierzu nur Gabolde, Les installations classees pour La protection de l'environnement, Juris-Classeur Administratif (Loseblatt: Stand 1990), Paris 1980 ff., Fascicule 365; Gousset. Le droit des installations classees pour La protection de l'environnement, Paris 1979.

51 Abgedruckt in: Code Permanent (Fn. 14), Bd. II, S. 4823 ff.

6 Kloepfer/Mast

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stalt von (technischen) Standards52 sind in zahlreichen untergesetzlichen Normen (arretes interministeriels) enthalten. Insgesamt ist freilich zu beachten, daß diesen - wie bereits erwähnt - für die genehmigungspflichtigen Anlagen bis zur endgültigen Verabschiedung eines Erlasses mit national einheitlichen Emissionsstandards (noch) eine geringere Bedeutung zukommt als in Deutschland, zumal da die technischen Anlagendetails jedenfalls bislang stets Gegenstand von einzelfallbewgenen Aushandlungsprozessen gewesen sind. Die Anlagengenehmigung wird stets unbeschadet der Rechte Dritter erteilt. 53 Lediglich Personen, die sich nach Anlagenerrichtung in deren Nachbarschaft ansiedeln, sind infolge der "theorie de pre-occupation", die bestehenden Anlagen Prioritätsrechte einräumt und für die klassiftzierten Anlagen in Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes über klassifizierte Anlagen positiviert ist, mit ihren primären Abwehransprüchen präkludiert.54 Ihnen verbleibt aber in bestimmten Fällen die Möglichkeit, auf dem Zivilrechtswege Schadensersatz geltend zu machen bzw. bei der Genehmigungsbehörde um den Erlaß nachträglicher Anordnungen nachzusuchen.55 Seit Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 93-3 vom 4. Januar 1993 trifft die Setreiber bestimmter, in einem gesonderten Dekret erfaßter Anlagen die Pflicht zur Bildung finanzieller Rücklagen für die Deckung jener Kosten, die durch Maßnahmen zur Überwachung oder Nachrüstung der Anlage -und sei es erst nach ihrer Stillegung- ausgelöst werden. Für den Bereich der weniger umweltrelevanten Vorhaben operiert das französische Anlagenrecht mit einer Anzeigepflicht. Technische Mindestanforderungen sind in den in großer Zahl erlassenen branchenbewgenen "arretes types" niedergelegt, die vom Umweltministerium in der Rechtsform von Erlassen erarbeitet werden. Zu ihrer Wirksamkeit bedarf es einer einzelfallbewgenen Anordnung des Präfekten. Erst vor kurzem ist ein allgemeines Lärmschutzgesetz (Loi no 92-1444 relative a la lutte contre le bruit du 31 decembre 1992) zustandegekommen, in das u. a. die schon seit längerem erhobenen Flugzeugstartgebühren - bei gleichzeitiger Anhebung der Sätze für die besonders lauten Flugzeuge der Klasse 1 überführt worden sind. Im übrigen ermächtigt das Gesetz zum Erlaß von produktbewgenen Emissionstandards sowie zur Einrichtung eines amtlichen Zulassungsverfahrens (sog. homologation) für Produkte. Für lärmintensive Tätigkeiten, die in ortsfesten Anlagen ausgeübt werden und nicht den Bestimmungen 52 Ganz allgemein zur technischen Normung Marburger, Rechtliche und organisatorische Aspekte der technischen Normung auf nationaler und europlischer Ebene, in: Lindackers (Hrsg. ), Sicherheitsapekte technischer Standards, Berlin 1992, S. 174 ff., 191. 53 54

Art. 8 des Gesetzes Nr. 76-663 vom 19. Juli 1976.

Die Theorie wurde zunachst vom Conseil d'Etat ftlr den Bereich der travaux publiques, d. h. der unmittelbaren Pflichtigkeit der Offentliehen Hand, entwickelt, vgl. C.E. Urteil vom 19. Mlrz 1915 Duvigneau, Receuil Lebon, S. 84; kritisch zu dieser Entwicklung Prieur, Requiem pour Ia reserve des droits des tiers, R.J.E. 1981,289 ff. 55 Zum Nachbarrecht vgl. noch Cosmas P. Yocas, Les troubles de voisinage, Paris 1966.

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über klassifizierte Anlagen unterfallen, ist die Ausarbeitung von untergesetzlichen technischen Standards bzw. die Einführung eines eigenen Zulassungsverfahrens vorgesehen. Da bis zur Erarbeitung der Ausführungsvorschriften erfahrungsgemäß noch etwas Zeit verstreichen wird, werden derzeit noch ältere untergesetzliche Vorschriften herangezogen. 56 cc) Strahlenschutzrecht Das in Frankreich nur wenig kontroverse Strahlenschutzrecht57 wird, sieht man einmal vom Nuklearhaftungsgesetz ab, lediglich durch Art. 4 und 8 des Luftreinhaltegesetzes und im übrigen durch das Dekret Nr. 63-1228 vom 11. Dezember' 1963 für die Genehmigung der Hauptkernanlagen (installations nucteaires de base) geregelt. Hinsichtlich der Ableitungsgenehmigungen ist bezüglich der gasförmigen Emissionen auf das Dekret Nr. 74-945 vom 6. November 1974 sowie bezüglich der flüssigen Ableitungen auf Dekret Nr. 74-1181 vom 31. Dezember 1974 abzustellen. Im übrigen gilt gewöhnliches Anlagenrecht. Die Beseitigung radioaktiver Abfälle richtet sich nach den Bestimmungen des zur Umsetzung der EURATOM-Normen erlassenen Dekrets Nr. 66-450 vom 20. Juni 1966 (allg. Strahlenschutzverordnung), welches eine Anzeigeund Genehmigungspflicht statuiert und im übrigen durch das gesamte Bündel der oben beschriebenen Verordnungen ausgefüllt wird. Durch das zur Umsetzung der EG-Seveso-Richtlinie 1987 erlassene Gesetz betreffend die Katastrophenschutzorganisation, die Waldbrandbekämpfung und die Vermeidung größerer Risiken58, das querschnittartig Umweltgefahren unterschiedlichster Provenienz erfaßt, werden zudem auch die Nuklearrisiken einer beschränkten gesetzlichen Regelung unterworfen. dd) Abfallrecht Das französische Abfallrecht59 hat bereits durch das (Rahmen-)Gesetz betreffend die Abfallbeseitigung und die Wiederverwertung von Stoffen (Loi no 75633 du 15 juillet 1975 relative l'elimination des dechets et la recuperation des materiaux) abfallwirtschaftliche Gesichtspunkte aufgenommen, die im Zuge der kürzlich erfolgten Novellierung durch das Gesetz Nr. 92-646 vom 13. Juli 1992 noch einmal akzentuiert worden sind. Nach Maßgabe des im Rahmen der Novellierung eingefugten Art. 2-1 dürfen ab dem l. Juli 2002 nur noch vor-

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56 Vgl. dazu Prieur(Fn. 6), Rn. 672 tT. 57 Hienu Pascal (Hrsg.), Droit nucleaire, Paris 1979; vgl. ferner Stucken, Das Recht der Be-

seitigung radioaktiver Abflllle in Großbritannien und Frankreich, Köln u. a. 1989, S. 75 ff.

58 Loi no 87-565 du 22 juillet 1987 relative al'organisation de Ia securite civile, illa protection de Ia foret contre l'incendie et illa prevention des risques majeurs. 59 Einen ersten Überblick gibt der einschlägige Abschnitt im Code PeT711anent (Fn. 14), Bd. I, "Dechets urbains et industriels", Commentaire, S. 1592 ff.; vgl. ferner Colson, La responsabilite du

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2. Kapitel: Länderberichte

behandelte Abfälle (sog. dechets ultimes) deponiert werden, was zu einer erheblichen Reduzierung der abzulagernden Abfallmengen führen soll. Der Anwendungsbereich des Gesetzes entspricht weitgehend dem bisherigen deutschen Recht, da der Abfallbegriff- von der Besonderheit der vorbehandelten Abfälle einmal abgesehen- gem Art. 1 des Gesetzes objektive und subjektive Komponenten vereint. Abfallentsorgungsanlagen sind grundsätzlich genehrnigungsbedürftig, da sie gem. Art. 7 des Abfallbeseitigungsgesetzes i. V. m. Nr. 322 der oben erwähnten Nomenklatur zu den klassifizierten Anlagen6o rechnen. Seit Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes trifft die Kommunen nach dessen Art. 12 eine gesetzliche Verpflichtung zur Beseitigung der Haushaltsabfälle.61 Auch die planensehe Bewältigung der Abfallentsorgung ist zuletzt akzentuiert worden. So verpflichten die Dekrete Nr. 93-139 und 93-140 (jeweils vom 3. Februar 1993) die Regionen zur Aufstellung von Abfallentsorgungsplänen, die die Abfallströme und die erforderlichen Beseitigungsmaßnahmen für einen Zeitraum von zehn Jahren prospektiv erfassen sollen. Eine wichtige Funktion bei der Entwicklung einer funktionsfähigen Abfallwirtschaft erfüllt die bereits erwähnte Umwelt- und Energieagentur ANEME, die teilweise auch auf das Aufkommen aus der parafiskalischen Abgabe auf (Grund-)Schrnierstoffe62 verwaltet, mit dessen Hilfe u. a. die Einsammlung und Beseitigung von Altölen gefördert sowie der Betrieb anderer defizitärer Abfallbeseitigungsanlagen gestützt wird. Bislang fehlt es noch weitgehend an Spezialvorschriften für geilihrliehe Abfälle. 63 ee) Gefahrstoffrecht Die zentrale Regelung des Gefahrstoffrechts64 bildet das Chemikaliengesetz (Loi no 77-771 du 12 juillet 1977 sur le contröle des produits chimiques), das 1982 der Sechsten Änderungsrichtlinie der EG angepaßt wurde65 und erheb-

fait des dechets en droit public, in: Blaurock (Hrsg)., Verantwortlichkeit ftlr Abfall in Deutschland und Frankreich, Baden-Baden 1992, S. 111 ff.; Billaudot I Besson-Guil/aumot (Fn. 6), S. 289 ff. 60 Code Pennanent (Fn. 14), Bd. 11, S. 4837.

61 Nähere Konkretisierungen dieser Verpßichtung, etwa hinsichtlich der Häufigkeit der Abholung, tinden sich im Dekret Nr. 77-151 vom 7. Februar 1977.

62 Es handelt sich hierbei um die gern. Art. 22 i.V.m. dem Dekret Nr. 89-649 vom 31. August 1989 erhobene Taxe paratiscale sur !es huiles de base. Die Abgabenlast beläuft sich derzeit auf70 F pro t für einzelne, im Dekret näher spezifizierte Schmierstoffe. Die Abgabenschuld entsteht mit dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens in der Person des Produktherstellers. 63 Vgl. Prieur(Fn. 6), Rn. 705 ff.

64 AusfUhrlieh zum ganzen Code Permanent (Fn. 14) Bd. II, "Produits chimiques (contröle)", lntroduction, S.6220 ff.; Prieur(Fn. 6), Rn. 714 ff.

65 Paradoxerweise hat sich dadurch sein Anwendungsbereich verkleinert, vgl. Prieur (Fn. 6), Rn. 714.

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liehe Gemeinsamkeiten auch mit dem deutschen Chemikaliengesetz66 aufweist. Wie dieses verzichtet es auf ein Zulassungsverfahren und schreibt stattdessen ein Anzeigeverfahren für neu auf den Markt kommende Chemikalien vor. Erforderlich ist eine entsprechende Erklärung des Herstellers bzw. des Importeurs, die zusammen mit einem Prüfbericht über bestimmte Stoffeigenschaften gegenüber dem Umweltministerium abzugeben ist67. Nach Ablauf von 45 Tagen (gerechnet ab Eingang der Erklärung) kann mit der Einfuhr oder dem Inverkehrbringen begonnen werden. Für besonders gefährliche Stoffe besteht die Möglichkeit der Aufnahme in einer entsprechenden Liste, was wiederum Voraussetzung für ein (in der Praxis seltenes) Verbot bzw. Mengenbeschränkungen ist. Für chemische Substanzen, die vor dem 18. September 1981 auf den Markt gekommen sind (Altstoffe), können nach Ermessen der zuständigen Behörde ähnliche Anforderungen gestellt werden, sofern mit ihnen ein erhöhtes Gefahrenpotential verbunden ist. Schließlich enthält das Chemikaliengesetz Regelungen über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe.

ft) Gewässerschutzrecht Das Recht des Gewässerschutzes68 findet nach der Reform des Jahres 1991 seine wesentliche Grundlage im neuen Wassergesetz69, dessen Inhalte freilich in starkem Maße der Ausfüllung durch Dekrete bedürfen. Wie auch im deutschen Recht gilt gern. Art. 10 des Gesetzes grundsätzlich eine strikte Genehmigungs- bzw. Anzeigepflicht für alle Formen wassernutzender bzw. -gefährdender Tätigkeiten. Die Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind unterdessen im Dekret Nr. 93-42 vom 29. März 1993 konkretisiert worden. Ähnlich wie im Immissionsschutzrecht ist seine Anwendung davon abhängig, daß die fragliche Aktivitäten in der Nomenklatur des Dekrets Nr. 93-743 (ebenfalls vom 29. März 1993) erfaßt ist. Die nach Durchführung einer "enquete publique" erteilte Genehmigung ist befristet und läßt die Rechte Dritter unberührt. Hinsichtlich der klassifizierten Anlagen ordnet das Wassergesetz neuerdings eine Konzentrationswirkung der Anlagengenehmigung an, indem es in Art. 11 für diese lediglich die Pflicht zur Einhaltung der wasserrechtlichen Standards formuliert. 66 Hierzu Kloepfer, Umweltrecht, München 1989, § 13 Rdnr. 14 ff. 67 Bezüglich der erforderlichen Details des Prüfberichts (dossier technique d'impact) sei auf

das Dekret Nr. 85-217 vom 13. Februar 1985 verwiesen. Seine Überprüfung obliegt der Commission d'evaluation de I'ecotoxicite des substances chimiques, wobei die technischen Details gern. Art. 6 des Chemikaliengesetzes der Geheimhaltungspflicht der Behörde unterliegen.

68 Zu neueren Entwicklungen Romi, Chronique de droit de l'eau: Le droit de l'eau entre opaeile et transparence, R.J.E. 1993,75 ff.; Code Permanent (Fn. 14), Bd. I, S. 2418 ff.; Ourliac, Le regime administratif de l'eau, Droit et Ville n° 25 1988, 5 ff.; aus dem älteren Schrifttum vgl. noch Despax (Fn. 5), S. 293 ff.

69 Loi n° 92-3 du 3 janvier 1992 sur l'eau. Zur Novelle Code Permanent(Fn. 14), Bulletin 152, S. 8256 ff.; Lamarque, La loi du 3 janvier 1992 sur l'eau, Cahiers juridiques de l'electricite et du gaz n° 485, 1993, 81 ff.; Bassot, Neue Entwicklungen des Wasserrechts in Frankreich, NuR 1993, 17 f.

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2. Kapitel: Underberichte

Für die sieben großen Flußsysteme, die als Vorfluter dienen, bestehen Wasserfmanzverbände (Agences financieres de bassin) in Gestalt von öffentlichrechtlichen Körperschaften, die von (fast) allen Wasserverschmutzern Abgaben in der Rechtsform einer redevance (Gebühr) erheben.7° Das erzielte Aufkommen, das von den Regionalverbänden verwaltet wird, soll durch die Ausschüttung von Prämien die Verbesserung der Reinhaltestandards ilirdem. Maximal dürfen 50 % der hierfiir erforderlichen Investitionskosten durch die Zuschüsse abgedeckt werden. Eine eigene partielle gesetzliche Regelung hat der Meeresumweltschutz erfahren (Loi no 76-600 du 7 juillet 1976 relative aux operations d'immersion et la lutte contre la pollution marine).

a

gg) Naturschutzrecht Eine umfassende Regelung des Naturschutzes71, insbesondere auch des Arten-, Flächen- und Biotopschutzes, enthält das Naturschutzgesetz (Loi no 76629 du 10 juillet 1976 relative la protection de la nature) von 1976, dessen Bestimmungen unterdessen in den Code Rural überführt worden sind. Es wird ergänzt u. a. durch das Forstrecht und besondere Programme zum Schutz von Küsten, Gebirgsregionen und Feuchtgebieten. Dagegen fehlt es - wie in Deutschland auf Bundesebene - im französischen Umweltrecht an speziellen Regelungen des Bodenschutzes.

a

i) Gesamtwürdigung Das französische Umweltrecht zeigt sich nicht nur im europäischen Maßstab als ausgesprochen differenziert und in der Regel als materiell recht anspruchsvoll. Gleichwohl darf dies trotz (oder gerade wegen) der Fülle der Regelungsansätze nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine Aussage über die Normendiebte nur in bedingtem Maße Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der einschlägigen Regelungen zuläßt. Der Befund eines beträchtlichen Vollzugsdefizits dürfte wohl (zumindest sinngemäß) auch fiir das französische Umweltrecht Gültigkeit beanspruchen.n Neben den strukturellen Problemen der Umweltverwaltung wird hierfür häufig der schleppende Erlaß der notwendigen Ausfiihrungsverordnungen oder Ministerialerlasse verantwortlich gemacht73.

70 Deren Höhe bemißt sich im einzelnen (nach Maßgabe des Dekrets Nr. 75-9% vom 28. Oktober 1975) ftlr Haushaltungen und industrielle Einleiter jeweils anhand einer unterschiedlichen Anzahl von SchadstotJparametern (z. B. Gehalt an sauerstoffzehrenden Substanzen, wasserlöslichen Salzen, Stickstoff- und Phosphorverbindungen) und wird in einem Punktwert zum Ausdruck gebracht. Der entsprechende Umrechnungskoeffizient wird alljährlich durch ministeriellen Erlaß gesondert fllr die regionalen Wasserfinanzverbände fixiert. 71 Ausfllhrlich hierzu Despax (Fn. 5), S. 521 ff. 12 So auch Prieur, L'efficacite de Ia protection legale de l'environnement en France, Typoskript eines Vortrags vor der "Societe de legislation compan\e" vom 20. März 1991.

73 Zu diesem allgemeinen Phänomen Guibal, Le retard des textes d'application des lois, R.D.P. 1974, 1039 ff.

l. Frankreich

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Nachdem die achtziger Jahren von einer längeren Phase gesetzgebenscher Passivität geprägt waren, zeigt sich in den vergangenen Jahren, daß das Umweltrecht beim französischen Gesetzgeber wieder verstärkte Aufmerksamkeit gefunden hat. So sind seit 1990 immerhin wesentliche Bereiche wie das Wasser- und das Abfallrecht überarbeitet oder- wie das Beispiel des Lännschutzgesetzes zeigt - einer intensiveren gesetzlichen Regelung zugefuhrt worden. Im Zusammenhang mit dem Ansteigen des öffentlichen Umweltbewußtseins dürfte dem Umweltschutz74 wohl auch in der Zukunft ein nennenswertes Gewicht zukommen.75

74

Vgl. die Zahlenangaben im "Plan national pour l'environnement" (Fn. 2), S. 29.

75 Zu neueren Tendenzen Morand-Devillers, Le droit franfl:ais de l'environnement. Progres et

carences, R.F.D.A. 1990, 23 ff. Romi, Chronique de droit public de l'environnement. Le droit public de l'environnement vers Ia maturite?, R.D.P. 1990, 1121 ff.; ders., Chronique de droit public de l'environnement. Les reformes de 1'administration de l'Environnement en 1990: des "grands mots" aux "petits remedes"?, R.D.P. 1991, 1089 ff.; ders., Chronique de droit public de l'environnement. L'administration entre decentra1isation et deconcentration, R.D.P. 1992, 1771 ff.

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2. Kapitel: Underberichte

2. Belgien

a) Umweltsituation Das kleinräumige und dichtbesiedelte Land bildete schon zu Beginn des vergangeneo Jahrhunderts ein Zentrum der Industrialisierung. Die anhaltende industrielle Prägung Belgiens und ein relativ spät erwachtes Umweltbewußtsein spiegeln sich auch in den heutigen ökologischen Problemschwerpunkten wider. Hauptquell sowohl für C02-Emissionen als auch für luftgetragene Schadstoffe ist der Umstand, daß die Verfeuerung fossiler Brennstoffetrotz eines allmählichen Übergangs zu anderen Energieträgem das energiepolitische Rückgrat des Landes bildet.! Allerdings ist in den vergangeneo Jahren die S02-Belastung der Atmosphäre stetig zurückgegangen. Eine ungenügende Klärung industrieller Abwässer (zum Beispiel in der Stahlindustrie an der Meuse) hat manche Gewässer an die Grenze ihrer ökologischen Belastbarkeit und teilweise auch darüber hinaus geführt. Daneben resultieren massive Schadstoffeinträge, etwa durch Nitrate, aus der landwirtschaftlichen Produktion. In der Vergangenheit hat die unkontrollierte Deponierung (gefthrlicher) AbOOle - auch ausländischer Provenienz - Belgien immer wieder zu negativen Schlagzeilen verholfen. Unterdessen sind in den vergangeneo Jahren deutlich vermehrte Umweltschutzanstrengungen spürbar geworden.

b) Umweltrechtsentwicklung Belgien zählt im europäischen Vergleich zu den Ländern, deren Umweltrecht sich bisher eher zögerlich entwickelt hat. Dies zeigt sich beispielhaft am großen Beharrungsvermögen, das den gewerberechtliche Wurzeln der Anlagengenehmigung eignet. So kommt in Wallonien auch heute noch das in seinem Kern auf eine Norm aus dem Jahre 1888 zurückgehende Gesetz vom 10. Juni 19522 zur Anwendung. Anstöße zur (mehr reaktiven) Umweltrechtsentwicklung ergaben sich häufig durch aufsehenerregende UnOOle bzw. Fehlentwicklungen, die entsprechenden politischen Handlungsbedarf auslösten. So wurde etwa die nationale Abfallgesetzgebung im wesentlichen durch einen Altlastenskandal (Bodenkontamination durch illegal beseitigte Cyanidabftlle) in Wallonien veranlaßt.3 Auch die Durchfiihrung und die Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben haben wichtige Impulse gegeben, wenngleich beide- zumindest nach Ansicht der EG-Kommission4 - in der Vergangenheit nicht immer ausreichend waren und Anlaß für eine Reihe von Vertragsverletzungsverfahren vor dem 1 Näher Faure, Umweltrecht in Belgien- Strafrecht im Spannungsfeld v. Zivil- und Verwaltungsrecht, Freiburg i. Br. 1992, S. 16 ff.; van Impe, Groot Vuil - Het milieuprobleem in Belgii!, Leuven 1991; ferner die (populärwissenschaftlich gehaltene) Darstellung von Morrens, De golfen de zwemmer. Bedenkingen bij de leefmilieuproblematiek, Antwerpen 1990.

2

Gelndert insbes. durch Gesetz vom 17. Juli 1957.

3 Gesetz vom 22. Juni 1974 Ober giftige Abtlllle; hierzu noch u. bei Fn. 37. 4 Vgl. etwa die Auflistung in ABI. C 266 vom 22. Oktober 1990, S. 6 sowie die Nachweise bei Kloepfer, Umweltrecht, München 1989, S. 355 mit Fn. 246.

2. Belgien

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EuGH (mit der Folge zahlreicher Verurteilungen) gegen Belgien gegeben haben. Die auch hier als eigenständige Disziplin anzusehende Materie Umweltrecht erfli.hrt in der wissenschaftlichen Diskussion zunehmende Beachtung, was sich in einer kontinuierlich wachsenden Zahl von Veröffentlichungen niederschlägt.5 Nach belgisehern Verständnis umfaßt das Rechtsgebiet - bedingt durch einen entsprechend weit definierten Umweltbegriff6 - im wesentlichen drei Teilgebiete: Eigens unterschieden werden das den Immissionsschutz betreffende Umwelthygienerecht, das auf Flächen-, Arten- und Denkmalschutz gerichtete Umweltschutzrecht sowie schließlich das Raumplanungsrecht 7.

c) Verfassungslage Ein prägendes Merkmal des geltenden Umweltrechts besteht in den grundlegenden Umwälzungen, die die fortschreitende Regionalisierung der Gesetzgebungskompetenzen mit sich gebracht hat. 8 Im kulturell und sprachlich seit jeher zergliederten Belgien mit drei kulturellen Gemeinschaften und drei Regionen wurden u. a. die umweltrechtlichen Zuständigkeiten (enumerativ) durch mehrere Verfassungsänderungen seit 1970 bzw. die hierzu zuletzt 1993 (in Gesetzesform) ergangenen Ausführungsstatute 9 in wesentlichen Teilen von der nationalen Ebene auf die Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel übertragen. Sedes materiae sind insbesondere die neugeschaffenen Art. 3 und 39 der Verfassung (in der ursprünglichen Zählung noch als 107quater beziffert). Da zudem die 5 Vgl. nur die Einzeldarstellungen von Suray, Droit de l'urbanisme et de l'environnement, Blilssel 1989; Suetens I Soetemans, Loi et usage concernant le contröle de la pollution en Belgique et au Grand-Duchede Luxembourg, Blilssel und Luxemburg 1983; Lambrechts, Milieurecht, Blilssell987. Regional angelegt sind die Werke von Jadot I Hannequan I Orban de Xivry, Droit de l'environnement en Regionswallone et bruxelloise, Brüssel 1988, sowie von De Pue I Strykers I Vanden Bi/cke, Milieuzakboekje, Antwerpen, 1990 (Leitfaden für das Umweltrecht in der Region Flandern, Anm. d. Verf.); vgl. schließlich in deutscher Sprache Boes, Artikel "Belgien". in: Kimrninich I v. Lersner I Storm (Hrsg.). HdUR, Bd. I, 2. Aufl. Berlin 1994, Sp. 223 ff.

6 Dieserumfaßt die globale physische Umgebung, Geysen I Suetens. Entwicklung des Umweltrechts in Belgien, in: Breuer I Kloepfer I Marburger I Sehröder (Hrsg.). Jahrbuch filr Umweltund Technikrecht 1989, UTR Bd. 9, S. 271 ff.; von einem teleologisch motivierten Ansatz ausgehend ähnlich Jadot I Hannequan I Orban de Xivry (Fn. 5), S. 7 f. 7 Hierzu näher filr die Region Flandern Vermeersch I Desmet, Ruimtelijke Planning, Brügge 1989; filr die Region Wallonien vgl. Suray (Fn. 5), Bd. I ("Les Plans d'amenagement"); ferner Seutin I Vande Lanotte, De recente evoluties en kneipunten in de ruimtelijke ordening ende stedebouw, Blilgge 1988. 8 Vgl. Jadot, La reforme de !'Etat beige et les difficultes d'avimement d'un droit de l'environnement, R.J.E. 1987, 305 ff.; Faure (Fn. 1), S. 37 ff. Zu den (politischen) Hinterglilnden der Föderalisierung Lienardy, Auf dem Weg zum Föderalismus in Belgien, in: Esterbauer I Heraud I Perntbaler (Hrsg.), Föderalismus als Mittel permanenter Kontliktregelung, Wien 1977, S. 129 ff. 9 Zu nennen ist in erster Linie Art. 6 § l Abs. 2 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 (geändert durch Sondergesetz vom 8. August 1988), abgedr. bei Geysen I Suetens (Fn. 6) in Fn. 16, S. 290 f. , sowie das Gesetz zur Vollendung der föderalen Staatsstruktur vom 16. Juli 1993. Vgl. nunmehr die konsolidierte Neufassung der Verfassung (B.S. vom 27. Februar 1994).

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2. Kapitel: Länderberichte

Kommunento und Provinzen gern. Art. 41 und 162 der Verfassung eigene Kompetenzen für die Angelegenheiten von kommunaler Bedeutung besitzen, ist die Kompetenzlage weitgehend zersplittert. LI Nach der Vollendung der Föderalisierung ist der Nationalstaat im wesentlichen nurmehr zuständig für den Meeresschutz, die Durchfuhr grenzüberschreitender Abfalltransporte, den Schutz gegen ionisierende Strahlen, das Produktrecht sowie die Ein- und Ausfuhr von Tier- und Pflanzenarten. Daneben verbleibt ihm eine Residualkompetenz für alle weiteren, nicht ausdrücklich den Regionen überantworteten Kompetenzbereiche. Im Rahmen der letzten Verfassungsänderungen ist der Umweltschutz neuerdings in Art. 23 Verfassung verankert worden. Eingebunden in das verfassungsmäßige Recht auf ein menschenwürdiges Leben, wird das Recht auf den Schutz einer gesunden Umwelt in Nr. 4 des Katalogs der im Rahmen der Gesetze zu gewährleistenden Schutzgehalte aufgeführt. Unverkennbar ist die anthropozentrische Ausrichtung dieses Ansatzes. lnfolge der Föderalisierung sind nurmehr geringfügige (Umwelt-)Restkompetenzen beim Nationalstaat verblieben. Die überkommenen Vorschriften bleiben einstweilen als Übergangsvorschriften bis zur Verabschiedung einschlägiger regionaler Normen in Kraft. Die Regionen (insbesondere Wallonien) haben ihren Regelungsspielraum - der im übrigen auch die Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Direktiven mitumfaßt12- freilich zunächst nur sehr zögerlich ausgenutztB. Hinge&en hat das re&ionale Umweltrecht in Flandem mittlerweile schon recht konkrete Züge angenommen. Eine Folge der Kompetenzumschichtungen besteht darin, daß die jeweiligen regionalen Regelungen mangels nationalstaatlicher Vorgaben naturgemäß disparaten Charakter besitzen (können). d) Umweltschutzinstitutionen

Bedingt durch die Föderalisierung der Gesetzgebungszuständigkeiten sind auch die als Annex der Sachregelungskompetenz zu verstehenden administrativen Strukturen weitgehend der Ausgestaltung durch die Regionen überlassen. Die hieraus resultierende Unübersichtlichkeit zeigt beispielhaft der gespaltene Vollzug der anlagenbewgenen Vorschriften: Er obliegt hinsichtlich der arbeits10 Zu deren Kompetenzen Kova/ovszky, Le pouvoir reglementaire des communes en matiere de protection de l'environnement, Annales de Oroit de Louvain, Bd. 51, 1991, 351 ff. II Vgl. zu diesem Fragenkreis den Sammelband von Lavrysen I Orban de Xivry I Herbiet I Hannequart, Oe bevoegdheden inzake milieubeheer - Les competences en matiere de gestion de l'environnement, Brüssel 1990; Bocken (Hrsg.}, Oe grondwettelijke bevoegdheidsverdeling inzake leefmilieu, Brüssel 1986; ftlr die Region Wallonien vgl. Jadot I Bannequart I Orban de Xivry (Fn. 5), S. 38 ff.

12

Vgl. Jadot, in: Bocken (Fn. 12}, S. 106 f.

13 Dies ist meist auch der Grund fUr die oben erwähnten EWG-Vertragsverletzungsverfahren gegen den Nationalstaat, der sich (im Ergebnis freilich ohne Erfolg) meist gegenüber der Kommission mit dem Argument verteidigt, ihm fehle eine rechtliche Handhabe, um die Regionen zur entsprechenden Normsetzung zu zwingen.

2. Belgien

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sicherheitsrechtlichen (d. h. innerbetrieblich wirkenden) Aspekte den Inspektorender regionalen Gewerbeaufsichtsämter. Für die Erteilung der Genehmigung und die sog. außerbetrieblichen Polizeiaufgaben ist in Flandern mit Dekret vom 12. Dezember 1990 eine spezielle Umweltinspektion geschaffen worden. In Teilbereichen ist schließlich die Provinzialverwaltung zuständig 14• Es liegt auf der Hand, daß diese Aufgabenteilung nicht allzu vollzugsfreundlich sein dürfte.

e) Umweltschutzprinzipien Im Vergleich mit Deutschland flUlt auf, daß unter den der Umweltgesetzgebung zugrundeliegenden Prinzipien derzeit anscheinend nur das Verursacherund das Vorsorgeprinzip eine nennenswerte Rolle zu spielen scheinen. Da zudem in weiten Bereichen auf das Gemeinlastprinzip zurückgegriffen wird, deutet vieles darauf hin, daß sich das Umweltrecht erst allmählich von den Fesseln seiner gewerbe- und arbeitsschutzrechtlichen Ursprünge zu befreien vermag .

./) Umweltschutzinstrumente Das belgisehe Umweltrecht ist in wichtigen Bereichen öffentlich-rechtlicher Natur und weist demzufolge eine starke Prägung durch ordnungsrechtliche Instrumente auf. Zu nennen sind in erster Linie die behördlichen Verfahren zur Zulassung und Überwachung umweltrelevanter Vorhaben. Die strafrechtlichen Verhaltensge- und -verbote15, deren praktische Relevanz nicht zu hoch veranschlagt werden dürfte, zeichnen sich prozessual durch eine Verknüpfung mit Elementen des persönlichen Schadensausgleichs im Wege der sog. Action civile aus. Eine eigenständige umweltbezogene Fachplanung neben der Raumplanung existiert, soweit erkennbar, nicht. Ein klassisches Beispiel für indirekte Umweltschutzinstrumente ist die Haftung fiir Umweltschäden, die freilich nicht auf einer einheitlichen gesetzlichen Regelung beruht. Heranzuziehen sind vielmehr allgemeine zivilrechtliche Schadensnormen des Code Civil/ Burgerlijk Wetboek wie Art. 1382, der die allgemeine Verschuldenshaftung zum Gegenstand hat. Auf gesichertem sachenrechtlichem Terrain bewegen sich auch die nachbarrechtlichen Abwehransprüche nach Art. 544 C.C. I B.W. Einen umweltbezogenen Geflihrdungshaftungstatbestand enthält Art. 7 des nationalen Gesetzes über giftige Abfl!.lle vom 22. Juli 1974 (hierzu u. S. 96). Nachdem in Regionen schon seit Mitte der achtziger Jahre vereinzelt Umweltabgaben erhoben worden waren, hat seit 1992 auch der nationale Gesetzgeber nolens volens das Abgabenrecht als umweltpolitisches Instrument entdeckt. Ursächlich war hierfür letztlich der Umstand, daß auf parlamentarischer Ebene 14 In Flandern ist fllr Anlagen der Klasse I der Exekutivausschuß der Provinz und im übrigen der BUrgermeister der jeweiligen Gemeinde zuständig. Zum Ganzen vgl. Geysen I Suetens (Fn. 6), S. 276 ff.

15

EingehendFaure (Fn. 1), passim.

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2. Kapitel: Länderberichte

die nicht in der Regierungsverantwortung stehende Partei der "Verts" ihre (numerisch erforderliche) Zustimmung zu einer erneuten Verfassungsänderung von der gleichzeitigen Verabschiedung eines Abschnittes über produktbezogene Ökosteuern (ecotaks) 16 abhängig gemacht hatte. Dies mag es erklären, daß die regelungstechnisch in einem Gesetz zusammengefaßten Abgabentatbestände für das loverkehrbringen von Getränkeverpackungen, gewissen Einwegprodukten (Einwegrasierer und -photoapparate), Batterien, Pestiziden, einzelnen pharmazeutischen Produkten und Papier kein systematisch geschlossenes Bild abgeben (zu den Einzelheiten s. u. S. 96). Aus ökologischer Sicht mag es unverständlich erscheinen, daß z. B. nur einzelne Einwegprodukte und Verpackungen einer Besteuerung unterzogen wurden. Gleichwohl scheint schon die bloße Möglichkeit eines "Nachfassens" des Gesetzgebers eine offenkundige Reduzierung der einschlägigen Abfallmengen bewirkt zu haben. Zum Zwecke der Evaluation der praktischen Auswirkungen des Gesetzes wurde übrigens eine Kommission ins Leben gerufen, der insgesamt dreizehn Experten für die Bereiche Umweltökonomie, Ökologie, Umweltrecht, Abfall- bzw. Abwasserbehandlung sowie Finanzen angehören.

g) Umweltrechtsschutz Zwar ist der gerichtliche Rechtsschutz in Belgien nominell von der Idee der Verteidigung subjektiver Rechte und Interessen geleitet. Demgegenüber weist aber die Praxis der belgiseben Verwaltungsrechtsprechung in Parallele zur fran-

zösischen

Situatioa17

starke Elemente eiaer objektiven Recbtml8igkeitsk.on-

trolle auf. In der Frage der altruistischen Klagebefugnis von Verbänden zeigten sich allerdings Diskrepanzen in der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe (Cour de Cassation, Conseil d'Etat, Cour d'Arbitrage). Nunmehr hat der nationale Gesetzgeber durch Gesetz vom 12. Januar 1993 im Umweltbereich einheitliche Voraussetzungen für die Verbandsklageis geschaffen und darüber hinaus auch die Staatsanwaltschaften und alle öffentlichen Stellen mit einer einschlägigen Klagebefugnis ausgestattet.I9 Im Hinblick auf Verbände formuliert das Gesetz freilich zahlreiche Voraussetzungen fur die Zuerkennung des Klagerechts, die sich auf die Zielsetzung des Verbandes (Gemeinnützigkeit), die Dauer seines Bestehens (drei Jahre), seine geographische Verbundenheit mit dem streitgegenständlichen Ereignis sowie schließlich die Übereinstimmung von satzungsmäßigem Zweck und tatsächlichem Betätigungsfeld des Verbandes erstrecken. Schadensersatz darf nur 16 Art. 309-401 des Gesetzes zur Vollendung der föderalen Staatsstruktur vom 16. Juli 1993 (B.S. vom 20. Juli 1993).

17 Vgl. o. S. 79. 18 Hierzu noch Faure, Oe vorderingsbevoegdheid van milieuverenigingen in Belgie, Milieu en recht 1991 , 578 ff. 19 Vgl. auch van Crombrugghe, Belgium: Class Action for Environmental lssues, EELR 1993, 275 f.

2. Belgien

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begehrt und Strafklage nur dann erhoben werden, wenn der Verband eine unmittelbare eigene Rechtsgüterbeeinträchtigung geltend macht. Im Ergebnis ermöglicht das Gesetz somit keine Popularklage.

h) Umweltrechtsgebiete aa) Allgemeines Umweltrecht Die durch nationale Gesetze oder regionale Dekrete erfolgende Gesetzgebung hat in umweltrechtlicher Hinsicht meistens nur Rahmencharakter und formuliert programmsatzartig bestimmte Regelungsziele. Infolgedessen bedarf sie in besonderem Maße der Ausfiillung mittels untergesetzlicher Vorschriften (d. h. nationaler königlicher oder regionaler Beschlüsse bzw. Ordonnantien in der Region Brüssel). Der (vermeintliche) Vorzug dieser Regelungstechnik, der in der großen Flexibilität bzw. Offenheit gegenüber kurzfristigen Anpassungen der Qualitätsziele an Weiterentwicklungen des Standes der Technik besteht, kommt wegen der relativen Statik der belgiseben Umweltpolitik freilich nur bedingt zum Tragen. Im übrigen erfolgt bereits der Erlaß der den Vollzug erst ermöglichenden Ausführungsbestimmungen häufig nur mit erheblichen Verzögerungen. Ein plakatives Beispiel hierfür ist die Umweltverträglichkeitsprüfung2o, die zwar sowohl in Wallonien als auch in Flandem durch entsprechende Dekrete bereits im Jahre 198521 eingeführt wurde, deren Implementierung aber in Wallonien erst mit über zweijähriger Verspätung nach dem Erlaß von Exekutionsvorschriften beginnen konnte22, In Flandem erfolgte die Umsetzung mit Beschluß vom 23. März 1989. In der aktuellen Entwicklung des regionalen Umweltrechts zeichnen sich unterdessen grundlegende Veränderungen ab. So hat in Flandem eine von der Regierung im Jahre 1989 eingesetzte Akademische Kornmission für die Reform des Umweltrechts (Interuniversitaire Commissie tot herzierring van het milieurecht) den Entwurf für ein regionales Umweltgesetzbuch ausgearbeitet, der in Kürze übergeben werden soll.23 Im Vorgehen sind Parallelen zur Einsetzung

20 Zu deren Einzelheiten Coenen I Jörissen, Umweltverträglichkeitsplilfung in der Europäischen Gemeinschaft, Berlin 1989, S. 47 ff. m. w. N. et passim; ferner Jadot I Hannequart I Orban de Xivry (Fn. 5), S. 315 ff. (tbr den Bereich der Region Wallonien).

21 Für Wallonien durch gesondertes Dekret vom II. September 1985; in Flandern wurde die UVP hingegen in§ 7 des Dekrets vom 18 Juni 1985 betreffend die Umwelterlaubnis verankert.

22 In Wallonien etwa trat der AusfUhrungserlaß vom 10. Dezember 1987 am 24. Januar 1988 in Kraft. 23 Vgl. den jüngst veröffentlichten Entwurf: Interuniversitaire Commissie tot Herziening van het Milieurecht in het Vlaamse Gewest, Voorontwerp Decreet Milieubeleid, Brugge 1995.

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2. Kapitel: Länderberichte

einer Professorenkommission in Deutschland24 erkennbar, wobei indes von der flämischen Hochschullehrerkommission sowohl die Allgerneinen wie die Besonderen Regelungen in einem Arbeitsgang vorbereitet werden. Allem Anschein nach plant der flämische Gesetzgeber allerdings, zunächst nur den Allgemeinen Teil in Gestalt eines Rahmengesetzes (sog. Kaderdecreet) mit Regelungen zu übergreifenden Bereichen wie der Planung, der Standardsetzung und der Überwachung in Kraft zu setzen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt sollen dann, ähnlich wie in den Niederlanden beim schrittweisen Inkrafttreten des Wet milieubeheer25 , die fachrechtlichen Regelungen des Besonderen Teils in das Rahmengesetz eingefUgt werden. bb) Immissionsschutzrecht Der Bereich der Luftreinhaltung26 wird in erster Linie durch ein älteres nationales Rahmengesetz vom 28. Dezember 1964 zur Bekämpfung der Luftverunreinigung geregelt, das allerdings der Ausfüllung durch untergesetzliche Bestimmungen bedarf. Obwohl die einschlägige Kompetenz auf die Regionen übergegangen ist, haben diese sich darauf beschränkt, die existierende Gesetzgebung an die geänderte Verwaltungssituation anzupassen. Auch das nationale Rahmengesetz vom 18. Juli 1973 zur Bekämpfung der Lärmbelästigung, dessen Anwendungsbereich sehr umfangreich angelegt ist und sich auf eine Vielzahl schutzrelevanter Aktivitäten erstreckt, sowie die hierzu erga.Ilienen Königlichen Beschlüsse27 werden weiterhin von den Regionen ausgefiihrt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat sich die Rechtslage zwischen den Regionen auseinanderentwickelt Relativ unübersichtlich stellt sie sich in Wallderative Struktur des Landes, einen gewissen Eindruck von Unübersichtlichkeit vermittelt. 63 Dieser Befund hat auch in Spanien die (umstrittene) Forderung nach einem Umweltgesetzbuch laut werden lassen, welche indessen trotz zweier Gesetzesentwürfe64 bislang aber erfolglos geblieben ist. Für die eingangs beschriebene tatsächliche Umweltsituation dürfte indessen auch der Umstand bedeutsam sein, daß im Gegensatz zur Ausdifferenzierung und Anreicherung des einschlägigen normativen Programms das öffentliche Umweltbewußtsein noch nicht in gleichem Maße angewachsen zu sein scheint. Schließlich weist aber auch die administrative Vollzugspraxis, wie in nahezu allen Staaten der Welt, noch beträchtliche Lücken auf.

61 Hierzu unter besonderer Berocksichtigung des Jagd- und Fischereirechts Löpez Ramön, La protecci6n de Ia fauna en el Derecho espallol, Sevilla 1980. Zum Landschaftsschutz Martinez Nieto , La protecciön del paisaje en el derecho espaD.ol, Revista de Derecho Arnbiental mim. 10 (1993), 9 ff.

62 Ley 4 I 1989, de 27 de marzo, de conservaci6n de los espacios naturales y de Ia tlora y fauna silvestres. 63 So auch Nieto (Fn. 5), S. 12. 64 Martin Mateo (Fn. 7), Bd.

I, S. 90, verweist auf den in der Revista de Administraciön PUblica mim. 103 ( 1984), 377 ff. veröffentlichten Professorenentwurf sowie auf den Ministerialentwurf "Anteproyecto de Ley General del Medio Ambiente" (abgedr. in: CIMA MOPU [Hrsg.], Boletin lnforrnativo del medio ambiente mim. 24 (1982), S. 123 ff.).

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2. Kapitel: Landerberichte

3. Portugal

a) Umweltsituation Im Zentralstaat Portugal zeigen sich deutliche Parallelen in der (historischen und aktuellen) Entwicklung des Umweltrechts zu Spanien, wenngleich die konkreten Umweltprobleme ebenso erkennbar divergieren. Kennzeichnend fiir die ökologische Situation in diesem flächen- und einwohnermäßig vergleichsweise kleinen EU-Mitgliedstaat ist die Kleinräumigkeit und Vielgestaltigkeit der Oberflächenformen. Die weiträumig betriebene landwirtschaftliche Nutzung ist eher extensiv als intensiv. Sie erfolgt teilweise auf ungeeigneten Böden und löst dabei Erosionsprozesse aus. Im übrigen hat Portugal mit Grundwasserbelastungen (u. a. verursacht durch unsachgemäßen oder übermäßigen Düngemittel- und Pestizideinsatz) zu kämpfen. Der Tourismus hat vornehmlich an der Algarve zu einschneidenden Eingriffen in die Landschaft und den auch in anderen, stark touristisch genutzten Gebieten zu beobachtenden Umweltbeeinträchtigungen (Probleme der Abwasserreinigung und der Abfallbeseitigung) gefiihrt. Die Großindustrie, die in wichtigen Bereichen unter staatlicher Regie steht, ist auf wenige Branchen und Regionen beschränkt; im übrigen überwiegen kleine Betriebsformen. Wohl nicht zuletzt aufgrunddes vergleichsweise geringen Industrialisierungsgrades und der günstigen meteorologischen Bedingungen scheint das Niveau der ökologischen Belastung (noch) eher niedrig zu sein. I

b) Umweltrechtsentwicklung Historisch betrachtet liegen die Wurzeln des Umweltrechts2 in punktuellen Regelungen, die reflexhaftauch dem Natur- und Gewässerschutz dienten. Das erste Wassergesetz stammt aus dem Jahre 1919. Nachdem in den frühen siebziger Jahren erste (Teil-) Regelungen wie das Naturschutzgesetz Nr. 9 I 1970 erlassen worden waren, lag über einen längeren Zeitraum hinweg das Schwergewicht auf der Erarbeitung regionaler Verordnungen. Obgleich schon die nach der sog. "Nelkenrevolution" verabschiedete portugiesische Verfassung auch den Umweltschutz in besonderer Weise betont hatte, kamen erst nach dem Beitritt Portugals zur EG im Jahre 1986 namhafte gesetzgebensehe Aktivitäten in Gang. Den wichtigsten Einschnitt in diesem Anpassungsprozeß bildete die Verabschiedung des Umweltrahmengesetzes im Jahre 1987 (Lei do Bases do Ambiente3).4 Neben dem Umweltrahmengesetz gelten freilich noch zahlreiche älte1 Vgl. auch das zuletzt 1991 erschienene Livro Branco Sobre o Estado do Ambiente (Weißbuch zur Umweltsituation), das vom Ministeno do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais (Umweltrninisterium) in Lissabon herausgegeben wird. Geplant ist eine kontinuierliche Veröffentlichung der Jahresberichte. 2 Chronologische Übersicht von Januario, in: Cutrera (Hrsg.), European Environmental Yearbook 1991, London u. a. 1991, S. 810 ff. 3 Lei n° II I 87 de 7 de Abri!. Vgl. auch die offizielle französische Übersetzung in: R.J.E. 1988, 189 ff. Eine knappe Kommentierung des Gesetzes findet sich neuerdings bei Reis, Leide Bases do Ambiente Anotada e Comentada, Coimbra 1992.

3. Portugal

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re Rechtsvorschriften fort, was die Übersichtlichkeit der Rechtslage beeinträchtigt. Daneben sind - meist in der Rechtsform des Gesetzesdekrets - in den letzten Jahren aufgrund der Ermächtigung des Umweltrahmengesetzes eine Vielzahl von einschlägigen sektoralen Rechtsnormen in Kraft gesetzt worden. Trotz der angedeuteten Entwicklung ist die rechtswissenschaftliche Literaturproduktion zum Umweltrecht bislang vergleichsweise zurückhaltend gewesen, 5 ein Umstand, der freilich auch in vielen anderen Disziplinen der Jurisprudenz anzutreffen ist und u. a. darauf zurückzufuhren ist, daß der Markt für akademische Veröffentlichungen in Portugal relativ klein ist.

c) Veifassungs/age Nach der neuen Verfassung von 1976, die das autoritäre Regime des "Estado Novo" abgelöst hat, bildet Portugal heute einen demokratischen Zentralstaat, der rechtsstaatliehen Grundsätzen verpflichtet ist. Die früher zu beobachtende Beschränkung des Staates auf regional begrenzte Regelungen (Beispiel der Luftreinhaltung) ist nunmehr einer flächendeckenden Vergehensweise gewichen. Hervorzuheben ist die außerordentlich breit angelegte Verankerung des Umweltschutzes in der Verfassung. 6 So erklärt Art. 9 der Verfassung die Erhaltung der Umwelt zu einer grundlegenden Aufgabe des Staates, und Art. 91 verlangt die Berücksichtigung des Umweltschutzes bei der planensehen Festlegung von wirtschaftlichen Zielen. Noch weiter geht schließlich Art. 66 der Verfassung, der in Nummer 1 ein Grundrecht auf den Genuß einer ökologisch intakten Umwelt begründet. AufflHlig ist, daß diese Bestimmung in einem weiten Umweltbegriff wurzelt, der auch die allgemeine Lebensqualität mit einbezieht. 7 In dieser Hinsicht sind deutliche Parallelen zur Situation z. B. in Frankreich, Spanien und Griechenland erkennbar.8 Im bezeichneten Umfange normiert die Vorschrift eine entsprechende staatliche Schutzpflicht Indes steht diese Gewährleistung unter dem Vorbehalt einer gesetzlichen Ausgestaltung. Zudem statuiert die Norm auf der anderen Seite auch eine individuelle Pflicht zur Erhaltung sowie gegebenenfalls zur Wiederherstellung der Umweltqualität

4

So auch Martins, Umweltschutz und Winscllaft in Portugal, UPR 1987, 133 tr., 134.

Vgl. insbes. Amara/ (Hrsg.), Direito do Ambiente, Lissabon 1994; Reis, Temas de Direito do Ambiente, Lissabon 1989; ders., Contributos para uma Teoria do Direito do Ambiente, hrsg. v. Secretaria do Estado do Ambiente e dos Recursos Naturais, Lissabon 1987; vgl. auch Gronemeyer, Umweltschutz und Wirtschaft, in: Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universitlt des Saar1andes Nr. 93, Saart>rücken 1987 (im Rahmen der wissenschaftlichen Tagung "Rechtsprobleme nach dem Eintritt Spaniens und Portugals in die EG" 9. bis 11. Januar 1987). 5

6

377 tr.

Hierzu Medeiros, 0 Ambiente e a Constitui~lo, Revista de Direito e Estudios Sociais 1993,

7 Zum Ganzen jüngst Miranda, A Constitui~lo e o Direito do Ambiente, in: Amara! (Fn. 5), S. 353 ff. 8 Vgl. oben S. 73 bzw. S. 159 f. sowie unten S. 180.

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2. Kapitel: Länderberichte

Eine Gliederung in fiinf Provinzen ist zwar geplant, bislang aber noch nicht verwirklicht. Derzeit besteht eine territoriale Gliederung in 22 - von einem Gouverneur verwaltete- Distrikte. Trotz einer gewissen Tendenz zur Dezentralisierung und Verlagerung von Zuständigkeiten zu den Kommunen liegt das Schwergewicht der Rechtsetzung beim Nationalstaat. d) Umweltschutzinstitutionen Die Institutionalisierung des Umweltschutzes nahm ihre .Anfli.nge nach der sog. Nelken-Revolution, als im Jahre 1974 ein Ministerium für Soziales und Umwelt gegründet wurde. Schon ein Jahr später wurden indes die umweltbezogenen Zuständigkeiten in der Exekutivspitze durch Gesetzesdekret Nr. 550 I 75 auf ein Staatssekretariat fiir Umweltschutz übertragen. In der weiteren wechselhaften Entwicklung, die in gewisser Weise an die französische Situation9 erinnert, führte ein erneutes Revirement im Jahre 1986 zur Einrichtung eines beim Planungsministerium angesiedelten Umweltstaatssekretariats.IO Seit 1990 existiert ein eigenes Umwelt- und Naturschutzministerium (Ministerio do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais), das die Exekutivspitze bildet, unterhalb derer das Staatssekretariat fiir Umwelt- und Verbraucherschutz zuständig ist. Ihm unterstellt sind sieben vornehmlich medial orientierte Behördengliederungen, die sog. Generaldirektorate fiir Gewässer, Lärm, Luft, Abfall, Naturschutz, Erziehung und Reaktorsicherheit. Das Umweltministerium ist auch mit Maßnahmen der Umweltüberwachung und Beobachtung betraut. Ein nationales Umweltinstitut zur Koordination und Sammlung der einschlägigen Daten befindet sich um Aufbau. Als Hemmnis in der Tätigkeit des Ministeriums erweist sich bisweilen die noch defizitäre Koordination mit den anderen Ressorts, die oft dem Umweltschutz gegenläufige Ziele verfolgen. Auf den nachgeordneten Verwaltungsebenen fehlt es meist noch an spezialisierten Umweltbehörden mit entsprechend ausgebildetem Personal. Die grundsätzlich autonom verfaßten Kommunen unterliegen in ihrer umweltbezogenen Tätigkeit der Rechtsaufsicht durch das Ministerium. e) Umweltschutzprinzipien Die für das Umweltrecht in europäischen Ländern oft typische Formulierung spezifischer Prinzipien des Umweltschutzes ist auch in Art. 3 des Umweltrahmengesetzes von 1987 anzutreffen. Die portugiesische Regelung geht über die in Deutschland anerkannten und partiell gesetzlich normierten Leitgedanken hinaus und erfaßt weitergehend die Prinzipien der internationalen Kooperation sowie der Wahl des geeigneten Aktionsniveaus. Die Parallelen zu der durch die Einheitliche Europäische Akte in den EWG-Vertrag aufgenommenen Regelung

9

Vgl. oben S. 74.

10 Vgl. auch noch Reis, Artikel "Portugal", in: K.imminich I v. Lersner I Storm (Hrsg.), HdUR,

Bd. II, I. Autl. Berlin 1988, Sp. 194 ff.

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des Art. 130 r sind somit unverkennbar. In praktischer Hinsicht scheint freilich im Ergebnis der bekannten Trias das größte Gewicht beizukommen. Das Verursacherprinzip wird vor allem mit Mitteln des Privatrechts realisiert. So sehen sowohl das Zivilgesetzbuch als auch das Umweltrahmengesetz prinzipiell Unterlassungsansprüche vor, insbesondere in Form von Nachbar- und Abwehrrechten. Neben den allgemeinen Schadensersatzregelungen im Zivilgesetzbuch formulieren das Rahmengesetz und das Gewässerschutzgesetz etwas abweichende Grundsätze der zivilrechtliehen Haftung für Umweltschäden. Auch sieht das Umweltrahmengesetz eine Pflichtversicherung fiir besonders umweltgeflihrdende Tätigkeiten vor. Insgesamt befmdet sich die Entwicklung wirksamer zivilrechtlicher Ansätze noch am Anfang. Hinzuweisen ist darauf, daß in der Entscheidung eines Instanzgerichts erste Ansätze zum Ersatz ökologischer Schäden (Schädigung eines Biotops) zu finden sind. II Auch für das Kooperationsprinzip lassen sich im portugiesischen Umweltrecht Beispiele fmden. Dies gilt etwa für das Instrument der Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft über die allmähliche Reduzierung von Emissionen, die in der Regel mittels öffentlich-rechtlicher Verträge festgehalten werden. Ferner sieht das Gesetz über die Umweltschutzvereinigungen 12 eine Beteiligung qualifizierter Verbände vor, die materiell wohl ohne weiteres mit der deutschen Rahmenvorschrift des § 29 BNatSchG auf eine Stufe gestellt werden kann. Auf nationaler und kommunaler Ebene betrifft sie alle planensehen Maßnahmen der öffentlichen Hand sowie Umweltverträglichkeitsuntersuchungen fiir Einzelvorhaben. Vergleichsweise schwach ausgebildet scheint das Vorsorgeprinzip zu sein. Ein bedeutender Schritt zur Behebung dieses Mangels ist die im Jahre 1990 erfolgte Umsetzung der EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung durch das Gesetzesdekret Nr. 186 I 90 vom 6. Juni 1990. Nachdem in Art. 30 des Umweltrahmengesetzes bereits die Durchflihrung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für staatliche und private Pläne, Projekte und andere umweltrelevante Aktivitäten vorgesehen war, macht nun das als Ausführungsvorschrift anzusehende Dekret eine gesonderte Kontrollerlaubnis für umweltgefährdende Tätigkeiten erforderlich. j) Umweltschutzinstrumente

Auf der Instrumentenseiten steht nach wie vor ein ordnungsrechtlicher Ansatz im Vordergrund, weshalb der Gesetzgeber im Umweltrecht vorwiegend II So Comarca de Coruche, Urteil vom 23. Februar 1990, Rechtssache Nr. 278 I 89, zit. nach Will/ Manie/ce, Verantwortlichlceit ftlr Olcologische SchAden, Teilbd. II I I, Typoskript Saarbnlcken 1992, S. 316 ff., 324. 12 Gesetz Nr. 10 I 87 vom 4. Aprill987. 13 Vgl. auch die diesbezOgliehen Aussagen in Kapitel IV des Umweltrahmengesetzes und insbes. in Art. 27.

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2. Kapitel: Länderberichte

mit Ge- und Verboten operiert. Deren Übertretung ist mit teilweise beachtlichen Strafen bewehrt und kann etwa bei Nichterfiillung behördlicher Auflagen eine Höhe von maximal 40 Mill. Escudos erreichen. Nachdem das Umweltstrafrecht 14 im Umweltrahmengesetz erste Konturen erhalten hat, ist noch nicht recht absehbar, ob die staatsanwaltschaftliehe Praxis zukünftig zu mehr Normentreue führen wird. Jedenfalls bislang sind Strafverfahren - wie in den meisten anderen Staaten auch - nur in wenigen Fällen in Gang gesetzt, geschweige denn mit einer Verurteilung abgeschlossen worden. Unter den ökonomischen Instrumenten ist eine Luftverunreinigungsabgabe zu erwähnen, die vor allem auf die Zementindustrie und die Energieproduktion zugeschnitten ist. Die Einführung einer Abgabe auf den Verbrauch von Wasser fiir Industrie und Gewerbe wird derzeit erwogen. g) Umweltrechtsschutz

Das stark vom französischen Recht geprägte Verwaltungsrechtssystem 15 hat sich heute vor allem hinsichtlich der Klagebefugnis dem deutschen Rechtszustand angenähert. Moderner ist das portugiesische Recht freilich insofern, als es eine umfassende Verbandsklagemöglichkeit (sog. ac~äo popular) nach Art. 7 Abs. 1 des bereits erwähnten Gesetzes über die Umweltschutzvereinigungen vorsieht.16 Sie erstreckt sich auf alle Verwaltungsakte, die gleichsam in Ausfüllung der staatlichen Schutzpflicht gem. Art. 66 der Verfassung ergangen sind. Voraussetzung ist ferner, daß die klagende Partei einen gewissen Organisationsgrad aufweist und den Umweltschutz zu ihren satzungsgemaßen Hauptzielen rechnet. Entsprechende Verfahren sind für die Verbände gerichtskostenfrei. Weiterhin besitzen die Umweltschutzvereinigungen- ähnlich wie in Frankreich - die Befugnis, von den zuständigen Behörden den Erlaß vorbeugender Maßnahmen gegen Umweltnutzer zu verlangen und sich als Nebenkläger an Umweltstrafprozessen zu beteiligen. Die praktische Bedeutung dieser Vorschriften scheint indessen nicht besonders groß zu sein. h) Umweltrechtsgebiete

aa) Allgemeines Umweltrecht Das Umweltrahmengesetz von 1987 erfaßt alle Bereiche des Umweltschutzes, namentlich den Immissionsschutz, die Abfallentsorgung, den Gewässer14 Hierzu Palma, Direito Penal do Ambiente - Uma primeira abordagem, in: Amaral (Fn. 5), S. 431 ff.; Sardinha, Introdu~lo ao direito penal ecol6gico, Revista da Ordern dos Avogados 48 (1988), 449 ff.; Dias, Sobre o papel do Direito Penal do Ambiente, Revista de Direito e Economia 1988, 128 ff.; Machado, Alguns aspectos do processo legislative em materia de infrac~es contra o ambiente, Direito e Justi~a 4 (1988), 181 ff.

15 Vgl. auch Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, Baden-Baden 1988, S. 182 1f. 16 Dazu SoiiSa, Legitimidade processua1 e ac~lo popular no Direito do Ambiente, in: Amaral (Fn. 5), S. 353 ff.; ferner Antunes, A Tutela dos Interesses Difusos no Direito Administrative: Para uma Legitima~o Procedimental, Coimbra 1989.

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schutz und das Gefahrstoffrecht In ihm sind neben Aussagen zu den Zielen der Umweltpolitik und zu ihrem Verhältnis zu den anderen Politikbereichen grundlegende Fragen der Genehrnigungsverfahren, der materiellen Umweltpflichten des Einzelnen (Beispiel der Berichts- und Auskunftspflichten), des Rechtsschutzes im Umweltrecht sowie der administrativen und strafrechtlichen Sanktionen angesprochen. Entgegen dem ersten Anschein besteht freilich die wesentliche Eigenheit des (anspruchsvollen) Gest!tzes darin, daß es nicht aus sich heraus vollziehbar ist und der weitgehenden Konkretisierung durch untergesetzliche Regelungen bedarf. Dieser Gesetzgebungsstil ist symptomatisch für eine verbreitete Tendenz in der portugiesischen Umweltpolitik bzw. im portugiesischen Recht insgesamt. So regelt das Parlament, die Assembleia da Republica, auch in anderen wesentlichen Bereichen die Sachfragen häufig nur in groben Zügen und überläßt die Ausgestaltung im einzelnen der Exekutive. Im Ergebnis flHlt der Einflußbereich des Parlaments deutlich gegenüber dem der Exekutive ab. Die Offenheit des Umweltrahmengesetzes hängt letztlich aber auch damit zusammen, daß es, wie sich aus Art. 1 des Gesetzes ergibt, mit seinen Aussagen zu den Richtlinien der Umweltpolitik die Artikel 9 und 66 der Verfassung konkretisieren soll. Seine (rechts-) tatsächliche Bedeutung liegt damit vor allem im Bereich der Steuerung von Abwägungsentscheidungen sowie bei der Konkretisierung und Auslegung anderer rangniedrigerer Vorschriften. bb) Immissionsschutzrecht Während das alte Gesetz über die Genehmigung industrieller Vorhaben (Lei de Licenciamento Industrial Nr. 46 I 1966) noch keinerlei Vorkehrungen zu Zwecken des Umweltschutzes verlangte und lediglich seit einer Änderung aus dem Jahre 1979 auf andere, regional begrenzte Bestimmungen verwies, hat nunmehr das Umweltrahmengesetz in Art. 33 ein besonderes präventives Verbot begründet. Insgesamt ist der (anlagenbezogene) Immissionsschutz im gesamteuropäischen Maßstab somit außerordentlich spät vom Gesetzgeber aufgegriffen worden. Auslöser waren letztlich gemeinschaftsrechtlich bedingte Umsetzungserfordernisse. Im Rahmen der Bewilligungsverfahren werden Auflagen festgelegt, die entweder an einer generalklauselartigen Verweisung auf den Stand der Technik oder aber, soweit vorhanden, an Grenzwerten orientiert sind. Im ersten Falle handelt es sich indes nicht um eine dynamische Klausel nach Art der im deutschen Immissionsschutzrecht geläufigen Grundpflichten, sondern um eine statische Anknüpfung an den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Überhaupt ist dem portugiesischen Umweltrecht eine Verpflichtung zur fortwährenden Anpassung von Emissionsminderungsmaßnahmen an neue anspruchsvollere Standards fremd. Bemerkenswert auch im Vergleich zur Situation im Nachbarstaat Spanien 17 ist die Verabschiedung des Gesetzesdekrets Nr. 251 I 87 vom 24. Juni 1987 17 Vgl.obenS.l66.

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2. Kapitel: Underberichte

über den Lännschutz. Hiernach bestimmen sich allgemeine technische Anforderungen an Schallisolierungsmaßnahmen bei Neubauten sowie Maßstäbe für den planensehen Ausgleich bestimmter, unterschiedlich lännintensiver bzw. empfindlicher Nutzungsformen (z. B. gewerbliche Anlagen einerseits und Krankenhäuser andererseits). Zum Erlaß einer gesonderten Verordnung fiir die Bedürfnisse des Arbeitsschutzes ermächtigt ferner Gesetzesdekret Nr. 72 I 92 vom 28. Apri11992. Es begründet schließlich spezielle Bußgeldtatbestände für die Nichtbeachtung von Melde- und Informationspflichten sowie die Übertretung von einschlägigen Grenzwertbestimmungen. cc) Abfallrecht Lückenhaft geregelt ist der Abfallbereich. Moderne Akzente, wie z. B. eine betriebliche Pflicht zur Verwendung "sauberer" Technologien sowie zur Reststoffverwertung, finden sich vorerst nur im Umweltrahmengesetz (Art. 24 Abs. 1 a, b). Nach geltendem Recht obliegt den Kommunen die Entsorgung häuslicher Abflille. Indes fehlt es meist noch an einer entsprechenden Infrastruktur und Organisation. Die endgültige Umsetzung der einschlägigen EG-Richtlinien zum Abfallrecht steht noch aus. So hat beispielsweise das Gesetzesdekret Nr. 88 I 91 über die Verwertung und Beseitigung von Altölen die Ausarbeitung der Vorschriften über die Zulassung der hierauf spezialisierten Unternehmen einer noch zu erlassenden Ausfuhrungsverordnung vorbehalten. Symptomatisch scheint auch die Tatsache zu sein, daß die Exekutive mittels bloßer Entschließung vom 23. Mai 1992 die Entwicklung abfallwirtschaftlcher Konzepte ins Auge gefaßt hat. Dabei sollen die Reduzierung des Verpackungsaufwandes gefördert, Anreize für die Vermarktung umweltfreundlicherer Verpakkungsmaterialien geschaffen und die Öffentlichkeit über Venneidungsmöglichkeiten informiert werden. Allein für geilihrliehe Abflille existiert seit 1988 ein spezielles Gesetz, das auf die Eigenverantwortlichkeit der Betriebe baut. Bis dato existiert freilich noch keine gesonderte Anlage fiir die Beseitigung gefahrlieber und giftiger Abflllle. dd) Strahlenschutzrecht Das Atomrecht wird durch Gesetzesdekret Nr. 348 I 89 vom 12. Oktober 1989 über den Strahlenschutz sowie das Dekret Nr. 9 I 90 vom 19. Aprill990 erschlossen. Hierbei handelt es sich jeweils um Rechtsakte zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht Das Dekret Nr. 9 I 90 statuiert ein Genehmigungserfordernis für alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit radioaktiven Materialien und setzt Grenzwerte fiir die maximal zulässige Strahlung fest. In Anbetracht der Tatsache, daß auf absehbare Zeit kein Kernkraftwerk geplant ist, ist der praktische Anwendungsbereich der Nonnen indes gering zu veranschlagen. Behördlicherseits hält das dem Staatssekretariat für Umwelt- und Verbraucherschutz unterstellte Generaldirektorat für Strahlenschutz (Gabinete de Protec~äo e Seguran~a Nuclear) eine Schlüselstellung inne, indem es nicht nur für die Anlagenüberwachung und -zulassung, sondern auch fiir die Ausarbeitung der normativen Grundlagen zuständig ist.

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ee) Gefahrstoffrecht Das zunächst nur partiell geregelte Chemikalienrecht ist seit 1987 unter den weitreichenden Vorgaben des EG-Rechts an das auch in den anderen EU-Staaten vorfindliehe Niveau angeglichen worden. Sedes materiae ist nach mehrfachen Neuregelungen derzeit ein Gesetzesdekret vom 30. Juni 1992, welches das stoffbezogene Anmeldeverfahren sowie die Mitteilungs-, Verpackungs- und Kennzeichnungspflichten in den Einzelheiten regelt.

fl) Gewässerschutzrecht Das portugiesische Wasserrecht stützt sich nach wie vor auf das dem Beginn des Jahrhunderts stammende Wassergesetz vom 10. Mai 1919 (Decreto 578741). Pläne zur Verabschiedung eines modernen Regelwerks, das gleichermaßen qualitativen wie quatitativen Gesichtspunkten Rechnung trägt, konnten bislang noch nicht zum Abschluß gebracht werden. Die aus dem einschlägigen EGRecht umzusetzenden Wasserqualitätsanforderungen sind im Gesetzesdekret Nr. 74 I 90 vom 7. März niedergelegt. Vereinzelt finden sich weitere Konkretisierungen in verschiedenen Portarias (Erlassen).

i) Gesamtwürdigung Resümierend läßt sich fiir das portugiesische Umweltrechttrotz beachtlicher gesetzgebenscher Anstrengungen noch immer Nachholbedarf konstatieren. Neben den vorhandenen Regelungslücken scheint insbesondere auch die praktische Wirksamkeit der hier dargestellten Bestimmungen fraglich. Bei den Gerichten zeigt sich zwar eine zunehmende Bereitschaft zu "umweltfreundlichen" Entscheidungen, es gebricht ihr indes häufig an entsprechendem Streitstoff. 18 Ferner dürften die partielle Zersplitterung der Zuständigkeiten und der Mangel an personellen und sachlichen Ressourcen der Umweltverwaltung19 zu nennenswerten Vollzugsdefiziten führen. Eine vordringliche Aufgabe in diesem Zusammenhang liegt schließlich nach Meinung vieler in der Verbesserung des Umweltbewußtseins in der Bevölkerung. Aktuell beraten wird derzeit eine Reform des Strafgesetzbuches von 1982. Der von der Regierung vorgelegte Entwurf, der voraussichtlich in Kürze in Kraft treten wird, enthält zwei Straftatbestände der Umweltgefhllrdung (Art. 279' - Poluiyäo} bzw. der Gemeingefährlichen Umweltgefährdung (Art. 280' Poluiväo com perigo comum).2° Die höchste angedrohte Freiheitsstrafe beträgt immerhin acht Jahre. Allem Anschein nach ist dies die erste Novellierung im Bereich des Umweltrechts seit dem Jahre 1987, die nicht durch EG-rechtlichen Anpassungsbedarfverursacht ist.

18 Ganz allgemein zur Rolle der Judikatur im Umweltrecht Amara/, A jurisprudencia portuguesa no dominio do Direito do Ambiente, in: ders. (Fn. 5}, S. 449 ff. 19 Manins (Fn. 4), 135. 20 Hierzu Moura, 0 Crime de Polui~o. A proposito do Art. 279' do Projecto de Reforma do C6digo Penal, Lissabon 1992. 12 Kloepfer/Mast

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2. Kapitel: Länderberichte

4. Griechenland

a) Umweltsituation Griechenland hat als einer der jüngsten Mitgliedsstaaten der EG nach dem Ende des Obristenregimes im Jahre 1974 und der (erneuten) Demokratisierung des Landes eine Phase raschen wirtschaftlichen Wachstums und einer gleichzeitigen Urbanisierung erlebt. Bei einer vergleichsweise geringen Siedlungsdichte spielen sowohl die agrarische Produktion als auch der Tourismus eine bedeutende wirtschaftliche Rolle in diesem gebirgigen und zerklüfteten Land. Die ökologische Situation Griechenlands! ist geprägt von durchaus heterogenen Tendenzen. Wie das Beispiel des berüchtigten Smogs in Athen, der sog. nephos, zeigt, stellen in den Verdichtungsräumen (neben Athen vor allem Thessaloniki) nicht nur industrielle, sondern auch verkehrsbedingte Emissionen eine maßgebliche Quelle der Umweltbelastung dar. Dahingegen ist die Entwicklung des ländlichen Raumes von agrarischen Bodenbelastungen, der Zerstörung der Vegetation durch Waldbrände, die Beeinträchtigung der Fauna durch unkontrolliertes Fischen und Jagen sowie durch Erosion geprägt. Die griechische Umweltbewegung ist zahlenmäßig noch vergleichsweise klein und auch im Bewußtsein der Bevölkerung scheint der Umweltschutz bisher eine eher geringe Rolle zu spielen. 2

b) Umweltrechtsentwicklung Seit dem Jahre 1912 besteht eine Gesetzgebung zum Schutz vor den Gefahren industrieller und anderer gewerblicher Anlagen, die eine Vielzahl von Betrieben einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterwirft. 3 Gleichwohl darf diese bemerkenswert früh erfolgte Systementscheidung nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Ausdifferenzierung des Instrumentariums zum Schutz der Umwelt erst erheblich später erfolgte. Einen weiteren wichtigen Markstein stellt die Erwähnung des Umweltschutzs in der neuen Verfassung vom ll. Juni 1975 dar, die allerdings erst im Jahre 1986 durch die Verabschiedung des Rahmengesetzes über den Schutz der Umwelt4 eine übergreifende einfachgesetzliche Ergänzung fand. Wie in manch anderen südeuropäischen Staaten kann die Anstoßwirkung des Eintrittes in die Europäischen Gemeinschaft fur das Umweltrecht nicht unterschätzt werden.

1

Dazu noch OECD (Hrsg.}, Environmental Policies in Greece, Paris 1983, passim.

2 Vgl. hierzu auch Karamanidis, Der strafrechtliche Umweltschutz in Griechenland, Pfaffenweiler 1985, S. 5 ff. 3 Gesetz 4026 I 1912 über die Voraussetzungenzur Errichtung von Industrieanlagen. Vgl. dazu Remelis, Der Schutz der Umwelt vor Industrie- und Gewerbeanlagen (griechisch), Athen 1989, S. 39 ff.

4 Efimerida tis Kiwernisseos tis ellinik.is Dimokratias (Regierungsbulletin - kurz EtK}, vom 16. Oktober 1988, Bd A, Nr. 160, S.3257 ff.

4. Griechenland

179

Seit Ende der siebziger Jahre haben sich in Griechenland - vornehmlich in Gestalt von Zeitschriftenaufsätzen - die Anfllnge einer disziplinär verselbständigten Umweltrechtswissenschafts herausgebildet, die freilich, wie auch andere Materien des Besonderen Verwaltungsrechts, eher im Schatten der Diskussion über Fragen der allgemeinen Verwaltungsrechtslehre6 gestanden hat.

c) Veifassungslage Das Aufgreifen des Umweltschutzgedankens auf der Verfassungsebene weist deutliche Parallelen zu den etwa zeitgleich verabschiedeten Verfassungen Spaniens und Portugals? auf, die übrigens gleichermaßen die Überwindung einer totalitären Staatsform markieren. Vergleichsweise ausführlich und in mehrererlei Hinsicht befaßt sich Art. 24 der Griechischen Verfassung mit dem Umweltschutz. In den Vordergrund stellt dessen Absatz 1 eine staatliche Pflicht zum Schutz der natürlichen und der kulturellen Umwelt, die durch vorbeugende oder repressive Maßnahmen zu erfilllen ist. Im weiteren wird besonders die Notwendigkeit zum Schutz der Wälder und der sonstigen bewaldeten Flächen betont; die Ausgestaltung im einzelnen wird indes unter den Vorbehalt des Gesetzes gestellt. Die Grenzen des Schutzes zeigen sich ferner darin, daß Art. 24 Abs. 1 das grundsätzliche Verbot einer Zweckentfremdung öffentlicher Wälder und öffentlicher bewaldeter Flächen ganz allgemein für landwirtschaftliche Nutzungen bzw. immer dann zurücktreten läßt, wenn eine andere, im öffentlichen Interesse gebotene Nutzung volkswirtschaftlich erforderlich ist. 8

Art. 24 Abs. 2 der Verfassung betrifft die Raumordnung und die Städteplanung und statuiert einen Vorrang staatlicher Regelungszuständigkeit und Überwachung nach den Kriterien der Funktionsflihigkeit und Sicherung bestmöglicher Lebensbedingungen. Die Rechte und Pflichten der Bürger und der Verwaltung im Rahmen der Städte- und Bauplanung werden in Art. 24 Abs. 3 bis 5 umschrieben, während Absatz 6 den Denkmalschutz als Staatsaufgabe charakterisiert. Die Vorschrift unterstellt Denkmäler sowie historische Stätten und Gegenstände dem Schutz des Staates; die weitere Ausgestaltung - auch im Hinblick auf eigenturnsbeschränkende Maßnahmen sowie die Entschädigung werden einer näheren gesetzlichen Regelung vorbehalten.

5 Monographisch Tachos, Recht des Umweltschutzes (griechisch), Athen 1990; Nikas, I nomiki prowlimatiki tis prostassias tou periwallontos (Die rechtliche Problematik des Umweltschutzes), Athen, 1985; Sakellaropoulos, Skepsis gia to prowlima tou periwallontos apo nomiki skopia (Gedanken zu der Umweltproblematik aus rechtlicher Sicht), Athen, 1982; vgl. ferner Timagenis I Pavlopou/os, The Law and Practice Relating to Pollution Control in Greece, London 1982. 6 Vgl. hierzu jüngst in deutscher Sprache Gerontas, Das griechische Verwaltungsrecht: Eine Einfl1hrung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Staatsrates, Kehl 1993; ferner Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, Baden-Baden 1988, S. 158 ff. 7

Vgl. o. S. 160 sowie S. 171.

8 Vgl. im einzelnen die Übersetzung von Dagtoglou, Die Verfassung Griechenlands, JöR. N. F. 32 (1983), 355 ff.

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2. Kapitel: Länderberichte

Umstritten ist die Frage, ob es sich bei Art. 24 der Griechischen Verfassung um eine (bloße) Staatszielbestimmung handelt, oder ob hieraus ein einklagbares Recht des Bürgers auf Umweltschutz resultiert. Die herrschende Auffassung in Schriftum sowie Rechtsprechung scheint sich der erstgenannten Position anzuschließen und den Umweltschutz als objektive Staatspflicht zu betrachten.9

d) Umweltschutzinstitutionen Auf nationaler Ebene ist die Umweltverwaltung durch das Gesetz 1032 I 1980 über die Errichtung eines Ministeriums für Raumordnung, Stadtplanung und Umwelt in der Exekutivspitze verankert worden. Das Ministerium verfügt über eine allgemeine Zuständigkeit für Angelegenheiten des Umweltschutzes, der Raumordnung und der Städtebauplanung. Damit sind alle umweltschutzrelevanten Aktivitäten erfaßt, soweit sie nicht in die Zuständigkeit anderer Behörden fallen. Insofern ist es von Bedeutung, daß auch andere Ressorts über wichtige Einflußbereiche verfügen. Zu nennen sind das Ministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie, das Ministerium für Gesundheit, das Ministerium für Landwirtschaft sowie das Ministerium für die Handelsmarine. Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten dieser Ressorts finden sich vereinzelte Aussagen auch im Rahmengesetz 1650 I 1986 über den Schutz der Umweltl 0 • In Anbetracht des weitgehenden Umweltbegriffesll, der Parallelen u. a. zum französischen und spanischen Recht12 erkennen läßt, ßlllt nach griechischem Verständnis auch der Schutz der kulturellen Umwelt in den hier interessierenden Bereich. Dessen Wahrnehmung ist gern. Art. 23 des Gesetzes 1558 I 1985 in erster Linie dem Kultusministerium sowie ferner dem Bildungsministerium und dem Allgemeinen Sekretariat für Forschung und Technologie überantwortet (vgl. Art. 23, 27 des Gesetzes 1558 I 1985). Insgesamt weist die griechische (Umwelt-)Verwaltung eine starke Zentralisierung auf, was aber in Anbetracht des Fehlens föderaler Elemente in der Verfassung kaum verwundem dürfte.l3 Die Dominanz der nationalen Machtzentrale gilt im Recht der raumbezogenen Planung nicht nur auf der Ebene der Raum9 Näher Karamanidis (Fn. 2), S. 19; vgl. auch Siouti, Die verfassungsrechtliche Garantie des Umweltschutzes (griechisch), Athen 1985, S. 118 fi; Salcellaropoulos (Fn. 5), S. 285; Tachos, Wirtschaftsverwaltungsrecht (griechisch), 5. Aufl. Thessaloniki 1985; Slcouris I Tachos, Dikaio prostasias tou periwallontos (Das Recht des Schutzes der Umwelt}, Thessaloniki 1987, S. 25 ff. 10 Vgl. oben bei Fn. 4. Hierzu Tachos (Fn. 9), S. 99 ti; s. auch die Übersicht bei Hatzopoulos, La loi concernant Ia protection de l'environnement en Grece, RJ.E. 1991, 39 ff. II Vgl. Portolou-Michael, Zu Begriff und Schutzbedarf der Umwelt (griech.), To Syntagma 1978, 268 ff.

12 Vgl. o. S . 73 bzw. S. 159.

13 Vgl. auch Magoulas I Mentis, Umweltrecht und Umweltschutz in Griechenland, in: Donner I Magoulas I Sirnon I Wolf (Hrsg.), Umweltschutz zwischen Staat und Markt Moderne Konzeptionen im Umweltschutz, Baden-Baden 1989, S. 571 ff. , S. 587.

4. Griechenland

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ordnungspläne und -programme14, sondern auch hinsichtlich der städtebaulichen Planung. In den kommunalen Kompetenzbereich15 fallen vor allem die Abfallentsorgung und die Abwasserbehandlung.

e) Umweltschutzprinzipien Auf der Prinzipienebene lassen sich nur bedingt konturenscharfe Leitgedanken der Umweltgesetzgebung erkennen. Insbesondere die für ein modernes Umweltrecht prägenden Vorsorgegehalte sind eher schwach ausgebildet. So finden sich etwa im Anlagenrecht zwar zahlreiche Vorschriften zur Emissionsbegrenzung, diese sind aber zum größeren Teil in regionalen Vorschriften für besonders belastete oder empfindliche Gebiete (z. B. Attika und Athen) niedergelegt. Somit dürfte eine umweltqualitätsbezogene Sichtweise in wichtigen Bereichen nach wie vor dominieren. Die EG-rechtlich gebotene Umweltverträglichkeitsprüfung, die ebenfalls Vorsorgeaspekte inkorporiert, ist durch Ministerial-Dekret 75308 I 5512 vom 26. Oktober 1990 in nationales Recht umgesetzt worden. Damit ist freilich noch keine Aussage über die Wirksamkeit dieses neuen Instruments getroffen. Ausprägungen des Kooperationsprinzips finden sich bei der (im übrigen partiell auch von der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend gebotenen) Öffentlichkeitsbeteiligung, die in Art. 5 des Umweltrahmengesetzes geregelt ist und bei größeren Vorhaben jedem in der Region ansässigen Bürger die Möglichkeit schafft, bei der als Genehmigungsbehörde fungierenden Präfektur Einwendungen zu erheben. Gleichwohl spielt die Partizipation in der Praxis des Umweltrechts derzeit wohl keine herausgehobene Rolle. Da Griechenland bereits über eine gesetzliche Regelung des Zuganges zu Behördeninformationen besitzt, vertritt die Regierung im übrigen die Auffassung, daß den Anforderungen der EG-Informationsrichtline Genüge getan ist. Auf der Prinzipienebene am schwächsten ausgebildet ist augenscheinlich das Verursacherprinzip- jedenfalls wenn man nicht das Umweltprivatrecht (hierzu sogleich), sondern das öffentliche Umweltverwaltungsrecht zum Maßstab nimmt. j) Umweltschutzinstrumente

Auf der Instrumentenebene fällt zunächst die städtebauliche Planung ins Auge, die im Gesetz 947 I 1979 über Bebauung16 geregelt ist. Stark ausdifferenziert- und freilich auch schwer überschaubar geregelt- ist die höherstufige Flä14 Sedes materiae ist das insofern lange Zeit ungenutzte Gesetz 360 I 1976 Ober Raumordnung und Umwelt.

15 Hierzu Remelis, Periwallon kai topiki aftodioikissi (Die Umwelt und die kommunale Verwaltung), Athen 1989. 16 S. ergänzend noch das Gesetz 1337 I 1983 Ober die Erweiterung der Stadtbaupläne sowie das Gesetz 1577 I 1985 (Allgemeine Bauordnung).

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chennutzungsplanung17. Eine neben diese tretende und sie ergänzende umweltbezogene Fachplanung existiert allem Anschein nach bislang nicht. Das Erfordernis der ordnungsrechtlichen Vorhabenkontrolle durch ein präventives Genehmigungserfordernis, das (freilich zunächst mit reduzierten Kontrollanforderungen) schon seit den zwanziger Jahren besteht, geht heute auf das Präsidialdekret Nr. 1180 I 1981 zurück. Die Notwendigkeit einer verstärkten Berücksichtigung von Umweltschutzanforderungen hat der Gesetzgeber mit Erlaß des Umweltrahmengesetzes in Art. 3 und 4 berücksichtigt, die präzisere Anforderurigen an die vom Betreiber vorzulegenden Unterlagen formulieren. Das griechische Umweltstrafrecht18 ist durch eine starke Fragmentierurig gekennzeichnet. So finden sich in zahlreichen Fachgesetzen - und teilweise auch in Verordnungen- vereinzelt Vorschriften, die pönale Sanktionen bei Nichtbeachtung von Umweltpflichten statuieren. Parallel hierzu schafft Art. 28 des Umweltrahmengesetzes einen eigenen Straftatbestand der umweltgefährlichen Handlung, der bei schweren Körperverletzungen einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Endlich enthält das Strafgesetzbuch noch die nicht originär dem Umweltschutz gewidmeten Tatbestände der gemeingeflihrlichen Beschädigung (Art. 273) sowie der Brunnen- und Lebensmittelvergiftung (Art. 279). Möglicherweise bedingt durch Schwächen des Ordnungsrechts spielt das Umweltprivatrecht19 in der gerichtlichen Praxis eine wichtige Rolle. Dabei ist auch in diesem Bereich die normative Ausgangslage zunächst geprägt von den überkommenen nachbarrechtlichen Bestimmungen des Zivilrechts. Nach Art. 1003 des Zivilgesetzbuches von 1940 werden dem Grundstückseigentümer Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche bei Störungen im Genuß seines Eigenturns gewährt. Die Parallelität zum deutschen BGB ist u. a. daran erkennbar, daß dieser Schutz nach Art. 987 ff. ZGB auf den Besitzer ausgedehnt wird und, was die Anspruchsdurchsetzung erheblich erschwert, bei Ortsüblichkeit der Störung versagt bleibt. Anders als im deutschen Recht fehlt es allerdings an der Ausschlußwirkung einer behördlichen Gestattung wie in § 14 Blm.SchG. Größere Schwierigkeiten verursacht in der Prax.is der Kausalitätsnachweis. Da die Judikatur - anders als im insofern singulären Japan2°- in diesem Punkt keine Abhilfe geschaffen hat, findet sich seit 1986 in Art. 29 des Umweltrahmengesetzes eine recht weitgehende Beweislastumkehr, wonach der Schädiger sich 17 Näher Efstratiou, Die gerichtliche Kontrolle administrativer Entscheidungen im griechischen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schwane I Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Das Ausmaß der gerichtlichen Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht, BadenBaden 1992, S. 111 ff., 155 ff. 18 Ausftlhrlicher erörtert bei Karamanidis (Fn. 2).

19 Hienu insbes. Karakostas, Rechtsmittel zum Schutz der Umwelt im griechischen Recht, NuR 1993, 467 ff.; ders., Neue Entwicklungen des Umweltschutzes im griechischen Zivilrecht, ZtU 1990, 295 ff. m. w. N.; ders., Periwallon kai Astiko Dikaio (Umwelt und Zivilrecht), Athen 1986. 20 Vgl. unten S. 280 f.

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nur mit dem Vorliegen höherer Gewalt oder der vorsätzlichen Handlung eines Dritten exkulpieren kann. Im Ergebnis kann man somit von einer partiell begrenzten verschuldeosunabhängigen Umwelthaftung sprechen. Eigene dogmatische Wege geht die griechische Zivilrechtslehre schließlich insofern, als sie den Genuß einer "sauberen" Umwelt als Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ansieht. g) Umweltrechtsschutz Die Rechtsprechung des Staatsrates (Symwoulion tis Epikrateias - SE) als dem Oberstem Verwaltungsgericht des Landes hat unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes in gewissem Maße auch eigene Akzente gesetzt.2l So hat das Gericht beispielsweise entschieden, daß jede Änderung der vorhandenen städtebaulichen Pläne zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Bürger führen und daher jede Verschlechterung der natürlichen und städtischen Umwelt ausschließen müsse. Unter dieser Prämisse hat der Staatsrat Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und Art. 14 des Gesetzes 1577 I 1985 (Allgemeine Bauordnung) für verfassungswidrig erklärt.22 Im Bereich des anlagenbezogenen Umweltschutzes hat die Rechtsfortbildung durch den Staatsrat den Nachbarn emittierender Anlagen einen klagbaren Anspruch auf Erlaß nachträglicher Anordnungen zur Reduzierung gesundheitsgeflthrdender Emissionen verschafft.23 Das Gericht hat ferner in seiner Judikatur die Anforderungen an die durch den Begriff des rechtlichen Interesses umschriebene Klagebefugnis bei Drittanfechtungsklagen abgesenkt. Im Ergebnis haben vor allem Verbände einen deutlich besseren Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit als früher. Selbst dann, wenn sie nach ihrer Zielsetzung nur nebenbei mit Fragen des Umweltschutzes befaßt sind, wird ihnen eine Klagebefugnis eingeräumt. 24

h) Umweltrechtsgebiete aa) Allgemeines Umweltrecht In recht punktueller Weise bündelt das Umweltrahmengesetz 1650 I 1986 eine Reihe allgemeiner Regelungen. Indem es Aussagen über die administrativen Zuständigkeitsverteilungen, die Umweltverträglichkeitsprüfung, den Umweltrechtsschutz sowie die Beweislastverteilung bei Umwelthaftungsfltllen enthält, 21 Karalwstas, NuR 1993, 474, spricht der Judikatur gar eine "erzieherische Rolle" zu; vgl. auch die dortigen Nachweise aufS. 472 mit Fn. 54.

22 Vgl. die Staatsratsentscheidungen SE 10 11988, SE 634 1 1988 sowie SE 7741 1988 23 SE 2743 I 1967 (st. Rspr.); vgl. ferner die Nachweise bei Jarass, Die Anwendung neuen

Umweltrechts aufbestehende Anlagen, Baden-Baden 1987, S. 100 ff., 105 mit Fn. 13.

24 Beispielsweise wurde in der Staatsratsentscheidung SE 4576 I 1977 die Klagebefugnis einer Rechtsanwaltskammer bejaht. Zum Rechtsschutz und zur Kontrolldichte umfassend Efstratiou (Fn. 17), insbes. S. 167 ff.

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schafft es einen - freilich noch ausbauflthigen - einheitlichen Regelungsstandort für das allgemeine Umweltrecht, der zudem durch partielle fachbezogene Teilregelungen angereichert wird (siehe sogleich). Die Rechtsquellen des im wesentlichen medial gegliederten Besonderen Umweltrechts25 speisen sich indessen aus einem ganzen Bündel meist älterer Fachgesetze, die ein wenig einheitliches und systematisch kaum geschlossenes Bild vermitteln. Insgesamt weisen die vorhandenen, für den Umweltschutz relevanten Gesetze einen ausgeprägt schwerpunktartigen Charakter auf. Im folgenden seien die wichtigsten unter ihnen kurz genannt und erläutert. bb) Immissionsschutzrecht Stark fragmentiert ist insbesondere der Immissionsschutz. Grenzwertbestimmungen für die bereits erwähnte Genehmigung umweltgeflthrdender Anlagen (s.o. S. 182) fmden sich teilweise in der Präsidialverordnung Nr. 1180 I 1981, im übrigen aber in zahlreichen Ministerialerlassen. Eine gewisse Dynarnisierung hat das Anlagenrecht dadurch erfahren, daß Art. 5 Nr. 1 der Präsidialverordnung die Pflicht der Behörde zum Erlaß nachträglicher Anordnungen bei Vorliegen neuer Erkenntnisse über das im Einzelfall nötige Ausmaß von Umweltschutzmaßnahmen statuiert. Eine explizite Beschränkung durch den Verhältnismäßigkeitsmaßstab wie in § 17 BimSchG gibt es dabei nicht. Parallel dazu schafft Art. 5 Nr. 4 der genannten Verordnung eine entsprechende dynamische Setreiberpflicht Im Hinblick auf die eingangs erwähnten Probleme der verkehrsbedingten Ernissionen schaffi das nationale Gesetz Nr. 1327 I 1983 über die Bekämpfung der Luftverunreinigung die Ermächtigung zur Verfügung verkehrsbezogener Maßnahmen, die allerdings eher Notstandscharakter tragen, da sie auf Fälle außergewöhnlicher Umweltbelastungen zugeschnitten sind. Konkrete Regelungen des Lärmschutzes fehlen bislang zumindest auf nationaler Ebene, da Art. 14 des Umweltrahmengesetzes lediglich eine ausfüllungsbedürftige Grundpflicht normiert. cc) Abfallrecht Das lange Zeit vernachlässigte Abfallrecht hat durch das Umweltrahmengesetz einige neue Impulse erhalten. So resultiert etwa aus dessen Art. 12 die sehr allgemein gehaltene Pflicht, Abtalle so zu behandeln, daß von ihrer Ablagerung Gesundheits- und Umweltgefahren oder erhebliche Nachteile nicht ausgehen können. Diese Grundnorm stößt freilich in der Praxis noch auf erhebliche Vollzugsdefizite; so stellt denn das unkontrollierte Ablagern oder Verbrennen (nicht nur) von Hausmüll eine auch heute noch verbreitete Praxis dar.26 Im Hinblick auf die ungleich risikoträchtigere Deponierung von gefährlichen (Sonder-)Ab-

25 Vgl. hierzu noch die partiell veraltete Gesetzessammlung von Kallia I Pavlopoulos I Pavlopoulou, Der rechtliche Status des Umweltschutzes (griech. }, Athen 1984. 26 So auch Magou/as I Mentis (Fn. 13), S. 576 mit Fn. 13.

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fallen legt allein eine Gesundheitsverordnung aus dem Jahre 196527 gewisse Minimalanforderungen fest. Der Einstieg in eine echte Abfallwirtschaft dürfte in Griechenland noch auf sich warten lassen. Erste Ansätze schafft Art. 13 des Umweltrahmengesetzes, wonach bei der Verpackung von Gütern verstärkt auf die Wiederverwertbarkeit der Rohstoffe geachtet werden soll. dd) Gewässerschutzrecht Aus dem Bereich des Gewässerschutzes sei ohne Anspruch auf Vollständigkeit das Gesetz 743 I 1977 über den Schutz der Meeresumwelt genannt, das den besonderen Problemen eines Mittelmeeranrainers Rechnung trägt. Der unter ökologischen Gesichtspunkten vorrangige Bau von Kläranlagen wird im übrigen aus Mitteln des Kohäsionsfonds von der Europäischen Gemeinschaft ge:llirdert. Durch das Gesetz Nr. 1665 I 80 wurden öffentliche Wasserversorgungseinrichtungen auf kommunaler Ebene geschaffen, die für die Errichtung und Unterhaltung von Versorgungs- und Kläranlagen verantwortlich zeichnen. Hinsichtlich der qualititativen Aspekte wird im Einklang mit einer ministeriellen Entscheidung vom 23. Januar 1986 unmittelbar auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht Rückgriff genommen.

i) Gesamtwürdigung In der noch relativ kurzen Phase gesetzgebenscher Tätigkeit zum Schutze der Umwelt sind bislang erst vereinzelte Bausteine einer modernen Umweltpolitk geschaffen worden. Am ehesten kann wohl noch die Notwendigkeit der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben als Motor der griechischen Umweltgesetzgebung angesehen werden. Mit Recht wird in der griechischen Literatur der bislang geringe Grad systematischer Durchbildung der Materie hervorgehoben. Bei genauerer Betrachtung der normativen Grundlagen und der Vollzugspraxis scheint das größte Manko indes darin zu bestehen, daß der Umweltschutz mangels gesellschaftlicher Akzeptanz im Prozeß der Abwägung der unterschiedlichen Gemeinwohlbelange bisher eine eher untergeordnete Rolle spielt und deshalb im Konflikt mit vorrangig erscheinenden wirtschaftlichen Entwicklungszielen (noch) zurückzustehen hat)&

27

Verordnung vom 22. Januar 1965, Nr. Elb 221.

28 Vgl. auch die insgesamt von Skepsis geprägte Bewertung bei Magou/as I Mentis (Fn. 13), S. 585 ff.

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V. Osteuropa 1. Polen a) Umweltsituation

Die ökologische Erblast der sozialistischen Epoche stellt eine beträchtliche Hypothek für die Zukunft Polens dar. Wohl ohne Übertreibung kann man die Umweltsituation in einzelnen Gebieten als prekär bis katastrophal bezeichnen. 1 Exemplarisch und stichwortartig für diesen besorgniserregenden Befund seien nur die Luftverschmutzung durch den massiven Einsatz stark schwefelhaltiger fossiler Energieträger2, die starke Belastung der nur in geringer Quantität verfügbaren Oberflächengewässer sowie die zahlreichen Altlasten durch unsachgemäße Sonderabfallablagerungen und aufgelassene Industriestandorte erwähnt.3 Schwerpunkte der Umweltbelastung fmden sich in industriellen Agglomerationen wie dem oberschlesischen Revier. Aber auch in entlegeneren Gebieten wie der Tatra sind die Waldschäden kaum zu übersehen. Andererseits verfügt Polen infolge seiner langen Tradition im Naturschutz aber auch über Gebiete, in denen sich bedrohte Arten fernab der Zivilisation erhalten oder regenerieren konnten. Prägend für die polnische Geomorphologie sind schließlich ausgedehnte agrarische Nutzflächen, mit deren Kultivierung auch heute noch ein vergleichsweise hoher Prozentsatz der arbeitenden Bevölkerung (seit ehedem vorwiegend privatwirtschaftlich) beschäftigt ist. b) Umweltrechtsentwicklung

Die Entwicklung des polnischen Umweltrechts verlief gleichsam in wellenfOrmigen Bewegungen.4 Sie weist deutliche Parallelen zu den anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks, aber auch zu solchen Westeuropas auf. Beginnend mit dem Erlaß naturschutz- und forstrechtlicher Bestimmungen, die vom Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisierung primär auf die Sicherung landesherrlicher Privilegien gerichtet waren (Beispiel der mittelalterlichen Jagdverbote}, entwickelten sich im Gefolge der zunehmenden Technisierung der Wirtschaft um die Jahrhundertwende auch erste Ansätze des Immissionsschutzes. Vgl. Bledowski I Kais, Wirtschaftsreform und Umweltpolitik in Polen, ZfU 1991, 95 ff.; ferner Juergensmeyer I Kulesza I Gmurzynska, Environmental Protection in Post-Socialist Eastern Europe: The Polish Example, 14 Hastings International & Comparative Law Review (1991), 831 ff., 832 ff.; s. auch die Beiträge von Popkiewicz und Oschlies in: Politische Ökologie Nr. 18 (1990), 44 ff. und 48 ff. 2 Hierzu International Energy Agency (Hrsg.}, Energy policies: Polan