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German Pages 278 Year 2012
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1219
Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit Neue Impulse aus dem Umweltrecht des Mehrebenensystems Von Jule Martin
Duncker & Humblot · Berlin
JULE MARTIN
Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1219
Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit Neue Impulse aus dem Umweltrecht des Mehrebenensystems
Von Jule Martin
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen.
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Für Doris und Ernst
Vorwort Partizipation, Transparenz und Demokratie sind heute zentrale Begriffe öffentlicher Debatten. Die Vielgestaltigkeit der politischen Zusammenhänge, in denen diese Begriffe den Kern der Auseinandersetzung bilden, spiegelt ein verändertes Staat-Bürger-Verhältnis wider. Globalisierung und Technologisierung stellen Staat und Gesellschaft vor neue Herausforderungen und drängen auf neue Regelungsstrukturen. Die sog. Aarhus-Konvention (UNECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten) ist ein Ergebnis dieser Entwicklung. Sie zielt im Kern auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat und verändert es im Sinne einer neuen Verantwortungsteilung. Der Bürger nimmt dabei eine neue Rolle wahr, die er im Wege von Partizipationsund Klagerechten ausübt. Die Verwaltung unterliegt verstärkten Transparenzund Informationspflichten, um dem Bürger die Mitwirkung an einem arbeitsteiligen Prozess der Rechtsverwirklichung zu ermöglichen. Gleichzeitig profitiert sie von seinem Sachverstand. Im Rahmen eines Beratungsverhältnisses mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) hatte ich Gelegenheit, an der Umsetzung und Weiterentwicklung der sog. Aarhus-Konvention praktisch mitzuwirken und so vertiefte Einblicke in die Mehrebenenstruktur dieses Regelungskomplexes zu gewinnen. In dieser Zeit entstand die Idee zu dieser Arbeit. Sie untersucht verschiedene Entwicklungslinien eines neuen Rollenverständnisses von Staat und Bürger und zeigt, in Anlehnung an den Regelungskomplex der Aarhus-Konvention, ein Steuerungskonzept auf, bei dem Bürger und Verwaltung im Wege der Kooperation dem Recht zur Durchsetzung verhelfen. Die Arbeit lag der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation vor. Literatur und Rechtsprechung aus der Zeit nach dem 1. November 2010 konnten nur vereinzelt Berücksichtigung finden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ingolf Pernice, für die spannende und sehr lehrreiche Zeit an seinem Lehrstuhl, wo ich die oben skizzierten Erfahrungen im Rahmen des Beratungsverhältnisses mit dem BMU machen durfte. Sehr herzlicher Dank gilt zudem Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis für seine zügige und kritische Zweitkorrektur. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern, die mir immer unterstützend zur Seite standen und für die ein einfacher Dank nicht ausreichend wäre.
Berlin, im Februar 2012
Jule Martin
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 1 Die informierte Öffentlichkeit als Konzept – Hintergründe und Entwicklung
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A. Staat und Recht im gesellschaftlichen Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gemeinwohlbestimmung als Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Von der Vorgabe zur Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von Inhalt zu Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kooperativer Staat und kooperatives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Steuerungstheorie – eine neue Perspektive auf das Recht . . . . . . 2. Steuerung durch Kooperation in Form der ‚regulierten Selbstregulierung‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kooperationssysteme in Form ‚prozeduralen Rechts‘ . . . . . . . . . . . . . . 4. Vor- und Nachteile kooperativer Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 20 20 22 24 27 31 33 36 38
B. Das Europarecht als Wegbereiter einer informierten Öffentlichkeit . . . . . . . . I. Vorbilder des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Impulse aus dem französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verwaltungsprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Zugang zu Akten der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bürgerbeteiligungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Impulse aus dem Recht Großbritanniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Effektiver Rechtsschutz vor nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Politische Programme der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Umweltaktionsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Umweltaktionsprogramme vor und nach 1992 . . . b) Entstehung und Inhalt der Umweltaktionsprogramme . . . . . . . . . . . 2. Das Weißbuch „Europäisches Regieren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Primärrecht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Vertrag von Maastricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Vertrag von Amsterdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 41 42 42 48 50 51 55 58 62 65 66 66 67 69 73 73 74
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Inhaltsverzeichnis 3. Der Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit aus dem Umweltvölkerrecht und dem Umweltrecht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Aarhus-Konvention – Entstehung, Ziel und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziel, Aufbau und Inhalt der Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Recht auf Leben in einer gesunden Umwelt . . . . . . . . . . . bb) Die Bedeutung des Einzelnen für eine nachhaltige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der allgemeine Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die drei Säulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zugang zu Informationen über die Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren . . . . . . . cc) Zugang zu Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahrenskonzepte im Umweltrecht der Europäischen Union . . . . . . . . . . 1. Das Verfahrenskonzept der informierten Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . a) Bauformen des Verfahrenskonzepts der informierten Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfahrensakzessorische Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahrensunabhängige Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Informationszugangsrechte der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Veröffentlichungspflichten der Behörden . . . . . . . . . . . . . . b) Funktionen des Verfahrenskonzepts der informierten Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Individueller Rechts- und Interessenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Partizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sensibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verwaltungstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Öffentlichkeit als Kontrollinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Konzept der Verfahrensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erscheinungsformen der Verfahrensprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eigenbeiträge Privater zur Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . bb) Die Eigenüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren zur Stärkung betrieblichen Umweltschutzes . . . . . . b) Funktionen des Konzepts der Verfahrensprivatisierung . . . . . . . . . . aa) Effektuierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kommunikations- und Lernprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Reflexive Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75 79 84 84 84 87 87 88 89 90 91 91 92 93 95 96 97 97 100 101 102 107 107 108 109 109 110 110 111 111 113 114 117 117 117 118 119
Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 2 Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit – Gestalt und Wirkung A. Die drei Säulen des Steuerungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erste Säule: Transparenz – Der Zugang zu Informationen . . . . . . . . . . . . . 1. Die transparente Verwaltung des UIG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Umweltinformationsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das erweiterte Informationszugangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die transparente Verwaltung im Kontext des deutschen Verwaltungsrechtssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Wertungswiderspruch im deutschen Verwaltungsrecht . . . . . . b) Die Rechtsprechung zum UIG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Begriff der Umweltinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Begriff des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Geheimnisschutz gemäß § 99 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Zugangsanspruch des UIG und die Beteiligungsrechte im Planfeststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit . . . (2) Material, das gerade vervollständigt wird . . . . . . . . . . . . . (3) Die Vertraulichkeit von Beratungen und der Schutz interner Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Der Vorlagebeschluss des BVerwG im Fall „Flachglas Torgau GmbH“ und das dazu ergangene Urteil des EuGH vom 14. Februar 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweite Säule: Steuerung – Das Verfahren der Kooperation . . . . . . . . . . . . 1. Steuerung durch Kooperation im UVP-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Grundkonzepte des UVPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorsorgegrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Medienübergreifender Prüfungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahrensinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kooperationsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die einzelnen Verfahrensschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Feststellung der UVP-Pflicht durch die Behörde . . . . . . . bb) Die Unterrichtung des Vorhabenträgers über die beizubringenden Unterlagen (Scoping) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Beibringungspflicht der entscheidungserheblichen Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Beteiligung anderer Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Beteiligung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121 122 124 127 128 129 132 133 137 138 138 139 140 140 141 141 142
143 150 154 159 159 159 161 162 162 163 163 166 169 169 174
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Inhaltsverzeichnis gg) Die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Die Bewertung und Berücksichtigung der Umweltauswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verfahrensposition im Kontext des deutschen Verwaltungsrechtssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dritte Säule: Kontrolle – Der weite Zugang zu Gerichten . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rügebefugnis des UmwRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gesetzeskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fragen zur Völker- und Europarechtskonformität . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rügebefugnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsbehelfe gegen Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren zur Überprüfung der Europa- und Völkerrechtskonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Vorlagebeschluss des OVG Münster im Fall „Trianel Kohlekraftwerk Lünen“ und das dazu ergangene Urteil des EuGH vom 12. Mai 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Beschwerdeverfahren vor der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Beschwerdeverfahren vor dem Compliance Committee der Aarhus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der weite Zugang zu Gerichten im Kontext des deutschen Verwaltungsrechtssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das subjektiv-öffentliche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstöße gegen Verwaltungsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176 179 184 190 192 192 197 197 203 205
206 215 216 221 221 229 234
B. Das Steuerungskonzept im Kontext der Verwirklichung des Demokratieprinzips im europäischen Mehrebenensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Schlussresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
„Alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“ *
Einleitung Die Öffentlichkeit von Entscheidungsprozessen der Verwaltung ist der Garant für ihre Objektivität und Rationalität. Dies gilt umso mehr, je stärker die Verwaltung eine eigenständige Steuerungsfunktion bei der Verwirklichung des Rechts wahrnimmt. Die gesellschaftliche Lebenswirklichkeit ist heute geprägt von einer stetig vorangetriebenen technischen Entwicklung und global agierenden Vernetzungen. Eine funktional ausdifferenzierte und in ihren Teilbereichen hochspezialisierte Gesellschaft ist aufgrund ihrer Komplexität einer herkömmlichen imperativ und final ausgerichteten Steuerung nicht mehr zugänglich. Es bedarf vielmehr flexibler und lernfähiger Lösungsarrangements, um dem steten Wandel und dem enormen Wissensbedarf gerecht zu werden. Solche Lösungsarrangements sind nur durch eine offene Normprogrammierung zu verwirklichen, die der Verwaltung Gestaltungsspielräume zuweist. Die Verwaltung ist heute ein Akteur im europäischen Verfassungsverbund. Sie agiert als solcher nicht mehr territorial und sachlich begrenzt, sie vollzieht nicht mehr lediglich Recht und Gesetz. Hochkomplexe und vielfach grenzüberschreitende Sachverhalte sind nur in Kooperation mit anderen Akteuren des Mehrebenesystems zu lösen. Allen voran ist der einzelne Bürger dazu berufen, der Verwaltung bei der Durchsetzung des Rechts zur Seite zu stehen. Die Verwaltung ist bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe auf die Mitwirkung einer verantwortungsbewussten, mündigen und daher notwendig informierten Öffentlichkeit angewiesen. Für die Entwicklung moderner Konzepte zur Verwirklichung des Gemeinwohls unter den Bedingungen von Technologisierung und Globalisierung steht die europäische Integration. Ausgehend vom Europarecht hat sich daher ein Konzept gesellschaftlicher (Selbst-)Steuerung entwickelt, in dessen Ursprung und Zentrum der Bürger steht: das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit. Es zielt auf eine arbeitsteilige Rechtsverwirklichung in Kooperation zwischen Bürger und Verwaltung. Kennzeichnend sind drei Säulen: Die Basis bildet eine informierte Öffentlichkeit, die über einen * Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, Anhang II, in: Werksausgabe XI, S. 244 f., wo es weiter heißt: „Dieses Prinzip ist nicht bloß als ethisch (zur Tugendlehre gehörig), sondern auch als juridisch (das Recht der Menschen angehend) zu betrachten“.
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Einleitung
grundsätzlich umfassenden Zugang zu Informationen der Verwaltung verfügt. Zur Verwirklichung einer kooperativen Steuerung werden verfahrensrechtliche Regelungen bereitgestellt, die eine Mitwirkung der Akteure am Entscheidungsprozess ermöglichen. Der Gefahr eines Überwiegens partikularer Interessen begegnet das Steuerungskonzept durch einen weiten Zugang zu Gerichten. Eine Verwaltung der Öffentlichkeit, die ihre Aufgabe in einem System arbeitsteiliger Rechtsverwirklichung wahrnimmt, ist der deutschen Tradition fremd. Staatliche Informationen unterlagen seit jeher grundsätzlich der Geheimhaltung und waren nur in Ausnahmefällen der Öffentlichkeit zugänglich. Mit einem solchen Verständnis von Staat und Gesellschaft lässt sich die moderne Lebenswirklichkeit jedoch nicht mehr angemessen verarbeiten. Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit stößt in Deutschland deshalb auf mancherlei Widerstand, den es zu überwinden gilt. Die Arbeit gliedert sich in zwei Kapitel: Das erste Kapitel beschreibt den Hintergrund und die Entwicklung einer informierten Öffentlichkeit im Sinne eines allgemeinen Konzepts. Ausgangpunkt ist der Wandel der gesellschaftlichen Lebensumstände bedingt durch Technologisierung und Globalisierung. Neue Problemlagen erfordern neue Lösungsstrategien, und so hat sich ein neues Verständnis von Staat und Gesellschaft herausgebildet, das geprägt ist von offenen Strukturen der Kommunikation und Kooperation (A.). Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die informierte Öffentlichkeit zu einem umfassenden allgemeinen Konzept. Ihr Wegbereiter ist das Europarecht, in dem sich verschiedene Entwicklungslinien nachvollziehen lassen: Beginnend mit der Rechtsprechung des EuGH, über politische Programme der Gemeinschaft, fand die informierte Öffentlichkeit Schritt für Schritt ihren Weg in das Primärrecht der Europäischen Union (B.). Im europäischen Umweltrecht – das für seine Fähigkeiten als Impulsgeber bekannt ist – entwickelten sich sodann ausdifferenzierte Instrumente des Konzepts einer informierten Öffentlichkeit. Einen enormen Entwicklungsschub erhielten diese Instrumentarien durch die Ratifikation der sogenannten AarhusKonvention (C.). Das zweite Kapitel der Arbeit zeigt Gestalt und Wirkung der informierten Öffentlichkeit als Steuerungskonzept. Aus dem allgemeinen Konzept einer informierten Öffentlichkeit ist ein Steuerungskonzept abzuleiten, das das neue Verständnis von Staat und Gesellschaft konkret umsetzt. Kennzeichnend sind die drei Säulen der Transparenz, der Steuerung und der Kontrolle. Sie werden am Beispiel des Umweltrechts – des Umweltinformationsrechts, der Umweltverträglichkeitsprüfung und des Zugangs zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, die maßgeblich geprägt sind durch den Entwicklungsschub der Aarhus-Konvention – herausgearbeitet. Im Kontext des deutschen Verwaltungsrechtssystems werden die Widerstände und
Einleitung
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Vorbehalte, die dem Steuerungskonzept entgegen gebracht werden, einer kritischen Betrachtung unterzogen (A.). Abschließend soll der Bezug des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit zum Demokratieprinzip im europäischen Mehrebenensystem hergestellt werden, dessen Verwirklichung nicht zuletzt treibende Kraft des Steuerungskonzepts ist (B.).
Kapitel 1
Die informierte Öffentlichkeit als Konzept – Hintergründe und Entwicklung A. Staat und Recht im gesellschaftlichen Wandel An Begrifflichkeiten zur Umschreibung der modernen Gesellschaft mangelt es nicht. Diese reichen von der Wissenschafts-1, Informations-2, Kommunikations-3 zur Risikogesellschaft4 mit den korrespondierenden Konzepten des gärtnernden5, sorgenden6, oder präzeptoralen7 Staates, vom Sicherheits-8, Präventions-9 oder Schutzstaat10 und beschreiben allesamt lediglich Teilaspekte einer Entwicklung. Die Folge dieser Entwicklung ist eine funktionale Ausdifferenzierung der Gesellschaft in hochspezialisierte Teilbereiche, die ihrerseits zunehmend global agieren. Sie können nicht mehr in den Grenzen eines Staates gedacht werden. Wirtschaft, Finanzen, Kultur, Ge1
Z. B. Rolf Kreibich, Die Wissensgesellschaft. Von Galilei zur High-Tech-Revolution, 1986. 2 Z. B. Klaus Theo Schröder, Die Bundesrepublik Deutschland auf dem Weg zur Informationsgesellschaft? Aus Politik und Zeitgeschichte B 15/89. 3 Z. B. Gernot Wersig, Die kommunikative Revolution, Strategien zur Bewältigung der Krise der Moderne, 1985; Rolf-Peter Calliess, Strafzwecke und Strafrecht, NJW 1989, S. 1338 ff. 4 Ulrich Beck, Risikogesellschaft, Auf dem Weg in eine andere Moderne, 1986; ders., Gegengifte, Die organisierte Unverantwortlichkeit, 1988. 5 Zygmunt Baumann, Moderne and Ambivalenz, 1995, S. 43 ff. 6 Abram de Swaan, Der sorgende Staat, 1993; Franc ¸ ois Ewald, Der Vorsorgestaat, 1993; ders., Die Versicherungsgesellschaft, KJ 1989, S. 385 ff. 7 Udo di Fabio, Grundrechte im präzeptoralen Staat am Beispiel hoheitlicher Informationstätigkeit, JZ 1993, S. 689 ff.; Helmut Willke, Ironie des Staates, Grundlinien einer Staatstheorie polyzentrischer Gesellschaft, 1992, S. 144 ff. m. w. N. 8 Joachim Hirsch, Der Sicherheitsstaat: Das „Modell Deutschland“, seine Krise und die neuen sozialen Bewegungen, überarb. Neuauflage 1986. 9 Erhard Denninger, Der Präventions-Staat, KJ 1988, S. 1 ff.; ähnlich auch schon Dieter Grimm, Verfassungsrechtliche Anmerkungen zum Thema Prävention, KritV 1986, S. 38 ff. 10 Hans Albrecht Hesse, Der Schutzstaat, 1994; ders., Der Schutzstaat geht um, JZ 1993, S. 741 ff.
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sundheit – um nur einige zu nennen – sind Themen, die durch international stark vernetzte gesellschaftliche Gruppen bestimmt sind. Diese Netzwerke agieren auf der Grundlage hochspezialisierten Fachwissens. Ohne ein Verständnis für diese Vernetzungen und ohne eine entsprechende fachliche Expertise kann in diese gesellschaftliche Bereiche nicht wirksam eingegriffen werden. Um politisch gewünschte – gemeinwohlförderliche – Effekte zu erzielen, ist aber eine steuernde Einwirkung erforderlich. Mit der Entwicklung hin zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, die die technologische Entwicklung stetig vorantreibt, werden immer neue Felder eröffnet, die einer politischen Steuerung bedürfen. Moderne Steuerungskonzepte müssen daher flexibel sein und grenzüberschreitend wirken. Sie müssen in der Lage sein auf die Komplexität immer neuer Aufgabenfelder reagieren zu können, sie müssen immer neues Wissen generieren und verarbeiten. In hochspezialisierten Bereichen der Gesellschaft ist dies nur durch eine Mitwirkung der Steuerungsadressaten zu gewährleisten. Moderne Steuerungskonzepte müssen vielfach grenzüberschreitend wirken, da die Problemlagen, die sie regeln sollen, vielfach grenzüberschreitende sind. Hier kann der Staat im herkömmlichen Sinne, mit seinen in der Regel imperativ und final ausgerichteten Steuerungsinstrumenten wenig ausrichten. Dagegen ermöglichen internationale und insbesondere europäische Lösungsstrategien wirksame Handlungskonzepte. Dabei rückt der einzelne Bürger zusehends in den Focus der Aufmerksamkeit. Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft ändert sich grundlegend. Die Medien Information, Kommunikation und Kooperation werden zu den wichtigsten Instrumenten politischer Steuerung.11 Vor diesem Hintergrund entwickeln sich neue Rechtsstrukturen, mit denen der Staat seine Steuerungsaufgaben zu verwirklichen sucht. Charakterisierend für diese Lösungsstrategien ist ein konzertiertes Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure des Mehrebenensystems – seien sie staatlich oder nichtstaatlich, sei es auf internationaler, supranationaler oder nationaler Ebene, seien es Individuen, Gruppen oder Verbände. Grundlage eines, wie auch immer gearteten, Zusammenwirkens der unterschiedlichen Akteure sind Kommunikation und Kooperation im Wege offener Prozesse. Das Leitbild der Kooperation prägt das Verständnis von Staat und Recht heute. Im Zentrum der Lösungsstrategien steht stets das Ziel einer gemeinwohlförderlichen Steuerung der Gesellschaft. Das Interesse der Allgemeinheit ist Sinn und Zweck jedes demokratischen Gemeinwesens. Die Notwendigkeit offener Prozesse tritt daher schon bei der Bestimmung des Gemeinwohls – dem 11 Vgl. dazu Hans Albrecht, Der Schutzstaat, 1994, S. 46 ff.; Helmut Willke, Ironie des Staates, Grundlinien einer Staatstheorie polyzentrischer Gesellschaft, 1992, S. 262 ff.; Nikolai Dose/Rüdiger Voigt, Kooperatives Recht, 1995.
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allgemeinsten Leitbild staatlichen und politischen Handelns12 – deutlich zu Tage (I.). Es ist die Basis auf der sich die moderne Gesellschaft in einem Gemeinwesen des ‚kooperativen Staates‘ zusammengeschlossen hat (II.).
I. Gemeinwohlbestimmung als Prozess In der vormodernen Zeit als feststehender Tatbestand von einer höheren Autorität vorgegeben, muss die Bestimmung des Gemeinwohls in einer demokratischen Gesellschaft als Aufgabe begriffen werden, die im politischen Prozess stets von neuem zu lösen ist (1.). Dementsprechend ist nicht der Inhalt, sondern vielmehr das Verfahren in dem der Inhalt gewonnen wird von entscheidender Bedeutung (2.). 1. Von der Vorgabe zur Aufgabe In seiner historischen Entwicklung galt das Gemeinwohl zunächst, in der Staatslehre der aristotelisch-thomasischen Tradition als vorgegebener Ordnungsplan, der sich der philosophischen Erkenntnis erschloss und nicht zur politischen Disposition stand.13 In dieser Tradition stellte sich die praktische Umsetzung des Gemeinwohls so lange nicht als Problem dar, solange eine vorgegebene Autorität bereitstand, die interpretierte, was das vorgegebene Gemeinwohl in der konkreten Situation forderte.14 Mit der Entwicklung zum modernen Verfassungsstaat unterlag der Gemeinwohlbegriff im Zuge der Säkularisierung15 einem folgenreichen Wandel, hin zu einem offenen Gemeinwohltatbestand. Ein wie auch immer geartetes Interpretationsmonopol konnte es im modernen Verfassungsstaat nicht mehr geben, vielmehr konkurrieren in ihm unterschiedliche Gemeinwohlkonzepte miteinander, über deren Vorzügigkeit die Mehrheit entschei12 Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HbStR IV 2006, § 71 Rn. 1 ff. 13 Ebd., Rn. 46. 14 Diese intellektualistische, ungeschichtliche Wesensphilosophie leitet bis in die jüngere Zeit die katholische Staats- und Soziallehre zum Gemeinwohl, vgl. Johannes Messner, Das Naturrecht, 5. Aufl. 1966, S. 255 ff.; Arthur F. Utz, Sozialethik, Bd. I, 1958, S. 293 ff.; ders., Recht und Gerechtigkeit, Deutsche Thomasausgabe, Bd. 18, 1953, S. 458 ff., 564 ff.; zu den staatsphilosophischen Prämissen der Lehre s. Josef Isensee, Keine Freiheit für den Irrtum. Die Kritik der katholischen Kirche des 19. Jahrhunderts an den Menschenrechten als staatsphilosophisches Paradigma, in: ZRG Kann. Abt. LXXIII, 1987, S. 296 ff. 15 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Erbacher Studien. Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 75 ff.
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det, was schlechthin prägend für die Demokratie an sich ist: „Die Idee des Gemeinwohls [. . .] ist die Sache, um die sich letztlich der politische Kampf bewegt; darin bildet sie das Gemeinsame, das die streitenden Parteien verbindet. Sie ist das geistige Ziel, auf das hin sich der Integrationsprozess des staatlichen Lebens ausrichtet.“16 Das Gemeinwohl erscheint nicht mehr a priori vor dem politischen Handeln, sondern geht vielmehr aus diesem a posteriori als ein Werk hervor. Es ist das Ziel, das der Staat – bzw. die in ihm organisierte Gesellschaft – sich wählt, nicht der Zweck, dem er von vornherein gewidmet ist.17 So versteht sich das Gesamtziel des Gemeinwesens heute nicht mehr wie in der vormodernen Zeit als vorgegeben, sondern als aufgegeben. Es ist damit offen für gesellschaftlichen Wandel, für Vielfalt und Wechsel der politischen Herausforderungen, offen für die Freiheit des politisch Handelnden. Die notwendige Inhaltsoffenheit des Gemeinwohlbegriffs ist, nach Gunnar Folke Schuppert, „schlechthin eine, wenn nicht die zentrale Funktionsbedingung des freiheitlichen Verfassungsstaates“.18 Das Mehrheitsprinzip konstituiert im Regelfall einen Prozess der Konkurrenz und das Gemeinwohl wird zur Funktion öffentlicher Auseinandersetzung von Personen, Gruppen, Verbänden und Parteien über Meinungen, Traditionen und Interessen, Sympathien und Antipathien. Für diesen prinzipiell endlosen Prozess sind die politischen Kommunikationsgrundrechte, die Medien, ein demokratisches Erziehungs- und Bildungswesen, Verbände und Parteien wichtiger als platonische Einsichten in das wahre Wesen der Dinge. Nach Hasso Hofmann kann man das als relativistische Entsubstanzialisierung und Prozeduralisierung des Gemeinwohlgedankens apostrophieren, welches das demokratische Gemeinwohlkonzept des freiheitlichen Verfassungsstaates ist.19 Für die moderne Gesellschaft bildet die Bestimmung des Gemeinwohls als Prozess die Grundlage schlechthin. Denn die Offenhaltung des Gemeinwohltatbestandes ist für die Verarbeitung von Komplexität unabdingbar: „Offene Gemeinwohldefinitionen organisieren die Koexistenz und erlauben die gegenseitige Befruchtung von Interessen und Ideen, von verschiedenen 16
Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HbStR IV 2006, § 71 Rn. 1 ff. 17 Vgl. Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, 1990, S. 167 f., 188; zur Unterscheidung Staatsziel und Staatszweck s. Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HbStR IV, 2006, § 73 Rn. 4 ff. 18 Gunnar Folke Schuppert, Gemeinwohl, das. Oder: Über die Schwierigkeiten, dem Gemeinwohlbegriff Konturen zu verleihen, in: ders./Friedhelm Naidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, 2002, S. 19 (24). 19 Hasso Hofmann, Verfassungsrechtliche Annäherungen an den Begriff des Gemeinwohls, in: H. Münkler/K. Fischer (Hrsg.), Gemeinwohlkonkretisierungen und Gemeinsinnserwartungen. Zur Relevanz unbestimmter Rechtsbegriffe, 2002.
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Rationalitäten und von miteinander nicht konvertiblen normativen Währungen. Sie machen deshalb die Bewältigung viel höherer Komplexität möglich“.20 Die Bestimmung des Gemeinwohls unterliegt – ebenso wie die gesellschaftliche Entwicklung – einem ständigen Prozess.21 So lässt sich folgern, dass die Offenheit des politischen Prozesses zunimmt, je offener der Gemeinwohltatbestand ist22 oder anders: je mehr Offenheit und Flexibilität der politische Prozess erfordert, um komplexe Sachverhalte aufzunehmen, umso offener muss auch der Gemeinwohltatbestand sein, um diese zu verarbeiten. 2. Von Inhalt zu Verfahren Entsprechend der notwendigen Offenheit des Gemeinwohltatbestandes ist das Grundgesetz hinsichtlich einer Inhaltsbestimmung des Gemeinwohls geradezu planmäßig unvollständig.23 Durch seine offene Gestalt fordert das Grundgesetz, dass sich das Ganze im Leben der freiheitlichen Demokratie erst herstellt. Indem es selbst nur die Rahmenbedingungen festlegt, erwartet es von den staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren, dass sie diese Aufgabe erfüllen. Als Rahmenordnung24 überlässt das Grundgesetz es insbesondere dem Gesetzgeber, Ziele zu wählen und über Prioritäten zu entscheiden. Zum Ausdruck kommt dies in den Gesetzesvorbehalten die es der Legislative überlassen, öffentliche Belange zu definieren. Dabei erscheint das Gemeinwohl und seine Synonyme als unbestimmte Rechtsbegriffe innerhalb gesetzlicher Tatbestände, der konkrete Inhalt wird dem jeweiligen Kontext entsprechend näher bestimmt, gemäß den Regeln juristischer Interpretation.25 Einigkeit herrscht allein darüber, dass die Wahrung und Achtung der 20 Christoph Engel, Offene Gemeinwohldefinition, in: Rechtstheorie, Bd. 32, 2001, H. 1, S. 23 ff. 21 Dazu: Peter Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem. Eine Analyse von Gesetzgebung und Rechtssprechung, 2. Aufl. 2006. 22 Gunnar Folke Schuppert, Gemeinwohl, das. Oder: Über die Schwierigkeiten, dem Gemeinwohlbegriff Konturen zu verleihen, in: ders./Friedhelm Naidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, 2002, S. 19 (23). 23 Vgl. hierzu Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HStR IV, 2006, § 71 Rn. 71. 24 Dazu Josef Isensee, Verfassungsrecht als „politisches Recht“, in: HStR VII, 1992, § 162 Rn. 43 ff.; Matthias Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 72 ff. m. w. N. 25 Zur Auslegung des Gemeinwohls als Tatbestandsmerkmal eines Gesetzes Fritz Ossenbühl, Rechtliche Probleme der Investitionskontrolle gemäß § 4 Energiewirtschaftsgesetz, 1988, S. 25 ff. m. w. N.; Hasso Hofmann, Verfassungsrechtliche Annäherungen an den Begriff des Gemeinwohls, in: Herfried Münkler/Karsten Fischer (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Bd. III, 2002, S. 25 f.
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Würde des Menschen das höchste aller Ziele und durch kein anderes Ziel relativierbar ist. Lässt also das Grundgesetz weitgehend offen, wie die richtige Ordnung des Gemeinwesens inhaltlich auszusehen hat, so bedarf es klarer Vorgaben über Kompetenz und Verfahren zur Bestimmung des Inhalts.26 Es bedarf eines formellen Ausgleichs des materiellen Defizits. Der klassische Vertreter dieser Grundmaxime des modernen Staates ist Thomas Hobbes:27 „salus publica suprema lex“. Danach entscheide der Souverän, was die salus publica – ein glückliches Leben im Diesseits – in der konkreten Lage erfordere. Dieser habe das Recht des letzten Wortes, mit dem dann aber auch die Rechtspflicht des Bürgers zum Gehorsam einsetze. Möge der Bürger auch weiter räsonieren und eine andere Entscheidung für gemeindienlich halten, er müsse dem Normbefehl folgen, und zwar nicht deshalb, weil dieser inhaltlich richtig sei, sondern weil er von der richtigen Stelle ausgehe. So wird die Frage nach dem richtigen Inhalt des Rechts verdängt durch die Frage nach der richtigen Kompetenz, den Inhalt zu bestimmen. Die Kompetenzordnung ist so ihrerseits ein wichtiges Element des Gemeinwohls, bietet aber an sich keine eigentliche Substanz. Niklas Luhmann folgerte weiter: Das Verfahren als wirkliches Geschehen suche nicht nach vorgegebener Wahrheit, sondern erzeuge seine eigene, formelle Wahrheit, auf die sich die Beteiligten, lernwillig wie sie seien, einrichteten. Genau hierin liegt die Vorstellung einer Entsubstantialisierung und Prozeduralisierung des Gemeinwohls. Je unbestimmter normative Entscheidungsprogramme inhaltlich formuliert sind, umso mehr Gewicht ist dem Verfahren beizumessen, um diesem kompensatorische Wirkung zukommen zu lassen. Das Verfahren kann der Idee des Gemeinwohls Substanz zuführen, es kann sie sicherlich nicht vollständig ersetzen – die Idee des Gemeinwohls liegt dem Verfahren voraus. „[Das Verfahren] soll in Form öffentlicher Entscheidungsfindung durch den Zwang zu Transparenz von Argument und Kritik eine rationalere, sachgerechtere und daher von allen Beteiligten umso eher akzeptierte Konkretisierung des Gemeinwohls gewährleisten. Das Gemeinwohl der demokratischen Gesellschaft soll so stets neu entstehen. Fassbar ist es nicht als Ergebnis, sondern als Prozess“.28 Nach Peter Häberle: ‚salus publica ex processu‘.29 26 Vgl. Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HbStR IV, § 71, Rn. 89. 27 Thomas Hobbes, De cive, XIII, 6. 28 Michael Stolleis, Gemeinwohl, in: R. Herzog/K. Schlaich/W. Schneemelcher (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl. 1987, Sp. 1061–1064. 29 Peter Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem. Eine Analyse von Gesetzgebung und Rechtssprechung, 2. Aufl. 2006.
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II. Kooperativer Staat und kooperatives Recht Dem Recht, als dem wichtigsten Handlungsinstrument des Staates30 zur Umsetzung seiner politischen Steuerungskonzepte wird in seiner klassischen Form des in der Regel imperativ und final ausgerichteten Handlungsinstrumentariums eine abnehmende Steuerungsleistung attestiert.31 Um den jeweiligen Steuerungsauftrag angemessen zu erfüllen, muss Recht dem rasanten gesellschaftlichen Wandel gerecht werden.32 Es bedarf flexibler Rechtsstrukturen, die in der Lage sind, auf komplexe gesellschaftliche Problemlagen zu reagieren und die Verwirklichung des Gemeinwohls unter den Bedingungen von Technologisierung und Globalisierung zu gewährleisten. Die Gemeinwohlbestimmung als Prozess bildet die Grundlage eines Gemeinwesens in einem ‚kooperativen Staat‘. Der Begriff des ‚kooperativen Staates‘ begann bereits während der 1980er Jahre die deutsche Staatstheorie zu durchdringen,33 nachdem er für die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft34 und dann zur Charakterisierung des Wandels der staatlichen Steuerungsfunktion35 entwickelt wurde. Damit wird eine Form staatlicher Aufgabenerfüllung beschrieben, die auf die verbundweise Bewältigung staatlicher Aufgaben, insbesondere solcher, die über die klassischen Staatsfunktionen der Gewährleistung physischer Sicherheit hinausgehen, ausgerichtet ist.36 Die Bezeichnung des Staates als ‚kooperativ‘ stellt einen Gegenentwurf zu dem einseitig regulierenden, hoheitlichen Staat dar und bringt eine Verschränkung der Koordinierungsformen Hierarchie und Verhandlung zum Ausdruck.37 An die Stelle souveräner, regulativ-finaler Entscheidungsfor30 Zur Steuerung durch Recht, vgl. Rüdiger Voigt, Grenzen rechtlicher Steuerung. Zur Brauchbarkeit des Rechts als Steuerungsinstrument, in: ders. (Hrsg.), Rechts als Instrument der Politik, 1986, S. 14–34. 31 Wolfgang Hoffmann-Riem, DVBl 1994, 1381; ders. DÖV 1997, 433; HansHeinrich Trute, DVBl 1996, 950; Rolf Schmidt, VerwArch 91 (2000), 149 (150 f.). 32 s. dazu insgesamt Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann/Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts – Grundfragen, 1993; Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee – Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, 2006; Rainer Schröder (Hrsg.), Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, 2007. 33 Vgl. die Beiträge in Thomas Ellwein/Joachim J. Hesse/Renate Mayntz/Fritz W. Scharpf, Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft Bd. 1, 1987. 34 Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 612 ff. 35 Ernst-Hasso Ritter, in: Dieter Grimm, Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsaufgaben des Rechts, S. 69 ff. (105). 36 Vgl. Hans-Hermann Hartwich, Die Suche nach einer wirklichkeitsnahen Lehre vom Staat, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zu der Wochenzeitung ‚Das Parlament‘, Heft B 46/47, 1987, S. 3 ff. 37 Vgl. Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 57 und insb. 34 ff.
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men treten vielfältige – formelle und informelle – Kooperationsformen38 zwischen Staat und Gesellschaft. Zum einen kann der kooperative Staat sich im Rahmen der Normsetzung ausdrücken, indem er beispielsweise in Vorarbeiten der Gesetzgebung nichtstaatliche Akteure mit einbezieht oder aber ganze Bereiche der Rechtssetzung privaten Regimen überlässt.39 In erster Linie kommt die kooperative Aufgabenerfüllung jedoch im Rahmen des Normvollzugs zum Ausdruck. Deutlichstes Beispiel im deutschen Verwaltungsrecht ist der öffentlichrechtliche Vertrag, geregelt in § 54 VwVfG. Was kooperative Rechtsstrukturen charakterisiert, kann wie folgt beschrieben werden:40 „Von kooperativem Recht ist die Rede, wenn kooperatives Verwaltungshandeln auf die eine oder andere Art und Weise vom Gesetz- und Verordnungsgeber bewusst oder unbewusst programmiert wurde. Ganz offensichtlich ist dies bei Planfeststellungsverfahren oder bei Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Nur graduell weniger deutlich offenbart sich kooperatives Recht, wenn durch den Einbau sekundärer Elastizitäten in Rechtsnormen – beispielsweise durch unbestimmte Rechtsbegriffe – eine stark am jeweiligen Einzelfall ausgerichtete Informationsbeschaffung, -verarbeitung und Entscheidung programmiert wurde und sich auch die Rechtsprechung bei der Ausfüllung von derartiger Verwaltungsautonomie zurückhält. Schließlich äußert sich kooperatives Recht auch, wenn kooperatives Verwaltungshandeln zumindest ermöglicht und nicht strikt unterbunden wird“. Zudem kann kooperatives Recht in drei Problemkreisen unterschieden werden:41 In einem ersten Problemkreis geht es um Rechtsformen des kooperativen Verwaltungshandelns durch Verwaltungsverträge oder ausgehandelte Verwaltungsakte. In einem zweiten um verfahrensrechtliche Regeln des Zustandekommens von Verwaltungsentscheidungen. In einem dritten Problemkreis geht es um Empfehlungen zur Gesetzesauslegung aufgrund vorheriger Abklärung mit Verbänden, Konsultationen, Abstimmungen, Vorverhandlungen, Arrangements, Agreements, Vorabzuleitungen von Entscheidungsentwürfen, Selbstbeschränkungsabkommen oder die Einbeziehung neutraler Dritter ect. Es handelt sich also um unterschiedliche Formen der Rechtserzeugung, Rechtskonkretisierung und des Rechtsvollzugs unter Einbeziehung privater Akteure auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Grenzen. 38 Auch als Verhandlungssysteme oder Netzwerke bezeichnet, vgl. m. w. N. Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 57. 39 Dazu Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 62 f. m. w. N. 40 Nicolai Dose/Rüdiger Voigt (Hrsg.), Kooperatives Recht, 1995, S. 11 (12 f.). 41 Helmuth Schulze Fielitz, Kooperatives Recht im Spannungsfeld von Rechtsstaatsprinzip und Verfahrensökonomie, DVBl 1994, S. 657.
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Grundlage der Erkenntnisse über kooperative Rechtsstrukturen – und damit auch Grundlage des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit – ist eine erweiterte Perspektive auf das Recht als Steuerungsinstrument (1.). Eine deutliche Ausformung kooperativer Rechtsstrukturen findet sich unter dem Titel der ‚regulierten Selbstregulierung‘ (2.), die in Form ‚prozeduralen Rechts‘ eine beispielhafte Art der Umsetzung findet (3.). Kooperative Steuerung bringt Vor- und Nachteile mit sich (4.). 1. Die Steuerungstheorie – eine neue Perspektive auf das Recht Die Steuerungstheorie ermöglicht als erweiterte Perspektive auf das Recht eine kreativere Verarbeitung und Weiterentwicklung bereits bestehender und neuer Strukturen im Recht. Ihr Fokus ist die Wirkungsdimension des Rechts. Im Unterschied dazu war seit Mitte des 19. Jahrhunderts die sogenannte Juristische Methode in der deutschen Tradition vorherrschend.42 In ihr wird die Schwerfälligkeit des deutschen Rechtssystems und die Schwierigkeit einer Anpassung an moderne Lebenswirklichkeiten offenbar. Sie ist wohl weniger ein fest umrissener Forschungsansatz, als vielmehr die Begrifflichkeit für einen Methodenkanon, den einige Gemeinsamkeiten auszeichnen. Kennzeichnendes Charakteristika dieser Methode ist eine rechtsaktbezogene Perspektive:43 Demnach besteht die Rechtsordnung aus einem Geflecht von geschriebenen oder ungeschriebenen, individuellen oder generellen normativen Aussagen, welche unabhängig von den tatsächlichen Aufgaben der Verwaltung44 isoliert untersucht werden können. Gegenstand 42 Dazu ausführlich und m. w. N. Walter Krebs, Die Juristische Methode im Verwaltungsrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 209 ff. 43 Vgl. Christian Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, 2004, S. 75–78; ders., Die Entwicklung der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Methodik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 73 ff.; exemplarisch dazu Günter Winkler, Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, in: Felix Ermacora (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, S. 9 f.: „Sich der juristischen [. . .] Methode bedienen, heißt zunächst, alles das und nur das als zum Gegenstand gehörig zu betrachten, was durch Rechtsvorschriften, also durch Normen erfasst ist, die dem geltenden Recht angehören.“ 44 Vgl. insofern Otto Bachdorf, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL, Bd. 30 (1972), S. 193 (223–230). Für eine Neuorientierung dagegen Ernst Forsthoff, VerwR, S. 368 f., sowie Peter Badura, VerwR, S. 20 ff.; ders., Die Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck der Leistungsverwaltung und der soziale Rechtsstaat, DÖV 1966, S. 624 (627); aus neuerer Zeit vgl. Rainer Wahl, Die Aufgabenabhängigkeit von Verwaltung und Verwaltungsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann/Gunnar Folke
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ist allein der positive Rechtsstoff. Die mit dieser Betrachtungsweise verbundene radikale Reduktion und Einengung des Wahrnehmungsfeldes der Arbeitsperspektive erklärt sich historisch aus der Ablösung der bis dahin überkommenen staatswissenschaftlichen Perspektive,45 die sich mit den Aufgaben des Staates und deren effizienter Erledigung beschäftigte und die vielgestaltigen Betätigungsfelder des Staates in deskriptiver Form zu ordnen suchte. Einhergehend mit der Juristischen Methode interessierte man sich dann nicht länger dafür, was die öffentliche Hand im Einzelnen tat, sondern konzentrierte sich auf bestimmte rechtliche Kristallisationspunkte, die man um ihrer selbst willen zu ordnen, zu durchdringen und zu verstehen suchte.46 Wurden Rechtsakte anfänglich noch als Ausdruck des Staatswillens interpretiert, so übernahm, nachdem das Willensdogma gebrochen war, die Verfassung als extraordinärer Rechtsakt diese Aufgabe.47 Zielsetzung dieser Betrachtungsweise war von Anfang an, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die öffentliche Verwaltung an das demokratisch legitimierte Gesetz zu binden.48 Aufgrund der Tatsache, dass die Kontrolle der Einhaltung dessen nach der Konzeption des Grundgesetzes den Verwaltungsgerichten obliegt,49 gilt auch die primäre Aufmerksamkeit dieser Perspektive der abschließenden staatlichen Entscheidung und weniger dem internen Entscheidungsfindungsprozess und seinen Bestimmungsfaktoren.50 Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 177 ff.; Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Aufgabe als Schlüsselbegriff der Verwaltungsrechtswissenschaft, VerwArch, Bd. 71 (1980), S. 309 ff.; Susanne Baer, Verwaltungsaufgaben, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhardt Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 11. 45 M. w. N. Christian Bumke, Die Entwicklung der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Methodik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 73 (76). 46 Christian Bumke, ebd. m. w. N. 47 Ebd. 48 So Walter Krebs, Die juristische Methode im Verwaltungsrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 209 (214) unter Hinweis auf Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Allg. Teil, 10. Aufl. 1973, S. 51 ff. i. V. m. S. 29. Vgl. auch Reimund Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1999, S. 145–159. 49 Krit. zur „Reduzierung des Verwaltungsrechts zum Maßstab (nur) der Fehlerhaftigkeit und die der Verwaltungsrechtswissenschaft zur Fehlerlehre“ Wolfgang Hoffmann-Riem, Verwaltungsreform – Ansätze am Beispiel des Umweltrechts, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann/Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 115 (125). 50 So Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 4. Kap. Rn. 73–75; Hans-Heinrich Trute, Methodik der Herstellung und Darstellung verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/
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Weiterhin kennzeichnend für die Juristische Methode sind die systematische Vorgehensweise51 sowie die Ausbildung von Rechtsdogmatik52. Die Entwicklung der Juristischen Methode ist mithin durch die Beschränkung auf die systematische Durchdringung des Rechtsstoffes charakterisiert und insofern von ihrem Selbstverständnis her – anders als die gegenwärtige Entwicklung der Verwaltungsrechtswissenschaft hin zur ‚Steuerungswissenschaft‘ – nicht interdisziplinär.53 Zwar gehört auch zur Juristischen Methode das Instrumentarium einer ‚Folgendiskussion‘;54 diese dient aber der Überprüfung eines juristisch gefundenen Ergebnisses, orientiert sich in der Regel an der richterlichen Konstruktion des ‚Falles‘ nach Maßgabe der Regeln der Beweiswürdigung und mithin nur auf einen sehr kleinen Ausschnitt der ‚Wirklichkeit‘.55 Die steuerungstheoretische Perspektive erklärt sich dagegen aus einem Interesse an der Wirkungsdimension des Rechts in der Lebenswirklichkeit und seiner Problemlösungsfähigkeit. Sie eröffnet – im Gegensatz zur Juristischen Methode – einen theoretischen Rahmen, in dem die komplexen Wirkungsweisen des Rechts als zentralem Steuerungsmedium näher analysiert werde können. In diesem Sinne und bei Anknüpfung an einen handlungsorientierten Steuerungsbegriff, wie er insbesondere von Renate Mayntz56 und Fritz Scharpf 57 unter der Bezeichnung „akteurszentrierter InWolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 293 ff. 51 Historisch gesehen ging es um die Formung eines Rechtssystems bei einer in systematischer Hinsicht nur rudimentären Ordnung im Öffentlichen Recht. Vgl. m. w. N. Walter Krebs, Die juristische Methode im Verwaltungsrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 209 (214). 52 Rechtsdogmatik ist insofern das Mittel, sich vom Recht zur Entscheidung leiten zu lassen, vgl. Walter Krebs, Die juristische Methode im Verwaltungsrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 209 (215). 53 Vgl. Wolfgang Hoffmann-Riem, Methoden einer anwendungsorientierten Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang HoffmannRiem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 9 (58). 54 Vgl. Wolfgang Hoffmann-Riem, ebd., S. 9 (38 f., 45 f., 49 f.) und Walter Krebs, Die juristische Methode im Verwaltungsrecht, in demselben Band, S. 209 (215) m. w. N. 55 So Andreas Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhardt Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 1, Rn. 29. 56 Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme – Anmerkungen zu einem theoretischen Paradigma, Thomas Ellwein/Joachim Jens Hesse/Renate Mayntz/Fritz W. Scharpf (Hrsg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Bd. 1, 1987, S. 89 ff.
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stitutionalismus“58 herausgearbeitet wurde, setzt politische Steuerung also ein Steuerungssubjekt – mithin einen Steuerungsakteur – voraus, es bedarf eines Steuerungsobjekts, auf das steuernd eingewirkt werden soll, eines Steuerungsziels sowie der Steuerungsinstrumente. Zudem bedarf es eines Steuerungswissens, d.h. gewisser Vorstellungen über die Wirkungsbeziehungen zwischen Steuerungsaktivitäten und Steuerungsergebnissen. Die Steuerungsperspektive ermöglicht so eine Ausdifferenzierung und Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes, indem sie für die Vielfalt der mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betrauten Steuerungsakteure59 sensibilisiert, eine Einbeziehung anderer Steuerungsmedien, wie etwa Markt, Personal und Organisation erlaubt und den Blick für die zur Verfügung stehenden Steuerungsinstrumente öffnet, die ihrerseits vor dem Hintergrund der jeweiligen Motivations- und Interessenlage der unterschiedlichen Steuerungsadressaten, wie Bürger, Wirtschaftsunternehmen, Verbände, Behörden ect., untersucht werden können. Auf der Basis von Steuerungstypologien60 können sodann übergreifende Wirkungszusammenhänge und Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Steuerungssubjekten, -objekten, -medien und -instrumenten untersucht und Vor- und Nachteile einzelner Steuerungskonzepte herausgearbeitet werden.61 So treten neben genau definierte Handlungsformen (z. B. Verwaltungsakt, Verwaltungsvertrag, Rechtsverordnung, Realakt), juristische Begriffe und fest umrissene Institute (z. B. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, Ermessen, unbestimmter Rechtsbegriff, subjektiv öffentliches Recht) sowie dogmatisierte Rechtsprinzipien (z. B. Verhältnismäßigkeit, Vertrauensschutz) neue Aufmerksamkeitsfelder (z. B. Implementierbarkeit, Innovation), interdisziplinäre ‚Verbundbegriffe‘62 57 Verhandlungssysteme, Verteilungskonflikte und Pathologien der politischen Steuerung, Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Staatstätigkeit. International und historisch vergleichende Analysen, 1988, S. 61 ff. 58 Zusammenfassend Renate Mayntz/Fritz W. Scharpf, Der Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus, in: dies. (Hrsg.), Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung, 1995, S. 39 ff. Ferner Fritz W. Scharpf, Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, 2000. 59 s. dazu Thomas Groß, Die Verwaltungsorganisation als Teil organisierter Staatlichkeit, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhardt Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 13, Rn. 63 ff. 60 Eingehende Systematisierung der Typen von Steuerungsinstrumenten und Steuerungsmodi z. B. bei Klaus König/Nicolai Dose, Klassifikationsansätze zum staatlichen Handeln, in: dies. (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 13–123. 61 s. Martin Eifert, Regulierungsstrategien, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhardt Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 19; Ferner Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 455 ff. 62 Hans-Heinrich Trute, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich ändernden Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, in: Gunnar Folke
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(z. B. Effizienz, Information, Kommunikation), neuartige Regulierungsstrategien (z. B. Ökonomisierung, Prozeduralisierung, Privatisierung) und Auswahlsituationen (z. B. instrumental choice, institutional choice, regulatory choice)63. Auf diese Weise wird die rein rechtsaktbezogene Betrachtungsweise der Juristischen Methode ergänzt und teilweise abgelöst durch eine problemorientierte Handlungsperspektive, mit der eine Erweiterung des handwerklichen Instrumentariums einhergeht.64 Sie ermöglicht ein Reagieren auf die Lebenswirklichkeit in einem breiteren Kontext, indem sie die tatsächlichen Problemlagen, die tatsächlichen Aufgaben der Verwaltung in den Blick nimmt und zu verarbeiten sucht. Die skizzierte akteurszentrierte Steuerungstheorie65 plädiert bei der Beurteilung staatlicher Steuerungsmöglichkeiten für eine „neue Staatlichkeit“ oder eine „neue Architektur des Staates“, womit sie neue institutionalisierte Kooperations- und Kommunikationsformen zwischen wichtigen sozialen Akteuren und politisch organisierten Interessen einerseits, sowie dem Staat bzw. staatlichen Untergliederungen andererseits einfordert.66 Diese neuen institutionalisierten Kooperations- und Kommunikationsformen zwischen Staat und Gesellschaft bilden die Grundlage für den sogenannten ‚kooperativen Staat‘.67 Aus dem Blickwinkel der akteurszentrierten Theorie wird ein Perspektivwechsel vom modernen, souveränen Staat hin zu einem kooperativen Staat möglich, der nicht mehr hierarchisch steuert, sondern politische Fragen in intermediären Verhandlungssystemen ‚aushandelt‘.68 Die Akteurstheorie entwirft ihre Konzepte vor dem Hintergrund der Handlungen individueller und korporativer Akteure und rückt damit deren Interaktionen in das Zentrum der Betrachtung. Von einem akteurszentrierten Verständnis aus wird Steuerung als „kommunikative HandlungsbeeinSchuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, S. 13 (14). 63 Dazu Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungsorganisation als Steuerungsfaktor, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhardt Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 16, Rn. 174 ff. 64 So Andreas Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhardt Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 1, Rn. 11. 65 Für einen Überblick s. Renate Mayntz/Fritz W. Scharpf, Steuerung und Selbstorganisation in staatsnahen Sektoren, in: dies. (Hrsg.), Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung, 1995, S. 39 ff. 66 Josef Esser, Der kooperative Nationalstaat im Zeitalter der „Globalisierung“, in: Diether Döring (Hrsg.), Sozialstaat in der Globalisierung, 1999, S. 117 ff. (122 m. w. N.). 67 s. dazu z. B. m. w. N. Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 55 ff. 68 Vgl. ebd., S. 30.
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flussung“ zur gemeinwohlorientierten Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse verstanden.69 Die steuerungstheoretische Perspektive legt damit den Grundstein zur Umsetzung eines neuen Verständnisses von Staat und Gesellschaft, durch Eröffnung neuer Handlungsinstrumentarien zur Gestaltung des Gemeinwesens auf der Basis kooperativer Prozesse. Sie ermöglicht erst das Verständnis von Staat und Gesellschaft als kommunizierende, gleichermaßen verantwortliche Teile eines Ganzen, indem sie den Blick für kooperative Steuerungsinstrumente öffnet, weg von einer hierarchischen Einbahnstraße. 2. Steuerung durch Kooperation in Form der ‚regulierten Selbstregulierung‘ Kooperative Steuerung kann am deutlichsten mit der sogenannten ‚regulierten Selbstregulierung‘ beschrieben werden: Staatliche Steuerung definiert sich als Herstellung einer sozialen Ordnung,70 oder genauer: als die bewusste und zielgerichtete Veränderung gesellschaftlicher Zustände durch staatliche Steuerungsinstanzen, wie etwa Parlament, Regierung, Ministerialbürokratie und sonstige Verwaltung sowie oberste Gerichte.71 Als Gegenteil dazu beschreibt die gesellschaftliche Selbstregulierung die individuelle oder kollektive Verfolgung von Privatinteressen in Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten zum legitimen Eigennutz.72 Zwischen diesen beiden Polen befindet sich das Konzept der ‚regulierten Selbstregulierung‘,73 wobei meh69 Klaus König/Nicolai Dose, Referenzen staatlicher Steuerung, in: dies. (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 519 f. m. w. N.; Renate Mayntz, Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme – Anmerkungen zu einem theoretischen Paradigma, in: Thomas Ellwein/Joachim Jens Hesse/ dies./Fritz W. Scharpf (Hrsg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft Bd. I (1987), S. 89 ff. (91 ff.). 70 Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL Bd. 56 (1997), S. 160 ff. (163). 71 Matthias Schmidt-Preuß, ebd.: „Staatliche Steuerung ist jede Gestaltung der Lebensverhältnisse durch einen Träger der öffentlichen Gewalt“. 72 Ebd. S. 162 f. 73 Grundlegend Wolfgang Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnung – Systematisierung und Entwicklungsperspektiven, in: ders./Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitge Auffangordnung, 1996, S. 261 ff. (300); siehe auch Andreas Finckh, Regulierte Selbstregulierung im Dualen System. Die Verpackungsverordnung als Instrument staatlicher Steuerung, 1998, S. 44 ff.; Eberhard Schmidt-Aßmann, Regulierte Selbstregulierung als Element verwaltungsrechtlicher Systembildung, Die Verwaltung, Beiheft 4, 2001, S. 253 ff. (254 ff.); Jens-Peter Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation. Eine vergleichende Unter-
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rere abgestufte Arten sozialer Handlungskoordination bzw. Interaktionsformen existieren, denen jeweils ein unterschiedliches Maß an Autonomie bzw. Macht der beteiligten Akteure zugrunde liegt.74 In diesem Sinne stehen politische Steuerung und gesellschaftliche Selbstregulierung aus dem Blickwinkel der akteurszentrierten Steuerungstheorie nicht in einem Alternativverhältnis, sondern verschmelzen zu einer Mischform.75 Unter diesen Vorzeichen beschreibt Steuerung durch Kooperation nicht einen Rückzug des Staates, sondern markiert einen Formenwandel in der politischen Aufgabenerfüllung.76 Dieser Formenwandel politischer Aufgabenerfüllung bildet die Basis für ein neues Verständnis von Staat und Gesellschaft. Die rechtswissenschaftliche Theorie der regulierten Selbstregulierung verbindet Elemente von Hierarchie und Verhandlung, wobei letztere eine Brücke schlägt zwischen privaten Entscheidungen, welche die eigenen Verhaltensmaßstäbe der Beteiligten sichern sollen, und den hoheitlich wahrgenommenen Tätigkeiten des Staates, bei denen es sich um Steuerung mit einem spezifischen, über den Einzelfall hinausgehenden Ordnungszweck handelt.77 Regulierte Selbstregulierung zielt darauf, die Eigendynamik gesellschaftlicher Teilbereiche zu respektieren und zugleich zu nutzen, indem sie Raum für die Einbringung von privatem Wissen, privater Initiative, Interessen und Wertungen eröffnet. So kann sich regulierte Selbstregulierung besser auf veränderte Steuerungsbedingungen einstellen und die Lebenswirklichkeit besser verarbeiten, indem sie Informationskapazitäten und die suchung der Reform des britischen, amerikanischen, europäischen und deutschen Energierechts, 1999, S. 41 ff. m. w. N.; Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung: Zum Denken in Verantwortungsstufen, Die Verwaltung Bd. 31 (1998), S. 415 ff.; Hans-Heinrich Trute, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, DVBl 1996, S. 950 ff. 74 Renate Mayntz, Der Ansatz akteurszentrierten Institutionalismus, in: dies./Fritz W. Scharpf (Hrsg.), Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung, 1995, S. 39 ff. (61 f.). 75 Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung: Zum Denken in Verantwortungsstufen, Die Verwaltung Bd. 31 (1998), S. 415 ff. (437 f.). 76 Ebd. 77 Hierzu und zum Folgenden: Eberhard Schmidt-Aßmann, Regulierte Selbstregulierung als Element verwaltungsrechtlicher Systembildung, Die Verwaltung Beiheft 4 (2001), S. 253 ff. (254 f.); grundlegend Wolfgang Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen – Systematisierung und Entwicklungsperspektiven, in: ders./Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 261 ff. (300 ff.); Jens-Peter Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation. Eine vergleichende Untersuchung zur Reform des britischen, amerikanischen, europäischen und deutschen Energierechts, 1999, S. 41 ff., 123 ff., 525 ff.; s. a. die übrigen Beiträge in Die Verwaltung Beiheft 4 (2001).
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Eigenlogik gesellschaftlicher Teilbereiche besser nutzt. Durch die Bindung an prozedurale Regeln kann die regulierte Selbstregulierung an gemeinwohlorientierten Rahmenbedingungen ausgerichtet werden; die Einbeziehung privater Akteure unter Ausnutzung der Verwirklichung von Eigeninteressen kann durch entsprechende prozedurale Arrangements gleichzeitig auf die Verwirklichung von Belangen der Allgemeinheit hin gesteuert werden. Auf diese Weise kann, verkürzt gesagt, der Eigennutz der Verwirklichung von Allgemeininteressen dienen. Die regulierte Selbstregulierung stellt damit die theoretische Grundlage für die Entwicklung moderner Lösungsarrangements bereit, die in der Lage sind flexibel auf sich stetig wandelnde gesellschaftliche Lebensumstände zu reagieren und immer neue Wissensressourcen zu erschließen. Auf dieser Grundlage fußt auch die Entwicklung des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit. 3. Kooperationssysteme in Form ‚prozeduralen Rechts‘ Ein Instrument zur Umsetzung regulierter Selbstregulierung bietet das Konzept des ‚prozeduralen Rechts‘. Sein Charakteristikum besteht darin, dass die inhaltlichen Maßstäbe erst in einem ‚kommunikativen Anwendungsprozess‘ für den und in dem Einzellfall entwickelt werden.78 Den Adressaten sind dabei nicht von vornherein inhaltliche Maßstäbe aufgegeben, sondern diese sollen erst im Zuge der Rechtsanwendung unter Mitwirkung der Betroffenen ermittelt werden.79 Die eigentliche Regelungssubstanz und ihre Anwendung gehen ineinander auf. Kontrolliert und reguliert regulatives Recht gesellschaftliche Verhaltensweisen unmittelbar, so soll prozedurales Recht der Handlungskoordination zwischen sozialen Akteuren dienen und auf Konfliktlösung in Form der Kommunikation durch rechtlich geregelte Koordination zielen.80 Prozeduralisierung soll allerdings nicht die Ablösung aller Inhalte durch Verfahren oder den vollständigen Verzicht auf materielle Werte bedeuten und es ist auch nicht zu verwechseln mit Organisations- oder Verfahrensrecht.81 Vielmehr kann prozedurales Recht dem regulativen Recht vorgelagert sein, indem es die Beteiligung der von regulativem Recht Betroffenen bzw. der an ihm Interessierten regelt.82 Als Beispiel kann die Umweltverträglichkeits78
s. dazu die Literatur ebd. Ebd. 80 Vgl. Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 52. 81 So etwa Thomas Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht. Gundlagen – Elemente – Perspektiven, 1997, S. 99 f. 82 Vgl. Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 52. 79
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
prüfung herangezogen werden, die unten83 noch als zweite Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit näher beleuchtet wird. Unter dem Titel des prozeduralen Rechts wird lediglich versucht, eine prozedurale Form der Ermittlung regulativer Rechtssätze zu etablieren.84 Allerdings beinhaltet das Konzept wohl auch eine Ausdehnung allein prozedural geregelter Lebensbereiche auf Kosten regulativen Rechts und es stellt eine verstärkte Abhängigkeit der Legitimität des Rechts von Gesichtspunkten prozeduraler Rationalität her, wodurch ein Umdenken bezüglich traditioneller Vorstellungen rechtlicher Rationalität erforderlich wird: Nicht mehr von der formalen Rationalität des Entscheidungsprodukts, sondern von der prozeduralen Rationalität des Entscheidungswegs muss der Rechtsstaat demnach gedacht werden.85 Auf diese Weise sollen die Wirkungsdefizite regulativer Politik durch eine weitgehende Partizipation sozialer Akteure bei der Setzung regulativen Rechts korrigiert werden. Prozedurales Recht regelt die Repräsentation der Mitglieder der Gesellschaft bei den sie betreffenden Entscheidungen, indem es den Präferenzen der Bürger eine institutionelle Ausdrucksmöglichkeit gibt;86 es eröffnet Arenen, welche die Repräsentation vorwiegend nicht organisierbarer Interessen ermöglichen sollen.87 Das Konzept prozeduralen Rechts stellt eine Aufwertung des uns bekannten, herkömmlichen Verwaltungsverfahrensrechts dar, indem das Entscheidungsprodukt erst im Verfahren, unter Mitwirkung der Betroffenen, generiert wird. Dies bietet die Lösung komplexer Sachverhalte durch die Gewährleistung von Flexibilität und die Ermöglichung der Wissensgenerierung mit Hilfe der beteiligten Interessengruppen, welche über ein besseres Fachwissen der jeweiligen Materie verfügen. Durch eine breite Beteiligung von Betroffenen bzw. Interessierten fördert das Konzept die Schaffung von Transparenz und Akzeptanz einer Entscheidung. Der Staat erfüllt dabei die Funktion eines ‚Supervisors‘ oder ‚Moderators‘, der durch die Vorgabe der ‚Kooperationssysteme‘ in Form des prozeduralen Rechts die Einzelinteressen der Beteiligten zum Wohle des Allgemeininteresses kanalisiert. Das bedeutet, dass der Staat, insbesondere in Gestalt des parlamentarischen Gesetzgebers – und damit das Volk in seiner Allgemeinheit – für eine entspre83
Kapitel 2, A.II. Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 52. 85 Ernst-Hasso Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 69 ff. (103). 86 Klaus Eder, Prozedurales Recht und Prozeduralisierung des Rechts. Einige begriffliche Klärungen, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 155 ff. (156, 162). 87 Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 53. 84
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chende Ausgestaltung der Kooperationssysteme im Sinne des Gemeinwohls zu sorgen hat. 4. Vor- und Nachteile kooperativer Steuerung Hierarchie stellt den herkömmlichen, typischen Modus staatlicher Steuerung dar: Staatliche Organe treffen für die Gesellschaft verbindliche Entscheidungen, die durch eine von diesen Organen eingesetzte und diesen verantwortliche Exekutive mit zumindest in der Reserve gehaltenen autoritativen, einseitig-hoheitlichen Mitteln – notfalls auch gegen die Präferenzen der der Hierarchie Unterworfenen durchgesetzt werden.88 In der Theorie ermöglicht Hierarchie die unbedingte Durchsetzung des staatlichen Willens, überkommener Weise mit den Mitteln interventionistischen Rechts.89 In demokratisch organisierten Gesellschaften werden die verbindlichen Entscheidungen durch eine parlamentarische Mehrheit getroffen, die ihrerseits wiederum durch allgemeine Wahlen legitimiert ist. Der Wille der gesellschaftlichen Mehrheit wird dann durch die Interaktionsform der Hierarchie umgesetzt.90 Dabei entfällt der Zwang zu einer Einigung, die Notwendigkeit eines Konsenses zwischen steuernder Instanz und gesteuerten Akteuren.91 Die Möglichkeit, sich über den Willen anderer (der Minderheit) hinwegzusetzen, bringt unabweisbare und in gewissem Maße notwendige Effizienzgewinne mit sich.92 Allerdings stellen die Sozialwissenschaften für das Funktionieren des ‚hierarchischen Staatsmodells‘ außerordentlich anspruchsvolle Bedingungen auf93, deren zunehmend schwierige Nachweisbarkeit die Wirkmacht hierarchischer Steuerung empfindlich beeinträchtigt94. Dem 88
Ebd, S. 37. Ebd, S. 36, zum interventionistischen Recht s. S. 4 ff. m. w. N. 90 Ebd. S. 37. 91 Vgl. Fritz W. Scharpf, Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, 2000, S. 283 ff.; siehe auch Elinor Ostrom, Governing the Commons. The Evolution of Instiutions for Collective Action, 1990, S. 8 ff. zur Diskussion über die Notwendigkeit hierarchischer (staatlicher) Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen. 92 Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 38. 93 Fritz W. Scharpf, Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des 20. Jahrhunderts, in: PVS Bd. 32 (1991), S. 621 ff. (624 f.): Vollständige Information über zu steuernde Teilssysteme, auf das Gemeinwohl gerichtete Handlungsorientierung des Inhabers der Staatsgewalt und kompetenzieller Zugriff hierarchischer Koordination auf alle Problemursachen und Verantwortung für Verantwortung für alle Entscheidungswirkungen; s. a. Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 6 ff. 94 Auch für klassische Bereiche staatsinterner Steuerung – den Behördenaufbau – wurde eine in der Entwicklung moderner Staatsaufgaben begründete „Destabilisie89
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Ordnungsmodell Hierarchie liegt demnach das Bild einer ausgesprochen statischen und unterkomplexen Gesellschaft zugrunde. Aus dieser Perspektive wird es umso aussichtsloser, den Anspruch auf gleichermaßen souverän-hierarchisches wie vernünftiges und richtiges staatliches Entscheiden zu verwirklichen, je komplexer und weitreichender die Ansprüche der Gesellschaft auf Gestaltung gesellschaftlicher, technischer oder sonstiger Probleme wird.95 Dagegen basiert der Konfliktlösungsmodus der Kooperation96 auf dem Prinzip der Einigung, es kommt eine Lösung zustande, an deren Entstehung und Abschluss alle von einer Entscheidung Betroffenen beteiligt sind.97 Dabei entscheidet eben nicht die Mehrheit, sondern die Gesamtheit aller Beteiligten im allseitigen Einverständnis. Die Teilnehmer einer Verhandlungslösung haben ein nicht unerhebliches Interesse an dem Gelingen der Verhandlung, da sie eigennützige Interessen mit der Verhandlung verfolgen. Eine Verhandlungslösung wird, bei unverfälschter Anwendung des Verhandlungsprinzips, nur zustande kommen, wenn sie die Gesamtheit der Beteiligten besser stellt, als ein Scheitern der Verhandlung98. Darin liegt zugleich ein Schwachpunkt von Verhandlungslösungen, da die Verhandlung scheitern muss oder sich sehr lange hinziehen wird, wenn einer der Beteiligten kein Interesse an einer Lösung hat, sondern mit dem status quo besser leben kann, als mit einer Veränderung.99 Der Aushandlungsmechanismus führt dazu, dass eine größere Vielzahl von Argumenten, Interessenpositionen und rung des Hierarchieprinzips“ konstatiert: vgl. Horst Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat. Genese, aktuelle Bedeutung und funktionelle Grenzen eines Bauprinzips der Exekutive, 1991, S. 153 f. 95 Vgl. auch Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 38. 96 Arthur Benz, Kooperative Verwaltung. Funktionen, Voraussetzungen und Folgen, 1994, S. 309 ff.; Dietmar Braun, Die politische Steuerung der Wissenschaft. Ein Beitrag zum „kooperativen Staat“, 1997, S. 29 ff., 47 ff., 370 ff.; Anja Geldsetzer, Selbstverpflichtungen und Mediationen als Verfahren kooperativer Umweltpolitik – theoretische Bezüge und praktische Umsetzungen, 2001, S. 33 ff.; Fritz W. Scharpf, Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, 2000, S. 197 ff. 97 Vgl. auch zum Folgenden bei Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 39. 98 s. zu ökonomischen Theorie Jack Knight, Institutionen und gesellschaftlicher Konflikt, 1997, S. 140 ff.; Douglas G. Baird/Robert H. Gertner/Randal C. Picker, Game Theory and the Law, 1994, S. 219 ff. 99 Gertrude Lübbe-Wolff, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht – Rechtsgrundsatz oder Deckmantel des Vollzugsdefizits?, NuR 1989, S. 295 ff. (302); Ernst-Hasso Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 69 ff. (80).
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Wissensbeständen in den Prozess einfließen.100 So generiert der Verhandlungsmechanismus durch die Beteiligung der unmittelbar Betroffenen bzw. ihrer Vertreter an einer Entscheidung eine größere Menge steuerungsrelevanter Information als gegenüber einem hierarchischen Entscheider offenbar würde. Auf diese Weise erschließt die Mitwirkung der an einer Entscheidung Interessierten deren Wissensressourcen,101 was wiederum zu einer geringeren Fehlerhaftigkeit, zu weniger gerichtlichen Überprüfungen getroffener Entscheidungen führt102 und zugleich Komplexitätsprobleme reduziert.103 Letzteres ist insbesondere dort von Bedeutung, wo die Komplexität von Aufgaben und Problemstellungen eine standardisierte Lösung verhindert; die staatliche Seite wird vielmehr zur Zusammenarbeit mit den Adressaten ihrer Entscheidung in Bezug auf den Austausch von Informationen und die Entwicklung von Lösungen gezwungen.104 Ferner ist die umfassende Umsetzung einer Verhandlungslösung wahrscheinlicher als die einer hierarchischen Lösung, da die Beteiligten die Entscheidung als die ‚ihre‘ akzeptieren.105 Durch die aktive Mitwirkung der Adressaten am Inhalt der 100 Auch zum Folgenden s. Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 39. 101 Insofern stellt sich die Mitwirkung des Bürgers als versteckte Ressource staatlichen Handelns dar, so für das Verwaltungshandeln: Hermann Hill, Das hoheitliche Moment im Verwaltungsrecht der Gegenwart, DVBl 1989, S. 321 ff. (326); siehe auch Ernst-Hasso Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 69 ff. (79); Hans-Georg Dederer, Korporative Staatsgewalt. Integration privater Interessen in die Ausübung von Staatsfunktionen. Zugleich eine Rekonstruktion der Legitimationsdogmatik, 2002, § 3; kritisch Peter Nahamowitz, Hierarchie und Kooperation als staatliche Handlungsmuster, in: Rüdiger Voigt (Hrsg.), Der Kooperative Staat. Krisenbewältigung durch Verhandlung?, 1995, S. 119 ff. 102 Udo Di Fabio, Vertrag statt Gesetz?, DVBl 1990, S. 338 ff. (341). 103 s. auch Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 40. 104 Arthur Benz, Verhandlungen, Verträge und Absprachen in der öffentlichen Verwaltung, Die Verwaltung Bd. 23 (1990), S. 83 ff. (86); Renate Mayntz, Entscheidungsprozesse bei der Entwicklung von Umweltstandards, Die Verwaltung Bd. 23 (1990), S. 137 ff. (141 ff.), die als ein Grundproblem bei der Setzung von Umweltstandards v. a. kognitive Unsicherheiten feststellt. 105 Christoph Engel, Selbstregulierung im Bereich der Produktverantwortung – Instrumente und deren Ausgestaltung, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis Bd. 9 (1998), S. 535 ff. (577); Wolfgang Hoffmann-Riem, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts als Aufgabe – Ansätze am Beispiel des Umweltschutzes, AöR Bd. 115 (1990), S. 400 ff. (414 f.); Lothar Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperierenden Verfassungsstaat. Normprägende und normersetzende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2002, S. 211; Ernst-Hasso Ritter, Der kooperative Staat. Bemerkungen zum Verhältnis von Staat und Wirtschaft, AöR Bd. 104 (1979), S. 389 ff. (411); ders., Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit
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Regeln kann sich deren Sicht auf das Regelungsanliegen verändern und so auch die Bereitschaft zur Akzeptanz belastender Maßnahmen erhöhen.106 Nachteile dieses Problemlösungsmodus ergeben sich allerdings mit Blick auf das Gemeinwohl: Eine Gemeinwohlorientierung der Handelnden wird nicht vorausgesetzt,107 die beteiligten Parteien verhandeln, wenn Verhandlungsgewinne zu erwarten sind, sie streben nach legitimem Eigennutz.108 Soweit der Verhandlungsmechanismus zur Herstellung gemeinwohlkonformer Ergebnisse eingesetzt wird, kann die ‚Richtigkeit‘ im Sinne der Gemeinwohlverwirklichung wegen der aus Sicht der Staatsorganisation zwingend altruistischen Zielvorgabe durch die Verwirklichung eines ‚egoistischen‘ Mechanismus nur in einem vorgegebenen Rahmen, etwa einem Kooperationssystem in Form prozeduralen Rechts sichergestellt werden. Soweit die Vorgaben des Gemeinwohls ihre Konkretisierung bereits ausdrücklich in gesetzlichen Rahmenbedingungen gefunden haben, stehen sie im Übrigen gar nicht mehr zur Disposition der Verhandlungspartner.109 Ein weiterer Nachteil besteht in der Zuordnung politischer und rechtlicher Verantwortung für die gefundene Lösung.110 Zweifelsfrei kann diese allein bei einem staatlichen Beteiligten liegen, jedoch kann auch dieser auf den Einfluss der anderen Verhandlungsteilnehmer verweisen, dem er sich zu beugen hatte. Eine Verunklarung von Verantwortungszusammenhängen kann die Folge sein. Auch der zeitliche und sachliche Mehraufwand einer Verhandlungslösung gegenüber einer hierarchischen Entscheidung kann zum Nachteil gereichen.111 des Rechts, 1990, S. 69 ff. (79); Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee. Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, 1998, S. 95 f.; Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, 2000, S. 815 ff.; Horst Sendler, Selbstregulierung im Konzept des Umweltgesetzbuches, in: Michael Kloepfer (Hrsg.), Selbst-Beherrschung im technischen und ökologischen Bereich. Selbststeuerung und Selbstregulierung in der Technikentwicklung und im Umweltschutz, 1998, S. 135 ff. (140); zur „betroffennahen Umsetzung“ s. Paul Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Josef Isensee/ders. (Hrsg.), HdbStR, 2. Aufl. 1996, Bd. III, § 59, Rn. 162. 106 Irene Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung. Verfahren zur Erarbeitung von Umwelt- und Technikstandards, 1995, S. 202. 107 Fritz W. Scharpf, Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des 20. Jahrhunderts, PVS Bd. 32 (1991), S. 621 ff. (625 f.). 108 Auch zum Folgenden Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 47. 109 Volker Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner. Empirie und Dogmatik verwaltungsrechtlicher Vereinbarungen zwischen Behörden und Bürger, 2000, S. 107 f. 110 Auch zum Nachfolgenden Florian Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, 2005, S. 48.
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III. Fazit Der gesellschaftliche Wandel, bedingt durch Technologisierung und Globalisierung bringt zunehmend komplexer werdende Problemlagen mit sich, die durch ein herkömmliches Verständnis von Staat und Recht nicht zu bewältigen sind. Eine demokratische Rechtsgemeinschaft fordert eine rationale Herrschaftsordnung. Zu deren Verwirklichung unter den Bedingungen des technischen Fortschritts und der damit einhergehenden Globalisierung entwickelt sich die moderne Gesellschaft zu einem Gemeinwesen, das seine Geschicke nicht allein hierarchisch, imperativ steuert, sondern zur Bewältigung komplexer Problemlagen kooperativ-konsensuale Steuerungsstrukturen herausbildet. So entsteht ein ‚kooperativer Staat‘, der seine Legitimationsgrundlage in der ‚salus publica ex processu‘ findet bzw. immer wieder von neuem sucht. Die Suche nach wirksamen Strukturen gesellschaftlicher Steuerung, die die komplexen Aufgaben des Gemeinwesens bewältigen können, bringt eine erweiterte Perspektive auf das Recht mit sich, die eine kreativere Verarbeitung und Weiterentwicklung bereits bestehender und neuer Strukturen im Recht ermöglicht. Deren Charakteristikum sind kooperativ-konsensuale Strukturen der Entscheidungsfindung, die eine Einbeziehung anderer Akteure ermöglichen. Im Unterschied zu einer herkömmlichen, in der Regel imperativ und final ausgerichteten Steuerung durch Recht, ist eine Verlagerung hin zu einer verfahrensbasierten, oder ‚prozeduralen‘ Ausgestaltung des Steuerungsmediums Recht zu beobachten. Sie ermöglicht, unter Einbeziehung auch nichtstaatlicher Akteure, die Lösung komplexer und einem ständigen Wandel unterzogener Sachverhalte. Beim Staat nicht vorhandenes Wissen kann so generiert werden und zu einer rationalen Entscheidungsfindung beitragen. Zudem kann auf diese Weise eine flexible und lernfähige Entscheidungsfindung gewährleistet werden, die aufgrund der Beteiligung betroffener oder interessierter Akteure zu einer größeren Akzeptanz der Entscheidung insgesamt führen kann. Die Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure birgt, mit Blick auf das Ziel der Gemeinwohlverwirklichung, stets die Gefahr überwiegender Partikular111 Carl Baudenbacher, Verfahren als Alternative zur Verrechtlichung im Wirtschaftsrecht?, ZRP 1986, S. 301 ff. (304); Hartmut Bauer, Informelles Verwaltungshandeln im öffentlichen Wirtschaftsrecht, VerwArch Bd. 78 (1987), S. 241 ff. (254 ff.); Hermann Hill, Das hoheitliche Moment im Verwaltungsrecht der Gegenwart, DVBl 1989, S. 321 ff. (326); Wolfgang Hoffmann-Riem, Selbstbindung der Verwaltung, VVDStRL Bd. 40 (1982), S. 187 ff. (203 ff.); Ernst-Hasso Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsenden Staatsaufgaben – Sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 69 ff. (79 f.); Hans-Werner Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 70.
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
interessen. Dies zu verhindern und trotzdem die Vorteile der Einbeziehung privater Akteure nutzbar zu machen, obliegt dem parlamentarischen Gesetzgeber. Er hat im Rahmen der Programmierung kooperativ-konsensualer Normstrukturen eine Grenzziehung vorzunehmen, die die Verwirklichung des Gemeinwohls im späteren Normvollzug sicherstellt.
B. Das Europarecht als Wegbereiter einer informierten Öffentlichkeit Nachdem dies die praktischen und theoretischen Hintergründe eines Konzepts der informierten Öffentlichkeit aufzeigt, sind dem Europarecht konkrete Regelungsarrangements für dessen Verwirklichung zu entnehmen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Herausbildung und Fortentwicklung moderner Regelungsarrangements ihren Ursprung und ihre treibende Kraft im Europarecht finden. Denn die ‚Entgrenzung‘ von Problemlagen fordert eine ‚Entgrenzung‘ der Regeln zu deren Lösung. Agiert die Gesellschaft bzw. ihre ausdifferenzierten, hochspezialisierten Teileinheiten in zunehmendem Maße grenzüberschreitend, so bedarf es zur gemeinwohlorientierten Steuerung ihres Verhaltens auch grenzüberschreitender Regeln. Diese müssen in der Lage sein, die gesellschaftlichen Vernetzungen einzufangen und zu verarbeiten. Nur so können sie wirken. Hier eröffnet die Europäische Union Möglichkeiten, die einem einzelnen Staat verschlossen blieben. Denn nur konzertierte, supranationale Regelungsarrangements können auf grenzüberschreitende Problemlagen angemessen reagieren. Die Besonderheit dieser Regelungsarrangements liegt allerdings darin, dass in ihrer Mitte ein aktiver Bürger steht, der seinen Beitrag zum Gelingen des europäischen Gemeinwesens beizutragen hat. Im Zentrum steht die Mitwirkung einer informierten Öffentlichkeit – sie bildet das grundlegende Konzept. Vorbilder dieses Konzepts finden sich im französischen Recht und im Recht Großbritanniens (I.). Zum Teil darauf aufbauend hat der EuGH – stets darum bemüht, die praktische Wirksamkeit des Europarechts in den Mitgliedstaaten sicherzustellen – in seiner Rechtsprechung verschiedene Mechanismen entwickelt, in denen der einzelne Bürger zur Gewährleistung des ‚effet utile‘ beiträgt (II.). In politischen Programmen der Europäischen Union gelangte die informierte Öffentlichkeit sodann zu einem umfassenden allgemeinen Konzept (III.), das seinen Niederschlag schließlich auch im Primärrecht der Union fand (IV.).
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I. Vorbilder des Europarechts Europarecht und nationales Recht bedingen sich in ihrer Entwicklung gegenseitig. So ist beispielsweise die Herausbildung eines europäischen Verwaltungsrechts geprägt von unterschiedlichen Konzepten einzelner Mitgliedstaaten, die dann in Form europäischer Rechtssetzung wiederum zurückwirken auf die nationalen Rechtsordnungen. Auf diese Weise unterliegen die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen – in unterschiedlichen Materien zu je unterschiedlichem Grad – europarechtlichen Einflüssen.112 Beschrieben wird dieses Phänomen mit einer ‚Europäisierung des Verwaltungsrechts‘113. Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit ist Ausdruck dieses Phänomens. Starke Einflüsse auf das Europarecht in Bezug auf die Rolle des Einzelnen haben insbesondere Impulse aus dem französischen Recht (1.). Das Recht Großbritanniens hatte maßgeblichen Einfluss auf das Umweltrecht der Europäischen Union. Hervorzuheben ist dabei der medienübergreifende Ansatz, der eine Gesamtschau sämtlicher Umweltauswirkungen fordert und daher von besonderer Komplexität geprägt ist. Dieser Ansatz macht eine Einbeziehung der Öffentlichkeit unerlässlich (2.). 1. Impulse aus dem französischen Recht Grundlage für die Impulse aus dem französischen Recht bildet das Verwaltungsprozessrecht, das den einzelnen Bürger wie selbstverständlich in die Verwaltungskontrolle einbezieht [a)]. Korrespondierend dazu werden ihm weitreichende Befugnisse in Bezug auf den Zugang zu Akten der öffentlichen Verwaltung [b)] und die Bürgerbeteiligung [c)] eingeräumt. a) Das Verwaltungsprozessrecht Der Vorbildcharakter des französischen Modells des Verwaltungsprozessrechts für das Konzept einer informierten Öffentlichkeit wird in einer Gegenüberstellung zu der Entwicklung des Rechtsschutzsystems in Deutschland besonders deutlich: In einem Zwischenzustand zwischen Monarchie und Demokratie entwickelte sich in Deutschland im 19. Jahrhundert ein 112
Vgl. dazu Jürgen Schwarze, Zukunftsaussichten für das Europäische Öffentliche Recht: Analyse im Lichte der jüngeren Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, 2010. 113 Vgl. m. w. N. Walter Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 1777 ff.; dazu etwa auch Dieter H. Scheuing, Europäisierung des Verwaltungsrechts, DV 2001, 107 ff.
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schnell an Differenzierungen gewinnendes Rechtsschutzsystem, das die bürgerlichen Interessen immer genauer zu sichern suchte.114 Das subjektivöffentliche Recht war gegenüber der im Einzelfall tätig werdenden Exekutive das Vehikel für die Entwicklung des Untertans zum Bürger. Das deutsche System des Verwaltungsrechtsschutzes entwickelte sich unter Verzicht und zugleich in Kompensation politischer Teilhabe. Bis heute steht die Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht in Deutschland für die Garantie der Subjektstellung gegenüber der Staatsgewalt und ist so Grundlage eines Verwaltungsrechtsschutzes geworden, der hinsichtlich der Intensität der Kontrolle seinesgleichen sucht.115 Dies erklärt das in Deutschland traditionell tief verwurzelte Verständnis von Staat und Gesellschaft als voneinander getrennte, sich gegenüberstehende Teile. Es erschwert ein Umdenken und den Wandel des deutschen Verwaltungsrechts hin zu einem System arbeitsteiliger Rechtsverwirklichung in Kooperation mit seinen Steuerungsadressaten. Das französische Modell entwickelte sich demgegenüber vor dem Hintergrund der Französischen Revolution, in der auf einen Schlag die alten Legitimationsstränge gesprengt wurden und das Prinzip der Volkssouveränität Gültigkeit erlangte. Die Realität der Ereignisse prägte den Fortgang der politischen Entwicklung und so konnte schon vergleichsweise früh nicht mehr in Zweifel gezogen werden, dass auch die Exekutive ihre Legitimation vom Volk her beziehen musste.116 Im Gegensatz zu Deutschland konnte und brauchte sie jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem der Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung nähere Konturen bekam, nicht mehr als vom Bürger losgelöst und von Kontrolle befreit aufgefasst werden.117 Vor diesem Hintergrund konnte durch die politische Rückbindung der Exekutive an das 114 Vgl. nur Hartmut Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht, 1996, S. 43; Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 4; Peter-Michael Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 100 ff.; Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, 1990, S. 448 ff.; Joachim Wieland, Die Konzessionsabgaben, 1991, S. 99 ff. 115 Vgl. schon BVerwGE 1, 159 (161): Der einzelne „wird vielmehr als selbstständige sittlich verantwortete Persönlichkeit und deshalb als Träger von Rechten und Pflichten anerkannt“; die Gerichte haben die angefochtenen Akte der öffentlichen Gewalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen: BVerfGE 103, 142 (156); BVerfGE 101, 106 (122 f.); BVerwGE 85, 368; aus der Literatur s. nur: Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 57; Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1994, § 8 Rn. 4 ff.; Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 151 ff.; Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 (Bearb. 1985), Rn. 117. 116 Vgl. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 84. 117 s. ebd.
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Volk die Ausschaltung einer rechtsförmigen Kontrolle zunächst als Errungenschaft der Revolution und damit der Demokratie verstanden werden.118 Das Verbot der Kontrolle der Verwaltung durch unabhängige Gerichte ist eine Folge der reformfeindlichen Rolle, die die Gerichte im ‚Ancien Régime‘ spielten.119 Die vorrevolutionären Gerichte (‚Parlements‘) hatten den Versuch der Verwaltungsreform behindert und den Ideen der Revolution feindlich gegenübergestanden.120 Für diese Entwicklung maßgeblich ist die französische Lehre der Gewaltenteilung, nach der grundsätzlich jegliche Kontrolle der ordentlichen Gerichte über die Verwaltung ausgeschlossen ist.121 Aufkommende Forderungen nach Rechtsschutz blieben inhaltlich durch die politische Rückbindung der Exekutive an das Volk und die damit verbundene Legitimation konterkariert, wodurch der Intensität der Kontrolle von vornherein andere Grenzen gesetzt waren als in Deutschland.122 Dem Dogma der Trennung von Justiz und Verwaltung folgend entwickelte sich die französische Verwaltungsrechtspflege an der zentralen Spitze der Verwaltung selbst, durch die allmähliche Herausbildung der gerichtsähnlichen Funktion des Staatsrats, des ‚Conseil d’Etat‘.123 Dem Bürger wurde stets und in zunehmendem Umfang die Möglichkeit eingeräumt, sich unabhängig von der Verteidigung subjektiver Rechte auch auf allgemeine die Verwaltung bindende Rechtsnormen berufen zu können. Zielrichtung dieser Verfahren war allein die ‚légalité‘, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, in deren Sicherstellung insoweit die primäre Aufgabe des Conseil d’État gesehen wurde.124 Ausgeformt war diese objektive Rechtskontrolle im ‚recours pour exès de pouvoir‘ – der Anfechtungsklage, zunächst nur dann eröffnet, wenn Unzuständigkeit125 oder ein Formmangel126, später dann auch Ermessensmissbrauch127, gerügt wurden, wuchs seine Bedeutung rasch und ermöglichte schließlich die Geltendmachung von Gesetzesverletzungen überhaupt.128 In dieser objektivrechtlichen Prägung ist der ‚recours pour exès de 118
Ebd. André de Laubadère/Jean-Claude Venezia/Yves Gaudemet, Traité de droit administratif, Bd. 1, 12. Aufl. 2002, Rn. 430. 120 Ebd., Rn. 431. 121 Ebd., Rn. 431 und 436; Georges Vedel/Pierre Delvolvé, Droit administratif, Bd. 1, S. 97 ff., 11. Aufl. 1990. 122 Vgl. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, Teil 2, I. 5., S. 85. 123 Ebd. 124 s. ebd. 125 „Incompétence“. 126 „Vice de forme“. 127 „Détournement de pouvoir“. 128 Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 85. 119
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pouvoir‘, aufgrund prozessualer Erleichterungen gegenüber anderen Rechtsbehelfen,129 das bis heute wichtigste Rechtsmittel des französischen Verwaltungsrechts.130 Einzige Unterscheidung zu einer Popularklage ist die Voraussetzung des Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses, des ‚intérêt pour agir‘,131 das jedoch lediglich als pragmatisch steuernde und im Übrigen von der Rechtsprechung äußerst großzügig gehandhabte Zugangshürde auf Zulässigkeitsebene zu charakterisieren ist.132 Es bestimmt nicht den materiellen Prüfungsmaßstab.133 Dementsprechend weist die Interpretation des ‚intérêt pour agir‘ eine hohe Elastizität auf.134 Es reicht heute bis hin zum Vorliegen eines bloß ideellen oder moralischen Interesses bzw. genügen auch mittelbare, künftige und mögliche Interessen, um eine Klagebefugnis zu begründen.135 Auch dies ist, in Bezug auf gefährliche Anlagen, gesetzlich noch erweitert worden. So wurden Belästigungen (‚inconvénients‘), die eine Anlage für u. a. den Natur- und Umweltschutz, die Landschaft und den Denkmalschutz mit sich bringt, als generell klageberechtigend für Dritte anerkannt.136 Der objektivrechtliche Charakter des ‚recours pour excès de pouvoir‘ wird durch diese Zulässigkeitsvoraussetzung nicht in Frage gestellt. Maßgebend ist auch, dass für den Zugang zu Gerichten nicht zwischen Privatpersonen und Amtspersonen bzw. den dahinter stehenden öf129 Vgl. André de Laubadère/Jean-Claude Venezia/Yves Gaudemet, Traité de droit administratif, Bd. 1, 12. Aufl. 2002, Rn. 661 ff., 663. 130 Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 105; vgl. auch Johannes Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, Teil 2, I. 5., S. 86. 131 Vgl. dazu nur André de Laubadère/Jean-Claude Venezia/Yves Gaudemet, Traité de droit administratif, Bd. 1, 12. Aufl. 2002, Rn. 686 ff.; Georges Vedel/ Pierre Delvolvé, Droit administratif, Bd. 1, S. 258 ff., 11. Aufl. 1990. 132 Vgl. Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 105: bspw. wird dem kommunalsteuerpflichtigen Gemeindeeinwohner eine Klagebefugnis zuerkannt für die Anfechtung aller finanzwirksamen Maßnahmen der Gemeinde. 133 André de Laubadère/Jean-Claude Venezia/Yves Gaudemet, Traité de droit administratif, Bd. 1, 12. Aufl. 2002, Rn. 686: „ Cette notion d’un intéret froissé est très différent d’un droit dont l’action en justice serait la mise en jeu. Elle est simplement l’expression de cette idèe que l’on n’a pas voulu, pour des raisons pratiques, ouvrir le recours à tout individu indifféremment.“ 134 s. hierzu nur Jean-Marie Auby/Roland Drago, Traité de contentieux administratif, 3. Aufl. 1984, S. 203 ff.; Georges Vedel/Pierre Delvolvé, Droit administratif, 11. Aufl. 1990, Bd. 2, S. 261 ff.; aus dem deutschen Schrifttum vgl. etwa Jürgen Schwarze, Grundlinien und neuere Entwicklungen des Verwaltungsrechtsschutzes, NVwZ 1996, S. 22 (23 ff.). 135 Vgl. nur Georges Vedel/Pierre Delvolvé, Droit administratif, 11. Aufl. 1990, Bd. 2, S. 262 ff. 136 Vgl. dazu Michel Fromont, Rechtsschutz im französischen Umweltrecht, UPR 1993, S. 186 (189 f.); Stephan Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 69 f.
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fentlichen Körperschaften unterschieden wird.137 Dem Bürger steht mit dem ‚recours pour excès de pouvoir‘ dasselbe Verfahren zur Verfügung, auf das sich etwa auch die Rechtssaufsichtsbehörden verwiesen sehen, wenn sie gegen rechtswidrige Beschlüsse der Gemeinde vorgehen wollen.138 Einheitliche Zulässigkeitsvoraussetzung ist insoweit das Vorliegen eines ‚intérêt pour agir‘.139 Der Conseil d’État, der grundsätzlich allein über die Reichweite verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes bestimmt, hat das ‚intérêt pour agir‘ durch eine diffizile Kasuistik zu einem Steuerungsinstrument gemacht, das eine möglichst weitgreifende Überprüfung rechtlicher Bindung der Verwaltung sicherzustellen sucht. Gleichzeitig ist dabei der Kreis der Klageberechtigten so zu begrenzen, dass eine Lähmung der Gerichtsbarkeit ausgeschlossen ist.140 Eine materiell begrenzende Konsequenz folgt für die Begründetheitsprüfung jedoch nicht: Hebt sich der Kläger durch ein hinreichend spezifiziertes Interesse von der Allgemeinheit ab, so ist er quasi Aufsichtsperson und kann die Rechtmäßigkeit in jeder Hinsicht prüfen lassen.141 Auf die Frage, wen die einzelnen Vorschriften zu schützen bestimmt sind, oder gar auf eine Verletzung individueller Rechte kommt es nicht an. Auch die Verbandsklage in der Form der ‚ideellen‘ bzw. ‚altruistischen‘ Verbandsklage142 ist dem französischen Recht bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts143 bekannt. Mit ihr erkennt das französische Recht den Bürger als Sachwalter öffentlicher Interessen in seiner deutlichsten Form an. Das Problem, die Klagemöglichkeiten auf ein in der Praxis zu bewältigendes Maß einzuengen, versucht der Conseil d’État in erster Linie dadurch zu lö137 s. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 199. 138 Vgl. André de Laubadère/Jean-Claude Venezia/Yves Gaudemet, Traité de droit administratif, Bd. 1, 12. Aufl. 2002, Rn. 365 ff. m. w. N. 139 Zu weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen s. Jean-Marie Auby/Roland Drago, Traité de contentieux administratif, 3. Aufl. 1984, S. 161 ff. 140 Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 201. 141 Vgl. Georges Vedel/Pierre Delvolvé, Droit administratif, 11. Aufl. 1990, Bd. 2, S. 262; s. auch Claus Dieter Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 58; Stephan Gerstner, Die Drittschutzsdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 154; Wassilios Skouris, Verletztenklagen und Interessenklagen im Verwaltungsprozess, 1979, S. 144 f. 142 Zur Terminologie s. etwa Richard Bartelsperger, Organisierte Einwirkung auf die Verwaltung, in: VVDStRL 33 (1975) S. 221 (259 ff.); Heiko Faber, Die Verbandsklage im Verwaltungsprozess, 1972, S. 10 und 40; Eckard Rehbinder, Argumente für die Verbandsklage im Umweltrecht, in: ZRP 1976, S. 157 (158); Wassilios Skouris, Verletztenklagen und Interessenklagen im Verwaltungsprozess, 1979, S. 144 f. 143 Zur Entwicklung s. Wassilios Skouris, Verletztenklagen und Interessenklagen im Verwaltungsprozess, 1979, S. 223 ff.
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sen, dass er einen hinreichend präzisierten Verbandszweck fordert.144 Zudem gibt es im Einzelnen feinsinnige Subsidiaritätserwägungen, die etwa übergeordnete Verbände gegenüber räumlich begrenzten Untergliederungen ausschließen.145 Auch dem französischen Verwaltungsrechtssystem ist der Begriff des subjektiven Rechts allerdings nicht unbekannt. Der ‚recours de pleine juridiction‘ – die Verpflichtungsklage war – und ist es in gewissem Maße bis heute – an die Geltendmachung subjektiver Rechte gebunden.146 In Rückgriff auf die Rechtsprechung des Conceil d’État zum ‚recours pour excès de pouvoir‘ entstand hier allerdings, anstatt der Abgrenzung spezifisch bürgerlich-individueller Interessen gegenüber allgemein-öffentlicher Interessen, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Theorie des subjektiven Rechts,147 die dazu führte, dass im Rahmen des ‚recours pour excès de pouvoir‘, ebenso wie die anderen Rügen auch, die Rüge eines Gesetzesverstoßes148 ohne weiteren Nachweis subjektiver Rechte erhoben werden konnte. So verlor der Begriff des subjektiven Rechts vollkommen an Bedeutung.149 Vor dem Hintergrund der Französischen Revolution wurde der Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich also immer gerade auch von einer allgemeinen Rechtsverwirklichungsfunktion her definiert.150 Dies hatte zur Folge, dass Kompetenz und Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit bis heute wesentlich weiter definiert sind als in Deutschland und dabei auch institutionell anders eingebunden sind. Das als objektivrechtliches Verfahren verstandene ‚recours pour excès de pouvoir‘ wird von dem allgemeinen Anliegen beherrscht, die Geltungskraft des Rechts als solches und die dahinterstehen144 s. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 205. 145 Vgl. nur Jean-Marie Auby/Roland Drago, Traité de contentieux administratif, Rn. 1119; für Beispiele und m. w. N. s. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 205 f. 146 s. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 86. 147 „Théorie du droit subjectif à l’observation de la loi“, vgl. Martin Rott, Das verwaltungsrechtliche subjektive öffentliche Recht im Spiegel seiner Entwicklung um deutschen liberalen Rechtsstaat und in der französischen Theorié des droits subjectifs des administrés, 1976, S. 176 ff. 148 Der „violation de la loi“. 149 s. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 86. 150 Vgl. Jean-Marie Woehrling, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vergleich mit der Deutschen, NVwZ 1985, 21 (23); Michel Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung in Deutschland, Frankreich und den Europäischen Gemeinschaften, 1967, S. 203 f.
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den öffentlichen Belange zu stärken. Seine primäre Bedeutung liegt in der Sicherstellung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, dem gegenüber die individuelle Situation des Klägers als zweitrangig angesehen wird.151 Dies verdeutlicht, dass die Interessenverfolgung des Einzelnen immer zugleich instrumentell bezüglich übergeordneter Interessen verstanden wird. Die Verwaltungsrechtsstreitigkeit soll eine richterliche Kontrolle herbeiführen, die durch ein öffentliches Interesse geboten ist. Vor diesem Hintergrund wird das Verhältnis von Bürger und Verwaltung für den Verwaltungsrechtsstreit grundlegend definiert. Im Vordergrund steht nicht ausschließlich und auch nicht in erster Linie die Verteidigung der Privatsphäre des Bürgers gegenüber dem Staat, sondern der Bürger übt eine öffentliche Funktion aus152 – er ist der Staat. Das Staat-Bürger-Verhältnis ist insoweit, anders als in Deutschland, nicht von der Stellung des Einzelnen als Bürger gegenüber dem Staat geprägt, sondern knüpft an einen gemeinbezogenen Status des Einzelnen an, der in dieser Form der tradierten Theorie des deutschen Verwaltungsrechts grundsätzlich fremd ist.153 Genau dies ist der Ansatz, für den das französische Recht Pate steht: Die Bürger werden als „surveillants de l’administration“, als Aufsichtspersonen verstanden, die nicht ihr Recht erstreiten, sondern eine Aufgabe der Allgemeinheit wahrnehmen. Nach französischer Auffassung sind sie Wächter (‚gardiens vigilants‘), die, dem Gesetzmäßigkeitsprinzip beigestellt,154 als Anzeigeerstatter (‚dénonciateurs‘) staatlichen Missbrauchs gelten.155 Sie sind ‚une 151
„Un contentieux à caractère objectif vise essentiellement l’intérêt général et la considération des situation particulières y est accessoire“, Jean-Marie Auby/Roland Drago, Traité de contentieux administratif, 3. Aufl. 1984, Bd. 2, Rn. 1079. 152 s. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 198. 153 Eine entsprechende Einbeziehung des Bürgers in die Verwaltung kennt das deutsche Verwaltungsrecht am ehesten in Form der Beteiligungsrechte bei Planungsund Genehmigungsverfahren. So kann bspw. gem. § 10 BImSchG, § 7 AtomG oder § 3 BauGB jeder Einwendungen gegen ein entsprechendes Vorhaben erheben (sog. Popularbeteiligung). Nach dem Modell der Betroffenenbeteiligung, das in § 73 VwVfG geregelt ist und damit etwa auch im FStrG und WaStrG Anwendung findet, hat dagegen nur derjenige ein Einwendungsrecht, dessen eigene Belange durch ein entsprechendes Vorhaben betroffen sind. Zur Funktion der Beteiligung im deutschen Recht vgl. etwa Ulrich Battis, Partizipation im Städtebaurecht, 1976, S. 43 ff., 60 ff.; Reinhard Hendler, Die bürgerschaftliche Mitwirkung an der städtebaulichen Planung, 1977, S. 21 ff.; Matthias Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 131 ff.; Hans-Joachim Menzel, Legitimation staatlicher Herrschaft durch Partizipation Privater? 1980, S. 73 ff.; vgl. auch Hans Joachim Bonk, in: Paul Stelkens/Hans Joachim Bonk/Klaus Leonhard, VwVfG, § 73, Rn. 2 ff.; Jost-Dietrich Busch, in: Hans-Joachim Knack (Begr.), VwVfG, § 73, Anm. 2. 154 René Chapus, Droit administratif général, 15. Aufl. 2001, Bd. 1, S. 633. 155 André de Laubadère/Jean-Claude Venezia/Yves Gaudemet, Traité de droit administratif, Bd. 1, 12. Aufl. 2002, Rn. 686.
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sorte de ministère public‘, eine Art Vertreter des öffentlichen Interesses.156 Selbst wenn der Kläger glaubt, in seinem eigenen Interesse, egoistisch, zu handeln, verhält er sich in Wirklichkeit als Verteidiger der Gesetzmäßigkeit oder ‚Anwalt des Rechts‘. Er nimmt ein öffentliches Amt wahr: Er setzt ein Mittel der Verwaltungskontrolle in Gang. Und wenn der Richter die angegriffene Entscheidung annulliert, so weniger, um das Unrecht, das dem Kläger widerfahren ist, wiedergutzumachen, als vielmehr um die Wiederherstellung der missachteten Gesetzmäßigkeit sicherzustellen.157 Eben dieser Kerngedanke bildet auch die Basis des allgemeinen europäischen Konzepts einer informierten Öffentlichkeit. b) Der Zugang zu Akten der Verwaltung Die in Frankreich selbstverständliche Einbeziehung des Bürgers in die Verwaltungskontrolle durch den objektivrechtlichen ‚recours pour excès de pouvoir‘ beruht, wie bereits gezeigt, auf der von der Revolution geprägten französischen Geschichte und dem damit verbundenen Grundverständnis des Bürgers im demokratischen Staat. Korrespondierend dazu existiert in Frankreich ein über die Verwaltungsgerichtsbarkeit hinausreichendes Verständnis des Bürgers als politische Person. Ihm werden in Bezug auf das Interesse an der öffentlichen Verwaltung daher eigene Befugnisse eingeräumt.158 Dieses Grundverständnis findet in zahlreichen Vorschriften ihren Niederschlag: So kann bereits seit 1884 jeder Einwohner bzw. Steuerzahler einer Gemeinde Einsicht nicht nur in alle Protokolle (‚procès-verbaux‘) nehmen, die die kommunale Rechnungsführung betreffen, sondern auch in solche, die sich auf irgendwelche Verwaltungsakte der Gemeinde (‚arrêtes‘) beziehen.159 Und er hat darüber hinaus, unabhängig davon ob es sich um eine generelle oder individuelle Entscheidung handelt160, das Recht, diese zu vervielfältigen und zu veröffentlichen. Der Aktenzugang über das Kommunalrecht hinaus wurde seit 1978 gesetzlich geregelt: Nach Art. 1 des 156
Ebd. „Alors même que le requérant (lorsqu’il ne connaît pas le droit du contentieux administratif) croit agir, égoistement, dans son seul intérêt, il se comporte en réalité comme un défenseur de la légalité ou un ‚procureur du droit‘. Il s’aquitte d’un office public: il met en oeuvre un moyen de contrôle de l’administration. Et si le juge annule la décision attaquée, c’est moins pour réparer le tort fait au requérant que pour assurer le rétablissement de la légalité méconue“, s. René Chapus, Droit administratif général, 15. Aufl. 2001, Bd. 1, S. 859. 158 Ebd., S. 206. 159 Ebd. 160 Der Begriff des Verwaltungsakts ist diesbezüglich im französischen Recht weiter als im deutschen, vgl. André de Laubadère/Jean-Claude Venezia/Yves Gaudemet, Traité de droit administratif, Bd. 1, 12. Aufl. 2002, Rn. 787 ff. 157
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‚Gesetzes über die Verbesserung der Beziehungen zwischen der Verwaltung und der Öffentlichkeit‘ hat jede Person das Recht auf Zugang zu allen Akten der Verwaltung, die nicht personenbezogen (‚de caractère nominatif‘) sind.161 Dabei sind ‚personenbezogen‘ nicht schon alle Akten, die in irgendeiner Weise individualisierbar sind, sondern nur solche, die eine Beurteilung (‚appréciation‘ bzw. ‚jugement de valeur‘) einer namentlich benannten oder leicht identifizierbaren, natürlichen Person enthalten und diese damit unmittelbar und persönlich betreffen, wie etwa Personalakten.162 Damit war in Frankreich bereits zu diesem Zeitpunkt, auch in Bezug auf Einzelmaßnahmen der Verwaltung, grundsätzlich ein allgemeines Akteneinsichtrecht gegeben, ohne dass es auf eine Betroffenheit in eigenen Belangen oder gar Rechten ankam. Die Vorstellung des Bürgers als ‚gardien vigilant‘ findet so auch außerhalb des Prozessrechts ihren Ausdruck. c) Die Bürgerbeteiligungsrechte Auf wiederum anderer Ebene zeigt sich die selbstverständliche Heranziehung des Bürgers als Sachwalter öffentlicher Interessen in Frankreich in der Ausgestaltung der Bürgerbeteiligung bei wichtigen Planungs- bzw. Genehmigungsentscheidungen, die grundsätzlich als Popularbeteiligung ausgestaltet sind. Dies legt das Gesetz über die Demokratisierung der Anhörungsverfahren und den Umweltschutz von 1983 zusammenfassend für praktisch alle förmlichen Verfahren mit Bürgerbeteiligung eindeutig fest.163 Sobald eine Entscheidung, wegen ihrer Auswirkungen überhaupt eines formellen Verfahrens mit breiter Öffentlichkeitsbeteiligung bedarf, kann grundsätzlich jeder seine Vorstellungen dazu äußern.164 Einen Anlass für eine Beschränkung der Einwendungsbefugten auf Personen, die in ihren Belangen berührt oder als ‚betroffen‘ anzusehen wären, sah man nicht.165 Eine verunsichert suchende Diskussion über den Charakter solcher Befugnisse, wie sie in 161 Vgl. dazu Gerd Winter, Akteneinsicht in Frankreich, in: ders. (Hrsg.), Öffentlichkeit von Umweltinformationen, 1990, S. 175 (183 ff.). 162 Ebd., S. 184. 163 Vgl. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 209. 164 Vgl. Christian Auxetier, Participation à la procédure administrative non-contentieuse francaise des personnes concernées en cas des pollution transfrontalière, in: Georg Ress (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung im Umweltrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 131 (135 ff.); Bernd Markus von Nieding, Die Grundlagen des Rechtsschutzes Dritter im französischen und deutschen Umweltverwaltungsrecht, 1995, S. 217 ff. 165 s. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 208.
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Deutschland stattfindet, gab es in Frankreich nicht. Dem liegt das Verständnis zugrunde, dass der Bürger sich auch in konkrete Verwaltungsverfahren mit seinen Vorstellungen von einer richtigen Verwaltung einbringt.166 Auch wenn die europäischen Ansätze des Bürgers als ‚Sachwalter der objektiven Rechtsdurchsetzung‘ im französischen Verwaltungsrecht ein wirkmächtiges Vorbild haben, kann das europäische Vorgehen nicht einfach als Übertragung französischer Strukturen auf Europa gesehen werde.167 Dazu ist der verfassungsmäßige Hintergrund der europäischen und der französischen Entwicklung zu verschieden: Maßgeblicher Motor des europäischen Konzepts ist das Fehlen einer wirksamen Exekutive. Daher sucht die europäische Ebene Judikative Mechanismen zu entwickeln, die eine effektive Rechtsdurchsetzung gewährleisten. Dagegen vollzog sich die Entfaltung des objektivrechtlichen Verwaltungsrechtsschutzes in Frankreich vor dem Hintergrund einer traditionell starken Exekutive.168 2. Impulse aus dem Recht Großbritanniens Nach dem Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Union im Jahre 1973 soll das britische Recht seine Spuren insbesondere bei der Ausgestaltung eines fairen Verwaltungsverfahrens hinterlassen haben.169 Diese Aussage suggeriert, dass das britische Recht ein umfassendes und kohärentes Regelsystem beinhalte, welches die Anforderungen an ein faires Verwaltungsverfahren formuliert. Mögen auch einzelne Verfahrensvorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts britische Ursprünge haben, so täuscht doch die beschriebene Beobachtung darüber hinweg, dass das britische Recht zwar zahlreiche Verfahrensbestimmungen kennt, es aber an einer, etwa dem deutschen Verwaltungsverfahrensrecht vergleichbaren Regelungsstruktur fehlt.170 Hintergrund dessen ist die britische Tradition des common Law und der weniger systematisierende als vielmehr pragmatische Ansatz des britischen Rechtssystems.171 Entsprechend ist die britische Verwaltungspraxis weitaus weniger durch gesetztes Recht bestimmt als dies in anderen Ländern der Fall ist.172 Genau das aber befähigt Großbritannien dazu, neue prozedurale Arrangements neben den überkommenen Formeln zu ent166
Ebd. s. ebd., S. 209. 168 Ebd. 169 Hierzu s. Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005. 170 Dazu eingehend Guido Kleve/Benjamin Schirmer, England und Wales, in: Jens-Peter Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa, 2007, S. 35 (91 ff.). 171 So Jost Pietzcker, Verfahrensrechte und Folgen von Verfahrensfehlern, in: Max-Emmanuel Geis/Dieter Lorenz (Hrsg.), Staat – Kirche – Verwaltung, FS Hartmut Maurer, 2001, S. 695 (699). 167
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wickeln und damit zu experimentieren.173 Strenge dogmatische Regelungsstrukturen, wie sie etwa im deutschen Recht vorzufinden sind, tun sich hingegen vergleichsweise schwer mit neuen Innovationen. Da der Lösung komplexer Sachverhalte stets ein großer Bedarf an Wissen zugrunde liegt und dementsprechend kooperative Verfahren zu deren Lösung erforderlich sind, ist ein prozedural-pragmatischer Ansatz zur Entwicklung neuer Lösungen von Vorteil.174 So ist England ein Land, dass stets dazu anregt, gerade im europäischen Entwicklungszusammenhang genau zu überdenken, was das Verwaltungsverfahrensrecht eigentlich leisten soll. Sein Einfluss auf die Gestaltung des Europarechts ist in dieser Hinsicht erheblich. Dies lässt sich besonders deutlich am europäischen Umweltrecht nachzeichnen: Kennzeichnend für das britische System des Umweltrechts war bis Ende der 1980er Jahre eine geringe gesetzliche Regelungsdichte, ein mediales und sektorales Regelungssystem, ein weitgehendes Fehlen genereller rechtsverbindlicher Umweltqualitäts- und Emissionsstandards, eine Dominanz einzelfallbezogener, pragmatischer, kosten- und konsensorientierter Problemlösungsstrategien zwischen Verwaltung und Wirtschaft unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit, ein geringer Formalisierungsgrad des Verwaltungshandelns mit umfassenden Entscheidungsspielräumen der Verwaltung sowie dezentralisierte, fragmentarisierte, mediale und sektorale Verwaltungsstrukturen.175 Ende der 1980er Jahre führte der Druck der europäischen Rechtssetzung in Großbritannien zu einer tiefgreifenden Reform des Rechts- und Verwal172 Frederik F. Ridley, Länderbericht Großbritannien: England ist anders?, in: Hermann Hill/Rainer Pitschas, Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, 2004, S. 205 (209). 173 Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Verfahrensgedanke im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2008, § 27 Rn. 18. 174 „The resolution of polycentric problems may, for example, be inherently unsuited to classical adjudication, and may be better approached through mediation or arbitration“, Paul Craig, Procedures and administrative decision-making, in: Sonderheft „The procedures of administrative acts“ (1993) der von der European Group of Public Law herausgegebenen Revue Européennede Droit/European Revue of Public Law (REDP/ERPL), S. 65. 175 Vgl. David Vogel, National Styles of Regulation, 1986, S. 146 ff; Christoph Knill, Staatlichkeit im Wandel, 1995, S. 101 ff.; Olav A. Wagner, Die umweltrechtliche Anlagenaufsicht in England und Wales (integrated Pollution Control), 1996, S. 27 ff.; Klaus Jankowski, Eine Einführung in das System der Integrated Pollution Control im englischen Umweltrecht, NuR 1997, S. 113 ff, 116 f.; und die zusammenfassende Aufführung bei Eberhard Bohne, Langfristige Entwicklungstendenzen im Umwelt- und Technikrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang HoffmannRiem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 217 (222).
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tungssystems im Umweltschutz.176 Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind grundsätzlich – nicht zuletzt aus fiskalischen Gründen – bestrebt, eigene Rechts- und Verwaltungskonzepte auf europäischer Ebene durchzusetzen oder diese jedenfalls so weit wie möglich vor Veränderungen durch europäische Rechtsakte zu schützen.177 In den 1980er Jahren erzielte die technikbezogene Umweltpolitik Deutschlands auf europäischer Ebene eine Reihe von Erfolgen,178 mit denen sich das britische System des Umweltschutzes schwertat. Die deutsche Umweltpolitik war dadurch geprägt, Rechtsakte über technikbezogene Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen, Abwässern, und Abfällen zu initiieren oder zu unterstützen. Großbritannien suchte die technikbezogenen Richtlinien zwar abzuschwächen, konnte diese jedoch nicht verhindern, was dazu führte, Reformvorschläge der Royal Commission on Environmental Pollution aus dem Jahre 1976 aufzugreifen. Diese sahen vor, das mediale und sektorale Umweltrecht nach medienübergreifenden Gesichtspunkten zu vereinheitlichen und die zersplitterten Vollzugszuständigkeiten in einer neuen Umweltbehörde zusammenzufassen. Mit dieser Reform verband die britische Regierung von Anfang an die Zielsetzung, ihre Konzeption des Umweltrechts auf die europäische Ebene zu exportieren: Die damalige britische Umweltministerin erklärte im Jahre 1989 „we have already taken the lead in Europe in preparing an integrated pollution control system. Integrated pollution control is the way legislation on environmental protection will develop across Europe in the 1990s“179. Im Jahr darauf bekräftigte der Umweltstaatssekretär die britischen Ambitionen: „This will be the first system of integrated pollution control in Europe. We are ahead of the field. Other countries, particularly in the Community, are turning their attention to this question of the integrated nature of pollution control. They will, I believe, be impressed by 176
Dazu Christoph Knill, Staatlichkeit im Wandel, 1995, S. 181 ff.; Adrienne Héritier/Christoph Knill/Susanne Mingers, Ringing the Changes in Europe, 1996, S. 208 ff. 177 Dazu Adrienne Héritier/Christoph Knill/Susanne Mingers, Ringing the Changes in Europe, 1996, S. 175 ff. 178 So z. B. den Erlass der Richtlinien 84/360/EWG v. 28.06.1984, ABl. L 188 v. 16.07.1984, S. 20, zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen; 88/609/EWG v. 24.11.1988, ABl. L 336 v. 07.12.1989, S. 1, über die Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in der Luft; 89/369/EWG v. 08.06.1989, ABl. L 163 v. 14.06.1989, S. 32; ber. ABl. L 192 v. 07.07.1989, S. 40 über die Verhütung der Luftverunreinigung durch neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll; 89/429/EWG v. 21.06.1989, ABl. L 203 v. 15.07.1989, S. 50 über die Verringerung der Luftverunreinigung durch bestehende Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll; 94/67/EG v. 16.12.1994, ABl. L 364 v. 31.12.1994, S. 34 über die Verbrennung gefährlicher Abfälle. 179 Parliamentary Written Answers, Col. 646, 22nd March 1989, zitiert nach: Adrian Smith, Integrated Pollution Control, 1997, S. 1.
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the advantages of our approach“180. Im Jahre 1990 trat der Environmental Protection Act181 in Kraft, der u. a. das medienübergreifende Konzept der Integrated Pollution Control für Industrieanlagen einführte und 1995 wurde, durch den Environment Act182, die Environment Agency für England und Wales sowie die Scottish Environment Protection Agency errichtet. Diese wurden mit umfassenden Zuständigkeiten in den Bereichen Luftreinhaltung, Wasser- und Abfallwirtschaft ausgestattet.183 Die überkommene Grundphilosophie eines umweltqualitätsbezogenen und flexiblen Umweltrechts und eines kosten- und konsensorientierten Verwaltungsvollzugs wurde dadurch nicht aufgegeben. Neu waren jedoch ein medienübergreifender Regelungsansatz, die Einführung einiger genereller Umweltqualitäts- und Emissionsstandards, eine stärkere rechtliche Formalisierung von Verwaltungsverfahren, die Einbeziehung der Öffentlichkeit in Verwaltungsverfahren und die Schaffung allgemein zugänglicher Umweltregister sowie die Zentralisierung von Zuständigkeiten.184 So gelang es der britischen Regierung in den 1990er Jahren, durch die Verabschiedung der Umweltinformationsrichtlinie185, der Umweltaudit-Verordnung186 und der IVU-Richtlinie187, der Entwicklung des europäischen Umweltrechts einen britischen Stempel aufzudrücken. Diese Entwicklung hat einen medienübergreifenden Regelungsansatz, eine Relativierung des Prinzips der ‚besten verfügbaren Technik‘ durch örtliche Standortfaktoren, Verfahrens- und Managementorientierung statt Technikorientierung sowie eine Stärkung der Öffentlichkeit zur Folge188. 180 Parliamentary Debates, Col. 35, 15th January 1990, zitiert nach: Adrian Smith, Integrated Pollution Control, 1997, S. 2. 181 Abgedruckt in: Michael Fry (ed.), A Manual of Environmental Protection Law, 1997, S. 83 ff. 182 Ebd., S. 415 ff. 183 Dazu Klaus Jankowski, Die Neustrukturierung der britischen Umweltverwaltung, ZUR 1998, S. 237 ff. 184 Vgl. die zusammenfassende Aufzählung bei Eberhard Bohne, Langfristige Entwicklungstendenzen im Umwelt- und Technikrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 217 (223). 185 Heute RL 2003/04/EG v. 28.01.2003, ABl. v. 14.02.2003, Nr. L 41, S. 26. 186 ABl. v. 24.4.2001, Nr. L 114, S. 1, zuletzt geändert durch VO 1791/2006 des Rates v. 20.11.2006, ABl. v. 20.12.2006, Nr. L 363, S. 1. 187 RL 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. v. 10.10.1996, Nr. L 257, S. 26, zuletzt geändert und ersetzt durch RL 2010/75/EV v. 24.11.2010, ABl. v. 17.12.2012, Nr. L 334, S. 17. 188 Die zusammenfassende Aufzählung bei Eberhard Bohne, Langfristige Entwicklungstendenzen im Umwelt- und Technikrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/ Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 217 (224).
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Dem neuen medienübergreifenden bzw. integrativen Ansatz des Umweltschutzes liegt eine ganzheitliche Betrachtungsweise zugrunde, mit welcher der Erkenntnis von der Umwelt als einem komplexen Wirkungsgefüge Rechnung getragen wird. Demnach ist die Prüfung der Umweltauswirkungen nicht länger auf die Betrachtung von Einzelbelastungen der Umweltmedien, wie etwa des Wassers oder der Luft beschränkt. Vielmehr erfordert dieser Ansatz eine Gesamtschau aller Umweltauswirkungen einschließlich ihrer ökologischen Wechselwirkungen. Er ist, insbesondere mit Blick auf die Wechselwirkungen, von vergleichsweise höherer Komplexität geprägt, als ein an Messwerten orientierter, einmedialer technikbezogener Ansatz, wie er in Deutschland vorherrschend war. Zuverlässige Methoden, die es erlauben, Umweltfolgen allgemein und in objektiver Form auszudrücken sind kaum vorstellbar. Da es keine jederzeit abrufbaren Maßstäbe gibt, auf die eine Behörde zur Prüfung der Umweltauswirkungen zurückgreifen kann, ist im Rahmen des integrativen Ansatzes stets von dem Erfordernis der Beteiligung Dritter auszugehen. Erforderlich sind Beteiligungsvorschriften die nicht nur eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne einer Anhörung gewährleisten, sondern solche, die die Öffentlichkeit in den Dienst des Umweltschutzes im Sinne einer Konsultation stellen, aus der ein materieller Maßstab entstehen kann. Diese Entwicklung verankerte das Konzept einer informierten Öffentlichkeit im Umweltrecht der Europäischen Union. Dort fand es in der Folge seinen Niederschlag in der Umsetzung unterschiedlicher Instrumentarien zum Umweltschutz. Die hohe Ausdifferenzierung dieser Instrumentarien durch ihre stetige Weiterentwicklung verleiht dem Umweltrecht der Europäischen Union eine Vorreiterrolle in Bezug auf das Konzept einer informierten Öffentlichkeit.189
II. Die Rechtsprechung des EuGH Die Europäische Union und mit ihr der Binnenmarkt steht nicht für kurzsichtige wirtschaftliche Interessen, sondern vielmehr für eine langfristige Gesamtstrategie im Interesse des Bürgers190 oder deutlicher: aus dem Interesse des Bürgers heraus. Entscheidend für die Verwirklichung des Binnenmarktes ist nicht nur der Erlass von Vorschriften, die den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleisten, sondern ebenso die effektive Durchsetzung dieser Vorschriften in der gesamten Europäischen Union. Die zentrale Überwachungsaufgabe für die Anwendung 189 Dazu näher unten, C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit aus dem Umweltvölkerrecht und dem Umweltrecht der Europäischen Union. 190 Vgl. Ingolf Pernice, Gestaltung und Vollzug des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt – Europäische Impulse und Zwänge für das deutsche Umweltrecht, NVwZ 1990, S. 414 (422).
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des europäischen Rechts fällt der Kommission zu.191 Überlegungen über die Wirksamkeit dieser Kontrollmechanismen kamen bereits in den 1980er Jahren auf. Anlass gab der Abschluss einer ersten, alle Mitgliedstaaten der damaligen Zehner-Gemeinschaft umfassenden Implementationsstudie192, die vom Europäischen Institut für Verwaltungswissenschaften in Maastricht betreut wurde. Hinzu kam die Erfahrung, die aus der mit dem Jahre 1977 einsetzenden193 rigoroseren Politik der Kommission zur Verfolgung von Vertragsverstößen gezogen werden konnte.194 Einen weiteren Anlass gab die Verpflichtung zur Verwirklichung des Binnenmarktes im Vertrag von Maastricht 1993. Weder das Vertragsverletzungsverfahren noch die personelle Ausstattung der Kommission können der Aufgabe der Durchsetzung europäischer Vorgaben in der gesamten Union gerecht werden. Das Vertragsverletzungsverfahren ist zwar angemessen für die Kontrolle normativer Rechtsakte und allgemeiner Verwaltungspraktiken, jedoch wegen seiner Schwerfälligkeit kaum geeignet für die Überprüfung administrativer Einzelentscheidungen195. Zudem ist die Kommission aufgrund ihrer personellen Knappheit zu einer derartigen Kontrolle überhaupt nicht in der Lage. Dies ist aus zweierlei Gesichtspunkten problematisch: die Kommission kann so ihrem Bemühen nicht nachkommen, den Rechten des einzelnen Bürgers Geltung zu verschaffen, dessen gemeinschaftliche Rechtsposition durch eine verwaltungsbehördliche Einzelentscheidung verkannt worden ist. Und sie kann auf diesem Wege auch nicht ein so zentrales Anliegen der Gemeinschaft wie das Funktionieren des Binnenmarktes garantieren.196 Denn das Ver191 Vgl. etwa zur Praxis im Umweltrecht, Ludwig Krämer, in: Magiera-Merten (Hrsg.), Bundesländer und EG, 1988, S. 189 (204 ff.); und allgemein: Beate Ortlepp, Das Vertragsverletzungsverfahren als Instrument zur Sicherung der Legalität im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1987. 192 Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Making European Policies Work – The Implementation of Community Legislation in the Member States. 1988. 193 Zur Ablösung der ersten, im Rückblick als „diplomatisch“ charakterisierten Phase der Verfolgung von Vertragsverstößen durch die Kommission durch das Prinzip der „systematischen“ Verfolgung s. Claus-Dieter Ehlermann, Ein Plädoyer für die dezentrale Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten, in: F. Capotorti (Hrsg.), Du droit international au droit de l’integration, FS für Pierre Pescatore, 1987, S. 205, (206 f.). 194 s. dazu die Studie von Beate Ortlepp, Das Vertragsverletzungsverfahren als Instrument zur Sicherung der Legalität im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1987. 195 Vgl. z. B. EuGH vom 28. März 1985, Kommission/Italien, 274/83, Slg. 1985, 1085; EuGH vom 10. März 1987 – Kommission/Italien, 199/85 – Slg. 1987, 1039; vgl. auch Claus-Dieter Ehlermann, Ein Plädoyer für die dezentrale Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten, in: F. Capotorti (Hrsg.), Du droit international au droit de l’integration, FS für Pierre Pescatore, 1987, S. 205, (208).
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tragsverletzungsverfahren ist nicht geeignet, für die tägliche Respektierung der für den Binnenmarkt unerlässlichen Regeln durch zehntausende von mitgliedstaatlichen Behörden Sorge zu tragen.197 Eine solche Vorstellung von der Kommission als Zentralbehörde der Union, der nicht nur die Rolle zukommt, die korrekte Umsetzung europäischer Richtlinien zu überwachen, sondern auch deren konkrete Anwendung in jedem Einzelfall, kann auch nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip in Einklang gebracht werden. Eine solche Vorstellung stünde zudem im Widerspruch zum Grundsatz der primären Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für den Vollzug des Unionsrechts, siehe etwa Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 197, 291 Abs. 1 AEUV.198 Eine Kontrolle der korrekten Anwendung des Gemeinschaftsrechts in einer Europäischen Union mit derzeit 27 Mitgliedstaaten, 500 Millionen Einwohnern199 und 23 Amts- und Arbeitssprachen200 allein vom Zentrum aus ist unmöglich. Daher hat der EuGH, stets darum bemüht, die praktische Wirksamkeit des Europarechts in den Mitgliedstaaten sicherzustellen, in seiner Rechtsprechung verschiedene Mechanismen entwickelt, die den ‚effet utile‘ des Europarechts gewährleisten sollen. Den Bürgerinnen und Bürgern, die sich in der Europäischen Union zusammengeschlossen haben, sollen die gemeinsam beschlossenen Rechte schließlich auch zugute kommen. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Besonderheiten der Europäischen Union – eben wegen des Fehlens einer starken Exekutive – stand bei der Entwicklung dieser Mechanismen stets der aktive Bürger im Mittelpunkt, der für die Durchsetzung des Rechts eintritt. Maßgeblich für die Entwicklung seiner Mechanismen einer dezentralen Vollzugskontrolle war die Rechtsprechung zur unmittelbaren Geltung des 196 Vgl. Claus-Dieter Ehlermann, Ein Plädoyer für die dezentrale Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten, in: F. Capotorti (Hrsg.), Du droit international au droit de l’integration, FS für Pierre Pescatore, 1987, S. 205, (208, 209). 197 Ingolf Pernice nennt als Beispiel die Einhaltung von neunzehn Parametern bei rund 10.000 Badestränden in der EU, in: Gestaltung und Vollzug des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt – Europäische Impulse und Zwänge für das deutsche Umweltrecht, NVwZ 1990, S. 414 (423); vgl. auch Claus-Dieter Ehlermann, Ein Plädoyer für die dezentrale Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten, in: F. Capotorti (Hrsg.), Du droit international au droit de l’integration, FS für Pierre Pescatore, 1987, S. 205, (209). 198 Vgl. Ingolf Pernice, Gestaltung und Vollzug des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt – Europäische Impulse und Zwänge für das deutsche Umweltrecht, NVwZ 1990, S. 414 (423). 199 Daten von 2011. Abrufbar unter: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/ portal/eurostat/home/. 200 EWG-Verordung Nr. 1, ABl. Nr. 017 v. 6. Oktober 1958, S. 0385, 0386.
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Gemeinschaftsrechts (1.) und zum effektiven Rechtsschutz der Bürger vor nationalen Gerichten (2.). 1. Unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts Mit einem maßgeblichen ersten Schritt wurde durch eine Entscheidungssequenz des EuGH dem EWG-Vertrag unmittelbare Wirkung auch gegenüber dem Einzelnen zugesprochen.201 Dabei wurde dem Recht der Europäischen Union Vorrang gegenüber nationalem Recht eingeräumt. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind alle Normen des Gemeinschaftsrechts, die ‚rechtlich vollkommen‘, d.h. ohne jede weitere Konkretisierung anwendbar, und unbedingt sind, die in einer Handlungs- oder Unterlassungspflicht für die Mitgliedstaaten keinen Ermessenspielraum lassen, für ihre Adressaten einschließlich Individuen unmittelbar wirksam.202 So haben nicht nur die gemeinschaftlichen, sondern auch die nationalen Vollzugsorgane, also Verwaltungsbehörden und Gerichte, sie zu beachten und anzuwenden und wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts entgegenstehendes nationales Recht außer Anwendung zu lassen. Damit wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass auch der einzelne Bürger die Beachtung des Gemeinschaftsrechts einfordern kann. Grundsätzlich wäre dies aus völkerrechtlicher Sicht nicht möglich gewesen, da der Vertrag als Vereinbarung zwischen Staaten nur für diese Rechte und Pflichten begründet203. Nach der Rechtsprechung von Vorrang und unmittelbarer Geltung des Europarechts 201
Van Gend und Loos, EuGH Slg. 1963, S. 1; Costa/ENEL, EuGH Slg. 1964, S. 1251; Luetticke, EuGH Slg. 1966, S. 257; vgl. hierzu auch Bengt Beutler/Roland Bieber/Jörn Pipkorn/Jochen Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993, S. 206 ff.; Albert Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 827 ff.; Rudolf Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 5, Rn. 8; Eberhard Grabitz, in: ders./Meinhard Hilf (Hrsg.), EGV, Art 189, Rn. 23 ff.; Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 10, Rn. 29 ff., 36 ff, 295 ff.; Georg Ress, Die Auswirkungen des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die deutsche Rechtsordnung, in: Der Beitrag des Rechts zum europäischen Einigungsprozess, 1984, S. 43, 51 ff; zu den unterschiedlichen Begründungslinien des Vorrangs und der Art (Geltungs- oder Anwendungsvorrang) s. Rudolf Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2010, Rn. 179 ff. 202 Vgl. Rudolf Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2010, Rn. 349. 203 Das schließt – in Deutschland etwa unter Rückgriff auf das verfassungsrechtlich erforderliche Zustimmungsgesetz – nicht aus, dass innerstaatlich unter bestimmten Bedingungen auch Einzelnen die Möglichkeit zuerkannt wird, sich auf bestimmte völkerrechtliche Verträge zu berufen, vlg. etwa BVerwG 87, 11, 13 f.; dazu Johannes Masing, Methodische Grundlagen für die Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention, in: R. Grawert/Bernhard Schlink u. a. (Hrsg.), Offene Staatlichkeit, FS für Ernst-Wolfgang Böckenförde, 1995, S. 51, 53 f.; Albert Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 809 ff.; Thomas Maunz, in: ders./Düring, GG, Art. 59 (Bearbeitung 1971), Rn. 24 ff. m. w. N.; Alfred Vedross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, §§ 863 ff.
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kann sich der Bürger nunmehr gegen jedwede nationale Regelung, insbesondere auch gegen Akte der Gesetzgebung wenden und diese auf die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht prüfen lassen. Dies ändert die Stellung des Bürgers grundlegend.204 Treibende Kraft dieser frühen und grundlegenden Judikatur des EuGH war nicht zuletzt die Sorge, um eine mangelnde Durchsetzungskraft der gemeinschaftlichen Rechtssetzung, für den Fall, dass diese nach den üblichen Grundsätzen erst innerstaatlich umgesetzt werden müssen. So hatte das Argument einer effektiven Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts bereits in diesen Entscheidungen erhebliches Gewicht. Der Bürger soll dezentral für die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts sorgen können. In seiner Rechtsprechung zu Van Gend & Loos stellte der EuGH fest: „Die Wachsamkeit der an der Wahrung der Rechte interessierten einzelnen stellt eine wirksame Kontrolle dar, welche die durch die Kommission und die Mitgliedstaaten [. . .] ausgeübte Kontrolle ergänzt“205. Die unmittelbare Anwendbarkeit völkervertraglicher Texte wurde im Anschluss noch ausgedehnt. Zunächst erhielten Assoziierungsabkommen der Europäischen Gemeinschaft mit Drittstaaten gemäß Art. 217 AEUV206, und schließlich überhaupt Verträge der Gemeinschaft mit anderen Staaten gegenüber Gemeinschaftsbürgern unmittelbare Geltung, wenn die Abmachungen mit den Drittstaaten ihrem Gegenstand nach hinreichend klar und unbedingt gefasst sind. Der völkerrechtliche Charakter eines Abkommens stehe einer unmittelbaren Geltung dann nicht grundsätzlich im Wege, wenn „eine unbedingte und eindeutige Verpflichtung“ als Gegenstand des Abkommens in Frage stehe.207 Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts müsse jedes Abkommen nach Treu und Glauben erfüllt werden. Die Erfüllung einer solchen Verpflichtung sei nicht hinreichend gesichert, wenn sich nicht auch der einzelne Wirtschaftsteilnehmer auf sie berufen könne. Nicht erfüllt sah der EuGH diese Bedingungen in Bezug auf die Vorschriften des GATT.208 Eine maßgebliche Weiterentwicklung der Kontrollrechte des Bürgers erfolgte auch durch die Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Wir204 So auch Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 43 f. 205 Van Gend & Loos, EuGH Slg. 1964, S. 3, 26. 206 Bresciani, EuGH Slg. 1976, S. 129, 139, Tz. 12 ff.; Demirel, EuGH Slg. 1987, S. 3719, 3752, Tz. 13 ff. 207 Kupferberg, EuGH Slg. 1982, S. 3641, 3664, Tz. 20. 208 Besonderheit des GATT ist, dass es seiner Präambel zufolge auf dem Prinzip von Verhandlungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum Gemeinsamen Nutzen beruht und durch große Flexibilität seiner Bestimmungen gekennzeichnet ist, insb. der Möglichkeit einer Abweichung von den Bestimmungen, s. Bananenmarktordnung, EuGH Slg. 1994, S. I-4973.
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kung von Entscheidungen209 und Richtlinien210. An deren Anfang stand die Säumigkeit und Unwilligkeit der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien211. Mangels eines effektiven Kontrollmechanismus‘ der Europäischen Gemeinschaft sollte nun die Umsetzung der Richtlinien durch eine dezentrale Kontrolle durch Befugnisse der Bürger sichergestellt werden. Maßgeblicher Gesichtspunkt hier, wie auch in den zuvor genannten Entscheidungen des EuGH, ist der effet utile212: Die praktische Wirksamkeit der Richtlinien würde „abgeschwächt, wenn die Einzelnen sich vor Gericht hierauf nicht berufen“ könnten.213 Ziel dieser dem Bürger verliehenen Befugnisse ist auch die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts insgesamt.214 Gemeinsam mit der zweiten Begründungslinie,215 nach der ein Staat dem Einzelnen nicht entgegenhalten könne, er, der Staat, habe seine Verpflichtung nicht erfüllt,216 wird deutlich, dass die Gewährleistung eines individu209
Leberpfennig, EuGH Slg. 1970, S. 825. Ebd.; Van Duyn, EuGH Slg. 1974, S. 1337; Nederlandse Ondernemingen, EuGH Slg. 1977, S. 113; Becker, EuGH Slg. 1982, S. 53; Marshall, EuGH Slg. 1986, S. 723; weitere Nachweise bei Eberhard Grabitz, in: ders./Meinhard Hilf (Hrsg.), EGV, Art. 189, Rn. 60; s. auch BVerfGE 75, 223/235 ff. 211 Vgl. dazu etwa Siegfried Breier, Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft, NuR 1993, S. 457, 465 f.; Claus-Dieter Ehlermann, Ein Plädoyer für die dezentrale Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten, in: F. Capotorti (Hrsg.), FS für P. Pescatore, Du droit international au droit de l’intégration, 1987, S. 205, 206 ff.; Meinhard Hilf, Die Richtlinie der EG – ohne Richtung, ohne Linie?, in: EuR 1993, S. 1, 16 f.; Ute Sacksofsky, Europarechtliche Antworten auf Defizite bei der Umsetzung von Richtlinien, in: Thomas v. Danwitz/ Markus Heintzen u. a. (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer europäischen Staatlichkeit, 1993, S. 91, 92 f.; Arno Scherzberg, Freedom of information – deutsch gewendet – Das neue Umweltinformationsgesetz, in: DVBl. 1994, S. 733 f. 212 Rudolf Streinz, Der „effet utile“ in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in: O. Due/M. Lutter/J. Schwarze (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Everling, 1995, S. 1491 ff.; Peter Fischer/Heribert Franz Köck, Europarecht, 2. Aufl. 1995, S. 407; Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, § 10 Rn. 40 ff.; Wernhard Möschel, Wird die effet-utile Rechtssprechung des EuGH inutile? in: NJW 1994, S. 1709 f.; Gert Nicolaysen, Europarecht I, 1991, S. 47 ff.; Thomas Oppermann, Europarecht, 2009, Rn. 441 ff.; Jürgen Schwarze, Funktionen des Rechts in der Europäischen Gemeinschaft, in: ders. (Hrsg.), Gesetzgebung in der Europäischen Gemeinschaft, 1985, S. 9, 11 ff. 213 Vgl. Nederlandse Ondernemingen, EuGH Slg. 1977, S. 113, 126, Tz. 20/29. 214 Vgl. Martin Burgi, Verwaltungsprozessrecht und Europarecht, 1996, S. 52. 215 Zu den verschiedenen Begründungslinien vgl. Christine Langenfeld, Zur Direktwirkung von Richtlinien, in: DÖV 1992, S. 955, 957 f.; Ute Sacksofsky, Europarechtliche Antworten auf Defizite bei der Umsetzung von Richtlinien, in: Thomas v. Danwitz/Markus Heintzen u. a. (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer europäischen Staatlichkeit, 1993, S. 91, 102 ff.; Gerd Winter, Direktwirkung von Richtlinien, DVBl 1991, S. 657, 659 ff. 216 Ratti, EuGH Slg. 1979, S. 1629, 1642, Tz. 22 f. 210
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ellen Rechtsschutzes dabei keine eigenständige oder jedenfalls nur eine nebengeordnete Rolle spielt. Die Einforderbarkeit einer Richtlinie ist – anknüpfend an die Entscheidung zur unmittelbaren Geltung des Primärrechts – allein an die objektiven Voraussetzungen der inhaltlichen Bestimmtheit und Unbedingtheit geknüpft.217 Damit ist die Geltendmachung durch jeden ‚Betroffenen‘ hinreichend begründet. Auch die Einschränkung der unmittelbaren Anwendbarkeit auf Fälle, in denen die richtliniengestützten Ansprüche keine belastende Wirkung für Dritte haben (sog. horizontale Wirkung),218 zeigt, dass es nicht in erster Linie um den Schutz individueller Rechte geht. Die Sanktionswirkung gegenüber dem säumigen Mitgliedstaat steht im Vordergrund. Weiter vorangetrieben wurden die Einwirkungsmöglichkeiten des Bürgers bei der Durchsetzung des Europarechts durch die Rechtsprechung zur Schadensersatzpflicht219: Kann die Durchsetzung der Richtlinie selbst durch ihre unmittelbare Wirksamkeit nicht erzwungen werden, so hat der Bürger zumindest einen Anspruch auf Schadensersatz.220 Neben der effektiven Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts wird hier die Pflicht der Mitgliedstaaten 217 Großkrotzenburg, EuGH Slg. 1995, I-2189, Rn. 37 ff.; Matthias Pechstein, EWS 1996, S. 261 ff.; Eckard Klein, FS Ulrich Everling, S. 641.; Rudolf Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2010, Rn. 396. 218 Dies ist nicht ganz unstreitig, jedoch in ständiger Rspr. des EuGH auch für die sog. umgekehrt-vertikale Wirkung bestätigt: Marshall, EuGH Slg. 1986, S. 723, 749, Tz. 48; O.Traen, EuGH Slg. 1987, 2141, 2159, Tz. 23 ff.; Kolpinghuis Nijmegen, EuGH Slg. 1987, 3969, 3985, Tz. 9; Marleasing, EuGH Slg. 1990, S. 4135, 4158, Tz. 6; Faccini Dori, EuGH Slg. 1994, 3325; Unilver/Central Food, EuGH Rs. C-443/98, Slg. 2000, I-7535, Rn. 50; vgl. auch Albrecht Bach, Direkte Wirkung von EG-Richtlinien, JZ 1990, S. 1108, 1115 f.; Ulrich Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinie: Ein Beispiel Richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: B. Börner/H. Jahrreiß/Kl. Stern (Hrsg.), Einigkeit und Recht und Freiheit, FS für Karl Carstens, 1984, S. 97, 108 f.; Eckart Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 25 f.; Andreas Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 259 ff.; Hans-Jürgen Papier, Direkte Wirkung der EG im Umwelt- und Technikrecht, DVBl 1993, S. 809 ff.; Stefan Ulrich Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl 1990, S. 684, 686 f.; Rudolf Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2010, Rn. 399 ff. 219 Zunächst für den Fall der unterbliebenen Richtlinienumsetzung entwickelt aber auch bereits als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts postuliert, der auch bei anderen Verstößen zum Tragen kommen kann, s. Frankovich, EuGH Slg. 1991, S. 5357; Wagner Miret, EuGH Slg. 1993, S. 6911; The Queen/H.M. Treasury, EuGH, Rs. C-392/93, Slg. 1996, I-1631, Rn. 38 ff.; Dillenkofer, EuGH, verb. Rs. C-178, 179, 188–190/94, Slg. 1996, I-4848, Rn. 21, 23 ff.; Brasserie du Pêcheur, EuGH, EuZW 1996, S. 205 ff.; Köbler, EuGH, Rs. C-224/01; vgl. auch Christian Tomuschat, Das Francovich-Urteil, FS Ulrich Everling, S. 1585, 1588 ff. 220 Vlg. dazu Jörg Ukrow, Unmittelbare Wirkung von Richtlinien und gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung nach Maastricht, NJW 1994, S. 2469 ff.
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zur Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV als Begründung angeführt221. Die Pflicht zum Schadensersatz ist insoweit mehr als bloße Wiedergutmachung gegenüber dem Bürger, sie ist „Anreiz“ und „Belohnung“222 für die dezentrale Kontrolle durch den Bürger und zudem Strafsanktion gegen den säumigen Mitgliedstaat223: „Der Mitgliedstaat wird sich beeilen, seine Pflicht zu erfüllen, um der Haftung zu entgehen“.224 Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts als auch die Rechtsprechung zur unmittelbaren Geltung des Primärrechts sowie anderen Vertragsrechts der Gemeinschaft und gleichfalls die Rechtsprechung zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien sowie zur Schadensersatzpflicht wegen mangelhafter Umsetzung des Gemeinschaftsrechts beruhen auf dem Grundgedanken der Mitwirkung des Bürgers bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts. Sie bezieht hieraus ihre Kraft.
221 Vlg. dazu Thomas von Danwitz, Zur Entwicklung der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, JZ 1994, S. 335, 336; Hans Georg Fischer, Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht, EuZW 1992, S. 41, 42 f.; Jutta Geiger, Die Entwicklung eines europäischen Staatshaftungsrechts, DVBl 1993, S. 465, 467 ff.; Kay Hailbronner, Staatshaftung bei säumiger Umsetzung von EG-Richtlinien, JZ 1992, S. 284, 286; Hans D. Jarras, Haftung für die Verletzung von EU-Recht durch nationale Organe und Amtsträger, NJW 1994, S. 881; Hans-Joachim Prieß, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, NVwZ 1993, S. 118, 119 f.; Sabine Schlemmer-Schulte/Jörg Ukrow, Haftung des Staates gegenüber dem Marktbürger für gemeinschaftsrechtswidriges Verhalten, EuR 1992, S. 82 ff.; Fernand Schockweiler, Der Schadensersatzanspruch gegenüber dem Staat: Eine vollwertige Alternative zur „horizontalen Wirkung“ von nicht fristgemäß umgesetzten Richtlinien? in: O. Due/M. Lutter/J. Schwarze (Hrsg.), FS Ulrich Everling, 1995, S. 1315, 1317 ff.; Rudolf Streinz, Staatshaftung für Verletzungen primären Gemeinschaftsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, EuZW 1993, S. 599, 601. 222 Claus-Dieter Ehlermann, Ein Plädoyer für die dezentrale Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten, in: F. Capotorti (Hrsg.), Du droit international au droit de l’intégration, FS für P. Pescatore, 1987, S. 205, 220. 223 Vgl. auch Hans-Joachim Prieß, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht, NVwZ 1993, S. 118, 120; Burkhart Goebel, Gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftung – Ein Beitrag zum Vollzug des Gemeinschaftsumweltrechts?, UPR 1994, S. 361; Rudolf Streinz, Anmerkungen zu dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Barsserie du Pêcheur und Factortame, EuZW 1992, S. 201, 204. 224 Manfred Zuleeg, Die Rolle der rechtssprechenden Gewalt in der europäischen Integration, JZ 1994, S. 1, 6.
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2. Effektiver Rechtsschutz vor nationalen Gerichten Auch in den Anforderungen der Gemeinschaft an den nationalen Rechtsschutz gegenüber Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht tritt das Ziel der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts deutlich hervor. Der Bürger soll in möglichst weitem Umfang individuelle Klagebefugnisse erhalten, mit denen er vor den nationalen Gerichten die Beachtung des Gemeinschaftsrechts einfordern kann. Anders als im deutschen Recht üblich geht die Begründung der individuellen Klagebefugnis in Rechtsakten und in der Rechtsprechung der Gemeinschaft nicht allein vom Individualschutz oder einer Eingriffsabwehr aus. Im Zentrum steht vielmehr die effektive Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und das jeweilige Regelungsziel der Gemeinschaftsrechtsakte. Beginnend mit der bereits zitierten Entscheidung Van Gend & Loos225 zielt das vom Europäischen Gerichtshof verfolgte Konzept, rückgreifend auf den Auslegungsgrundsatz des effet utile, nicht allein auf Individualrechtsschutz. Es steht im Dienste auch des objektiven Interesses an einer wirksamen Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts.226 Auch in der Entscheidung Johnston227, in welcher der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes erstmals aufgestellt wurde, sowie in den Entscheidungen, in denen die Anforderungen zum vorläufigen Rechtsschutz näher entwickelt wurden,228 wird dies deutlich: Ausgangspunkt ist die effektive Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, die „auch dann abgeschwächt“ würde, wenn aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleitete Rechte nicht vorläufig gesichert werden könnten. So ist Grundlage dieser Rechtsprechung vor jedem subjektiven Bezug auf den einzelnen Bürger das objektive Interesse an der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts.229 225
Van Gend & Loos, EuGH Slg. 1963, S. 1, 26. Vgl. auch Eberhard Schmidt-Aßmann, Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht, DVBl 1993, S. 924, 934. 227 Johnston, EuGH Slg. 1986, S. 1651, 1682, Tz. 17. 228 Factortame, EuGH Slg. 1990, S. 2433, 2473, Tz. 20; Zuckerfabrik Süderdithmarschen, EuGH Slg. 1990, S. 417, 543, Tz. 18 ff.; Gemeinsame Marktorganisation für Wein, EuGH Slg. 1990, S. 2881, 2903, Tz. 13 ff. 229 Was sowohl von den Kritikern als auch von den Anhängern dieser Rechtssprechung so gesehen wurde, vgl. kritisch Wolfgang Dänzer-Vanotti, Der Gerichtshof der Europäischen beschränkt vorläufigen Rechtsschutz, in: BB 1991, S. 1016 ff.; ders., Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, in: RIW 1992, S. 739 ff.; Gilbert Gornig, Anmerkung (zu EuGH Slg. 1990, S. 417), in: JZ 1992, S. 39 ff.; Hans-Werner Rengeling/Andreas Middecke/Martin Gellermann/ Michael Ch. Jakobs, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rn. 984 ff.; Sabine Schlemmer-Schulte, Gemeinschaftlicher Vorläufiger Rechtsschutz und Vorlagepflicht, EuZW 1991, S. 307, 309 ff.; Friedrich Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz zwischen Vorrang des EG-Rechts, Letztentscheidungsbefugnis des EuGH und 226
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Eine Vielzahl von Richtlinien enthalten zudem Bestimmungen, nach denen die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, eine Anrufung des Gerichts zu ermöglichen.230 Dabei deckt sich in der Regel das Ziel, die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu sichern, mit dem Ziel, die insoweit begünstigten Individualbelange zu schützen. Jedoch ist auch bei diesen Vorschriften, wie oft deren weite Formulierungen andeuten, Antriebskraft nicht allein der Schutz individueller Rechte. Ziel ist die Gewährleistung des Gemeinschaftsrechts überhaupt.231 Aus deutscher Sicht des subjektiv-öffentlichen Rechts führt das teilweise zu einer bis dato unbekannten Ausweitung der Klagebefugnisse, die die deutsche Konzeption zum Teil in erhebliche Bedrängnis bringt. Als älteres Beispiel lässt sich dafür die sog. Überwachungsrichtlinie232 anbringen, nach der „zumindest“ alle Wettbewerber, die „ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag“ haben, die Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit Blick auf die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Vergabebestimmungen anfechten und gegebenenfalls Aufhebung bzw. Erlass einer einstweiligen Verfügung verlangen können.233 Demnach ist allein die wettbewerbsschützende Intention der Richtlinie Grund genug, einem betroffenen Wettbewerber eine Klagebefugnis zuzubilligen.234 Begründet wurde die Richtlinie nicht mit dem Individualschutz, sondern allein mit dem objektiven Interesse an einer effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts.235 So heißt es in deren Präambel: „Die auf einzelRechtsschutzeffektivität, SGb 1992, S. 118 ff.; Christian Tomuschat, Völkerrechtliche Grundlagen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: B. Bender/R. Breuer u. a. (Hrsg.), Rechtsstaat zwischen Sozialgestaltung und Rechtsschutz, FS für Karl Redeker, 1993, S. 273, 288 f.; zustimmend hingegen Gil Carlos Rodriguez Iglesias, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft als Verfassungsgericht, EuR 1992, S. 255, 238; Jürgen Schwarze, Vorläufiger Rechtsschutz im Widerstreit zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Verwaltungsverfahrens- und Prozessrecht, in: J.F. Baur/P.-Ch. Müller Graf/M. Zuleeg (Hrsg.), Europarecht, Energierecht, Wirtschaftsrecht, FS Bodo Börner 1992, S. 389, 397 ff.; Dimitri Triantafyllou, Zur Europäisierung des vorläufigen Rechtsschutzes, NVwZ 1992, S. 129 ff.; Eckart Klein/ Andreas Haratsch, Neuere Entwicklungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaft, DÖV 1994, S. 133, 140. 230 Ältere Beispiele sind RL v. 10.2.1975 (75/11/EWG), ABlEG 1975 Nr. L 45/19, Art. 6; RL v. 24.07.1986 (86/378/EWG), ABlEG 1986 Nr. L 225/40, Art. 10; RL v. 09.02.1976 (76/207/EWG), ABlEG 1976 Nr. L 39/40, Art. 6. 231 So auch Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 38. 232 RL v. 21.12.1989 (89/665/EWG), ABlEG 1989 Nr. L 395/33; vgl. dazu Gudrun Lampe-Helbig, Handbuch der Bauvergabe, 2. Aufl. 1995, Rn. 101 ff. 233 Vgl. Art. 1 Abs. 3 der RL 89/665/EWG. 234 Vgl. Jost Pietzcker, Änderung des Rechtsschutzes bei der Auftragsvergabe, in: B. Bender/R. Breuer u. a. (Hrsg.), Rechtsstaat zwischen Sozialgestaltung und Rechtsschutz, FS für Karl Redeker, 1993, S. 501, 503; Hans-Joachim Prieß, Das öffentliche Auftragswesen in den Jahren 1992 und 1993, EuZW 1994, S. 487.
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staatlicher Ebene und auf Gemeinschaftsebene derzeit vorhandenen Mechanismen zur Durchsetzung dieser Regeln sind nicht immer ausreichend, um die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können“.236 Eine solche Konzeption war dem deutschen Recht bis dahin fremd und so verlief die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht auch nur zögerlich.237 Ein anderes Beispiel für eine Ausdehnung der Klagebefugnisse ist die Entscheidung des EuGH zur Umsetzung der Richtlinie TA-Luft238. In erster Linie ging es dabei um die Umsetzung der in der Richtlinie vorgegebenen Grenzwerte für Luftverschmutzungen in Form von Verwaltungsvorschriften, was der EuGH für gemeinschaftsrechtswidrig erklärte. Dabei sei – so schon die Schlussanträge des Generalanwalts – die entscheidende Frage, ob die Umsetzung der Richtlinie geeignet sei, Rechte zu begründen, auf die der einzelne sich berufen könne.239 Aus den Begründungserwägungen der Richtlinie gehe hervor, dass durch sie „nicht nur die Umwelt, sondern auch die menschliche Gesundheit geschützt und die Lebensqualität verbessert werden soll“. „Als logische Folge“ ergebe sich dann aber aus der Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten „das Recht der einzelnen, sich auf diese Qualitätsnormen zu berufen, wenn gegen diese entweder tatsächlich oder durch hoheitliche Maßnahmen verstoßen wird“.240 Ebenso lautete dann auch die Entscheidung des Gerichtshofs: Weil die Richtlinie „insbesondere zum Schutz der menschlichen Gesundheit“ geschaffen sei, müssten „die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenzwerte die menschliche Gesundheit gefährden könnte, in der Lage sein [. . .], sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können“.241 Seine Begründung findet die Entscheidung also im Regelungsziel der Richtlinie. Der Gesundheitsschutz der Allgemeinheit soll gewährleistet werden. Gerade diesbezüglich sei zu verlangen, dass dem Einzelnen außenwirksame Befugnisse zur Durchsetzung der entsprechenden Standards eingeräumt werden.242 Schon wegen der allgemeinen Schutzwirkung für die 235 Vgl. dazu Dieter Carl, Europäische Normen für das öffentliche Auftragswesen, EuZW 1994, S. 173, 176; Kay Hailbronner, Die Vergabe öffentlicher Aufträge nach europäischem Gemeinschaftsrecht, WiVerw 1994, S. 173, 187 ff.; HansJoachim Prieß, Das öffentliche Auftragswesen in den Jahren 1992 und 1993, EuZW 1994, S. 487. 236 Präambel RL 89/665/EWG. 237 Vgl. m. w. N. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 38, Fn. 80. 238 EuGH Urt. v. 30.05.1991, Rs. C-361/88, Slg. 1991, S. I-2567. 239 Ebd. S. I-2587. 240 Ebd. S. I-2591. 241 Ebd. S. I-2601.
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Gesundheit überhaupt soll der Bürger zur Geltendmachung der Grenzwerte befugt sein. Folglich geht es nicht um die Wahrung spezifisch dem Bürger als Einzelnen verliehener Rechte, sondern um die Sicherung der Allgemeininteressen, welche die Richtlinie insgesamt erstrebt. Durch seine Rechtsprechung zielt der EuGH auf die Schaffung von Mechanismen einer dezentralen Kontrolle des Gemeinschaftsrechts, die den Einzelnen in die Lagen versetzen, im Wege seiner eigenen Interessenverfolgung gleichzeitig für die Einhaltung objektiven Gemeinschaftsrechts und damit das Gelingen der Rechtsgemeinschaft der Europäischen Union als solche einzustehen. Auf diese Weise wird die Überwachungsaufgabe, ganz nach dem Grundsatz der Subsidiarität, nicht der obersten Ebene sondern der kleinsten sozialen Einheit, nämlich dem Bürger überlassen.243 Die Konzeption des EuGH zielt auf eine spontane Durchsetzung des Rechts durch Eigeninitiative des Einzelnen.244 Grundgedanke der Rechtsprechung des EuGH ist ein aktiver Bürger der, durch die Wahrnehmung der ihm eingeräumten Rechte, an der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts insgesamt mitwirkt, um so die durch ihn und für ihn geschaffene Rechtsgemeinschaft der Europäischen Union zu verwirklichen.
III. Politische Programme der Europäischen Union In der Rechtsprechung des EuGH noch auf eine Mitwirkung der Bürger zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere durch die Einräumung und Erweiterung von Klagebefugnissen, begrenzt, erlangte die Mitwirkung des Bürgers auf der Grundlage politischer Programme der Union eine umfassende Ausgestaltung als ein allgemeines Konzept der informierten Öf242 Vgl. Ulrich Everling, Durchführung und Umsetzung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bereich des Umweltschutzes unter Berücksichtigung der Rspr. des EuGH, NVwZ 1993, S. 209, 214; Rudolf Steinberg, Probleme der Europäisierung des deutschen Umweltrechts, AöR 120 (1995), S. 549, 583 ff.; Manfred Zuleeg, Umweltschutz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, NJW, 1993, S. 31, 37; vgl. auch Christoph Vedder, Die TA-Luft vor dem EuGH, EWS 1991, S. 298. 243 Vgl. Ingolf Pernice, Gestaltung und Vollzug des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt – Europäische Impulse und Zwänge für das deutsche Umweltrecht, NVwZ 1990, S. 414 (423). 244 Vgl. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 215 und Claus-Dieter Ehlermann, Ein Plädoyer für die dezentrale Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten, in: F. Capotorti (Hrsg.), Du droit international au droit de l’integration, FS für Pierre Pescatore, 1987, S. 205, (217), der sich zur Stützung des europäischen Konzepts etwa auf Laurent Cohen-Tanugi beruft; Erwähnung findet der Rechtsgedanke aus dem anglo-amerikanischen Raum in diesem Zusammenhang auch bei Klaus-Peter Dolde, Verwaltungsverfahren und Deregulierung, in: NVwZ 2006, S. 857 (860).
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fentlichkeit. Dabei kommt der Entwicklung im Umweltrecht eine Vorreiterrolle zu (dazu 1.), die sich sodann in einem breiteren Kontext, in der Politikgestaltung der Europäischen Union insgesamt widerspiegelt (dazu 2.). 1. Die Umweltaktionsprogramme Die Umweltaktionsprogramme der Gemeinschaft erlangten zunehmend an Bedeutung [dazu a)] und stellten Schritt für Schritt eine informierte Öffentlichkeit in den Mittelpunkt ihrer Konzeption [dazu b)]. a) Bedeutung der Umweltaktionsprogramme vor und nach 1992 Bei den ersten vier Umweltaktionsprogrammen der Gemeinschaft handelte es sich, aufgrund der primärrechtlichen Situation in der Europäischen Gemeinschaft, um politische Absichtserklärungen, welche die für einen bestimmten Zeitraum geplanten Maßnahmen bündelten, in einen Gesamtzusammenhang stellten, Prioritäten festlegten und gegebenenfalls neue Orientierungen einleiteten oder näher erläuterten. Eine Rechtsgrundlage für konkrete Maßnahmen stellten sie nicht dar. Allerdings darf ihre Wirkung auch nicht unterschätzt werden. Hervorzuheben ist etwa die Mittelzuweisung für Personal, für Forschung und Gemeinschaftsbeihilfen, die sich nach den politischen Prioritäten, die der Rat und das Parlament bestimmten Sachgebieten einräumen, richtet. Die wiederholte Annahme von Umweltaktionsprogrammen hatte daher eine kontinuierliche Zunahme von sachlichen, personellen und finanziellen Mitteln der Umweltverwaltung zur Folge.245 Mit dem Vertrag von Maastricht änderte sich 1993 die Rechtssituation für umweltpolitische Aktionsprogramme durch Einfügung des Art. 175 Abs. 3 EGV (jetzt geregelt in Art. 192 Abs. 3 AEUV), der nunmehr den Beschluss von Aktionsprogrammen gesetzlich regelt. Die Form der Annahme ist eine Entscheidung nach Art. 249 EGV bzw. nunmehr ein Beschluss nach Art. 288 AEUV, der in allen seinen Teilen verbindlich ist. Allerdings stellte der EuGH in Bezug auf das nach dem Vertrag von Maastricht erlassene Fünfte Aktionsprogramm fest, dass es einen Rahmen für die Konzeption und Durchführung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik darstelle, indessen keine rechtlich verbindlichen Normen enthalte.246
245 Vgl. hierzu Ludwig Krämer, in: Hans-Werner Rengeling, EUDUR, 2. Aufl. 2003, § 14 Rn. 15 f. 246 EuGH Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-142/95 P, Slg. 1996, S. I-6669.
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b) Entstehung und Inhalt der Umweltaktionsprogramme Das Erste Umweltaktionsprogramm erhielt seine Billigung durch die Mitgliedstaaten im April 1973247. Bereits 1971 nahm die Europäische Kommission, angestoßen durch verschiedene schriftliche Anfrage und Entschließungen des Europäischen Parlaments sowie die weltweite Besorgnis über den Zustand der Umwelt, eine erste Mitteilung über die gemeinschaftliche Umweltpolitik an.248 In ihr wurde vor allem dargelegt, dass der Schutz der Umwelt auch eine Verantwortlichkeit der Gemeinschaft sei. In der Mitteilung wurden die Ziele einer Umweltpolitik dargestellt, die Rolle der Gemeinschaft sowie zur Verfügung stehende rechtliche und finanzielle Mittel. Zudem enthielt sie bereits fünf vorrangige Maßnahmen, die sofort in Angriff zu nehmen seien. Der zu dieser Zeit gültige EWG-Vertrag von 1957 enthielt demgegenüber keine Erwähnung der Umweltpolitik oder auch nur die Begriffe ‚Umweltschutz‘, ‚Umwelt‘ oder ‚Umweltplanung‘. Der Vertrag konzentrierte sich vielmehr auf die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes sowie die Abschaffung der Zollgrenzen und der Beschränkungen des freien Warenverkehrs. Auf der ersten Mitteilung aufbauend legte die Kommission dem Rat im März 1972 eine Mitteilung über ein Programm zum Schutz der Umwelt vor. Die Diskussion im Rat wurde wohl auch durch die erweiterte Gemeinschaft – Dänemark, Großbritannien und Irland waren neu beigetreten – beeinflusst, die dem Einigungsprozess neue Impulse gab. Sie forderten nun auch Aktionen in den Bereichen sozialer Fragen, Verbraucher- und Umweltschutz. Inhaltlich hervorzuheben ist in diesem Ersten Umweltaktionsprogramm bereits die Festlegung auf den Vorsorgegrundsatz und das Verursacherprinzip sowie die Einbeziehung des Bürgers in die Umweltpolitik. Genannt wurden diese allerdings zunächst lediglich im Sinne allgemeiner Grundsätze einer europäischen Umweltpolitik. Das Zweite (Laufzeit von 1977 bis 1982)249 und das Dritte (Laufzeit von 1982 bis 1986)250 Umweltaktionsprogramm wurden in Form einer Entschließung vom Rat gebilligt. Während sich das Zweite Aktionsprogramm inhaltlich eng an das erste Programm anschloss, wurden im Dritten Programm bereits in stärkerem Maße umfassende Strategien für den Schutz der Umwelt entwickelt. Das Vierte Umweltaktionsprogramm erging dann 1987251 bereits nach Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte, die durch Änderung des EWG-Vertrages 247
ABlEG. 1973, Nr. C 112, S. 1 ff. Vgl. zur Entstehung Ludwig Krämer, in: Hans-Werner Rengeling, EUDUR, 2. Aufl. 2003, § 14 Rn. 2 f. 249 ABlEG. 1977, Nr. C 139, S. 1 ff. 250 ABlEG. 1983, Nr. C 46, S. 1 ff. 251 ABlEG. 1987, Nr. C 328, S. 1 ff. 248
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ein eigenes Kapitel über den Schutz der Umwelt in den EG-Vertrag einfügte. Dieses sah die Entwicklung und die Durchführung einer gemeinschaftlichen Umweltpolitik vor und legte die Zielsetzungen und die Grundsätze dar, von denen eine solche Politik geleitet sein sollte. Auf dieser Rechtsgrundlage stand die Zuständigkeit der Gemeinschaft für Maßnahmen zum Schutz der Umwelt nunmehr außer Frage. Das Vierte Aktionsprogramm enthielt erstmals Hinweise auf die Entwicklung neuer Steuerungsinstrumente zur Umsetzung der Umweltpolitik der Gemeinschaft. So nennt Kapitel 2.5 des Vierten Umweltaktionsprogramms beispielsweise den Einsatz verschiedener wirtschaftlicher Instrumente, wie Steuern, Abgaben, staatliche Beihilfen, handelbare Deponiegenehmigungen sowie Abkommen mit Verursachern. Kapitel 2.6 nennt dann unter der Überschrift „Information und Erziehung“ die Notwendigkeit, den Prozess der Regulierung „transparenter zu gestalten, insbesondere was die Information der Öffentlichkeit anbelangt“. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, „die durch nationale Vorschriften Einzelpersonen und Gruppen eingeräumten Möglichkeiten zur Verteidigung ihrer Rechte oder Interessen in Verwaltungsverfahren zu verbessern“. Insbesondere müsse der Situationen Rechnung getragen werden, in denen „der Zugang zu Informationen ein Element zum besseren Schutz von Mensch oder Umwelt bedeutet“. Weiter heißt es dort, dass es möglich sein müsse, „Wege zur Verbesserung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Informationen, über die die Umweltbehörden verfügen, zu finden, während gleichzeitig die Informationen geschützt werden sollten, die rechtmäßig als vertraulich betrachtet werden können“. Als Ziele der neuen Strategie nennt das Programm die Förderung der Akzeptanz von Umweltmaßnahmen durch die Öffentlichkeit und die Vorbereitung der Öffentlichkeit auf strenge Umweltstrategien. Jede einzelne Person der Gemeinschaft solle von der Bedeutung der Umwelt überzeugt und somit Verhaltensänderungen (sowohl der Gesellschaft als auch des Individuums) herbeigeführt werden. Das Fünfte Umweltaktionsprogramm wurde 1992252 parallel zur Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED), die vom 3. bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro stattfand, ausgearbeitet und formulierte Ziele, die bis zum Jahre 2000 erreicht werden sollten. Die im Vierten Aktionsprogramm erstmals genannten Hinweise auf ein neues Steuerungsinstrumentarium zur Umsetzung der Umweltpolitik wurden im Fünften Programm ausführlich referiert. So wird in Kapitel 7 des Programms unter dem Titel „Erweiterung der Palette von Instrumenten“ festgestellt, dass „zur Durchsetzung von grundlegenden Änderungen in aktuellen Trends und Praktiken sowie zur Einbeziehung aller Gesellschaftsberei252
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che im Sinne gemeinsamer Verantwortung [. . .] die Entwicklung und Anwendung einer größeren Anzahl von ‚Instrumenten‘ notwendig [ist]“. Ausführlich dargestellt werden beispielsweise Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Umweltinformationen, Anreizschaffung im Rahmen eines ökonomischen Konzepts sowie erneut Maßnahmen zu Information und Erziehung. Hier stellt das Programm klar, dass im Hinblick auf allgemeine Informationen eine umfassende Strategie nötig ist, „um die breite Öffentlichkeit, die Sozial- und Wirtschaftspartner, die regionalen und örtlichen Behörden sowie die Nichtregierungsorganisationen über die Absichten und Ziele der gemeinschaftlichen Umweltpolitik sowie die jeweilige Verantwortung und den möglichen Beitrag der einzelnen Gruppen zu informieren“. Durch diese Strategie soll die Schaffung von Strukturen sichergestellt werden, die die Beteiligung der Bürger und Akteure an den Aktionen der Gemeinschaft in diesem Bereich erleichtern. In Kapitel 9 zur Umsetzung und Durchführung des Programms wird betont, dass es der Öffentlichkeit aufgrund ihres Rechts auf Zugang zu umweltbezogenen Informationen (durch die Richtlinie 90/313/EWG) ermöglicht werden muss, „so umfassend wie möglich am Entscheidungsprozeß für Bau-, Betriebs- und Emissions-/Einleitungslizenzen usw. beteiligt zu sein“. Zudem müssten Einzelpersonen und öffentliche Interessengruppen im praktischen Sinne Zugang zu den Gerichten haben, um sicherstellen zu können, dass ihre rechtmäßigen Interessen gewahrt, die vorgeschriebenen Umweltmaßnahmen effektiv durchgeführt und illegale Praktiken unterbunden werden. Im Sechsten Umweltaktionsprogramm von 2002253 werden diese Gedanken weiter präzisiert: Information, Anreiz und Öffentlichkeit durchziehen als Steuerungsansätze das gesamte Programm.254 2. Das Weißbuch „Europäisches Regieren“ Mit dem Weißbuch der Europäischen Kommission ‚Europäisches Regieren‘255 aus dem Jahre 2001 wurde die informierte Öffentlichkeit dann in den breiteren Kontext der allgemeinen Politikgestaltung der Europäischen Union einbezogen. Das Weißbuch befasst sich mit der Art und Weise europäischen Regierens insgesamt. Auslöser für dessen Erarbeitung war die Erkenntnis einer zunehmenden Entfremdung der Bürger gegenüber der Politik und Rechtssetzung der Europäischen Union. Zum einen – so die Feststellung im Weißbuch – erwarteten die Europäer von den europäischen Politikern die Lösung der grundlegenden Probleme unserer Gesellschaft. Zum an253
ABlEG. 2002, Nr. L 242, S. 1 ff. Vgl. insbesondere Kapitel 10. 255 Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM (2001) 428 endgültig vom 25.07.2001. 254
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deren misstrauten sie zunehmend der Politik und den Institutionen, oder wendeten sich ganz einfach desinteressiert davon ab. Den Höhepunkt dieser Problematik markierte das irische Nein zum Vertrag von Nizza nach dem Referendum. Dies vor Augen, befasst sich das Weißbuch Europäisches Regieren mit der Frage nach der Art und Weise, wie die Union die ihr von den Bürgern übertragenen Befugnisse ausüben soll, damit die Bürger die Europäische Union als die ihre akzeptieren. Zu diesem Zweck schlägt die Kommission im Weißbuch vor, die politische Entscheidungsfindung zu öffnen, und mehr Menschen und Organisationen in die Gestaltung und Durchführung der europäischen Politik einzubinden. Das Weißbuch nennt fünf Grundsätze guten Regierens, mit denen der Enttäuschung und Entfremdung der Bürger Europas entgegengetreten werden soll.256 Diese sind Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz.257 Das Weißbuch der Kommission ist Ausdruck des – aus der Politikwissenschaft stammenden – sogenannten Governance-Konzepts, das moderne Strategien der Aufgabenbewältigung unter Einbeziehung privater Akteure zu entwickeln und verarbeiten sucht. Dementsprechend setzt die Kommission im Weißbuch auf Mechanismen kooperativer Formen ihrer Politikgestaltung. Konsequent benennt sie die ‚Zivilgesellschaft‘ als Partner der Politikverwirklichung in der Europäischen Union.258 Zur ‚Zivilgesellschaft‘ als Ensemble der Gruppierungen und Verbände, welches „[. . .] den Belangen der Bürger eine Stimme verleiht und Dienste erbringt, die den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenkommen“, zählen die Sozialpartner (d.h. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände), Nichtregierungsorganisationen, Berufsverbände, gemeinnützige Einrichtungen, gesellschaftliche Basisgruppen, Organisationen zur Bürgerpartizipation in Regionen und Kommunen sowie Kirchen und Religionsgemeinschaften.259 Diese Akteure sollen auf drei miteinander verknüpften Ebenen in den europäischen governance-Prozess eingebunden werden. Erstens soll der Konsultationsprozess im Vorfeld der Erarbeitung von Rechtsakten verbessert und intensiviert werden. Dieses Ziel einer „verstärkten Konsultations- und Dialogkultur“ wird anhand eines Beispiels näher erläutert.260 Zweitens soll die Beteiligung betroffener privater Akteure im Rahmen der Rechtssetzung als 256
Ebd., S. 13 ff. Ebd., S. 13. 258 Ebd., S. 11. 259 Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM (2001) 428 endgültig vom 25.07.2001, S. 11 mit Fn. 9 und Stellungnahme des Wirtschaft und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle und der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zum europäischen Einigungswerk“, ABl. 1999 Nr. C 329, S. 30 (33). 260 Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM (2001) 428 endgültig vom 25.07.2001, S. 13. 257
B. Das Europarecht als Wegbereiter einer informierten Öffentlichkeit
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Koregulierung verdichtet werden, womit die (technische) Normsetzung durch betroffene Kreise sowie die Verwendung rechtlich unverbindlicher Selbstverpflichtungen gemeint ist.261 Ausgenommen von der Koregulierung sind dem Weißbuch zufolge hochpolitische und grundrechtsrelevante Entscheidungen; zudem muss das regulatorische Zusammenwirken wettbewerbsrechtskonform sein.262 Drittens sollen vorhandene Netzwerke privater Akteure für die Umsetzung von Gemeinschaftszielen nutzbar gemacht und die Netzwerkbildung forciert werden.263 Der Netzwerk Begriff meint in diesem Zusammenhang die lose Verbindung privater Einzelpersonen und Organisationen zu gemeinsamer, häufig gemeinschaftsweiter Aktivität. Hält man sich die nachfolgende Entwicklung der Europäischen Integration vor Augen – den zunächst gescheiterten Verfassungsprozess der Europäischen Union, das erneute Nein der irischen Bevölkerung zum Vertrag von Lissabon und den insgesamt schwierigen Weg bis zu seinem Inkrafttreten am 1. Dezember 2009 – so mag man sich fragen, ob die guten Ansätze der Kommission im Governance-Weißbuch überhaupt irgendeine Wirkung gezeigt haben. Auch die Wahlbeteiligung bei den Wahlen des Europäischen Parlaments 2009 sprachen nicht gerade für eine Europaeuphorie in der Bevölkerung der Mitgliedstaaten. Allerdings lässt sich doch im Primärrecht der Europäischen Union ein Wandel nachzeichnen, der die im Weißbuch herausgearbeitete Grundsätze umsetzt. Sicherlich muss man anerkennen, dass ein solcher bisher einmaliger Prozess, wie der der Europäischen Integration langwierig und immer wieder mit neu auftretenden Schwierigkeiten verbunden ist. Schließlich hat diesen Weg zuvor noch niemand beschritten. Der Vertrag von Lissabon stellt – gerade was die Akzeptanz und die demokratische Legitimation der Europäischen Union angeht – eine gute Grundlage dar, um der paradoxen Situation der hohen Erwartungen der Bürger an die Europäische Union einerseits und des Misstrauens in ihre Politiker und Institutionen andererseits entgegenzutreten.
IV. Das Primärrecht der Europäischen Union Im Primärrecht der Europäischen Union lässt sich – beginnend mit dem Vertrag von Maastricht (1.) über den Vertrag von Amsterdam (2.) – eine Entwicklung nachzeichnen, die nunmehr mit dem Vertrag von Lissabon eindeutig eine transparentere Politikgestaltung unter verstärkter Einbeziehung einer informierten Öffentlichkeit vorgibt (3.). 261 262 263
Ebd., S. 17. Ebd. Ebd., S. 14 f.
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
1. Der Vertrag von Maastricht Im Maastrichter Vertrag über die Europäische Union finden sich erstmals Spuren eines allgemeinen und in institutioneller Perspektive unter die Begriffe ‚Transparenz‘264 und ‚Offenheit‘265 gefassten Rechts auf Zugang zu Dokumenten der EU-Organe. Hier postulierte Art. 1 Abs. 2 EUV (Art. A EUV a. F.) „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas [. . .], in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden“266. In der Erklärung zum Recht auf Zugang zu Informationen im Anhang Nr. 17 zur Schlussakte des Maastricht-Vertrags heißt es: „Die Konferenz ist der Auffassung, dass die Transparenz des Beschlussverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt. Die Konferenz empfiehlt daher, dass die Kommission dem Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorlegt, mit denen die den Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden sollen.“267 Im Anschluss an eine entsprechende Mitteilung der Kommission268 entstand auf dieser Grundlage kurze Zeit später ein gemeinsamer Verhaltenskodex des Rates und der Kommission,269 der durch Beschlüsse des Rates 264 Christoph Sobotta, Transparenz in den Rechtssetzungsverfahren der Europäischen Union, 2001; vgl. auch Europäische Kommission, Grünbuch Europäische Transparenzinitiative, KOM (2006) 194 endg. 265 s. dazu Europäische Kommission, Weißbuch Europäisches Regieren, KOM (2001) 428 endg., S. 13, 15 ff.; Steve Peers, From Maastricht to Laeken – The political Agenda of Openness ans Transparency in the EU, in: V. Deckmyn (Hrsg.), Increasing Transparency in the European Union, 2002, S. 7 ff. 266 In der Erklärung Nr. 17 des Vertrags von Maastricht hat die Gemeinschaft erstmals die große Bedeutung des Rechts auf „Zugang zu Informationen“ betont, vgl. die Erläuterung des Generalanwalts Léger in seinen Schlussanträgen vom 10.7.2001 in der Rs. C-353/99 P – Rat/Heidi Hautala, sowie auf der Ebene des Sekundärrechts z. B. die Entschließung über die Transparenz in der EU, ABlEG Nr. C 104, S. 20 vom 14.4.1999. 267 Vgl. auch die Erklärung von Birmingham „Eine bürgernahe Gesellschaft“ des Rates vom 16.10.1992 worin der Rat die Außenminister beauftragt: „Mittel und Wege vorzuschlagen, um die Arbeit der Gemeinschaftsorgane transparenter zu gestalten“. Zudem wurde die Kommission ersucht, „ihre Arbeit zur Verbesserung des Zugangs der Öffentlichkeit zu den ihr und anderen Gemeinschaftsorganen vorliegenden Informationen“ in Kürze abzuschießen, s. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften 10-1992, S. 9, Anlage I. Daraufhin legte die Kommission die am 5.5.1993 die Mitteilung 93/C156/05 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Gemeinschaftsorgane befinden, ABl. 1993 C 156/5, vor, die ein grundsätzliches Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe vorsah. 268 Mitteilung 93/C156/05 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Gemeinschaftsorgane befinden, Fn. 148. 269 ABlEG. 1993 L 340/41.
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vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten270 und der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten271 umgesetzt wurde. 2. Der Vertrag von Amsterdam Der Vertrag von Amsterdam hob diese Praxis auf eine primärrechtliche Grundlage. Nunmehr schrieb Art. 255 Abs. 1 EGV das Recht jedes Unionsbürgers auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, über den allgemeinen Grundsatz der Offenheit in Art. 1 Abs. 2 EUV hinaus fest. Art. 255 Abs. 1 EGV war zwar nach der Rechtsprechung des EuG nicht unmittelbar anwendbar, da seine Durchführung gemäß Art. 255 Abs. 2 EGV vom Erlass weitere Maßnahmen abhing272, jedoch erlangte das von den Organen vormals nur im Wege der Selbstverpflichtung und nach ihrem Ermessen gewährte Recht auf Zugang zu Dokumenten durch die primärrechtliche Verankerung einen höheren normativen Rang.273 Auf der Grundlage von Art. 255 EGV wurde in der Folge die Verordnung 1049/2001/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission angenommen. Die von vielen schon aufgrund der primärrechtlichen Verankerung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten in Art. 255 EGV begründete Entwicklung hin zu einem „Grundrecht“274 wurde unterstützt durch die Aufnahme des Rechts auf Zugang zu Dokumenten in Art. 42 der im Jahre 2000 in Nizza feierlich proklamierten doch zunächst nicht rechtsverbindlichen Charta der Grundrechte. Art. 42 der Charta der Grundrechte übernahm das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission aus Art. 255 EGV. Einer Gesamtschau der zitierten Vorschriften soll ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Transparenz und Offenheit zu entnehmen sein.275 Angesichts der Ausdehnung der Ver270
ABlEG. 1993 L 340/43. Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom vom 8.2.1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten, ABl. 1994 L 46/58. 272 EuG, Rs. T-191/99 – Petrie u. a./Kommission, Slg. 2001, II-3677, Rn. 34 f.; i. d. S. auch Generalanwalt Maduro in seinen Schlussanträgen in der Rs. C-64/05 P – Schweden/Kommission, Rn. 39. 273 Vgl. Deidre Curtin, Citizens fundamental Right of access to EU information, CMLR 37 (2000), S. 7 ff. 274 Dazu Christoph Sobotta, Transparenz in den Rechtssetzungsverfahren der Europäischen Union, 2001; vgl. Generalanwalt Maduro in seinen Schlussanträgen in den Rs. Schweden und Turco/Rat vom 29.11.2007, EuGH verb. Rs. C-39/05 P und C-52/05 P, Rn. 32; ähnlich in seinen Schlussanträgen vom 18.7.2007 in der Rs. Schweden/Kommission, EuGH, Rs. C-64/05, Rn. 39. 271
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
waltungstätigkeit wurde auch das Recht auf eine gute Verwaltung in Art. 41 in die Charta der Grundrechte aufgenommen. Ausschlaggebend dabei soll die Verfassungsentscheidung sein, das europäische Verwaltungsrecht im Rechtsstaatsprinzip zu verankern und die gemeinschaftliche Verwaltung als Verwaltung einer Rechtsgemeinschaft zu errichten.276 Doch gerade im Prozess der europäischen Integration ist die Bedeutung der Transparenz als demokratisches Element besonders hervorzuheben.277 Denn dieser Prozess, der hinsichtlich seiner demokratischen Kontrollierbarkeit und Legitimation immer wieder kritisiert wird, ist auf jedes demokratische Element angewiesen, wenn seine Akzeptanz seitens der Bürger erhalten werden soll.278 Eine transparente Politik ist die zwingende Basis für einen aktiven, teilnehmenden Bürger. Die Forderung nach Transparenz der europäischen Verwaltung entwickelt sich daher Schritt für Schritt zu einem gemeinschaftlichen ‚Verfassungsprinzip‘.279 3. Der Vertrag von Lissabon Der Vertrag von Lissabon bewirkt nunmehr weitere wesentliche Änderungen des bisherigen Vertragswerks zur Stärkung der demokratischen Elemente europäischen Entscheidens. Hauptprofiteur der darin vorgenommenen Änderungen ist das Europäische Parlament, das mit der Überführung des bisherigen Mitentscheidungsverfahrens in das gestärkte ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV als gleichberechtigter Mitgesetz275 Christoph Sobotta, ebd.; vgl. Joni Heliskoski/Päivi Leino, Darkness at the break of Noon: The Case Law on Regulation No. 1049/2001, CMLR 43 (2006), S. 735 (736); Deidre Curtin, Citizens fundamental Right of access to EU information, CMLR 37 (2000), S. 36 f.: „a system where the general and fundamental principle is of the ‚greatest possible‘ level of openness“; s. auch A. Peters, European Democracy after the 2003 Convention, CMLR 41 (2004), S. 37 (66). 276 Rudolf Streinz, in: ders., EUV/EGV, Art. 41 GRCh, Rn. 1; s.auch EuGH Slg. 1992, I-2253, Rs. C-255/90 P, Burban v. 31.3.1992; EuG Slg. 1995, II-2589, Rs. T-167/94, Nölle v. 18.9.1995; EuG Slg. 1999, II-2403, Rs. 231/97, New Europe Consulting u. a. v. 9.7.1999. 277 Vgl. Michael Schweizer/Waldemar Hummer, Europarecht, Rn. 942 ff.; Gertrude Lübbe-Wolf, VVDStRL 60 (2001), S. 246 (276 ff.); Wolfgang Kahl, ZG 1996, 224 (226); Matthias Pechstein, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 1 EUV, Rn. 36; Jürgen Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 319 ff., 369 f.; Christian Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips, 2003, S. 56 ff.; Johannes Wewers, Das Zugangsrecht zu Dokumenten in der europäischen Rechstordnung, S. 113 ff. 278 So auch Christian Calliess, EUV/EGV, Art. 1 EUV, Rn. 47. 279 Vgl. Christoph Sobotta, Transparenz in den Rechtssetzungsverfahren der Europäischen Union, 2001; Stefan Kadelbach, CMLRev 38 (2001), S. 179; Frank Riemann, Die Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 124.
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geber neben dem Rat installiert wird. Gemeinsam mit diesem übt es die Haushaltsbefugnisse aus und verantwortet als Wahlorgan des Kommissionspräsidenten nun die personale Spitze der Union mit, vgl. Art. 14 Abs. 1 und 17 Abs. 7 EUV. Durch die nunmehr einheitliche Struktur der mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Union nach Art. 1 und 47 EUV, durch öffentliche Sitzungen des legislativ tätigen Rats gemäß Art. 16 Abs. 8 EUV und Art. 15 Abs. 2 AEUV sowie die Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente als Hüter des Subsidiaritätsprinzips und Vermittler demokratischer Legitimation im Rat nach Art. 12 EUV wurden neue Elemente von Transparenz und Bürgerbeteiligung zur Überwindung des viel beklagten Demokratiedefizits in den Vertrag eingeführt. Die Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze der Union sind in einem eigenen Titel II, Art. 9 bis 12 EUV geregelt. Diese enthalten drei demokratische Grundsätze: den Grundsatz der demokratischen Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger, den Grundsatz der repräsentative Demokratie und den Grundsatz der partizipativen Demokratie. Der Grundsatz der repräsentativen Demokratie ist nicht nur ein in der Ideengeschichte Europas tief verwurzeltes Herrschaftsmodell,280 es ist auch – teilweise mit erheblichen Unterschieden im Einzelnen – Grundlage eines gemeineuropäischen Verfassungsprinzips.281 Art. 10 Abs. 3 EUV ergänzt und stärkt den Grundsatz der repräsentativen Demokratie auf Unionsebene um Elemente partizipativer Demokratie. Alle Bürgerinnen und Bürger haben danach das Recht am demokratischen Leben der Union teilzunehmen. Nähere Ausgestaltung findet der Grundsatz der partizipativen Demokratie in Art. 11 EUV. Nach Art. 11 Abs. 1 EUV geben die Organe den Bürgerinnen und Bürgern sowie den repräsentativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten in allen Bereichen des Handelns der Union öffentlich bekanntzugeben und auszutauschen; nach Art. 11 Abs. 2 EUV pflegen die Organe einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft und nach Art. 11 Abs. 3 EUV führt die Kommission umfangreiche Anhörungen der Betroffenen zu geplanten Maßnahmen durch, um die Kohärenz und Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten. Diese primärrechtlichen Vorgaben für die Organe der Union sind allerdings unbestimmt und bedürfen einer sekundärrechtlichen Ausgestaltung, etwa in Form einer für alle Organe geltenden Verordnung oder durch die Geschäftsordnungen der einzelnen Organe.282 Art. 11 EUV 280 Im Überblick, Karl-Peter Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG II, 4. Aufl. 2002, Art. 20 Abs. 1 Rn. 62 ff.; Manfred G. Schmidt, Demokratietheorien, S. 148 ff.; Martin Kriele, Einführung in die Staatslehre, 5. Aufl. 1994, S. 294 ff. 281 Peter Michael Huber, VVDStRL Bd. 60, 2001, S. 194 (223 f.). 282 Vgl. Walter Oberwexer, in: Waldemar Hummer/Walter Obwexer (Hrsg.), Der Vertrag von Lissabon, 2009, S. 95 (111).
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
zeigt allerdings nunmehr deutlich, dass partizipative Elemente eine unerlässliche Grundlage zur Verwirklichung europäischer Politik bilden. Sie setzen die Ansätze des Weißbuchs ‚Europäisches Regieren‘ konkret um und dienen der Stärkung des Demokratieprinzips auf europäischer Ebene. Ein absolutes Novum im Vertrag von Lissabon ist die Bürgerinitiative in Art. 11 Abs. 4 EUV als Element direkter Demokratie. Danach können Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsaktes der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen. Die Verfahren und Bedingungen der Bürgerinitiative werden gemäß Art. 11 Abs. 4 Satz 2 EUV i. V. m. Art. 24 Abs. 1 AEUV vom Europäischen Parlament und vom Rat nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnung festgelegt. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 EUV enthält nunmehr die bereits zuvor wesentlichen Strukturprinzipien des Unionsrechts der Offenheit und der Bürgernähe, die eine nähere Ausformung in den Prinzipien der Transparenz gemäß Art. 15 AEUV und der Subsidiarität nach Art. 5 EUV finden. Art. 15 AEUV regelt den Grundsatz der Offenheit, die Öffentlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens sowie das Recht auf Zugang zu Dokumenten. Ähnliche Gewährleistungen enthielten bereits Art. 255 EGV und der bis dato nicht rechtsverbindliche Art. 42 der Grundrechtecharta. Allerdings bringen die Transparenzbestimmungen des Lissabon Vertrages gegenüber Art. 255 EGV und Art. 42 der Grundrechtecharta eine Erweiterung des Anwendungsbereichs. Dies betrifft zunächst die Ausdehnung des Kreises der zur Transparenz verpflichteten Organe. Nach Art. 15 Abs. 1 AEUV sind alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zur weitestgehenden Beachtung des Grundsatzes der Offenheit verpflichtet, um eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen. Die Formulierung „weitestgehender“ Beachtung ermöglicht Relativierungen zugunsten einer ausnahmsweise zulässigen Geheimhaltung. Die Zielsetzungen der Förderung einer verantwortungsvollen Verwaltung sowie der Sicherstellung der Beteiligung der Zivilgesellschaft zeigen den dahinterstehenden Kontroll- bzw. Legitimationsgedanken. Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs betrifft die Pflicht des Rates zur öffentlichen Gesetzgebung aus Art. 15 Abs. 2 AEUV, welche die traditionelle Nichtöffentlichkeit der Ratssitzungen gemäß Art. 5 GO-Rat durchbricht. Der Rat tagt nunmehr öffentlich, wenn er über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten berät oder abstimmt. Bisher waren in Art. 207 Abs. 3 Satz 3 EGV lediglich die Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse, der
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Erklärungen der Delegationen zur Stimmabgabe und der Protokollerklärungen bei den als gesetzgeberisch eingestuften Entscheidungen vorgesehen. Art. 15 Abs. 3 AEUV normiert das Recht auf Zugang zu Dokumenten und begründet einen individuellen Anspruch der Unionsbürger sowie jeder natürlichen und juristischen Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat auf grundsätzlich freien und voraussetzungslosen Zugang zu den von der Union verwalteten Informationen. Gegenüber den bisherigen Gewährleistungen aus Art. 255 EGV und Art. 42 der Grundrechtecharta besteht der Anspruch nun nicht mehr allein gegenüber dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission, sondern auch gegenüber den weiteren Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union. Diese Klarstellung wurde auch in dem nunmehr gemäß Art. 6 EUV rechtsverbindlichen Art. 42 der Charta der Grundrechte übernommen. Darüber hinaus stellt Art. 15 Abs. 3 AEUV klar, das dieser Anspruch unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger besteht. Weitere bedeutende Neuerungen im Vertrag von Lissabon betreffen den Bereich der Rechtschutzverfahren. Die wohl bedeutendste Neuerung dabei ist die Klagebefugnis Einzelner zur Bekämpfung von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung. Bisher verfügten natürliche und juristische Personen nach dem Wortlaut des Art. 230 Abs. 4 EGV lediglich über eine eingeschränkte Aktivlegitimation, da sie als nicht privilegierte klagebefugte Parteien grundsätzlich nur gegen die an sie ergangenen Entscheidungen mit einer Nichtigkeitsklage vorgehen konnten. Entscheidungen, die an eine andere Person gerichtet waren, oder als Verordnungen ergangen sind, konnten natürliche und juristische Personen hingegen nur dann anfechten, wenn sie vom betreffenden Rechtsakt „unmittelbar und individuell“ betroffen waren. Nach ständiger Rechtsrechung waren bei Vorliegen einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit auch andere Rechtsaktformen angreifbar, soweit sie verbindliche Wirkung entfalteten.283 Individuell betroffen war ein Einzelner nach der sogenannten ‚Plaumann-Formel‘ immer dann, „wenn der betreffende Rechtsakt ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten“.284 Diese restriktive Auslegung der individuellen Betroffenheit versuchte das EuG bereits 2002 unter Hinweis auf das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu modifizieren.285 Der EuGH beharrte jedoch auf seiner bisherigen Rechtsprechung und begründete dies damit, dass eine ex283 Vgl. EuG, Beschluss v. 20.10.1994, Rs. T-99/94, Asocarne/Rat, Slg. 1994, II-871, Rn. 18; EuGH, Beschluss v. 23.11.1995, Rs. C-10/95 P, Asocarne/Rat, Slg. 1995, I-4149, Rn. 29 ff. 284 EuGH, Urt. v. 15.07.1963, Rs. 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, 238.
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tensive Auslegung der individuellen Betroffenheit nicht zum Wegfall der im Vertrag verankerten Voraussetzungen führen dürfe, weil die Gemeinschaftsgerichte anderenfalls die ihnen durch den EGV verliehenen Befugnisse überschreiten würden.286 Nach dieser Rechtslage konnten Einzelne also weder generell-abstrakte Verordnungen bzw. Richtlinien noch nicht an sie gerichtete Entscheidungen, die sie nicht unmittelbar und individuell betrafen, direkt mit einer Nichtigkeitsklage anfechten. Rechtsschutz gegen eine solche Maßnahme war nur dadurch zu erlangen, dass sie gegen eine auf der Grundlage des betreffenden Rechtsaktes der Gemeinschaft erlassene innerstaatliche Maßnahme vor den nationalen Gerichten vorgingen und diese sich dann gegebenenfalls im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH wendeten. Art. 263 Abs. 4 AEUV modifiziert nunmehr die Klagebefugnis Einzelner, indem diese nicht mehr auf Entscheidungen bzw. jetzt Beschlüsse beschränkt ist, sondern ‚Handlungen‘ umfasst. Dieser Wortlaut verdeutlicht, dass – zumindest grundsätzlich – auch natürliche und juristische Personen jede Art von verbindlichen Unionsrechtsakten zum Gegenstand einer Nichtigkeitsklage machen können. Soweit derartige Rechtsakte nicht an Einzelne gerichtet sind, bedarf es weiterhin einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit. Grundlegend neu ist dagegen die Befugnis Einzelner, gegen „Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ Klage zu erheben. Nachzuweisen ist nur noch die unmittelbare, nicht jedoch die individuelle Betroffenheit.287 Diese ist nach ständiger Rechsprechung dann gegeben, wenn sowohl die Art und Weise als auch der Eintritt der Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Klägers mit Sicherheit feststeht, indem sich der Rechtsakt auf seine Stellung in rechtlicher Hinsicht direkt auswirkt.288 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der angefochtene Rechtsakt keiner gemeinschaftlichen oder mitgliedstaatlichen Durchführungsmaßnahmen mehr bedarf, so etwa bei einer an den Mitgliedstaat gerichteten Entscheidung oder einer Verordnung.289 Oder aber dann, wenn sie seinen Adressaten, die 285 EuG, Urt. v. 3.05.2002, Rs. T-177/01, Jégo-Quéré/Kommission, Slg. 2002, II2365, Rn. 51: Von einer allgemein geltenden Gemeinschaftsbestimmung, die eine natürliche oder juristische Person unmittelbar betrifft, sollte diese demnach als individuell betroffen angesehen werden, „wenn diese Bestimmung ihre Rechtsposition unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt, indem sie ihre Rechte einschränkt oder ihr Pflichten auferlegt“. 286 EuGH, Urt. v. 1.04.2004, Rs. C-263/02 P, Kommission/Jégo-Quéré, Slg. 2004, I-3425, Rn. 36. 287 Vgl. Juliane Kokott/Ionna Dervisopoulos/Thomas Henze, Aktuelle Fragen des effektiven Rechtsschutzes durch die Gemeinschaftsgerichte, EuGRZ, 2008, S. 14. 288 EuG Beschluss v. 20.10.1994, Rs. T-99/94, Asocarne/Rat, Slg. 1994, II-871, Rn. 17.
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mit der Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessenspielraum lässt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne dass dabei weitere vermittelnde Rechtsakte erlassen werden müssen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der Gerichtshof im Rahmen der Klagebefugnis aus Art. 263 Abs. 4 AEUV, die nur noch die unmittelbare Betroffenheit als Zulässigkeitsvoraussetzung fordert, bei seiner bisherigen Rechtssprechung bleibt oder ob er dem Begriff der Betroffenheit neue Konturen verleiht, etwa indem er eine Verletzung subjektiver Rechte verlangt.290
V. Fazit Im Rahmen der Europäischen Integration lassen sich unterschiedliche Entwicklungsstränge nachvollziehen, die alle eine Gemeinsamkeit aufweisen: die Einbeziehung einer informierten Öffentlichkeit. Angelehnt an Vorbilder aus dem französischen Recht entwickelte der EuGH unterschiedliche Mechanismen zur Gewährleistung einer Mitwirkung der Bürger bei der Durchsetzung des Europarechts. In politischen Programmen der Union gewann die Einbeziehung einer informierten Öffentlichkeit dann die Dimension eines umfassenden allgemeinen Konzepts, das seinen Niederschlag schließlich auch im Primärrecht der Europäischen Union fand. Antriebskraft dieser Entwicklung auf europäischer Ebene sind zweierlei Zielsetzungen: Die verstärkte Einbeziehung des Bürgers soll einer effektiven Durchsetzung des Europarechts dienen und es soll so die Verpflichtung zu einem transparenten und bürgernahen Europa eingelöst werden, wie sie in Art. 1 EUV verankert ist. Grundlegend ist die Einsicht, dass die europäische Rechtsgemeinschaft sich nicht einseitig verwirklichen lässt. Vielmehr ist ein konzertiertes Mitwirken aller Akteure im Mehrebenensystem – der europäischen Institutionen, der derzeitigen und künftigen Mitgliedstaaten, der lokalen und regionalen Körperschaften sowie der Zivilgesellschaft – erforderlich. Auf europäischer Ebene erlangt das Konzept des Bürgers als Sachwalter objektiver Rechtsdurchsetzung eine neue Dimension. Da es der Gemeinschaft an einer effektiven Rechtsdurchsetzungsinstanz fehlt, bedarf es eines aktiven Bürgers, der für das Gelingen der Rechtsgemeinschaft einritt. Sein Mitwirken kompensiert Defizite des komplexen Gefüges der Europäischen Union. Daher wird die Stellung der Öffentlichkeit in den Mitgliedstaaten durch Informations- und Beteiligungsrechte gestärkt. Anstatt einen – wohl auch aussichtslosen – Ausbau einer zentralen Kontrolle zu betreiben, wer289
Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 5.05.1998, Rs. C-386/96 P, Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, I-2309, Rn. 43. 290 Juliane Kokott/Ionna Dervisopoulos/Thomas Henze, Aktuelle Fragen des effektiven Rechtsschutzes durch die Gemeinschaftsgerichte, EuGRZ, 2008, S. 14.
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den Grundlagen für eine dezentrale Kontrolle des Gemeinschaftsrechts geschaffen, die den Einzelnen in die Lage versetzen, im Wege seiner eigenen Interessenverfolgung gleichzeitig für die Einhaltung objektiven Gemeinschaftsrechts und damit das Gelingen der Europäischen Union als solche einzustehen. Auf diese Weise wird die Überwachungsaufgabe, ganz nach dem Grundsatz der Subsidiarität, nicht der obersten Ebene sondern der kleinsten sozialen Einheit, dem Bürger überlassen.291 Auf europäischer Ebene hat sich so ein Konzept entwickelt, in dem der Einzelne ein Bindeglied zwischen dem europäischen Rechtsdurchsetzungsanspruch und der mitgliedstaatlichen Exekutive ist. Er drängt auf die Umsetzung und Anwendung ihn begünstigender europäischer Vorgaben, die zum Teil in bekannte Muster der mitgliedstaatlichen Verwaltungen nicht hineinpassen und daher auf Widerstand stoßen können. Aber anders als etwa Johannes Masing in seinem bereits zitierten Werk argumentiert,292 kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch das europäische Konzept die europäische Norm gegenüber der einzelstaatlichen Exekutive „in Stellung gebracht wird“, sich dadurch eine „Konfliktlage verschärft“ und dabei „– dem erklärten Ziel entsprechend – als Schwächung der Selbstherrlichund damit auch der Selbstständigkeit der einzelnen Verwaltungen“ wirkt, mithin auf eine „Schwächung der nationalstaatlichen Steuerung“ zielt293. Vielmehr muss das europäische Mehrebenensystem als Handlungseinheit betrachtet werden, in dessen Ursprung und Zentrum der Bürger steht. In seinem Dienst und Auftrag handelt jede Ebene des Systems, denn Eigeninteressen einer Verwaltung oder Ebene existieren nicht, sondern allein die Pflicht zur Anwendung und Durchsetzung des legitimen Rechts. Vor dem Hintergrund der gewaltsamen Geschichte Europas im letzten Jahrhundert, die geprägt war von Fragen nach Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit, nach Mitgliedschaft und Macht, nach Demos und Ethnos, wird das Ziel eines vereinten Europas zum Wohle seiner Bürger gerade auch deshalb verfolgt, weil die herkömmlichen, an nationalstaatlichen Vorstellungen ausgerichteten Konzepte der Eigenständigkeit ihren Zweck nicht erfüllt haben und in kreativer Weise zu überdenken waren, um den europäischen Nationalstaat vor seinen Exzessen zu bewahren.294 Aus heutiger Perspektive ist 291
Vgl. Ingolf Pernice, Gestaltung und Vollzug des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt – Europäische Impulse und Zwänge für das deutsche Umweltrecht, NVwZ 1990, S. 414 (423). 292 Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997. 293 Ebd. S. 215, 216 und 217. 294 Vgl. dazu Joseph H.H. Weiler, Der Staat „über alles“ – Demos, Telos und die Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, 1996, Bd. 44, S. 91 (94).
B. Das Europarecht als Wegbereiter einer informierten Öffentlichkeit
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der Nationalstaat schon deshalb auf einen gemeinschaftlichen Zusammenschluss angewiesen, weil auch ihm, aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung, eine starke Exekutive fehlt. Die Problemlagen, die sich aus einer ausdifferenzierten, hochspezialisiert und global agierenden Gesellschaft ergeben, kann eine staatliche Exekutive nicht ohne Mitwirkung anderer Akteure bewältigen. Eine schwache Stellung nationalstaatlicher Exekutiven ist also nicht die Folge des europäischen Konzepts, sie ist vielmehr der Auslöser für die Entwicklung gemeineuropäischer Strategien. Der konzeptionelle Neuansatz der informierten Öffentlichkeit geht einher mit einem schrittweisen Wandel nationaler Rechtsordnungen, wobei sich der Einfluss des Europarechts in den verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unterschiedlich auswirkt.295 Wird es in eine Rechtsordnung wie etwa der französischen übernommen, in der einer zentralen Verwaltung ein weiter Handlungsspielraum belassen ist, hat dies sicherlich weniger Folgen, als wenn es in eine Rechtsordnung wie die der Bundesrepublik Deutschland übernommen wird, in der aus rechtlichen Vorgaben traditionell mit großem dogmatischen Aufwand strenge, ins Detail gehende Folgerungen gezogen werden und deren Beachtung von einer mit der Verwaltung kaum verflochtenen Gerichtsbarkeit vergleichsweise genau geprüft und eingefordert wird. Doch kann dies nicht als „Schwächung nationalstaatlicher Steuerung“296 gesehen werden. Im Gegenteil: Der Nationalstaat überträgt Hoheitsrechte an die Europäische Union und erlangt dadurch Handlungs- und Gestaltungsspielräume in Politikbereichen auf gesamteuropäischer und internationaler Ebene, auf die ein einzelner Staat zuvor keinen oder nur geringen Einfluss hatte. Die nationalstaatliche Verwaltung wird keiner „Selbstständigkeit beraubt“297, die sie im Übrigen auch zuvor nicht hatte – sie ist an das durch den Bürger gesetzte Recht und Gesetz gebunden. Vielmehr wird sie, im Zuge der Europäisierung durch den Bürger teilweise auf neue Instrumentarien verpflichtet. Die Durchsetzung dieser Instrumentarien fordert der Einzelne ein, da er durch sie ebenfalls eine Erweiterung seines Handlungs- und Gestaltungsspielraums erlangt. Im Sinne demokratischer Selbststeuerung stärkt der Einzelne mit Hilfe dieser Instrumentarien seine Stellung im Machtgefüge des europäischen Mehrebenesystems und formt dieses nach seinen Vorstellungen. Der Bürger ist nicht ein dem Europarecht unterworfener, er ist Rechtsträger in der von ihm geschaffenen Gemeinschaft und begegnet als solcher den mitgliedstaatlichen und europäischen Institutionen auf Augenhöhe. Er ist die raison d’être der Europäischen Union,298 das Europarecht der Wegbereiter einer informierten Öffentlichkeit. 295 s. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 217. 296 Ebd. 297 Ebd.
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit aus dem Umweltvölkerrecht und dem Umweltrecht der Europäischen Union In den politischen Programmen der Union zum Umweltschutz zeigte sich früh eine Entwicklung der informierten Öffentlichkeit hin zu einem umfassenden allgemeinen Konzept, basierend auf den Grundsätzen der Transparenz und der Partizipation. Das Umweltrecht ist daher auch die Materie, in der sich vielfältige Instrumente zur Umsetzung dieses Konzepts herausgebildet haben. Bereits im Europarecht angelegt, erfuhr das Konzept der informierten Öffentlichkeit einen enormen Entwicklungsschub durch die sogenannte Aarhus-Konvention (I.). Nunmehr auf der Ebene des Umweltvölkerrechts verbindlich festgeschrieben, wirken die Bestimmungen der Konvention zurück auf die betreffenden Richtlinien der Europäischen Union, die ihrerseits Mitglied der Konvention ist. Doch auch in Bereichen des europäischen Umweltrechts, die nicht vom Regelungsbereich der Aarhus-Konvention umfasst sind, haben sich ausdifferenzierte Instrumentarien zur Umsetzung des Konzepts einer informierten Öffentlichkeit herausgebildet (II.).
I. Die Aarhus-Konvention – Entstehung, Ziel und Inhalt 1. Entstehung Bereits im Jahre 1972 fand, vor dem Hintergrund einer massiv zunehmenden weltweiten Umweltverschmutzung und eines verbesserten Kenntnisstandes der Wissenschaft, die erste globale Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm statt.299 Neben einer Erklärung, die den Schutz und die Verbesserung der Umwelt erstmalig als dringende Anliegen und Pflichten aller Völker der Welt bezeichnete,300 wurde auf dieser Konferenz ein Aktionsplan angenommen, der Empfehlungen für Aktivitäten auf internationaler Ebene formulierte. Hier fand sich erstmals die Forderung nach 298 Mit ähnlichen Aussagen: Thomas von Danwitz in seinem Vortrag im Rahmen des Forum Constitutionis Europae (FCE), veranstaltet vom Walter Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht und der Robert Bosch-Stiftung am 2. März 2009 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Für den Vortragstext s. http://www.whiberlin.de. 299 United Nations Conference on Human Environment (UNCHE), einberufen auf Grund der Resolution 2398 (XXIII) der Generalversammlung (GV) der Vereinten Nationen (VN) vom 03.12.1968; vgl. auch Ulrich Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000; Astrid Epiney/Martin Scheyli, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts, 1998. 300 Declaration of the UNCHE, abrufbar unter: http://www.unep.org/.
C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit
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dem Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen die Umwelt betreffend: „[. . .] Governments and the Secretary-General provide equal possibilities for everybody, both by training and by ensuring access to relevant means and information to influence their own environment by themselves“.301 Fünfzehn Jahre später, 1987, wurde dieser Ansatz im Rahmen des sog. Brundtland-Berichts der World Commission on Environment and Development (WCED)302 – bekannt für seine Definition der Nachhaltigkeit – erneut aufgegriffen. Er unterstrich die Bedeutung von Öffentlichkeitsbeteiligung und dem Recht des Einzelnen auf Zugang zu Umweltinformationen für eine nachhaltige Entwicklung und empfahl die Ergreifung entsprechender Maßnahmen durch die Regierungen.303 Auf die Veröffentlichung des Brundtland-Berichts folgte im Jahre 1989 die Einberufung der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (sogenannte Rio-Konferenz)304, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Der Brundtland-Bericht stellte eine wichtige Grundlage für die Beratungen der Konferenz dar.305 Neben der Agenda 21 legte die Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung mit ihren 27 Prinzipien306 den Grundstein für eine moderne Um301 Actionplan for the Human Environment, Recommendations for Action at the International Level, Nr. 7 (a), abrufbar unter: http://www.unep.org/und abgedruckt in ILM 11, 1972, S. 1416; vgl. auch Linda Reif, International Environmental and Human Rights Law: The Role of Soft Law in the Evolution of Procedural Rights to Information, Participation in Decision-Making, and Access to Domestic Remedies in Environmental Affairs, in: Michael Young/Yuji Iwasawa (Hrsg.), Trilateral Perspectives in Interantional Legal Issues: Relevance of Domestic Law and Policy, 1998; Jonas Ebbesson, The Notion of Public Participation in International Environmental Law, S. YBIEL, 1997, S. 51. 302 Eingesetzt wurde die WCED durch Resolution 38/161 vom 19.12.1983 der Generalversammlung der VN. Sie erarbeitete, unter dem Vorsitz der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ihren Bericht, der durch GV-Resolution 42/187 vom 11.12.1987 angenommen wurde. 303 Der Bericht „Our Common Future“ ist abrufbar unter: http://www.un-docu ments.net/; eine deutsche Übersetzung findet sich bei Volker Hauff, Unsere Gemeinsame Zukunft, 1987. 304 Conference on Environment and Development (UNCED), aufgrund der VNResolutionen 44/228 und 44/229, die sich auch auf den Brundtland-Bericht stützen; vgl. auch Astrid Epiney/Martin Scheyli, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts, 1998, S. 27. 305 Vgl. Ulrich Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, Rn. 29; Jonas Ebbesson, The Notion of Public Participation in International Environmental Law, S. YBIEL, 1997, S. 52. 306 Die Agenda 21 und die Rio Declaration of Environment and Development sind abrufbar unter: http://www.unep.org/; die Rio Declaration of Environment and Development ist zudem abgedruckt in ILM Bd. 31, 1992, S. 876–880. Daneben wurden in Rio noch die Klimarahmenkonvention, die Wüstenkonvention und die Biodiversitäts-Konvention angenommen.
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
weltpolitik.307 Prinzip 10 der Erklärung von Rio bringt die zentrale Bedeutung zum Ausdruck, die die internationale Gemeinschaft seither der Einbeziehung der Öffentlichkeit in Fragen des Umweltschutzes einräumt: „Environmental issues are best handled with participation of all concerned citizens, at the relevant level. At the national level, each individual shall have appropriate access to information concerning the environment that is held by public authorities, including information on hazardous materials and activities in their communities, and the opportunity to participate in decision-making processes. States shall facilitate and encourage public awareness and participation by making information widely available. Effective access to judicial and administrative proceedings, including redress and remedy, shall be provided.“308 Völkerrechtlich verbindlichen Ausdruck fand dieser Ansatz dann im UNECE309-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten310, der sogenannten Aarhus-Konvention. Die Zivilgesellschaft in Form von Nichtregierungsorganisationen war bereits am Entwicklungsprozess der Aarhus-Konvention maßgeblich beteiligt.311 Auf der Zweiten Ministerkonferenz im Rahmen des Environment for EuropeProzesses in Lucern/Schweiz 1993 begrüßten die Vertreter zunächst einen Bericht der UNECE über die Bestandteile eines Umweltprogramms für Europa, der sieben Schlüsselelemente nannte, darunter Umweltinformationen und Öffentlichkeitsbeteiligung.312 1995 wurden dann, auf der Dritten Ministerkonferenz in Sofia/Bulgarien, die sogenannten Sofia-Guidelines313 ange307
Ausführlich zur Rio-Konferenz: Stanley Johnson, The Earth Summit: The UN Conference on Environment and Development, 1995. 308 Rio Declaration of Environment and Development ist abbrufbar unter: http://www.unep.org/und abgedruckt in ILM Bd. 31, 1992, S. 876–880. 309 Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (Economic Commission for Europe, ECE) ist eine der fünf regionalen Wirtschaftskommissionen der Vereinten Nationen und wurde 1947 mit dem Ziel gegründet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Mitgliedsländer zu fördern. Neben den europäischen Staaten gehören ihr auch alle nicht-europäischen Nachfolgestaaten der ehem. Sowjetunion, die USA, Kanada, die Türkei, Zypern und Israel an: www.unece.org. 310 Für den Konventionstext in englischer Sprache (Konventionssprachen sind Englisch, Französisch und Russisch) ILM 38, 1999, S. 517 ff.; andere Sprachfassungen finden sich auf der Internetseite unter http://unece.org/. 311 So bezeichnete Jeremy Wates den EfE-Prozess als besonders fruchtbaren Boden, weil es sich um einen offenen Prozess gehandelt habe, in dem NROs die Agenda beeinflussen konnten. S. Diskussionspapier zur Infoterra 2000-Konferenz des UNEP, Dokument UNEP/INF2000/WP/5, abrufbar unter http://www.unep.org/. 312 Als weitere Schlüsselelemente wurden technologische Kooperation, integrierter Umweltschutz, wirtschaftliche Instrumente, nationale Umweltberichte und internationale Rechtsinstrumente genannt, s. http://unece.org/.
C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit
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nommen, vorgelegt durch eine von der UNECE eingesetzten Arbeitsgruppe. An der Erarbeitung von Vorschlägen zur Entwicklung der Richtlinien hatten Nichtregierungsorganisationen maßgeblichen Anteil. Zudem wurde in Sofia die Entwicklung eines rechtlich verbindlichen Instruments empfohlen314, was die Einsetzung einer weiteren Arbeitsgruppe zur Folge hatte. Bestehend aus Vertretern der ECE-Mitgliedstaaten, der Europäischen Union und Nichtregierungsorganisationen, erarbeitete diese Arbeitsgruppe, im Rahmen von insgesamt zehn Übereinkünften von Juni 1996 bis März 1998, einen Entwurf der Aarhus-Konvention.315 Als Grundlage für die Arbeit diente ein Dokument mit sogenannten Draft Elements316, das sich an den Sofia-Guidelines orientierte. Am 25. Juni 1998 wurde die Aarhus-Konvention dann in der dänischen Stadt Aarhus im Rahmen der Vierten Ministerkonferenz im Zuge des ‚Environment for Europe‘ – Prozesses317 unterzeichnet und trat am 30. Oktober 2001 in Kraft. Als einziger Mitgliedstaat der Europäischen Union zeichnete Deutschland das Abkommen, aufgrund von Problemen bei der innerstaatlichen Umsetzung, zunächst nicht und gab dann bei Zeichnung eine entsprechende Erklärung ab.318 Gezeichnet wurde die Konvention von 40 Staaten 313 Draft Guidelines on Access to Environmental Information and Public Participation in Environmental Decision-Making, abrufbar unter: http://unece.org/; vgl. dazu auch Dinah Shelton, Human Rights and the Environment in YBIEL 6, 1995, S. 179. 314 Vgl. The Aarhus Convention – An Implementation Guide, UN, 2000, S. 2; Elena Petkova/Peter Veit, Environmental Accountability Beyond the Nation State: The implications of the Aarhus Convention, Environmental Governance Notes, World Resource Institute (Hrsg.), 2000, S. 2. 315 Vgl. The Aarhus Convention – An Implementation Guide, UN, 2000, S. 2. 316 Draft Elements for the Convention on Access to Environmental Information and Public Participation in Environmental Decision-Making, Dokument CEP/AC.3/R.1 vom 11.04.1996, abrufbar unter: http://unece.org/. Dieses Dokument wurde von der Arbeitsgruppe „Friends of the Secretariat“ erarbeitet, zusammengesetzt aus Staatenvertretern und Vertretern von NROs, vgl. Aarhus-Implementation Guide, S. 2. 317 Unter dem Titel „Environment for Europe“ (EfE) wurde 1991 die erste gesamteuropäische Umweltministerkonferenz in Dobric, der damaligen Tschechoslowakei abgehalten. Der EfE-Prozess bietet einen politischen Rahmen für eine Kooperation zum Schutz und zur Verbesserung der Umwelt zwischen Staatenvertretern der UNECE-Region, der Europäischen Union (EU), VN-Organisationen und anderen zwischenstaatlichen Organisationen, regionalen Umweltzentren und Nichtregierungsorganisationen (NROs). Ziel ist eine gesamteuropäische Umweltstrategie. Vertreten waren auch schon die Vereinigten Staaten, Japan, Brasilien, Israel, Kanada, Australien und Mexiko. Die UNECE dient als Sekretariat des Prozesses. Nähere Informationen sind abrufbar unter http://unece.org/; vgl. auch Katharina Kummer, The Process „Environment for Europe“, YBIEL 6, 1995, S. 695. 318 s. http://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&id=530&chap ter=27&lang=en#EndDec.
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
(darunter Deutschland am 21. Dezember 1998). Vertragsparteien sind derzeit 42 Staaten.319 Deutschland wurde am 15. Januar 2007 40. Vertragspartei. Da das Übereinkommen sowohl Kompetenzen der Europäischen Union als auch solche der Mitgliedstaaten betrifft, wurde es als sogenanntes gemischtes Abkommen320 gezeichnet, bei dem sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Europäische Union Vertragsparteien sind. Bei Aushandlung der Aarhus-Konvention trafen die Europäische Union und die westeuropäischen Staaten auf osteuropäische Staaten, denen eine Tradition der Freiheit des Informationszugangs fremd war und in denen mangels starker Umweltbehörden ein Interesse bestand, zugunsten des Umweltschutzes auf eine indirekte Rechtskontrolle durch den Bürger zu setzen. Dies deckte sich mit den Vorstellungen der Europäischen Union an einem verstärkten Informationszugang und einer indirekten Kontrolle der Einhaltung des europäischen Umweltrechts durch den Bürger.321 Die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Aarhus-Konvention erleichterten es, diese Vorstellungen der Gemeinschaft gegen einzelne innerstaatliche Widerstände aus den Mitgliedstaaten durchzusetzen. Auf diese Weise wurde die AarhusKonvention geradezu zu einem Motor der europäischen Integration auf dem Gebiet des Umweltrechts. 2. Ziel, Aufbau und Inhalt der Konvention a) Präambel Obwohl rechtlich nicht verbindlich322, erfüllt die Präambel einer völkerrechtlichen Konvention doch eine Hand voll Funktionen. Sie dient beispielsweise deren Einordnung in einen breiteren rechtlichen und politischen Kontext und bietet wichtige Prinzipien für ihre Auslegung.323 Sie formuliert den Willen und die Prinzipien der Vertragsparteien und bestimmt Ziele der 319
Für eine genaue Auflistung s. Annex II zu diesem Dokument oder http://trea ties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&id=530&chapter=27&lang=en. 320 Für eine „formale“ Definition dieses Begriffs vgl. Rainer Arnold, Abschluss gemischter Verträge, 19 AVR, 1980/81, S. 419, 420 f.; Klaus Stein, Der gemischte Vertrag im Recht der Außenbeziehungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1986, S. 1; Allan Rosas, Mixed Union – Mixed Agreements, in: Martti Koskenniemi (Hrsg.), International Law Aspects of the European Union, 1998, S. 125; umfassend zu dem Begriff Vera Rodenhoff, Die EG und ihre Mitgliedstaaten als völkerrechtliche Einheit bei umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen, S. 33 f. 321 Christian Schrader, Neue Umweltinformationsgesetze durch die Richtlinie 2003/04/EG, in ZUR 3/2004, S. 130 (131). 322 Vgl. Hans-Dietrich Treviramus, Preamble, in: Rudolf Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Bd. III, 1997, S. 1097.
C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit
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Umsetzung. Zudem zeigt sie Möglichkeiten einer Weiterentwicklung der Bestimmungen im Regelungskontext der Konvention auf. Mit ihren zwei Hauptkonzepten legt die Präambel der Aarhus-Konvention den Grundstein, auf dem die Instrumentarien zur Umsetzung des Konzepts einer informierten Öffentlichkeit aufbauen: Sie betont zum einen die Verbindung zwischen Umweltschutz und Menschenrechten. Zum anderen zeigt sie die Bedeutung des Zugangs zu Umweltinformationen, der Öffentlichkeitsbeteiligung und des Zugangs zu Gerichten für eine nachhaltige Entwicklung auf. Diese beiden Hauptkonzepte werden in den ersten Paragraphen der Präambel dargelegt. So zeigen die ersten Absätze die geschichtliche Entwicklung beider Konzepte, während die darauf folgenden Absätze die zunehmende Bedeutung der Verbindung beider Konzepte miteinander beschreiben. Darüber hinaus enthält die Präambel der Aarhus-Konvention praktische Erwägungen hinsichtlich ihrer Beziehung zu einer verbesserten Entscheidungsfindung und einem breiteren sozialen Konsenses. Betonung finden die Prinzipien der Verantwortlichkeit und der Transparenz im Rahmen von Entscheidungsverfahren, das Recht auf Informationsfreiheit sowie die zunehmende Bedeutung der Rolle, die der einzelne Bürger, Nichtregierungsorganisationen und der Privatsektor für den Umweltschutz einnehmen. Zudem wird die Bedeutung von Erziehung, Kapazitätsaufbau und dem Gebrauch elektronischer Medien für eine verbesserte Kommunikation hervorgehoben. aa) Das Recht auf Leben in einer gesunden Umwelt Mit Erwägungsgrund 1 der Präambel, der auf Prinzip 1 der Erklärung von Stockholm verweist, wird erstmals auf völkerrechtlicher Ebene die Verbindung zwischen Umweltschutz und Menschenrechten hergestellt: „Man has the fundamental right to freedom, equality and adequate conditions of life, in an environment of a quality that permits a life of dignity and wellbeing, and he bears a solemn responsibility to protect and improve the environment for present and future generations. In this respect, policies promoting or perpetuating apartheid, racial segregation, discrimination, colonial and other forms of oppression and foreign domination stand condemned and must be eliminated.“324 Erwägungsgrund 2 nimmt dann Bezug auf Prinzip 10 der Erklärung von Rio325 und bringt so den Aspekt der Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten mit ein. 323 Vgl. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge und Wiener Übereinkommen über der Verträge zwischen Staaten und Internationalen Organisationen oder zwischen Internationalen Organisatinen, jeweils Art. 31. 324 Declaration of the United Nations Conference on the Human Environment, ILM 11, 1972, S. 1416 (1420), auch abrufbar unter: http://www.unep.org/.
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
Diese Aussagen werden in den Erwägungsgründen 6 und 7 der Präambel noch einmal verdeutlicht. Sie erkennen an, dass der Schutz der Umwelt essenziell für den Genuss grundlegender Menschenrechte ist326 und dass jeder Mensch ein Recht auf ein Leben in einer gesunden Umwelt sowie eine Pflicht hat, diese zu schützen.327 Um dieses Recht wahrnehmen und diese Pflicht erfüllen zu können, bedarf es des Zugangs zu Umweltinformationen, der Beteiligung an Entscheidungsverfahren und des Zugangs zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.328 Die Konvention gibt dem Einzelnen die in ihr niedergelegten Rechte an die Hand, um dieses Recht ausüben und seine Pflicht gegenüber der Umwelt wahrnehmen zu können. Die Verbindung von individuellen Menschenrechten und den Instrumenten des Informationszugangs, der Öffentlichkeitsbeteiligung und des Zugangs zu Gerichten in der Konvention zeigt die weitreichende Bedeutung des Konzepts einer informierten Öffentlichkeit: Ohne die Mitwirkung eines verantwortungsvollen, informierten Bürgers ist ein Leben in einer gesunden Umwelt für gegenwärtige und zukünftige Generationen nicht zu verwirklichen. Dies aber ist die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben überhaupt. Erst auf dieser Grundlage können Menschenrechte ihre volle Gültigkeit entfalten, ist ein freies und selbstbestimmtes Leben möglich. Mit dieser, für die Konvention zentralen, Verbindung zwischen Umweltschutz und individuellen Menschenrechten, knüpft sie an die rechtsstaatliche Funktion eines Konzepts der informierten Öffentlichkeit an: Zur „Wahrnehmung [des Rechts auf ein Leben in einer gesunden Umwelt]“ müssen alle Bürger „Zugang zu Information, ein Recht auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten [. . .]“329 haben. Das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung dient der Verwirklichung individueller (Menschen-)Rechte, die von der dem Recht verpflichteten Behörde bei der Entscheidung Berücksichtigung finden müssen. bb) Die Bedeutung des Einzelnen für eine nachhaltige Entwicklung Ein Leben in einer gesunden Umwelt erfordert eine nachhaltige Entwicklung, die, fernab von kurzfristigen Einzelinteressen, dauerhaft Bestand hat. Dies ist, nach Überzeugung der Vertragsparteien der Konvention, abhängig von einer effektiven und rationalen Entscheidungsfindung durch national325 326 327 328 329
The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999. Erwägungsgrund 6, ebd. Erwägungsgrund 7, ebd. Erwägungsgrund 8, ebd. Erwägungsgrund 8, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999.
C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit
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staatliche Regierungen.330 Eine effektive und rationale Entscheidungsfindung erfordert nach dem Verständnis der Aarhus-Konvention eine entsprechende Rollenverteilung zwischen staatlichen Aufgabenträgern und dem einzelnen Bürger. So wird in Erwägungsgrund 9331 anerkannt, dass ein verbesserter Zugang zu Umweltinformationen und eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren die Qualität und die Umsetzung von Entscheidungen verbessern. Sie tragen zum Bewusstsein der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten bei und geben der Öffentlichkeit die Möglichkeit, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen. Dies ermöglicht es den Behörden, die Anliegen der Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen, was wiederum zu einer breiteren Akzeptanz unter den Betroffenen führt. Deshalb sollen Verantwortlichkeit und Transparenz bei Entscheidungsverfahren gefördert und die öffentliche Unterstützung für Entscheidungen über die Umwelt gestärkt werden.332 Transparenz ist demnach in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu erzielt.333 Nach der Aarhus-Konvention spielt der einzelne Bürger, nichtstaatliche Organisationen und der private Sektor eine herausragende Rolle im Umweltschutz.334 Der Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, ist Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen zu gewährleisten. Einerseits soll die Öffentlichkeit so in die Lage versetzt werden, ihre berechtigten Interessen zu schützen. Zum anderen aber soll damit das Recht als solches zur Durchsetzung gelangen.335 Eine nachhaltige Entwicklung kann nur durch eine effektive und rationale Entscheidungsfindung erreicht werden. Dazu bedarf es der Einbeziehung aller Beteiligten. Die Konvention verbindet staatliche Verantwortlichkeit mit Umweltschutz und zielt auf eine Interaktion zwischen der Öffentlichkeit und öffentlichen Hoheitsträgern in einem demokratischen Kontext.336 Sie zielt im Kern auf die Beziehung zwischen Staat und Bürger337 und geht davon aus, dass die Umsetzung des Übereinkommens zu Stärkung der Demokratie beiträgt338. Damit leistet die Konvention einen innovativen Beitrag zur Gestaltung effektiver und rationaler Entscheidungsfindung in einer modernen Gesellschaft. Sie zeigt, mit den in ihr entwickelten Instrumentarien, 330
Vgl. The Aarhus Convention – An Implementation Guide, UN, 2000, S. 4. The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999. 332 s. Erwägungsgrund 10, ebd. 333 s. Erwägungsgrund 11, ebd. 334 s. Erwägungsgrund 13, ebd. 335 s. Erwägungsgrund 18, ebd. 336 So auch die Darstellung von Jeremy Wates auf der Internetseite http:// unece.org/. 337 Ebd. 338 Erwägungsgrund 21, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999. 331
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einen Weg zur Steuerung komplexer Sachverhalte unter den Bedingungen der Technologisierung und Globalisierung auf. b) Der allgemeine Teil Artikel 1 des allgemeinen Teils der Konvention stellt die, bereits in der Präambel beschriebene, Verbindung der in der Konvention geregelten Instrumentarien und individuellen Menschenrechten nunmehr auf eine rechtsverbindliche Basis. Er erklärt das Recht auf ein Leben in einer gesunden Umwelt zum Ziel des gesamten Übereinkommens. Zur Erfüllung dieses Rechts verpflichten sich die Vertragsstaaten, die in der Konvention festgelegten Rechte über den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zu gewährleisten. c) Die drei Säulen Der Hauptteil der Aarhus-Konvention besteht aus den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, den sogenannten drei Säulen. aa) Zugang zu Informationen über die Umwelt Die erste Säule regelt den Zugang zu Informationen über die Umwelt.339 Neben dem auf Antrag zu gewährleistenden Informationszugang verfolgt diese erste Säule den Zweck, einer aktiven behördlichen Umweltinformation unter Nutzung moderner elektronischer Technologien. Die Konvention zielt auf eine möglichst umfassende und systematische Verfügbarkeit und Verbreitung von Umweltinformationen und damit auf eine selbstverständliche Informationsöffentlichkeit. Mit ihrer Definition der Begriffe ‚Behörde‘ und ‚Umweltinformation‘ fordert die Aarhus-Konvention einen weiten Anwendungsbereich des Zugangsrechts. So werden alle Stellen der öffentlichen Verwaltung erfasst, die über Umweltinformationen verfügen. Sie müssen nicht explizit Umweltaufgaben verfolgen. Der Begriff umfasst zudem privatrechtlich organisierte Stellen. Hintergrund dessen ist die Tatsache, dass umweltbezogene Aufgaben im allgemeinen Interesse zunehmend auf privatwirtschaftliche Stellen außerhalb des öffentlichen Sektors übertragen werden. Unter den Begriff 339
s. Artikel 4 und 5 AK, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999.
C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit
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der Umweltinformation fallen nach der Konvention auch Informationen zu genetisch veränderten Organismen. Ferner wurde ausdrücklich auf die menschliche Gesundheit und Sicherheit Bezug genommen sowie auf Wirtschafts- und Finanzdaten umweltbeeinflussender Maßnahmen. Der Begriff der Umweltinformation greift so über den restriktiven auf die Natur begrenzten Umweltbegriff340 hinaus. Von Menschen veränderte Organismen sind ebenso erfasst wie umweltbezogenen Handlungen, deren wirtschaftliche Hintergründe, bis hin zu umweltbedingten Auswirkungen auf Menschen, Kulturstätten und Bauwerke. Die Aarhus-Konvention verpflichtet damit die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines breiten Spektrums an Informationen betreffend die Umwelt. Korrespondierend dazu formuliert die Konvention präzise gefasste Ausnahmetatbestände von einem Recht auf Informationszugang. Diese sind ausdrücklich eng auszulegen, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Umweltinformation zu berücksichtigen ist. Der Konvention liegt damit der allgemeine Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen über die Umwelt zugrunde. Dieser Grundsatz ist nur in eng zu fassenden Ausnahmefällen zu durchbrechen. bb) Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren Die zweite Säule der Konvention betrifft die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren.341 Die Vorgaben betreffen insbesondere solche Vorhaben, die im deutschen Recht genehmigungsbedürftig nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sind oder einem Planfeststellungsverfahren unterliegen. Zu beteiligen ist nach der Konvention die „betroffene Öffentlichkeit“. Diese definiert sich als „die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffen[e] [. . .] oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran“. Entscheidend dabei ist der letzte Halbsatz: Ein Interesse daran haben nämlich, so heißt es weiter, „nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen“. Die Betroffenheit wird im Beteiligungsverfahren somit explizit von einem subjektiv-öffentlichen Recht abgekoppelt. Die Konvention verlangt eine frühzeitige und effektive Beteiligung. Die Öffentlichkeit soll durch zweckmäßige Bekanntmachung „in sachgerechter, rechtzeitiger und effektiver Weise frühzeitig“342 über Projekte informiert wird. Sie soll unter anderem über „die geplante Tätigkeit und den Antrag“343 über das vorgesehene Verfahren einschließlich dem Beginn des 340 341 342 343
Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004. s. Artikel 6, 7 und 8 AK, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999. Artikel 6 Abs. 2 AK, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999. Artikel 6 Abs. 2 lit. a) AK, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999.
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Verfahrens und den Möglichkeiten sich zu beteiligen informiert werden. Das bedeutet, dass die Bekanntmachung eines Projekts erst zu dem Zeitpunkt, in dem alle Unterlagen vorliegen jedenfalls nicht frühzeitig ist. Denn dann hat das Verfahren längst begonnen und Vorhabenträger und Behörde haben sich bereits über wichtige Punkte verständigt. Die Konvention gliedert das Verfahren in zwei Phasen, eine der Information und eine der Stellungnahme. In beiden Phasen ist der Öffentlichkeit „ausreichend Zeit zur effektiven Vorbereitung und Beteiligung“344 einzuräumen. Genaue Vorgaben für eine angemessene Frist macht die Konvention nicht. Allerdings verfolgt die Konvention mit dieser Vorschrift den Zweck, eine Bürgerbeteiligung einzuführen, in der die Bürger noch eine reale Chance haben, auf die Entscheidungen Einfluss zu nehmen: Sie verpflichtet daher jede Vertragspartei, „eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zu einem Zeitpunkt“ zu gewährleisten „zu dem alle Optionen noch offen sind“.345 Antragsteller eines Vorhabens sollen zudem dazu ermutigt werden, die „betroffene Öffentlichkeit zu ermitteln, Gespräche aufzunehmen und über den Zweck ihres Antrags zu informieren“.346 Eine Präklusion öffentlicher Rechtsansprüche ist der Konvention fremd. Hierin zeigt sich erneut die ihr zugrunde liegende Funktionsweisung: Die Beteiligung der Öffentlichkeit dient nicht primär dem Zweck, die Behörde über mögliche – gerichtlich durchsetzbare – Ansprüche zu informieren, um eine Entscheidung gerichtsfest zu machen. Vielmehr soll sie – im Wege einer rationalen, d.h. auf einer umfassenden Wissensbasis gründenden Entscheidungsfindung – eine nachhaltige Entwicklung gewährleisten, die die Verwirklichung individueller Menschenrechte ermöglicht. Die Konvention formuliert damit Vorgaben eines Kommunikations- und Kooperationssystem zur gemeinwohlförderlichen Steuerung komplexer Sachverhalte.347 cc) Zugang zu Gerichten Die dritte Säule bildet der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.348 Mit seinen Absätzen 1 und 2 stützt Artikel 9 der Konvention die 344
Artikel 6 Abs. 3 AK, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999. Artikel 6 Abs. 4 AK, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999. 346 Artikel 6 Abs. 5 AK, The Aarhus-Convention, ILM 38, 1999 347 Ausführlich dazu unten, wenn es um die Umsetzung der Konvention durch die europäischen Richtlinien und deren Wirkung auf das deutsche Verwaltungsrecht geht, Kapitel 2, A. II. 348 Vgl. Christian Calliess, Die umweltrechtliche Verbandsklage nach der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes – Tendenzen zu einer „Privatisierung des Gemeinwohls“ im Verwaltungsrecht?, in: NJW 2003, S. 97; Thomas v. Danwitz, Aarhus-Konvention: Umweltinformation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Zugang zu Ge345
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ersten beiden Säulen der Konvention. Sie gewährleisten eine umfassende gerichtliche Überprüfung etwaiger Verstöße gegen den Zugang zu Umweltinformationen und die Öffentlichkeitsbeteiligung. Eine Überprüfung von Verstößen gegen die Öffentlichkeitsbeteiligung ist nicht nur hinsichtlich ihrer materiellen, sondern auch hinsichtlich ihrer verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit hin zu gewährleisten. Artikel 9 Absatz 3 Aarhus-Konvention fordert zusätzlich, das Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu einem behördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden begangenen Handlungen und Unterlassungen anzufechten. Hierbei handelt es sich um die Überprüfbarkeit sonstiger umweltbezogener Bestimmungen des innstaatlichen Rechts. Der ‚Implementation Guide‘ der Aarhus-Konvention349 verweist diesbezüglich auf Erwägungsgrund 18 der Präambel und spricht von „public enforcement of the law“.350 Der Zugang zu Gerichten rundet das in der Aarhus-Konvention verfolgte Konzept einer informierten Öffentlichkeit – mit einem aktiven Bürger im Zentrum – ab. Als umfassendes Kontrollinstrument zur Absicherung der in ihr gewährleisteten Rechte ist der Zugang zu Gerichten notwendigerweise weit geregelt.351 Dies korrespondiert mit der europäischen Vorstellung eines richten, in: NVwZ 2004, S. 272; Jonas Ebbeson (Hrsg.), Access to Justice in Environmental Matters in the EU. Accès a la justice en matière d’environnement dans l’UE, 2002; Wolfgang Ewer, Ausgewählte Rechtsanwendungsfragen des Entwurfs für ein Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, in: NVwZ 2007, S. 267; Martin Kment, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, in: NVwZ 2007, S. 274; Hans-Joachim Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, in: NVwZ 2007, S. 369; Ingolf Pernice/Vera Rodenhoff, Die Gemeinschaftskompetenz für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2004, Bd. 15, S. 149 ff.; Vera Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, Review of European Community and International Environmental Law (RECIEL) 2002, Bd. 1, S. 343 ff.; Alexander Schmidt/Peter Kremer, Das Umweltrechtsbehelfsgesetz und der „weite Zugang zu Gerichten“, in: ZUR 2007, S. 57; Jochen Schumacher, Umweltrechtsbehelfsgesetz, in: UPR 2008, S. 13; Willi Vallender, Europäisches Naturschutzrecht: Die Verbandsklage – Risiken und Nebenwirkungen für Infrastrukturvorhaben, in: UPR 2008, S. 1; Jan Ziekow, Das Umweltrechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, in: NVwZ 2007, S. 259. 349 Dieser wurde erarbeitet von Stephen Stec und Susan Casey-Lefkowitz in Zusammenarbeit mit Jerzy Jendroska für das Regional Environmental Center for Central and Eastern Europe, mit finanzieller Unterstützung der Danish Environmental Protection Agency. Veröffentlicht durch United Nations Publication. 350 Ebd. S. 130. 351 Dazu noch ausführlich unten, wenn es um die Umsetzung der Konvention durch die europäischen Richtlinien und deren Wirkung auf das deutsche Verwaltungsrecht geht.
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Bürgers als politische Person, der – neben seinen eigenen Interessen – auch zugleich für die Durchsetzung des Rechts an sich eintritt. Da der Regelungsbereich der Aarhus-Konvention, die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten, eine geradezu beispielhafte Komplexität aufweist, ist die Verwirklichung des Regelungsziels, nämlich ein Leben in einer gesunden Umwelt als Basis der Verwirklichung individueller Menschenrechte, effektiv nur mit einem derart umfassenden dezentralen Kontrollmechanismus durchsetzbar. Indem der Einzelne für die Durchsetzung der ihm in der Konvention gewährten Rechte eintritt, streitet er zugleich für die Interessen der Allgemeinheit. Die Aarhus-Konvention leistet mit dem in ihr angelegten Konzept einen herausragenden Beitrag zur europäischen Integration insgesamt. Denn sie wirkt auf eine Europäisierung des nationalen Verwaltungsrechts und auf eine verfahrensrechtliche Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts hin.
II. Verfahrenskonzepte im Umweltrecht der Europäischen Union Im Umweltrecht der Europäischen Union haben sich, aufgrund seiner komplexen Wirkungsbedingungen, schon früh vielfältige Instrumente zur Umsetzung des Konzepts einer informierten Öffentlichkeit herausgebildet. Durch die Ratifikation der Aarhus-Konvention durch die Europäische Union erfuhren die entsprechenden Richtlinien teilweise eine enorme Weiterentwicklung. Sie setzen das in der Aarhus-Konvention angelegte Konzept um. Doch auch Richtlinien, die nicht von den Verpflichtungen der AarhusKonvention betroffen sind, sind Teil des Konzepts einer informierten Öffentlichkeit auf europäischer Ebene. Insgesamt sind zwei maßgebliche Verfahrenskonzepte erkennbar, die der Umsetzung des Konzepts einer informierten Öffentlichkeit insgesamt dienen: Dies ist zum einen das Verfahrenskonzept der informierten Öffentlichkeit, das in verschiedenen Bauformen eine umfassende Information der Öffentlichkeit zum Ziel hat (1.), und zum anderen das Konzept der Verfahrensprivatisierung, dass die Partizipation durch verstärkte Eigenbeiträge privater Akteure zur Grundlage hat (2.). 1. Das Verfahrenskonzept der informierten Öffentlichkeit Das Verfahrenskonzept der informierten Öffentlichkeit nimmt eine bedeutende Stellung im Rahmen der Erweiterten Instrumentenpalette der europäischen Umweltpolitik ein. Bereits im Vierten Umweltaktionsprogramm in einem eigenen Kapitel erwähnt und in den folgenden Programmen eingehend erörtert, ist es mit der Ratifikation der Aarhus-Konvention durch die Ge-
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meinschaft gemäß Art. 300 EGV (heute Art. 218 AEUV) zu einem integralen Bestandteil des Gemeinschaftsrechts mit Vorrang vor Sekundärrecht geworden. Ebenenübergreifend prägt es, insbesondere neben dem Prinzip des integrierten Umweltschutzes und dem Konzept der Verfahrensprivatisierung sowohl das mitgliedstaatliche Verwaltungsrecht als auch das Gemeinschaftsrecht. Hauptsäulen bei der Herausbildung des Verfahrenskonzepts der informierten Öffentlichkeit waren die gemeinschaftsweite Festschreibung der Öffentlichkeitsbeteiligung als Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie (RL) 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (kurz: UVP-RL)352 sowie die Regelung eines allgemeinen, voraussetzungslosen Informationszugangsanspruchs in der RL 2003/04/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (kurz: UI-RL)353. In einer breiten Palette von Bauformen hat sich der Grundsatz der Öffentlichkeit sodann weiter entfaltet [a)]. Ebenso vielfältig wie seine Bauformen sind die Funktionen, die das Verfahrenskonzept der informierten Öffentlichkeit erfüllt [b)]. a) Bauformen des Verfahrenskonzepts der informierten Öffentlichkeit Die Regelungen des europäischen Umweltrechts, die die Beteiligung und Information der Öffentlichkeit zum Gegenstand haben, lassen sich in solche verfahrensakzessorischer Öffentlichkeit, also Öffentlichkeit im Rahmen konkreter, auf eine Sachentscheidung gerichteter Verwaltungsverfahren, und solche verfahrensunabhängiger Öffentlichkeit untergliedern.354 aa) Verfahrensakzessorische Öffentlichkeit Eine erste Bauform verfahrensakzessorischer Publizität bildet die Beteiligung der Öffentlichkeit an umweltrelevanten Zulassungsverfahren. Als älteste ist sie in den Traditionen der meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union verankert.355 Im europäischen Recht wurde diese Beteiligungs352
RL 85/337/EWG v. 27.06.1985, ABl. v. 05.07.1985, Nr. L 175, S. 40, zuletzt geändert durch RL 2009/31/EG v. 23.04.2009, ABl. v. 05.06.2009, Nr. L 140, S. 114. 353 RL 2003/04/EG v. 28.01.2003, ABl. v. 14.02.2003, Nr. L 41, S. 26. 354 Vgl. auch die Darstellung bei Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. 1, § 18 Rn. 7 ff. 355 Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. 1, § 18 Rn. 9.
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form erstmals in Art. 6 Abs. 2 der RL 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP)356 als Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung bei raumbedeutsamen Projektzulassungen rezipiert. Sie wurde auch Teil des Genehmigungsverfahrens nach der RL 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU)357 sowie der Verträglichkeitsprüfung nach der RL 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen358. Dabei konnte zunächst eine Tendenz von der Betroffenen- zur Popularpartizipation ausgemacht werden.359 So sollte gemäß Art. 6 Abs. 2 erster Gedankenstrich der RL 85/337/EWG (UVP) zwar „[. . .] der Öffentlichkeit jeder Genehmigungsantrag sowie die [. . .] eingeholten Informationen zugänglich gemacht werden“, nach Gedankenstrich zwei war jedoch nur „[. . .] der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit [. . .]“ zu geben „[. . .] sich vor Durchführung des Projekts dazu zu äußern“. Dagegen war in Art. 15 Abs. 1 RL 96/61/EG (IVU) geregelt, „[. . .] dass Anträge auf Genehmigungen neuer Anlagen oder wesentliche Änderungen der Öffentlichkeit [. . .] zugänglich gemacht werden, damit sie dazu Stellung nehmen kann [. . .]“ Eine Beschränkung auf die ‚betroffene Öffentlichkeit‘ blieb also aus. Beide Richtlinien erhielten, in Umsetzung der Pflichten aus der Aarhus-Konvention, Änderungen durch die RL 2003/35/EG360 mit dem Ziel einer verbesserten Öffentlichkeitsbeteiligung. Nunmehr wird sowohl bei der UVP-RL als auch im Rahmen der IVU-RL zwischen Öffentlichkeit und betroffener Öffentlichkeit unterschieden.361 Dabei unterliegt die betroffene Öffentlichkeit allerdings einer, ebenfalls in der Richtlinie in Anpassung an das Aarhus-Übereinkommen neu eingeführten weiten Definition, die auch die Öffentlichkeit, die ein Interesse an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren hat einbezieht und für Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen ein solches Interesse fingiert.362 Zudem enthält die Änderung in beiden Fällen 356 RL 85/337/EWG v. 27.06.1985, ABl. v. 05.07.1985, Nr. L 175, S. 40, zuletzt geändert durch RL 2009/31/EG v. 23.04.2009, ABl. v. 05.06.2009, Nr. L 140, S. 114. 357 Art. 15 Abs. 1 RL 96/61/EG, ABl. v. 10.10.1996, Nr. L 257, S. 26, nunmehr ersetzt durch RL 2010/75/EU v. 24.11.2010, ABl. v. 17.12.2010, Nr. L 334, S. 17. 358 Art. 6 Abs. 3 RL 92/43, ABl. V. 22.07.1992, Nr. L 206, S. 7, zuletzt geändert durch RL 2006/105/EG v. 20.11.2006, ABl. v. 20.12.2006, Nr. L 363, S. 368. 359 So Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. 1, § 18 Rn. 9. 360 RL 2003/35/EG v. 26.05.2003, ABl. v. 25.06.2003, Nr. L 156, S. 17. 361 Art. 6 Abs. 2, 3, 4 der geänderten RL 85/337 und Art. 15 Abs. 1 der geänderten RL 96/61. 362 Art. 1 Abs. 2 der geänderten RL 85/337 und Art. 2 b) der geänderten RL 96/61.
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einen ausführlichen Katalog über Art, Ort und Zeitrahmen der zur Verfügung zu stellenden Informationen.363 Soweit zur Verfügung stehen, soll die Öffentlichkeit durch elektronische Medien frühzeitig informiert werden.364 Den Mitgliedstaaten verbleibt ein Spielraum hinsichtlich der genauen Vorkehrungen wie die Öffentlichkeit unterrichtet (z. B. durch Anschläge oder Veröffentlichungen in Lokalzeitungen) und die betroffene Öffentlichkeit angehört (z. B. durch Aufforderung oder öffentliche Anhörung) wird.365 Zudem besteht die in beiden Richtlinien vorhandene – in Umsetzung der Aarhus-Konvention zu gewährleistende366 – Pflicht der Mitgliedstaaten, das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Entscheidung in angemessener Weise zu berücksichtigen.367 Ursprünglich auf raumbezogene Standort- und Anlagenzulassungsentscheidungen beschränkt, erfährt die Öffentlichkeitsbeteiligung im Europarecht seit geraumer Zeit eine darüber hinausgehende erhebliche konzeptionelle Erweiterung: So ist sie inzwischen beispielsweise zwingender Bestandteil der Genehmigungsverfahren der Gentechnik-Freisetzungs-RL 2001/18/EG368. Ferner sieht die RL 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen eine Öffentlichkeitsbeteiligung u. a. vor der Erstellung ‚externer Notfallpläne‘ vor, in denen alle bei einem Notfall zu treffenden administrativen Maßnahmen zusammenzufassen sind.369 Hier erlangte das Konzept erstmals für behördliche 363 Art. 6 Abs. 2 a)–g) und Abs. 3 a)–c) der geänderten RL 85/337 und Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Anhang V und Abs. 5 a), b) der geänderten RL 96/61. 364 Art. 6 Abs. 2 RL 85/337/EWG und Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Anhang V, Nr. 1 RL 96/61/EG jeweils in der Fassung v. 26.05.2003. 365 Art. 6 Abs. 5 der geänderten RL 85/337 und Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Anhang V Nr. 5 der geänderten RL 96/61; zu der durch EuGH 14.12.1995 – Rs. C-312/93 (Peterbroek/Belgien) – E 1995, I-4599 veranlassten Frage der Vereinbarkeit der deutschen Norm über die materielle Präklusion mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts: Thomas von Danwitz, Umweltrechtliche Präklusionsnormen zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzgarantie, UPR 1996, S. 323; Hans Christian Röhl/Clemens Ladenburger, Die materielle Präklusion im raumbezogenen Verwaltungsrecht, 1997, S. 64 ff. 366 Art. 6 Abs. 8 Aarhus-Konvention. 367 Art. 6 Abs. 4 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 c) der geänderten RL 85/337 und Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Anhang V Nr. 4 der geänderten RL 96/61. 368 Vlg. Erwägungsgrund 10 sowie Art. 9 und 24 der RL 2001/18 (GVO/Freisetzung), ABl. v. 17.04.2001, Nr. L 106, S. 1, die die RL 90/220, ABl. v. 08.05.1990, Nr. L 117, S. 15 ersetzt und zuletzt geändert wurde durch RL 2008/27 v. 11.03. 2008, ABl. v. 20.03.2008, Nr. L 81, S. 45. 369 Art. 11 Abs. 3 RL 96/82 (Unfallgefahr/Gefährliche Stoffe), ABl. v. 14.01. 1997, Nr. L 10, S. 13 zuletzt geändert durch VO 1137/2008 v. 22.10.2008, ABl. v. 21.11.2008, Nr. L 311, S. 1; daneben auch bei der Planung von störfallgefährdeten Betrieben oder ihrer Umgebung, vgl. Art. 13 Abs. 5 der RL.
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Maßnahmenplanung ohne unmittelbare Raumbeanspruchung und ohne Genehmigungscharakter Bedeutung, blieb aber immerhin raumbezogen.370 Weiter ging dann Art. 14 der RL 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, wonach vor Verabschiedung der in der RL geforderten Bewirtschaftungspläne Entwürfe dieser Pläne veröffentlicht und zugänglich gemacht werden und ‚interessierte Stellen‘ sich zu diesen äußern können müssen.371 Damit und mit der RL 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme hat die Öffentlichkeitsbeteiligung endgültig die Ebene der grobsteuernden, langfristigen Programme und Pläne ohne unmittelbaren Einzelprojektbezug erreicht.372 Als gewisses Pendant dazu aus dem Eigenverwaltungsrecht der Gemeinschaft kann Art. 6, 13 und 15 VO 1980/2000 zur Revision des gemeinschaftlichen Systems zur Vergabe eines Umweltzeichens373 zur Festlegung der Produktgruppen und spezifischen Umweltkriterien für die Vergabe des EG-Umweltzeichens im Zusammenwirken zwischen Kommission, dem Ausschuss für das Umweltzeichen der EU und einem Konsultationsforum, dem Vertreter von Industrie, Handel, Gewerkschaften, Verbraucher- und Umweltorganisationen angehören, gesehen werden. Ein weitergehendes Beispiel aus dem Eigenverwaltungsrecht der EG aus jüngerer Zeit stellt die VO 1367/2006374 dar, die der Anwendung der Bestimmungen der Aarhus-Konvention auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft dient. Sie gewährleistet in Art. 9 Abs. 1 der VO nicht nur die Einbeziehung der Öffentlichkeit „[. . .] bei der Vorbereitung, Änderung und Überprüfung von umweltbezogenen Plänen und Programmen, wenn alle Optionen noch offen sind [. . .]“, sondern insbesondere auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit „[. . .] bei der Ausarbeitung von Vorschlägen [. . .], die andere Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft zur Entscheidung [. . .]“ vorlegen. Über Art, Umfang und Zeitrahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung enthält sie detaillierte Regelungen. Art. 9 Abs. 5 der VO verpflichtet die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung in angemessener Weise 370 Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 10. 371 Art. 14 insb. c) RL 2000/60/EG v. 23.10.2000, ABl. v. 22.12.2000, Nr. L 327, S. 1, zuletzt geändert durch RL 2009/31/EG v. 23.04.2009, ABl. v. 05.06. 2009, Nr. L 140, S. 114. 372 Art. 6 RL 2001/42 (Plan-UP), ABl. v. 21.07.2001, Nr. L 197, S. 30; kritisch gegenüber extensiven Planungspflichten bei schwacher inhaltlicher Determinierung in RL 2000/60 als „Ausweichen der Politik ins aufwendig-prozedurale“ Gertrude Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts, 1996, S. 493. 373 ABl. v. 21.09.2000, Nr. L S. 1, die Verordnung löst die VO 880/92, ABl. v. 11.04.1992, Nr. L 99, S. 1 ab. 374 VO 1367/2006 v. 6.09.2006, ABl. v. 25.09.2006, Nr. L 264, S. 13.
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zu berücksichtigen und die Öffentlichkeit „[. . .] über die Gründe und Überlegungen, auf die sich die Entscheidung stützt, wobei auch Angaben über die Öffentlichkeitsbeteiligung zu machen sind“, zu unterrichten. Die Veröffentlichung getroffener Verwaltungsentscheidungen kann als zweite Bauform verfahrensakzessorischer Öffentlichkeitsbeteiligung klassifiziert werden.375 Sie wird zumeist mit der entscheidungsvorbereitenden Öffentlichkeitsbeteiligung angeordnet und findet sich ebenfalls in RL 85/337 (UVP) und RL 96/61 (IVU).376 Eine wichtige Fortentwicklung enthielt dann zunächst die Novellierung der UVP-Richtlinie, nach der erstmals nicht nur die Entscheidung an sich, sondern auch die diesbezügliche Begründung veröffentlicht werden musste.377 Nach der Änderung, in der Fassung vom 26. Mai 2003, werden nunmehr in beiden Richtlinien die zuständigen Behörden dazu verpflichtet, nach einer getroffenen Entscheidung die „[. . .] (Haupt-)378 Gründe und Erwägungen, auf denen die Entscheidung beruht, einschließlich Angaben über das Verfahren der Beteiligung der Öffentlichkeit“379, selbiger zugänglich zu machen. Diese Regelung ist ebenfalls eine Folge der Umsetzung der Vorgaben aus der Aarhus-Konvention.380 bb) Verfahrensunabhängige Öffentlichkeit An den Formen verfahrensunabhängiger Publizität zeigt sich der Bedeutungszuwachs des Prinzips einer informierten Öffentlichkeit im europäischen Umweltrecht besonders deutlich. Dieser Bereich unterliegt seit geraumer Zeit einer besonders dynamischen Entwicklung. Hier kann zwischen Informationszugangsrechten der Bürger und einer aktiven Veröffentlichungspflicht der Behörden unterschieden werden.
375 So Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 11. 376 Art. 9 RL 85/337 (UVP-RL), dort noch beschränkt auf die betroffene Öffentlichkeit; Art. 15 Abs. 1 RL 96/61 (IVU-RL), ohne diese Beschränkung; ferner s. Art. 12 RL 2000/76 (Abfallverbrennung), ABl. 28.12.2000, Nr. L 332, S. 91 jeweils in der zuletzt geänderten Fassung. 377 Art. 9 Abs. 1 RL 97/11 (Novellierung UVP-RL), ABl. v. 14.03.1997, Nr. L 73, S. 5; ähnlich Art. 9 Abs. 1 b) RL 2001/42 (Plan-UP), der die Veröffentlichung einer Erklärung über die Art und Weise der Berücksichtigung der im Rahmen der Plan-UVP vorgebrachten Umwelterwägungen und vorgelegten Unterlagen vorschreibt. 378 Diese Einschränkung nur in Art. 9 Abs. 1 RL 85/337/EWG. 379 Art. 9 Abs. 1 RL 85/337/EWG und Art. 15 Abs. 5 b) RL 96/61/EG jeweils in der geänderten Fassung vom 26.05.3003. 380 Art. 6 Abs. 9 Aarhus-Konvention.
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(1) Informationszugangsrechte der Bürger Umfassend ist das Informationszugangsrecht der Bürger aus der Umweltinformationsrichtlinie von 1990, die dann – zur Umsetzung der Vorgaben aus der Aarhus-Konvention381 – durch die RL 2003/04/EG ersetzt wurde.382 Sie normiert einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen für jedermann, ohne dass ein besonderes Interesse gegeben sein muss. Die Umweltinformationen müssen bei Behörden oder sonstigen, unter Behördenaufsicht stehenden Stellen, die Aufgaben im Bereich der Umweltpflege wahrnehmen, vorhanden sein oder für eine Behörde bereitgehalten werden.383 Der Begriff der Umweltinformation ist weit und umfasst Angaben über den Zustand der Umweltmedien, über Auswirkungen bestimmter Faktoren auf die Umweltmedien, Maßnahmen (einschließlich Verwaltungsmaßnahmen) im Umweltbereich, sowie Umsetzungsberichte, Kosten/Nutzen-Analysen und über den Zustand der menschlichen Gesundheit, sowie Kulturstätten und Bauwerke.384 Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen sich in angemessener Weise darum bemühen, dass die Umweltinformationen „[. . .] in unmittelbar reproduzierbaren und über Computer-Telekommunikationsnetzwerke oder andere elektronische Mittel zugänglichen Formen oder Formaten vorliegen“.385 Nicht umfasst ist die aktive Einholung von Informationen bei Dritten. Gegen die Ablehnung eines Informationsbegehrens muss dem Einzelnen Rechtsschutz gewährt werden. Ein erstes spezielles Informationszugangsrecht normierte Art. 20 RL 96/82/EG386 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, dass alle Informationen umfasst, welche die Behörden in Anwendung der Richtlinie erhalten haben. Der allgemeine Informationsanspruch der Umweltinformationsrichtlinie wird damit thematisch im Sinne einer ‚Richtlinienvollzugstransparenz‘ ergänzt.387 Ein sehr viel weitergehendes, nicht auf Informationen über die Umwelt beschränktes Aktenzugangsrecht besteht auf der Ebene des Eigenverwaltungsrechts der EG gemäß VO 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kom381
Insbesondere Art. 4 und 5 Aarhus-Konvention. RL 2003/35/EG v. 28.01.2003, ABl. v. 14.02.2003, Nr. L 041, S. 26. 383 Vgl. Art. 2 Nr. 3 und 4 RL 2003/04/EG. 384 Vgl. Art. 2 Nr. 1 RL 2003/04/EG. 385 Art. 3 Abs. 4 b) RL 2003/04/EG. 386 RL 96/82/EG v. 9.12.1996, ABl. v. 14.01.1997, S. 13, zuletzt geändert durch VO 1137/2008 v. 22.10.2008, ABl. v. 21.11.2008, Nr. L 311, S. 1. 387 Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 14. 382
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mission.388 In Ergänzung zu VO 1049/2001/EG enthält VO 1367/2006/EG – in Umsetzung der Aarhus-Konvention – nunmehr nähere Bestimmungen zum Zugang zu Umweltinformationen. Ebenfalls als voraussetzungsloses Informationszugangsrecht ist Art. 6 VO 1210/90 zu verstehen, wonach die der Europäischen Umweltagentur übermittelten oder von ihr verbreiteten Umweltdaten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind.389 Daneben hat sich in Rahmenrichtlinien über Qualitätsziele für Luft und Gewässer ein Einsichtsrecht für Pläne und Programme entwickelt, in denen die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Erreichung der Qualitätsziele festzulegen haben (‚grobsteuernde Programme‘). Es ergänzt die bereits angesprochene Beteiligung bei der Aufstellung dieser Programme.390 (2) Veröffentlichungspflichten der Behörden Die aktiven Veröffentlichungspflichten der Behörden betreffen teils das Eigenverwaltungsrecht der Europäischen Union (Kommission oder Europäische Umweltagentur) und teils das Gemeinschaftsverwaltungsrecht, also die Mitgliedstaaten. Dabei haben sich unterschiedliche Typen von Informationspflichten entwickelt. Einen ersten Typ bildet die ‚Lageberichterstattung‘, nach der in periodischen Abständen Lageberichte oder sonstige Informationen über den Zustand der Umwelt zu veröffentlichen sind. Hier schuf die RL 90/313/EWG (UI-RL) in Art. 7 zunächst eine nicht näher ausgestaltete Pflicht der Mitgliedstaaten zur Veröffentlichung allgemeiner Informationen über die Umwelt, die dann eine nähere Qualifizierung in Art. 7 der RL 2003/04/EG fand. Die RL 90/313/EWG wurde durch RL 2003/04/EG ersetzt. Hier sind die Mitgliedstaaten nunmehr angehalten sicherzustellen, dass die Behörden Umweltinformationen aufbereiten, damit eine „[. . .] aktive und systematische Verbreitung in die Öffentlichkeit erfolgen kann, insbesondere unter 388
VO 1049/2001 (Zugang/Dokumente), ABl. v. 31.05.2001, Nr. L 145, S. 43. Vlg. auch den Beschluss der Europäischen Umweltagentur vom 31.03.1997 über den öffentlichen Zugriff auf Dokumente der Europäischen Umweltagentur, ABl. v. 18.09.1997, Nr. C 282, S. 5. 390 Art. 8 Abs. 3 RL 96/62 (Luftqualität), ABl. v. 21.11.1996, Nr. L 296, S. 55; in Art. 13 Abs. 6 RL 2000/60 (Ordnungsrahmen/Wasserpolitik), ABl. v. 22.12. 2000. Nr. L 327, S. 1 ist sogar eine aktiver Pflicht zur Veröffentlichung der geforderten Bewirtschaftungspläne vorgesehen; vgl. ferner Art. 6 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 a), b) RL 94/62 (Verpackungen und Verpackungsabfälle), ABl. v. 31.12.1994. Nr. L 365, S. 10: Pflicht der Mitgliedstaaten zur Veröffentlichung der Maßnahmen zur Erreichung der Zielvorgaben der RL 94/62 sowie zur Unterrichtung der Verbraucher über den Inhalt der Abfallbewirtschaftungspläne nach Art. 7 RL 75/442 (Abfallrahmenrichtlinie), soweit er sich auf Verpackungen bezieht (Art. 13 4. tir. RL 94/62). 389
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
Verwendung von Computer-Telekommunikation und/oder elektronischen Technologien, soweit diese verfügbar sind“, und sie sollen Sorge dafür tragen, „[. . .] dass Umweltinformationen zunehmend in elektronischen Datenbanken zugänglich gemacht werden [. . .]“.391 Ebenfalls qualifizierte periodische Berichtspflichten werden den mitgliedstaatlichen Behörden durch RL 91/271/EWG392 (Kommunales Abwasser) und der Kommission durch RL 96/61/EG393 (IVU) auferlegt. Eine allgemeine, zusammenfassende Berichterstattung über die Wasser- und Luftqualität wurde der Kommission zunächst nach den Ratsentscheidungen 77/795/EWG394 zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zum Informationsaustausch über die Qualität des Oberflächensüßwassers in der Gemeinschaft und 97/101/EG395 zur Schaffung eines Austausches von Informationen und Daten aus den Netzen und Einzelstationen zur Messung der Luftverschmutzung in den Mitgliedstaaten auferlegt. Eine besondere Ausprägung fand der Typus der Lageberichterstattung dann mit der Formulierung von Qualitätszielen in den RL 96/62/EG über die Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität und 99/30/EG396 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxid, Partikel und Blei in der Luft. Die Entwicklung dieser Bestimmungen ist mittlerweile weiter fortgeschritten. So wurde die Ratsentscheidung 77/795/EWG mit einer Vielzahl von anderen Entscheidungen und Richtlinien abgelöst von der RL 2000/60/EG397 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, die nunmehr ausführliche Bestimmungen über Pflichten der Mitgliedstaaten betreffend ‚Information und Anhörung der Öffentlichkeit‘ insbesondere hinsichtlich der Bewirtschaftungspläne für Einzugsgebiete (Art. 14), ‚Berichterstattung‘ durch die Mitgliedstaaten an die Kommission und alle betroffenen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Bewirtschaftungspläne (Art. 15) sowie differenzierte Pflichten zur Berichterstattung der Kommission über die Umsetzung der Richtlinie (Art. 18) enthält. Zudem enthält sie ausführliche Anhänge über Parameter und Grenzwerte. Sie geht über eine 391
Vgl. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/04/EG. Zuletzt geändert durch VO 1137/2008. 393 Zuletzt ersetzt durch RL 2010/75/EU v. 24.11.2010, ABl. v. 17.12.2010, Nr. L 334, S. 17. 394 Aufgehoben durch RL 2000/60/EG v. 23.10.2000, ABl. v. 22.12.2000, Nr. L 372, S. 1, zuletzt geändert durch RL 2009/31/EG v. 23.04.2009, ABl. v. 05.06. 2009, Nr. L 140, S. 114. 395 Aufgehoben durch RL 2008/50/EG v. 21.05.2008, ABl. v. 11.06.2008, Nr. L 152, S. 1. 396 Beide aufgehoben durch RL 2008/50/EG v. 21.05.2008, ABl. v. 11.06.2008, Nr. L 152, S. 1. 397 Zuletzt geändert durch RL 2009/31/EG v. 23.04.2009, ABl. v. 05.06.2009, Nr. L 140, S. 114. 392
C. Instrumente der informierten Öffentlichkeit
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bloße Lageberichterstattung weit hinaus. Die Ratsentscheidung 97/101/EG sowie die RL 96/62/EG und 99/30/EG sind aufgegangen in der RL 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa, die in Kapitel V ebenfalls ausführliche und differenzierte Vorschriften über die Informationspflichten der Mitgliedstaaten sowie einen ausgedehnten Katalog an Kriterien zur Bewertung verschiedenster Grenzwerte enthält. VO 1367/2006/ EG über die Anwendung der Bestimmungen der Aarhus-Konvention auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft verpflichtet nunmehr in Art. 4 Abs. 4 die Kommission zur Veröffentlichung und Verbreitung eines Berichts über den Zustand der Umwelt mit Informationen über die Umweltqualität und die Umweltbelastung in regelmäßigen Abständen, mindestens alle vier Jahre.398 Art. 4 Abs. 1 der VO verpflichtet die Organe der Gemeinschaft zu einer aktiven und systematischen Verbreitung von Umweltinformationen in der Öffentlichkeit, „[. . .] insbesondere unter Verwendung von Computertelekommunikation und/oder elektronischen Technologien gemäß Art. 11 Abs. 1 und 2 sowie Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 [. . .]“. Flankiert wird diese Art der Berichterstattung durch die Tätigkeit der Europäischen Umweltagentur, die zum einen die Sammlung und Weiterleitung von Umweltdaten an die Kommission und an die Mitgliedstaaten unterstützt399 und zum anderen selbst Lageberichte erstellt400. Ein weiterer Typus der Berichterstattung entwickelte sich im Sinne einer ‚Vollzugsberichterstattung‘, welche die Veröffentlichung von Berichten über die Verwaltungstätigkeit zur Durchführung des Umweltrechts meint.401 Diese Bauform von Öffentlichkeit entwickelte sich im Europarecht zunächst in Einzelrichtlinien und dann übergreifend in der RL 91/692/EWG402 zur Vereinheitlichung und zweckmäßigen Gestaltung der Berichte über die Durchführung bestimmter Umweltschutzrichtlinien. Sie gliedert sich in ein zweistufiges System, nach dem zunächst die Mitgliedstaaten der Kommission einen sektoralen Bericht über die Durchführung der europäischen Richtlinien jeweils eines Sektors (Luftreinhaltung, Gewässerschutz, Abfall) anhand eines Fragebogens bzw. Schemas übermitteln, auf deren Grundlage die Kommission sodann in einem zweiten Schritt einen Gemeinschaftsbericht über die Durchführung der Richtlinien veröffentlicht. 398
Art. 4 Abs. 4 VO 1367/2006/EG. s. insb. 5. Erwägungsgrund, Art. 2 a), b) und Art. 3 VO 401/2009 v. 23.04. 2009, ABl. v. 21.05.2009, Nr. L 126, S. 13. 400 Ebd. Art. 2 h). 401 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 20. 402 RL 91/692/EWG v. 23.12.1991, ABl. v. 31.12.1991, Nr. L 377, S. 48, zuletzt geändert durch VO 1882/2003/EG, ABl. v. 31.10.2003, Nr. L 284, S. 1. 399
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
Als dritten Typus lässt sich die ‚Überwachungspublizität‘ nennen, d.h. die Veröffentlichung der Ergebnisse laufender Überwachungsmaßnahmen im anlagenbezogenen Umweltrecht.403 Diese Pflicht der nationalen Behörden, die Ergebnisse der durch Europarecht vorgeschriebenen Maßnahmen laufender Überwachung von genehmigten Anlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde zunächst eingeführt durch die Richtlinie zur Abfallverbrennung404. Durch die RL 96/61/EG (IVU) wurde sie auf die Überwachung aller nach dieser Richtlinie genehmigungspflichtigen Anlagen ausgedehnt. Auch wenn die Überwachungsergebnisse nach dem Wortlaut der Richtlinie der Öffentlichkeit lediglich zur Verfügung stehen müssen405, lässt der systematische Zusammenhang der Regelung mit denen der verfahrensgebundenen Veröffentlichungen von Genehmigungsanträgen und -entscheidungen doch darauf schließen, dass es sich um eine aktive Berichtspflicht handelt.406 Wohl gestattet die Richtlinie auch eine Veröffentlichung der Überwachungsergebnisse durch die Unternehmen selbst, wenn diese in der von der zuständigen Behörde festgelegte Form und Weise eingehalten wurde.407 Als letzter Typus der Berichtspflichten ist die Publizität betrieblicher Umweltschutzkonzepte zu nennen. Nach diesem Typ sind die Umwelterklärungen, welche Unternehmen oder sonstige Organisationen im Rahmen des Öko-Audit gemäß der VO 761/2001408 verfassen, öffentlich zugänglich zu machen und die Kommission führt ein öffentlich zugängliches Verzeichnis aller eingetragenen Organisationen mit Öko-Audit.409 Nach der RL 96/82/EG410 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit ge403 s. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 21. 404 RL 2000/76/EG v. 4.12.2000, ABl. v. 28.12.2000, Nr. L 332, S. 91, zuletzt geändert durch VO1137/2008/EG v. 22.10.2008, ABl. v. 21.11.2008, Nr. L311, S. 1. 405 s. Art. 15 Abs. 2 RL 96/61/EG v. 24.11.1996, zuletzt geändert durch RL 2003/35/EG v. 26.05.2003, ABl. v. 25.06.2003, Nr. L 156, S. 21. 406 Vgl. die Umsetzung in § 18 der 17. BImSchV; so auch Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 21. 407 Vgl. die Umsetzung in § 18 der 17. BImSchV; so auch Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 21. 408 ABl. v. 24.4.2001, Nr. L 114, S. 1, zuletzt geändert durch VO 1791/2006 des Rates v. 20.11.2006, ABl. v. 20.12.2006, Nr. L 363, S. 1. 409 Art. 7 Abs. 3 sowie Anhang 3.2. u. 3.6. VO 761/2001 ABl. v. 24.4.2001, Nr. L 114, S. 1, zuletzt geändert durch VO 1791/2006 des Rates v. 20.11.2006, ABl. v. 20.12.2006, Nr. L 363, S. 1. 410 RL 96/82 v. 9.12.1997, ABl. v. 14.01.1997, Nr. L 10, S. 13, zuletzt geändert durch VO 1137/2008 v. 22.10.2008, ABl. v. 21.11.2008, Nr. L 311, S. 1.
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fährlichen Stoffen ist der von den Unternehmen der Behörde vorzulegende Sicherheitsbericht sowie das Verzeichnis beim Unternehmen vorhandener gefährlicher Stoffe zu veröffentlichen.411 Beide Verordnungen setzen so bewusst auf die Information der Öffentlichkeit über die von den Unternehmen entwickelten Maßnahmen und Konzepte, um so auf diese Druck über das Konsumverhalten und das Ansehen in der Öffentlichkeit zu erzeugen.412 b) Funktionen des Verfahrenskonzepts der informierten Öffentlichkeit Entsprechend der vielfältigen Bauformen des Verfahrenskonzepts der informierten Öffentlichkeit lassen sich im Umweltverfahrensrecht der Gemeinschaft verschiedene Funktionen der Öffentlichkeit ausmachen413. Hier wird das – gegenüber dem nationalen Recht – erweiterte und differenzierte Öffentlichkeitsverständnis auf europäischer Ebene deutlich. Neben die, im deutschen Recht klassischen, auf die Beteiligung in konkreten Verwaltungsverfahren bezogenen Funktionen der Rechtswahrung Betroffener und der Sachaufklärung der Verwaltung tritt die Öffentlichkeit als ein Mittel, das eine verbesserte Berücksichtigung von Umweltbelangen bei administrativem, unternehmerischem und privatem Handeln bewirken soll. aa) Individueller Rechts- und Interessenschutz Der individuelle Rechts- und Interessenschutz wird, anders als im deutschen Verwaltungsrecht, im Europarecht kaum betont. Findet noch im Vierten Umweltaktionsprogramm die Partizipation als Rechts- und Interessenverteidigung im Verwaltungsverfahren Erwähnung414, wird dies von der Kommission im Zusammenhang mit der RL 85/337/EWG (UVP-RL) und 411
Art. 13 Abs. 4 und 6 RL 96/82 v. 9.12.1997, ABl. v. 14.01.1997, Nr. L 10, S. 13, zuletzt geändert durch VO 1137/2008 v. 22.10.2008, ABl. v. 21.11.2008, Nr. L 311, S. 1; im Vergleich zur Vorgänger RL 82/501, ABl. v. 05.08.1982, Nr. L 230, S. 1, liegt in der Formulierung eine Abkehr vom „need-to-know“-Prinzip, bei dem sich die Publizität auf zum Selbstschutz der betroffenen Bevölkerung notwendige Informationen beschränkte, vgl. die Begründung der Kommission zum Vorschlag der RL (KOM (94) 4 endg. = BR-Drucks. 269/94), S. 7. 412 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 22 und zur verfahrensrechtlichen Bedeutung der beiden Rechtsakte Rn. 50 ff. 413 Vgl. Arno Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, insb. S. 207 ff. und 385 ff.; Helge Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit – ihre Möglichkeiten und ihre (rechtlichen) Grenzen, in: Eberhard Schmidt-Aßmann/ Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 117, 131 ff. 414 Viertes Umweltaktionsprogramm, Kapitel 2.6.1.
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
der RL 96/61/EG (IVU-RL), sowie dem Fünften Umweltaktionsprogramm nicht mehr angesprochen.415 bb) Partizipation Der Begriff der Partizipation hingegen wird von der Kommission häufig, nicht nur im Rahmen der verfahrensakzessorischen Öffentlichkeitsbeteiligung,416 sondern auch im Zusammenhang mit der verfahrensunabhängigen Öffentlichkeit verwendet. So bildet nach Ansicht der Kommission der Informationsanspruch nach der Umweltinformationsrichtlinie RL 2003/04/EG, eine Grundlage für eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit an Verfahren über die Erteilung von Bau-, Betriebs- und Emissions-/Einleitungslizenzen.417 Es können drei Zielvorstellung der Partizipation ausgemacht werden:418 Zum einen geht es um eine möglichst weitgehende Interessenartikulation in Verwaltungsverfahren, ausdrücklich geregelt etwa in der Betroffenenpartizipation nach Art. 6 Abs. 4 RL 85/337/EWG und in der Partizipation der interessierten Stellen nach Art. 14 Abs. 1 der RL 2000/60/EG (Ordnungsrahmen/Wasserpolitik). Andererseits zielt die Partizipation auf eine Unterstützung behördlichen Sachverstands bei der Erarbeitung verbesserter Umweltschutzmaßnahmen. Dies wird besonders im Kontext der RL 85/377/EWG (UVP-RL) und der RL 96/61/EG (IVU-RL) deutlich, in denen Partizipation als gezielte methodische Ergänzung des integrativen Umweltschutzansatzes begriffen wird. So heißt es in der Begründung der Kommission zum Vorschlag der UVP-RL, dass das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung für die vom medienübergreifenden Ansatz geforderte Bewertung und interne Abwägung verschiedener Umweltbelastungen einen unerlässlichen Beitrag leiste, da diesbezüglich objektiv-wissenschaftliche 415
Vgl. Erwägungsgrund 23 RL 96/61/EG; die Begründung der Kommission zum Vorschlag der UVP-RL, BR-Drucks. 413/80, S. 13 f., in der in einem weiteren Sinne von Transparenz und Beteiligung, nicht aber von Rechtsverteidigung die Rede ist. 416 Begründung Kommission zum Vorschlag UVP-RL, BR-Drucks. 413/80, S. 13; sowie zum Vorschlag IVU-RL (ABl. v. 17.11.1993, Nr. C 311, S. 6), S. 17. 417 Vlg. Entschließung 93/C 138/01, Fünftes Umweltaktionsprogramm, Kapitel 9. 418 Zur Funktion von Partizipation im Allgemeinen vgl. Evelyn Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, 1996, S. 106; Walter Schmitt Glaeser, Die Position der Bürger als Beteiligte im Entscheidungsverfahren gestaltender Verwaltung, in: Peter Lerche/ders./Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984, S. 35, insb. 48 ff. und 53 ff.; Gunnar Folke Schuppert, Einflussnahmen auf die Verwaltung durch Bürgerbeteiligung und kollektive Interessenwahrnehmung, in: Wolfgang Hoffman-Riem (Hrsg.), Bürgernahe Verwaltung?, 1979, S. 279 ff.
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Kriterien weithin fehlten.419 Schließlich wird der Idee der Partizipation unabhängig von der Förderung des Umweltschutzes ein bedeutender Eigenwert beigemessen, da sie allgemein die Beziehungen der Verwaltung zu den Bürgern zu fördern geeignet sei420. cc) Sensibilisierung Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Belange des Umweltschutzes ist ein weiteres Grundanliegen des Öffentlichkeitsprinzips. So formuliert die Kommission, es gehe darum „die Bürger unmittelbar für den Umweltschutz verantwortlich zu machen“421. Dabei können wiederum mehrere Stoßrichtungen ausgemacht werden422: Zum einen erhofft die Kommission, dass die Kapazität der Gesellschaft insgesamt zur Entwicklung erforderlicher Maßnahmen steigt.423 Außerdem soll die Akzeptanz für strengere Umweltschutznormen in der Bevölkerung gesteigert werden.424 Im Schwerpunkt aber geht es um Verhaltenssteuerung der Bürger als Verbraucher und Unternehmer.425 So soll der informierte Bürger und Verbraucher in seinem Umweltbelastungs- und Konsumverhalten umweltbewusster werden, die informierte Öffentlichkeit insgesamt soll als Verantwortungsforum die Unternehmenspolitik der Unternehmen verstehen und beeinflussen können. Besonders deutlich wird dies in der sogenannten Öko-Audit-Verordnung 761/2001/EG und der RL 96/82/EG über Unfallgefahr/gefährliche Stoffe426. Aber auch die Be419 Vgl. Begründung Kommission zum Vorschlag der UVP-RL 85/377/EWG, S. 13 f.; ähnlich auch Begründung Kommission zum Vorschlag der IVU-RL 96/61/EG, S. 17. 420 So am deutlichsten die Begründung der Kommission zum Vorschlag der UVP-RL 85/377/EWG, S. 13; ferner Entschließung 93/C 138/01 (Fünftes Umweltaktionsprogramm), Kapitel 7.1, 1. Absatz. 421 Begründung Kommission zum Vorschlag der UI-RL (KOM(88) 484 endg.), S. 2; allgemein zur Sensibilisierung vgl. Entschließung 87/C 328/01, Viertes Umweltaktionsprogramm, Kapitel 2.2.7, tir. 2; Art. 5 Beschluss 2179/98 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Überprüfung des Fünften Umweltaktionsprogramms, ABl. v. 10.10.1998, Nr. L 275, S. 1. 422 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 26. 423 Entschließung 87/C 328/01, Viertes Umweltaktionsprogramm, Kapitel 2.6.3. 424 Betont insb. in der Entschließung 87/C 328/01, Viertes Umweltaktionsprogramm, Kapitel 2.6.3, 2.6.4. 425 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 26. 426 s. dazu Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 22.
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richterstattungspflichten der Behörden über Emissionsquellen, Abwasserbehandlung in kommunale Kläranlagen oder anlagenbezogene Überwachungsmaßnahmen zielen in die gleiche Richtung.427 dd) Verwaltungstransparenz Eine weitere Zielvorstellung im Gemeinschaftsrecht ist die Verwaltungstransparenz, also das Anliegen, umweltrelevante Verwaltungsvorgänge für den Bürger überschaubar zu machen.428 Die Verwaltungstransparenz wird dabei zum einen instrumentell, als Mittel zur Erreichung der oben genannten Ziele der Interessenartikulation, Akzeptanzförderung sowie der Implementationskontrolle gesehen.429 Zum anderen wird ihr, ähnlich wie der Partizipation, ein Eigenwert beigemessen, da sie allgemein die Beziehungen zwischen Verwaltung und Bürger verbessert.430 ee) Öffentlichkeit als Kontrollinstanz Eine zentrale Rolle der Publizitätsvorschriften im Gemeinschaftsrecht besteht – entsprechend der Vorstellung eines Bürgers als politische Person – darin, mit einer informierten Öffentlichkeit eine Kontrollinstanz insbesondere für die defizitäre Umsetzung des europäischen Umweltrechts durch die nationalen Behörden431 zu schaffen.432 Demnach sollen Öffentlichkeit und 427 Verfahrenspublizität steht hier im weiteren Zusammenhang mit der Produktkennzeichnung der VO 1980/2000 (Umweltzeichen), vgl. auch schon Entschließung 93/C 138/01, Fünftes Umweltaktionsprogramm, Kapitel 7.5. und des Stoffrechts, vgl. dazu Eckhard Rehbinder, Self-regulation by Industry, in: Gerd Winter (Hrsg.), European Environmental Law, Aldershot 1996, S. 239 (261), sowie der Förderung der Umweltaufklärung und -erziehung; zu ihrer Bedeutung vgl. Entschließung 87/C 328/01, Viertes Umweltaktionsprogramm, Kapitel 2.6 und 8; ferner Entschließung 93/C 138/01, Fünftes Umweltaktionsprogramm, Zfs. Nr. 4, 6, 11, 20, Kapitel 7.5. 428 Vgl. schon Begründung Kommission Vorschlag UVP-RL, S. 13; Entschließung 87/C 328/01, Viertes Umweltaktionsprogramm, Kapitel 2.6.1; RL 96/61/EG, Erwägungsgrund 23; Begründung Kommission zum Vorschlag UI-RL, S. 2 und 3. 429 Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 28. 430 Begründung Kommission zum Vorschlag UI-RL, S. 2 und 3. 431 Vgl. Rainer Wahl, Europäisches Planungsrecht – Europäisierung des deutschen Planungsrechts, in: FS für Willi Blümel, 1999, S. 617 (637). 432 Vgl. dazu Ingolf Pernice, Gestaltung und Vollzug des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt – Europäische Impulse und Zwänge für das deutsche Umweltrecht, NVwZ 1990, S. 414 (423); Joachim Scherer, Umwelt-Audits: Instrumente zur Durchsetzung des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt?, NVwZ 1993, S. 11 (15); Eberhard Schmidt-Aßmann, Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht, DVBl 1993, S. 924 (933); vgl. ferner Dieter Scheuing, Instrumente zur
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vor allem Umweltverbände auf die nationalen Behörden Druck im Hinblick auf einen verbesserten Vollzug des Gemeinschaftsrechts ausüben. Sie stellen, trotz immer dichterer Informationsbeziehungen zwischen Kommission und nationalen Behörden, die wichtigste Informationsquelle der Kommission bei der Aufdeckung von Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht dar. Besonders deutlich lässt sich die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit am Umweltinformationsrecht nach der RL 2003/04/EG festmachen, sowie in seiner Fortentwicklung als ‚Richtlinienvollzugstransparenz‘ nach RL 96/82/EG über Unfallgefahr/gefährliche Stoffe. 2. Das Konzept der Verfahrensprivatisierung Das Konzept der Verfahrensprivatisierung hat eine neue Aufgabenverteilung zwischen Behörden und Privaten innerhalb der Verwaltungsverfahren zur Folge.433 Das Gemeinschaftsrecht setzt, im Vergleich zu überkommenen Vorstellungen manchen nationalen Verwaltungsrechts, stärker auf Eigenbeiträge Privater, namentlich Anlagenbetreiber, Projektträger oder Produkthersteller sowie auf ein engeres Zusammenwirken zwischen diesen und den Behörden. Dabei erfahren originäre Amtsermittlung und Überwachung durch die Behörde eine weniger starke Betonung. Im deutschen Verwaltungsrecht hat sich für dieses Phänomen der Begriff der ‚Verfahrensprivatisierung‘ eingebürgert.434 Dessen Konzept steht in größerem Zusammenhang mit dem Kooperationsprinzip im Umweltrecht, das auf europäischer Ebene insbesondere seit dem Fünften Umweltaktionsprogramm Betonung findet.435 Das Konzept der Verfahrensprivatisierung findet seine Ausprägungen in Durchführung des Europäischen Umweltrechts, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Gemeinschaftsrechtliche Einwirkungen auf den innerstaatlichen Rechtsschutz im Umweltrecht, 1999, S. 32 (54 ff.), insb. zu privaten Durchführungsmechanismen ausgehend vom Konzept der informierten Öffentlichkeit. 433 s. zum Folgenden Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 41 ff. 434 Vgl. dazu die Beiträge in Wolfgang Hoffmann-Riem/Jens-Peter Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, insb. Wolfgang HoffmannRiem, Verfahrensprivatisierung, S. 9 ff.; Jost Pietzacker, Verfahrensprivatisierung und staatliche Verfahrensverantwortung, S. 284 ff.; ferner Wolfgang Hoffman-Riem, Ökologisch orientiertes Verwaltungsverfahrensrecht – Vorklärungen, AöR 119 (1994), 607 ff.; Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (168) m. w. N. 435 Fünftes Aktionsprogramm, Zfs. allgemein Nr. 11, Nr. 19; Kapitel 3.2, Kapitel 4.1; ferner Hans-Joachim Koch, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht – ein Missverständnis?, NuR 2001, 541.
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verschiedenen Erscheinungsformen [a)] und es erfüllt unterschiedliche Funktionen [b)]. a) Erscheinungsformen der Verfahrensprivatisierung aa) Eigenbeiträge Privater zur Sachverhaltsermittlung Eine erste Erscheinungsform436 ist die Ausweitung der Ermittlungspflichten von Antragstellern in Genehmigungsverfahren, die diesem als Bestandteil der vorzulegenden Genehmigungsunterlagen abverlangt werden. Dabei wird die Motivationslage der Privaten ausgenutzt: Der Antragsteller begehrt von der Behörde eine Genehmigung, womit ihn die Initiativ- und Darlegungslast trifft. Deren Erfüllung liegt in seinem eigenen Interesse. Besonders deutlich zeigt sich diese Erscheinungsform der Verfahrensprivatisierung im anlagen- und projektbezogenen Genehmigungsrecht von UVP-RL und IVU-RL. Grundlage der UVP sind die vom Projektträger zu ermittelnden und vorzulegenden Angaben nach Art. 5 i. V. m. Anhang IV der UVP-RL 85/337/EWG. Diese umfassen eine Beschreibung des Ausgangszustandes der Umwelt sowie der Umwelteinwirkungen des Projekts und verpflichten den Projektträger so, Umstände aufzuklären, die außerhalb seiner Sphäre liegen.437 Damit geht der Umfang der Ermittlungspflichten des Projektträgers über die bis dahin in deutschen Genehmigungs- und Planungsverfahren normierten Vorlagepflichten hinaus. Auch die Pflicht, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung von Umweltbelastungen vorzuschlagen, fordert vom Projektträger eine unternehmerische Projektplanung über die üblichen Aspekte der Realisierbarkeit und Rentabilität hinaus. Was Umweltbelange betrifft, kommt dem Projektträger die Ermittlung des gesamten entscheidungserheblichen Sachverhalts zu. Dies hat einen Wandel der behördlichen Ermittlungstätigkeit zur Folge: Dadurch, dass der Private nicht mehr lediglich als untergeordneter Ermittlungshelfer einbezogen wird, ist sie nicht mehr alleinige Behördenpflicht, sondern vielmehr nachvollziehende Amtsermittlung.438 Im Rahmen dieses Konzepts der UVP sind die 436 s. zu den Erscheinungsformen Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 42 ff. 437 Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1991, S. 85 ff.; Eberhard Schmidt-Aßmann, Die Umsetzung der EG-Richtlinien über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-RL) vom 27.06.1985 in das deutsche Recht, in: FS für Karl Doehring zum 70. Geburtstag, 1989, S. 892. 438 Eingehend dazu Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1991, S. 126 ff. und insb. 133 ff.
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Ermittlungsbeiträge von Privaten und Behörde in den einzelnen Verfahrensphasen einander dialektisch zugeordnet: In der ersten Phase trägt der Projektträger die Verantwortung für die Zusammenstellung hinsichtlich der in Art. 5 Abs. 1 i. V. m. Anhang IV UVP-RL geforderten Unterlagen, die das Gerüst der UVP bilden. In dieser Phase darf die Behörde, auch wenn sie Defizite der vom Projektträger vorgelegten Informationen erkennt, nicht sogleich zu eigener Ermittlungstätigkeit übergehen, sondern sollte den Projektträger zuvor um weitere Angaben ersuchen.439 Erst im weiteren Verlauf des Verfahrens kommt dann die Ermittlungstätigkeit der Behörde zum Zuge. Sie hat, um der Berücksichtigungspflicht nach Art. 8 UVP-RL voll zu genügen, die vorgelegten Unterlagen unter Einbeziehung der Ergebnisse der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung zu prüfen, zu vervollständigen und gegebenenfalls zu korrigieren.440 Die Novellierung der UVP durch die RL 97/11/EG vervollständigte das Konzept geteilter Ermittlungsverantwortung im UVP-Verfahren, indem sie das sog. Scoping441 in Art. 5 Abs. 2 der RL gemeinschaftsweit verbindlich machte.442 Durch dieses Regelungsinstrument wird das Grundkonzept der RL 85/337/EG in zwei seiner potentiell kritischen Punkte ergänzt: Für den Projektträger wird seine erweiterte Rolle bei der Sachverhaltsermittlung berechenbarer und ökonomisch erträglicher, und zugleich kann durch die Festlegung der relevanten Themen frühzeitig einer beschönigenden Tendenz der Ermittlungen des Projektträgers entgegengewirkt werden.443 Der Ablauf des Scoping wird in RL 85/337/EG nicht näher bestimmt, es liegt wohl aber in der Konsequenz dieser Bauform, dass sich der Untersuchungsrahmen in kontinuierlichen die Ermittlungen begleitenden Erörterungen, also in einem Lernprozess zwischen beiden Seiten herausbilden soll.444 439 s. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 UVP-RL 85/337/EG; vgl. Bergründung der Kommission zum Vorschlag der UVP-RL, S. 12; ferner Eberhard Schmidt-Aßmann, Die Umsetzung der EG-Richtlinien über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-RL) vom 27.06.1985 in das deutsche Recht, in: FS für Karl Doehring zum 70. Geburtstag, 1989, S. 895 ff. 440 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 43. 441 Zum Scoping in der UVP Franz-Josef Feldmann, Umweltverträglichkeitsprüfung: EG-Richtlinien und ihre Umsetzung in Deutschland, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 34, Rn. 97. 442 Art. 5 Abs. 2 RL 85/337/EG Novellierung durch RL 97/11/EG v. 03.03.1997, ABl. v. 14.03.1997, Nr. L 73, S. 5, unverändert idF. der RL 2009/31/EG v. 23.04.2009, ABl. v. 05.06. 2009, Nr. L 140, S. 114. 443 Vgl. Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1991, S. 143 ff.; Wilfried Erbguth/Alexander Schink, UVPG, 2. Aufl. 1996, § 5 Rn. 5.
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Die IVU-RL 96/61/EG bestätigte dann die verstärkte Ermittlungsverantwortung des Antragstellers auch für nicht UVP-pflichtige Genehmigungsverfahren. So gehören zu den Antragsunterlagen nach Art. 6 Abs. 1 der IVU-RL die Feststellung erheblicher Umweltauswirkungen, ein Vorschlag zu Vermeidungs- oder Verminderungsstrategien sowie sonstige Maßnahmen zur Erfüllung der Grundpflichten des Betreibers und seit der Novellierung durch RL 2003/35/EG auch die wichtigsten vom Antragsteller gegebenenfalls geprüften Alternativen.445 Ähnliche Anforderungen an die Genehmigungs- bzw. Anmeldeunterlagen sind in den beiden Gentechnik-Richtlinien RL 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt446 und 2009/41/EG über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen447 normiert. Insbesondere RL 2001/18/EG fordert in Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Anhang III umfangreiche Angaben über Aspekte, die außerhalb der Sphäre des Antragstellers liegen, wie etwa Informationen über die Umwelt, in der die Freisetzung stattfinden soll, und über ihre erwartbaren Wechselwirkungen mit dem freigesetzten Organismus sowie eine Vorabbewertung der Umweltrisiken bzw. eine Erklärung über die Umweltauswirkungen. So wird auch im Gentechnikrecht die gesamte Entscheidungsgrundlage bereits vom Antragsteller ermittelt.448 bb) Die Eigenüberwachung Eine weitere Erscheinungsform der Verfahrensprivatisierung ist die Eigenüberwachung, d.h. die laufende Überwachung durch den Betreiber einer Anlage. Dabei kann nach dem Überwachungsgegenstand zwischen einer reinen Normkonformitätskontrolle und einem erweiterten Verständnis im Sinne eines Monitoring unterschieden werden. Erstere ist in Art. 9 Abs. 5 IVU-RL 96/61/EG geregelt. Er verlangt in der Genehmigung angemessene Anforderungen für die Überwachung der Emissionen sowie eine Verpflich444 Eberhard Schmidt-Aßmann, Die Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-RL) vom 27.06.1985 in das deutsche Recht, in: FS für Karl Doehring zum 70. Geburtstag, 1989, S. 897; deutlicher als in Art. 5 Abs. 2 RL 85/337/EG, der lediglich von einer ‚Stellungnahme‘ der Behörde wird dies in Art. 5 des deutschen UVPG, der eine ‚Besprechung‘ anordnet. 445 Art. 6 Abs. 1 RL 96/61/EG idF. der Novellierung durch RL 2003/35/EG, unverändert nach Änderung durch VO 166/2006/EG v. 18.01.2006, Abl. v. 04.02. 2006, Nr. L 33, S. 1. 446 RL 2001/18/EG v. 12.03.2001, ABl. v. 17.04.2001, Nr. L 106, S. 1, zuletzt geändert durch RL 2008/27/EG v. 11.03.2008, ABl. v. 20.03.2008, Nr. L 81, S. 45. 447 RL 2009/41/EG v. 06.05.2009, ABl. v. 21.05.2009, Nr. L 125, S. 75. 448 Zum deutschen Gentechnikgesetz vgl. Udo Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 128 ff.
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tung, der zuständigen Behörde die erforderlichen Daten für die Prüfung der Einhaltung der Genehmigungsauflagen vorzulegen. Ein erweitertes Überwachungsverständnis im Sinne eines Monitoring ist beispielsweise in der RL 99/31/EG über Abfalldeponien449 sowie in der GentechnikfreisetzungsRichtlinie 2001/18/EG450 normiert. Danach soll der Betreiber kontinuierlich Umweltauswirkungen und -risiken der Deponie bzw. der gentechnischen Freisetzung beobachten. Nach Art. 12 RL 99/31/EG hat der Betreiber der Behörde regelmäßig zu berichten, „um die Erkenntnisse über das Verhalten der Abfälle in den Deponien zu verbessern“. Erkennbar ist darin ein Grundkonzept laufender Überwachung, das sich nicht als originäre Behördenaufgabe versteht, zu deren Erfüllung der Betreiber hilfsweise in Anspruch genommen wird, sondern das vielmehr systematisch vom Betreiber, teilweise nach detaillierten Vorgaben der Richtlinien selbst, teilweise nach einem vom Betreiber erarbeiteten451 und von der Behörde gebilligten Programm unter behördlicher Aufsicht durchgeführt wird.452 cc) Verfahren zur Stärkung betrieblichen Umweltschutzes Vor allem aufgrund von Impulsen aus dem angelsächsischen Recht wird im Gemeinschaftsrecht insbesondere durch VO 761/2001 über die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS bzw. Öko-Audit)453 sowie die RL 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen454 auf die Entwicklung und Verbesserung betrieblicher Umweltmanagementsysteme hingewirkt. Hierbei ist ein gegenüber dem traditionellen Ordnungsrecht veränderter materieller Ansatz erkennbar: Es werden durch Gemeinschaftsrecht keine Ge- und Verbote hinsichtlich einer umweltgerechten Betriebsorganisation und -führung normiert, vielmehr wird von den Unternehmen die eigenverantwortliche Entwicklung von Konzepten erwartet, für die das Gemeinschaftsrecht lediglich allgemeine Zielvorgaben bereithält (sogenannter ‚policy-Ansatz‘). Während 449 RL 99/31/EG v. 26.04.1999, ABl. v. 16.07.1999, Nr. L 182, S. 1, zuletzt geändert durch VO 1137/2008/EG v. 22.10.2008, ABl. v. 21.11.2008, Nr. L 311, S. 1. 450 Art. 8 und 20 RL 2001/18/EG. 451 So Art. 6 Abs. 1 9. tir. RL 96/61/EG; Art. 7 f) RL 99/31/EG. 452 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 49. 453 VO 761/2001/EG v. 19.03.2001, ABl. v. 24.04.2001, Nr. L 114, S. 1; zuletzt geändert durch VO 1791/2006/EG v. 20.11.2006, ABl. v. 20.12.2006, Nr. L 363, S. 1. 454 RL 96/82/EG v. 9.12.1996, ABl. v. 14.01.1997, Nr. L 10, S. 13, zuletzt geändert durch VO 1137/2008/EG v. 22.10.2008, ABl. v. 21.11.2008, Nr. L 311, S. 1.
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diese Zielsteuerung im Rahmen der EMAS-Verordnung nur für die auf freiwilliger Basis teilnehmenden Unternehmen gilt, regelt RL 96/82/EG sie erstmals mit verpflichtender Wirkung. Basis für die EMAS-Verordnung war das Fünfte Umweltaktionsprogramm der Gemeinschaft, mit dem Ziel, durch neue umweltpolitische Instrumente eine Verbesserung des Umweltschutzstandards zu erreichen. Sie verfolgt auf einer ersten Stufe das Modell eines Privatverfahrensrechts, das die Validierung der Umwelterklärung, welche die teilnehmenden Organisationen zu veröffentlichen haben, durch einen unabhängigen, privaten Umweltgutachter sicherstellen soll.455 Auf einer übergeordneten Stufe normiert die EMAS-Verordnung in Art. 4 ein Verwaltungsverfahren zur Zulassung und Aufsicht der privaten Umweltgutachter und schafft so ein Verfahren der ‚Kontrolle der Kontrolle‘.456 Im Vergleich dazu wird die Stärkung betrieblichen Umweltschutzes in RL 96/82/EG enger mit hoheitlicher Kontrolle verknüpft. Auch sie fordert eine eigenverantwortliche Entwicklung störfallverhindernder Managementsysteme und Betriebsorganisationen durch die Betriebe selbst.457 Hintergrund ist die Erwägung, dass Management- bzw. organisatorische Mängel die häufigste Unfallursache darstellten.458 Hier wird die Qualität der betrieblichen Anstrengung jedoch nicht durch einen privaten Gutachter, sondern durch die zuständige Behörde kontrolliert. Als Zwangsmittel sieht die Richtlinie in Art. 17 die Untersagung der Weiterführung des Betriebs vor, wenn die vom Betreiber getroffenen Maßnahmen ungenügend sind. Erkennbar tritt hier das Modell eines präventiven Kontrollverfahrens in Gestalt der Überprüfung des Sicherheitsberichts nach Art. 9 Abs. 4 der RL hervor.459 Strukturell unterscheidet sich dieses Verfahrensmodell von herkömmlichen Genehmigungsverfahren, indem es mangels fester rechtlicher Maßstäbe nicht auf Normkonformität mittels Amtsermittlung hinausläuft, sondern auf eine nachvollziehende Bonitätsprüfung des Sicherheitsberichts. So fördert es zwangsläufig 455 Zum Privatverfahrensrecht im Allgemeinen Wolfgang Hoffmann-Riem, Ökologisch orientiertes Verwaltungsverfahrensrecht – Vorklärungen, AöR 119 (1994), S. 623; eher kritisch Thomas von Danwitz, Europarechtliche Determination der umweltrechtlichen Instrumente im nationalen Recht, JbUTR 48 (1998), S. 53 (63 f.). 456 In deutsches Recht umgesetzt durch das Umweltauditgesetz (UAG). 457 s. in Art. 7 RL 96/82/EG die Verpflichtung aller Betriebe, ein Konzept zur Störfallverhütung zu entwickeln sowie in Art. 9 RL 96/82/EG die Verpflichtung besonders gefährdeter Betriebe, einen ‚Sicherheitsbericht‘ mit Sicherheitsmanagementsystem anzufertigen. 458 s. Erwägungsgrund 15 RL 96/82/EG. 459 Vgl. auch Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18 Rn. 52.
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einen kooperativen Verfahrensstil zwischen Behörde und Betreiber: Im Falle eines unzureichenden Sicherheitsberichts wird die Behörde eher auf eine Nachbesserung drängen als zum Mittel der Betriebsuntersagung zu greifen. Flankiert wird diese präventive Kontrolle durch eingehende behördliche Inspektionen nach Art. 18 der RL. Auch hier findet sich zwar ein kooperatives Element in Abs. 2 c), wonach etwaige Folgemaßnahmen zusammen mit der Betriebsleitung überprüft werden, im Vordergrund steht jedoch eine originäre Behördenkontrolle. So sind die behördlichen Inspektionen gerade unabhängig vom betrieblichen Sicherheitsbericht. Sie haben eine planmäßige und systematische Prüfung der betriebstechnischen, organisatorischen und managementspezifischen Systeme des Betriebs zu ermöglichen und sind mindesten alle 12 Monate durchzuführen.460 b) Funktionen des Konzepts der Verfahrensprivatisierung aa) Effektuierung Verfahrensprivatisierung antwortet auf Vollzugsdefizite originär behördlicher Kontrollverfahren, die aus deren Zeit- und Kostenaufwendigkeit resultieren. Sie dient der Effektuierung von Verwaltungsverfahren. Die beschränkte Verfahrenskapazität von Behörden wird durch Sachverhaltsermittlung der Antragsteller im Genehmigungsverfahren und durch Eigenüberwachung der Betriebe geschont; die Qualität von Ermittlung und Überwachung wird angesichts des besonderen Sachverstands des Unternehmers gesteigert. In den RL 85/337/EG (UVP) und 96/61/EG (IVU) zeigt sich in einem weiteren Sinne das Anliegen einer frühzeitigen Koordination der privaten Projektplanung mit der Identifizierung und Formulierung von Umweltbelangen im behördlichen Verfahren. bb) Kommunikations- und Lernprozesse Durch die Verfahrensprivatisierung in den geschilderten Verfahren sollen anstelle originärer behördlicher Dezision verstärkt Kommunikations- und Lernprozesse zwischen Behörden und Privaten treten.461 Diese Verfahrens460
s. Art. 18 Abs. 1 RL 96/82/EG. Vgl. hierzu Hermann Hill, Umweltrecht als Motor und Modell einer Weiterentwicklung des Staats- und Verwaltungsrechts, Jb. UTR 27 (1994), S. 91 (110 ff.); Wolfgang Hoffmann-Riem, Ökologisch orientiertes Verwaltungsverfahrensrecht – Vorklärungen, AöR 119 (1994), S. 620 ff.; Rainer Pitschas, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung durch das Verwaltungsrecht, DÖV 1989, S. 785 (794 ff.); ders., Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 146 ff. 461
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gestaltung fügt sich ein in Reformbestrebungen, die in Umsetzung des Vorsorgeprinzips eine Flexibilisierung462 und eine zeitliche Streckung des umweltrechtlichen Kontrollmanagements fordern.463 Zur Bewältigung von Ungewissheiten über Umweltzusammenhänge und -risiken soll das Umweltrecht lernfähig werden und umweltgefährdende Produkte und Stoffe sollen während des gesamten Produktions-, Verwendungs- und Beseitigungsprozesses kontrolliert werden. Anlagen sollen von einem möglichst frühen Zeitpunkt ihrer Planung über den gesamten Zeitraum ihres Betriebs bis zur Nachsorge erfasst werden. Die Flexibilisierung und zeitliche Streckung muss zwangsläufig mit einer verstärkten Verfahrensverantwortung der privaten Betreiber oder Projektträger einhergehen, die in Form der Ermittlungsverantwortung bei Planung und Genehmigung eines Vorhabens oder Stoffes, als Organisations- und Überwachungsverantwortung durch Entwicklung von betrieblichen Umweltmanagementsystemen und Kontrollprogrammen und schließlich als Folgenverantwortung bei der Nachsorge in Erscheinung tritt. Den Eigenbeiträgen der Privaten sind dabei jeweils Kommunikationsprozesse mit den Behörden zugeordnet: So beispielsweise beim Scoping im Rahmen der UVP, bei der Festlegung von Eigenüberwachungsprogrammen, beim Monitoring und bei den Verfahren zur Stärkung binnenorganisatorischen Umweltschutzes nach der EMAS-Verordnung464 und der RL 96/82/EG zur Beherrschung von Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen. Explizit kommt dieser Gedanke in Art. 16 Abs. 2 der IVU-RL 96/61/EG zum Ausdruck, nach dem die Kommission einen kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der betroffenen Industrie über verfügbare Techniken, die damit verbundenen 462 Zur Flexibilisierung des Verfahrens und zur Ermöglichung von Lernprozessen als Vorsorgegebot im Allgemeinen s. die mit umfangreichen Nachweisen Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18 Rn. 2; für das Gemeinschaftsverwaltungsrecht s. ebd. Rn. 77. 463 Vgl. hierzu Rainer Wahl/Ivo Appel, Prävention und Vorsorge – Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Rainer Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge, 1995, S. 1 (39 ff.); s. auch Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18 Rn. 55. 464 Im Rahmen der EMAS-VO 761/2001/EG kommt es einerseits zu kontinuierlicher Kommunikation zwischen Organisation und Umweltgutacher beim Auditing, andererseits zwischen Staat und Wirtschaft bei Aufbau und Durchführung des Zulassungssystems für Umweltgutachter, vgl. (zur Vorgänger VO) Wolfgang Köck, Das Pflichten und Kontrollsystem des Öko-Audit-Konzepts nach der Öko-Audit-Verordnung und dem Umweltauditgesetz – Zugleich ein Beitrag zur Modernisierungsdiskussion im Umweltrecht, VerwArch 87 (1996), S. 651; Art. 1 Abs. 2 der EMAS-VO spricht ausdrücklich von dem Ziel einer kontinuierlichen Verbesserung der Umweltleistung von Organistionen.
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Überwachungsmaßnahmen und die Entwicklung auf diesem Gebiet durchzuführen hat. cc) Reflexive Steuerung Das Konzept der reflexiven Steuerung durch Verfahrensprivatisierung steht im größeren Kontext des im Fünften Umweltaktionsprogramms betonten Kooperationsprinzips, dass Umweltschutz unter Einbeziehung aller Ebenen der Gesellschaft im Geiste geteilter Verantwortung fordert.465 Unternehmerisches Kalkül soll nicht mehr nur auf Realisierbarkeit und Rentabilität ausgerichtet sein, sondern die Unternehmen sollen, durch Informations-, Lern- und Selbstkontrollprozesse auch für die Umweltauswirkungen des eigenen Handelns sensibel werden.466 Zum Ausdruck kommt dieses Konzept zum einen in der EMAS-Verordnung 761/2001 und der RL 96/82/EG zur Beherrschung von Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, die beide auf eine eigenverantwortliche Entwicklung von Umweltschutz- bzw. Sicherheitsstrategien durch die Unternehmen oder Organisationen selbst zielen.467 Zudem liegt es auch den umfassenden Ermittlungspflichten des Antragstellers nach der UVP-Richtlinie 85/337/EG und der IVU-Richtlinie 96/61/EG zugrunde. Sie sollen frühzeitig eine positive Einstellung des Antragstellers zur Umwelt fördern, ihn zur Einbeziehung von Umweltschutzaspekten in seine Anlagenplanung veranlassen und ihn dafür verantwortlich machen, selbst vorzuschlagen, wie die Grundpflichten des integrierten Umweltschutzes eingehalten werden.468 465 Fünftes Umweltaktionsprogramm, Entschließung 93/C 138/01, Zfs. Nr. 11 (allgemein), Nr. 19, Kap. 3.2, 4.1; hierauf beruft sich die Kommission in der Begründung zum Vorschlag der RL 96/82/EG, S. 2, 7, 10; zum Kooperationsprinzip Hans-Joachim Koch, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht – ein Missverständnis?, NuR 2001, 541. 466 Vgl. Gertrude Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts, 1996, S. 150 ff. sowie NVwZ 2001, 481 (490 ff.); ferner Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (168); Wolfgang Köck, Das Pflichten und Kontrollsystem des Öko-Audit-Konzepts nach der Öko-Audit-Verordnung und dem Umweltauditgesetz – Zugleich ein Beitrag zur Modernisierungsdiskussion im Umweltrecht, VerwArch 87 (1996), S. 648; Rainer Pitschas, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung durch das Verwaltungsrecht, DÖV 1989, 785 (794 ff.). 467 Begründung der Kommission zum Vorschlag der ersten Öko-Audit-VO (BRDrucks. 222/92), S. 1; deutlich auch Begründung der Kommission zum Vorschlag der RL 96/82/EG (BR-Drucks. 269/94), S. 14 f.: das Unfallverhütungskonzept soll bewirken, dass der Betreiber sich mit dem Thema der Verhütung schwerer Unfälle auseinanderzusetzen beginnt und Sicherheitsüberwachungssysteme einführt. 468 So Begründung der Kommission zum Vorschlag der UVP-RL 85/337/EG (BR-Drucks. 413/80), S. 12; Begründung der Kommission zum Vorschlag der
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Kap. 1: Die informierte Öffentlichkeit als Konzept
III. Fazit Die Einbeziehung privater Akteure hat im Umweltrecht der europäischen Union vielfältige Formen gefunden, die einer dynamischen Entwicklung unterliegen. Den größten Entwicklungsschub der letzten Jahre brachte die Aarhus-Konvention. Das bereits im Europarecht angelegte allgemeine Konzept der informierten Öffentlichkeit mündet im Umweltrecht der europäischen Union in einer Vielzahl ausdifferenzierter Instrumentarien, die in der Lage sind, eine ganze Reihe von Funktionen zu erfüllen. Die allgemeine Publizitätspflicht zielt etwa auf einen zwischenstaatlichen Austausch, eine transparente Verwaltung und die Förderung einer öffentlichen Diskussion zum Zwecke der Stellung- und Einflussnahme auf bestimmte Politikbereiche.469 Es wird ein Kommunikationsprozess angestoßen, zwischen politisch Handelnden und den Bürgern in ihrer Allgemeinheit als demokratische Öffentlichkeit, in Bezug auf allgemeine Zustände und die insoweit einzuschlagende Politik. Dienen Informationen nicht dem Zweck der generellen Publizierung allgemeiner Problembereiche, sondern der differenzierten Offenlegung von Umständen der einzelnen Verwaltungsentscheidung, verbunden mit individuellen Auskunftsansprüchen, so geht es dabei um die Umsetzung der politischen Grundentscheidung im Einzelfall. Hierdurch erfährt der Bürger eine Einbindung in die Verwaltung, die durch erhöhte Transparenz und Vollzugskontrolle470 jedenfalls auf Dauer zu einer verbesserten Verfahrenseffizienz und einer höheren Akzeptanz behördlicher Entscheidungen führen kann.471 So können untaugliche Vorhaben schneller als solche erkannt werden, kostspielige Konflikte vermieden oder früher gelöst werden.472 Den Entscheidungsträgern bietet sich die Möglichkeit, den spezifischen Sachverstand von Umweltverbänden zu nutzen473 und so die IVU-RL 96/61/EG (ABl. v. 17.11.1993, Nr. C 311, S. 6 (13); vgl. auch Erwägungsgrund 13 der RL 96/61/EG. 469 So Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 21. 470 Vgl. zur Vollzugskontrolle als Schlüsselbegriff des europäischen Umweltrechts Bernhard W. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 25 ff.; Peter-Tobias Stoll, Sicherheit als Aufgabe von Staat und Gesellschaft, 2003, S. 401 ff. 471 Vgl. Thomas von Danwitz, Aarhus-Konvention: Umweltinformation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Zugang zu den Gerichten, NVwZ 2004, S. 272 (273); vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 9 und 10 der Präambel zur Aarhus-Konvention. 472 Rainer Wahl/Johannes Dreier, Entwicklung des Fachplanungsrechts, NVwZ 1999, S. 606 (611); Council on Environmental Quality, Excutive Office of the President, National Environmental Policy Act – A Study of its Effectiveness after Twenty-five Years, 1997, abrufbar unter: http://ceq.hss.doe.gov/nepa/nepa25fn.pdf. 473 So BVerwGE 102, 358 (361) = NVwZ 1997, 905 (906); vgl. auch BVerwG, NVwZ 1998, 395 (396).
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Qualität der Entscheidung an sich zu verbessern474. Hinzu kommt, dass die Möglichkeit einer substantiellen475 Einflussnahme auf das Verfahren und dessen Ergebnis den Betroffenen zugleich rechtliches Gehör gewährt und eine den Grundrechtsschutz effektuierende Verfahrensgestaltung darstellt.476 Ein derart vorverlagerter Rechtsschutz kann Rechtsbeeinträchtigungen von vornherein vermeiden477 und damit zur Entlastung der Verwaltungsgerichte beitragen478. Das Europarecht ist der Wegbereiter kooperativer Handlungsformen, die zum eine nach innen, zwischen dem Staat und seinen Bürgern und zum anderen nach außen, zwischen dem Staat und anderen Völkerrechtssubjekten und deren Handlungseinheiten (wie beispielsweise der Verwaltung) wirken. Der Staat und seine Aufgaben sind nicht mehr in den herkömmlichen Grenzen zu denken, er ist nicht alleinige, zentrale Steuerungsstelle, sondern ein Akteur unter vielen. Staatliche Institutionen und Individuen, Verbände und Interessenvertreter müssen ihre Verantwortung in der Gemeinschaft erkennen und wahrnehmen. Die Verwirklichung des Gemeinwohls bildet die Grundlage allen hoheitlichen Handelns, den Zweck der Übertragung von Hoheitsgewalt in einer demokratischen Gemeinschaft. Die durch das Europarecht bereitgestellten Kooperationssysteme ermöglichen die Verwirklichung des Gemeinwohls in der modernen Gesellschaft. In deren Rahmen tragen die Akteure den ständigen Kampf um widerstreitende Interessen aus. Bemerkenswert daran ist die Ausdehnung auf die Vollzugsebene in einem System arbeitsteiliger Rechtsverwirklichung.479
474 s. KOM (2000) 839 endg., S. 3 und Erwägungsgründe 3 und 4 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003, ABlEG Nr. L/156, S. 17. 475 Hierzu BVerwGE 75, 214 (226 f. und L 5) = NVwZ 1987, S. 578 (580). 476 s. Rainer Wahl, Entwicklung des Fachplanungsrechts, NVwZ 1990, S. 426 (431); ders./Horst Dreier, Entwicklung des Fachplanungsrechts, NVwZ 1999, S. 606 (611); differenziert Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 5, Rn. 69. 477 s. Rainer Wahl, NVwZ 1990, Entwicklung des Fachplanungsrechts, 426 (433). 478 Rudolf Büllesbach/Thorsten Diercks, Vorbereitung und Durchführung eines Erörterungstermins im Rahmen eines abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens, DVBl 1991, S. 469 (470). 479 Vgl. Ingolf Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht, Grundlagen und Konturen einer Billigkeitskompetenz der Verwaltung, 1. Aufl. 1991, insb. S. 610 ff.
Kapitel 2
Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit – Gestalt und Wirkung Davon ausgehend, dass der Verwaltung aufgrund von Globalisierung und Technologisierung im Zeitalter der ‚Wissensgesellschaft‘ zunehmend die Entscheidung hoch komplexer Sachverhalte obliegt, zu deren Beurteilung ihr vielfach die Expertise aufgrund unzureichender Ausstattung mit Personal und Sachleistung fehlt, haben sich im Europarecht vielfältige Kooperationsformen herausgebildet, denen das Konzept einer informierten Öffentlichkeit zugrunde liegt. Eine ‚Aufblähung‘ des Verwaltungsapparats zum Zwecke der Rechtsverwirklichung bietet demgegenüber keine Alternative. Sie ist bereits aufgrund finanzieller Mittel weder gewollt noch möglich und hinsichtlich der in einer schnelllebigen Gesellschaft erforderlichen Flexibilität auch nicht effektiv vorstellbar. Auch im Sinne der Subsidiarität, nämlich dem Grundsatz entsprechend, dass eine Entscheidung nur dann von einer gesellschaftlich größeren Einheit getroffen werden sollte, wenn dies von der gesellschaftlich kleineren Einheit nicht geleistet werden kann, verspricht ein dezentral angelegtes Konzept eine adäquate Problemlösung. Folge ist eine offene Normprogrammierung, die der Verwaltung zunehmend Gestaltungsspielräume zuweist. Aufbauend auf den dargelegten Entwicklungslinien einer informierten Öffentlichkeit als Konzept, soll nunmehr der Versuch unternommen werden, aus dem allgemeinen Konzept ein Steuerungskonzept abzuleiten, dass das neue Verständnis von Staat und Gesellschaft konkret umsetzt (A.). Maßgeblich dafür ist eine offene Normprogrammierung, die es der Verwaltung ermöglicht, flexibel und kompetent auf die Anforderungen der modernen Gesellschaft zu reagieren und zugleich die Verwirklichung des Gemeinwohls zu gewährleisten. Dabei ist sie auf die Mitwirkung der Öffentlichkeit angewiesen. Kernanliegen des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit ist die Verwirklichung des Gemeinwohls durch einen Prozess arbeitsteiliger Rechtsverwirklichung. Der Entscheidungsprozess gerät zu einem eigenständigen Steuerungsfaktor1 in Kooperation zwischen Bürger und Verwaltung. Abschließend soll das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit im Kontext der Verwirklichung des Demokratieprinzips im 1
So schon Wolfgang Hoffmann-Riem, VVDStRL Bd. 40 (1982), S. 219.
A. Die drei Säulen des Steuerungskonzepts
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Mehrebenesystem betrachtet werden, um dessen Wirkungsdimension insgesamt zu erfassen (B.)
A. Die drei Säulen des Steuerungskonzepts Die Idee des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit folgt dem Grundsatz der Subsidiarität: Der einzelne Bürger soll, quasi als ‚kleinste gesellschaftliche Einheit‘, seine Verantwortung für das allgemeine Interesse an der Verwirklichung eines gemeinwohlorientierten Gemeinwesens wahrnehmen und so der Verwaltung bei der Bewältigung dieser Aufgabe zur Seite stehen. Damit der Bürger diese Aufgabe angemessen wahrnehmen kann (und auch die Motivation hat dies zu tun), muss er über ausreichende Informationen verfügen, er muss für gewisse Themen sensibilisiert werden, um die Bedeutung seiner Rolle zu begreifen. Zudem muss er eine Vorstellung von der Arbeitsweise der Verwaltung haben. Dazu bedarf es einer transparenten Verwaltung, verwirklicht durch umfangreiche Informationsansprüche des Bürgers. Die transparente Verwaltung bildet die erste Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit (I.). Das Wissen des informierten Bürgers soll der Verwaltung bei ihrer Entscheidungsfindung zugute kommen, um so Rationalität und Akzeptanz der staatlichen Entscheidung sicherzustellen. Der informierte Bürger muss in die Entscheidungsverfahren der Verwaltung einbezogen werden, um durch Eigenbeiträge, Äußerungsrechte und Anhörungsverfahren die Wissensbasis der Verwaltung und so den Vollzug des Rechts zu verbessern. Die Öffentlichkeit muss an der gesellschaftlichen Steuerung durch staatliche Entscheidungen mitwirken. Eine arbeitsteilige Steuerung in Form der Kooperation bildet die zweite Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit (II.). Zur Absicherung seiner Rechte auf Information und Mitwirkung und zur Vermeidung überwiegender Partikularinteressen und damit zur effektiven Durchsetzung des Steuerungskonzepts insgesamt bedarf es eines weiten Zugangs zu Gerichten. Der Bürger muss in die Lage versetzt werden, die ihm obliegende Rolle der Verantwortungswahrnehmung – das heißt die diesem Zweck dienenden Rechte – einzufordern und eine etwaige Beschneidung derselben einer Kontrolle zu unterziehen. Dies muss einerseits diejenigen (Verfahrens-)Rechte umfassen, die der Wahrnehmung seiner Rolle dienen und zum anderen diejenigen (objektiven) Rechte, die der Sache an sich, nämlich der Verwirklichung des Gemeinwohls dienen. Die Kontrolle bildet die dritte Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit (III.). Diese drei Säulen des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit bedingen sich in ihrer Wirkung gegenseitig. Nur in ihrem Zusammenspiel gelangt das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit zu voller Wirksamkeit. Die drei Säulen sollen am Beispiel des Umweltrechts
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
dargestellt werden, das – maßgeblich bedingt durch den Entwicklungsschub der Aarhus-Konvention – mit dem Umweltinformationsrecht, der Umweltverträglichkeitsprüfung und dem Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten Instrumente bereitstellt, die auf die Verwirklichung des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit drängen. Das deutsche allgemeine Verwaltungsrecht unterliegt starken geschichtlich bedingten Ausprägungen; nach dem zweiten Weltkrieg dominierte in Deutschland aufgrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus das Rechtsstaatsprinzip: Folge des Misstrauens gegenüber einer wie auch immer selbstständigen Verwaltung, der eine eigenständige Funktion kaum zuerkannt werden konnte,2 war ihre enge Bindung an das Parlament einhergehend mit engen methodischen Vorstellungen der Gesetzesbindung der Verwaltung sowie einer Eingrenzung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen.3 Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wurde in besonderem Maße betont.4 Dieses Verständnis der deutschen Verwaltung erschwert die Umsetzung des durch Transparenz und Partizipation geprägten Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit. Die drei Säulen des Steuerungskonzepts stoßen in der Verwaltungspraxis an mancherlei Punkten auf Widerstand. Vor dieser Problematik sollen die einzelnen Säulen eingehender beleuchtet werden. Es gilt die kritischen Punkte aufzuzeigen, um so ein Umdenken hin zu einem modernen, europäischen, vielleicht sogar internationalen, transnationalen Verwaltungsrecht zu fördern.
I. Erste Säule: Transparenz – Der Zugang zu Informationen Die Basis des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit bilden transparente Entscheidungsprozesse. Die von der Verwaltung getroffene, abschließende Entscheidung muss in ihren Bewertungsmaßstäben nachvollziehbar sein. Dazu bedarf es eines umfassenden Zugangs zu Informationen der Verwaltung für den Bürger. Denn nur mit ausreichender Information kann der einzelne Bürger nachvollziehen, welche Interessen und Wertungen 2
Zu den Konsequenzen s. etwa Dietrich Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961. Rainer Wahl, Die zweite Phase des öffentlichen Rechts in Deutschland: Europäisierung des öffentlichen Rechts, Der Staat, Bd. 38 (1999), S. 495; Andreas Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhardt Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 1 Rn. 8; Wolfgang Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: ebd., § 10 Rn. 4. 4 Hans Peter Bull/Veith Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 8. Aufl. 2009, § 14 Rn. 495; vgl. auch Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, S. 297 ff.; Friedhelm Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 2 Rn. 20 ff. 3
A. Die drei Säulen des Steuerungskonzepts
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in die Entscheidung der Verwaltung eingegangen sind. Nur mit diesem Wissen ist der einzelne Bürger in der Lage, an einer gemeinwohlorientierten Gesellschaftssteuerung aktiv mitzuwirken. Die erste Säule des Steuerungskonzepts gewährleistet den Informationsfluss von der Verwaltung zur Öffentlichkeit. Allein transparente Entscheidungsprozesse können zudem der Gefahr des Überwiegens partikularer Interessen entgegenwirken, die stets mit einer verstärkten Einbeziehung Privater einhergeht. Die Öffentlichkeit erfüllt insoweit die Funktion eines Kontrollorgans staatlicher Machtausübung. Informationsfreiheitsgesetze gewähren dem Bürger nicht nur einen Einblick in die Arbeit der Verwaltung, sondern im Bereich der Umwelt beispielsweise auch in den Umweltverbrauch von Betrieben, die Bodenbelastung durch die Düngung von Feldern und die genaueren Lärmquellen störender Betriebe.5 Beeinträchtigungen der Umwelt werden transparenter für jedermann, der Blick von Bürger zu Bürger wird geschärft.6 Ziel dieser Transparenz ist eine „offene Umweltdiskussion“, eine „starke Beteiligung der Öffentlichkeit am umweltpolitischen Entscheidungsprozess“ und insbesondere eine „verbesserte Zusammenarbeit mit Umweltverbänden, Nichtregierungsorganisationen und sonstigen Beteiligten“.7 Der freie Zugang zu Umweltdaten soll „die Beteiligung der Bürger an den Verfahren zur Kontrolle der Umweltverschmutzung und zur Verhütung von Umweltbeeinträchtigungen verstärken und [. . .] damit wirksam zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaft im Bereich des Umweltschutzes [. . .] beitragen“8. Das mit dem Zugang zu Umweltinformationen verfolgte Konzept ist deutlich erkennbar: Die Umsetzung und Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Umweltrechts soll nicht hinter verschlossenen Türen nationaler Verwaltungen, sondern vielmehr durch die Beteiligung der Bürger öffentlich vollzogen werden.9 Die Verantwortung soll nicht allein dem staatlichen 5 Johannes Masing, Die Mobilierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1998, S. 32. 6 Ebd. 7 Vgl. die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 31. März 1989, ABlEG 1989, Nr. C 139, S. 49. 8 So die Begründung der Kommission, ABlEG 1988, Nr. C 335, S. 5. 9 Vgl. Hans-Uwe Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, in: NVwZ 1992, S. 409 (419); ders., Der freie Zugang zu Informationen über die Umwelt, in: UPR 1992, S. 48 f.; Arno Scherzberg, Freedom of Information – deutsch gewendet – Das neue Umweltinformationsgesetz, in: DVBl 1994, S. 733 (734); Matthias von Schwanenflügel, Das Öffentlichkeitsprinzip des EG-Umweltrechts, in: DVBl 1991, S. 93 ff.; ders., Die Richtlinie über den freien Zugang zu Umweltinformationen als Chance für den Umweltschutz, in: DÖV 1993, S. 95 f.; ders., Freier Informationszugang als Demokratisierungselement behördlicher Ent-
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Exekutivapparat überlassen werden, sondern der Bürger wird selbst zum aktiven Sachwalter für die Belange der Umwelt.10 Beleg für dieses Konzept ist die Tatsache, dass etwa die Umweltdaten nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) für jedermann zugänglich sind und insoweit kein Nachweis eines Interesses erforderlich ist.11 Die Öffentlichkeit der Umweltdaten dient nicht einem irgend gearteten individuellen Interesse, sondern einem allgemeinen Interesse an einem effektiven Umweltschutz.12 Ziel ist nicht die Wahrung privater Belange, sondern – davon gerade unabhängig – die Durchsetzung umweltschützender Normen bzw. umweltpolitscher Belange.13 Daher ist ein individuell begründetes Interesse gerade nicht Voraussetzung: Das allgemeine Interesse an dem Zustand der Umwelt und der Anwendung der Umweltvorschriften reicht aus.14 Der Einzelne soll aus seiner staatsbürgerlichen Verantwortung heraus an Verwaltungsentscheidungen teilhaben15. Die parlamentarische und gerichtliche Kontrolle im Bereich des Umweltschutzes und damit einhergehend die Verwirklichung der rechtlich geronnenen supranationalen und nationalen Umweltpolitik haben sich als unzulänglich erwiesen. Werden dem Bürger nunmehr Informationen über den Zustand der Umweltmedien und der umweltrelevanten Verhaltensweisen der Verwaltung zugänglich, wird dies Defizite der Gesetzgebung und des Gesetscheidungsstrukturen, in: VR 1994, S. 236; Rudolf Steinberg, Probleme der Europäisierung des deutschen Umweltrechts, in: AÖR 120 (1995), S. 549 (562). 10 Vgl. Kilian Kindler, Umweltinformationen im gesellschaftlichen Spannungsfeld – Chancen und Grenzen einer Umweltinformationsrichtlinie als Instrument zielgerichteter Umweltpolitik, in: Dorothea Hegele/Ralf Röger (Hrsg.), Umweltschutz durch Umweltinformation, 1993, S. 63 (77): „Interessengruppen, hier in der Ausprägung von Umweltverbänden – den ‚selbsternannten Blockwarten der Nation‘, artikulieren Ansprüche und Bedürfnisse gegenüber Staat und Verwaltung (als Ordnungsinstanz) und gegenüber der freien Wirtschaft“; s. auch Friedrich Zeller, Staatliche Umweltberatung und gesellschaftliches Umweltbewusstsein – im Kontext der aktuellen EG-Richtlinie über den Zugang zu Umweltinformationen, in: dies. (Hrsg.), Umweltschutz durch Umweltinformationen, 1993, S. 83 (100): „Grundlagen für eine zukünftige ökologische Selbststeuerung der Gesellschaft“. 11 s. Art. 3 Abs. 1 der RL 2003/4/EG vom 28. Januar 2003, ABlEG Nr. L 41, S. 26. 12 So auch Johannes Masing, Die Mobilierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1998, S. 34. 13 Ebd. 14 Ebd. 15 Zu dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand vgl. kritisch Norbert Kollmer, Umweltinformationsgesetz und Gewerbeaufsicht, in: GewArch 1995, S. 46 (50); Bernd Stockburger, Instrumente zur Verwirklichung einer „gläsernen Unternehmerumwelt“, in: WuR 1991, S. 315 (317); dagegen Frank Meininger, Die EG-Umweltinformationsrichtlinie in der Verwaltungspraxis, in: NVwZ 1994, S. 150 ff.; vgl. auch André Turiaux, Umweltinformationsgesetz, 1995, Vor. § 1, Rn. 16 ff.
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zesvollzugs offenlegen und eine Stärkung der öffentlichen Meinung und ihrer Medien für Angelegenheiten des Umweltschutzes auslösen.16 Letztendlich ist die Verwaltung auf die Mitwirkung der Bürger vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklung zunehmend komplexer Sachverhalte im Lichte der Globalisierung und Technologisierung angewiesen. Dies gilt nicht nur für den Bereich des Umweltschutzes, sondern für jeden durch komplexe Strukturen gekennzeichneten Bereich gesellschaftlichen Lebens. Das Umweltinformationsrecht kann als das erste umfassende Informationszugangsrecht beispielhaft herangezogen werden für die Darstellung der Funktionsweise der ersten Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit (1.). Der umfassende Anspruch auf Informationen und eine damit einhergehende transparente Verwaltung bilden die Grundlage des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit. An der Rechtsprechung zum Informationszugangsanspruch des UIG lässt sich insgesamt deutlich das Widerstreben der deutschen Verwaltung ablesen, „im Lichte der Öffentlichkeit“17 zu arbeiten. Eine Umkehr des in Deutschland traditionell tief verwurzelten Grundsatzes einer nicht öffentlichen Verwaltung18 vollzieht sich schwerfällig, trotz des bereits langjährigen Bestehens des Anspruchs auf Umweltinformationen und der noch viel früher europarechtlich eingeleiteten Entwicklung, hin zu einer transparenten Verwaltung und dem informierten Bürger. „Transparenz ist noch längst nicht selbstverständlich“, befand auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht (dazu 2.).19 1. Die transparente Verwaltung des UIG Die europäische Rechtssetzung drängt in Deutschland zu einem Umdenken der traditionell nicht öffentlichen Verwaltung und führt zu steten Erweiterungen des Informationsrechts. Das UIG neuer Fassung basiert auf der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen [a)]. Deren Umsetzung hat erneut eine Erweiterung des Anspruchs auf Umweltinformationen zur Folge [b)]. 16
Hans-Uwe Erichsen, Das Recht auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, in: NVwZ 1992, S. 409 (419). 17 Vlg. VG Köln, Urt. v. 22.11.2007 – 13 K 4113/06. 18 s. dazu umfassend Bernhard W. Wegener, Der geheime Staat – Arkantradition und Informationsfreiheitsrecht, 2006. 19 Zweiter Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar vom 4. Mai 2010, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2008 und 2009, abrufbar unter: http://www.bfdi.bund.de.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
a) Die Umweltinformationsrichtlinie Seine Grundlage findet das UIG in der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates20, kurz UI-RL. Sie lehnt sich in Inhalt und Aufbau an die Vorgängerrichtlinie 90/313/EWG vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt21 an. Dabei trägt sie aber den Erfahrungen der Anwendung dieser Richtlinie Rechnung und entspricht den Vorgaben der Aarhus-Konvention, die in ihrer Ersten Säule Vorgaben zum Zugang zu Umweltinformationen vorsieht. Die Richtlinie verfolgt verschiedene Zwecke: So statuiert der 1. Erwägungsgrund der Richtlinie, dass der im Vergleich zur Vorgängerrichtlinie erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen dazu beitragen soll, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztlich so den Umweltschutz zu verbessern. Der behördliche Umgang mit Umweltinformationen soll durch zunehmende Transparenz und Offenheit gekennzeichnet sein (so der 2. Erwägungsgrund). Außerdem trägt sie zu einer Rechtsharmonisierung bei (7. Erwägungsgrund). Die UI-RL von 2003 erweitert den Anwendungsbereich gegenüber ihrer Vorgängerrichtlinie 90/313/EWG durch eine Neudefinition der Begriffe ‚Umweltinformation‘ und ‚Behörde‘. Zudem sieht sie Ausnahmetatbestände vor, die sich, verglichen mit der Richtlinie 90/313/EWG, durch eine stärkere Begrenzung der Verweigerungsgründe auszeichnen. Sie sind nach Erwägungsgrund Nr. 16 der Richtlinie eng auszulegen. In deutsches Recht umgesetzt wurde die Umweltinformationsrichtlinie durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlage zum Emissionshandel vom 22. Dezember 200422 und ersetzt das Umweltinformationsgesetz a. F., das am 20 ABlEG Nr. L 41, S. 26; vgl. dazu Mark Butt, Erweiterter Zugang zu behördlichen Umweltinformationen – Die neue EG-Umweltinformationsrichtlinie, in NVwZ 2003, S. 1071 ff. 21 ABlEG Nr. L 158, S. 56; vgl. dazu Arno Scherzberg, Der freie Zugang zu Informationen über die Umwelt, in: UPR 1992, S. 48 ff.; Ralf Röger, Zum Begriff des „Vorverfahrens“ im Sinne der Umweltinformationsrichtlinie, in: UPR 1994, S. 216 ff.; ders., Zur unmittelbaren Geltung der Umweltinformationsrichtlinie, in: NUR 1994, S. 125 ff.; Robert Haller, Unmittelbare Rechtswirkung der EG-Umweltinformationsrichtlinie im nationalen deutschen Recht, in: UPR 1994, S. 88 ff. 22 BGBl I 2004, S. 3704; vgl. dazu Eric Marc Butt, Erweiterter Zugang zu behördlichen Umweltinformationen – Die neue EG-Umweltinformationsrichtlinie, in: NVwZ 2003, S. 1071 ff.; ders., Die Anwendung des Rechts auf Umweltinformationen durch die Aarhus-Konvention, 2001; Thomas von Danwitz, Aarhus-Konvention,
A. Die drei Säulen des Steuerungskonzepts
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8. Juli 1994 in Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG beschlossen23 und am 23. August 2001 – aufgrund der Feststellung des EuGH, dass das Gesetz gegen die Richtlinie verstieß24 – neu gefasst wurde25. Die Änderung trat am 14. Februar 2005 in Kraft und gilt aus kompetenzrechtlichen Gründen ausschließlich für den Zugang zu Umweltinformationen gegenüber Stellen der öffentlichen Verwaltung des Bundes; für Anfragen an Landesbehörden erließen die Bundesländer in ihrem Kompetenzbereich entsprechende Gesetze.26 Bereits das UIG a. F. bedeutete für das deutsche Recht eine entscheidende Wende, denn bis dahin beschränkte sich das Informationsrecht des Einzelnen gemäß § 29 VwVfG auf die Einsicht in Akten eines laufenden Verfahrens.27 Demgegenüber eröffnete das UIG von 1994 dem Bürger, wenn auch beschränkt auf Umweltdaten, den Zugang zu behördlichen Informationen unabhängig von einem konkreten Verfahren und ohne Darlegung eines besonderen rechtlichen Interesses.28 Dadurch wurde eine Entwicklung eingeleitet, die in Abkehr des herkömmlichen Prinzips grundsätzlicher Aktengeheimhaltung29 durch ein hohes Maß an Transparenz und Offenheit des behördlichen Handelns gekennzeichnet ist und ihren vorläufigen Abschluss in den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes vom 5. September 200530 und verschiedener Länder31 gefunden hat, die, wenngleich mit ähnlichen Umweltinformation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Zugang zu Gerichten, NVwZ 2004, S. 272 ff.; Antje Näckel/Andreas Wasielewski, Das neue Recht auf Zugang zu Umweltinformationen, DVBl 2005, S. 1351 ff.; Christian Schrader, Neue Umweltinformationsgesetze durch die Richtlinie 2003/4/EG, ZUR 2004, S. 130 ff. 23 BGBl I 1994, S. 1490. 24 s. EuGH, Urt. v. 9.9.1999, Rs. C 217/97, Slg. I 1999 S. 5087 ff., in dem ein Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtung aus Art. 2b, 3 Abs. 2 UAbs. 1, 3. Gedankenstrich (regelte die Ausnahmetatbestände) und UAbs. 2 sowie Art. 5 (regelte die Gebühren) der Richtlinie festgestellt wurde. 25 BGBl I 2001, S. 2218. 26 Baden-Württemberg vom 07.03.2006 (LUIG B-W); Bayern vom 08.12.2006 (BayUIG); Berlin vom 11.07.2006 (IFG Bln); Brandenburg vom 26.03.2007 (BbgUIG); Bremen vom 15.11.2005 (BremUIG); Hamburg vom 04.11.2005 (HmbUIG); Mecklenburg-Vorpommern vom 14.07.2006 (LUIG M-V); Niedersachsen vom 07.12.2006 (NUIG); Nordrhein-Westfalen vom 29.03.2007 (UIG NRW); Rheinland-Pfalz vom 19.10.2005 (LUIG RPF); Saarland vom 12.09.2007 (SaarlUIG); Sachsen vom 01.06.2006 (SächsUIG); Sachsen-Anhalt vom 14.02.2006 (UIG LSA); Schleswig-Holstein vom 02.03.2007 (UIG-SH); Thüringen vom 10.10.2006 (ThürUIG). 27 Vgl. Jörg Berkemann/Günter Halama, Handbuch zum Recht der Bau- und Umweltrichtlinien der EG, 2008, S. 752. 28 Vgl. Alexander Kukk, Einsichtnahmerechte in Bebauungsplanverfahrensakten, in: UPR 2005, S. 19 f. 29 Vgl. dazu umfassend Bernhard W. Wegener, Der Geheime Staat – Arkantradition und Informationsfreiheitsrecht, S. 3 ff., 2006. 30 BGBl I S. 2722.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Ausnahmeregelungen wie das Umweltinformationsgesetz, einen Anspruch auf Zugang zu behördlichen, nicht auf Umweltdaten beschränkte Informationen gewähren.32 b) Das erweiterte Informationszugangsrecht Einen Antrag auf Umweltinformationen kann gemäß § 3 Abs. 1 UIG ‚jede Person‘ stellen, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.33 Ausweislich Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2003/04/EG können natürliche oder juristische Personen Zugang zu Umweltinformationen beantragen. Aufgrund des weiten Kreises der Anspruchsberechtigten war Sinn und Zweck des UIG bereits in seiner alten Fassung nicht geprägt von Individualinteressen, sondern es war vielmehr der Schutz des öffentlichen Interesses an einer möglichst weitgehenden Kontrolle der Verwaltung durch den Bürger.34 Damit wurde die bis dahin bestehende Tradition der Vertraulichkeit des Handelns der Verwaltung für den Bereich der Umwelt aufgehoben und der Grundsatz der Öffentlichkeit für die bei den Behörden vorliegenden Umweltinformationen eingeführt.35 Das neugefasste UIG zeichnet sich – der Richtlinie 2003/4/EG entsprechend – durch erweitertete Definitionen der Begriffe ‚Umweltinformation‘ und ‚Behörde‘ sowie eine Präzisierung – und damit Begrenzung – der Verweigerungsgründe aus. Der Antragsteller hat gemäß § 3 Abs. 1 UIG ‚einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtigen Stelle verfügt‘. Der Begriff der Umweltinformation erfasst heute auch Kosten/Nutzen-Analysen, sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen sowie den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich der Kontamination der Lebensmittelkette. Der Be31 Vgl. das Berliner Informationsgesetz vom 15.10.1999, GVBl S. 561, das brandenburgische Akteneinsichts- und Informationsgesetz vom 10.3.1998, GVBl S. 166 und das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 27.11.2001, GV NRW S. 806. 32 s. Jörg Berkemann/Günter Halama, Handbuch zum Recht der Bau- und Umweltrichtlinien der EG, 2008, S. 752. 33 Vgl. dazu Noreen von Schwanenflug, Der Anspruch von Kommunen auf Zugang zu Umweltinformationen nach der EG-Umweltinformationsrichtlinie, in: KommJur 2007, S. 10 f.; Alfred Schneidler, Der Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, in: UPR 2006, S. 13 f. 34 Zur Funktion des Informationsanspruches als Instrument der Kontrolle der Verwaltung s. Armin Hatje, Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit – eine dogmatische Zwischenbilanz zum Umweltinformationsanspruch, EuR 1998, S. 734 (741). 35 Bernhard W. Wegener, in: Thomas Schomerus/Christian Schrader/Bernhard W. Wegener (Hrsg.), UIG-Kom, 2. Aufl. 2002, § 4 Rn. 1.
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griff der Umweltinformation greift damit über den restriktiven auf die Natur begrenzten Umweltbegriff hinaus. Er umfasst umweltbezogene Handlungen, deren wirtschaftliche Hintergründe sowie umweltbedingte Auswirkungen auf Menschen, Kulturstätten und Bauwerke. Die ausdrückliche Einbeziehung der ‚Kontamination der Lebensmittelkette‘ greift über die gesundheitsbezogene Berührung des Umweltrechts mit dem Lebensmittelrecht hinaus und konstituiert unverfälschte Lebensmittel als Umweltgüter.36 ‚Informationspflichtige Stellen‘ sind neben der Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts. Dies gilt soweit diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen. Die Personen des Privatrechts müssen dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen. Was unter ‚Kontrolle‘ zu verstehen ist, wird in § 2 Abs. 2 UIG näher bestimmt. Der Begriff der ‚informationspflichtigen Stelle‘ ist deutlich breiter angelegt als der herkömmliche Behördenbegriff gemäß § 1 Abs. 4 VwVfG und trägt der Entwicklung Rechnung, dass die öffentliche Hand zunehmend Aufgaben der Daseinsvorsorge an private Gesellschaften ausgliedert oder an Private abgibt. Die Verweigerungsgründe sind eng gefasst, um zu verhindern, dass der allgemeine Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen untergraben wird.37 Einige Ausnahmetatbestände, wie etwa Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, sind beispielsweise nicht anzuwenden, wenn sich der Antrag auf Informationen über Emissionen in die Umwelt bezieht. Damit sind Informationen über Emissionen zwingend herauszugeben. ‚Emissionen in die Umwelt‘ liegen allerdings erst bei Entlassung der Stoffe aus einem geschlossenen System in Umweltmedien vor. Stoffe die in geschlossenen Systemen verbleiben, etwa vom Entstehungsort über die Werkskanalisation bis zur Werkskläranlage, unterliegen weiterhin dem Geheimnisschutz, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Gehen sie jedoch in Umweltmedien über, so ist das öffentliche Interesse an Informationen über diese Stoffe als höherrangig zu bewerten. Ausdrücklich normiert ist die Verpflichtung, die Verweigerungsgründe eng auszulegen. Es bedarf einer Abwägung jedes Einzelfalles, ob das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Bei einer Verweigerung sind dem Antragsteller die Gründe zu nennen. Die Regelungen über die Ablehnung eines Informationsantrags statuieren das Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach Informationen in der Regel frei zu geben sind und nur in Ausnahmefällen einer Geheimhaltung unterliegen. Dies bildet die Grundlage einer transparenten ‚öffentlichen‘ Verwaltung. 36 37
Zu diesen Berührungspunkten s. Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl., 2004. s. Entwurfsbegründung zur Richtlinie 2003/4/EG, KOM (2000) 402, S. 14.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Die stete Ausweitung des Informationszugangsanspruchs durch Begriffserweiterungen und Präzisierung der Ausnahmetatbestände versetzt den Bürger in die Position eines ‚Kontrollorgans‘ der Verwaltung. Er soll jederzeit nachprüfen können, auf welcher Grundlage die Behörde ihre Entscheidung getroffen hat. Er soll durch den Zugriff auf Informationen zu einem aktiven Glied des Normvollzugs werden, das seine Verantwortung für die Verwirklichung des Gemeinwohls – hier den Umweltschutz – erkennt und wahrnimmt. Der Informationszugang soll ihn auf eine Wissensstufe mit der Verwaltung stellen, um so eine arbeitsteilige Rechtsverwirklichung auf der Vollzugsebene zu ermöglichen. Die erste Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit dient dem Wissensfluss von der Verwaltung zum Bürger. 2. Die transparente Verwaltung im Kontext des deutschen Verwaltungsrechtssystems Bereits mit dem UIG von 1994 zeigten sich die Schwierigkeiten der deutschen Verwaltungsrechtsstruktur mit dem Umgang des neu zu gewährenden Anspruchs. Dieser passt so gar nicht zu dem im deutschen Recht verankerten Grundsatz des nichtöffentlichen Verfahrens und einer beschränkten Akteneinsicht [dazu a)]. Deutlich ablesbar sind die sich aus diesem Widerspruch ergebenden Schwierigkeiten an der Rechtsprechung zum UIG. Der deutsche Gesetzgeber war, mangels Europarechtskonformität, bereits 2001 zu einer Änderung des Gesetzes gezwungen.38 Wegen des fehlenden Verständnisses für die eigentliche Zielrichtung des Zugangs auf Umweltinformationen und aufgrund der befürchteten Arbeitsüberlastung der Verwaltung versuchten informationspflichtige Stellen verschiedentlich die Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen zu unterbinden, indem entweder der taugliche Informationsgegenstand angezweifelt, einer der im Gesetz definierten Versagungsgründe bemüht wurde oder aber dem Antragsteller hohe Gebühren für sein Begehr in Aussicht gestellt wurden. Mit der Neufassung durch die Richtlinie 2003/4/EG erfuhr der Anspruch aus dem UIG Erweiterungen, die neue Rechtsunsicherheiten brachten und einer gerichtlichen Klärung bedurften [dazu b)]. a) Der Wertungswiderspruch im deutschen Verwaltungsrecht Verfassungsrechtliche Grundlage eines Akteneinsichtsrechts ist in Deutschland in erster Linie das Rechtsstaatsprinzip. Als „eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes“39 hat das Rechtsstaatsprinzip in zahlreichen 38
EuGH Urt. v. 9.9.1999, Rs C-217/97, Slg. 1999, S. I-5087.
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Vorschriften des Grundgesetzes eine Konkretisierung erfahren40, aus deren Zusammenschau sich das Rechtsstaatsprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz ergibt41. Im Hinblick auf die Exekutive werden wichtige Gehalte dieses allgemeinen Rechtsgrundsatzes traditionell unter dem Prinzip der ‚Gesetzmäßigkeit der Verwaltung‘ zusammengefasst.42 Dieses zielt insbesondere auf den Vorrang des Gesetzes im Sinne der Bindung der Verwaltung an geltendes Recht sowie den Vorbehalt des Gesetzes in dem Sinne, dass staatliches Handeln in bestimmten, grundrechtsintensiven Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert sein muss. Ebenso übergreifenden Charakter hat das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Recht auf ein faires Verfahren.43 Das Recht auf ein faires Verfahren verlangt insbesondere, dass dem Einzelnen die Möglichkeit gegeben wird, „vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können“.44 Notwendig ist also grundsätzlich eine vorherige Anhörung. Deren angemessener Wahrnehmung dient das Akteneinsichtsrecht, indem es den Beteiligten in den Stand setzt zu beurteilen, von welcher Tatsachengrundlage die Behörde ausgegangen ist. Das Akteneinsichtsrecht ist Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil eines rechtsstaatlich gebotenen fairen Verfahrens. Es dient der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs.45 Gestützt wird das Recht auf ein faires Verfahren zudem auf die Menschenwürde.46 Der Bürger ist aufgrund seiner personalen Würde nicht Objekt, sondern Subjekt des Verwaltungsverfahrens. Diese Rechtsstellung und die ihm verfassungsrechtlich gemäß Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Rechtsschutzmöglichkeit sichert u. a. § 29 VwVfG. Ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang den Beteiligten Einsicht in die von der Behörde über das Verwaltungsverfahren geführten Akten zu gewähren ist, ist seit jeher eine umstrittene Fragen des 39
BVerfGE 20, 323/331. Dazu gehören die Grundrechte (insb. die in ihnen enthaltenen Gesetzesvorbehalte), die Entschädigung bei staatlichen Eingriffen, die Gewaltenteilung, der Vorrang der Verfassung und des Gesetzes, der Vorbehalt des Gesetzes, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Rechtsschutz geg. der öffentlichen Gewalt, das rechtliche Gehör und die Gewährleistung des gesetzlichen Richters, vgl. Hans D. Jarass/ Bodo Pieroth, GG, § 20 Rn. 28. 41 Vgl. BVerfGE 7, 89/92 f.; 45, 187/246; 52, 131/144 f. 42 Vgl. etwa Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, GG, § 20 Rn. 31. 43 Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, GG, § 20 Rn. 31a; bedeutsam ist dies insbesondere in gerichtlichen Verfahren, gilt aber auch generell in Verwaltungsverfahren. 44 BVerfGE 101, 397/405. 45 Vgl. auch Dirk Herrmann, in: Johann Bader/Michael Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 29 Rn. 1; Klaus Ritgen, in: Hans Joachim Knack/Hans-Günter Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 29 Rn. 8. 46 Vgl. etwa Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, § 29 Rn. 2. 40
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Verwaltungsverfahrensrechts.47 Vor Inkrafttreten des VwVfG ging die seinerzeit herrschende Meinung davon aus, dass ein Recht auf Akteneinsicht nur bestehe, soweit besondere Vorschriften einen solchen Anspruch gewährten; im Übrigen sollte es im Ermessen der Behörde stehen, ob und inwieweit Akteneinsicht gewährt wird.48 Allerdings bestand bereits damals eine starke Gegenmeinung, die für eine Ausdehnung des Akteneinsichtsrechts eintrat.49 Diese Kritik aufnehmend gestaltete die Regelung des § 29 VwVfG mit Inkrafttreten des VwVfG 197650 diese Problematik nach dem Prinzip der ‚beschränkten Aktenöffentlichkeit‘51: Das Einsichtsrecht ist zu gewähren, „soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist“.52 Der Anwendungsbereich von § 29 VwVfG ist eng begrenzt, er umfasst lediglich die Akteneinsicht für die Beteiligten innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens. Das Recht besteht, soweit die Kenntnis des Akteninhalts zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen erforderlich ist. Dabei können jedoch ein wirtschaftliches Interesse und ein rechtliches Interesse so miteinander verwoben sein, dass ein wirtschaftliches Interesse zugleich das rechtliche Interesse begründet.53 Es ist insoweit eine Interessenbewertung der Behörde erforderlich, von welcher der Umfang des Akteneinsichtsrechts abhängt.54 Während nach § 29 VwVfG für die Dauer eines Verwaltungsverfahrens nur Beteiligten und auch nur dann, wenn sie ein spezifisches rechtliches In47
s. Elgin Widhofer-Mohnen, Das Recht auf Akteneinsicht nach § 29 VwVfG, Verwaltungsrundschau 1980, S. 285. 48 Vgl. BVerwGE 12, 269; 30, 154; OVG Münster DÖV 1959, S. 391; JZ 1966, 77; VGH Kassel JZ 1965, S. 319; 1969, S. 319; OVG Koblenz AS 3, 134; VGH Stuttgart DVBl 1956, S. 487; vgl. auch EVwVfG 1963; Volkmar Götz, Das neue Verwaltungsverfahrensgesetz, NJW 1976, S. 1427. 49 s. etwa Prodromos Dagtogloffl, Das Recht des Bürgers auf Akeneinsicht, JZ 1965, S. 320; Hans Spanner, Der Regierungsentwurf eines Bundes-Verwaltungsverfahrensgesetzes, JZ 1970, S. 671; Carl Hermann Ule/Klaus-Albrecht Stellmann, Zum Stand der Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts, DVBl 1967, S. 840; Karl-Heinz von Köhler, Einsicht in Behördenakten, NJW 1956, S. 1463. 50 BGBl I 1976, 1253; zuletzt geändert am 14.8.2009, BGBl I 2009, 2827. 51 Amtliche Begründung, S. 52; Volkmar Götz, Das neue Verwaltungsverfahrensgesetz, NJW 1976, S. 1427. 52 Der Begriff der ‚rechtlichen Interessen‘ ist dabei enger zu verstehen, als der des ‚berechtigten Interesses‘. Ein rechtliches Interesse soll immer dann bestehen, wenn die Einsichtnahme bezweckt, eine tatsächliche Unsicherheit über ein Rechtsverhältnis zu klären, ein „rechtlich relevantes Verhalten nach dem Ergebnis der Einsichtnahme zu regeln oder eine gesicherte Grundlage für die Verfolgung eines Anspruchs zu erhalten“, Amtliche Begründung, S. 53. 53 Vgl. auch Carl Hermann Ule/Hans-Werner Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 25 Rn. 1. 54 Vgl. Hans Peter Bull/Veith Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 640.
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teresse darlegen können, ein Anspruch auf Akteneinsicht zu gewähren ist, ist der Anspruch auf Informationszugang nach § 3 UIG als JedermannRecht ausgestaltet und weitgehend voraussetzungslos gewährt. Dies stellt einen Wertungswiderspruch dar,55 der auch nicht durch Regelungen zur Normenkonkurrenz, beispielsweise im Sinne einer Sperrwirkung von § 29 VwVfG, aufgehoben wird.56 Vielmehr sind beide Informationszugangsansprüche nebeneinander anwendbar. Dies kommt im klar artikulierten Willen des Gesetzgebers in § 3 Abs. 1 Satz 2 UIG zum Ausdruck, der andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt lässt. Bezieht man das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sowie das Verbraucherinformationsgesetz (VIG), die ähnlich ausgestaltet sind wie das UIG, in die Betrachtung mit ein, so zeigt sich dies noch deutlicher: Beide Gesetze enthalten Vorschriften, die das Recht auf Informationszugang während laufender Verfahren ganz oder teilweise einschränken (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) VIG, § 4 Abs. 1 IFG). Diese Regelungen wären überflüssig, wenn § 29 VwVfG aus Gründen der Normenkonkurrenz eine Sperrwirkung entfalten würde.57 Für das UIG gilt dies nicht. Allerdings ist der Katalog der Verweigerungsgründe im UIG (wie auch des IFG und des VIG) umfassender als der in § 29 VwVfG, so dass wohl jedenfalls für Beteiligte während eines laufenden Verfahrens § 29 VwVfG die weiterreichende Anspruchsgrundlage sein wird.58 Dem Schutz privater Belange der am Verfahren Beteiligten, aber auch unbeteiligter Dritter sowie dem Schutz öffentlicher Interessen wird insoweit im Rahmen des UIG (so55 Vgl. Paul Stelkens/Heinz J. Bonk/Michael Sachs, VwVfG, § 29 Rn. 25, 46; Heribert Schmitz/Serge-Daniel Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, S. 984 (989). 56 In diesem Sinne OVG Münster NJW 2005, S. 2028 (2029) und DVBl 2005, S. 792; Sven Berger/Jürgen Roth/Christopher Scheel, IFG, § 1 Rn. 121; Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, § 29 Rn. 9; Paul Stelkens/Heinz J. Bonk/Michael Sachs, VwVfG, § 29 Rn. 25; Johann Bader/Michael Ronellenfitsch, VwVfG, § 29 Rn. 48; Marius Raabe/Niels Helle-Meyer, Informationsfreiheit und Verwaltungsverfahren, NVwZ 2004, S. 641 (644); Johannes Bohl, Der ewige Kampf des Rechtsanwalts um die Akteneinsicht, NVwZ 2005, S. 133 (139); Antje Näckel/Andreas Wasielewski, Das neue Recht auf Zugang zu Umweltinformationen, DVBl 2005, S. 1351 (1357 f.); Ulrich Battis/Albert Ingold, Der Umweltinformationsanspruch im Planfeststellungsverfahren, DVBl 2006, S. 735 (737); Heribert Schmitz/ Serge-Daniel Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, S. 984 (989); Annette Guckelsberger, Informatisierung der Verwaltung und Zugang zu Verwaltungsinformationen; VerwArch 2006, S. 62 (85 f.). 57 So auch Klaus Ritgen, in: Hans Joachim Knack/Hans-Günter Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 29 Rn. 17. 58 Matthias Rossi, IFG, § 1 Rn. 117; Dieter Kugelmann, IFG, Erl. 6.2 zu § 1; Heribert Schmitz/Serge-Daniel Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, S. 984 (989).
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wie auch der anderen Informationsfreiheitsgesetze IFG und VIG) weitreichend Rechnung getragen.59 Den umfassenden Informationszugangsansprüchen aus UIG, IFG und VIG liegen grundlegend andere Wertungen zugrunde als dem Anspruch aus § 29 VwVfG:60 Ist letzteres ein verfahrensakzessorisches und vornehmlich rechtsstaatlich motiviertes Recht auf Einsicht in die Akten des den Betreffenden unmittelbar tangierenden Verfahrens, so sind erstere verfahrensunabhängige Ansprüche auf Zugang zu Informationen in staatlicher Verfügungsgewalt schlechthin, die sich in erster Linie aus dem Demokratieprinzip legitimieren. Denn auch die Öffentlichkeit der staatlichen Beratungs- und Entscheidungsprozesse ist Bestandteil des demokratischen Prinzips.61 Dies gilt umso mehr im Kontext des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit. Denn wo der Verwaltung im Wege einer offenen Normprogrammierung zunehmend Gestaltungsspielräume zugewiesen werden, bedarf es der zusätzlichen Legitimation staatlicher Entscheidungen auf der Vollzugsebene. Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit ermöglicht eine arbeitsteilige Rechtsverwirklichung, die eine erneute Rückbindung staatlicher Entscheidungen an Wertungen und Meinungen der Öffentlichkeit gewährleistet. Die Mitwirkung von Betroffenen und Öffentlichkeit bei der Rechtsverwirklichung im Einzelfall korrespondiert so dem demokratischen Prinzip bei der Rechtssetzung auf der generellen Ebene.62 Eine transparente Verwaltung ist dabei unabdingbare Voraussetzung. Denn nur mit einem möglichst offenen Zugang zu Informationen und transparenten Entscheidungsprozessen ist der Bürger in Lage, sich eine Meinung bilden und diese artikulieren zu können. Der Zugang zu Informationen fördert die Kommunikation und Diskussion in der Bevölkerung. Transparenz ist das grundlegende Element eines freien Meinungsaustauschs. Deutlich zeigt sich in den Informationszugangsansprüchen aus UIG, IFG und VIG eine grundlegende Abkehr vom Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit, die in Literatur und Praxis teilweise auf heftigen Widerstand stößt.63 Bedenken bestehen dahingehend, dass umfassend gewährte Informationsansprüche dem Interesse an einer effizienten Verwaltungsführung 59
OVG Münster NJW 2005, S. 2029 (2030). Vgl. Hans Joachim Knack/Hans-Günter Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 29 Rn. 17. 61 BVerfGE 70, 324/358; 103, 44/63. 62 Vgl. Walter Dollinger, Bürgerbeteiligung im Genehmigungsverfahren von Großprojekten, S. 40 ff., m. w. N., 1986. 63 Vgl. zum Meinungsstand etwa Annette Guckelsberger, Informatisierung der Verwaltung und Zugang zu Verwaltungsinformationen; VerwArch 2006, S. 62 (79 f.); Martin Ibler, in: FS Winfried Brohm, S. 405 ff.; Hans Joachim Knack/ Hans-Günter Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 29 Rn. 17. 60
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zuwiderlaufen könnten. Zum einen könnten sie den Arbeitsablauf erschweren und erhebliche organisatorische Anforderungen stellen. Zum anderen – und diesem Einwand wird wohl mehr Gewicht beigemessen – werde der Grundsatz der Vertraulichkeit der Behördenakten durchbrochen bzw. auf das Mindestmaß reduziert, wie es sich aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz von Privat- bzw. Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ergebe. Dies könne sich in Zukunft als Hindernis für die Durchführung von Verwaltungsakten herausstellen. Dem kann nicht zugestimmt werden. Hinsichtlich des zusätzlichen Arbeitsaufwandes innerhalb der Verwaltung, der möglicherweise durch die Erfüllung umfassend zu gewährender Informationsansprüche besteht, ist zu berücksichtigen, dass das damit verfolgte Ziel einer informierten Öffentlichkeit der Verwaltung an anderer Stelle wieder zugute kommt, sie gar in Teilbereichen auf den Wissensstandard der Öffentlichkeit angewiesen ist. In diesem Sinne tragen umfassende Informationsansprüche zu größerer Rationalität staatlicher Entscheidungen bei. Auf der anderen Seite dient eine derart transparente Verwaltung, zu deren Informationen der Bürger jederzeit Zugang hat, der größeren Akzeptanz staatlicher Entscheidungen und wird so im Ergebnis weniger Beschwerden zur Folge haben. Denn ein Informationsbegehr des Bürgers, das nur in Ausnahmefällen – im Interesse höherer Schutzgüter – abgelehnt werden kann, trägt zu Chancengleichheit zwischen Bürger und Verwaltung bei, es befördert ein Begegnen ‚auf Augenhöhe‘ und schafft so Vertrauen des Bürgers in die Arbeit der Verwaltung. Es dient auch einem breiteren Interesse der Bevölkerung an der Arbeit der Verwaltung und der staatlichen Institutionen überhaupt und soll so das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen Bürgers stärken. Die mit Widerspruch und Vorbehalten belegten, der europäischen Integration entstammenden umfassenden Informationsansprüche müssen in einem breiteren Kontext gesehen werden: Die deutsche Verwaltung muss heute als ein Akteur im europäischen Verfassungsverbund gesehen werden. Sie agiert nicht mehr territorial und sachlich begrenzt, sondern hat vielfach komplexe, grenzüberschreitende Sachverhalte in Kooperation mit anderen europäischen Verwaltungseinheiten zu lösen und dabei europäisches Recht umzusetzen. Genau hier liegt der Ursprung der aufgezeigten Entwicklung. Die Verwaltung ist, nach herkömmlich gedachtem Muster nicht in der Lage, die Verwirklichung des Europarechts allein zu gewährleisten. Der verantwortungsbewusste, mündige – und daher notwendig informierte – Bürger soll als Akteur der Verwaltung bei der Durchsetzung des Rechts zur Seite stehen.
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b) Die Rechtsprechung zum UIG Für die deutsche Verwaltungspraxis erscheinen die Folgen eines Grundsatzes der Informationsherausgabe und einer nur in Ausnahmefällen zugestandenen Verweigerung weitreichend. Die Informationspflichtigen Stellen haben grundsätzlich alle zur Vorbereitung einer Entscheidung erstellten Unterlagen herauszugeben – jedenfalls nachdem die Entscheidung vollständig umgesetzt wurde. Ein etwaiger Ablehnungsgrund ist als Ausnahme von der Regel eng auszulegen. Der Öffentlichkeit soll es möglich sein, nach der vollständigen Umsetzung einer Entscheidung nachzuvollziehen, auf welcher materiellen Grundlage die Entscheidung getroffen wurde, welche fachlichen, rechtlichen und politischen Aspekte mit welcher Gewichtung in die Entscheidung eingeflossen und im internen Entscheidungsprozess geäußert wurden. Eine stets befürchtete Störung der innerbehördlichen Willensbildung durch einen etwaigen Einfluss von Außen (insbesondere durch Lobbygruppen) soll durch eine Offenlegung der behördlichen Arbeitsabläufe gerade verhindert werden. Es ist davon auszugehen, dass die Tatsache, dass die im Entscheidungsprozess erstellten Unterlagen grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, Einfluss auf die Erstellung von Unterlagen in diesem Prozess haben wird und somit auch auf den Entscheidungsprozess an sich. An der bisherigen Rechtsprechung zum UIG lässt sich deutlich ablesen, dass die Verwaltung in der völker- und europarechtlich geforderten Entwicklung hin zu einer offenen und transparenten Verwaltung (derzeit noch) grundsätzlich eine Beeinträchtigung des Prozesses der verwaltungsinternen Willensbildung sieht. Dabei ist die von Seiten der Behörden durchaus berechtigte Forderung eines von Dritten ungestörten innerbehördlichen Willensbildungsprozesses zur Gewährleistung der Gemeinwohlverwirklichung auch im Rahmen der neueren Entwicklung anerkannt und durch die Normierung von Ausnahmetatbeständen zu dem generell gegebenen Informationsanspruch sichergestellt. Allein der Rahmen der Geheimhaltung ist enger gesteckt. Wie Verwaltungspraxis und -gerichtsbarkeit einzelne Fragen zum UIG bewerten, zeigt ein Blick auf die Rechtsprechung. aa) Der Begriff der Umweltinformation Mehrfach stand der Begriff der Umweltinformationen auf dem Prüfstand,64 wobei die Gerichte zumeist65 einer generell weiten Auslegung des Umweltbegriffs folgten. 64 BVerwG, Urt. v. 21.2.2008 – 4 C 13.07; BVerwG, Beschluss v. 1.11.2007 – 7 B 37.07; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2007 – 26 K 668/06; VG Schleswig-Holstein, Urt. v. 29.11.2007 – 12 A 37/06; VG Hamburg, Urt. v. 22.5.2008 – 13 K 1173/07.
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bb) Der Begriff des Antragstellers Das Bundesverwaltungsgericht bejahte einen Zugangsanspruch auch für öffentlich-rechtlich organisierte Personenvereinigungen, sofern sie einer informationspflichtigen Stelle als ‚Öffentlichkeit‘ gegenüberstehe. Zum Begriff des Antragstellers nahm das Bundesverwaltungsgericht auf die AarhusKonvention Bezug und führte aus: „Das Aarhus-Übereinkommen, das den Begriff des Antragstellers nicht kennt, umschreibt den Begriff der Öffentlichkeit in Art. 2 Nr. 4 mit Blick auf das Rechtssubjekt ‚natürliche oder juristische Person‘ und erweitert den Begriff um die nach innerstaatlichem Recht oder der innerstaatlichen Praxis anerkannten Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen. Dem entspricht der wortgleiche Art. 2 Nr. 6 UI-RL, der damit nicht auf die strenge Rechtsförmlichkeit der juristischen Organisationsformen abstellt, sondern der Vielfalt unterschiedlicher Organisationsformen Rechnung trägt, die zur Schärfung des Umweltbewusstseins und zum freien Meinungsaustausch in Umweltfragen (vgl. den 1. Ergänzungsgrund der UI-RL) beitragen können. Anspruchsberechtigt ist ‚die‘ Öffentlichkeit, die ungeachtet der Frage ihrer Verfasstheit wie ein ‚Jedermann‘ dem Staat gegenüber steht.“66 Daraus folge, dass der Begriff des Antragstellers nicht zwingend auf natürliche und juristische Personen beschränkt sei; nach Sinn und Zweck der Umweltinformationsrichtlinie und der sie ausfüllenden Umweltinformationsgesetze kämen daher auch nicht rechtsfähige Personenvereinigungen als Anspruchsberechtigte in Betracht, sofern sie organisatorisch hinreichend verfestigt seien. Hier wurde einer Bürgervereinigung der Informationsanspruch zugebilligt. Die völker- und europarechtlich eingeleitete Entwicklung zugrunde legend, ging das Gericht noch weiter und führte aus: „Wie sich aus den Erwägungsgründen Nr. 1 und 2 der Umweltinformationsrichtlinie ergibt, soll der Zugang der Öffentlichkeit, den die Richtlinie vom 7. Juni 1990 (Richtlinie 90/313/EWG, ABl L 158 S. 56) bislang gewährt hat, ‚erweitert‘ werden. Ziel der Umweltinformationsrichtlinie vom 28. Januar 2003 ist es, den mit der Richtlinie 90/313/EWG eingeleiteten Wandlungsprozess auszubauen und fortzusetzen (Erwägungsgrund Nr. 2). Dem wird nicht nur durch eine weite Definition des Begriffs ‚Informationen über die Umwelt‘ und der Ausdehnung der informationspflichtigen Stellen über den klassischen Behördenbereich hinaus um Personen des Privatrechts, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen bzw. öffentliche Dienstleistungen erbringen, Rechnung getragen. Dazu gehört auch eine weite Fassung des Kreises der Anspruchsberechtigten. Ein Informationsbedürfnis hinsichtlich umweltrelevanter Daten besteht nicht nur im Verhältnis des Bürgers – als natürliche oder als privatrechtlich organisierte 65 66
Nicht so VG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2007 – 26 K 668/06. BVerwG, Urt. 21.2.2008 – 4 C 13.07, Rn. 22 (juris).
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Person – zum Staat bzw. zu Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, sondern kann auch bei einer öffentlich-rechtlich verfassten Rechtsperson bestehen, sofern sie sich ‚der‘ Öffentlichkeit zuordnen lässt.“67 Diesen Maßstäben folgend wurde ein Kirchenverband68 und selbst eine Gemeinde als anspruchsberechtigt qualifiziert, sofern letztere der informationspflichtigen Stelle in der jeweiligen Angelegenheit als Teil der Öffentlichkeit gegenüberstehe69. cc) Der Geheimnisschutz gemäß § 99 VwGO Auch der Geheimnisschutz gemäß § 99 VwGO war bereits Gegenstand gerichtlicher Prüfung im Zusammenhang mit Ansprüchen aus dem UIG.70 Dazu stellte das BVerwG fest, dass der nach § 189 VwGO eingesetzte Fachsenat im Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO allein über die Frage der Vorlage der Akten im Prozess entscheide, auch wenn die Vorlage dieser Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits ist und obwohl dies faktisch zu einer Erfüllung des im Hauptsacheverfahren in Streit stehenden Anspruchs führen könne. Die im UIG geregelten Ablehnungsgründe stellen demnach keine Spezialregelung gegenüber § 99 VwGO dar, auf die sich die informationspflichtige Stelle berufen könnte. Die Behörde hat ihr Ermessen gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO auszuüben, wobei bezüglich eines Antrags durch einen Beteiligten gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht ausdrücklich erforderlich ist. Es genügt die unmissverständliche Weigerung der Vorlage der in Rede stehenden Unterlagen durch die Behörde.71 dd) Der Zugangsanspruch des UIG und die Beteiligungsrechte im Planfeststellungsverfahren Bereits mehrmals hatten Gerichte auch über das Verhältnis des Zugangsanspruchs des UIG zu den Beteiligungsrechten im Planfeststellungsverfahren oder im Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan zu entscheiden.72 Dabei wurde festgestellt, dass sich der Anspruch auf Zugang zu Um67
BVerwG, Urt. 21.2.2008 – 4 C 13.07, Rn. 23 (juris). BVerwG, Urt. 21.2.2008 – 4 C 13.07, Rn. 26, 27 (juris). 69 s. BVerwG, Urt. 21.2.2008 – 4 C 13.07, Rn. 28 ff. (juris). 70 BVerwG, Urt. v. 21.2.2008 – 20 F 2.07; BVerwG, Beschluss v. 15.10.2008 – 20 F 2.08. 71 BVerwG, Beschluss v. 15.10.2008 – 20 F 2.08. 72 BVerwG, Beschluss v. 12.6.2007 – 7 VR 1.07; OVG Münster, Beschluss v. 27.6.2007 – 8 B 920/07 und 8 B 922/07; OVG Münster, Urt. v. 13.3.2008 – 7 D 34/07.NE; VGH Kassel, Urt. 4.1.2006 – 12 Q 2828/05. 68
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weltinformationen nicht als Teil eines Planfeststellungsverfahrens verstehen oder nutzen lasse. Vielmehr bestehe der Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen rechtlich selbstständig neben dem Planfeststellungsverfahren, so dass eine nicht ordnungsgemäße Erfüllung des Anspruchs auf Zugang zu Umweltinformationen keinerlei Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses habe. Der Anspruch nach UIG könne zwar auch von Betroffenen und Einwendern zeitlich parallel während eines Planfeststellungsverfahrens geltend gemacht werden, jedoch werde der Bezug zu dem Planfeststellungsverfahren allein durch seine subjektive Einschätzung hergestellt.73 Die UI-RL habe zudem keinerlei Einfluss auf die Frage, welche Unterlagen bei der Aufstellung umweltrelevanter Bebauungspläne der Öffentlichkeit zugänglich zu machen seien.74 Im Ergebnis wird dadurch das Recht, im Planfeststellungsverfahren Einwendungen erheben und diese in einem Erörterungstermin substantiell erörtern zu können, durch den Anspruch auf Umweltinformationen „mit der rechtlichen Konsequenz erweitert, dass die Betroffenen, die zur Erhebung von Einwendungen befugt sind, bei der Begründung und Erörterung dieser Einwendungen auf den bei der Planfeststellungsbehörde, der Anhörungsbehörde oder sonstigen Behörden vorhandenen Akteninhalt mit Umweltdaten zurückgreifen können“.75 ee) Die Ablehnungsgründe Von besonderem Interesse ist die Auslegung und Anwendung der Ablehnungsgründe des UIG. Deren enge Auslegung und das Regel-AusnahmeVerhältnis von Zugangsanspruch und Ausnahmetatbestand kehrt das in der deutschen Verwaltungspraxis verankerte Verständnis einer grundsätzlichen Geheimhaltung von Verwaltungsinformationen um und hat daher für die Verwaltungspraxis weitreichende Konsequenzen. (1) Bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit Im Gegensatz zur Auffassung der Verwaltung entschied das OVG Rheinland-Pfalz76 bezüglich des Ausnahmetatbestandes bedeutsamer Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG des Bundes), dass die europarechtlich gebotene enge Auslegung eine ernsthafte, konkrete Gefährdung der durch die Vorschrift geschützten Güter der öffentlichen Sicherheit fordere und diesbezüglich tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sein 73 74 75 76
BVerwG, Beschluss v. 12.6.2007 – 7 VR 1.07, Rn. 10, 11 (juris). So OVG Münster, Urt. v. 13.3.2008 – 7 D 34/07.NE. Vgl. VGH Kassel, Urt. 4.1.2006 – 12 Q 2828/05, Leitsatz. OVG Koblenz, Urt. v. 20.2.2008 – 1 A 10886/07.
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müssten, dass gerade das Bekanntgeben der Informationen die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erhöht. (2) Material, das gerade vervollständigt wird Das VG Dessau77 stellte bezüglich des Ausnahmetatbestandes zu Material, das gerade vervollständigt wird (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 UIG des Bundes) fest, dass sich die informationspflichtige Stelle nicht auf diesen Ausnahmetatbestand berufen könne, wenn die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung nicht gefährdet sei, weil sich der Informationsanspruch auf einen bereits abgeschlossenen Vorgang beziehe. In diesem Fall ging es um die Zugänglichmachung von Untersuchungsergebnissen, die die informationspflichtige Stelle mit der Begründung ablehnte, diese beruhten auf einer methodisch fehlerhaften Vorgehensweise und seien daher geeignet, zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen zu führen. Zudem seien weitere Forschungsaufträge in dieser Sache vergeben worden, deren Ergebnisse abzuwarten seien. Das Gericht hielt diese Einwände nicht für stichhaltig, da die Herausgabe eines Gutachtens, das mit Anmerkungen, die seine Aussagekraft relativierten – wie im vorliegenden Fall – nicht geeignet sei, Fehlvorstellungen hervorzurufen. Zudem richte sich der Untersuchungsgegenstand eines Untersuchungsauftrages nach der Leistungsbeschreibung und nach dem Untersuchungsziel, wodurch die weiteren Forschungsaufträge in diesem Fall nicht umfasst waren. Die Ergebnisse der Folgeaufträge müssten daher nicht abgewartet werden. (3) Die Vertraulichkeit von Beratungen und der Schutz interner Mitteilungen Das VG Köln78 urteilte bezüglich des Ablehnungsgrundes der Vertraulichkeit der Beratungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG des Bundes) sowie desjenigen der internen Mitteilungen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG des Bundes). Dazu führte es aus, dass der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG ersichtlich dem Interesse an der Effektivität und Unabhängigkeit der Verwaltung diene und eine unbefangene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch innerhalb und zwischen Behörden ermöglichen und so eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung der Behörde sicherstellen solle. Dieser Schutzzweck der als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden Bestimmung erfordere nicht die Erstreckung des Ablehnungsgrundes auf einen Zeitpunkt nach dem Abschluss der Beratungen. Der 77 78
VG Dessau, Urt. v. 23.11.2007 – 1 A 156/07. VG Köln, Urt. v. 22.11.2007 – 13 K 4113/06.
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Auffassung der Beklagten, dass die Informationen auch nach dem Abschluss der Entscheidung nicht herausgegeben werden müssten, weil der Schutzzweck der Unbefangenheit der internen Meinungsbildung auch dann tangiert sei, wenn die Beteiligten mit einer späteren Veröffentlichung rechnen müssten, folgte das Gericht nicht. Denn, so führte das Gericht aus, dann wären weiteste Teile der Ergebnisse behördlichen Zusammenwirkens vom Umweltinformationsanspruch ausgenommen, was dem Grundsatz des § 3 Abs. 1 UIG und insbesondere auch der Richtlinie 2003/4/EG zuwiderliefe. Dies würde den Schutzbereich der Vorschrift nahezu grenzenlos ausweiten. Wenn endgültige Beratungsergebnisse vorlägen, der Beratungsprozess mithin abgeschlossen sei, sei ein Schutzgrund nicht mehr ersichtlich. Denn, so stellte das Gericht fest: „Behörden arbeiten regelmäßig nicht unter dem Schutz der Vertraulichkeit sondern im Licht der Öffentlichkeit“.79 Im Hinblick auf den Ablehnungsgrund der internen Mitteilungen stellte das Gericht fest, dieser beziehe sich, wie schon der eindeutige Wortlaut der Vorschrift belege, nur auf Mitteilungen innerhalb der informationspflichtigen Stellen, also auf Nachrichten und Schreiben einer Arbeitseinheit der informationspflichtigen Stelle an eine andere Arbeitseinheit derselben Stelle. Entgegen der Auffassung der Beklagten erstrecke sich dieser jedoch nicht auf den Meinungsaustausch von zwei Behörden, namentlich der übergeordneten mit der nachgeordneten Behörde. Neben dem Grundsatz, dass Ausnahmevorschriften regelmäßig eng auszulegen seien, spräche für eine dahingehende Auslegung auch nicht die Verwendung des Plurals in der Vorschrift (‚informationspflichtige Stellen‘); denn wie der nachfolgende Zusatz „im Sinne des § 2 Abs. 1“ belege, werde mit dieser grammatischen Form nur dem Umstand Rechnung getragen, dass in § 2 Abs. 1 UIG mehrere informationspflichtige Stellen aufgeführt und definiert werden. ff) Der Vorlagebeschluss des BVerwG im Fall „Flachglas Torgau GmbH“ und das dazu ergangene Urteil des EuGH vom 14. Februar 2012 Schließlich legte das Bundesverwaltungsgericht dem EuGH Fragen zur Auslegung der UI-RL vor.80 In dem Fall klagte ein emissionshandelspflichtiges Unternehmen auf Zugang zu Informationen über die Auslegung bestimmter Vorschriften des Gesetzes über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005–2007 79
VG Köln, Urt. v. 22.11.2007 – 13 K 4113/06, Rn. 25 (juris). BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau; EuGH, Urteil v. 14. Feb. 2012, C-204/09, Flachglas Torgau (Slg. der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit noch nicht veröffentlicht). 80
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(‚Zuteilungsgesetz 2007‘).81 Der Antrag bezog sich auf Informationen aus dem Gesetzgebungsverfahren sowie auf Informationen, die die Umsetzung des Zuteilungsgesetzes betreffen. Erfasst waren insbesondere interne Vermerke und Stellungnahmen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) sowie sein Schriftverkehr, einschließlich des E-Mail-Verkehrs mit dem Umweltbundesamt (UBA in seiner Funktion als Deutsche Emissionshandelsstelle, kurz: DEHSt). Mit der Berufung auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 a) UIG (‚Tätigwerden im Rahmen der Gesetzgebung‘) sowie § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (‚Vertraulichkeit von Beratungen‘) und Abs. 2 Nr. 2 (‚Schutz interner Mitteilungen‘) UIG lehnte das beklagte BMU den Antrag ab. Die erste Vorlagefrage des BVerwG an den EuGH betraf die Auslegung von Art. 2 Nr. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/4/EG, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass die Begriffsbestimmung der ‚Behörde‘ „keine Gremien oder Einrichtungen umfasst, soweit sie in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln“. Weiter heißt es dort: „Wenn ihre verfassungsmäßigen Bestimmungen zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie kein Überprüfungsverfahren im Sinne von Art. 6 vorsehen, können die Mitgliedstaaten diese Gremien oder Einrichtungen von dieser Begriffsbestimmung ausnehmen“. Die Klägerin war der Auffassung, dass der Schutz einer gesetzesvorbereitenden Tätigkeit jedenfalls mit Verkündung des Gesetzes ende.82 Das BVerwG vertrat hingegen die Auffassung, dass allein auf Grundlage des nationalen Rechts das Ministerium insoweit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UIG keine informationspflichtige Stelle sei und dies auch für die Zeit nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens gelte.83 Die nationale Vorschrift enthalte keine Beschränkung auf den Zeitraum des Gesetzgebungsverfahrens, sie knüpfe vielmehr an einen abstrakt umschriebenen Tätigkeitsbereich an.84 Damit folgte das BVerwG teilweise der Auffassung der Berufungsinstanz des OVG Berlin, das zur Begründung anführte, die Einschränkung der Informationspflicht diene insoweit dem Schutz einer ungehinderten Gesetzgebungsarbeit und der Unabhängigkeit der Legislativtätigkeit oberster Bundesministerien.85 Die politische Gestaltungsfreiheit und der dem Erlass oder der Änderung von Gesetzen vorhergehende interne Willensbildungsprozess, so das OVG, sollten im Interesse eines effektiven und funktionsfähigen Ablaufs geschützt werden.86 Als Teil 81 s. zum Sachverhalt das Urteil der Berufungsinstanz, OVG Berlin, Urteil v. 8. Mai 2008 – 12 B 24.07. 82 OVG Berlin, Urteil v. 8. Mai 2008 – 12 B 24.07, Rn. 9 (juris); BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Rn. 4 (juris). 83 BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Rn. 14 (juris). 84 Ebd. Rn. 15 a. E. 85 OVG Berlin, Urt. v. 8.5.2008 – 12 B 24.07, Rn. 29 (juris).
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des internen Prozesses der Entscheidungsfindung sei die fachliche und inhaltliche Vorbereitung von Gesetzen in den zuständigen Ministerien geschützt, für die ein unbefangener und störungsfreier Ablauf sichergestellt werden solle.87 Dieser Schutzzweck reiche zeitlich über die Entscheidungsfindung als solche hinaus; er „wäre unvollkommen, wenn die gesetzesvorbereitende Tätigkeit der Bundesministerien nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens grundsätzlich dem allgemeinen Umweltinformationsanspruch unterläge“.88 Ein unbefangener und störungsfreier Meinungsaustausch wäre nach Auffassung des OVG nur dann zu gewährleisten, wenn sich die Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen in den zuständigen Fachministerien, einschließlich der Diskussion unterschiedlicher Auffassungen, frei und ohne Zugriff von außen vollziehen könne.89 Es sei ein umfassend geschützter Bereich anzuerkennen, in dem Gesetzesvorhaben von den Ministerien unabhängig von Informationsansprüchen Dritter inhaltlich vorbereitet werden können.90 Der Wortlaut des Art. 2 Nr. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/4/EG verwendet den Begriff des ‚Handelns‘ in gesetzgebender Eigenschaft und sei – so das BVerwG – insoweit nicht eindeutig.91 In diesem Zusammenhang verwies das BVerwG auf den entsprechenden Art. 2 Nr. 2 der Aarhus-Konvention und die diesbezüglichen Ausführungen im ‚Implementation Guide‘ zur Konvention. Darin ist zu lesen, dass die Vorbereitung von Gesetzen im Sinne der Konvention nicht als Handeln in gesetzgebender Eigenschaft angesehen werden soll.92 Das Gericht bat den EuGH um Klärung, ob die Bestimmung des Art. 2 Nr. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/4/EG dahingehend auszulegen sei, „dass in gesetzgebender Eigenschaft ausschließlich solche Gremien und Einrichtungen handeln, denen nach dem Recht des Mitgliedstaates abschließende (verbindliche) Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren obliegt“ oder ob davon auch solche Gremien und Einrichtungen erfasst seien, „denen das Recht des Mitgliedstaates Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere zur Einbringung eines Gesetzentwurfs und zu Äußerungen zu Gesetzentwürfen, übertragen hat“.93 Zudem wollte das Gericht wissen, ob die Mitgliedstaaten Gremien und Einrichtungen immer nur dann von der 86
Ebd. Ebd. 88 Ebd. 89 Ebd. 90 Ebd. 91 BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Rn. 17, 18 (juris). 92 The Aarhus Convention, An Implementation Guide, 2000, S. 34 f. 93 BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Vorlagefrage 1a). 87
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Begriffsbestimmung der ‚Behörde‘ ausnehmen dürften, „wenn zugleich ihre verfassungsgemäßen Bestimmungen zum Zeitpunkt der Annahme der Richtlinie kein Überprüfungsverfahren [im Sinne der Richtlinie] vorsahen“.94 Schließlich fragt das Gericht, ob Gremien und Einrichtungen, soweit sie in gesetzgeberischer Eigenschaft handelten, „nur für die Zeit bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens von dem Begriff der Behörde nicht erfasst“ seien.95 Der interne Beratungsprozess im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ist im Sinne eines störungsfreien Ablaufs schützenswert. Jedoch ist nicht ersichtlich, weshalb auch nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ein öffentlicher Zugang zu den Beratungsunterlagen verweigert werden sollte. In diesem Sinne entschied auch der EuGH in seinem Urteil vom 14. Februar 2012.96 Es sei – so der EuGH – eine funktionelle Auslegung des Begriffs ‚Gremien oder Einrichtungen, die in [. . .] gesetzgeberischer Eigenschaft handeln‘ vorzunehmen, wonach diejenigen Ministerien unter den Begriff fielen, die nach nationalem Recht damit betraut seien, Gesetzentwürfe vorzubereiten, diese dem Parlament vorzulegen und sich, u. a. mit Stellungnahmen, am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen.97 Zweck der betreffenden Vorschrift sei es, den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, einen ordnungsgemäßen Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens gemäß den nationalen Verfassungsbestimmungen zu gewährleisten.98 Der Begriff des Gesetzgebungsverfahrens sei daher weit zu fassen.99 Jedoch erscheine es „nicht gerechtfertigt, die Ausnahme von dem in Art. 1 der Richtlinie aufgestellten Grundsatz des Rechts auf Zugang zu Umweltinformationen über den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens hinaus auszudehnen“.100 Die Möglichkeit, Einrichtungen und Gremien im Sinne des Ausnahmetatbestandes von dem Begriff der Behörde auszunehmen dürfe daher nicht mehr angewandt werden, wenn das betreffenden Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sei.101 Den fraglichen Gremien und Einrichtungen bleibe es dann unbenommen, die Übermittlung von Umweltinformationen aus anderen Gründen zu verweigern.102 Die Entscheidung des EuGH ist auch deshalb zu begrüßen, weil der Zugang zu den Beratungsunterlagen einer öffentlichen Kontrolle darüber dient, 94
Ebd., Vorlagefrage 1b). Ebd., Vorlagefrage 1c). 96 EuGH, Urteil v. 14. Feb. 2012, C-204/09, Flachglas Torgau, Rn. 42 bis 58. 97 Ebd., Rn. 49. 98 Ebd. Rn. 54. 99 Ebd. Rn. 56. 100 Ebd. 101 Ebd. 58. 102 Ebd. Rn. 57. 95
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welche Erwägungen schließlich Eingang in das Gesetzgebungsverfahren gefunden haben. Einer möglichen Einflussnahme einzelner Lobbygruppen kann auf diese Weise entgegengetreten werden, um so die Verwirklichung des Gemeinwohls sicherzustellen. Es ist nicht ersichtlich, warum sich die Exekutive, deren Aufgabe doch gerade in der Verwirklichung der Gemeinwohlinteressen liegt, dagegen sperrt. Sie sollte die Öffentlichkeit in diesem Sinne als ihren Verbündeten begreifen, der ihr bei der Bewältigung ihrer Aufgabe zur Seite steht. Des Weiteren stand in dem Verfahren die Vertraulichkeit von Beratungen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a der Richtlinie in Frage. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf „die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, sofern eine derartige Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist“. Zum Verständnis der Problematik hilft ein Blick auf die Einschätzung der Eingangsund der Berufungsinstanz in diesem Zusammenhang: Die Eingangsinstanz des VG Berlin vertrat zunächst die Auffassung, dass dieser Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen zeitlich nicht beschränkt sei und regelmäßig keiner näheren Darlegung bedürfe, „da es der informationspflichtigen Stelle nicht angesonnen werden könne, die konkrete Art und Weise der nachteiligen Auswirkungen auf einen bestimmten Beratungsvorgang im Einzelnen darzulegen“.103 Diesbezüglich machte die Klägerin in der Berufungsinstanz geltend, dass die Anordnung einer generellen Vertraulichkeit der Beratungen informationspflichtiger Stellen nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.104 Insoweit sei eine zeitliche Begrenzung des Ablehnungsgrundes geboten sowie eine einzelfallbezogene Darlegung der nachteiligen Auswirkungen auf die Vertraulichkeit von Beratungen erforderlich.105 Dem folgte die Berufungsinstanz. Das Gericht führte aus, Schutzgut des öffentlichen Belangen dienenden Ablehnungsgrundes sei – der amtlichen Begründung entsprechend106 – der Prozess der behördlichen Willensbildung.107 Umfasst seien demnach Beratungsvorgänge, d.h. schriftliche oder mündliche behördliche Meinungsäußerungen, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen, von Beginn des Verwaltungsverfahrens bis zur Entscheidungsfindung.108 Der Ablehnungsgrund greife ein, soweit das Bekanntgeben der Information nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit von Beratungen 103 104 105 106 107 108
OVG Berlin, Urt. v. 8.5.2008 – 12 B 24.07, Rn. 7 (juris). Ebd., Rn. 10. Ebd. BT-Drs. 15/3406, S. 19. OVG Berlin, Urt. v. 8.5.2008 – 12 B 24.07, Rn. 33 (juris). Ebd.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
habe – es bedürfe demnach „im jeweiligen Einzelfall der Prüfung, ob nachteilige Auswirkungen auf den Schutz der in Rede stehenden Beratungsvorgänge zu besorgen sind“.109 Eine ‚Regelannahme‘ bezüglich der Schutzwürdigkeit behördlicher Beratungsvorgänge, wie sie das VG angenommen hatte, könne, so das OVG, eine Einzelfallprüfung nicht ersetzen.110 Das OVG stellte fest, es könne dahin stehen, ob der Gesetzgeber die Vertraulichkeit der Beratungen informationspflichtiger Stellen in zulässiger Weise in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG selbst vorsehen kann oder ob das Gemeinschaftsrecht diesbezüglich eine besondere gesetzliche Regelung außerhalb des allgemeinen Umweltinformationsrechts fordere, denn jedenfalls fehle es im konkreten Fall bereits an „substantiierten tatsächlichen Anhaltspunkten“, dass eine Bekanntgabe der Informationen zum Vollzug des Zuteilungsgesetzes nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen hätte.111 Das Urteil des OVG ließ dem beklagten Ministerium damit einen Spielraum, bei seiner erneuten Entscheidung Gründe anzuführen, nach denen sich eine Offenlegung der begehrten Informationen nachteilig auf die Beratungen des Ministeriums auswirken würde. Ein solcher Spielraum bestünde hingegen nicht, wenn nach Gemeinschaftsrecht eine gesonderte gesetzliche Regelung, außerhalb des UIG erforderlich wäre, die die Vertraulichkeit anordnet.112 Eben dies machte dann auch die Klägerin im Revisionsverfahren vor dem BVerwG geltend.113 Das BVerwG vertrat hingegen die Auffassung, der nationale Gesetzgeber könne die Vertraulichkeit von behördlichen Beratungen umfassend schützen und deshalb vorsehen, dass ein Antrag auf Umweltinformationen immer abgelehnt werde, wenn die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden betroffen sei.114 Voraussetzung sei, dass die Bekanntgabe im konkreten Einzelfall negative Auswirkungen auf diese Vertraulichkeit hätte und im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe nicht überwiege.115 Eine gesonderte gesetzliche Regelung, außerhalb des UIG, die die Vertraulichkeit anordnet hielt das Gericht nicht für erforderlich. Allerdings, so das BVerwG, könne der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a) auch eine andere Deutung nahelegen.116 Denn es bedürfe „an sich des dort verwendeten Zusatzes ‚sofern eine derartige Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist‘ [nicht], wenn bereits das Ge109
Ebd., Rn. 33. Ebd., Rn. 34. 111 Ebd. 112 BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Rn. 28 (juris). 113 Ebd., Rn. 4. 114 Ebd., Rn. 30. 115 Ebd. 116 BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Rn. 31 f. 110
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brauchmachen von der Ermächtigung als solcher zugleich die gesetzliche Grundlage für die Vertraulichkeit schafft“.117 Dies könne durchaus für eine Deutung sprechen, nach der die Richtlinie nur solche Vorschriften über die Vertraulichkeit behördlicher Beratungen erfassen wolle, die außerhalb des allgemeinen Umweltinformationsrechts liegen. Entsprechend fragte das Gericht, ob die Vertraulichkeit von Beratungen gesetzlich vorgesehen sei, „wenn die zur Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG ergangene Vorschrift des nationalen Rechts allgemein bestimmt, dass der Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abzulehnen ist, soweit das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen“, oder ob hierfür erforderlich sei, dass „eine gesonderte gesetzliche Bestimmung die Vertraulichkeit der Beratungen anordnet“.118 Zudem wollte das Gericht wissen, ob die Vertraulichkeit von Beratungen im Sinne der Richtlinie gesetzlich vorgesehen sei, „wenn sich aus dem nationalen Recht ein allgemeiner ungeschriebener Rechtsgrundsatz des Inhalts ergibt, dass die Verwaltungsverfahren der Behörden nicht öffentlich sind“.119 Ein solcher ergebe sich im deutschen Recht nicht aus einer ausdrücklichen Vorschrift, sondern lasse sich nur als allgemeiner Rechtsgrundsatz aus partiellen Regelungen des geschriebenen Rechts ableiten.120 Hierfür seien § 28 Abs. VwVfG sowie § 68 Abs. 1 VwVfG von Bedeutung, wonach der von einem Verwaltungsverfahren Betroffene grundsätzlich anzuhören ist und im förmlichen Verwaltungsverfahren zwar eine mündliche Verhandlung vorgesehen, diese aber nicht öffentlich ist. Daraus, so folgert das Gericht, sei herzuleiten, „dass weitergehende Zugangsrechte (auch für den Betroffenen) nicht bestehen, insbesondere kein Zugang zu den internen Beratungen der Behörden“.121 Insoweit stellte der EuGH fest, dass es zwar unerlässlich sei, „dass die Rechtslage, die sich aus den nationalen Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie ergibt, ausreichend klar und bestimmt ist, um es den betroffenen Einzelnen zu ermöglichen, Kenntnis vom Umfang ihrer Rechte und Pflichten zu erlangen“122 und dass der Unionsgesetzgeber „ganz offensichtlich gewollt [hat], dass es im nationalen Recht eine ausdrückliche Regel gibt, deren Anwendungsbereich genau bestimmt ist, und nicht lediglich einen allgemeinen rechtlichen Kontext gibt“.123 Dies sei jedoch nicht so auszulegen, 117
Ebd. BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Vorlagefrage Nr. 2a). 119 BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Vorlagefrage Nr. 2b). 120 BVerwG, Beschluss v. 30.4.2009 – 7 C 17.08, Flachglas Torgau, Rn. 33. 121 Ebd. 122 EuGH, Urteil v. 14. Feb. 2012, C-204/09, Flachglas Torgau, Rn. 60. 118
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
„dass es erforderlich ist, dass sämtliche Bedingungen für die Anwendung dieses Grundes für die Ablehnung des Zugangs zu Umweltinformationen im Detail festgelegt sind“.124 Die Umstände, unter denen die Vertraulichkeit dem Zugang zu Umweltinformationen entgegengehalten werden könne, dürfe allerdings nicht von den Behörden einseitig bestimmt werden.125 Dies erfordere u. a., „dass das nationale Recht die Reichweite des Begriffs der ‚Beratungen‘ von Behörden im Sinne dieser Vorschrift, der auf die abschließenden Etappen des Entscheidungsprozesses der Behörden verweist, klar festlegt“.126 Unter diesen Voraussetzungen erachtet der Gerichtshof eine allgemeine Regel, die bestimmt, dass die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden einen Ablehnungsgrund darstellt, als mit dem Europarecht vereinbar. Der EuGH lässt damit die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG für sich genügen und fordert keine Regelung außerhalb des UIG, welche die Vertraulichkeit gesondert anordnet. Allein der Begriff der Beratungen muss hinreichend klar bestimmt sein. Ob dies der Fall ist, – so der EuGH –, sei von den nationalen Gerichten zu prüfen.127 Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Entwicklung eines Konzepts der informierten Öffentlichkeit, beruhend auf den Grundsätzen der Transparenz und der Partizipation, verdeutlicht die Argumentation des BVerwG erneut die bestehenden Schwierigkeiten mit dieser Entwicklung. Aufgrund der Zielrichtung der Richtlinie 2003/4/EG ist das Erfordernis eines konkreten Nachweises im Einzelfall, dass eine Bekanntgabe von Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen hätte, zu unterstreichen. Eine Regelvermutung zugunsten der Vertraulichkeit von Beratungsunterlagen läuft dem Ziel des Informationszugangsrechts insgesamt entgegen. Dem steht nicht nur die an prominenter Stelle, in Erwägungsgrund Nr. 1 festgeschriebene Zielsetzung entgegen, durch den erweiterten Zugang zu Umweltinformationen eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren zu ermöglichen. Auch mit Erwägungsgrund Nr. 2, der bereits mit der Vorgängerrichtlinie 90/131/EWG eingeleiteten Entwicklung eines „Wandlungsprozesses hinsichtlich der Art und Weise, in der Behörden mit Offenheit und Transparenz umgehen, [. . .] der ausgebaut und fortgesetzt werden soll“, ist diese Auffassung nicht vereinbar. Ausdrücklich stellt die Richtlinie in Erwägungsgrund Nr. 16 klar: „Das Recht auf Information beinhaltet, dass die Bekanntgabe von Informationen die allgemeine Regel sein sollte und dass Behörden befugt sein soll123 124 125 126 127
Ebd., Ebd., Ebd., Ebd. Ebd.,
Rn. 61. Rn. 62. Rn. 63. Rn. 65.
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ten, Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen in bestimmten, genau festgelegten Fällen abzulehnen. Die Gründe für die Verweigerung der Bekanntgabe sollten eng ausgelegt werden, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen sollten“. Für die Verwaltungspraxis folgt daraus, dass grundsätzlich alle Informationen zur Vorbereitung einer Entscheidung, jedenfalls nach vollständiger Umsetzung der Entscheidung, herausgegeben werden müssen. Ausgenommen sind nur solche Unterlagen, bei denen die informationspflichtige Stelle ein Geheimhaltungsinteresse konkret nachweisen kann. Denn mit der Umsetzung der UI-RL soll gerade ein etwaig bestehender Grundsatz einer nichtöffentlichen Verwaltung aufgebrochen werden. Aus diesem Grund sind die Ablehnungsgründe die Ausnahme und der Informationsanspruch die Regel. Genau dieses, dem deutschen allgemeinen Verwaltungsrecht zugrunde liegende Prinzip einer im Grundsatz nichtöffentlichen Verwaltung steht mit der hier beschriebenen Entwicklung auf dem Prüfstand.
II. Zweite Säule: Steuerung – Das Verfahren der Kooperation Die zweite Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit gewährleistet die arbeitsteilige Rechtsverwirklichung im Wege der Steuerung durch Kooperation. Verwaltung und Öffentlichkeit wirken in Kooperation miteinander an der Umsetzung behördlicher Entscheidungen mit. Dies steigert einerseits die Rationalität staatlicher Entscheidungen, indem der Verwaltung hochspezialisiertes Wissen Privater zugänglich gemacht wird. Insofern gewährleistet die zweite Säule des Steuerungskonzepts den Informationsfluss von der Öffentlichkeit zur Verwaltung. Zugleich bewirkt die Steuerung durch Kooperation eine erneute Rückbindung staatlicher Entscheidungen an Meinungen und Wertungen der Öffentlichkeit. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) stellt ein Verfahrensinstrument dar, das geradezu beispielhaft Kooperationsstrukturen zur Bewältigung komplexer Umweltbelange bereitstellt. Die abschließende behördliche Entscheidung findet ihre Substanz im Wege der Mitwirkung der unterschiedlichen Akteure. Sie liefern die erforderlichen Informationen, die die Verwaltung für eine rationale Entscheidungsfindung benötigt. Dem UVP-Verfahren liegt ein Kooperationsverhältnis zwischen Staat und Bürger zugrunde. Die der abschließenden Bewertung der Behörde zugrunde liegenden Informationen werden im Dialog mit dem Vorhabenträger und unter Einbeziehung der betroffenen Öffentlichkeit ermittelt. Zur Bewältigung komplexer Sachver-
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
halte dient diese Konzeption insbesondere der Generierung von Wissen. Durch die umfangreiche Pflicht des Vorhabenträgers zur Sachverhaltsermittlung und die Öffentlichkeitsbeteiligung erlangt die Verwaltung die für ihre Bewertung maßgeblichen Informationen über die Umweltauswirkungen eines Vorhabens. Da Vorhabenträger und Öffentlichkeit in der Regel über ein besseres Fachwissen in Bezug auf den konkreten Einzelfall verfügen, ermöglicht ihre Beteiligung eine Entscheidung der Verwaltung auf umfassender Wissensbasis. Da die beizubringenden Informationen maßgeblichen Einfluss auf die abschließende Bewertung der UVP haben, wirken Vorhabenträger und Öffentlichkeit durch ihre Beteiligung in nicht unerheblichem Maße an der Behördenentscheidung mit. Durch ihre Mitwirkung leisten Vorhabenträger und Öffentlichkeit einen Beitrag zu einer rationalen Entscheidungsfindung durch die Verwaltung. Dem Vorsorgegrundsatz entsprechend zielt das UVP Verfahren in der Hauptsache auf eine frühzeitige und umfassende Auseinandersetzung mit den Umweltauswirkungen eines Vorhabens. Schädliche Umweltauswirkungen sollen von vornherein vermieden werden. Dementsprechend hat der Vorhabenträger die Möglichkeit, im eigenen Interesse, das Vorhaben gegebenenfalls frühzeitig zu modifizieren,128 um die Zulassung des Vorhabens nicht zu gefährden und einen kosteneffizienten Ablauf sicherzustellen. Das Verfahrensinstrument der UVP macht das individuelle Interesse des Vorhabenträgers und der betroffenen Öffentlichkeit nutzbar, um das allgemeine Interesse an einer intakten Umwelt zu verwirklichen. Die Verfahrenselemente der Kooperation führen zu einer breiteren Akzeptanz der behördlichen Entscheidung einerseits und der Umweltschutzvorschriften andererseits. Zudem wird mit einer frühzeitigen und umfassenden Auseinandersetzung mit den Umweltauswirkungen eines Vorhabens die Sensibilität für Umweltbelange gesteigert. Der Vorhabenträger wird diese zusätzlichen Belange in seine Planung und Kostenkalkulation mit einbeziehen und ihnen so eine größere Bedeutung beimessen. Insgesamt wird durch das Instrument der UVP der Kenntnisstand über umweltschonende Technologien stetig verbessert, da diese Technologien im Ergebnis zur Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens beitragen. Auch die Öffentlichkeit wird durch ihr Recht auf Akteneinsicht und Anhörung im Rahmen der UVP für Belange der Umwelt sensibilisiert. Sie kann einen wichtigen Beitrag im Sinne eines Korrektivs für die Interessen des Vorhabenträgers leisten. Die UVP stellt ein gesetzliches Verfahrensinstrument dar, das eine Nach- oder Feinsteuerung nicht durch die Verwaltung alleine, sondern in Kooperation mit dem Vorhabenträger und der Öffentlichkeit ermöglicht. Durch das UVP-Verfahren werden 128
137.
Zu diesem Punkt s. Evaluation des UVPG des Bundes, 2008, S. 123 ff. und
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komplexe gesellschaftliche Sachverhalte gemeinsam gesteuert. Im Ergebnis zielt die behördliche Entscheidung auf die Verwirklichung einer gesunden Umwelt und damit auf ein Gemeinwohlinteresse. Das UVP-Verfahren bietet damit beispielhaft Strukturen für eine kooperative Steuerung der Gesellschaft mit dem Ziel der Gemeinwohlverwirklichung durch die Nutzbarmachung partikularer Interessen. Wie dies im Einzelnen gelingt, soll zunächst herausgearbeitet werden (1.). Im deutschen Rechtsschutzsystem haben Verfahrenspositionen eine schwache Stellung. Das Recht der Öffentlichkeitsbeteiligung ist deshalb der Gefahr einer sanktionslosen Beschneidung ausgesetzt (dazu 2.). Dies widerspricht der ausdrücklichen Zielsetzung der UVP-RL. Der Entscheidungsprozess soll nach außen nachvollziehbarer und transparenter gestaltet werden, wodurch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für Umweltbelange sowie die Unterstützung für die getroffenen Entscheidungen wachsen soll. Die UVP-Richtlinie zielt auf die Verbesserung des Vollzugs, der Durchsetzung und der Kontrolle gemeinschaftlicher Umweltvorschriften durch die Einbindung einer für Umweltbelange sensibilisierten Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess. Ohne Sanktionsmöglichkeiten für eine etwaige Missachtung des Rechts auf Öffentlichkeitsbeteiligung kann dieses Ziel schwerlich erreicht werden. 1. Steuerung durch Kooperation im UVP-Verfahren Ihre Grundlage findet die UVP in der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten129 – kurz: UVP-RL. Sie fand ihre Rechtsgrundlage mangels einer spezifischen Richtlinienkompetenz für den Bereich des Umweltrechts zunächst im Hinblick auf das wettbewerbspolitische Ziel der Gemeinschaft in der Kompetenz zur Angleichung von Rechtsvorschriften und die Vertragsabrundungskompetenz von Art. 100 und 235 EWGV, den heutigen Art. 115, 352 AEUV. Erst die UVP-Änderungsrichtlinien von 1997 und 2003 konnten dann auf die mit der Einführung der Einheitlichen Europäischen Akte geschaffene umweltpolitische Kompetenz des Art. 175 Abs. 1 EG, den heutigen Art. 192 Abs. 1 AEUV gestützt werden. Die UVP-RL geht auf die frühen umweltpolitischen Aktionsprogramme der Europäischen Gemeinschaft aus den Jahren 1973, 1977 und 1983 zurück, mit denen das Vorsorgeprinzip130 als ein umweltpolitisches Ziel der 129
ABlEG Nr. L 175, S. 40. Ausführlich zum Vorsorgeprinzip s. Christian Calliess, in: R. Hendler/P. Marburger/M. Reinhardt/M. Schröder (Hrsg.), JbUTR 90 (2006), S. 89. 130
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Gemeinschaft verankert wurde.131 Nach dem Vorsorgeprinzip sind Umweltbelastungen von vornherein zu vermeiden, anstatt sie erst nachträglich in ihren Auswirkungen zu bekämpfen; ferner sind die möglichen Umweltauswirkungen größerer Projekte bei allen Zulassungsentscheidungen so früh wie möglich zu berücksichtigen. Diesem Vorsorgegebot soll durch die Umweltverträglichkeitsprüfung nachgekommen werden. Der Zweck der Richtlinie besteht insbesondere darin, den zuständigen Behörden bei der Zulassung insbesondere von Industrie- und Infrastrukturvorhaben ein Verfahrensinstrument an die Hand zu geben, das es ihnen ermöglicht, sich anhand einheitlicher Vorgaben die für die Abschätzung der Umweltfolgen bestimmter Projekte relevanten Informationen so früh wie möglich zu verschaffen und so durch eine Verbesserung der Umweltbedingungen einen Beitrag zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Lebensqualität zu leisten.132 Ebenso wie die Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-RL)133, die in Erwägungsgrund 9 ausdrücklich darauf hinweist, dass sie „den Verfahrensaspekt betrifft“, versteht sich die UVP-RL als ein Instrument zur Verfahrensgestaltung. In deutsches Recht umgesetzt wurde die Richtlinie durch die Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 25. Juni 2005134, welches zurück geht auf Art. 1 des Gesetzes zur Einführung der Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG135 und Art. 3 des Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau)136, die das UVPG in der Fassung der Bekanntgabe vom 5.9.2001137 131
ABlEG Nr. C 112/1 v. 2.12.1973; ABlEG Nr. C 139/1 v. 13.6.1977; ABlEG Nr. C 46/1 v. 17.2.1983; vgl. auch Christian Calliess, Zur Maßstabsbildung des Vorsorgeprinzips im Recht – Dargestellt am Beispiel der geplanten Reform des Chemikalienrechts durch das Weißbuch der EU-Kommission zur künftigen Chemikalienpolitik, VerwArch 94 (2003), S. 389; Ivo Appel, Europas Sorge um die Vorsorge – Zur Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, NVwZ 2001, S. 395; Hans-Werner Rengeling, Bedeutung und Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips im europäischen Umweltrecht, DVBl 2000, S. 1473. 132 Vgl. zum gemeinschaftsrechtlichen Prinzip der Vorsorge und der Vorbeugung u. a. Rainer Wahl/Ivo Appel, Prävention und Vorsorge. Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Rainer Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge, 1995, S. 1 ff.; Hans-Werner Rengeling, Bedeutung und Anwendung des Vorsorgeprinzips im europäischen Umweltrecht, in: DVBl 2000, 1473 ff.; ders., Umweltrecht und Umweltwissenschaft, in: FS für Eckhard Rehbinder, 2007, S. 143 ff. 133 ABlEG Nr. L 197, S. 30. 134 BGBl I 2005, S. 1757. 135 BGBl I S. 1746. 136 BGBl I S. 1359.
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maßgeblich erweiterten. Seit seiner Neufassung wurde das Gesetz weitere Male geändert, insbesondere zur Umsetzung der Vorgaben aus der AarhusKonvention durch das Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der Richtlinie 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz)138 und zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 11. August 2009139. Mit der Neufassung des UVPG wurde in Deutschland ein langwieriger Gesetzgebungsprozess zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Normen im Bereich des integrativen Umweltschutzes abgeschlossen.140 Es war wie bereits einige Male zuvor nicht gelungen, das deutsche Umweltrecht innerhalb der maßgeblichen Umsetzungsfrist vollständig der SUP-RL141 anzupassen, womit das Umsetzungsgesetz das Schicksal seines Vorgängers aus dem Jahre 2001142 sowie des UVPG in seiner Ursprungsfassung aus dem Jahre 1990143 teilt. Schon damals war eine Umsetzung der Richtlinie 85/337/ EWG innerhalb der dreijährigen Frist nicht gelungen, sondern sie erfolgte erst mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1.8.1990, also mit gut zwei Jahren Verspätung. Begründet in der föderalen Struktur Deutschlands,144 in der bereits vorhandenen Regelungsdichte des deutschen Umweltrechts sowie in der weitreichenden Rechtszersplitterung in diesem Bereich, stellte die Umsetzung der UVP-RL sowohl in ihrer Ursprungsfassung als auch nach Verabschiedung der Änderungsrichtlinie 97/11/EG die deutschen Gesetzgebungsorgane145 vor nicht unbeträchtliche Schwierigkeiten.146 Bei der ursprüng137
BGBl I S. 2350. Gesetz v. 9.12.2006, BGBl I S. 2819; s. dazu Thomas Bunge, in: Storm/ Bunge (Hrsg.), HbUVP, 0090, S. 3 f.; Lothar Knopp, Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz und Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, ZUR 2005, 281 (282 f.). 139 BGBl I 2009, S. 2723. 140 Zur Vorgeschichte: Winfried Erbguth/Mathias Schubert, Das Gesetz zur Einführung einer strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der RL 2001/42/EG (SUPG), ZUR 2005, S. 524 f. 141 RL 2001/42/EG v. 27.6.2001, ABlEG Nr. L 197/30 v. 21.7.2001. 142 Art. 24 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVURichtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27.7.2001 (sog. Artikelgesetz), BGBl I S. 1950. 143 Gesetz v. 12.2.1990, BGBl I S. 205. 144 Zu den Fragen der innerstaatlichen Kompetenzverteilung bei der Umsetzung der UVP-RL vgl. Winfried Erbguth/Alexander Schink, UVPG-Kom, 2. Aufl. 1996, Einl. Rn. 46 ff.; Rene Grandjot, Zur Konzeption eines Kompetenztitels „Recht der Umwelt“, DÖV 2006, 511; Michael Kloepfer, Föderalismusreform und Gesetzgebungskompetenz, ZG 2006, 250. 145 Zur Umsetzung der UVP-RL in den übrigen Staaten der EG vgl. Winfried Erbguth/Alexander Schink, UVPG-Kom, 2. Aufl. 1996, Einl. Rn. 29 ff.; Rainhard 138
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
lichen Umsetzung der RL 85/337/EWG wurden zunächst mehrere Umsetzungskonzeptionen in Betracht gezogen, welche die Entscheidung über das zu wählende Modell erschwerten. Diskutiert wurden (ursprünglich) die Verabschiedung eines umfassenden UVPG, der Erlass eines Stamm- oder Dachgesetzes mit zentralen Regelungen der Grundzüge und flankierenden Änderungen der Fachgesetze, die Aufnahme der UVP in ein vorhandenes Leitgesetz, wie etwa das BNatSchG oder gar das VwVfG sowie schließlich die Änderung und Ergänzung aller betroffenen Fachgesetze.147 Erst im Herbst 1987, als bereits mehr als zwei Jahre seit Beginn der dreijährigen Umsetzungsfrist abgelaufen wahren, entschied der Bundesminister für Umwelt, die Richtlinie durch ein Stammgesetz und einige Änderungen bestehender Vorschriften der Fachgesetze umzusetzen.148 Die Umsetzung der Änderungsrichtlinie 97/11/EG gestaltete sich von Anfang an schwierig, weil zunächst die Absicht bestand, diese Richtlinie gemeinsam mit der IVU-RL im Rahmen des Projekts eines Ersten Buches zum Umweltgesetzbuch (UGB I) in das nationale Recht zu integrieren.149 Dieser Ansatz warf bereits frühzeitig Fragen nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf und wurde verworfen, nachdem im Rahmen der Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung zum Referentenentwurf des UGB I150 die kompetenzrechtlichen Bedenken überwogen151. Das Artikelgesetz zur Änderung Coenen/Juliane Jörissen, Die Umweltverträglichkeitsprüfung in den USA – Analyse US-amerikanischer Erfahrungen und deren Relevanz für die Implementation der UVP-Richtlinie der EG in der Bundesrepublik Deutschland, 1988. 146 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, Vorb. Rn. 34. 147 Zur Umsetzungsdiskussion s. Eberhard Bohne, Optimale Umsetzung der UVP-EG-Richtlinie in deutsches Recht?, ZAU 1990, S. 341; Thomas Bunge, Die Umweltverträglichkeitsprüfung von Projekten: Verfahrensrechtliche Erfordernisse auf der Basis der EG-Richtlinie vom 27. Juni 1985, DVBl 1987, S. 819; Winfried Erbguth, Gemeinschaftsrechtliche Impulse zur Weiterentwicklung des nationalen Verwaltungsrechts – Der integrative Ansatz der Umweltverträglichkeitsprüfung nach EG-Recht, DÖV 1988, S. 481; Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPGKom, 3. Aufl. 2007, Vorb. Rn. 34. 148 Ein Überblick über die Änderungen in Fachgesetzen bei Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, Vorb. Rn. 43. 149 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, Vorb. Rn. 35. 150 Abgedruckt in Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Auf dem Weg zum UGB I, 1999, S. 273 ff; Matthias Schmidt-Preuß, Veränderungen grundlegender Strukturen des deutschen (Umwelt-)Rechts durch das „Umweltgesetzbuch I“, DVBl 1998, S. 857. 151 Hans D. Jarass, Das Umweltgesetzbuch in Deutschland, ZfU 2006, S. 1 (7 f.); Franz-Josef Feldmann, Die Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie in deutsches Recht, DVBl 2001, S. 589 (590); zu dem neuen Anlauf für ein Umweltgesetzbuch s. Michael Bothe, Ein neuer Anlauf für das UGB – Risiken und Chan-
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des UVPG trat schließlich am 3.8.2001 in Kraft.152 Zur Ausführung des UVPG erließ die Bundesregierung gemäß § 20 UVPG allgemeine Verwaltungsvorschriften, kurz UVPVwV153. Die Öffentlichkeitsbeteiligung der UVP-RL ist insgesamt nicht neuartig. Ihrem primären Zweck entsprechend wird allerdings deutlich, dass vorrangig weniger ein vorgelagerter Individualrechtsschutz ist154, als vielmehr eine bessere Absicherung der Entscheidung als solcher, das heißt deren Optimierung und Effektuierung155. So begründete auch die Bundesregierung den Richtlinienentwurf damit, dass der Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben werden soll, „ihre Meinung zu äußern und konstruktiv an der Aktion der Behörde teilzunehmen“.156 Der Bürger wird mithin in einem advokatorischen Sinne als Beteiligter an einer guten Verwaltung verstanden.157 Das UVPG basiert auf maßgeblichen Grundkonzepten [a)], auf denen die einzelnen Schritte des Kooperationsverfahrens aufbauen [b)].
cen der Föderalismusreform, in: Martin Führ/Rainer Wahl/Peter v. Wilmowsky (Hrsg.), Umweltrecht und Umweltwissenschaft, FS E. Rehbinder, 2007, S. 15; Michael Kloepfer, Sinn und Gestalt des kommenden Umweltgesetzbuchs, UPR 2007, S. 161. 152 Kritisch zur Europarechtskonformität der Umsetzung der Änderungsrichtlinie Gisela Günter, Das neue UVPnach dem Artikelgesetz – ist die UVP-Änderungsrichtlinie europarechtskonform umgesetzt, NUR 2002, S. 317. 153 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPVwV), v. 17.5.1995 (GMBl v. 29.9.1995) in Kraft getreten am 30.9.1995. 154 Vgl. Jürgen Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung, 1986, Erl. Art. 6, Rn. 11; Winfried Erbguth/Alexander Schink, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 1992, § 9, Rn. 10; das Gewicht der individualschützenden Funktion ist umstritten, vgl. schon Thomas Bunge Umweltverträglichkeitsprüfung im Verwaltungsverfahren, 1986, S. 27. 155 Jürgen Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 1995, § 9, Rn. 5; Albrecht Weber, Die Umweltverträglichkeitsrichtlinie im deutschen Recht, 1989, S. 198 f. 156 s. Begründung des EG-Richtlinienentwurfs, BR-Drs. 413/80, S. 13 f. 157 So auch Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1998, S. 23.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
a) Die Grundkonzepte des UVPG aa) Vorsorgegrundsatz Der europäischen Richtlinie zufolge hat die UVP die Funktion eines Verfahrensinstruments zur Entscheidungsvorbereitung im Dienste der Vorsorge.158 Das Vorsorgeprinzip als eines der wichtigsten Intentionen der UVP kommt bereits in der Präambel der Richtlinie deutlich zum Ausdruck. Darin heißt es, „. . . dass die beste Umweltpolitik darin besteht, Umweltbelastungen von vornherein zu vermeiden, statt sie erst nachträglich in ihren Auswirkungen zu bekämpfen“. Bei allen technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen müssten demnach die Auswirkungen auf die Umwelt so früh wie möglich berücksichtigt werden. „Zu diesem Zweck wurde die Einführung von Verfahren zur Abschätzung dieser Auswirkungen vorgesehen.“ Bereits in den 1970er Jahren hatten die Gemeinschaftsorgane erkannt, dass Umweltbelange bei der Zulassung von Infrastruktur- oder Industrievorhaben in den Mitgliedstaaten ganz unterschiedliche Berücksichtigung fanden.159 Dementsprechend wollten sie mit der Einführung eines einheitlichen gemeinschaftsweiten Verfahrens erreichen, dass in allen Mitgliedstaaten frühzeitig vor einer Entscheidung über die Zulassung eines umweltrechtlich relevanten Vorhabens nach einheitlichen Vorgaben zunächst Klarheit über die voraussichtlichen Folgen des jeweiligen Projekts für die Umwelt gewonnen wird. Der Vorsorgegrundsatz ist die Basis für den frühzeitigen Ansatz des UVP-Verfahrens, der wiederum entscheidend ist für den Einfluss, den die Verfahrensbeteiligten schließlich auf die behördliche Entscheidung haben. bb) Medienübergreifender Prüfungsansatz Die UVP-RL ist als Instrument vorausschauender Vorsorge geprägt durch ihren medienübergreifenden bzw. integrativen Ansatz.160 Die Prüfung der 158 Jürgen Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) – Ein Beitrag zur Strukturierung der Diskussion – zugleich eine Erläuterung der EG-Richtlinie, 1986, S. 107; Andreas Gallas, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), UVPG-Kom, Bd. 3, Vorb. Rn. 9; Christoph Knill/Daniela Winkler, Konvergenz oder Divergenz nationaler Rechts- und Verwaltungsstrukturen? – Der Effekt der Europäisierung am Beispiel der Umweltverträglichkeitsprüfung in Deutschland und England, VerwArch 98 (2007), S. 1 (5 f.). 159 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, Vorb. Rn. 4. 160 Alexander Schink, Umweltverträglichkeitsprüfung – Verträglichkeitsprüfung – naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NuR 2003, S. 647 (649); Winfried Erbguth,
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Umweltauswirkungen ist demnach nicht länger auf die Betrachtung von Einzelbelastungen der Umweltmedien, wie beispielsweise des Wassers oder der Luft beschränkt, vielmehr fordert die Richtlinie eine Gesamtschau aller Umweltauswirkungen des jeweiligen Vorhabens. Diese Gesamtschau ermöglicht es, die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen einschließlich ihrer ökologischen Wechselwirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Kultur- und Sachgüter in den Blick zu nehmen. Dieser integrative Ansatz fordert somit eine ganzheitliche Betrachtungsweise, mit welcher der Erkenntnis von der Umwelt als einem komplexen Wirkungsgefüge Rechnung getragen wird.161 Der Begriff der Wechselwirkung hat daher zentrale Bedeutung für das UVPG. Die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen hat gemäß § 2 Abs. 1 UVPG nicht nur in Bezug auf die dort genannten Schutzgüter zu erfolgen, sondern auch auf die zwischen ihnen bestehenden Wechselwirkungen. Der Rechtsbegriff der Wechselwirkung erkennt die Betrachtungsweise der Ökologie an, wonach die einzelnen Umweltgüter nicht isoliert nebeneinander, sondern dass Interdependenzen zwischen ihnen bestehen.162 Die Wechselwirkungen beschreiben die Umwelt als System und verdeutlichen so, das diese nicht nur aus der Summe der einzelnen Umweltgüter besteht, sondern eine eigene Größe hat.163 Gegenstand der UVP sind demnach auch die Folgen von einzelnen Belastungen, die sich durch ihr Zusammentreffen addieren (Kumulationseffekte) oder sich gegenseitig verstärken und damit mehr als die Summe ihrer einzelnen Wirkungen erzeugen (synergetische Effekte).164 Auch VerlagerungsEntwicklungslinien im Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung: UVP-RL – UVPÄndRL – UVPG – SUP, UPR 2003, S. 321; Nikolaus Hermann/Thomas Wagner, Grenzen der Summation und Kumulation im Umweltrecht, NuR 2005, S. 20 (22); Werner Hoppe/Martin Beckmann/Petra Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl. 2000, § 8 Rn. 72; Christoph Knill/Daniela Winkler, Konvergenz oder Divergenz nationaler Rechts- und Verwaltungsstrukturen? – Der Effekt der Europäisierung am Beispiel der Umweltverträglichkeitsprüfung in Deutschland und England, VerwArch 98 (2007), S. 1 (4 ff.). 161 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, Vorb. Rn. 5. 162 Wechselwirkung als naturwissenschaftlicher Begriff, s. Wolfgang Appold, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 43 ff. und 47. 163 In diesem Sinne BVerwG Urt. v. 25.1.1996 – 4 C 5/95, BVerwGE 100, 238 (246). 164 Eberhard Schmidt-Aßmann, Umsetzung der UVP-Richtlinie, in: FS für Karl Doehring, 1989, S. 889 (899); Gerald Püchel, Die materiell-rechtlichen Anforderungen der EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Eine Untersuchung der Auswirkungen auf die Zulassung gemäß §§ 4 ff. BImSchG und §§ 17 ff. FStrG, Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 127, 1989, S. 66; a. A. Heinz-Joachim Peters, Die UVP-Richtlinie und die Umsetzung in
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
effekte bzw. Problemverschiebungen von einem Umweltmedium in ein anderes aufgrund von Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahmen werden erfasst.165 Bestehen schon in den Naturwissenschaften Unsicherheiten aufgrund fehlenden Wissens über die komplexen Wirkungszusammenhänge der einzelnen Umweltmedien166, so verwundert es nicht, dass auch die juristisch-dogmatische Durchdringung des genauen Inhalts des medienübergreifenden Ansatzes noch aussteht. Sicher ist, dass der medienübergreifende Ansatz die Basis zur Erfassung des komplexen Wirkungsgefüges ‚Umwelt‘ sein muss. Nur so kann effektiv steuernd eingewirkt werden. Erforderlich zur Bewältigung der Komplexität dieses Ansatzes sind offenen Prozess unter Mitwirkung aller Akteure, da es keine jederzeit abrufbaren allgemeinen und objektiven Methoden geben kann, auf die die Behörde zur Prüfung der Umweltauswirkungen zurückgreifen kann. cc) Verfahrensinstrument Das Verständnis als reines Verfahrensinstrument ist grundlegend für die UVP-RL.167 So kann gemäß Art. 2 Abs. 2 der RL die UVP „im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte [. . .] oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer Verfahren oder der Verfahren, die durchzuführen sind, um den Zielen dieser Richtlinie zu entsprechen“ durchgeführt werden. Materielle Vorgaben, Prüfungsmaßstäbe oder Methoden gibt die Richtlinie hingegen nicht vor.168 Dieses Verständnis ist die Basis für einen offenen, flexiblen Prozess, der eine effektive und kompetente Problemlösung gewährleistet. Die Richtlinie nimmt keinen Einfluss auf die das deutsche Recht. Gesamthafter Ansatz und Bewertung der Umweltauswirkungen, S. 24, 44; Erich Gassner, UVPG-Kom, 2006, § 2 Rn. 44, die solche Effekte dem Begriff der (mittelbaren) Auswirkungen zuordnen. 165 Werner Hoppe/Gerald Püchel, Zur Anwendung der Art. 3 und 8 EG-Richtlinie zur UVP bei der Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, DVBl 1988, S. 1 (5); Eberhard Bohne, in: Peter J. Tettinger (Hrsg.), Umweltverträglichkeitsprüfung bei Projekten des Bergbaus und der Enegiewirtschaft, 1989, S. 13 (45); a. A. Heinz-Joachim Peters, Die UVP-Richtlinie und die Umsetzung in das deutsche Recht. Gesamthafter Ansatz und Bewertung der Umweltauswirkungen, S. 24, 44; Erich Gassner, UVPG-Kom, 2006, § 2 Rn. 44. 166 s. zu dem naturwissenschaftlichen Begriff Wolfgang Appold, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 43 ff. 167 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, Vorb. Rn. 7. 168 BVerwG v. 10.10.2006 – B 9 27.05 –, UPR 2007, S. 33 (34); v. 16.11.1998 – 6 B 110/98 –, NuR 1999, S. 507 ff.; v. 10.4.1997 – 4 C 5/96 –, NVwZ 1998, S. 508 ff.; v. 21.3.1996 – 4 C 19/94 –; BVerwGE 100, 370 (376) OVG Lüneburg Beschl. V. 13.12.2006 – 7 ME 271/04 – ZUR 2007, S. 207 (208); a. A. Andreas Gallas, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), UVPG-Kom, Bd. 3, Vorb. Rn. 10.
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materiellen Zulassungsvoraussetzungen des jeweilig anwendbaren innerstaatlichen Rechts und beantwortet insbesondere nicht die Frage, wann ein bestimmtes Projekt umweltverträglich oder -unverträglich ist. Sie verlangt auch nicht, dass ein Projekt nach Maßgabe bestimmter Standards umweltverträglich zu sein hat, um zugelassen werden zu können. Vielmehr gibt die UVP-RL lediglich vor, in welchen Schritten ein bestimmtes Verfahrensprogramm zur Prüfung von Umweltauswirkungen eines Projekts vor seiner Zulassung zu absolvieren ist. Damit liegt der Richtlinie die Vorstellung zugrunde, dass umfassende und in einem frühzeitigen Verfahrensstadium aufgrund eines verselbstständigten Prüfungsprogramms gewonnene Erkenntnisse von den möglichen Umweltfolgen eines Vorhabens durchaus eine angemessene Berücksichtigung der Umweltbelange im Rahmen der abschließenden Entscheidung über die Zulassung eines umweltgefährdenden Vorhabens sicherstellen können.169 Demzufolge setzt die Gemeinschaft letztlich auf die Effekte einer verstärkten Transparenz, namentlich auf das eigene Gewicht und das Durchsetzungsvermögen von Umweltbelangen, wenn sie nur erst einmal hinreichend gründlich und für alle Beteiligten sichtbar ermittelt worden sind.170 In Anknüpfung an Art. 2 Abs. 2 der UVP-RL regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG, dass es sich bei der UVP um einen unselbstständigen Teil der vorhandenen verwaltungsbehördlichen Verfahren handelt.171 Nach diesem Konzept wird die UVP in die bereits bestehenden fachgesetzlichen Verfahren integriert und auf die Einführung zusätzlicher bürokratischer Verfahren sowie die Schaffung neuer Behörden verzichtet.172 Der allgemeine Ablauf der umweltrechtlichen Verfahren sowie die Behördenzuständigkeit richten sich daher grundsätzlich nach den einschlägigen fachgesetzlichen Regelungen.173
169 Matthias Schmidt-Preuß, Der Verfahrensrechtliche Charakter der Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBl 1995, S. 485 (492). 170 s. zur Informations- und Erkenntnisfunktion der UVP Winfried Erbguth/Alexander Schink, UVP-Kom, 2. Aufl. 1996, Einl. Rn. 7 f. 171 Begr. RegEntw. UVPG 1990, BT-Drs 11/3919, S. 20; dazu BVerwG Urt. v. 19.5.1998 – 4 C 11/96 –, NVwZ 1999, S. 528 (531); vgl. auch Albrecht Weber/Ulrich Hellmann, Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Gesetz), NJW 1990, S. 1625 (1627). 172 Dazu Begr. RegEntw. UVPG 1990, BT-Drs 11/3919, S. 15; vgl. Rolf Dohle, Anwendungsprobleme eines Gesetzes zur Umweltverträglichekeitsprüfung, NVwZ 1989, S. 697 (698); Winfried Erbguth/Alexander Schink, UVPG-Kom, § 2 Rn. 2; Hans D. Jarass, Grundstrukturen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NuR 1991, S. 201 (202). 173 I.d.S. bereits Eberhard Bohne, Die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben, ZfB 1989, S. 93 (99).
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
dd) Kooperationsinstrument Die Eigenschaft als Kooperationsinstrument ist ausdrücklich in der UVP-RL angelegt. Die UVP soll die Informationslage der Beteiligten sowie die Akzeptanz für das am Ende gegebenenfalls zugelassene Vorhaben verbessern.174 Die UVP lebt von der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden, dem Projektträger und der Öffentlichkeit. Ziel dieser Zusammenarbeit ist eine möglichst vollständige Informationsgrundlage über die wichtigsten Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt, um so eine umfassende Gesamtschau dieser Auswirkungen für die anschließende Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zu ermöglichen. b) Die einzelnen Verfahrensschritte Die einzelnen Verfahrensschritte der UVP zeigen beispielhaft, wie mehrere Akteure – staatlich oder privat – an einer Entscheidungsfindung mitwirken, um so eine objektive und rationale Lösung komplexer, teils grenzüberschreitender Sachverhalte zu gewährleisten. Die einzelnen Akteure leisten so ihren Beitrag zur kooperativen Steuerung gesellschaftlichen Verhaltens. Das UVP-Verfahren stellt eine offene Normprogrammierung dar, die dazu dient, der behördlichen Entscheidung Substanz erst im Verfahren zuzuführen. Die Verwaltung wird so in die Lage versetzt, rational und flexibel auf den jeweiligen Einzelfall zu reagieren und ihre Entscheidung auf einer breiten Wissensbasis zu treffen. Die erforderliche Mitwirkung aller Akteure wird durch die Kooperationsstrukturen gewährleistet, die das UVP-Verfahren in jedem seiner Schritte bereitstellt. Dies betrifft nicht nur die Kooperation zwischen der Behörde und privaten Akteuren, sondern ebenso die Kooperation von Behörden untereinander innerhalb staatlicher Grenzen und grenzüberschreitend. Die kooperative Mitwirkung privater Akteure trägt zu einer Überwindung des Subordinationsverhältnisses bei und gewährleistet auf diese Weise eine breitere Akzeptanz der abschließenden behördlichen Entscheidung. Denn wer eigenverantwortlich an der Entscheidungsfindung teilhat, kann diese viel eher auch als seine eigene ansehen und Kompromisse akzeptieren. Die abschließend gefundene behördliche Entscheidung dient dem allgemeinen Interesse an einer gesunden Umwelt und damit dem Gemeinwohl. Für diese Zielerreichung werden im UVP-Verfahren Partikularinteressen nutzbar gemacht.
174 Diese Zielsetzung wurde durch die RL 2003/35/EG nochmals betont, s. Erwägungsrund 3; Alfred Scheidler, Umweltsonderrecht für Vorhaben der Landesverteidigung, NuR 2005, S. 8 (10).
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aa) Die Feststellung der UVP-Pflicht durch die Behörde Bereits die Feststellung der UVP-Pflicht fordert eine eigenverantwortliche Mitwirkung des Vorhabenträgers. Im Mittelpunkt der behördlichen Prüfung stehen die vom Vorhabenträger gemachten Angaben zum Projekt, ohne die die Behörde nicht in der Lage ist, eine umfassende Beurteilung zu treffen. Zwar statuiert das UVPG wohl keine Mitwirkungspflicht des Vorhabenträgers,175 in der Praxis wird dieser jedoch vielfach ein Eigeninteresse an der Materialbeschaffung haben, um Bewertungsunsicherheiten zu verhindern und möglichst frühzeitig Klarheit über die Zulassungsvoraussetzungen seines Vorhabens zu erlangen.176 Über detaillierte Informationen eines Vorhabens wird in der Regel nur der Träger des Vorhabens verfügen; er muss sein Vorhaben so präzise beschreiben, dass eine Subsumtion unter die Tatbestände des UVPG möglich ist. Bereits bei diesem ersten Verfahrensschritt steht die Eigenleistung des Vorhabenträgers im Mittelpunkt. Er wird in seinem Interesse der Behörde möglichst umfassende Informationen über sein Projekt zur Verfügung stellen. Sein Eigeninteresse liegt in einer effizienten Projektplanung. Der Kooperationsgedanke der UVP tritt deutlich hervor: Behörde und Vorhabenträger stehen in Abhängigkeit zueinander und jeder Teil erfüllt seine Aufgabe auch in Erfüllung eines (eigenen) Interesses. bb) Die Unterrichtung des Vorhabenträgers über die beizubringenden Unterlagen (Scoping) Wurde eine UVP-Pflicht festgestellt, erfolgt gemäß § 5 UVPG die Unterrichtung des Vorhabenträgers über die nach § 6 UVPG beizubringenden Unterlagen. Der Träger eines Vorhabens kann die zuständige Behörde um eine derartige Unterrichtung ersuchen oder aber die Behörde unterrichtet diesen von sich aus, sofern sie dies für erforderlich hält. Vor der Unterrichtung gibt die zuständige Behörde dem Vorhabenträger sowie den nach § 7 UVPG zu beteiligenden Behörden Gelegenheit zu einer Besprechung über den Inhalt und Umfang der Unterlagen. Diese Besprechung soll sich auf Gegenstand, Umfang und Methode der UVP sowie sonstige dafür erhebliche Fragen erstrecken; Dritte und Sachverständige können hinzugezogen werden. Schließlich sollen die zuständigen bzw. beteiligten Behörden dem Vorhabenträger die ihnen zur Verfügung stehenden zweckdienlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. 175
Christoph Sangenstedt, Umweltrecht, in: Landmann/Rohmann (Hrsg.), Bd. III, UVPG, § 3a Rn. 11. 176 Vgl. Karsten Dienes, in: Wernder Hoppe, UVPG, 3. Aufl. 2007, § 3a Rn. 11, 12.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Die Unterrichtung ist ein dem eigentlichen Zulassungsverfahren vorangestelltes, normativ nur geringfügig ausgeformtes Instrument zur frühzeitigen Abstimmung der Unterlagenbeibringungspflicht des Vorhabenträgers aus § 6 UVPG. Es entspricht seit jeher gängiger Praxis, in umfangreichen Zulassungsverfahren ‚Vorbesprechungen‘, ‚Vorverhandlungen‘, ‚projektbegleitende Gespräche‘ voranzustellen, um einzelne Fragen auch schon klären zu können, bevor mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand die für die förmliche Antragstellung erforderlichen Detailplanungen erstellt wurden.177 § 5 UVPG erkennt dieses in der Praxis auftretende Bedürfnis an und normiert es durch ein – wenn auch grobmaschiges – Reglement über Inhalt und Ablauf des Dialogs zwischen Vorhabenträger und zuständiger Behörde.178 Es kann von einem ‚formalisierten Vorverfahren‘179 gesprochen werden. Durch das Vorgespräch soll die Reichweite (engl. scope) der für ein individuelles Vorhaben voraussichtlich erforderlichen Untersuchungen festgelegt werden. Es ist auf die behördliche Verpflichtung fokussiert, den Vorhabenträger über die voraussichtlich beizubringenden Unterlagen und damit über das für das Untersuchungsprogramm relevante Material zu unterrichten.180 § 5 UVPG kann als gesetzliche Normierung des Kooperationsprinzips im Umweltrecht verstanden werden: Inhalt und Umfang der durch den Träger eines Vorhabens nach § 6 UVPG beizubringenden Unterlagen sowie Gegenstand, Umfang und Methoden der UVP werden im Dialog zwischen Behörde und Vorhabenträger näher bestimmt. Dabei handelt es sich nicht um ein gleichrangiges Kooperationsverhältnis, in dem über besagte Merkmale ‚verhandelt‘ wird. Vielmehr dient das Scoping mit abschließender Unterrichtung als Hilfestellung für den Vorhabenträger, es soll ihm zu einer realistischen Einschätzung über den bestehenden Untersuchungsbedarf verhelfen.181 Es handelt sich insoweit um eine spezialgesetzliche Regelung der nach allgemeinem Verwaltungsrecht gemäß § 25 VwVfG bestehenden Auskunfts- und Beratungspflicht.182 Die Art der Unterrichtung sowie die Möglichkeit einer Besprechung auch mit Sachverständigen und Dritten nach § 5 UVPG ist geeignet, potenziellen Konfliktstoff frühzeitig auszuräumen, die Befassung mit unerheblichen und überflüssigen Angaben zu vermeiden und das Verfahren von Beginn an so zu strukturieren, dass die für die Durchfüh177 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 5 Rn. 1. 178 Ebd. 179 Rudolf Steinberg, Bemerkungen zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBl 1988, S. 995 (1000). 180 VG Aachen v. 11.5.2004 – 7 k 689/00 –, NuR 2005, 123 (124). 181 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVP-Kom, 3. Aufl. 2007, § 5 Rn. 3. 182 Ebd.
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rung der UVP erforderlichen Informationen im späteren Verfahren zügig abgearbeitet werden können.183 Das Scoping kann also einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sowie der Akzeptanz der UVP durch den Vorhabenträger dienen. Auf der anderen Seite kommt eine derartige Verifizierung von Tatbestandsmerkmalen im Wege der Kooperation in eben solchem Maße der Behörde zugute: Sie kann flexibel auf Umstände des Einzelfalls reagieren und so beispielsweise durch entsprechende Kanalisierung von Informationen effektiver arbeiten. Zudem kann sie in jedem Einzelfall wichtige Informationen durch den Vorhabenträger erlangen, die sie zu lernfähigem Arbeiten auch für zukünftige Sachverhalte befähigen und so ebenfalls zu einer effektiveren Arbeitsweise führen. Auf Seiten des Vorhabensträgers ist das Scoping freiwillig. Ersucht er die Behörde nicht um eine Unterrichtung nach § 5 Satz 1 UVPG, so kann die Behörde, wenn sie es für erforderlich hält, eine Unterrichtung einleiten. Eine Unterrichtung kann die Behörde auch für den Fall nutzen, in dem der Träger eines Vorhabens, ohne von den Möglichkeiten nach § 5 UVPG Gebrauch gemacht zu haben, Unterlagen einreicht, die nicht den Anforderungen des § 6 UVPG genügen. Auf diese Weise kann die Behörde in jedem Fall gewährleisten, dass der Umfang der Untersuchung in Übereinstimmung mit dem Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 24 VwVfG von ihr selbst bestimmt wird.184 Eine gute Vorabstimmung und die damit verbundene differenzierte Auseinandersetzung mit der vorliegenden Umweltsituation zielt auf qualitativ hochwertige Unterlagen gemäß § 6 UVPG, die wiederum von maßgeblicher Bedeutung für die nächsten Verfahrensstationen sind.185 Bereits das Scoping ist also von Bedeutung für das nachfolgende Verfahren und trägt zur Schaffung einer umfassenden Wissensbasis der UVP bei. Die freiwillige Basis des Scoping auf Seiten des Vorhabenträgers fördert den Kooperationsgedanken: Vorhabenträger und Behörde arbeiten gemeinsam an einer möglichst rationalen Entscheidungsfindung. Der Vorhabenträger wird vornehmlich aus 183
Ebd. So auch ebd. Rn. 4. 185 Abschlussbericht zum Vorhaben Evaluation des UVPG des Bundes: Auswirkungen des UVPG auf den Vollzug des Umweltrechts und die Durchführung von Zulassungsverfahren für Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen, durchgeführt von der Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse in Kooperation mit dem Fachgebiet Politik und Recht räumlicher Entwicklung im europäischen Kontext, Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung, Universität Kassel und gefördert im Rahmen des Umweltforschungsplans aus Bundesmitteln durch das Umweltbundesamt, August 2008, abrufbar unter www.bmu.de, S. 61. Im Folgenden zit. als: Evaluation des UVPG des Bundes. 184
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
dem Interesse an einer effizienten Projektplanung heraus handeln. Im Ergebnis dient die Entscheidung jedoch dem allgemeinen Interesse an einer gesunden Umwelt. cc) Die Beibringungspflicht der entscheidungserheblichen Unterlagen Der Vorhabenträger hat gemäß § 6 UVPG der zuständigen Behörde die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens vorzulegen. Inhalt und Umfang der Unterlagen bestimmen sich grundsätzlich nach den Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens maßgebend sind, es sei denn diese entsprechen nicht den Vorgaben des UVPG. Insbesondere die Pflicht, Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung von Umweltbelastungen (§ 6 Abs. 3 Nr. 2 UVPG) sowie anderweitige Lösungsmöglichkeiten (§ 6 Abs. 3 Nr. 5 UVPG) zu prüfen, fordert von dem Vorhabenträger eine unternehmerische Projektplanung über die üblichen Aspekte der Realisierbarkeit und Rentabilität hinaus. § 6 UVPG bringt das umweltrechtliche Verursacherprinzip zum Ausdruck: Derjenige, der ein umweltrelevantes Vorhaben verwirklichen will, hat die Informationen zu liefern, die notwendig sind, um die Umweltverträglichkeit prüfen zu können. Die Regelungen des § 6 UVPG haben erhebliche Bedeutung für die Durchführung einer UVP sowie für Verlauf und Ausgang des Zulassungsverfahrens überhaupt.186 Denn die Auslegung und Anwendung seines Inhalts sind nicht nur entscheidend für den UVP-bedingten Zeit- und Finanzbedarf des Vorhabenträgers, sondern auch für die Qualität des Materials, auf dessen Grundlage die Umweltverträglichkeit eines Vorhabens geprüft wird. Der Vorhabenträger trägt damit die Verantwortung für die Beschaffenheit und Vollständigkeit des entscheidungserheblichen Tatsachenstoffs. Allerdings erfordert das Amtsermittlungsprinzip des § 24 VwVfG, dass die Durchführung der UVP auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen und anderer Erkenntnisquellen in der Hand der zuständigen Behörde verbleibt und nicht einem Verfahrensbeteiligten übertragen wird.187 Aus diesem Grund ist es insbesondere nicht Sache des Vorhabenträgers, im Einzellfall die Ermittlungsbreite und -tiefe zu bestimmen, was auch schon in der behördlichen Unterrichtung nach § 5 Satz 1 UVPG deutlich wird. In dieser Konzeption kommt eine aufgrund Europarechts (insb. Art. 5 UVP-RL) vorgenommene Verschiebung in der Rollenverteilung zwischen 186
So auch Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 6 Rn. 2. 187 Zum Verhältnis von Amtsermittlungspflicht und Mitwirkungspflicht s. Lars Rößing, Denkmalschutz und Umweltverträglichkeitsprüfung, 2004, S. 180 ff.
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dem Vorhabenträger und der Behörde zum Ausdruck, die sich in der dialektischen Sachverhaltsermittlung durch Vorhabenträger und Behörde zeigt: In der ersten Phase trägt der Vorhabenträger die hauptsächliche Verantwortung für die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen, die das Gerüst der UVP bilden. Erst in der Folge kommt die Ermittlungstätigkeit der Behörde zum Zuge; sie hat die vorgelegten Unterlagen unter Einbeziehung der Ergebnisse der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung zu prüfen, zu vervollständigen und gegebenenfalls zu korrigieren.188 Der weitere Verfahrensverlauf baut also auf die vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen auf. Der Umfang der Ermittlungspflichten des Trägers eines Vorhabens geht demnach über die bis dahin in deutschen Genehmigungs- und Planungsverfahren normierten Vorlagepflichten hinaus. Hinsichtlich der Umweltbelange kommt dem Vorhabenträger so die Ermittlung des gesamten entscheidungserheblichen Sachverhalts zu. Hieraus ergibt sich ein Wandel der behördlichen Ermittlungstätigkeit: Dadurch, dass der Private nicht mehr lediglich als untergeordneter Ermittlungshelfer einbezogen wird, ist die Ermittlung nicht mehr alleinige Behördenpflicht, sondern vielmehr nachvollziehende Amtsermittlung.189 Auf Seiten des Vorhabenträgers führt die Beibringungspflicht der entscheidungserheblichen Unterlagen zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit den von seinem Vorhaben ausgehenden Umweltbelastungen. Durch den Faktor Umwelt treten für ihn neue Gesichtspunkte zu den Erwägungen über die Rentabilität seines Vorhabens hinzu. Die entscheidungserheblichen Unterlagen sind so rechtzeitig vorzulegen, dass sie mit den übrigen Unterlagen des Zulassungsverfahrens ausgelegt werden können (§ 6 Abs. 1 Satz 2 UVPG). Daraus folgt, dass die zuständige Behörde die Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 9 UVPG bis zur vollständigen Vorlage der entscheidungserheblichen Unterlagen zu verweigern hat.190 So ist sichergestellt, dass die Öffentlichkeit sich gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG frühzeitig ein umfassendes Bild über die Umweltauswirkungen eines Vorhabens machen und jedermann insoweit Einwendungen erheben kann. Die Behörde erfüllt auf diese Weise ihre Informationspflicht aus § 9 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 UVPG. Allerdings sind Mängel der ausgelegten Antragsunterlagen deshalb nicht ausgeschlossen.191 Sie können im weiteren 188 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I, § 18, Rn. 43. 189 Eingehend dazu Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1991, S. 126 ff. und insb. 133 ff. 190 So auch Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 6 Rn. 12.
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Verfahren durch ergänzende Unterlagen ausgeglichen werden.192 Denn Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung dienen gerade dazu, Aufschluss über nicht erkannte Umweltauswirkungen und Möglichkeiten ihrer Vermeidung sowie Anstöße für weiteren Untersuchungsbedarf zu erlangen.193 Hier zeigt sich die eigenständige Bedeutung des Verfahrens. Es erfüllt die Funktion, der abschließenden Entscheidung der Behörde Substanz zuzuführen. Die Verwaltung wird in die Lage versetzt, ihren Beurteilungsspielraum auf der Grundlage einer breiten Wissensbasis auszuüben. Auf diese Weise ist eine rationale und flexible Entscheidungsfindung der Verwaltung gewährleistet. dd) Die Beteiligung anderer Behörden Das Kooperationsverhältnis betrifft nicht nur die Beziehung von Behörde und privaten Akteuren, sondern ebenso das Verhältnis von Behörden untereinander. Die Unterlagen nach § 6 UVPG sind gemäß § 7 UVPG durch die zuständige Behörde anderen Behörden zu übermitteln, deren umweltbezogener Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt ist. Ihre Stellungnahmen sind einzuholen. Auch die Beteiligung anderer Behörden ist Bestandteil des in § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG vorgeschriebenen ‚Ermittelns‘ der Umweltauswirkungen eines Vorhabens.194 Sie soll dazu beitragen, dass die Bewertung der Umweltverträglichkeit eines Vorhabens auf einer umfassenden Informationsgrundlage erfolgt. Die Stellungnahmen der beteiligten Behörden werden Bestandteil der zusammenfassenden Darstellung nach § 11 UVPG und gehen in die Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens nach § 12 UVPG durch die zuständige Behörde ein.195 ee) Die Beteiligung der Öffentlichkeit Die umfassende Verpflichtung zur Beteiligung der Öffentlichkeit im Vorfeld einer Entscheidung bei allen Planungs- und Zulassungsverfahren mit Auswirkungen auf die Umwelt war bereits ein maßgeblicher Pfeiler des all191 So die Rechtsprechung s. BVerwG v. 8.6.1995 – 4 C 4.94 –, BVerwGE 98, 339 (358 f.); v. 19.5.1998 – 4 C 11.96 –, NVwZ 1999, 528 (531); v. 24.11.2004 – 9 A 42/03 – juris Rn. 26 f. 192 Ebd. 193 So auch Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 6 Rn. 12. 194 Vgl. Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 7 Rn. 3. 195 Vgl. ebd., § 7 Rn. 3.
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gemeinen europäischen Konzepts der informierten Öffentlichkeit. In der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie 2003/35/EG heißt es insoweit: „Eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit bei Entscheidungen ermöglicht es einerseits der Öffentlichkeit, Meinungen und Bedenken zu äußern, die für diese Entscheidung von Belang sein können, und ermöglicht es andererseits auch den Entscheidungsträgern, diese Meinungen und Bedenken zu berücksichtigen; dadurch wird der Entscheidungsprozess nachvollziehbarer und transparenter, und in der Öffentlichkeit wächst das Bewusstsein für Umweltbelange sowie die Unterstützung für die getroffene Entscheidung.“196 Bedeutende Pfeiler des Konzepts sind die Einbeziehung von Umweltschutzverbänden in die Öffentlichkeitsbeteiligung sowie die Rechtsschutzmöglichkeiten im Rahmen UVP-pflichtiger Vorhaben. Für ein Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit ist eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung schlechthin konstituierend. Es bedarf aktiver Bürger, die ihr Wissen der Behörde zur Verfügung stellen, ihre Wertungen und Meinungen einbringen und durch ihre Mitwirkung zu einer breiten Akzeptanz der behördlichen Entscheidung beitragen. Die UVP zeigt auf, wie eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung in einem differenzierten Verfahren zu verwirklichen ist. Gemäß § 9 UVPG soll die Beteiligung der Öffentlichkeit dazu beitragen, die mutmaßlichen Umweltauswirkungen eines Vorhabens so früh und umfassend wie möglich zu erfassen.197 Sie ist, neben der Unterrichtung über die voraussichtlich beizubringenden Unterlagen gemäß § 5 UVPG, der Vorlage der entscheidungserheblichen Unterlagen gemäß § 6 UVPG und der Beteiligung der von dem Vorhaben berührten Behörden gemäß §§ 7 und 8 UVPG, wesentlicher Bestandteil des Verfahrensschrittes der ‚Ermittlung‘ der Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt.198 Die mündlichen und schriftlichen Äußerungen aus der Öffentlichkeit gehen als Informationen in den Prüfungsprozess ein.199 Damit liefert sie der Verwaltung eine wichtige Informationsgrundlage für ihre Entscheidung. Ganz wesentlich trägt die Öffentlichkeitsbeteiligung zudem dazu bei, die Akzeptanz eines Vorhabens bei den Bürgern zu erhöhen und damit Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.200 196
3. Erwägungsgrund der RL 2003/35/EG. Vgl. Thomas Bunge, Die Umweltverträglichkeitsprüfung im Verwaltungsverfahren. Zur Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften vom 27. Juni 1985 (85/337/EWG) in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 27; Albrecht Weber, Zur Umsetzung der Umweltverträglichkeitsrichtlinie im deutschen Recht, UPR 1988, S. 206 (211). 198 Vgl. Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 6. 199 Vgl. ebd. 200 Albrecht Weber, Zur Umsetzung der Umweltverträglichkeitsrichtlinie im deutschen Recht, UPR 1988, S. 206 (211); Jürgen Cupei, DVBl 1985, S. 813 (818); vgl. auch Susanne Wickrath, Bürgerbeteiligung im Recht der Raumordnung und 197
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Mit § 9 UVPG in der geltenden Fassung wurde durch das Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz von 2006201 die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie 2003/35/EG in deutsches Recht umgesetzt, die wiederum die Vorgaben der Aarhus-Konvention europarechtlich umsetzt. Die Stellung der Öffentlichkeitsbeteiligung wurde damit erheblich gestärkt. § 9 UVPG wurde weiterentwickelt, und der Mindeststandard der Öffentlichkeitsbeteiligung für alle UVP-pflichtigen Vorhaben wurde deutlich erhöht. Neu eingefügt wurden insbesondere die Abs. 1a und 1b, durch die den deutschen Behörden zusätzliche Mindestinhalte für die öffentliche Bekanntmachung und die sich anschließende öffentliche Auslegung vorgegeben werden, um so eine einheitliche Qualität der Öffentlichkeitsbeteiligung zu gewährleisten. Das Beteiligungsverfahren nach § 9 UVPG muss den Anforderungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4–7 VwVfG entsprechen. Es gliedert sich in seiner zeitlichen Abfolge in die Abschnitte der Bekanntmachung der Auslegung (§ 73 Abs. 5 VwVfG), der Auslegung selber (§ 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG), der Gelegenheit zur Äußerung durch die in ihren Belangen berührten (§ 73 Abs. 4 VwVfG) sowie der Bekanntmachung des Erörterungstermins und der mündlichen Erörterung der Einwendungen (§ 73 Abs. 6 Satz 2 bis 6 und Abs. 7 sowie Abs. 6 Satz 1 VwVfG). Der im VwVfG verwendete Begriff der ‚Anhörung‘ verlangt, anders als der von der UVP-RL verwendete Begriff der Anhörung, eine mündliche Erörterung.202 § 9 UVPG ergänzt das mündliche Anhörungsverfahren des VwVfG zum einen durch die Vorgabe eines Mindestgehalts der bekanntzumachenden Unterlagen in Abs. 1a und zum anderen in Abs. 1b durch die Vorgabe, welche Unterlagen im Anschluss daran auszulegen sind. Auf diese Weise erhält das UVP-pflichtige Zulassungsverfahren seine konstitutive, das Verfahren nach VwVfG erweiternde Wirkung. Die Verfahrensabschnitte der mündlichen Anhörung der Öffentlichkeit nach § 9 Abs. 1 bis 1b UVPG i. V. m. 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 bis 7 VwVfG können ihrerseits wiederum durch fachgesetzliche Vorschriften konkretisiert und auch um besondere Rechtsfolgen ergänzt werden (bspw. Präklusion), etwa zu dem Zweck der Beschleunigung des komplexen Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung203. Fachgesetzlich zulässig ist auch die Möglichkeit des Verzichts auf einen Erörterungstermin, der europarechtlich nicht vorgeschrieben ist.204 Landesplanung. Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 141, 1992, S. 12, die zwischen Emanzipations-, Rechtsschutz-, Integrations-, Legitimations- und Rationalisierungsfunktion unterscheidet. 201 Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz v. 9.12.2006, BGBl I S. 2819. 202 s. zur Definition der ‚Anhörung‘ nach Art. 6 Abs. 5 UVP-RL Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 1. 203 Zur Verfahrensbeschleunigung Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 56 ff.
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Das UVPG unterscheidet gemäß den internationalen Vorschriften, insbesondere aus der Aarhus-Konvention205, zwischen der ‚Öffentlichkeit‘ und der ‚betroffenen Öffentlichkeit‘. Gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 UVPG handelt es sich bei der Öffentlichkeit um einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie deren Vereinigungen. Unter betroffener Öffentlichkeit sind gemäß § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG diejenigen Personen zu verstehen, deren Belange durch eine Entscheidung berührt werden.206 Hierzu gehören auch Vereinigungen, deren satzungsmäßiger Aufgabenbereich durch eine Entscheidung berührt wird, darunter auch Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes. Die Definition der betroffenen Öffentlichkeit knüpft dabei an den Begriff der ‚berührten Belange‘ aus § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG an. Der Begriff der ‚Belange‘ erfordert keine unmittelbare Betroffenheit in einer subjektiven Rechtsposition,207 vielmehr umfasst er alle öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich begründeten eigenen Rechte sowie wirtschaftliche, ökologische, soziale, kulturelle, ideelle oder sonstige nicht unredlich erworbene und deshalb anerkennenswerte eigene Interessen.208 Die Wahrnehmung von Interessen allein zum Schutz der Allgemeinheit oder des Gemeinwohls stellen demgegenüber keinen Belang dar.209 Die so definierten Belange sind berührt, wenn eine Betroffenheit zumindest möglich erscheint.210 Die Betroffenheit muss nach Lage der Dinge, d.h. konkret möglich sein.211 Die Bekanntmachung sowie die Einsicht der ausgelegten Unterlagen stehen der Öffentlichkeit insgesamt zu, demgegenüber ist die Gelegenheit zur 204 Die Möglichkeit des Verzichts auf einen Erörterungstermin bei Planfeststellungsverfahren für besondere Infrastrukturvorhaben gibt es in Deutschland seit Ende 2006, durch Inkrafttreten des Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, dazu näher Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 59 ff.; allgemein zur Beschleunigungsgesetzgebung in diesem Zusammenhang s. ebd. Rn. 56 ff. 205 Art. 2 lit. d und Art. 6 SUP-RL, Art. 1 Abs. 2 der durch die RL 2003/35/EG geänderten UVP-RL in Umsetzung von Art. 1 Ziff. X der Espoo-Konvention (ECEÜbereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Zusammenhang vom 25.2.1991, vgl. BR-Drs 1089/01 v. 21.12.2001) sowie Art. 2 Abs. 4 und 5 Aarhus-Konvention. 206 Zum sog. ‚trichterförmigen‘ Modell der Beteiligung nach der UVP-RL s. Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 10. 207 Hansjochen Dürr, in: Knack (Hrsg.), VwVfG-Kom, 8. Aufl. 2004, § 73 Rn. 13. 208 Ebd.; Wolfgang Appold, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 112. 209 BT-Drs 15/3441, S. 24; vgl. auch Heinz-Joachim Peters/Stephan Balla, UVPG-Kom, 3. Aufl. 2006, § 2 Rn. 65. 210 BT-Drs 15/3441, S. 24. 211 Wolfgang Appold, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 112.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Äußerung allein der betroffenen Öffentlichkeit zu gewährleisten. Die Gelegenheit zur Äußerung dient zum einen der betroffenen Öffentlichkeit dazu, ihre möglicherweise durch das Vorhaben verletzten Rechte geltend und auf eine etwaige weitere Betroffenheit aufmerksam zu machen. Zum anderen vervollständigen die Äußerungen der betroffenen Öffentlichkeit den von der zuständigen Behörde ihrer Entscheidung zugrunde zu legenden Informationsbestand, womit sie zur Vervollständigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beitragen. Auch der Erörterungstermin, der nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz den Abschluss und zugleich den Kern des Anhörungsverfahrens bildet, steht allein der betroffenen Öffentlichkeit zu. Gemäß § 73 Abs. 6 Satz 1 VwVfG hat die Anhörungsbehörde nach Ablauf der Einwendungsfrist die Einwendungen mit den Beteiligten zu erörtern. Der Kreis der am Erörterungstermin Teilnahmeberechtigten bestimmt sich nach § 73 Abs. 6 Satz 1 und Satz 6 i. V. m. § 68 Abs. 1 VwVfG und umfasst den Träger des Vorhabens, die Behörden, die Stellungnahmen abgegeben haben sowie die durch das Vorhaben Betroffenen unabhängig davon, ob sie Einwendungen erhoben haben oder nicht. Des Weiteren sind teilnahmeberechtigt die entscheidende Behörde (sofern sie nicht bereits zugleich die Anhörungsbehörde ist), die Aufsichtsbehörde sowie gegebenenfalls andere Personen, sofern der Verhandlungsleiter dies gestattet und kein Beteiligter widerspricht.212 Der Ablauf der Verhandlungen richtet sich nach § 68 VwVfG, kennzeichnend ist die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung213. Das Ziel der Erörterung ist die Ausräumung der fristgerecht erhobenen Einwendungen. Im Idealfall geschieht das durch Überzeugung der Betroffenen von der Unschädlichkeit bzw. insbesondere der Umweltverträglichkeit des Vorhabens, ansonsten durch Verhandlung, durch Ankündigungen von Auflagen und Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen seitens der Entscheidungsbehörde, schließlich durch die Ankündigung zu einer umweltverträglicheren Gestaltung des Vorhabens oder auch durch besondere vertragliche Vereinbarungen zwischen Vorhabenträger und Betroffenen zur Ausräumung von Einwendungen und Kompensation von Nachteilen.214 Die Zuständigkeit für den Erlass derartiger Maßnahmen liegt regelmäßig nicht bei der Anhörungsbehörde, sondern bei der Ent212 Vgl. § 68 Abs. 1 VwVfG; zur Möglichkeit der Teilnahme von persönlich nicht betroffenen Pressevertretern s. Bernhard Stüer/Willi E. Probstfeld, Anhörungsverfahren bei straßenrechtlichen Großvorhaben, DÖV 2000, S. 701(706); zum Verhandlungleiter, Hansjochen Dürr, in: Knack (Hrsg.), VwVfG-Kom, 8. Aufl. 2004, § 68 Rn. 12. 213 Vgl. zur (nicht gegebenen) Medienöffentlichkeit Edna Rasch, Medienöffentlichkeit im Erörterungstermin, NuR 2002, S. 400. 214 Hansjochen Dürr, in: Knack (Hrsg.), VwVfG-Kom, 8. Aufl. 2004, § 73 Rn. 95; Hans Joachim Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG-Kom, 6. Aufl. 2001, § 73 Rn. 108.
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scheidungsbehörde, weshalb das besondere Geschick der Anhörungsbehörde darin liegt, zwischen den widerstreitenden Interessen im Erörterungstermin zu vermitteln und geeignete Wege zu einer einvernehmlichen und umweltverträglichen Planung aufzuzeigen.215 ff) Die grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung Das UVP-Verfahren hält zudem Strukturen für eine grenzüberschreitende Kooperation bereit. Diese sind ein wichtiger Bestandteil der UVP und von herausragender Bedeutung für ein Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit des Mehrebenensystems. Schließlich gilt es, zunehmend komplexe und grenzüberschreitende Sachverhalte einer Lösung zuzuführen. Auch mit Blick auf die Europäisierung des Verwaltungsrechts sind diese Kooperationsstrukturen von besonderem Interesse. Sie zeigen auf, wie Verwaltungen angrenzender Staaten gemeinsam und im Austausch mit der Öffentlichkeit grenzüberschreitende Sachverhalte lösen können. Das UVP-Verfahren bietet einerseits Strukturen für die Kooperation zwischen Behörden angrenzender Staaten und andererseits zwischen Behörden und der Öffentlichkeit eines angrenzenden Staates. Gemäß §§ 8 und 9a UVPG hat die zuständige Behörde auf eine grenzüberschreitende Behördenund Öffentlichkeitsbeteiligung hinzuwirken, wenn ein Vorhaben erhebliche Auswirkungen auf die in § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG genannten Schützgüter in einem anderen Staat haben kann oder wenn ein solcher anderer Staat darum ersucht. Kann umgekehrt ein geplantes Vorhaben in einem anderen Staat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt in der Bundesrepublik Deutschland haben, so ist die zuständige deutsche Behörde nach § 9b UVPG gegebenenfalls dazu verpflichtet, eine Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung nach § 8 UVPG war bereits Bestandteil des UVPG aus dem Jahre 1990. Mit der Novelle des UVPG im Jahre 2001 und in Umsetzung der Vorgaben aus der Espoo-Konvention wurde diese allerdings deutlich präziser gefasst. Die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 9a UVPG fand im EspooÜbereinkommen in Grundzügen erstmals ihren Niederschlag. Die Änderungsrichtlinie zur UVP-RL aus dem Jahre 1997 griff davon wesentliche Inhalte auf und verschaffte diesen in den Mitgliedstaaten Geltung, die das Espoo-Übereinkommen noch nicht umgesetzt hatten. 1998 folgte dann die Aarhus-Konvention mit detaillierten Regelungen zur grenzüberschreitenden 215 Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 40.
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Öffentlichkeitsbeteiligung bei Vorhaben (Art. 6 AK für die UVP) sowie Plänen und Programmen (Art. 7 AK für die SUP). Die grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben gemäß § 9b UVPG wurde nicht aufgrund zwingender internationaler Vorgaben erlassen; vielmehr kommt dieser Vorschrift ausschließlich eine ‚Servicefunktion‘ zur Erleichterung der deutschen Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Zulassung von Vorhaben im Ausland zu.216 Auch die grenzüberschreitende Beteiligung anderer Behörden ist, in Ergänzung zu § 7 UVPG, Bestandteil des in § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG vorgeschriebenen ‚Ermittelns‘ der Umweltauswirkungen eines Vorhabens.217 Sie soll, ebenso wie die übrigen Verfahrensschritte der UVP, dazu beitragen, dass die Bewertung der Umweltverträglichkeit eines Vorhabens auf umfassender Informationsgrundlage erfolgt. Im grenzüberschreitenden Fall ist die Beteiligung zugleich eine vertrauensbildende Maßnahme. Zudem sollen Konflikte über das beabsichtigte Vorhaben gar nicht erst entstehen. Die Konsultationen können schließlich eine Konfliktmittlung zwischen den betroffenen Staaten auf der höchsten Verwaltungsebene ermöglichen. Die Stellungnahmen der beteiligten Behörden werden, ebenso wie nach § 7 UVPG, Bestandteil der zusammenfassenden Darstellung nach § 11 UVPG und gehen in die Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens nach § 12 UVPG durch die zuständige Behörde ein. Die Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 9a UVPG entspricht derjenigen für eine grenzüberschreitende Behördenbeteiligung gemäß § 8 UVPG,218 so dass eine Beteiligungspflicht zugunsten der Öffentlichkeit eines anderen Staates stets dann entsteht, wenn die zuständige deutsche Behörde die Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung festgestellt oder die zuständige Behörde eines anderen Staates ihrerseits ein Beteiligungsersuchen gestellt hat. § 9a UVPG ergänzt die Vorschriften für die innerstaatliche Öffentlichkeitsbeteiligung des § 9 UVPG,219 weshalb die Äußerungen der ausländischen Bürger zu dem Vorhaben ebenso zum Bestandteil der Öffentlichkeitsbeteiligung und damit des Verfahrensschrittes der ‚Ermittlung‘ zählen. Die Vorschrift dient der Förderung der Akzeptanz des Vorhabens auch im Ausland.220 Zudem gibt sie den deutschen Behörden die Möglichkeit, weitere Informatio216 s. Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9b Rn. 4. 217 Zum Folgenden Ebd., § 8 Rn. 4. 218 Vgl. Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9a Rn. 10. 219 s. dazu Jörg Wagner, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 9a Rn. 3. 220 Ebd.
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nen und zudem eine Übersetzung der Zusammenfassung der Unterlagen von dem Vorhabenträger zu verlangen.221 § 9b UVPG dient der Schaffung der Voraussetzungen für eine Einflussnahme der in ihrem Zuständigkeitsbereich berührten deutschen Behörde sowie der betroffenen Öffentlichkeit auf ein in einem anderen Staat zuzulassendes Vorhaben, das erhebliche Umweltauswirkungen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben kann. Die Vorschrift weist der nach deutschem Recht zuständigen Behörde eine zentrale Rolle im Sinne einer ersten Anlaufstelle zu. Sie regelt keinen Bestandteil des deutschen UVPVerfahrens, ist aber bedeutend für die Ermöglichung einer gegenseitigen grenzüberschreitenden Beteiligung. gg) Die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen Die letzten beiden Schritte des Verfahrens – die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen und deren Bewertung und Berücksichtigung in der Zulassungsentscheidung – sind von besonderer Bedeutung für ein Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit. Denn nun beginnt die Entscheidungsphase. Jede noch so umfangreiche Beteiligung sämtlicher Akteure liefe ins Leere, wenn ihre Beiträge keinen angemessenen Eingang in die abschließende Entscheidung der Verwaltung finden würden. Eine Steuerung durch Kooperation wäre letztlich nicht verwirklicht. Daher kommt es auf die Art und Weise der Bewertung und Berücksichtigung der zusammengetragenen Informationen durch die Verwaltung in der abschließenden Phase entscheidend an. Auf Grundlage der Unterlagen nach §§ 6, 7 und 8 sowie 9 und 9a UVPG erarbeitet die zuständige Behörde gemäß § 11 UVPG zunächst eine zusammenfassende Darstellung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt sowie der Maßnahmen, mit denen erhebliche Umweltauswirkungen vermieden, vermindert oder ausgeglichen werden, einschließlich der Ersatzmaßnahmen bei nicht ausgleichbaren, aber vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft. Nach der Erörterung im Anhörungsverfahren beginnt mit der zusammenfassenden Darstellung die Entscheidungsphase.222 Zweck und Bedeutung der zusammenfassenden Darstellung werden erst im Rahmen der Bewertung der Umweltauswirkungen gemäß § 12 UVPG deutlich, deren Grundlage sie bildet. Die zusammenfassende Darstellung muss alle entscheidungserheblichen Angaben zusammenfassen, die für die Bewertung er221
Ebd. Vgl. Alexander Schink, Die Bedeutung des UVP-Gesetzes für die Kommunen, NVwZ 1991, S. 935 (941). 222
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forderlich sind. Sie dient der Ermittlung des für die Bewertung relevanten Tatsachenstoffes.223 Die zuständige Behörde ist nach § 11 UVPG verpflichtet, die zusammenfassende Darstellung zu ‚erarbeiten‘. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass es sich dabei nicht lediglich um eine Aneinaderreihung der verschiedenen Unterlagen, Gutachten und Einwendungen handeln darf, sondern vielmehr eine systematische Aufarbeitung und Strukturierung der vorliegenden Informationen gefordert ist.224 Gemäß § 11 Satz 2 UVPG sind die Ergebnisse eigener Ermittlungen in die zusammenfassende Darstellung einzubeziehen. Dies verdeutlicht, dass die zuständige Behörde einerseits zu eigenen, originären Ermittlungen berechtigt ist, andererseits ergibt sich daraus aber auch, dass die Behörde von Amts wegen eigene Ermittlungen anstellen muss, soweit dies zur Beurteilung des Vorhabens erforderlich ist.225 Deshalb kann sich die Behörde nicht auf eine bloße Unterlagenprüfung und die Zusammenstellung des ihr vorliegenden Materials beschränken, sie ist nötigenfalls verpflichtet, eigenständig die Angaben des Vorhabenträgers zu ergänzen und zu berichtigen.226 Die Darstellung soll sich in einer reinen Beschreibung der zu erwartenden Umweltauswirkungen erschöpfen,227 sie muss insoweit wertneutral abgefasst werden228. Denn wertende Aussagen darüber, ob Umweltauswirkungen schädlich, nachteilig oder gemeinwohlbeeinträchtigend sind, sind Teil der sich anschließenden Bewertung gemäß § 12 UVPG.229 Eine saubere Trennung zwischen der zusammenfassenden Darstellung und ihrer Bewertung dürfte im Einzelfall allerdings schwierig 223 Martin Beckmann, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 11 Rn. 6. 224 Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Zum Verhältnis zwischen dem privaten Träger des Vorhabens und der zuständigen Behörde bei der Sacherhaltsermittlung nach dem UVPG, Schriften zum Umweltrecth, Bd. 19, 1991, S. 128; Amtliche Begründung, BT-Drs 11/3919, S. 26; Albrecht Weber, Die Umweltverträglichkeitsrichtlinie im deutschen Recht, 1989, S. 362. 225 Vgl. dazu die Amtliche Begründung, BT-Drs 11/3919, S. 26. 226 Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Zum Verhältnis zwischen dem privaten Träger des Vorhabens und der zuständigen Behörde bei der Sacherhaltsermittlung nach dem UVPG, Schriften zum Umweltrecth, Bd. 19, 1991, S. 128. 227 Heinz-Joachim Peters/Stephan Balla, UVPG-Kom, 3. Aufl. 2006, § 11 Rn. 5. 228 BVerwG DVBl 1995, 485; Winfried Erbguth/Alexander Schink, UVPG-Kom, 2. Aufl. 1996, § 11 Rn. 11; Matthias Schmidt-Preuß, Der verfahrensrechtliche Charakter der Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBl 1995, S. 485; a. A. Erich Gassner, UVPG-Kom, 2006, § 11 Rn. 8. 229 Vgl. dazu Rudolf Steinberg, Die Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), DVBl 1990, S. 1369 (1371).
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sein.230 Jedenfalls enthält die zusammenfassende Darstellung keine Aussagen darüber, ob das beabsichtigte Vorhaben trotz der zu erwartenden Umweltauswirkungen die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt oder nicht.231 Die zusammenfassende Darstellung ist ein einheitliches, behördeninternes Arbeitsmittel und als solches nicht zur eigenständigen Veröffentlichung gedacht. Insoweit stellt es kein isoliert anfechtbares Dokument dar.232 Teilweise wird diesbezüglich die Auffassung vertreten, dass ein eigenständiges UVP-Dokument eine Bewertung und Berücksichtigung der Ergebnisse verbessern und eine gerichtliche Kontrolle erleichtern würde.233 Eine Veröffentlichung der zusammenfassenden Darstellung könnte die Transparenz und oftmals auch die Akzeptanz einer Entscheidung fördern und das behördliche Vorgehen nachprüfbar machen.234 Der Gesetzgeber hat demgegenüber auf die Erstellung eines eigenständigen Dokuments unter anderem deshalb verzichtet, weil dies, seiner Ansicht nach, zu unnötigem Verwaltungsaufwand führen würde.235 Missachtet die zuständige Behörde ihre Pflicht aus § 11 UVPG, verhindert § 44a VwGO einen Rechtsbehelf des Vorhabenträgers gegen eine insoweit unzureichende behördliche Verfahrenshandlung. Zwischen der zusammenfassenden Darstellung und den folgenden Verfahrensschritten der Bewertung und Entscheidung besteht ein enger Zusammenhang.236 Denn bei einer unzureichenden zusammenfassenden Darstellung kann kaum eine qualitativ gute Bewertung und Entscheidung gelingen. Aufgrund dieses Zusammenhangs ist die Qualität der zusammenfassenden 230 Martin Beckmann, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 11 Rn. 20. 231 Ebd. 232 Martin Beckmann, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 11 Rn. 29. 233 s. Hermann Soell/Franz Dirnberger, Wieviel Umweltverträglichkeit garantiert die UVP? Bestandsaufnahme und Bewertung des Gesetzes zur Umsetzung der EGRichtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NVwZ 1990, S. 705 (707); JensPeter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Zum Verhältnis zwischen dem privaten Träger des Vorhabens und der zuständigen Behörde bei der Sacherhaltsermittlung nach dem UVPG, Schriften zum Umweltrecht, Bd. 19, 1991, S. 128; Rudolf Steinberg, Rechtsfragen der raumordnerischen Umweltverträglichkeitsprüfung, DÖV 1992, S. 321. 234 So Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Zum Verhältnis zwischen dem privaten Träger des Vorhabens und der zuständigen Behörde bei der Sacherhaltsermittlung nach dem UVPG, Schriften zum Umweltrecht, Bd. 19, 1991, S. 128 235 Vgl. Amtliche Begründung, BT-Drs 11/3919, S. 26. 236 Evaluation des UVPG des Bundes, 2008, S. 114.
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Darstellung mit Blick auf den Umfang und die Gewichtung der von der Behörde berücksichtigten Informationen aus den einzelnen Verfahrensstufen nach §§ 6, 7 und 8 sowie 9 und 9a UVPG und insbesondere hinsichtlich der Vollständigkeit und Wertneutralität der Darstellung von Bedeutung. Die zu bewältigenden komplexen Materien verlangen den Behördenmitarbeitern eine hohe umweltfachliche Qualifikation ab.237 Ein etwaiger Mangel an fachlicher Qualifikation der Behördenmitarbeiter kann dazu führen, dass die in den vorhergehenden Verfahrensstufen von den unterschiedlichen Akteuren in Kooperation generierten Informationen nicht angemessen verarbeitet werden und ihren Niederschlag nicht in der zusammenfassenden Darstellung finden. hh) Die Bewertung und Berücksichtigung der Umweltauswirkungen Abschließend bewertet die zuständige Behörde gemäß § 12 UVPG die Umweltauswirkungen des Vorhabens auf der Grundlage der zusammenfassenden Darstellung. Diese Bewertung hat sie bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2, Abs. 1 Satz 2 und 4 UVPG sowie nach Maßgabe der geltenden Gesetze zu berücksichtigen. § 12 UVPG unterscheidet zwischen der Bewertung der Umweltauswirkungen, mit der die UVP im engeren Sinne abschließt, und der Berücksichtigung des Bewertungsergebnisses. Letztere ist untrennbarer Bestandteil der Zulassungsentscheidung.238 Der Bewertung und Berücksichtigung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens kommen eine herausgehobene Bedeutung zu, da sich hier entscheidet, inwieweit die im Verfahren zuvor generierten Informationen tatsächlich in die Entscheidung einfließen. Der Gesetzgeber hat mit § 12 UVPG die Schnittstelle zwischen der UVP und der Zulassungsentscheidung geregelt. Um den integrativen Ansatz des UVPG und die demgegenüber traditionell einmedial ausgerichteten Fachgesetze in Einklang zu bringen, verweist der Gesetzgeber in § 12 UVPG auf das Gebot der Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 2 und 4 UVPG einerseits und die Maßgabe der geltenden Gesetze andererseits.239 Dies bedeutet einen für den Rechtsanwender schwer zu überwindenden Gegensatz240 und kann zu Unsicherheiten hinsichtlich der Art und Weise der Einbeziehung der Ergebnisse der 237
Ebd., S. 113. Vgl. Martin Beckmann, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 12 Rn. 1. 239 Michael Sachs, in: Stelken/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG-Kom, § 63 Rn. 20. 240 Ebd. 238
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UVP in die Zulassungsentscheidung führen.241 Eine einheitliche Anwendung der Berücksichtigung der Ergebnisse der UVP in den Zulassungsentscheidungen scheint kaum gewährleistet. Ein wesentlicher Aspekt dieses Problems sind die konkreten Berücksichtigungsmöglichkeiten der UVP-Ergebnisse für jede Form von Zulassungsverfahren in Verbindung mit dem jeweiligen Fachrecht.242 Dieses sind besondere Schwierigkeiten des deutschen Umweltrechts, die dringend, im Sinne einer einheitlichen und umfassenden Berücksichtigung, einer Lösung zugeführt werden sollten. Bei der Bewertung geht es um die Beurteilung, ob und inwieweit die Folgen für die Umwelt hingenommen werden sollen oder nicht.243 Dabei handelt es sich um ein Verfahren, in dem Aussagen über den Grad der Wahrscheinlichkeit von Veränderungen der Umwelt aufgrund eines Vorhabens und über die Schädlichkeit dieser möglichen Veränderungen gemacht werden.244 Als rein verfahrensrechtliches Instrument dient die UVP der Entscheidungsvorbereitung, sie liefert Beurteilungsgrundlagen für die Prüfung eines Vorhabens am Maßstab der materiellrechtlichen Anforderungen des Fachrechts.245 Die Bewertung der Umweltauswirkungen soll dementsprechend dazu dienen, die Berücksichtigung des Ergebnisses der UVP in der abschließenden Zulassungsentscheidung vorzubereiten.246 Die materiellen Zulassungsvoraussetzungen eines Vorhabens sollen dadurch weder verändert noch verschärft werden.247 Für die Bewertung ist auch der medienübergreifende Ansatz von Bedeutung. Zunächst ist eine Bewertung der Auswirkungen eines Vorhabens auf die einzelnen Umweltgüter erforderlich, worauf dann eine Betrachtung der Wechselwirkungen der einzelnen Umweltgüter zu folgen hat.248 Nr. 0.6.2.1 Abs. 3 der Ausführungsverordnung zum UVPG (UVPVwV) stellt insoweit ausdrücklich klar: „Ein bloßes Aneinanderreihen einzelner Bewertungen der Umweltauswirkungen reicht nicht aus“. Es darf 241
Dazu Evaluation des UVPG des Bundes, 2008, S. 124. s. dazu Evaluation des UVPG des Bundes, 2008, S. 134 f. 243 Bergr. RegEntw. UVPG 1990, BT-Drs. 11/3919, S. 26 f. 244 So der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Stellungnahme des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung in das nationale Recht, DVBl 1988, S. 21. 245 Heinz-Joachim Peters, Die UVP-Richtlinie der EG und die Umsetzung in das deutsche Recht. Gesamthafter Ansatz und Bewertung der Umweltauswirkungen, 1994, S. 29; Eberhard Schmidt-Aßmann, Umsetzunge der UVP-Richtlinie, in: FS für Karl Doehring, 1989, S. 889 (900). 246 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Stellungnahme des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung in nationales Recht, DVBl 1988, S. 21 (26). 247 BVerwG Urt. v. 25.1.1996 – 4 C 5/95 –, NVwZ 1996, S. 788 (789). 248 Wolfgang Appold, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 64. 242
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also nicht lediglich nach den Folgen gefragt werden, die das Vorhaben für ein einzelnes Umweltmedium hat, vielmehr ist eine medienübergreifende bzw. integrative Prüfung erforderlich. Art. 3 UVP-RL spricht von dem Erfordernis des Bewertens nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls, woraus sich ableiten lässt, dass die Bewertung projektbezogen ist,249 d.h. es sind die geeigneten Methoden und Maßstäbe anzuwenden, die dem Einzelfall gerecht werden.250 Das bedeutet allerdings nicht, dass für jeden Einzelfall neue, eigene Maßstäbe entwickelt werden müssen und allgemein bestehende Maßstäbe nicht zur Anwendung gelangen.251 Aufgrund der Tatsache, dass die UVP-RL keine für die Bewertung anzuwendenden Maßstäbe selbst regelt, schreibt sie eine originäre Maßstabsbildung auch nicht vor. Das wiederum bedeutet, dass die Heranziehung bereits bestehender Maßstäbe durchaus erlaubt sein muss. So auch die Auffassung des Gesetzgebers, der in der Amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf davon ausgeht, dass sich die Bewertung der Umweltauswirkungen nach Maßgabe der geltenden Gesetze vollziehen soll.252 Teilweise wird allerdings bezweifelt, dass die fachgesetzlichen Vorgaben als Bewertungskriterien geeignet sind, die im Rahmen der UVP gebotene integrative Bewertung sicherzustellen. Die rechtlichen Maßstäbe des Fachrechts müssen Berücksichtigung finden und bieten einen Rahmen, innerhalb dessen sich die Bewertung zu vollziehen hat.253 Die Berücksichtigung der Wechselwirkungen der einzelnen Umweltmedien stellt den Mehrwert dar, den die UVP leistet. Von zentraler Bedeutung für die UVP ist schließlich die Berücksichtigung der Umweltauswirkungen bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens. Hier entfalten die ermittelten Befunde ihre Wirksamkeit. An dieser Stelle gelangt die Steuerung durch Kooperation zur Umsetzung. Im Sinne des § 12 UVPG bedeutet ‚berücksichtigen‘, dass die zuständige Behörde das Bewertungsergebnis nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen darf, sondern sich inhaltlich mit dem Bewertungsergebnis auseinandersetzen muss.254 Je nach den Umständen des Einzelfalls und nach den jeweils anzu249 Werner Hoppe/Gerald Püchel, Zur Anwendung der Art. 3 und 8 EG-Richtlinie zur UVP bei der Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, DVBl 1988, S. 1 (2). 250 Vlg. Wolfgang Appold, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 66. 251 So auch Wolfgang Appold, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 66. 252 BT-Drs. 11/3919, S. 27. 253 So auch auch Martin Beckmann, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 12 Rn. 26. 254 Der Begriff der ‚Berücksichtigung‘ aus Art. 8 UVP-RL ist dem deutschen Recht nicht fremd, er wird bspw. in § 1 Abs. 6 BauGB oder § 1 Abs. 3 ROG gebraucht; Amtliche Begründung, BT-Drs 11/3919, S. 27.
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wendenden Rechtsvorschriften kann die Berücksichtigung des Bewertungsergebnisses dazu führen, dass das Vorhaben zugelassen wird, obwohl es nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben wird, weil andere für die Entscheidung rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Gesichtspunkte überwiegen oder vorgehen.255 Die Auswirkung des Bewertungsergebnisses auf die Zulassungsentscheidung ist insoweit eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Das Bewertungsergebnis kann nicht nur zu einer Genehmigungsunfähigkeit des Vorhabens führen, sondern auch zu seiner Veränderung oder zu Nebenbestimmungen und Schutzauflagen in der Zulassungsentscheidung.256 Dies zeigt die Flexibilität, einer Steuerung durch Verfahren. Die Schwierigkeiten jedes Einzelfalles können adäquat berücksichtigt werden. Gemäß § 12 2. Halbsatz UVPG ist die Berücksichtigung der Umweltauswirkungen im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 2 und 4 UVPG und nach Maßgabe der geltenden Gesetze vorzunehmen. Nach der Amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf sollen die gesetzlichen Entscheidungsgrundlagen in ihrer jeweiligen Ausgestaltung durch diese Bestimmung nicht verändert werden.257 So heißt es dort: „Insbesondere bleibt der eingeräumte Ermessensrahmen unberührt. Im Rahmen von Ermessensentscheidungen bilden die zu berücksichtigenden Umweltauswirkungen einen Abwägungsbelang, der mit seinem Gewicht gegenüber Planungszielen und anderen Abwägungsbelangen in die zu treffende Entscheidung eingeht.“258 Bei gebundenen Zulassungsentscheidungen steht demgegenüber das Entscheidungsergebnis fest, wenn die Bewertung der Umweltauswirkungen nach Maßgabe der geltenden Gesetze erfolgt ist.259 Entsprechend dem Bewertungsergebnis ist die Zulassungsentscheidung zu erteilen oder abzulehnen.260 Indem der Gesetzgeber eine Berücksichtigung der Ergebnisse der UVP nach Maßgabe der geltenden Gesetze vorschreibt, stellt er klar, dass es auch bei Durchführung einer UVP bei den Zulassungstatbeständen der Fachgesetze bleiben soll, nach denen alleine sich die Zulässigkeit des jeweiligen Vorhabens zu entscheiden hat. Entsprechendes regelt beispielsweise § 20 Abs. 1b Satz 1 9. BImSchV. Auf diese Weise stellt der Gesetzgeber sicher, dass auch bei der Durchführung der UVP am Rechtscharakter gebundener Zulassungsentscheidungen festgehalten werden kann. Allerdings wird teilweise die Fähigkeit der fachgesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen zur Berücksichtigung der medienübergreifenden UVP-Er255 256 257 258 259 260
Amtliche Begründung, BT-Drs 11/3919, S. 27. Ebd. Ebd. Amtliche Begründung, BT-Drs 11/3919, S. 27, 28. Ebd., S. 28. Ebd.
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gebnisse in Frage gestellt.261 In der Klausel ‚im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 2 und 4‘ in § 12 UVPG kann der Versuch des Gesetzgebers gesehen werden, die fachgesetzlichen Zulassungstatbestände im Sinne der gebotenen medienübergreifenden UVP zu erweitern, was ein Hinweis darauf sein kann, dass die gesetzlichen Entscheidungsgrundlagen doch nicht ganz unverändert bleiben, oder jedenfalls UVP-konform auszulegen sind.262 In diesem Sinne wird auch im Bericht des Umweltausschusses des Bundestages zum Gesetzesentwurf263 darauf hingewiesen, dass der medienübergreifende Ansatz der UVP über die erforderliche Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts im Lichte des integrativen Schutzgedankens der UVP im Sinne der §§ 1 und 2 Abs. 1 Satz 2 und 4 UVPG erreicht werde.264 Auf diese Weise bekämen die unbestimmten Rechtsbegriffe, zum Beispiel des BImSchG oder des WHG, wie ‚schädlich‘, ‚nachteilig‘ oder ‚gemeinwohlbeeinträchtigend‘, durch das UVPG einen neuen Gehalt, da der integrative Ansatz der UVP bei der Anwendung und Auslegung dieser Gesetze mit einfließe.265 Demnach wären „UVPpflichtige Vorhaben [. . .] also unter Berücksichtigung des gesamthaften Ansatzes der UVP nunmehr gegebenenfalls anders zu beurteilen als nach bisherigem Recht“.266 Das UVPG bietet so, insbesondere mit Blick auf die Einbeziehung der Wechselwirkungen der einzelnen Umweltmedien, eine verbesserte und leistungsfähigere Anwendung der einschlägigen Umweltfachgesetze. Das UVP-Verfahren stellt einerseits selbst eine offene Normprogrammierung dar, die ihre Substanz unter Mitwirkung der beteiligten Akteure gewinnt. Die gewonnene Substanz generiert sich in jedem Einzelfall neu und entspricht so stets dem aktuellen Stand der Technik und Information, adäquat zugeschnitten auf das jeweilige Projekt. Auf der anderen Seite wird die so gewonnene Substanz beim Eingang in die Zulassungsentscheidung zu einem Abwägungs- und Beurteilungskriterium allgemeiner Rechtsbegriffe des Umweltfachrechts. Eine in der modernen Gesellschaft notwendig offene, auf prozeduralen Strukturen beruhende Normprogrammierung 261 s. nur Thomans Bunge, Die Umweltverträglichkeitsprüfung im Verwaltungsverfahren. Zur Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft vom 27. Juni 1985 (85/337/EWG) in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 35; Wolfgang Hoffman-Riem, Von der Antragsbindung zum konsentierten Optionenermessen, DVBl 1994, S. 605. 262 Martin Beckmann, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, § 12 Rn. 69. 263 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT-Drs 11/5532 v. 7.11.1989. 264 BT-Drs 11/5532, S. 31. 265 Ebd. 266 Ebd.
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bietet durch die Bereitstellung adäquater Bewertungsmaßstäbe so eine neue Sicherheit bei der Ausfüllung und Anwendung – in der modernen Gesellschaft ebenfalls notwendiger – allgemeiner Rechtsbegriffe. Die stets neu generierten Bewertungsmaßstäbe sind durch ein Verfahren, wie es die UVP beispielhaft bereitstellt, maßgeblich mit gestaltet durch Informationen und Wertungen privater Akteure. Die zweite Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit gewährleistet den Wissensfluss von Bürger zu Verwaltung. Die Bewertungsmaßstäbe erfahren so auf der Vollzugsebene eine erneute Rückbindung an ihre Adressaten. Dies ist gerade in komplexen Gemeinwesen, wie dem des Mehrebenensystems von besonderer Bedeutung. Durch eine erneute Rückbindung von Entscheidungen an das (betroffene) Volk auf der Vollzugsebene wird so ein demokratisches Element hinzugewonnen.267 Unter diesem Aspekt muss einem Verfahren zur Steuerung durch Kooperation – im Sinne des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit – eine eigenständige Bedeutung zukommen.268 2. Die Verfahrensposition im Kontext des deutschen Verwaltungsrechtssystems Die Anwendung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung hat Probleme offengelegt, die weniger die Frage der korrekten Implementation der UVP-RL betreffen, als vielmehr in der Vereinbarkeit der UVP-Vorschriften mit den zugrundeliegenden Verwaltungsstrukturen der jeweiligen Mitgliedstaaten.269 In Deutschland bereiten insbesondere die rein verfahrensrechtliche Struktur und der integrative Ansatz Schwierigkeiten. Eine eigenständige Bedeutung wird dem Verfahrensrecht im deutschen Verwaltungsrechtssystem nicht zugestanden. Die Vorschriften des UVP-Verfahrens sind dem deutschen Rechtsschutzsystem entsprechend in der Regel nicht selbstständig durchsetzbar. Insbesondere mit Blick auf die Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung wird diese schwache Stellung im deutschen Rechtsschutzsystem dem der UVP europarechtlich zugrunde liegenden Konzept einer verstärkten Einbeziehung der Öffentlichkeit nicht gerecht. Auch mit dem Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, kurz: UmwRG)270 aus dem Jahre 2006 hält der Bundesgesetzgeber 267
Zu dem Aspekt der Demokratie näher unten, B. Zum Eigenwert des Verfahrens s. Michael Fehling, Eigenwert des Verfahrens im Verwaltungsrecht, in: VVDStRL, Bd. 70, 2011, S. 278 ff. 269 Vgl. dazu Karl-Heinz Ladeur, Konflikt und Kooperation zwischen dem europäischen Umweltrecht und dem allgemeinen Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2001, S. 221 (223). 270 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz v. 7.12.2006, BGBl 2006 I Nr. 58, S. 2816. 268
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grundsätzlich an dem bestehenden deutschen Rechtsbehelfssystem der VwGO fest.271 Die Stellung der UVP innerhalb der deutschen Verwaltungsrechtsstrukturen lässt sich mit einem Blick auf die bisherige Rechtsprechung zu den Auswirkungen von Mängeln der UVP auf die Sachentscheidung veranschaulichen: Nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts wird die UVP als reines Verfahrensinstrument ohne materiellrechtliche Implikationen qualifiziert.272 Der UVP kommt, nach herkömmlichem deutschen Verständnis, in dieser prozeduralen Eigenschaft lediglich eine dienende Funktion gegenüber dem materiellen Recht zu.273 Hieraus ergibt sich für die Überprüfung von UVP-Mängeln nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung folgendes: Erstens kann die vollständige Nichtdurchführung oder Mängel der UVP von Privatpersonen nur dann geltend gemacht werden, wenn gemäß § 42 Abs. 2 VwGO auch die Verletzung eines subjektiven materiellen Rechts gerügt wird, Verfahrenspositionen vermitteln grundsätzlich keine selbstständig durchsetzbare Rechtsposition.274 Ausnahme sind die sog. absoluten Verfahrensrechte.275 Zweitens führt die Einordnung der UVP als reines Verfahreninstrument zu einer weitgehenden Unbeachtlichkeit von UVP-Mängeln in Bezug auf die Sachentscheidung: Ist ein Form- oder Verfahrensfehler gegeben, so ist er nach § 46 VwVfG unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass der Rechtsverstoß die Sachentscheidung nicht beeinflusst hat. Ein derartiger Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und der Sachentscheidung liegt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung vor, „wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre“ (sog. Kausalrechtsprechung).276 Da271
Zum Rechtsschutz nach dem UmwRG näher unten. Vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2007 – 4 C 9.06; BVerwG, Urt. v. 25.1.1996 – 4 C 5/95, E 100, S. 238; BVerwG, Urt. v. 10.4.1997 – 4 C 5/96, E 104, S. 236 (242); für einen materiellrechtlichen Gehalt dagegen Winfried Erbguth, Das Bundesverwaltungsgericht und die Umweltverträlichkeitsprüfung, NuR 1997, S. 261 (265); Alexander Schink, Die Umweltverträglichkeitsprüfung – eine Bilanz, NuR 1998, S. 173; vgl. auch VGH München, Urt. v. 5.7.1994 – 8 A 93.40056. 273 Vgl. die Darstellung bei Alfred Scheidler, Rechtsschutz Dritter bei fehlerhafter oder unterbliebener Umweltverträglichkeitsprüfung, NVwZ 2005, S. 863. 274 BVerwG, Urt. v. 8.6.1995 – 4 C 4.94, E 98, S. 339 (361); allerdings gab es durchaus auch gerichtliche Entscheidungen, die aufgrund einer mangelhaften UVP auch die in Frage stehende Genehmigung für rechtswidrig erklärten, OVG Münster, Urt. v. 3.1.2006 – 20 D 118/03.AK, 20 D 35/04.AK, 20 D 118/04.AK, 20 D 120/04.AK, 20 D 156/04.AK; vgl. auch OVG Koblenz v. 25.1.2005 – 7 B 12114/04. 275 Rainer Wahl, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner (Hrsg.), VwGO, Sept. 2007, § 42 Abs. 2 Rn. 73. 272
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nach ist also nachzuweisen, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung einer UVP eine andere Sachentscheidung getroffen worden wäre.277 Drittens können UVP-Mängel gemäß § 44a VwGO nicht vorab, d.h. unabhängig von der abschließenden Sachentscheidung einer gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden. Hintergrund dieser überkommenen Dogmatik des deutschen Verwaltungsrechtssystems ist der Untersuchungsgrundsatz. Dieser beinhaltet nach § 24 VwVfG als grundlegendes Merkmal, dass die Behörden selbst, und nicht die Beteiligten den Sachverhalt ermitteln. Es ist grundsätzlich Aufgabe der Behörde, alle relevanten Umstände, die sie ihrer Verwaltungsentscheidung zugrunde legen, selbst festzustellen. Die Ermittlung des der Sachentscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalts soll bereits aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht allein vom Vorbringen der Beteiligten abhängig gemacht werden. Der Untersuchungsgrundsatz soll gewährleisten, dass die richtige Entscheidung auf einer möglichst vollständigen und zutreffenden Aufklärung des Sachverhalts beruht. Er ist auf das Rechtsstaatsgebot zurückzuführen, insbesondere auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und den Grundsatz des fairen Verfahrens278. Aus diesen Grundsätzen folgt das öffentliche Interesse an der Gesetzeskonformität und sachlichen Richtigkeit des Verwaltungshandelns. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung unparteiisch zu sein und darf sich nicht von Sachfremden Erwägungen leiten lassen. Zudem muss eine Entscheidung auf einer möglichst vollständigen und zutreffenden Aufklärung des Sachverhalts beruhen. Dies soll dadurch sichergestellt werden, dass die Verwaltung die für die Entscheidung relevanten Umstände selbst ermittelt und nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden ist. Der Grundsatz der Amtsermittlung soll auf diese Weise der Sicherung des mit dem Verwaltungsverfahren vor allem verfolgten allgemeinen öffentlichen Interesses dienen. Denn nur dann, wenn die Behörde nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden, sondern selbst dazu verpflichtet ist, den Sachverhalt aufzuklären, sei hinreichend sichergestellt, dass im Ge276 Vgl. BVerwG v. 30.5.1984 – 4 C 58.81, E 69, S. 256 (269 f.); BVerwG v. 18.12.1987 – 4 C 9.86, E 78, S. 347 (356); BVerwG v. 25.1.1996 – 4 C 5.95, E 100, S. 238 (250); BVerwG v. 20.5.1998 – 11 C 2.97; BVerwG v. 21.3.1996 – 4 C 19.94, E 100, S. 370 (379); BVerwG v. 15.15.1986 – 5 C 68.84, E 75, S. 206 (214). 277 Gleiches galt auch stets bei Unterlassen einer gesetzlich erforderlichen UVP, vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2007 – 4 C 9/06, in dem das in Rede stehende Genehmigungsverfahren vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der RL 2003/35/EG eingeleitet wurde und daher eine Aufhebung der Genehmigung gemeinschaftsrechtlich nicht wegen rechtswidrig unterlassener UVP zwingend war. 278 BVerfG, NJW 2004, S. 1022; vgl. Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 24 Rn. 3; Klaus Ritgen, in: Hans Joachim Knack/HansGünter Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 24 Rn. 5; Matthias Hesshaus, in: Johann Bader/Michael Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 24. Rn. 1.
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setzesvollzug das objektive Recht beachtet werde.279 Demnach soll die Verwirklichung des Gemeinwohls alleinige Aufgabe der Verwaltung sein, das Verfahrensrecht der Verwaltung bei der Umsetzung des materiellen Rechts lediglich dienend zur Seite stehen. Eine eigenständige – etwa einklagbare Position – erlangt der Einzelne durch Verfahrensvorschriften nicht. Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 24 VwVfG gilt grundsätzlich auch bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch mitgliedstaatliche Behörden.280 Nach der Rechtsprechung des EuGH zählt der Untersuchungsgrundsatz zu den Rechtsgrundsätzen, deren Einhaltung für den nationalen Vollzug von Gemeinschaftsrecht sichergestellt sein muss. Dies soll auch dann gelten, wenn in einzelnen Regelungsbereichen Beteiligten weitergehende Mitwirkungs- oder Beibringungspflichten auferlegt sind.281 Die zuständige Behörde ist dadurch grundsätzlich nicht von der Verpflichtung enthoben, den Sachverhalt in eigener Verantwortung aufzuklären. Der gemeinschaftsrechtlich geltende Amtsermittlungsgrundsatz dient insoweit auch dem gleichmäßigen Vollzug des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten.282 Allerdings gibt es im europäischen Sekundärrecht mittlerweile eine Reihe spezialgesetzlicher Vorschriften, die den Untersuchungsgrundsatz durchbrechen und zu einer Verlagerung von Verfahrensverantwortung auf Private führen.283 Zu diesen zählen die Vorschriften über die UVP, nach denen die Beteiligten weitreichenden Mitwirkungspflichten haben. Die gesetzliche Normierung besonderer Mitwirkungspflichten Beteiligter, wie sie in vielfältiger Form insbesondere im europäischen Umweltrecht zu finden sind, sind als Anordnung eines Kooperationsverhältnisses zwischen Verwaltung und Privaten und damit als Ausdruck des kooperativen Staates zu begreifen.284 Eine verstärkte Mitwirkung Beteiligter an der Ermittlung 279 BVerfG 54, 359; VGH Kassel, NVwZ 1982, S. 137; Paul Stelkens, Verwaltungsgerichtsbarkeit – Gerichtsbarkeit ohne Verwaltung?, NVwZ 1982, S. 83; Friedhlem Hufen, Heilung und Unbeachtlichkeit grundrechtsrelevanter Verfahrensfehler, NJW 1982, 2163. 280 EuGH Slg. 1983, 2633, 2670 Rn. 35, Deutsche Milchkontor. 281 EuGH Slg. 1986, 3309, 3332, Irish Grain Board. 282 Vgl. Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 24 Rn. 3b. 283 Klaus-Peter Dolde, Verwaltungsverfahren und Deregulierung, NVwZ 2006, S. 857 (860); Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 24 Rn. 3b; Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2. Aufl. 2003, Bd. I § 18 Rn. 41 ff; Peter M. Huber, Weniger Staat im Umweltrecht, DVBl 1999, S. 489 (491). 284 s. hierzu Udo di Fabio, Das Kooperationsprinzip – ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Umweltrechts, NVwZ 1999, S. 1153; Wolfgang Weiß, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatlicher Verantwortung, DVBl 2002, S. 1167; Lars Jaeschke, Das Kooperationsprinzip im (Umwelt-)Recht –
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des Sachverhalts, wie das UVPG sie regelt, kann zur Entlastung der Behörden beitragen, da diese sich auf eine nachvollziehende Amtsermittlung beschränken können. Auf diese Weise dient die Heranziehung der Beteiligten der Effizienzsteigerung im Verwaltungsablauf.285 Rein rechtlich führt dies allerdings nicht dazu, dass die Verantwortung für die Entscheidung ganz oder auch nur teilweise auf Private übergeht.286 Die Behörde darf zwar ihre Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung auf die Prüfung der vorgelegten Unterlagen beschränken, die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung hat aber nach wie vor sie alleine zu verantworten.287 Insoweit kann jedenfalls rein rechtlich, beispielsweise auch bei den weitgehenden Mitwirkungspflichten im Rahmen der UVP, nicht von einer Verantwortungsteilung gesprochen werden.288 Vielmehr verbleit die Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts ungeteilt bei der Behörde. Im Rahmen des UVPG soll der Grundsatz der Amtsermittlung aus § 24 VwVfG durch mehrere Vorschriften gesichert werden. Trotz weitgehender Verantwortung des Vorhabenträgers für die Beschaffenheit und Vollständigkeit des entscheidungserheblichen Tatsachenstoffes kommt eine Unterrichtung über die beizubringen Unterlagen nach § 5 Satz 1 UVPG als erste verfahrensleitende Maßnahme der Behörde dann in Betracht, wenn sich herausstellt, dass die eingereichten Unterlagen den Anforderungen des § 6 UVPG nicht entsprechen. Diese Regelung soll in jedem Fall sicherstellen, dass der Umfang der Untersuchung in Übereinstimmung mit § 24 VwVfG von der Behörde bestimmt wird.289 Auch die behördliche Unterrichtung nach § 5 Satz 3 UVPG über den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen dient dem Untersuchungsgrundsatz. Zudem ist die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen nach § 11 UVPG sowie die Bewertung der Umweltauswirkungen nach § 12 UVPG in Eigenregie der Behörde ohne Mitwirkung Beteiligter vorzunehmen.290 Ist also rein normativ im Rahmen der UVP sichergestellt, dass die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung in der Verantwortung der Behörde verAbschied von einem Trugbild!, NVwZ 2003, S. 563; Hans-Joachim Koch, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht – ein Missverständnis?, NuR 2001, S. 541. 285 Vgl. Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 24 Rn. 10c. 286 So auch Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, ebd. 287 Ebd. 288 Lit. zur Verantwortungsteilung: Joachim Schwab, Die Umweltverträglichkeitsprüfung in der behördlichen Praxis, NVwZ 1997, S. 428 (431); Friedhelm Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 125; Eberhard Schmidt-Aßmann, in: FS Doehring, S. 897. 289 Vgl. etwa Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG, 3. Aufl. 2007, § 5 Rn. 4. 290 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG, 3. Aufl. 2007, § 6 Rn. 2.
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bleibt, so ist doch fraglich, inwieweit nicht eine verstärkte Beteiligung Privater faktisch zu einer Verantwortungsteilung führt. Denn je komplexer die von der Behörde zu bewertenden Sachverhalte und je spezieller die Materie, desto schwieriger erscheint es im Rahmen der nachvollziehenden Amtsermittlung die vorgelegten Unterlagen einer angemessenen Prüfung zu unterziehen. Gleiches gilt für die zusammenfassende Darstellung nach § 11 UVPG, die eine systematische Aufarbeitung und Strukturierung der vorliegenden Informationen erfordert und zudem Grundlage für die anschließende Bewertung der Umweltauswirkungen nach § 12 UVPG ist. Sind die Behördenmitarbeiter, denen diese komplexen Aufgaben zukommen, fachlich nicht ausreichend qualifiziert, um die ihnen vorgelegten Informationen angemessen zu bewerten und zu berücksichtigen, so hat dies zur Folge, dass das behördliche Ergebnis doch in einem hohen Maße von den vorgebrachten Informationen abhängt, ohne dass die Behörde, durch angemessene Prüfung, eine maßgeblich leitende Funktion erfüllen könnte. Der Anteil der von Amts wegen ermittelten Tatsachen – sei es auch nur im Wege nachvollziehender Amtsermittlung – geht mit verstärkter Beteiligung Privater zurück. Rechtsstaatlich ist zum Zwecke einer umfassenden und vollständigen Sachverhaltsaufklärung eine verstärkte Mitwirkung der Beteiligten gar geboten – verfügt doch die Verwaltung nicht immer über die erforderlichen Informationen. Mit Blick auf die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung ist die Verwaltung zunehmend auf die Mitwirkung der Adressaten ihrer Entscheidungen angewiesen. Sie ist in der modernen Gesellschaft des Mehrebenensystems schlichtweg nicht mehr in der Lage, die ihr zugeführten komplexen Sachverhalte alleine einer angemessenen Bewertung zu unterziehen. Je nach Lage des Falles und Arbeitsanfall wird auch die Behörde unterschiedlich intensiv ermittelt und in manchen Fällen der notwendigen Schnelligkeit einer Entscheidung den Vorrang vor der Genauigkeit geben.291 Sie hat stets auch die Gesichtspunkte der Effektivität und der Kosten zu berücksichtigen.292 Zudem fehlt ihr vielfach die Expertise zur Beurteilung hochspezialisierter Fachbereiche. Ein strikter Gesetzesvollzug durch die Verwaltung ist im Hinblick auf zunehmend offene, auslegungsbedürftige Normstrukturen, wie sie sich etwa in allgemeinen Rechtsbegriffen widerspiegeln, heute nicht mehr möglich. Diese wiederum sind Folge der zunehmend komplexer werdenden Sachverhalte, die flexibler Lösungsstrategien bedürfen. Offene Normstrukturen ma291
Ebd. Wilfried Berg, Zur Untersuchungsmaxime im Verwaltungsverfahren, Die Verwaltung 1976, S. 161; Paul Stelknes, Verwaltungsgerichtsbarkeit – Gerichtsbarkeit ohne Verwaltung?, NVwZ 1982, S. 83; Paul Stelkens/Heinz J. Bonk/Michael Sachs, VwVfG, § 24 Rn. 5. 292
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chen bei der Subsumtion der Sachverhalte eine erneute Bewertung und Auslegung auf der Vollzugsebene nötig. Demokratischen Grundsätzen entsprechend ist eine Rückbindung an das (betroffene) Volk auf der Vollzugsebene erforderlich. Die Mitwirkung ist in diesem Sinne ein Äquivalent für den fehlenden Einfluss des Bürgers dort, wo der Gesetzgeber der Verwaltung Gestaltungsspielräume zuweist. Durch die Einräumung von Beteiligungsrechten erlangt der Bürger Einflussmöglichkeiten auf der Vollzugsebene zurück, er kann seine Wertungen und Meinungen in die staatliche Entscheidung einbringen. Die Aufgabenwahrnehmung der Verwaltung erfüllt heute nicht lediglich eine rechtsstaatliche Funktion durch reinen Gesetzesvollzug. Ihr kommt vielmehr zunehmend auch eine demokratische Funktion zu. Die staatliche Entscheidung wird auf der Vollzugsebene erneut an den Willen der (betroffenen) Bürger zurück gebunden. Die Behörde muss bei ihrer abschließenden Entscheidung unparteiisch sein und darf sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen; es muss gewährleistet sein, dass im Rahmen des Gesetzesvollzugs das objektive Recht ausreichend Beachtung findet. Insoweit können Aufklärungserleichterungen im Zuge der vielfältigen Formen kooperativen Verwaltungshandelns erhebliche Gefahren für die Neutralität und Unparteilichkeit der Behörde mit sich bringen.293 Es besteht die Gefahr einer überwiegenden Gewichtung der eingebrachten Partikularinteressen vor denen der Allgemeinheit. Dem kann nur dadurch entgegengewirkt werden, dass sämtliche Beteiligte in einen transparenten Kommunikationsprozess eingebunden werden.294 Die in einer Entscheidung berücksichtigten Interessen müssen nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Einen transparenten Entscheidungsprozess stellt die erste Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit sicher. Ein befürchteter Rückgang der Beachtung des objektiven Rechts in einem arbeitsteiligen Gesetzesvollzug muss durch eine erweiterte Kontrollbefugnis des Einzelnen für objektives Recht ausgeglichen werden.295 Dies zeigt das enge Zusammenspiel der einzelnen Säulen des Steuerungskonzepts der Informierten Öffentlichkeit. Grundlegend ist ein neues Verständnis der Verwaltung: Sie ist nicht mehr Monopolist, sondern nunmehr ein Akteur in einem arbeitsteiligen Prozess der Gemeinwohlverwirklichung. Es gilt, das Verwaltungsverfahren nicht mehr allein unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips zu verstehen, sondern zudem seine demokratische Funktion anzuerkennen.
293 Vgl. Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 24 Rn. 10e. 294 So auch ebd. 295 Dazu näher unten, III.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
III. Dritte Säule: Kontrolle – Der weite Zugang zu Gerichten Die dritte Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit dient der Absicherung des gesamten Steuerungskonzepts und ist insofern für dessen Verwirklichung unabdingbar. Es gilt zum einen den arbeitsteiligen Prozess der Rechtsverwirklichung im Wege des kooperativen Verfahrens sicher zu stellen. Das bedeutet, dass die Einhaltung von Verfahrensvorschriften für die Beteiligten einklagbar sein muss. Denn nur so können die Beteiligten eine etwaige Beschneidung dieser Vorschriften rügen und die Verwaltung zu deren umfassender Einhaltung zwingen. Zum anderen müssen auch objektive, dem Gemeinwohl dienende Vorschriften für den Einzelnen einklagbar sein. Denn wo Private arbeitsteilig an der Verwirklichung des objektiven Rechts mitwirken, besteht stets die Gefahr einer überwiegenden Berücksichtigung partikularer Interessen. Dem kann nur durch eine Ausdehnung der Rügebefugnis auch auf Normen des objektiven Rechts begegnet werden. Das deutsche Rechtsschutzsystem der VwGO gestattet grundsätzlich nur dann eine Klage gegen staatliche Entscheidungen, wenn möglicherweise drittschützende Normen, also individuelle Rechte gewährende Normen, die zumindest auch dem Schutz des Einzelnen zu dienen bestimmt sind, verletzt sein können. Dabei wird der Kreis der drittschützenden Normen eng gezogen. Mögliche Verstöße gegen objektive Normen, also beispielsweise Vorschriften zum Klimaschutz, die ausschließlich dem Allgemeininteresse an der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen zu dienen bestimmt sind, können demgegenüber nicht gerichtlich geltend gemacht werden. Dies betrifft etwa alle Normen der Vorsorge im Umweltrecht. Gleiches gilt grundsätzlich auch für Vorschriften über das Verwaltungsverfahren. Dem in der Aarhus-Konvention angelegten und in der Richtlinie 2003/35/EG umgesetzten Ansatz eines weiten Zugangs zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vermag die deutsche Umsetzung durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) aus dem Jahre 2006 nicht zu entsprechen. Vielmehr hält diese Umsetzung an der deutschen Systematik des individuellen Rechtsschutzsystems grundsätzlich fest. Nach dem Urteil des EuGH im Fall „Trianel Kohlekraftwerk Lünen“ vom 12. Mai 2011296 steht fest, dass die deutsche Konzeption insoweit europarechtswidrig ist. Ein Blick auf die Konzeption des UmwRG von 2006 und die diesbezüglich aufgeworfenen Fragen nach seiner Völker- und Europarechtskonformität ver296 EuGH, Urteil v. 12. Mai 2011 – C-115/09, Trianel (Slg. der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit noch nicht Veröffentlicht).
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deutlichen die Schwierigkeiten der deutschen Verwaltungsrechtsstruktur mit einem weiten Zugang zu Gerichten (1.). Obwohl das deutsche Rechtsschutzsystem sich nicht grundsätzlich gegen einen weiten Zugang zu Gerichten im Sinne der dritten Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit sperrt (2.).
1. Die Rügebefugnis des UmwRG In Umsetzung der Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG und in Erfüllung der Vorgaben der Dritten Säule der Aarhus-Konvention, insbesondere Art. 9 Abs. 2, trat am 7. Dezember 2006 das Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten – Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in kraft. Ein Blick auf den Inhalt des Gesetzes zeigt dessen Konzeption [dazu a)]. Mit der Umsetzung sollte aus völker- und europarechtlicher Sicht eine Erweiterung des Gerichtszugangs bewirkt werden. Insbesondere sollten die Möglichkeiten der Vereins- bzw. Verbandsklage für umweltrechtliche Zulassungsentscheidungen für Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen erweitert und die Möglichkeiten zur gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verfahrensfehlern, insbesondere bei der Durchführung der UVP gewährleistet werden. Diesbezüglich wirft die deutsche Umsetzung aus dem Jahre 2006 Fragen der Europaund Völkerrechtskonformität auf [dazu b)].
a) Die Gesetzeskonzeption Das UmwRG findet insbesondere Anwendung auf Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen kann. Außerdem ist der Anwendungsbereich eröffnet, wenn entgegen geltender Rechtsvorschriften keine Entscheidungen über die Zulässigkeit eines solchen Vorhabens getroffen worden ist. Rügebefugt sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG (2006) Vereinigungen ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, wenn sie vortragen, dass die angegriffene „Entscheidung [. . .] oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht“. Das Erfordernis der Geltendmachung, dass eine Vorschrift verletzt sei, die Rechte Einzelner begründet, wobei eine Verletzung in eigenen Rechten nicht dargetan werden muss, beschreibt rechtstechnisch eine Ausnahme des in § 42 Abs. 2 VwGO niedergelegten Grundsatzes, dass die Ver-
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
letzung eigener Rechte zu rügen ist.297 Das so normierte objektive Beanstandungsverfahren wird durch die Begrenzung der Rügebefugnis allerdings auf die Verletzung individualschützender Normen beschränkt.298 Diese Konzeption ist eine Neuheit angesichts der bereits bestehenden Verbandsklage im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Diese ist zwar beschränkt auf eine enge Auswahl einklagbarer Entscheidungen, in diesem Rahmen ist sie altruistisch, fordert mithin keinen Bezug zu individualrechtsschützenden Vorschriften. Sie ermöglicht es den Naturschutzvereinigungen in den enumerativ aufgezählten Fällen, objektive Rechtsverstöße der Behörden zu rügen. Angesichts der Voraussetzung, dass die nach Auffassung des klagenden Verbandes verletzte Vorschrift ‚Rechte Einzelner‘ begründet, macht das UmwRG die Einräumung des Rechtsschutzes von der Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte abhängig. Dabei wird die Klagebefugnis über den Inhaber dieser Rechte hinaus – im Ergebnis gewissermaßen im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft – auch dem Umweltverband eingeräumt.299 Die Konzeption der Rechtsschutzmöglichkeit des UmwRG von 2006 steht damit zwischen den Modellen der altruistischen Vereinsklage und dem egoistischen Rechtsbehelf:300 Einerseits muss die Vereinigung nicht geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein, andererseits muss die durch die Vereinigung als verletzt gerügte Norm Rechte einzelner begründen. Die Möglichkeit der Rüge objektiver Vorschriften ist damit ausgeschlossen. Im Ergebnis können Verletzungen sämtlicher objektiver Rechtsvorschriften des Umweltrechts, so etwa das gesamte Naturschutzrecht, das Verfahrensrecht und Vorsorgenormen nicht mittels des UmwRG angegriffen werden.301 Eine Rüge, die sich auf die Verletzung von einzelnen Vorschriften des UVPG – als reines Verfahrensrecht302 – stützt, ist ebenso unzulässig. Ein Rechtsschutz nach § 2 UmwRG bei Verstößen gegen UVPG entfällt.303 Die einzige diesbezügliche Rügebefugnis besteht gemäß § 4 UmwRG hinsichtlich der Nichtdurchführung oder Nichtnachholung einer erforderlichen UVP 297
Lothar Knopp, Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz und Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, ZUR 2005, 281 (283); Jan Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, S. 259. 298 Martin Kment, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, NVwZ 2007, S. 274 (275). 299 Mit dieser Auffassung auch Wolfgang Ewer, Ausgewählte Rechtsanwendungsfragen des Entwurfs für ein Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NVwZ 2007, 267 (272). 300 Vgl. Michael Marty, Die Erweiterung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten – Anmerkungen zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, ZUR 2009, S. 115 (116). 301 Sabine Schlacke, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NuR 2007 S. 8 (11). 302 Martin Kment, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVPG-Kom, 3. Aufl. 2007, Vorb. Rn. 7.
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bzw. einer erforderlichen Vorprüfung im Einzelfall. § 44a VwGO bleibt unberührt. Das bedeutet, dass ein Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler nur im Rahmen des Rechtsbehelfes gegen die abschließende Sachentscheidung geltend gemacht werden kann. § 4 Abs. 1 UmwRG regelt, welche Verfahrensfehler rügefähig sind. Dabei kennt das UmwRG nur zwei Fehlerbilder, nämlich entweder das vollständige Fehlen der UVP oder das vollständige Fehlen der Vorprüfung des Einzelfalls. Beide werden damit zu absoluten Verfahrenfehlern erklärt: Aufgrund der Schutznormakzessorietät der Verbandsrechtsbehelfe gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG ist das Recht auf Durchführung einer erforderlichen UVP bzw. einer Einzelfallvorprüfung – vorbehaltlich der Möglichkeit zur Nachholung einer UVP bzw. Vorprüfung – als subjektives Recht zu qualifizieren und es besteht ein Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Verfahrensfehlers.304 Andere Verfahrensfehler, die einzelne Verfahrensschritte betreffen – man denke nur an die Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung – sind nicht rügefähig. Eine Besonderheit besteht hinsichtlich des Fehlens einer Vorprüfung im Einzelfall.305 Die Besonderheit ergibt sich aus die Regelung des § 3a Satz 4 UVPG. Danach ist in dem Fall, in dem ein Unterbleiben der UVP auf einer Vorprüfung im Einzelfall beruht, die Einschätzung der Behörde in einem gerichtlichen Verfahren nur darauf zu überprüfen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG, der die UVP-Pflicht im Einzelfall regelt, durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Auf diese Weise wird eine missliche Situation gelöst, die in der Konzeption des § 4 Abs. 1 UmwRG angelegt ist: Wird nämlich eine UVP aufgrund einer ablehnenden aber mangelhaft durchgeführten Vorprüfung des Einzelfalls nicht durchgeführt, führt dies nach § 4 Abs. 1 UmwRG dazu, dass wegen der Durchführung der Vorprüfung kein Fehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG vorliegt, zugleich aber auch kein Fehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG anzunehmen ist.306 Denn aufgrund der fehlerhaften Einschätzung der Behörde ist nach der Vorprüfung im Einzelfall keine UVP-Pflicht entstanden.307 Im Ergebnis würde trotz bestehender 303 So auch Martin Kment, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, NVwZ 2007, S. 274 (275). 304 Vgl. Jan Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, S. 259 (261). 305 Diesen Hinweis gibt auch Martin Kment, Das neue Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, NVwZ 2007, S. 274 (276). 306 Jan Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, S. 259 (267).
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UVP-Pflicht sanktionslos keine UVP durchgeführt werden, auch wenn bei der Einschätzung der Behörde im Rahmen des § 3c UVPG schwerste Anwendungsfehler unterlaufen sind. § 3a Satz 4 UVPG ermöglicht nunmehr die Überprüfung der Vorprüfung im Einzelfall. Er wurde mit dem Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz 2006 mit der Zielsetzung neu eingeführt, eine Beschränkung des Umfangs und der Dichte der gerichtlichen Kontrolle zu bewirken.308 Im Zusammenspiel mit § 4 UmwRG bewirkt er aber im Ergebnis eine Ausweitung des Rechtsschutzes, da § 4 UmwRG für sich genommen nur das Fehlerbild einer vollständig unterbliebenen Vorprüfung kennt, während § 3a Satz 4 UVPG einen Kontrollmaßstab für weitere rügefähige Verfahrensfehler nach § 3c UVPG definiert.309 Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG bleiben § 45 Abs. 2 VwVfG sowie andere entsprechende Heilungsvorschriften unberührt. Eine Klage hat daher keinen Erfolg, wenn der vorgebrachte Fehler im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG geheilt worden ist. Wurde also eine UVP mangelhaft durchgeführt, führt dies nicht zu einer Heilung, da kein beachtlicher Fehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG vorliegt. Allerdings ist für den Erfolg der Klage nicht länger der Nachweis erforderlich, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Dies stellt eine Neuerung zu der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG dar, nach der das Recht der UVP aufgrund seiner Einstufung als Verfahrensrecht keine selbstständig durchsetzbare Rechtsposition vermittelte, weil demnach die Erfüllung von Verfahrensvorschriften nicht einem Selbstzweck, sondern nur der besseren Durchsetzung von Umweltbelangen dient.310 Die Verfahrensregelungen der UVP konnten aufgrund dessen nur dann Drittschutz begründen, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre.311 Gestützt durch § 46 VwVfG führte diese Rechtsprechung dazu, dass auch bei der Unterlassung einer erforderlichen UVP die Zulassungsentscheidung nur dann aufgehoben wurde, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit bestand, dass die angegriffene Entscheidung ohne den 307 Christoph Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), UmweltR III, 2006, UVPG § 3a Rn. 5. 308 Begründung zum Gesetzesentwurf der BReg zum Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz v. 4.9.2006, BT-Drs 16/2494, S. 21. 309 Vgl. Martin Kment, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, NVwZ 2007, S. 274 (276). 310 Vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.1996 – 4 C 5/95, E 100, S. 238; BVerwG, Urt. v. 10.4.1997 – 4 C 5/96, E 104, S. 236 (242). 311 BVerwGE 100, 238, 251 ff.; BVerwGE 98, 339, 36 f.; BVerwGE 85, 368, 377 ff.
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Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Dies ändert nun § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG, indem er mit der Nichtdurchführung der UVP bzw. der Vorprüfung im Einzelfall wesentliche Verfahrensfehler beschreibt, die zu einer Aufhebung der Entscheidung führen, sofern die fehlende Maßnahme nicht nachgeholt und die Entscheidung damit geheilt wird. Auch die Möglichkeit zur Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens zur Heilung eines Verfahrensfehlers bleibt unberührt. § 4 UmwRG stellt eine spezialgesetzliche Regelung zu § 46 VwVfG dar, soweit ihr Regelungsgehalt reicht.312 Im Übrigen, das heißt insbesondere für leichtere Verfahrensfehler gibt es keine Sonderregelung; vielmehr bleibt es für diese Verfahrensfehler – z. B. wenn die Frist zur Auslegung von Unterlagen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung um einen Tag verkürzt wurde – weiterhin bei der Regelung des § 46 VwVfG bzw. spezielleren Vorschriften der einzelnen Fachgesetze.313 § 4 Abs. 3 UmwRG regelt schließlich eine entsprechende Anwendung der Absätze 1 und 2 für Rechtsbehelfe von Beteiligten im Sinne des § 61 Nr. 1 und 2 VwGO. Das bedeutet, dass die Aufhebung einer Entscheidung aufgrund von Verfahrensfehlern im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 UmwRG auch natürlichen und juristischen Personen und Vereinigungen nach der VwGO zusteht. Dadurch wird die Regelung über die Rügefähigkeit von Verfahrensfehlern auch auf sonstige Rechtsbehelfe nach der VwGO erstreckt, die von der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte abhängen.314 Anders als verschiedentlich diskutiert,315 bedeutet dies lediglich, dass neben Umweltschutzverbänden auch natürliche und juristische Personen sowie andere Vereinigungen rügefähig sind, allerdings nur soweit sie die Verletzung in eigenen Rechten geltend machen. Den nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltschutzvereinigungen steht diesbezüglich eine herausgehobene Rolle dahingehend zu, dass sie zwar auch nur Rechtsvorschriften rügen können, die Rechte Einzelner begründen, jedoch davon befreit sind, eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen. Insgesamt sind die Rügemöglichkeiten im Rahmen des UmwRG begrenzt. Mit dieser Konzeption erfüllt das Gesetz nicht den völker- und europarechtlich geforderten Zweck eines weiten Zugangs zu Gerichten. Eine effektive Verwirklichung des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit im Umweltrecht ist damit nicht gewährleistet. 312
BT-Drs 16/2494, S. 14. Ebd. 314 Ebd. 315 s. nur die Erklärungsversuche bei Jan Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, S. 259 (261); Martin Kment, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, NVwZ 2007, S. 274 (276). 313
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b) Fragen zur Völker- und Europarechtskonformität Das Völker- und das Europarecht drängen auf die Umsetzung eines weiten Zugangs zu Gerichten. Die deutsche Umsetzung aus dem Jahre 2006 hat diesbezüglich eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen und in der Vergangenheit zu heftigen Diskussionen geführt. aa) Rügebefugnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG Insbesondere die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG geregelte Rügebefugnis stand stark in der Kritik und es bestanden von Anfang an Zweifel an ihrer Europarechtskonformität.316 Maßgabe der Europarechtskonformität ist Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie 2003/35/EG bzw. der dadurch neu eingefügte Art. 10a UVP-Richtlinie 85/337/EWG, der wiederum die Vorgaben der Aarhus-Konvention aus Art. 9 Abs. 2 nahezu wortgleich umsetzt. Danach stellen die Mitgliedstaaten „im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht [. . .] haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen [. . .] anzufechten [. . .]“. Und weiter heißt es in Absatz 3: „Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation [. . .] als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a) dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b) dieses Artikels verletzt werden können“. Die Bejahung der Europarechtskonformität, insbesondere durch die Bundesregierung ging maßgeblich zurück auf die Argumentation eines diesbezüglichen Rechtsgutachtens von Thomas v. Danwitz317. Darin wurde vor al316 Vgl. insbesondere Jan Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, S. 259; Martin Kment, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, NVwZ 2007, S. 274 (277); Wolfgang Ewer, Ausgewählte Rechtsanwendungsfragen des Entwurfs für ein Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NVwZ 2007, 267; Hans-Joachim Koch, Die Verbandsklage im Umeltrecht, NVwZ 2007, 369. 317 Rechtsgutachten von Thomas v. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzver-
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lem auf einen den Mitgliedstaaten insoweit eingeräumten Gestaltungsspielraum abgestellt. Die Klagebefugnis von Umweltverbänden könne auf die Geltendmachung individueller Rechte beschränkt werden, wobei diese Rechte den Verbänden qua Fiktion des Absatzes 3 a. E. zuzuordnen seien. Thomas v. Danwitz interpretierte damit die Fiktionsregelung dahingehend, dass den Verbänden nur diejenigen Rechte eingeräumt werden müssten, die auch den Einzelnen eingeräumt würden; eine Privilegierung der Nichtregierungsorganisationen gegenüber Individualklägern sei nicht erforderlich. Richtig ist, dass die Buchstaben a) und b) berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten den Zugang zu Gerichten von deutlich unterschiedlichen Anforderungen abhängig machen: Sowohl das Modell der Interessenklage als auch das deutsche Modell der Rechtsverletzung, sind insoweit konventionsund europarechtskonform. Die nähere Bestimmung dessen, was als ‚ausreichendes Interesse‘ und als ‚Rechtsverletzung‘ gelten soll, obliegt den Mitgliedstaaten. Allerdings ist dieser Gestaltungsspielraum „im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren“ zu erfüllen. Und eben zu diesem Zweck – nämlich der Gewährung eines weiten Gerichtszugangs – gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation als ausreichend bzw. gelten derartige Organisationen auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Buchstabe b) verletzt sein können. Unmissverständlich ordnet die Richtlinie durch diese Fiktionsregelung an, dass die Mitgliedstaaten die satzungsmäßigen Interessen der entsprechenden Nichtregierungsorganisationen als ‚ausreichendes Interesse‘ akzeptieren müssen, wenn sie in ihrem Rechtssystem die Interessenklage vorsehen. Dementsprechend müssen aber auch die Mitgliedstaaten, die den Zugang zu Gerichten von dem Erfordernis einer Rechtsverletzung abhängig machen, diesen Nichtregierungsorganisationen eine Rechtsträgerschaft qua Fiktion für ihre satzungsmäßigen Aufgaben einräumen. Die Nichtregierungsorganisationen sind also zumindest im Sinne einer Fiktion eigene Rechtsträger, wenn dies nach dem nationalen Recht eine prozessuale Voraussetzung für den Zugang zu Gerichten darstellt.318 Damit will Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention und wortgleich Art. 10a UVP-Richtlinie eine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/35/EG und der so genannten AarhusKonvention, erstattet für die Vereinigung der deutschen Elektrizitätswirtschaft e. V., Oktober 2005. 318 Vgl. Martin Gellermann, Europäisierte Klagerechte anerkannter Umweltverbände, NVwZ 2006, S. 7 (9); Felix Ekard/Katharina Pöhlmann, Europäische Klagebefugnis: Öffentlichkeitsrichtlinie, Klagerechtsrichtlinie und ihre Folgen, NVwZ 2005, S. 532; Thomas Bunge, Rechtsschutz bei der UVP nach der Richtlinie 2003/35/EG, ZUR 2004, 141 (143); Frank Niederstadt/Ruth Weber, Verbandsklage zur Geltendmachung von Naturschutzbelangen bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen, NuR 2009, 297 (301); vgl. auch Matthias Schmidt-Preuß, Gegenwart und Zukunft des Verfahrensrechts, NVwZ 2005, 489 (495).
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rechtstechnisch gerade etwaigen Einwänden begegnen, nach denen das nationale Recht in seinem Prozessrecht eine Verfahrensposition zugunsten von Nichtregierungsorganisationen nicht vorsieht.319 Durch die Fiktionsregel wird dem Gesetzgeber des Mitgliedstaates die Befugnis zur abweichenden Regelung gerade entzogen – die Nichtregierungsorganisationen sollen offensichtlich gegenüber Individualklägern privilegiert werden.320 Das missachtete ‚Interesse‘ der Nichtregierungsorganisation wird vollständig als Rechtsverletzung fingiert.321 Dies entspricht auch der ‚natürlichen‘ Lesart von Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention, der nach Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜV) nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen ist. Unter Heranziehung von Art. 32 WÜV, wonach auch ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere die Vorarbeiten und die Umstände des Vertragsschlusses Berücksichtigung finden können, kann man sicherlich auch das Argument gelten lassen, dass die Vertragsstaaten der Aarhus-Konvention bei den Verhandlungen – darunter Deutschland – es bewusst offen gelassen haben, als Träger welcher Rechte die Nichtregierungsorganisationen gelten sollen, um hier bei der Umsetzung schließlich allein auf subjektive Rechte abstellen zu können. In der Tat belegt die rekonstruierbare Entstehungsgeschichte, dass Deutschland zunächst auf der Beibehaltung der deutschen Schutznormtheorie beharrte, während die Vertreter der EU-Kommission dagegen unbedingt, jedenfalls für die Nichtregierungsorganisationen die Interessenklage durchsetzen wollten.322 Der in den Verhandlungen gefundene Kompromiss ist in der Fiktionsregelung in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 3 der Aarhus-Konvention und wortgleich in Art. 10a Abs. 3 Satz 3 UVPRichtlinie niedergelegt. Es wurde die Konstruktion eines objektiven Bean319
So auch Jörg Berkemann, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) auf dem gemeinschaftsrechtlichen Prüfstand – Vorlagebeschluss des OVG Münster vom 5. März 2009 und Urteil des OVG Schleswig vom 12. März 2009, NordÖR 2009, S. 336 (342). 320 So auch Ralf Alleweldt, Verbandsklage und gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern: neue Entwicklungen im Umweltrecht, DÖV 2006, S. 621 (626); Martin Gellermann, Europäisierte Klagerechte anerkannter Umweltverbände, NVwZ 2006, S. 7 (8). 321 Christian Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts – am Beispiel der Aarhus-Konvention, EuR 40 (2005), S. 302 (321). 322 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Wolfgang Durner, Drittwirkung europäischer Verbandsklagerechte?, ZUR 2005, S. 285 (289); Thomas v. Danwitz, Aarhus-Konvention: Umweltinformation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Zugang zu Gerichten, NVwZ 2004, S. 272 (279).
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standungsverfahrens gefunden, das das deutsche System nicht grundsätzlich in Frage stellt. Unerwähnt sollte an dieser Stelle auch nicht bleiben, dass der Referentenentwurf des UmwRG vom 21.2.2005 eine Begrenzung auf rügefähige Rechtsvorschriften, die Rechte Einzelner begründen, nicht enthielt. Erst die Begründung zum Gesetzesentwurf vom 4. September 2006 – also eine Legislaturperiode später – enthielt die Beschränkung der Rügebefugnis auf die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte.323 Dabei lag dem federführenden Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ein Schreiben des Vorsitzenden des SRU vom 31. Oktober 2006 vor, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die im Gesetzesentwurf vorgesehene Einschränkung auf das Kriterium des Individualrechtsschutzes jedenfalls nicht der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie entspreche.324 In Bezug auf Ziel und Zweck der Aarhus-Konvention sowie der sie umsetzenden EU-Richtlinien, muss nicht nur die Vorgabe, einen weiten Zugang zu Gericht gewährleisten zu müssen unterstrichen werden, sondern ebenso die Beachtung der maßgeblichen generellen Zielsetzungen der Aarhus-Konvention, die sich aus ihrer Präambel ergeben und die das Erfordernis eines weiten Gerichtszugangs bestätigen. So kommt in zahlreichen Erwägungsgründen der Präambel zur Aarhus-Konvention unter anderem unter Verweis auf die Erklärung von Rio, die Zielsetzung einer am Vorsorgeprinzip und der Nachhaltigkeit orientierten Entwicklung zum Ausdruck, zu deren Erreichung die Öffentlichkeit und ihre Organisationen eine unabdingbare Rolle spielen. So wird beispielsweise in Erwägungsgrund Nr. 5 die Notwendigkeit bekräftigt, „den Zustand der Umwelt zu schützen, zu erhalten und zu verbessern und eine nachhaltige und umweltverträgliche Entwicklung zu gewährleisten“. Nach Erwägungsgrund Nr. 7 hat jeder Mensch „sowohl als Einzelperson als auch in Gemeinschaft mit anderen die Pflicht [. . .], die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern“, und Erwägungsgrund Nr. 13 hebt die „wichtige Rolle [hervor], die einzelne Bürger, nichtstaatliche Organisationen und der private Sektor im Umweltrecht spielen können“. Erwägungsgrund Nr. 18 betont dann das Anliegen, „dass die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen haben soll, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird“. Hier ist besonders bedeutsam, dass die ‚Durchsetzung des Rechts‘ als Anliegen der Konvention genannt wird. Als logische Schlussfolgerung ist in diesem Sinne als Recht das objektive Recht zu verstehen, dass es als Mehr zu den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit, 323
BT-Drs 16/2495, S. 12. Schreiben von Hans-Joachim Koch, teilweise abgedruckt in der zu Protokoll gegebenen Erklärung der Abgeordneten Kotting-Uhl, in: Plenarprotokoll vom 8.11.2006, S. 6264 (D). 324
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einschließlich Organisationen, durchzusetzen gilt. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die Stoßrichtung der Aarhus-Konvention insgesamt zu berücksichtigen: Durch ihre drei Säulen, dem Zugang zu Umweltinformationen, der Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und dem Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten soll – dem europäischen Konzept einer informierten Öffentlichkeit entsprechend – der Bürger seine Rolle zur Durchsetzung des Umweltrechts wahrnehmen.325 Bestätigung findet diese europarechtliche Zielsetzung in dem Vorschlag der Kommission zu einer Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten326, der, in Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention, in seinem Regelungsgehalt noch weitergehende Klagerechte vorsieht. Der EU-Kommission geht es um die effektive Umsetzung des europäischen Umweltrechts, die nur im Wege einer dezentralen Vollzugskontrolle durch den Bürger zu gewährleisten ist. Dies zeigt, dass auch der breitere Kontext, namentlich die sich am internationalen und europäischen Umweltrecht manifestierende Rechtsentwicklung hin zu einer verstärkten Einbeziehung der Öffentlichkeit, bei dieser Betrachtung nicht außer Acht gelassen werden darf. Denn dann wird deutlich, dass die durch das internationale und europäische Umweltrecht eingeräumten Informations- und Beteiligungsrechte sowie die diesbezüglichen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht auf die dem Individualschutzprinzip dienenden Vorschriften zu beschränken sind, deren Verletzung zu Beeinträchtigungen von Leben, Gesundheit und Eigentum führen und die dadurch subjektive Abwehrrechte oder Schutzansprüche auslösen können. Vielmehr müssen auch solche Vorschriften erfasst werden, die auf den Schutz vor Einwirkungen abzielen, die zu keinen kurzfristigen Rechtsgutsverletzungen, sondern nur langfristig zu einer Schädigung oder Zerstörung der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlage des Menschen führen.327 Die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG aus dem Jahre 2006 verletzt nicht nur Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention sowie Art. 10a der UVPRichtlinie, sondern steht auch im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 191 Abs. 2 AEUV. Diese schreiben die Zielsetzung eines hohen Maßes an Umweltschutz und eine Verbesserung der Umweltqualität, beruhend auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung fest. Es ist nicht ersichtlich, 325 Zu dieser Schlussfolgerung kommt auch Hans-Joachim Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369 (376). 326 KOM (2003) 624 endgültig v. 24.10.2003; der Vorschlag scheiterte an der Zustimmung durch die Mitgliedstaaten. 327 Mit dieser Einschätzung auch Wolfgang Ewer, Ausgewählte Rechtsanwendungsfragen des Entwurfs für ein Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NVwZ 2007, S. 267 (272).
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wie diese Zielsetzung mit einer Regelung wie der des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG erreicht werden soll, die lediglich eine Rüge von Umweltnormen gestattet, die auch Rechte Einzelner begründen und die im Zweifel auch stets schon von den betroffenen Einzelnen gerügt werden. Auf diese Weise bleibt die Kontrolle des Vollzugs von Umweltschutzvorschriften für weite Teile des Umweltrechts unmöglich. Dies erscheint schwerlich mit dem Grundsatz der Effektivität des Europarechts vereinbar.328 Auch die dienende Rolle der Rechtsschutzvorschriften zur Verwirklichung des materiellen Rechts ist zu berücksichtigen: Mit Blick auf Vorschriften des allgemeinen Prozessrechts stellt das BVerfG insoweit nicht allein auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. GG ab, sondern misst die Frage der Ausgestaltung, Auslegung und Anwendung von Vorschriften des Prozessrechts auch daran, ob diese geeignet sind, eine hinreichende Beachtung des durch sie durchzusetzenden materiellen Verfassungsrechts, insbesondere der Grundrechte, zu gewährleisten.329 Übertragen auf das Umweltrecht bedeutet dies, dass wenn in Richtlinien, wie beispielsweise der UVP-Richtlinie, an den Regeln der Aarhus-Konvention orientierte Rechtsvorschriften aufgenommen werden, die Mitgliedstaaten sich nicht auf die Frage beschränken dürfen, ob die zur Umsetzung vorgesehenen nationalen Rechtsschutzvorschriften – hier das UmwRG – den allgemeinen Zielen der Aarhus-Konvention genügen, sondern der Maßstab der Zielkonformitätsprüfung die mit der fachrechtlichen Richtlinie verfolgten Ziele sein müssen. So sollte geprüft werden, ob die zur Umsetzung von Art. 10a der UVP-Richtlinie vorgesehenen nationalen Rechtsvorschriften so beschaffen sind, das die Ziele, die der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Statuierung einer entsprechenden Rechtsschutzregelung gerade in der UVP-Richtlinie verfolgt, erreichbar sind.330 Ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 1 der Richtlinie 328 So die Rspr. des EuGH zum Verhältnis zwischen Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten und der Effektivität des Gemeinschaftsrechts s. etwa EuGH Urteile v. 16.12.1976 – Rs. 33–76 (Rewe) –, Slg. 1976, S. 1989; v. 16.12.1976 – Rs. 45–76 (Comet) –, Slg. 1976, S. 2043; v. 14.12.1995 – C-312/93 (Peterbroek) –, Slg. 1995, I-4599; v. 20.9.2001 – C-453/99 (Courage Ltd.) –, Slg. 2001, I-6297; v. 9.3.2004 – C-397/01 u. a. (Pfeiffer)-, Slg. 2004, I-8835; v. 13.3.2007 – C-432/05 (Unibet) –, Slg. 2007, I-2271; v. 7.6.2007 – C-222/05 u. a. (Van der Weerd) –, Slg. 2007, I-4233; v. 15.4.2008 – C-268/06 (Impact) –. 329 Vgl. zum Grundrechtsschutz durch die Ausgestaltung und Anwendung des Verfahrensrechts BVerfG, NJW 2005, S. 1765 f.; BVerfGE 55, 181 (182); vgl. auch Wolfgang Ewer, Beschränkung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe – Zulässiges und geeignetes Mittel zur Beschleunigung behördlicher und gerichtlicher Verfahren?, NVwZ 1994, S. 140 (141) mit Beispielen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 330 Zu dieser Argumentation s. Wolfgang Ewer, Ausgewählte Rechtsanwendungsfragen des Entwurfs für ein Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NVwZ 2007, S. 267 (272).
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gehört zuvorderst das Vorsorgeprinzip zu den Zielen dieser Richtlinie. Diesem sollte durch die Einräumung entsprechender Rechtsschutzmöglichkeiten im Sinne von Art. 10a UVP-Richtlinie zur Geltung verholfen werden. Dagegen bleibt bei Anwendung einer schutznormakzessorischen Konzeption, wie der des UmwRG aus dem Jahre 2006 nahezu der gesamte Vorsorgebereich einer gerichtlichen Kontrolle durch die Öffentlichkeit entzogen. Dies ist mit der maßgeblich auf Nachhaltigkeit gerichteten Zielsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht vereinbar.331 Das Ziel der Erweiterung des Kreises der rügefähigen Normen auf solche des objektiven, gemeinwohlorientierten Umweltrechts wird verfehlt. Dazu zählen beispielsweise Vorschriften des Klimaschutzes, die ausschließlich dem Allgemeininteresse an der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlage dienen. So wird die Chance auf eine verbesserte Durchsetzung eben dieser Normen im Wege einer dezentralen Vollzugskontrolle durch die Öffentlichkeit in Gestalt der Umweltschutzverbände vertan. bb) Rechtsbehelfe gegen Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG Zweifel an der Europarechtskonformität sind auch hinsichtlich des Kontrollumfangs nach § 4 Abs. 1 UmwRG angebracht, der sich lediglich auf die zwei Fehlerbilder des vollständigen Unterbleibens der UVP bzw. der Vorprüfung im Einzelfall erstreckt.332 Abgesehen von der erweiterten Prüfung nach § 3a Satz 4 UVPG sind andere wichtige Verfahrensschritte gerichtlich nicht überprüfbar. Maßgeblich für die Europarechtskonformität ist wiederum Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie 2003/35/EG der Art. 10a der UVPRichtlinie ändert. Dieser fordert ausdrücklich Zugang zu Gericht, „um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen [. . .] anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten“. Es obliegt den Mitgliedstaaten festzulegen, „. . . in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen [. . .] angefochten werden können“, womit jedenfalls die deutsche Regelung der Anfechtbarkeit von Verfahrensfehlern nur gleichzeitig mit der Sachentscheidung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 UmwRG i. V. m. § 44a VwGO den Vorgaben des Europarechts entsprechen dürfte. 331 So schlussfolgert auch Wolfgang Ewer, Ausgewählte Rechtsanwendungsfragen des Entwurfs für ein Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NVwZ 2007, S. 267 (274). 332 Mit dieser Einschätzung auch Martin Kment, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, NVwZ 2007, S. 274 (277); Jan Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, S. 259 (264).
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Die Zulässigkeit einer Beschränkung der Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf bestimmte Fehlertypen kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Allerdings ist der Regelung auch nicht zu entnehmen, wann ein Verfahrensfehler als beachtlich einzustufen ist. Zwar fordert auch das Gemeinschaftsrecht nicht, dass Verfahrensfehler stets beachtlich sind und zu einer Aufhebung der Sachentscheidung führen müssen. Allerdings legt der EuGH bei der Bestimmung ‚wesentlicher‘ Verfahrensvorschriften grundsätzlich einen engen Prüfungsmaßstab an.333 Danach sind insbesondere Verfahrensvorschriften, die dem Schutz des Einzelnen dienen oder solche, die die gerichtliche Nachprüfbarkeit ermöglichen oder verbessern sollen, als wesentlich einzustufen.334 Dies ist, auch im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz insbesondere für die nach dem UmwRG von der Beachtlichkeit ausgenommen Beteiligungsregeln des §§ 9–9b UVPG anzunehmen. Denn diese wollen gerade den Einfluss der Öffentlichkeit auf die Entscheidung – welcher maßgeblich durch die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG ausgedehnt wurde – sicherstellen. So heißt es im 3. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/35/EG: „Eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit bei Entscheidungen ermöglicht es einerseits der Öffentlichkeit, Meinungen und Bedenken zu äußern, die für diese Entscheidung von Belang sein können, und ermöglicht es andererseits auch den Entscheidungsträgern, diese Meinungen und Bedenken zu berücksichtigen; dadurch wird der Entscheidungsprozess nachvollziehbarer und transparenter, und in der Öffentlichkeit wächst das Bewusstsein für Umweltbelange sowie die Unterstützung für die getroffene Entscheidung“. Dies zeigt die Funktionen und verdeutlicht das Gewicht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber der Öffentlichkeitsbeteiligung beimisst. Eine mangelhafte Anwendung der diesbezüglichen Vorschriften ist nach der deutschen Umsetzung durch das UmwRG an keine Sanktionen gebunden und die Effektivität der Beteiligung so keiner Kontrolle unterworfen. In der deutschen Rechtsprechung wurde die Frage einer erweiterten Auslegung des § 4 Abs. 1 UmwRG bisher unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift abgelehnt335 bzw. mangels Entscheidungserheblichkeit336 offen gelassen. Interessant ist insoweit ein Urteil des VGH Kassel der sich in seiner Entscheidung vom 24.9.2008337 trotz Entscheidungsunerheblichkeit für den konkreten Fall zur Anwendung des UmwRG bei Fehlern im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung äußerte. Die Klägerin, eine Einzelperson aus der Nachbarschaft, erhob Drittanfechtungsklage und machte 333
EuGH Slg. 1979 I-461 Rn. 4 ff. EuGH ebd.; s. auch Schweitzer/Hummer, Europarecht, 2003, Rn. 485. 335 OVG Münster, Beschluss v. 15.9.2008 – 8 B 900/08, Rn. 35 (juris); VG Leipzig, Beschluss v. 12.7.2007 – 6 K 419/07, NVwZ 2008, S. 346. 336 VGH Kassel, Urt. v. 24.9.2008 – 6 C 1600/07.T. 337 Ebd. 334
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insbesondere eine fehlerhafte Durchführung der UVP wegen Unterschreitung der Mindestanforderungen an die für die Durchführung der UVP vorzulegenden Antragsunterlagen, Unterlassen eines Scoping-Termins zur Prüfung des Untersuchungsrahmens sowie die fehlende Berücksichtigung der Umweltauswirkungen geltend. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das Gericht die Klage mit der Begründung abwies, dass keiner der beiden in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Fehler vorliege, da die Behörde eine bestehende UVPPflicht erkannt und eine UVP durchgeführt habe. „Für einen weitergehenden Anspruch auf Aufhebung der Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – allein – wegen Verfahrensmängeln, die der Behörde bei der Vorprüfung oder bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung unterlaufen sein mögen, bietet das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz keine Grundlage“.338 Für diese Feststellung verweist das Gericht im Folgenden nicht nur auf den Wortlaut der Bestimmung, sondern auch auf ihre Entstehungsgeschichte. Seitens der Bundesregierung war nämlich zunächst vorgesehen, die beiden in der aktuellen Fassung des § 4 Abs. 1 UmwRG normierten Fehlerbilder lediglich als Regelbeispiele einklagbarer UVP-Fehler aufzunehmen, was aber an der Intervention des Bundesrates scheiterte und zu der heute gültigen Fassung führte. Dies mache deutlich, so das Gericht, dass eine erweiterte Auslegung gerade nicht gewünscht sei. Zur Frage der Europarechtskonformität der Beschränkung der Rügefähigkeit auf die vollständige Nichtdurchführung einer UVP oder einer Vorprüfung im Einzelfall legte das Gericht zunächst die Vorgaben aus Art. 10a der UVP-Richtlinie dar und führt dann diesbezüglich aus: „Ob dieser Verpflichtung durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in ausreichendem Umfang entsprochen wurde, könnte allenfalls deshalb in Zweifel gezogen werden, weil durch die Begrenzung der Anfechtbarkeit auf das (vollständige) Unterbleiben der Vorprüfung oder Umweltverträglichkeitsprüfung ggf. auch schwerwiegende Fehler bei der Durchführung der Vorprüfung oder der Umweltverträglichkeitsprüfung, die die Rechtsverfolgung der Umweltvereinigungen oder der betroffenen Einzelpersonen in erheblicher Weise einschränken oder schmälern könnten (vor allem Mängel im Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 9–§ 9b UVPG), von der Anfechtung ausgeschlossen werden“.339 Für die vorliegende Entscheidung, so das Gericht weiter, habe diese Problematik jedoch keine Bedeutung, da die Klägerin keine Mängel in diesem Sinne geltend mache. Für ein durch die Klägerin in diesem Kontext angeregtes Vorlageverfahren sah das Gericht keinen Raum.340 Eine Klärung durch den EuGH, wie Art. 10a der UVPRichtlinie diesbezüglich auszulegen ist, wäre allerdings wünschenswert.341 338 339 340
Ebd., Rn. 46 (juris). VGH Kassel, Urt. v. 24.9.2008 – 6 C 1600/07.T, Rn. 56 (juris). Ebd., Rn. 59.
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cc) Verfahren zur Überprüfung der Europa- und Völkerrechtskonformität Die oben dargelegten Schwierigkeiten bei der Umsetzung der europaund völkerrechtlichen Vorgaben im deutschen Recht haben bereits zu Überprüfungsverfahren hinsichtlich der Europa- und Völkerrechtskonformität der deutschen Regelungen angestoßen. Im Zentrum der Kritik steht die Beschränkung der Rügebefugnis von Umweltschutzverbänden auf subjektiv-öffentliche Rechte. Hervorzuheben ist der Vorlagebeschluss des OVG Münster zur Auslegung der europarechtlichen Vorgaben betreffend § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG (2006) und das dazu ergangenen Urteil des EuGH im Fall „Trianel Kohlekraftwerk Lünen“ vom 12. Mai 2011 [dazu (1)]. Des Weiteren sind Beschwerdeverfahren von Umweltschutzverbänden vor der Europäischen Kommission [dazu (2)] sowie vor dem Compliance Committee der Aarhus-Konvention anhängig [dazu (3)]. (1) Der Vorlagebeschluss des OVG Münster im Fall „Trianel Kohlekraftwerk Lünen“ und das dazu ergangene Urteil des EuGH vom 12. Mai 2011 Das UmwRG aus dem Jahre 2006 warf, wie bereits oben gezeigt, einige schwierige Rechtsfragen auf, die auch bereits Gegenstand der Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte waren.342 Anders als das OVG Lüneburg, das einige Monate zuvor mit Beschluss vom 7. Juli 2008 keinerlei Bedenken an der Vereinbarkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG mit dem Europarecht entdecken konnte und mit erstaunlicher Unbekümmertheit Art. 10a der UVP-Richtlinie dahingehend verstand, dass der deutsche Gesetzgeber von den alternativ offerierten prozessualen Umsetzungsmöglichkeiten korrekt diejenige wählte, die es erlaube, den Zugang zu Gerichten von der Verletzung subjektiv-öffentlicher Normen abhängig zu machen, legte der 8. Senat des OVG Münster mit Beschluss vom 5. März 2009343 diese Frage dem EuGH vor344. In dem vom OVG Münster zu entscheidenden Fall beabsichtigte die Beigeladene Trianel Kohlekraftwerk Lünen GmbH & Co. KG die Errichtung 341 Nunmehr möglicherweise durch den Vorlagebeschluss des BVerwG v. 10.1.2012 – 7 C 20/11. 342 s. insb. OVG Lüneburg, Beschluss v. 7.7.2008 – 1 ME 131/08; OVG Koblenz; VG Bremen, Urt. v. 29.11.2007 – 5 K 565/07, hier ging es insb. um die Abgrenzung der Umweltverbandsklage des UmwRG von derjenigen des § 61 BNatSchG. 343 OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2009 – 8 D 58/08.AK. 344 EuGH, Vorabentscheidungsersuchen v. 27.3.2009 – C 115/09, ABl v. 20.06. 2009, Nr. C 141/26.
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und den Betrieb eines Steinkohlekraftwerks, das der UVP-Pflicht unterlag.345 In einer Entfernung von bis zu 8 km zu dem Vorhabenstandort befanden sich fünf Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiete. Am 6. Mai 2008 erteilte die Beklagte Bezirksregierung Arnsberg der Beigeladenen einen Vorbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass gegen den Standort des Vorhabens keinerlei rechtliche Bedenken bestünden. Zudem erließ sie eine erste Teilgenehmigung. Am 16. Juni 2008 erhob der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Nordrhein-Westfalen e. V., Klage gegen den Vorbescheid und die erste Teilgenehmigung. Der BUND machte formelle und materielle Fehler des Vorbescheids und der Teilgenehmigung geltend und beantragte deren Aufhebung. Er legte im Detail dar, gegen welche immissionsschutzrechtlichen Schutz- und Vorsorgenormen sowie wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Vorgaben das Vorhaben verstoße. Der 8. Senat des OVG Münster war der Ansicht, dass die klagende Umweltschutzvereinigung bei Zugrundelegung der innerstaatlichen Rechtslage, die der Senat mit Bezug auf §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Einzelnen darlegte, nicht die Verletzung wasserrechtlicher und naturschutzrechtlicher Vorgaben sowie des Vorsorgegrundsatzes aus § 5 Abs. Satz 1 Nr. 2 BImSchG rügen könne. Denn weder die Vorschriften des Wasser- und Naturschutzrechts noch der Vorsorgegrundsatz begründeten Rechte Einzelner im Sinne des einschlägigen § 2 Abs. 1. Nr. 1 UmwRG.346 § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG sei grundsätzlich allein objektiv-rechtliche Bedeutung beizumessen, da seine Zielsetzung die Risikovorsorge sei. Diese aber geschehe im allgemeinen Interesse und nicht zu dem Zweck, um an sich zumutbare Lebensverhältnisse für die Nachbarn risikoloser oder angenehmer zu gestalten.347 Überdies ließe sich im Hinblick auf die von der Vorsorge erfassten Fernwirkungen der Kreis der potentiell Betroffenen nur schwerlich eingrenzen, was ebenfalls einen Drittschutz grundsätzlich ausschließe. Auch die wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Vorschriften dienten vorrangig dem Wohl der Allgemeinheit und nicht dem Schutz der Rechtsgüter Einzelner.348 Die Klage hätte nach Ansicht des Senats nur dann Erfolg, wenn Art. 10a UVP-Richtlinie Nichtregierungsorganisationen über die Gewährleistung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG hinaus das unmittelbare Recht vermittele, vor Gericht auch die Verletzung solcher Umweltvorschriften geltend zu machen, die allein den Interessen der Allgemeinheit und nicht zumindest auch dem Schutz der Rechtsgüter Einzelner zu dienen bestimmt seien.349 345 346 347 348 349
s. zum Sachverhalt OVG Münster – 8 D 58/08.AK, Rn. 1 ff. OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2009 – 8 D 58/08.AK, Rn. 28 f. Ebd., Rn. 34. Ebd., Rn. 35. Ebd., Rn. 37.
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Das OVG Münster legte dem EuGH dementsprechend die Fragen zur Entscheidung vor,350 ob Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG verlange, dass Nichtregierungsorganisationen die Verletzung aller für die Zulassung des Vorhabens maßgeblichen Umweltvorschriften geltend machen können, also auch die Verletzung solcher Vorschriften, die allein den Interessen der Allgemeinheit und nicht zumindest auch dem Schutz der Rechtsgüter Einzelner zu dienen bestimmt seien. Zudem fragte das Gericht für den Fall, dass die erste Frage nicht uneingeschränkt zu bejahen sei, ob Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG verlange, dass Nichtregierungsorganisationen die Verletzung solcher für die Zulassung des Vorhabens maßgeblicher Umweltvorschriften geltend machen könnten, die unmittelbar im Gemeinschaftsrecht gründen oder die gemeinschaftliche Umweltvorschriften in das innerstaatliche Recht umsetzten, also auch die Verletzung solcher Vorschriften, die allein den Interessen der Allgemeinheit und nicht zumindest auch dem Schutz der Rechtsgüter Einzelner zu dienen bestimmt seien. Für den Fall, dass die zweite Frage grundsätzlich zu bejahen sei fragte das Gericht, ob die gemeinschaftlichen Umweltvorschriften bestimmte inhaltliche Anforderungen erfüllen müssten, um rügefähig zu sein und für den Fall, dass auch dies zu bejahen sei, um welche inhaltlichen Anforderungen (z. B. unmittelbare Wirkung, Schutzzweck, Zielsetzung) es sich dabei handele. Hintergrund der ersten beiden Fragen waren folgende Erwägungen des Senats: Nach seiner Ansicht widersprach die vom deutschen Gesetzgeber bei der Umsetzung des Art. 10a UVP-Richtlinie gewählte Interpretation zwar nicht dem Wortlaut der Richtlinie, jedoch hegte er Zweifel, ob die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Interpretation auch einer „funktionalen Betrachtung der Richtlinienbestimmung“ standhalten würde.351 Dieser funktionalen Betrachtung legte er folgende Gesichtspunkte zugrunde: erstens die in Art. 3 Abs. 3 EUV normierte Aufgabe der Gemeinschaft, ein hohes Maß an Umweltschutz und die Verbesserung der Umweltqualität zu fördern sowie das Ziel eines hohen Schutzniveaus aus Art. 191 Abs. AEUV. Zweitens legte er Art. 2 Abs. 1 i. V. m. dem 11. Erwägungsgrund der UVP-Richtlinie zugrunde, wonach die Umweltauswirkungen mit Rücksicht auf die Bestrebungen beurteilt werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, durch eine Verbesserung der Umweltbedingungen zur Lebensqualität beizutragen, für die Erhaltung der Artenvielfalt zu sorgen und die Reproduktionsfähigkeit des Ökosystems als Grundlage allen Lebens zu erhalten. Drittens zog er Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2003/35/EG heran, wonach die umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit bei umweltrelevanten Vorhaben im Sinne der UVP-Richtlinie darauf abzielt, den Entschei350 Ebd., Tenor; EuGH Vorabentscheidungsersuchen, C-115/09, ABl v. 20.06. 2009, Nr. C 141/26. 351 OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2009 – 8 D 58/08.AK, Rn. 47 ff.
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dungsprozess nach außen nachvollziehbarer und transparenter zu machen; dadurch wachse in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für Umweltbelange sowie die Unterstützung für die getroffenen Entscheidungen. Die UVPRichtlinie in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG ziele danach auf die Verbesserung des Vollzugs, der Durchsetzung und – insbesondere mit Art. 10a – der Kontrolle gemeinschaftlicher Umweltvorschriften durch die Einbindung einer für Umweltbelange sensibilisierte Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess. Die effektive Verwirklichung dieser Ziele durch die innerstaatliche Regelung sei deshalb Bedenken ausgesetzt, weil eine Beschränkung des Klagerechts von Nichtregierungsorganisationen auf die Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte im Lichte des Gebots der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts die Kontrolle des Vollzugs eines weiten Teils des Umweltrechts praktisch unmöglich mache. Sollten diese Zweifel durch den EuGH bestätigt werden, so fragte der Senat weiter, welche weiteren Umweltvorschriften unter Effektivitätsgesichtspunkten zusätzlich in das Klagerecht einbezogen werden müssten.352 Hier führt der Senat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bezüglich der Rügefähigkeit solcher Richtlinien an, die bei umfassender Umsetzung der Richtlinie allein aufgrund ihrer Schutzrichtung auf die Gesundheit von Menschen, dem Einzelnen ein Klagerecht vermitteln sollen.353 Die Betroffenen müssten – so die Rechtsprechung des EuGH – „in allen Fällen, in denen die Nichtbeachtung der Maßnahmen, die in Richtlinien über die Qualität der Luft und des Trinkwassers zum Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit vorgegeben werden, die Gesundheit von Personen gefährden könnten, in der Lage sein, sich auf die in diesen Richtlinien enthaltenen zwingenden Vorschriften zu berufen“. Mit dem zwingenden Charakter, den Art. 288 Abs. 3 AEUV der Richtlinie verleiht, wäre es unvereinbar, auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann.354 Demnach könne – so der Senat – „der Begriff der ‚Rechte Einzelner‘ in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 UmwRG erweiternd und gemeinschaftskonform dahingehend ausgelegt werden, dass – neben den Fällen der unzureichenden Umsetzung einer Richtlinie – solche hinreichend genauen und inhaltlich unbedingten Richtlinienbestimmungen erfasst werden, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen und deren Nichtbeachtung die Gesundheit von Personen gefährden 352
OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2009 – 8 D 58/08.AK, Rn. 55 ff. Vgl. etwa EuGH, Urteile v. 25.7.2008 – C-237/07, Janecek; v. 30.3.1991 – C-361/88, Kommission gegen BRD, Slg. 1991, I-2567; v. 12.12.1996 – C-298/95, Kommission gegen BRD, Slg. 1996, I-6747. 354 Vgl. z. B. EuGH, Urteile v. 14.12.1995 – C-312/93, Peterbroek, Slg. 1995, I-4599; v. 9.3.2004 – C-397/01 u. a. Pfeiffer, Slg. 2004, I-8835; v. 25.06.2008 – C-237/07, Janecek –. 353
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könnte“.355 Weiter hält es der Senat für denkbar, „dass die Gemeinschaftsordnung aus Gründen der praktischen Wirksamkeit jedenfalls Nichtregierungsorganisationen, die nach ihrem Selbstverständnis als Sachwalter umweltbezogener Allgemeininteressen und -güter auftreten, ein Klagerecht auch bezüglich solcher im Gemeinschaftsrecht gründender Umweltvorschriften verleiht, die – wie etwa die Erhaltung der Natur und der biologischen Vielfalt dienenden Vorschriften – nach ihrem Schutzzweck einen Individualbezug nicht aufweisen“.356 Im Ergebnis könnten Nichtregierungsorganisationen folglich – so der Senat – die Verletzung aller gemeinschaftlichen Umweltvorschriften klageweise geltend machen.357 Für diese Annahme spreche, dass das Durchsetzungs- und Kontrolldefizit im Umweltrecht nicht von dem Schutzzweck der jeweiligen Norm abhänge. Dem Senat zufolge stellte sich vor diesem Hintergrund die weitere Frage, ob ein solches, mit Art. 10a der UVP-Richtlinie gewährtes Klagerecht aus Gründen der praktischen Wirksamkeit „auch die Geltendmachung der Verletzung rein innerstaatlicher Umweltvorschriften – und zwar unabhängig von ihrer Schutzrichtung – umfassen“ müsse.358 Der Senat war der Auffassung, dass dies zu bejahen sei, „wenn sich dem [AEU-]Vertrag eine Generalkompetenz der Gemeinschaft jedenfalls für den Erlass von Vorschriften des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungsprozessrechts auf dem Gebiet des Umweltrechts sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten entnehmen ließe, [Art. 191 und 192 AEUV] sich also auf die gesamte Umwelt im Anwendungsbereich des Vertrages und nicht nur auf die gemeinschaftliche Sekundärrechtssetzung bezöge“.359 Nach Ansicht des Senats könne für diese Annahme „neben dem weit formulierten Ziel [der Art. 191 und 192 AEUV] zum einen sprechen, dass die Gemeinschaft nach [Art. 191 und 192 AEUV] im Grundsatz die umfassende Zuständigkeit für den Erlass von Vorschriften im Umweltbereich hat. Zum anderen könnte dafür sprechen, dass die Differenzierung, ob ein bestimmter Aspekt national oder gemeinschaftlich geregelt ist, als willkürlich angesehen werden könnte und eine Unterscheidung danach, ob ein Aspekt gemeinschaftlich oder rein national geregelt ist, angesichts der Verzahnung von gemeinschaftlichem und nationalem Umweltrecht kaum möglich ist“.360 Schließlich bat das OVG Münster noch um Klärung, ob bei Bejahung der 1. und der 2. Vorlagefrage den Nichtregierungsorganisationen ein über die 355 356 357 358 359 360
OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2009 – 8 D 58/08.AK, Rn. 61. Ebd., Rn. 64. Ebd. Ebd., Rn. 65. OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2009 – 8 D 58/08.AK, Rn. 67. Ebd.
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Gewährleistung des § 2 UmwRG hinausgehendes Klagerecht unmittelbar aus der Richtlinie zustehe.361 Art. 10a der UVP-Richtlinie ist mit einer Beschränkung des Gerichtszugangs, wie § 2 UmwRG (2006) sie normiert, nicht vereinbar. Bereits im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH362 war es naheliegend, dass eine Ausweitung der Rügebefugnis für Nichtregierungsorganisationen zu bejahen sein würde. So konstatierte der EuGH dann auch in seinem Urteil im Fall Trianel Kohlekraftwerk Lünen vom 12. Mai 2011, dass es zwar „Sache der Mitgliedstaaten [ist], wenn sie über ein entsprechendes Rechtssystem verfügen, [. . .] festzulegen, welches die Rechte sind, deren Verletzung zu einem Rechtsbehelf führen kann, doch dürfen sie den Umweltverbänden [. . .] nicht die Möglichkeit nehmen, die Rolle zu spielen, die ihnen sowohl die Richtlinie 85/337 als auch das Übereinkommen von Aarhus zuerkennt“.363 Eine Beschränkung auf subjektiv-öffentliche Rechte kann „nicht als solche auf Umweltverbände angewandt werden, weil dadurch die Ziele des Art. 10a Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 87/337 missachtet würden“.364 Eine solche Beschränkung „widerspräche [. . .] zum einen dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit ‚einen weiten Zugang zu Gerichten‘ zu gewähren, und zum anderen dem Effektivitätsgrundsatz, wenn die betreffenden Verbände nicht auch eine Verletzung von aus dem Umweltrecht der Union hervorgegangenen Rechtsvorschriften geltend machen können, nur weil Letztere Interessen der Allgemeinheit schützen“.365 Denn dies „nähme [. . .] den Umweltverbänden weitgehend die Möglichkeit, die Beachtung der aus dem Unionsrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen, die in den meisten Fällen auf das allgemeine Interesse und nicht auf den alleinigen Schutz der Rechtsgüter Einzelner gerichtet sind“.366 Das Erfordernis der Geltendmachung solcher Vorschriften, die allein den Interessen der Allgemeinheit und nicht zumindest auch dem Schutz der Rechtsgüter Einzelner zu dienen bestimmt sind, bejahte der EuGH jedoch nicht uneingeschränkt. Vielmehr sei Art. 10a Abs. 3 Satz 3 UVP-RL dahingehend zu verstehen, dass zu den Rechten, die verletzt werden können „zwingend die nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie die unmittelbar anwend361 Ebd., Tenor; EuGH, Vorabentscheidungsersuchen, C-115/09, ABl v. 20.06. 2009, Nr. C 141/26. 362 s. dazu auch Kapitel 1, B. II. 363 EuGH, Urteil v. 12. Mai. 2011 – C-115/09, Trianel (Slg. der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit noch nicht Veröffentlicht), Rn. 44. 364 Ebd. Rn. 45. 365 Ebd. Rn. 46. 366 Ebd.
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baren Vorschriften des Umweltrechts der Union gehören müssen“.367 Anders als die Generalanwältin geht das Gericht von einer Beschränkung der Einklagbarkeit solcher Normen aus, die allein den Interessen der Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind auf diejenigen, die im Unionsrecht gründen oder aus diesem unmittelbar anwendbar sind. Zwar kann eine „Generalkompetenz der Gemeinschaft [. . .] für den Erlass von Vorschriften des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts auf dem Gebiet des Umweltrechts sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten“ gemäß Art. 191, 192 AEUV, wie es das OVG Münster in Erwägung gezogen hat368 nicht angenommen werden. Eine solche Generalkompetenz ist aber für die Einklagbarkeit auch rein innerstaatlicher Umweltvorschriften nach Art. 10a UVP-RL nicht erforderlich. Denn Art. 10a UVP-RL findet begrenzt Anwendung im Geltungsbereich der Richtlinie. Der Kontrolle unterworfen sind demnach solche Vorhaben, die einer UVP-Pflicht unterliegen. Die UVP dient als reines Verfahrensinstrument der Umsetzung des Vorsorgegrundsatzes im Wege eines medienübergreifenden Umweltschutzes. Wie dieses Verfahrensinstrument in das innerstaatliche Recht umgesetzt wird, überlässt die Richtlinie gemäß Art. 2 Abs. 2 UVP-RL den Mitgliedstaaten. In Deutschland fließt das Ergebnis der zunächst durchgeführten UVP auf einer zweiten Stufe in die Zulässigkeitsentscheidung ein, die nach dem entsprechenden Fachrecht erfolgt. Darauf, aufgrund welcher Vorschriften des nationalen Rechts eine Vorhabengenehmigung letztendlich erfolgt, nimmt die Richtlinie keinen Einfluss. Unterscheidet man – wie es nun der EuGH getan hat – auf dieser Ebene hinsichtlich der Einklagbarkeit von Rechten danach, ob die für die Zulassungsentscheidung nach deutschem Recht entscheidenden Vorschriften im Europarecht gründen oder nicht, stellt dies eine Differenzierung dar, die dem Ziel der Richtlinie – UVP-pflichtige Vorhaben einer umfassenden, medienübergreifenden Kontrolle zu unterwerfen – nicht gerecht wird. Ob mit einer solchen Auslegung, wie sie der EuGH nun vorgenommen hat, der praktischen Wirksamkeit der UVP-RL entsprochen wird, kann bezweifelt werden. Denn nimmt der deutsche Gesetzgeber bei der Anpassung des UmwRG diese Differenzierung auf, so bedeutet dies, dass Verstöße gegen rein innerstaatliches Umweltrecht nach wie vor nur dann gerügt werden können, wenn und soweit es sich dabei um eine Schutznorm handelt. In der Praxis dürften sich in diesem Fall neuartige und schwierige Abgrenzungsfragen ergeben.369 Auch die Frage, wie eine der-
367
Ebd. Rn. 48. OVG Münster, Beschluss v. 5.3.2009 – 8 D 58/08.AK, Rn. 67. 369 Dazu anschaulich mit Beispielen, Frank Fellenberg/Gernot Schiller, Rechtsbehelfe von Umweltvereinigungen und Naturschutzvereinigungen nach dem „Trianel-Urteil“ des EuGH (Rs. C-115/09), UPR 2011, S. 321 (323). 368
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artige Regelung mit den Verpflichtungen aus der Aarhus-Konvention vereinbar wäre, könnte dann eine Rolle spielen.370 Nach der Entscheidung des EuGH können sich Umweltverbände nunmehr unmittelbar auf Art. 10a UVP-RL berufen. Zwar belässt Art. 10a UVP-RL als Ganzes betrachtet „den Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Spielraum sowohl hinsichtlich der Bestimmung dessen, was eine Rechtsverletzung darstellt, als auch hinsichtlich der Festlegung insbesondere der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen und der Stellen, bei denen diese einzulegen sind“.371 Dies „gilt allerdings nicht für die Sätze 2 und 3 des Art. 10a Abs. 3“ UVP-RL,372 die durch ihre Formulierung „genaue Regelungen [treffen], die keinen weiteren Bedingungen unterliegen“.373 Eine weitergehende Klagebefugnis für Individualklagen, als bereits im deutschen Verwaltungsrecht geregelt,374 fordert das Urteil nicht. Die behandelten Vorlagefragen betrafen jeweils allein die Klagebefugnis von Nichtregierungsorganisationen, weshalb der EuGH zu einer Klagebefugnis von Individualklägern nicht explizit Stellung zu nehmen hatte. Dennoch stellt er fest, dass es dem nationalen Gesetzgeber frei stehe, „die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung [. . .] im Sinne von Art. 10a der Richtlinie 83/337 geltend machen kann, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken [. . .]“.375 Eine grundlegende Abkehr der deutschen Konstruktion des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes ist europarechtlich nicht gefordert. Allerdings drängen europarechtliche Entwicklungen zu einer zeitgemäßen Ausgestaltung der herkömmlichen Theorie des subjektiv-öffentlichen Rechts.376 Auch nach der Entscheidung des EuGH verbleiben Deutschland Spielräume bei der Umsetzung der Verbandsklage. Mit Ziel und Zweck der Aarhus-Konvention und der diese umsetzenden UVP-RL wäre eine Einschränkung der Klagebefugnis nur auf bestimmte Umweltvorschriften nicht ver370 s. zur unmittelbaren Wirkung der Aarhus-Konvention, EuGH, Urteil v. 8. März 2011, C-240/09, Lesoochranárske zokupenie. 371 EuGH, Urteil v. 12. Mai. 2011 – C-115/09, Trianel (Slg. der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit noch nicht Veröffentlicht), Rn. 55. 372 Ebd. Rn. 56. 373 Ebd. Rn. 57. 374 Auch unter Einbeziehung der Klagebefugnis aufgrund von Europarecht, vgl. Ferdinand Kopp/Wolf-Rüdiger Schenke, VwGO § 42, Rn. 152; Ulrich Karpenstein, Praxis des EG Rechts, Rn. 143 ff. 375 EuGH, Urteil v. 12. Mai. 2011 – C-115/09, Trianel (Slg. der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit noch nicht Veröffentlicht), Rn. 45. 376 Vgl. nur Ferdinand Kopp/Wolf-Rüdiger Schenke, VwGO § 42, Rn. 152; Ulrich Karpenstein, Praxis des EG Rechts, Rn. 143 ff. und eben die hier in Rede stehenden Entwicklungen zur Verbandsklage.
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einbar. Es ist allerdings zu erwarten, dass der Gesetzgeber bei der Anpassung der Verbandsklage dennoch versuchen wird, den Zugang zu Gerichten weitestgehend einzuengen.377 Zu der Frage des Umfangs der rügefähigen Normen in Bezug auf Vorschriften des Verfahrensrechts äußert sich der EuGH in seiner Entscheidung nicht. Zwar bezieht er an verschiedenen Stellen des Urteils auch das Erfordernis der verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit mit ein.378 Eine Auslegung der Entscheidung dahingehend, dass auch für reine Verfahrensvorschriften ein weitergehendes Klagerecht einzuräumen wäre, kann deshalb aber nicht angenommen werden. Denn die entsprechenden Passagen geben lediglich die Voraussetzungen aus der Richtlinie wieder. Mit Blick auf die Zielsetzung eines nach außen nachvollziehbareren und transparenteren Entscheidungsprozess sowie der Verbesserung des Vollzugs, der Durchsetzung und der Kontrolle gemeinschaftlicher Umweltvorschriften durch die Einbindung einer für Umweltbelange sensibilisierten Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess, erscheint aber eine Rügefähigkeit zumindest solcher Verfahrensvorschriften erforderlich, die eben dieser Einbindung der Öffentlichkeit zu dienen bestimmt sind. (2) Das Beschwerdeverfahren vor der Europäischen Kommission Bereits kurz nach Inkrafttreten des UmwRG im Dezember 2006 haben sowohl der Naturschutzbund (NABU) als auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) in zwei getrennten Verfahren Beschwerde bei der EU-Kommission mit der Begründung eingelegt, das Gesetz verstoße gegen die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG. Aufgrund der Vielzahl von Beschwerden aus den Mitgliedstaaten entschied die Kommission Ende 2007, keine individuellen Stellungnahmen abzugeben, sondern diese gebündelt zu behandeln. 377 s. zu den Handlungsoptionen des Gesetzgebers etwa Frank Fellenberg/Gernot Schiller, Rechtsbehelfe von Umweltvereinigungen und Naturschutzvereinigungen nach dem „Trianel-Urteil“ des EuGH (Rs. C-115/09), UPR 2011, S. 321 (327 f.); Tobias Leidinger, Europäisiertes Verbandsklagerecht und deutscher Individualrechtsschutz – Das Trianel-Urteil des EuGH und seine Folgen für das deutsche Verwaltungsrechtssystem, NVwZ 2011, S. 1345 (1347 f.); Jörg Berkemann, Die unionsrechtliche Umweltverbandsklage des EuGH – Der deutsche Gesetzgeber ist belehrt ‚so nicht‘ und in Bedrängnis, DVBl 2011, 1253; Bernhard W. Wegener, Die europäische Umweltverbandsklage, ZUR 2011, S. 363 (365 f.); Brita Henning, Erweiterung der Klagerechte anerkannter Umweltverbände – Chancen auf mehr Umweltschutz oder Investitionshindernis?, NJW 2011, S. 2765 (2767 f.). 378 EuGH, Urteil v. 12. Mai. 2011 – C-115/09, Trianel (Slg. der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit noch nicht Veröffentlicht), Rn. 37, 42.
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Kritisiert wurde in den Beschwerden von deutscher Seite vor allem – mit der bereits oben dargelegten Argumentation – die Beschränkung des Gerichtszugangs für Umweltschutzvereinigungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG.379 Darüber hinaus hielt der NABU in seiner Beschwerde auch § 2 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG für nicht europarechtskonform.380 Er regelt, dass eine anerkannte Umweltschutzvereinigung Rechtsbehelfe einlegen kann, „wenn die Vereinigung geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung [. . .] berührt zu sein“. Der NABU hielt es für eine unzulässige Einschränkung, dass der Klagegrund den Satzungszielen einer Umweltschutzvereinigung entsprechen muss. Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2003/35/EG – so die Argumentation – setze lediglich voraus, dass die Organisation sich für den Umweltschutz einsetze. Eine Beschränkung auf die Satzungsziele der Verbände sei daher nicht europarechtskonform. Maßgebliche Bestimmung zu dem Begriff der Nichtregierungsorganisation in Art. 10a der UVP-Richtlinie ist mit ausdrücklichem Verweis Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie. Dort heißt es zu dem Begriff der ‚betroffenen Öffentlichkeit‘: „[. . .] im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse“. Diese Bestimmung ist wörtlich dem Art. 2 Abs. 5 der Aarhus-Konvention entnommen, auf den der zum Gerichtszugang einschlägige Art. 9 Abs. 2 der Konvention verweist. Dass Nichtregierungsorganisationen hinsichtlich ihres Klagerechts innerstaatlichen Voraussetzungen unterworfen werden, ist völker- und europarechtlich geboten. Klagegrund wird in diesem Zusammenhang wohl stets der Schutz der Umwelt sein, und diesen wird eine Umweltschutzvereinigung wohl auch regelmäßig in ihren satzungsmäßigen Zielen verankert haben. Die deutsche Regelung zielt auf eine Beschränkung der Klagebefugnis auf Umweltschutzvereinigungen, die regelmäßig den diesbezüglich erforderlichen Sachverstand mitbringen. Die Regelung solcher Voraussetzungen bietet die Möglichkeit einer ‚Stellschraube‘ zur Vermeidung von Missbrauch der Klagemöglichkeiten etwa mit dem Ziel der Verzögerung von Projekten. Die Voraussetzung der deutschen Regelung gewährleistet, dass es dem klagenden Verband tatsächlich um den Schutz der Umwelt geht und er auch über den erforderlichen Sachverstand verfügt.
379
Vgl. Pressemitteilungen NABU unter www.nabu.de und BUND/UfU unter www.aarhus-konvention.de sowie die Förmliche Beschwerde des NABU abrufbar unter http://www.aarhus-konvention.de. 380 Förmliche Beschwerde des NABU, http://www.aarhus-konvention.de, S. 8 f.
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(3) Das Beschwerdeverfahren vor dem Compliance Committee der Aarhus-Konvention Die britische Umweltschutzorganisation ClientEarth, unterstützt durch den NABU, leitete am 1. Dezember 2008 ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zur Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen der Aarhus-Konvention vor dem Compliance Committee der Konvention ein.381 Das Verfahren des Compliance Committees382 beruht nach Art. 15 der Aarhus-Konvention auf einer freiwilligen, nichtstreitig angelegten, außergerichtlichen und auf Konsultationen angelegten Überprüfung der Einhaltung der Konventionsbestimmungen. Auch wenn die aufgrund der Erwägungen und Empfehlungen des Compliance Committees durch die Tagung der Vertragsparteien getroffenen Entscheidungen gegenüber des betroffenen Vertragsstaats nicht rechtlich bindend sind, so bewirken sie doch – nicht zuletzt durch die Öffentlichkeit – einen starken Druck auf den Vertragsstaat. Nach der Mitteilung durch das Aarhus-Sekretariat über die Kommunikation durch die Umweltschutzverbände ClientEarth und NABU383 informierte das BMU das Aarhus-Sekretariat384 über das in der Zwischenzeit anhängig gewordene Vorlageverfahren beim EuGH durch das OVG Münster. 381 s. dazu die Dokumente abrufbar unter http://unece.org/env/pp/compliance/ Compliance%20 Committee/31TableGermany.htm, an dieser Stelle insbesondere die Communication Nr. ACCC/C/2008/31 v. 1.12.2008. 382 Informationen über eine mögliche Nichteinhaltung der Bestimmungen der Konvention durch eine Vertragspartei können von anderen Parteien, von der Partei selber, durch das Aarhus-Sekretariat sowie durch die Öffentlichkeit übermittelt werden. Der betroffene Vertragsstaat hat daraufhin eine Stellungnahme abzugeben. Die Tagung der Vertragsparteien kann, auf der Grundlage von Erwägungen und Empfehlungen des Compliance Committees und nach Konsultation des betroffenen Vertragsstaats, Ratschläge und Unterstützung zur Umsetzung der Konvention geben. Sie kann zudem, mit dem Einverständnis des betroffenen Vertragsstaats, Empfehlungen aussprechen, die Unterbreitung einer Strategie zur Behebung der mangelhaften Umsetzung verlangen, und, im Falle der Übermittlung der Informationen durch die Öffentlichkeit, spezifische Maßnahmen zur Behebung des identifizierten Mangels empfehlen. Schließlich kann die Tagung der Vertragsparteien eine Erklärung der Nichteinhaltung der Konventionsbestimmungen oder eine Warnung beschließen. Sie kann, gemäß den Regeln des Völkerrechts die Rechte und Privilegien unter der Konvention in Bezug auf den betroffenen Vertragsstaat suspendieren oder andere, nichtstreitig angelegte, außergerichtliche und auf Konsultation beruhende Maßnahmen ergreifen, s. Entscheidung I/7, abrufbar unter http://unece.org/env/pp/ccDocu ments.htm. 383 s. Letter to the Party informing about the Communication, http://unece.org/ env/pp/compliance/C2008-31/correspondence/toGEre2008-31.2008.12.24.pdf. 384 Letter form the Party concerned requesting suspension in the review of the Communication, v. 26.3.2009, http://unece.org/env/pp/compliance/C2008-31/cor respondence/FrGEreC31ReSuspension.2009.03.27.pdf.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Aufgrund der zentralen Bedeutung für die Kommunikation wurde die 5-Monatige Frist für die Stellungnahme des Mitgliedstaats suspendiert und das Verfahren ausgesetzt.385 Die Frist für die Stellungnahme wurde auf zwei Monate nach Veröffentlichung der Entscheidung durch den EuGH verschoben.386 Die Umweltschutzverbände bemängelten in ihrer Beschwerde die Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 der Aarhus-Konvention in deutsches Recht.387 Über die bereits oben dargelegten Kritikpunkte der deutschen Umsetzung hinaus machten sie geltend, dass eine Einschränkung der Rügefähigkeit auf solche Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, gegen das einschlägige Völkerrecht verstoße. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention regelt die Einklagbarkeit von Handlungen und Unterlassungen für die Art. 6 des Übereinkommens und im Übrigen sonstige einschlägige Bestimmungen des Übereinkommens gelten. Da die Bestimmungen des Übereinkommens allein dem Bereich des Umweltschutzes zuzuordnen sind, kann eine Beschränkung der deutschen Vorschrift auf diese Schutzrichtung nicht völkerrechtswidrig sein. Zudem wird gegen die Beschränkung der Rügefähigkeit auf solche Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, vorgebracht, dass es in Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention heiße „to challenge [. . .] any decision“. Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention fordert die Einklagbarkeit von (jeglichen) ‚Entscheidungen‘, für die bestimmte Rechtsvorschriften gelten (dies sind Art. 6 und sonstige Bestimmungen des Übereinkommens). Dass nach der deutschen Vorschrift vorgebracht werden muss, dass die Entscheidung Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, dürfte dagegen grundsätzlich nicht verstoßen. Anders als im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention fand ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention bislang keine ausreichende Zustimmung unter den Mitgliedstaaten.388 Eine gemeinschaftsrechtliche Pflicht besteht daher nicht. Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention verlangt, dass jede Ver385
Dies entspricht auch Section VI. paragraph 21 der Entscheidung I/7, wonach das Committee in jedem Verfahrensstadium jegliche zur Verfügung stehende innerstaatliche Abhilfe einzubeziehen hat, es sei denn diese verzögert sich unangemessen oder gewährleistet keine effektiven und ausreichenden Mittel der Abhilfe. 386 Letter to the Party concerned proposing suspension in the review of the Communication, v. 28.4.2009, http://unece.org/env/pp/compliance/C2008-31/correspon dence/toGEReC31suspend.2009.04.28.pdf. 387 Für die detaillierte Argumentation s. die Communication to the Aarhus Conventions’s Compliance Committee, Nr. ACCC/C/2008/31, S. 5 ff., abrufbar unter http://unece.org/env/pp/compliance/C2008-31/communication/Communication.pdf. 388 s. Richtlinienvorschlag der Kommission v. 24.10.2003, KOM(2003) 624 endg.
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tragspartei „zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren [sicherstellt], dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen“. Nach Art. 9 Abs. 4 der Aarhus-Konvention müssen solche Verfahren „angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sichern; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer“. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass bezüglich Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention keine neue Gesetzgebung erforderlicht ist, da dieser bereits vollständig durch bestehendes europäisches und innerstaatliches Recht umgesetzt sei.389 So verfüge Deutschland im Einklang mit Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention über ein ganzes Bündel von effektiven zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Regelungen, mit denen der Einzelne oder eine Personenvereinigung die Einhaltung umweltbezogener Bestimmungen des deutschen Rechts erzwingen und Verstöße gegen solche Bestimmungen durch Behörden oder Privatpersonen abwehren könne.390 Für Verbände stehe zudem die Klagemöglichkeit aus § 61 BNatSchG auf dem Gebiet des Naturschutzrechts offen. Im Übrigen habe jede Person die Möglichkeit, die Umweltbehörden auf Verstöße Privater gegen das Umweltrecht hinzuweisen. Nach den Bestimmungen des deutschen Verwaltungsverfahrensrechts müssen die Umweltbehörden dann von Amts wegen über weitere Maßnahmen entscheiden. Schließlich stelle das in Artikel 17 GG garantierte Petitionsrecht sicher, dass sich jede Person jederzeit schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung wenden könne. Darüber hinaus habe in Deutschland – wie in allen anderen Mitgliedstaaten der EU – jede Person und jeder Umwelt-/Naturschutzverband die Möglichkeit, sich beschwerdeführend an die Europäische Kommission in ihrer Rolle als Wächterin über die Einhaltung des europäischen Rechts zu wenden, wenn sie der Ansicht sind, dass Behörden eines Mitgliedstaates gegen Vorschriften des – weitgehend europarechtlich geprägten – Umweltrechts verstoßen haben. Die Umweltschutzverbände sind dagegen der Meinung, dass diese Maßnahmen zur wirksamen Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konven389
Vgl. BT-Drs. 16/2497, S. 46. Vgl. dazu den Umsetzungsbericht der Bundesregierung zur Aarhus-Konvention, S. 28 f., abrufbar unter http://unece.org/env/documents/2008/pp/mop3/ece_ mp_pp_ir_2008_DEU_e.pdf. 390
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
tion nicht ausreichend seien.391 Sie vertreten die Auffassung, dass Nichtregierungsorganisationen, sobald sie die Kriterien aus § 3 UmwRG erfüllen, befugt sein müssten, auch Handlungen von Privatpersonen, die gegen umweltbezogene Vorschriften verstoßen, rügen zu können, ohne dass sie in ihren eigenen Rechten verletzt sein müssten. Die rechtliche Situation in Deutschland bezüglich Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention sei nicht mit dem Ziel der Konvention vereinbar, einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewährleisten und sicherzustellen, dass wirkungsvolle gerichtliche Mechanismen zugänglich sind damit das Recht durchgesetzt werde392. Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention geht weiter als Art. 9 Abs. 2 AarhusKonvention. Er fordert die Möglichkeit der Überprüfung von Handlungen und Unterlassungen von ‚Privatpersonen und Behörden‘, die gegen ‚umweltbezogene Bestimmungen‘ des innerstaatlichen Rechts verstoßen. Im Gegenzug zu diesem weiten Regelungsbereich steht es den Vertragsstaaten offen, Zugang zu einem ‚verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen‘ Verfahren zu gewährleisten. Eine gerichtliche Klagemöglichkeit ist also nicht zwingend erforderlich. Zugang zu dem Überprüfungsverfahren müssen ‚Mitglieder der Öffentlichkeit haben, sofern sie etwaige Kriterien erfüllen‘. Eine Beschränkung auf die betroffene Öffentlichkeit, wie sie in Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention vorgenommen wird, besteht unter Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention nicht. Gemäß Art. 2 Abs. 4 Aarhus-Konvention bedeutet Öffentlichkeit „eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen“. Der Verweis auf die Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht in Art. 2 Abs. 4 Aarhus-Konvention liest sich hier dahingehend, dass es den Vertragsstaaten offen steht, Kriterien zu bestimmen, nach denen sie eine Vereinigung, Organisation oder Gruppe als verfahrens- bzw. klagebefugt qualifizieren. Werden diese Kriterien erfüllt, müsste ihnen der Weg zu einem Überprüfungsverfahren im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention offen stehen. Bezüglich eines Individualklägers wäre das innerstaatliche Kriterium die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts. Der Zugang für Umweltschutzvereinigung muss nach Zielen und Kontext der Aarhus-Konvention weiter sein. Dafür spricht auch die im ‚Implementation Guide‘ der Aarhus-Konvention beschriebene Nähe des Art. 9 Abs. 3 zu dem 18. Erwägungsgrund der Konvention sowie zu den ‚Sofia Guidelines‘. Dort heißt es: „[Paragraph 3] follows on the eighteenth preambular paragraph and the Sofia Guidelines to provide standing to certain 391
Für die detaillierte Argumentation s. die Communication to the Aarhus Conventions’s Compliance Committee, Nr. ACCC/C/2008/31, S. 15 ff., abrufbar unter http://unece.org/env/pp/compliance/C2008-31/communication/Communication.pdf. 392 Erwägungsgrund 18 der Aarhus-Konvention.
A. Die drei Säulen des Steuerungskonzepts
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members of the public to enforce environmental law directly or indirectly“. Erwägungsgrund 18 der Konvention steht für den Zugang zu wirkungsvollen Mechanismen, damit „das Recht durchgesetzt wird“, und Paragraph 26 der Sofia Guidelines steht für den weiten Zugang zu Gerichten. 2. Der weite Zugang zu Gerichten im Kontext des deutschen Verwaltungsrechtssystems Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, ob und in welchem Umfang Klagebefugnisse zu gewährleisten sind. Die Theorie des subjektiv-öffentlichen Rechts ist zwar ein bedeutender Pfeiler des deutschen Verfassungs- und Verwaltungsrechtssystems. Sie bedarf jedoch einer stetigen Überprüfung und gegebenenfalls einer Anpassung an die Lebensumstände der modernen Gesellschaft. Bei dieser Überprüfung wird deutlich, dass die gegen einen weiten Zugang zu Gerichten bestehenden Bedenken allesamt politisch motiviert sind. Dies zeigt ein Blick auf die Argumentation gegen die Einführung einer altruistischen Verbandsklage im Umweltrecht (dazu 1.). Auch die Rügebefugnis reiner Verfahrensvorschriften bedarf einer Überprüfung. Denn dort wo der Gesetzgeber der Exekutive Beurteilungs- und Ermessensspielräume in Form offener Normprogrammierung einräumt, erlangt die Entscheidungsfindung – und damit das Verfahrensrecht – eine gesteigerte Bedeutung (dazu 2.). Zugleich hat eine offene Normprogrammierung grundsätzlich eine Abnahme gerichtlicher Kontrolle behördlicher Entscheidungen zur Folge. Denn Beurteilungs- und Ermessensspielräume können nicht einer ebenso dichten Kontrolle unterliegen wie imperativ und final ausgerichtete Gesetzesvorgaben. Zum Ausgleich einer geringeren Prüfdichte bedarf es der Ausdehnung der Kontrollebefugnisse auf bestimmte Verfahrensnormen einerseits und gemeinwohlorientiertes materielles Recht andererseits (dazu 3.). Eben dies muss ein Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit durch das Zusammenspiel seiner drei Säulen umsetzen, denn nur so kann moderne Gesellschaftssteuerung gelingen. a) Das subjektiv-öffentliche Recht Der Rechtsschutz des § 42 Abs. 2 VwGO ist auf Art. 19 Abs. 4 GG zurückzuführen, der wiederum Teil des Rechtsstaatsprinzips ist.393 Art. 19 Abs. 4 GG konstituiert jene gerichtsgeprägte Gewaltenteilung, die ein Spezifikum des grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzips ist.394 Den Gerichten 393 Vgl. Peter Michael Huber, in: Hermann Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Aufl. 2004, Art. 19 Abs. 4 Rn. 364; Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20 Rn. 89.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
fällt eine zentrale Funktion bei der Kontrolle der Legislative und insbesondere der Exekutive zu. In der Institution der Justiz als einem Element der ‚Feintarierung‘ verdeutlicht sich das ganze Gefüge der Staatsfunktionen zu einem arbeitsteiligen System von Verschränkungen, gegenseitiger Einflussnahme und Ergänzungen. Art. 19 Abs. 4 GG erfüllt die Aufgabe, einer ‚Selbstherrlichen Exekutive‘ Einhalt zu gebieten,395 indem der Einzelne der öffentlichen Gewalt in einer gesicherten Position gegenüber tritt. Er ist eine der wesentlichen Brücken zwischen individueller und staatlich-institutioneller Sphäre und formt als solche das grundgesetzliche Bild der Rechtsstaatlichkeit.396 Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG greift jedoch nur dann ein, wenn der Rechtsschutzsuchende in seinen Rechten verletzt ist, die Verletzung bloßer Interessen genügt nicht. In der Vorschrift kommt die grundgesetzliche Strukturentscheidung des Individualrechtsschutzes zum Ausdruck. Das klägerische Recht ist Anstoß und Schutzziel des gerichtlichen Prüfungsauftrags und es bestimmt auch den Umfang der gerichtlichen Kontrolle mit.397 Das subjektive Recht wird so nicht nur zum Angelpunkt des Art. 19 Abs. 4 GG, „es ist ein Eckpfeiler im gesamten Systems des öffentlichen Rechts“,398 indem es das Personale und Individuelle und damit die Eigenverantwortlichkeit in das Verwaltungsrecht einbringt.399 Die in ihm angelegten Elemente der Personalität und Individualität sind Ausprägungen des grundgesetzlichen Menschenbildes, das den Einzelnen im status negativus, positivus und activus als freies, eigenverantwortliches Wesen sieht.400 Das subjektiv-öffentliche Recht stellt eine personalisierte und individualisierte Rechtsmacht dar, die Rechtsordnung zur Verfolgung eigener Interes394 Roman Herzog, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 20 Abschn. V; Klaus Stern, Staatsrecht II, § 36 Abs. 4; Walter Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, bes. S. 52 ff.; Eberhard Schmidt-Aßmann, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner (Hrsg.), VwGO, Einl. Rn. 56, 59 f.; vgl. auch BVerwGE 112, 373 (381 f.); Dieter Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, §§ 3–7; Winfried Kluth, Verwaltungskultur, S. 75; Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 10. 395 Vgl. BVerfGE 10, 264 (267); 16, 289 (292); 35, 263 (274); 51, 268 (284). 396 Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 1. 397 Ebd., Rn. 116 und 159. 398 Ebd., Rn. 117. 399 Ebenso Hans U. Erichsen/Dirk Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 30 ff.; Hans J. Wolff/Otto Bachof/Rolf Stober/Winfried Kluth, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 1999, § 43 Rn. 1 ff.; vgl. auch Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 56 ff. und 67 ff. 400 Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 117.
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sen in Bewegung setzen zu können.401 Als Systempfeiler und Ausdruck eines freien und eigenverantwortlichen Menschenbildes darf das Institut des subjektiv-öffentlichen Rechts keinesfalls leichtfertig neueren Entwicklungen preisgegeben werden. Allerdings bedarf es stets einer zeitgemäßen Theorie des subjektiv-öffentlichen Rechts, „die entscheidende Neuerungen des öffentlichen Rechts nach 1949 zu verarbeiten“ hat,402 wie etwa die Prozeduralisierung und Ausdifferenzierung der administrativen Handlungsformen sowie die Einwirkungen des Europarechts.403 Wie die oben dargestellten,404 vielfältigen Fragen zur Völker- und Europarechtskonformität des Gerichtszugangs in Umweltangelegenheiten zeigen, drängen aktuelle Entwicklungen zu einer Modernisierung der herkömmlichen Theorie des subjektiv-öffentlichen Rechts. Gemäß der aus § 42 Abs. 2 und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO abgeleiteten Schutznormtheorie ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Klage, dass der Kläger die Verletzung einer Norm geltend macht, die ein subjektives, gerade ihm zustehendes und von ihm durchsetzbares Recht begründet.405 Unproblematisch ist der Rechtsweg stets bei Adressaten von Verwaltungsakten eröffnet, da sie zumindest in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG möglicherweise verletzt sind. Dritte, die nicht Adressat eines Verwaltungsaktes sind, müssen hingegen eine konkrete Norm suchen, die ihnen Rechtsschutz vermittelt. Die Frage, welche Vorschrift einen solchen Individualschutz vermittelt, ist durch Auslegung zu ermitteln406 und häufig mit Schwierigkeiten verbunden407. Beispielsweise gewährt die Betreiberpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zur Einhaltung immissionsbezogener Grenzwerte Drittschutz für die ‚Nachbarschaft‘,408 die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 401
Eberhard Schmidt-Aßmann, ebd. Rn. 118. So Rainer Wahl, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner (Hrsg.), VwGO, Vorb. 42 Abs. 2 Rn. 49; s. zur geschichtlichen Entwicklung des subjektiven Rechts, Hartmut Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986. 403 Vgl. Christine Steinbeiß-Winkelmann, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes, NJW 2010, S. 1233 (1234 f.); Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 117. 404 Kapitel 2, A. III. 1. b). 405 Ferdinand O. Kopp/Wolf-Rüdiger Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 42 Rn. 78. 406 Ebd., Rn. 83; Jan Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtschutzes, NVwZ 2007, S. 259 (261). 407 Bernhard W. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 100 f.; vgl. auch den Streit über die drittschützende Qualität des Aktionsplans gegen Feinstaubartikel, BVerwGE 128, 278, 285. 408 Hans D. Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, § 5 Rn. 120; Reinhard Sparwasser/ Rüdiger Engel/Andreas Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, § 10 Rn. 151; Ferdinand O. Kopp/Wolf-Rüdiger Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 42 Rn. 105. 402
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
BImSchG zur Einhaltung von Vorsorgegrenzwerten hingegen nicht. Vorsorgegrenzwerte – so das BVerwG in ständiger Rechtsprechung – seien nicht primär auf die Interessen des Nachbarn einer Anlage bezogen, sondern sollen die Allgemeinheit vor der Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen schützen.409 Ein Einzelner soll sich aber nicht zum Fürsprecher der Allgemeinheit aufschwingen.410 Neben den Vorsorgevorschriften gilt selbiges für Belange des Meeres-, Klima-, Tier-, Landschafts- oder grundsätzlich auch des Naturschutzes. Für den Menschen teilweise überlebenswichtig, sind diese Güter nicht justiziabel, da sie keiner konkreten Person zuzuordnen sind. Dies hat zur Folge, das ein Umweltnutzer, der den ihm aus Umweltgründen verweigerten oder unter Umweltschutzauflagen erteilten Verwaltungsakt gewährt oder erweitert haben möchte, als Adressat unproblematisch Rechtsschutz erlangen kann, wohingegen ein Umweltschützer rechtlos dasteht.411 Allerdings gilt § 42 Abs. 2 VwGO nur ‚soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist‘. Diese Abweichungsoption nahm der Gesetzgeber im Rahmen des Naturschutzrechts in Form der Verbandsklage nach § 61 Abs. 1 BNatSchG wahr. Er normierte eine altruistische Verbandsklage, mit deren Hilfe ein Verband in den enumerativ aufgezählten Fällen objektive Rechtsverstöße der Behörden rügen kann. Der Verband muss dabei nicht geltend machen, in eigenen Rechten verletzt oder überhaupt Träger des Rechts zu sein. Bestimmte Rechte, die an sich allein der Allgemeinheit zustehen, werden so ‚versubjektiviert‘ und anerkannten Vereinen zur verantwortungsvollen Wahrnehmung als ‚Anwälte der Natur‘ zugestanden.412 Eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist also ohne Rücksicht auf eine Betroffenheit des Klägers in eigenen Rechten durchaus zulässig, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist.413 Es obliegt dem Gesetzgeber, zu bestimmen, welche Rechte von Privaten einklagbar sein sollen. Art. 19 Abs. 4 GG schreibt weder positiv414 noch negativ etwas über die Einklag409 Grundlegend BVerwGE 65, 313, 320; Hans D. Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, § 5 Rn. 121; Reinhard Sparwasser/Rüdiger Engel/Andreas Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, § 10 Rn. 159; Ferdinand O. Kopp/Wolf-Rüdiger Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 42 Rn. 105. 410 Eine Ausnahme gilt im Atom- und Strahlenschutzrecht, vgl. BVerwGE 72, 300, 315 ff. 411 Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, Rn. 12; Astrid Epiney/Kaspar Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, Berichte des Umweltbundesamtes Bd. 1/2002, S. 43. 412 BVerwGE 87, 62, 72 f. 413 BVerwGE 54, 211 (219 f.); 78, 347 (348); s. auch Wolf-Rüdiger Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 525 ff.; Walter Schmitt Glaeser/Hans-Detlef Horn, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 170.
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barkeit objektiver, allein dem Gemeinwohl dienender Vorschriften vor.415 Feststeht, dass die Gerichte im Wege des Individualrechtsschutzes nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 4 GG zugleich auch Aufgaben objektiven Rechtsschutzes und objektiver Kontrolle inzident erfüllen, da sie nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes zu einer umfassenden Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet sind. Den Gerichten ist allerdings im Zuge einer zunehmend offenen Normprogrammierung und einer verstärkten Einbeziehung Privater bei der Rechtsverwirklichung ihre herkömmliche Kontrolldichte genommen. Es liegt in der Natur von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen, nicht vollständig rechtlich überprüfbar zu sein. Besteht daher die Gefahr der Nichtbeachtung objektiven Rechts im Rahmen staatlicher Entscheidungsfindung, müssen neue Wege zur Überprüfung allein dem allgemeinen Interesse dienender Vorschriften eröffnet werden. So unabdingbar eine arbeitsteilige Rechtsverwirklichung zur Steuerung komplexer Sachverhalte ist, so unabdingbar ist spiegelbildlich auch eine ‚arbeitsteilige Kontrolle‘ objektiven Rechts. Für ausgewählte Kontrollaufgaben bietet sich dies nicht nur an,416 sie sind anders nicht mehr zu bewältigen. Dem Zweck einer ‚arbeitsteiligen Kontrolle‘ soll die Verbandsklage dienen. Demgegenüber bestehen allerdings in Deutschland große Bedenken, wie bereits die Ausführungen zur Völker- und Europarechtskonformität des Gerichtszugangs in Umweltangelegenheiten gezeigt haben.417 Diese Bedenken lassen sich in den folgenden Problemkreisen zusammenfassen: (1) Die Gefahr des Systembruchs der deutschen Rechtschutzsystematik: Demnach könne es Rechtsschutz durch Gerichte in Deutschland nicht geben, wenn es um objektives Recht gehe, also um Normen, die dem Allgemeinwohl dienten. Diesem Einwand kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil erstens Art. 19 Abs. 4 GG sich hierzu nicht äußert und demzufolge § 42 Abs. 2 VwGO gesetzliche Ausnahmeregelungen ausdrücklich zulässt, die der Gesetzgeber auch bereits mit Erlass der Verbandsklage im Naturschutzrecht wahrgenommen hat. Zweitens überprüfen Gerichte objektives Recht bereits stets inzident im Rahmen einer Individualklage, da sie nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes zu einer umfassenden Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet sind. 414
BVerwGE 101, 73 (81 ff.). Rainer Wahl, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner (Hrsg.), VwGO, Sept. 2007, § 42 Abs. 2 Rn. 38; auch Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 103 Abs. 1 Rn. 46. 416 Ulrich Ramsauer, Alternativkommentar-GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 32; Felix Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, S. 67 ff. 417 Oben Kapitel 2, A. III. 1. b). 415
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(2) Befürchtungen einer ‚Privatisierung des Gemeinwohls‘418: Verbände könnten mit Hilfe eines Verbandsklagerechts als mit der Verwaltung konkurrierende Sachwalter des Gemeinwohls auftreten, wofür sie aber nicht über die erforderliche, auf das Parlament rückführbare Legitimation verfügten. Diesem Einwand lässt sich entgegenhalten, dass die sachliche Entscheidung eines Rechtsstreits allein von den unabhängigen Gerichten getroffen wird und die Verbände lediglich als Initiatoren der gerichtlichen Kontrolle fungieren.419 Als solche übernehmen sie keine mit der Verwaltung konkurrierende Gemeinwohlkompetenz. Die Einführung einer Verbandsklage beschränkt sich darauf, zu einer verbesserten Durchsetzung des geltenden Umweltrechts beizutragen. Sie ist daher vielmehr ein Mittel zur Stärkung des demokratischen Rechtsstaates, nicht aber ein Instrument seiner Erosion.420 Zudem ist völkerrechtlich, europarechtlich und national – siehe § 3 UmwRG – ein staatliches Anerkennungsverfahren für die Verbände vorgesehen, wonach Anforderungen durch die Verbände zu erfüllen sind, die eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung gewährleisten können.421 (3) Funktionellrechtliche Bedenken: für die Realisierung des Gemeinwohls und damit objektiver Rechtsinteressen seien Legislative und Exekutive zuständig, nicht aber die Gerichte. Auch dieser dritte Einwand steht in Zusammenhang mit dem dargelegten Legitimationsargument. Demzufolge ist die Verwaltung nach der Legislative alleinige ‚Hüterin des Gemeinwohls‘. Diese Auffassung betrifft nicht die Legitimation der Verbände sondern die Kompetenz der ‚Dritten Gewalt‘: Wenn die Verwaltung über Belange des Allgemeinwohls entschieden habe, so bedürfe dies – in Übereinstimmung mit der traditionellen Ausrichtung des Rechtsschutzes auf den Schutz allein subjektiver Rechte – keiner gerichtlichen Kontrolle.422 Nach dieser Auffassung werde mit der Verbandsklage ein Verband zum ‚Vormund‘ für die Verwaltung bestellt, der man misstraue, ihren Pflichten genügen zu können.423 Dem lässt sich entgegenhalten, dass auch der subjektiv-rechtlich ausgerichtete Rechtsschutz im Lichte des vorstehenden Argu418 Jörn Ipsen, Gefahren für den Rechtsstaat?, Niedersächsische Verwaltungsblätter (NdsVBl), 1999, S. 225, der hierin eine Überschreitung des „rechtsstaatlichen Rubikon“ sieht. 419 Mit diesem Argument auch Hans-Joachim Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369 (371). 420 Thomas v. Danwitz, in: Gesellschaft für Umweltrecht (GfU), Dokumentation der 27. Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, 2004, S. 21; ders., AarhusKonvention: Umweltinformation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Zugang zu Gerichten, NVwZ 2004, S. 272. 421 s. Hans-Joachim Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369 (371). 422 Felix Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, insb. S. 12. 423 Ebd, S. 20.
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ments als ‚Misstrauen‘ gegen die Verwaltung einzuordnen ist.424 Dem folgend müsste er mit der Begründung als unangemessen zurückgewiesen werden, dass der Verwaltung auch – und wegen der Grundrechtsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG sogar in besonderer Weise – die Wahrung der subjektiven Rechte obliege. Allerdings handelt es sich hier doch vielmehr um Grundsatzfragen der Gewaltenteilung. In der Tat ist die mit Unabhängigkeit ausgestattete Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Kontrolle der Verwaltung im Dienste individueller Rechte bestellt. Aus Sicht des Gewaltenteilungsprinzips ist es allerdings nicht einsichtig, warum der Rechtsschutz für individuelle Rechte anders zu behandeln wäre, als der Rechtsschutz für gemeinwohlorientierte Rechtspositionen.425 Die Verbände werden durch eine Verbandsklage auch nicht als ‚Vormund der Verwaltung‘ bestellt, es wird ihnen lediglich eine Art Prozessstandschaft für die Vertretung allgemeinwohlorientierten Rechts zuerkannt.426 Wieso sollten individuelle Nutzerinteressen durch die ihnen – zu Recht – eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten gegen behördliche Auflagen besser stehen, als der Schutz gemeinwohlorientierter Rechtsvorschriften? Gerade ein derartig asymmetrisch ausgerichtetes Rechtsschutzsystem kann die Verwaltung wegen der ungleichen Durchsetzungschancen privater bzw. öffentlicher Belange vor zusätzliche Entscheidungsprobleme stellen.427 Dies gilt insbesondere dort, wo der Verwaltung durch eine offene Normprogrammierung des Gesetzgebers ein weiter Entscheidungsspielraum verblieben ist. Denn dort, wo die Verwaltungsentscheidung der strikten Determinierung durch das Gesetz unterliegt, vollzieht sie lediglich den Willen des parlamentarischen Gesetzgebers. Steht der Verwaltung ein Entscheidungsspielraum zur Verfügung, so sind gemeinwohlorientierte Rechtspositionen wegen mangelnder Sanktionsmöglichkeiten mehr als individuelle Rechtspositionen der Gefahr der Missachtung ausgesetzt. Noch stärkeres Gewicht erlangt dieses Argument im Lichte der oben untersuchten Normprogrammierung im Sinne einer Nach- oder Feinsteuerung im Wege der Kooperation zwischen Staat und Bürger. Bietet diese eine hohe Problemlösungskapazität zur Bewältigung komplexer Sachlagen, so birgt die verstärkte Einbeziehung Privater in die Entscheidungsfindung der Behörde auch stets eine Gefahr für die Neutralität und Unparteilichkeit der Verwaltung. Eine Beschränkung des Rechtsschutzes auf individuelle Rechtspositionen und eine – in Bereichen erforderliche – verstärkte Einbeziehung Privater in den Gesetzesvollzug drängen auf eine Ausdehnung der Klagebefug424 Die folgende Argumentation auch bei Hans-Joachim Koch, Die Verbandklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369 (371). 425 In diesem Sinne auch Hans-Joachim Koch, Die Verbandklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369 (371). 426 Ebd. 427 Ebd.
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nis auch auf Normen des objektiven Rechts. Denn nur durch Kontrolle kann eine gemeinwohlorientierte Aufgabenerfüllung der Verwaltung sichergestellt werden, die sich nicht an Partikularinteressen ausrichtet. Einem befürchteten Rückgang der Beachtung des objektiven Rechts im Gesetzesvollzug muss auf diese Weise begegnet werden. (4) Bedenken hinsichtlich einer etwaigen Privilegierung: Verbänden werde ein weitergehender Rechtsschutz, ein leichterer Zugang zu Gerichten gegeben als dem Einzelnen, ohne dass hierfür eine Rechtfertigung sichtbar wäre. Der Einwand der Privilegierung der Verbände kam in der Beratung zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes im parlamentarischen Prozess auf. Seitens der Bundesregierung wurde vertreten, dass Verbänden kein weitergehender Rechtsschutz zur Verfügung stehen dürfte, als dem einzelnen Bürger. Aus diesem Grund sei es ein guter Kompromiss, dass nach der deutschen Neuregelung Verbände nur die Verletzung solcher Normen rügen könnten, die Rechte Einzelner schützten.428 Diesem Argument ist nicht zu folgen. Welchen Sinn sollte es machen, den Verbänden Klagemöglichkeiten zu geben, die bereits durch den Einzelnen Bürger wahrgenommen werden? Ist es doch gerade Sinn und Zweck der Verbandsklage, die Begrenzung des Rechtsschutzes auf Fälle der Verletzung individueller Rechte zu überwinden und einen Rechtsschutz bei möglicher Verletzung von ausschließlich gemeinwohlorientiertem Recht zu schaffen.429 Die naturschutzrechtliche Verbandsklage des BNatSchG hat genau diesen Weg beschritten. Das Konzept des aktuellen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes stellt demgegenüber ein weitgehend überflüssiges Nebeneinander von Klagerechten dar.430 (5) Die Gefahr für den Standort Deutschland: Verbandsklagen bei Genehmigungsverfahren würde die Entwicklung von Infrastruktur und Wirtschaft lähmen und Deutschland als Wirtschaftsstandort unattraktiv machen und (6) Bedenken hinsichtlich einer etwaigen Überlastung der Gerichte – eine Flut von Verbandsklagen führe, wegen der hohen Kontrolldichte deutscher Verfahren, zu einer Lähmung der Gerichte. Die beiden letzten Einwände gelten den Befürchtungen, dass die Verbandsklage eine Welle von Verbandsgründungen, eine Prozessflut, eine schwerwiegende Verzögerung wichtiger Infrastruktur- und Wirtschaftsprojekte sowie eine Instrumentalisierung der 428 s. Protokoll der 1. Lesung zum Entwurf eines Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes v. 12.9.2006. 429 So auch Hans-Joachim Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369 (372). 430 Im Übrigen sah der Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung v. 21.2.2005 (Kabinett-Nr. 15 16 100 01) noch eine völlig andere Ausgestaltung der Verbandsklage vor, nämlich eindeutig im Kontext der jahrzehntelangen Debatte als Gerichtsverfahren zur Beanstandung von Vorschriften des objektiven Rechts, s. § 2 E-Umweltrechtsbehelfsgesetz v. 21.2.2005.
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Verbandsklage zur Verfolgung egoistischer Interessen mit sich bringen und in der Folge die Gerichte total überlastet würden.431 All dies hat sich nicht bestätigt. Derartige Erfahrungen wurden weder im Rahmen der naturschutzrechtlichen Verbandsklage noch im Rahmen der allgemeinen umweltrechtlichen Verbandsklage in den anderen europäischen Mitgliedstaaten oder international gemacht.432 Zudem gibt es hinreichende Ausgestaltungsmöglichkeiten des Verbandsklageverfahrens, um sicherzustellen, dass die Verbandsklage den gewünschten Zweck erfüllt und sich gleichzeitig angemessen in das gesamte Rechtsystem eingliedert. Als Beispiele solcher ‚Stellschrauben‘ sind etwa die Voraussetzungen zur Annerkennung von Verbänden besonders hervorzuheben sowie die Möglichkeit besonderer Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz. Bezüglich letzterem ist allerdings auch zu bedenken, dass etwaige Verzögerungen von Projekten durchaus möglich sein müssen.433 Denn wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung zugunsten bestimmter Umweltnutzungen bestehen, so muss der Eintritt ‚vollendeter Tatsachen‘ und damit ein Leerlaufen des Rechtsschutzes verhindert werden.434 Verfassungs- und verwaltungsrechtlich bestehen in Deutschland grundsätzlich keine Hindernisse für einen weiten Zugang zu Gerichten, wie ihn das Völker- und Europarecht fordern. Die Einklagbarkeit gemeinwohlorientierter Rechtsgüter durch Private im Wege der Verbandsklage, als Ausnahme zum Schutz der Rechte Einzelner kann der Gesetzgeber regeln. Die dagegen bestehenden Bedenken sind politisch einzustufen. Je größer allerdings die Beurteilungs- und Ermessensspielräume der Verwaltung und der Einfluss partikularer Interessen im Verwaltungsverfahren, desto größer die Gefahr der Missachtung gemeinwohlorientierter Rechtsvorschriften, und desto wichtiger eine Ausdehnung der Rügebefugnis zu deren Überprüfbarkeit. Für das Gelingen einer modernen Gesellschaftssteuerung im Sinne des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit des Mehrebenensystems bedarf die deutsche Theorie des subjektiv-öffentlichen Rechts dringend einer Anpassung.
431 Zu den Missbrauchsargumenten s. Contra und Pro Verbandsklage, Anhörung des Arbeitskreises für Umweltrecht, 1976; ferner Felix Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, S. 23. 432 s. dazu ausführlich Hans-Joachim Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369 (372 ff.). 433 So auch Hans-Joachim Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369 (372). 434 Ebd.
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b) Verstöße gegen Verwaltungsverfahrensrecht Auch Verstöße gegen Verfahrensrecht sind in Deutschland grundsätzlich nicht einklagbar. Sie begründen lediglich in Ausnahmefällen eine Rügebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Unterschieden wird zwischen relativen und absoluten Verfahrensrechten. Relative Verfahrensrechte sind die Regel, ihnen kommt allein eine dienende Funktion zu.435 Das heißt, sie dienen ausschließlich der Verwirklichung des materiellen Rechts. Relative Verfahrensrechte bewirken nur dann Drittschutz, wenn sich die Verletzung der Verfahrensvorschrift auf die materiellrechtliche Rechtsposition ausgewirkt haben könnte.436 Absolute Verfahrensrechte sind dagegen die Ausnahme. Ihnen kommt keine dienende Funktion zu, sie räumen dem Kläger unabhängig von einer Verletzung des materiellen Rechts eine Rügebefugnis ein.437 Hinsichtlich des Einflusses der Grundrechte gilt für Verstöße gegen Vorschriften des Verwaltungsverfahrens gleiches wie für solche gegen materielles Recht:438 Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kommt zum Tragen, wenn die beeinträchtigte Verfahrensnorm auch dem Schutz des Betroffenen dient, wobei die verfahrensrechtliche Funktion der Grundrechte von Bedeutung ist. Die Grundrechte setzten nämlich auch Maßstäbe für eine den Grundrechtsschutz effektuierende Organisations- und Verfahrensgestaltung sowie für eine grundrechtsfreundliche Anwendung vorhandener Verfahrensvorschriften. Danach muss das Verfahren so gestaltet sein, dass nicht die „Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition besteht“.439 Es fehlt an einem Grundrechtsverstoß, wenn „von vornherein ausgeschlossen werden [kann], dass bei fehlerfreier Verfahrensgestaltung eine für den Beschwerdeführer günstige Entscheidung getroffen worden wäre oder hätte getroffen werden müssen“.440 Daher genügt die Grundrechtsrelevanz einer Verfahrensvorschrift allein nicht zur Annahme eines absoluten Verfahrensfehlers.441 Das einfache Recht kann – wie im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO und den Verfahrensfehlerregelungen geschehen – die subjektivrechtliche Position auf die Fälle beschränken, in denen sich die Verletzung von Verfahrensvorschriften auf materielle Rechtspositionen ausgewirkt haben kann.442 435
BVerwGE 105, 348 (354). Etwa Ferdinand O. Kopp/Wolf-Rüdiger Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 42 Rn. 95; Herbert Posser/Heinrich Amadeus Wolff, VwGO, 2008, § 42 Rn. 195 ff. 437 Etwa Herbert Posser/Heinrich Amadeus Wolff, VwGO, 2008, § 42 Rn. 196. 438 Vgl. dazu Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 19 Rn. 27 und Vorb. Art. 1 Rn. 11 f. 439 BVerfGE 63, 131 (143). 440 BVerfGE 73, 280 (299). 441 Vgl. auch Ferdinand Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 46 Rn. 20. 436
A. Die drei Säulen des Steuerungskonzepts
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Das dadurch herrschende Dogma der ‚dienenden Funktion‘ des Verfahrensrechts findet seinen deutlichsten Ausdruck in Unbeachtlichkeitsklauseln wie etwa § 46 VwVfG.443 Nach seiner ursprünglichen Fassung konnte die Aufhebung eines Verwaltungsaktes dann nicht verlangt werden, „wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können“. Diese Formulierung hatte eine Begrenzung der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern auf gebundene Entscheidungen zur Folge. Im Jahre 1996 wurde die heute gültige Fassung eingeführt, die eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Unbeachtlichkeitsklausel mit sich brachte: Nunmehr kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes bei Verletzung bestimmter Verfahrensvorschriften dann nicht verlangt werden, „wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat“. Damit sollen nach der gesetzgeberischen Intention auch Entscheidungen auf der Grundlage von Ermessens- und Gestaltungsermächtigungen erfasst werden.444 Diese Gesetzesänderung und die damit verbundene Neuorientierung des Gesetzgebers steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beschleunigungsgesetzgebung, die durch Verfahrenserleichterungen und die Ausweitung von Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften das Verwaltungsverfahren beschleunigen und die Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern minimieren sollte.445 Zunächst erfolgte diese Verfahrensbeschleunigung aus Anlass der Wiedervereinigung Deutschlands im Rahmen des Verkehrswegplanungsbeschleunigungsgesetzes vom 16.12.1991446, dessen Geltung mehrfach verlängert wurde. Dessen Sonderregelungen wurden durch das Planungsvereinfachungsgesetz vom 17.12.1993447 und durch das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz vom 12.12.1996448 ausgebaut und in das allgemeine Verfahrensrecht aufgenommen. Durch das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz bekam § 46 VwVfG seine heutige Fassung.
442 Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 19 Rn. 27; Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 158. 443 Dazu und zum Folgenden vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 158. 444 Ebd. 445 Dazu Ferdinand Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 45 Rn. 4; Günter Püttner/Annette Guckelberger, Beschleunigung von Verwaltungsverfahren, JuS 2001, S. 218 ff.; Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2004, S. 310 f.; Reinhard Sparwasser/Rüdiger Engel/Andreas Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, S. 159 ff.; umfassend zu den tatsächlichen Auswirkungen der Beschleunigungsgesetzgebung Jan Ziekow u. a., Dauer von Zulassungsvefahren, 2005. 446 BGBl I, 2174; vgl. dazu den Erfahrungsbericht der BReg, BT-Dr. 15/2311). 447 BGBl I, 2123. 448 BGBl I, 1354.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
Aufgrund der Aufgabenvielfalt, die gerade das Verwaltungsverfahrensrecht prägt,449 erscheint es nicht nur einleuchtend, sondern durchaus geboten, dass ein prinzipieller Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen verletzter Verfahrensvorschrift und materiellem Recht nicht gefordert werden kann. Daher besteht nach dem BVerwG ein Rechtswidrigkeitszusammenhang nur dann, wenn die einschlägige Verfahrensvorschrift einen typischen Bezug zum Schutz der materiellrechtlichen Position des Klägers aufweist, wobei eine funktionale Betrachtung geboten ist, die das Gewicht der materiellen Rechtsstellung zu der typischen Wirkungsweise des verfahrensrechtlichen Instituts in Beziehung setzt.450 Absolute Verfahrensfehler, bei denen die verletzte Verfahrensnorm ihren Schutzauftrag aus sich heraus ganz eigenständig erfüllen soll, sind nach der Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn die Verfahrensvorschrift bestimmten Beteiligten in ihrem Interesse451 oder im Interesse einer „besonderen Befriedigungs- und Konsensfunktion“452 eine vom Ausgang des Verfahrens unabhängige, selbstständig durchsetzbare, im Übrigen jedoch beschränkte (z. B. nur ein Anhörungsrecht) Verfahrensposition einräumt. In diesem Sinne anerkannt wurden in der Vergangenheit beispielsweise die Mitwirkungsrechte anerkannter Naturschutzverbände gemäß § 60 BNatSchG.453 Andere Beispiele sind die notwendige Beteiligung z. B. eines Hauptbeteiligten oder die Hinzuziehung im Falle der Notwendigkeit nach § 13 Abs. 2 VwVfG. Deren unterbleiben ist nicht nur ein Verfahrens- oder Formfehler, sondern betrifft die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes und ist bereits daher von herausgehobener Bedeutung.454 Gleiches gilt für das Fehlen des für die Einleitung des Verfahrens und für den Verwaltungsakt notwendigen Antrags oder einer sonst materiellrechtlich notwendigen Mitwirkung Dritter sowie anderer Behörden. Das Unterbleiben des Öffentlichkeitsverfahrens nach § 73 Abs. 3 VwVfG oder anderer entsprechender Vorschriften (etwa § 10 BImSchG) führt nur dann zu einer Unanwendbarkeit von § 46 VwVfG, 449
Dazu Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, 2002, 429 (446 ff.). 450 BVerwGE 41, 59 (64 ff.); 50, 282 (285); 57, 98 (102); 61, 256 (275); auch 85, 368 (372 ff.). 451 BVerwGE 41, 64; 44, 239. 452 Fritz Ossenbühl, Zur Bedeutung von Verfahrensmängeln im Atomrecht, NJW 1981, S. 378. 453 So in naturschutzrelevanten Planfeststellungsverfahren und in einigen anderen Verfahren, BVerwGE 105, 348 (353); allerdings rückte hiervon das BVerwG für solche Fälle ab, in denen die Verbände in der Sache selbst ein Klagerecht haben, BVerwG NVwZ 2002, S. 1103 (1105). 454 Vgl. Ferdinand Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 46 Rn. 19 m. w. N.
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wenn und soweit die Öffentlichkeitsbeteiligung hier an die Stelle einer notwendigen Beiladung nach § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, also wegen Betroffenheit in eigenen Rechten, tritt. Auch das Gemeinschaftsrecht kann zu einem Ausschluss von § 46 VwVfG führen. Dies gilt aufgrund des Erfordernisses der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts für Verfahrensvorschriften nach Europarecht und der entsprechenden deutschen Vorschriften, soweit sie der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht dienen und durch die Vorgaben nach Gemeinschaftsrecht gebunden sind.455 An diesem Punkt setzt die Kritik der Anwendung der Verfahrensfehlerfolgenregelungen durch das BVerwG auf Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung aus Gemeinschaftsrecht, wie die der UVP, an. Die UVP-Richtlinie selbst enthält sich unmittelbarer materiellrechtlicher Vorgaben, da es ihr Ziel ist, die materiellrechtlichen Parameter erst im Verfahren selbst zu entwickeln.456 Hintergrund ist die Erkenntnis, dass es kaum zuverlässige Methoden gibt, die es erlauben, Umweltfolgen allgemein und in objektiver Form auszudrücken.457 Die Beteiligungsvorschriften der UVP sind daher nicht nur Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne der Anhörung, sondern die UVP stellt die Öffentlichkeit in den Dienst des Umweltschutzes im Sinne einer Konsultation, aus der ein materieller Maßstab entsteht.458 Gäbe es jederzeit abrufbare Maßstäbe, könnte die Behörde ohne weiteres selbst oder jedenfalls mit Hilfe von Sachverständigen die UVP durchführen. Da es diese Maßstäbe, insbesondere aufgrund des integrativen Ansatzes der UVP aber nicht gibt, verfolgt die Richtlinie das Konzept eines ‚Öffentlichkeitsgutachtens‘459, dass dann innerhalb der entsprechenden Verfahren Berücksichtigung finden muss. Dieser Kerngedanke der Richtlinie macht den Eigenwert des UVP-Verfahrens aus – es kann nicht im Wege innerbehördlicher Erwägungen oder gerichtlicher Ersatzüberlegungen substituiert werden. Deshalb bedarf die Verfahrensfehlerfolgenlehre nach der traditionellen Schutznormlehre einer gemeinschaftsrechtlichen Anreicherung,460 die Frage 455
Vgl. etwa Ferdinand Kopp/Ulrich Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 46, Rn. 20; a. A. allerdings Hans-Jürgen Papier, Direkte Wirkung von Richtlinien der EG im Umwelt- und Technikrecht, DVBl 1993, S. 814: § 46 VwVfG geht EURichtlinien vor. 456 Vgl. auch Benedikt Grünewald, Subjektive Verfahrensrechte als Folge der Europäisierung des Bauplanungsrechts, NVwZ 2009, S. 1520 (1523). 457 s. Begründung zum Entwurf der UVP-Richtlinie, abgedr. In BR-Drs. 413/80, S. 13 f. 458 Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Hans-Werner Rengeling, EUDUR, 2. Aufl. 2003, § 18 Rn. 7. 459 s. Benedikt Grünewald, Subjektive Verfahrensrechte als Folge der Europäisierung des Bauplanungsrechts, NVwZ 2009, S. 1520 (1523). 460 So auch Christian Calliess, Feinstaub im Rechtsschutz deutscher Verwaltungsgerichte, NVwZ 2006, S. 1 ff.: „kritische Rekonstruktion der Schutznormtheorie“.
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
eigenständig durchsetzbarer Rechtspositionen im UVP-Verfahren kann nicht mit dem herkömmlichen methodischen Konzept beantwortet werden. Das Gemeinschaftsrecht etwa leitet grundsätzlich aus der Verletzung von Vorschriften, die Mitwirkungsrechte anderer Personen oder Stellen begründen, einen Aufhebungsanspruch her.461 Erwägungsgrund 11 der UVP-Richtlinie verweist darauf, dass die Umweltauswirkungen eines Projekts mit Rücksicht auf den Schutz der menschlichen Gesundheit zu beurteilen sind und durch eine Verbesserung der Umweltbedingungen zur Lebensqualität beigetragen werden soll. Dass diese Bezugnahme auf die ‚menschliche Gesundheit‘ in den Erwägungsgründen einer Richtlinie bereits zur Gewährleistung eines subjektiven Rechts ausreicht, ist spätestens seit den sogenannten Luftreinhalteentscheidungen des EuGH anerkannt.462 Nichts anderes kann für die Vorschriften der UVPRichtlinie gelten. Nach Art. 6 Abs. 4 UVP-Richtlinie muss die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit erhalten, sich an Entscheidungen zu beteiligen und hat „zu diesem Zweck das Recht, der zuständigen Behörde [. . .] gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offen stehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird“. Das Recht zur Öffentlichkeitsbeteiligung ist also durch die Mitgliedstaaten vor einer Entscheidung über den Genehmigungsantrag sicherzustellen. Eine Nachholung der Öffentlichkeitsbeteiligung ist nicht nur wegen des Kerngedankens der Richtlinie nicht geboten, sie ist nach Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie gemeinschaftsrechtswidrig, da sie vor der behördlichen Entscheidung stattfinden muss. Eine effektive Beteiligung ist nachher nicht mehr möglich. Denn die Interessenkonstellation, die in dem Moment besteht, in dem das UVP-Verfahren hätte durchgeführt werden sollen, ist ex post nicht mehr herstellbar. Aus Gründen der effektiven Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts sind die Beteiligungsvorschriften des UVPG daher als absolute Verfahrensrechte zu beurteilen. Ein Grundsatz über die Beachtlichkeit derartiger nationaler Verfahrensvorschriften lässt sich daraus freilich nicht ableiten. Hier ist stets das Zusammenspiel der nationalen Verfahrensautonomie einerseits und der von den Mitgliedstaaten zu wahrenden Prinzipien der Effektivität und der Äquivalenz maßgeblich.463 Keinesfalls wird eine Beachtlichkeit aller Verfahrensvorschriften europarechtlich gefordert.464 461
Etwa EuGH Slg. 1980, 2229 (2264 f.); EuGH Slg. 1983, 2191 (2207 f.). EuGH Slg. 1991, I-2567 ff.; EuGH Slg. 1991, I-2607 ff.; jüngst bestätigt: vgl. EuGH NVwZ 2008, 984 f. 463 Vgl. dazu Christine Steinbeiß-Winkelmann, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes, NJW 2010, S. 1233 (1234). 464 Vgl. Rainer Wahl, Das Verhältnis von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozessrecht in europäischer Sicht, DVBl 2003, S. 1285 (1292). 462
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Allerdings folgt aus den Grundrechten die Notwendigkeit subjektivrechtlicher Verfahrenspositionen umso mehr, je größer die rechtlichen und tatsächlichen Spielräume der Exekutive im materiellen Bereich sind.465 Es sollte daher auch bei der Beurteilung von Verfahrensrechten stets der Zweck der Verfahrensnorm analysiert und danach gefragt werden, inwieweit gerade sie im Gefüge der Verfahrenshandlungen eine Schutzaufgabe für die Position des Klägers hat. Sicher ist, dass bei einer offenen Normprogrammierung zur Lösung komplexer Sachverhalte dem Verfahrensrecht eine gesteigerte Bedeutung zukommt, die eine Relativierung des strikten Dogmas von der ‚dienenden Funktion‘ des Verfahrensrechts erforderlich macht. c) Die Kontrolldichte Eine Ausdehnung der Rügebefugnis auf objektive Normen durch die Einführung einer Verbandsklage und eine gesteigerte Bedeutung des Verfahrensrechts steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kontrolldichte der Gerichte. Der Rechtsweg im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG gewährt Rechtsschutz durch richterliche Rechtserkenntnis mit den Mitteln und Methoden des Rechts.466 Die Grenzziehung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist allein im Gesetz und den dazu entwickelten Dogmen zu suchen.467 Im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG ist diese Abgrenzung als ein dreipoliges Kompetenzproblem zwischen Legislative, Exekutive und Judikative zu sehen, bei dessen Lösung es auf einen Ausgleich zwischen den Steuerungsansprüchen der Legislative einerseits und den unterschiedlichen Arbeitstechniken von Exekutive und Judikative andererseits ankommt.468 Die Bestimmung des Rechtsschutzauftrages erfolgt also nach Maßgabe der Kompetenzen. Ein besonders hohes Schutzbedürfnis gegenüber Verwaltungsentscheidungen in grundrechtsintensiven Bereichen, das anders nicht sichergestellt werden kann, kann dazu führen, dass eine Kontrollbegrenzung der Gerichte schlechthin ausgeschlossen ist.469 Die Kontrolldichte bestimmt sich primär nach dem gesetzlichen Entscheidungsprogramm, das der 465
Helmuth Schulze-Fielitz, in: Horst Dreier, GG, Art. 19 Rn. 54. Zum Begriff der Kontrolldichte s. Hans Meyer, in: ders./Hermann Borges, VwVfG, § 40 Rn. 30. 467 Peter Badura, in: FS für Otto Bachof, 1984, S. 169; Hans-Jürgen Papier, in: HdStR Bd. VI, § 154 Rn. 61: die gerichtliche Kontrolle als „streng gesetzesakzessorische“ Kontrolle; Peter Michael Huber, in: Hermann Mangoldt/Friedrich Klein/ Christian Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Aufl. 2004, Art. 19 abs. 4 Rn. 515. 468 Vgl. m. w. N. Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 180. 469 Vgl. dazu BVerfGE 18, 85 (92 f.); 42, 143 (147 ff.); 66, 116 (131). 466
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Rechtsanwendung zugrunde liegt.470 Der durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Zugang zu Gerichten sowie die wirksame gerichtliche Kontrolle unterliegen daher der Ausgestaltung des Gesetzgebers.471 Im Grundsatz besteht ein Anspruch auf vollständige, auch die Beurteilungsgrundlage umfassende Nachprüfung der angefochtenen Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht.472 Dies gilt für Hoheitsakte, soweit sie durch das Recht vollständig determiniert sind.473 Die Gerichte haben die Kompetenz, die Verwaltung in der Gesetzesauslegung, der Tatsachenfeststellung und der Gesetzesanwendung zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Tatsachenfeststellungen und Wertungen ist ausgeschlossen.474 Damit zeichnet sich Deutschland im europäischen Rechtsvergleich durch eine hohe materielle Kontrolldichte aus.475 Diese umfassende Rechtsschutzgarantie in Deutschland entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus. Eine eigenständige Funktion konnte der Verwaltung als Folge des Misstrauens nicht zuerkannt werden.476 Entsprechend war ihre enge Bindung an das Parlament einhergehend mit engen methodischen Vorstellungen der Gesetzesbindung der Verwaltung sowie die Eingrenzung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen.477 Der Gesetzgeber kann aber kraft seiner Ausgestaltungsbefugnis ausnahmsweise eine reduzierte Kontrolldichte vorsehen. Je weiter der Steuerungsanspruch des Gesetzes zurückgenommen ist, desto mehr treten die unterschiedlichen Konkretisierungsleistungen von Exekutive und Judikative in den Vordergrund. „Gerichtliche Kontrolle endet also dort, wo das materielle Recht der Exekutive in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen abverlangt, ohne dafür hinreichend bestimmte Entschei470
Ebd. Vgl. Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 19 Rn. 36 m. w. N. 472 Vgl. BVerfGE 78, 214 (226); 84, 34 (49); 101, 106 (123); 103, 142 (156). 473 BVerfGE 15, 275 (282); 18, 203 (212); 21, 191 (194 f.); 31, 113 (117); 35, 263 (274); 51, 304 (312); 103, 142 (156); BVerwGE 94, 307 (309). 474 BVerfGE 101, 106 (123). 475 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 183. 476 Zu den Konsequenzen s. etwa Dietrich Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961. 477 Rainer Wahl, Die zweite Phase des öffentlichen Rechts in Deutschland: Europäisierung des öffentlichen Rechts, Der Staat, Bd. 38 (1999), S. 495; Andreas Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhardt Schmidt-Aßmann/Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 1 Rn. 8; Wolfgang Hoffmann-Riem, Eigenständigkeit der Verwaltung, in: ebd., § 10 Rn. 4. 471
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dungsprogramme vorzugeben“.478 Ausgehend von einer dreipoligen Kompetenzstruktur erfolgt die Grenzziehung durch die Zuweisung des Gesetzgebers: Ebenso wie der Gesetzgeber in den Grenzen der Vorbehaltslehre und des Bestimmtheitsgebots frei ist, über das Maß rechtlicher Durchbildung zu entscheiden,479 ist er auch befugt, die letztverbindliche Entscheidung für eine gesetzlich nicht eindeutig fixierte Situation der Verwaltung zuzuweisen.480 Diese Zuweisung kann teilweise in der Normstruktur offen zutage liegen, so in den klassischen Ermessenstatbeständen, teilweise ergibt sie sich aus besonderen Beurteilungs- oder Gestaltungsermächtigungen.481 Das BVerfG formuliert: „Der lückenlose Rechtsschutz, den Art. 19 Abs. 4 GG gewährt, schließt daher normativ eröffnete Gestaltungs-, Ermessensund Beurteilungsspielräume der Verwaltung nicht von vornherein aus. An ihnen findet die gerichtliche Kontrolle behördlicher Entscheidungen ihre Grenze“.482 Durch eine offene Normprogrammierung werden Handlungs- und Entscheidungsspielräume von der Legislative an die Exekutive weitergegeben. Dies hat eine Abnahme der gerichtlichen Kontrolldichte zur Folge und birgt, aufgrund der ungleichen Durchsetzungschancen gleichzeitig die Gefahr einer ungleichen Gewichtung privater und öffentlicher Belange. Ist in komplexen Bereichen eine vollständige Determinierung diesbezüglicher Sachverhalte durch den Gesetzgeber nicht möglich, so gewinnt das Verwaltungsverfahren an Gewicht. Denn dort, wo der Verwaltung die Letztentscheidung zugewiesen wird, ist der Weg zur Entscheidung von herausgehobener Bedeutung. Hat die administrative Letztentscheidungsermächtigung durch offene Normprogrammierung eine Abnahme der gerichtlichen Kontrolldichte in materieller Hinsicht zur Folge, so dient die Kontrolle bestimmter Verfahrensvorschriften der Absicherung der Einhaltung des vorgegebenen Verfahrens. Einem befürchteten Rückgang der Beachtung des objektiven Rechts im Gesetzesvollzug muss durch eine Ausdehnung der Klagebefugnis auf gemeinwohlorientierte Rechtspositionen begegnet werden. Die Vorgaben und Grenzen hierfür hat der Gesetzgeber zu bestimmen. Eine abnehmende Steuerung durch den Gesetzgeber im Wege offener Normstrukturen, als Folge der Komplexität der zu regelnden Materien, und 478
BVerfGE 103, 142 (156 f.); auch 88, 40 (61). Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 13. 480 Vgl. etwa Hans-Jürgen Papier, Die Stellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im demokratischen Staat, 1979, S. 33 f.; Peter Badura, in: FS für Otto Bachof, 1984, S. 169 (171). 481 Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 184. 482 BVerfGE 61, 82 (111, 114 f.); 88, 40 (56); 103, 142 (157). 479
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
die damit zwangsläufig einhergehende Abnahme der Kontrolldichte bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen muss einen Ausgleich in der Ausdehnung der Kontrolle auf bestimmte Verfahrensnormen einerseits und gemeinwohlorientiertes materielles Recht andererseits finden.
B. Das Steuerungskonzept im Kontext der Verwirklichung des Demokratieprinzips im europäischen Mehrebenensystem Transparenz, Steuerung, Kontrolle – diese Schlagwörter bezeichnen die drei Säulen, die in ihrem Zusammenspiel das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit bilden. Die transparente Verwaltung beschreibt den Informationsfluss von der Verwaltung zum Bürger. Transparente Entscheidungsprozesse versetzen den einzelnen Bürger in die Lage nachzuvollziehen, welche Interessen und Wertungen in die Entscheidung der Verwaltung eingegangen sind. Denn nur mit diesem Wissen kann der einzelne Bürger aktiv an der Verwirklichung des Rechts mitwirken. Dies tut er im Wege kooperativer Verfahren. Sie gewährleisten den Informationsfluss vom Bürger zur Verwaltung. Das Wissen des Bürgers ermöglicht eine rationale und effiziente Entscheidungsfindung der Verwaltung. Auf diese Weise wird die gemeinwohlorientierte Gesellschaftssteuerung zu einem arbeitsteiligen Prozess zwischen Verwaltung und Bürger. Die Mitwirkung an staatlichen Entscheidungen fördert zudem deren Akzeptanz. Die Kontrolle verhindert ein Überwiegen partikularer Interessen. Nur wenn jede einzelne der drei Säulen ihre volle Wirksamkeit entfaltet, kommt die ganze Wirkungsdimension des Steuerungskonzepts zum Tragen. Nur in ihrem Zusammenspiel ist gewährleistet, dass mögliche Fehlwirkungen im Rahmen einer Säule durch die anderen Säulen ausgeglichen werden. Das im Einzelnen teilweise mit heftigem Widerspruch und Vorbehalten belegte Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit kann nur in einem breiteren Kontext verstanden werden: Die deutsche Verwaltung ist heute ein Akteur im europäischen Verfassungsverbund. Sie agiert nicht mehr territorial und sachlich begrenzt, sondern hat vielfach komplexe, grenzüberschreitende Sachverhalte in Kooperation mit anderen europäischen Verwaltungseinheiten zu lösen und dabei europäisches Recht umzusetzen. Die Verwaltung ist nach herkömmlich gedachtem Muster nicht in der Lage, die Verwirklichung des Europarechts allein zu gewährleisten. Der verantwortungsbewusste, mündige – und daher notwendig informierte – Bürger muss als Akteur der Verwaltung bei der Durchsetzung des Rechts zur Seite stehen.
B. Das Steuerungskonzept im Kontext des Demokratieprinzips
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Die im deutschen Recht verankerten Vorstellungen einer beschränkt öffentlichen Verwaltung, der die Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen obliegt und deren Entscheidungen grundsätzlich nur der Kontrolle von Individualklägern bezüglich diesen zustehender Rechte unterliegen, bedürfen also angesichts der Wirkungsbedingungen des Rechts unter den Voraussetzungen von Globalisierung und Technologisierung eines Umdenkens. Eine völlige Abkehr von der deutschen Systematik ist dabei nicht erforderlich, lediglich eine teilweise Öffnung, der das Verständnis von einer modernen Verwaltung als Akteur im europäischen Mehrebenensystem zugrunde zu legen ist. Die Aufgabenwahrnehmung der Verwaltung ist heute nicht mehr bestimmt durch enge methodische Vorstellungen der Gesetzesbindung und der Eingrenzung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen. Die Komplexität der von ihr zu bewältigenden Materien erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und Lernfähigkeit der Verwaltung. Dies wird gewährleistet durch eine offene Normprogrammierung, die der Verwaltung Gestaltungsspielräume zuweist. Der Entscheidungsvorgang in der Verwaltung wird zu einem eigenständigen Steuerungsfaktor, ihre Aufgabenwahrnehmung zur Steuerungsfunktion. Im Rahmen der ihr zugewiesenen Gestaltungsspielräume greift sie steuernd in gesellschaftliche Sachverhalte ein. Schon allein aufgrund der Komplexität der Sachverhalte, zur Gewährleistung einer objektiven und rationalen Entscheidungsfindung, ist die Verwaltung dabei auf die Mitwirkung der Öffentlichkeit angewiesen. Doch noch ein anderer Grund macht die Mitwirkung der Öffentlichkeit zwingend erforderlich: Vollzieht die Verwaltung heute nicht mehr lediglich Recht und Gesetz, sondern wirkt sie steuernd auf gesellschaftliche Sachverhalte ein, so steht nicht mehr die Geseztmäßigkeit der Verwaltung im Vordergrund. Ihrer Aufgabenwahrnehmung kommt nicht mehr allein eine rechtsstaatliche Funktion zu. Denn dort wo der Verwaltung Gestaltungsspielräume zugewiesen sind, bedarf die Entscheidungsfindung zusätzlicher Legitimation. Sie muss eine erneute Rückbindung an Wertungen und Meinungen der Bürger erfahren. Der Aufgabenwahrnehmung der Verwaltung kommt eine demokratische Funktion zu. Die staatliche Entscheidungsfindung muss durch die Mitwirkung der Öffentlichkeit auf der Vollzugsebene eine erneute Rückbindung an das (betroffene) Volk erfahren. In diesem Sinne bilden der Zugang zu Informationen, die Mitwirkung an Entscheidungsprozessen und der weite Zugang zu Gerichten Elemente partizipativer Demokratie: Transparenz ist eine wesentliche Bedingung für die Funktionsfähigkeit von Demokratie. Für die Öffentlichkeit ist Transparenz eine maßgebliche Voraussetzung dafür, dass sich die Bürger eine Meinung bilden und diese artikulieren können. Insoweit notwendig ist ein möglichst weiter Zugang zu Informationen, der die Transparenz der Entscheidungs-
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Kap. 2: Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit
prozesse garantiert.483 Gemeinsam mit den Medien und den politischen Parteien sind Verbände wichtige Instrumente gesamtgesellschaftlicher Interessenvermittlung, sie fördern Kommunikation und Diskussion in der Bevölkerung.484 Die Diskussion möglichst vieler bestehender Meinungen in der Öffentlichkeit dient der Kompromissfindung.485 Von herausragender Bedeutung ist daher die Verwirklichung einer ‚europäischen Öffentlichkeit‘ samt eines europaweiten Meinungsbildungsprozesses.486 Art. 11 EUV stellt dahingehend einen enormen Fortschritt dar. Seine Regelungen zielen auf einen lebendigen, unionsweiten Diskurs, der insbesondere Verbänden und Bürgerbewegungen eine Rolle als Vermittler zwischen der informellen Willensbildung der Öffentlichkeit und den Institutionen der politischen Ordnung zuweist. Die über das Transparenzgebot vermittelten Pflichten des Staates zu einer möglichst umfassenden Informationsgewährung sind jedoch keine Einbahnstrasse.487 Der politische Entscheidungsträger ist bei der Zusammenstellung seiner Entscheidungsgrundlagen auf den Transfer von Wissen, das bei Privaten vorhanden ist, angewiesen.488 Daher bedarf es auch Instrumentarien, die den Transfer von Informationen in anderer Richtung – von Bürger zu Staat – sicherstellen. Zugleich wirkt die Mitwirkung an Entscheidungsprozessen im Sinne der zweiten Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit als Äquivalent für einen Rückgang an Einfluss des Bürgers dort, wo der Gesetzgeber der Verwaltung durch eine offene Normprogrammierung, etwa durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe Handlungsspielräume einräumt.489 Denn der Bürger verliert dort an Einfluss, wo der Gesetzgeber Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse an die Exekutive weitergibt. Es bedarf dann einer erneuten Rückbindung der Entscheidung an die (betroffene) Öffentlichkeit in Form von Mitwirkungsrechten im Verwaltungsverfahren. Auf diese Weise finden die Wer483 Christian Calliess, Optionen zur Demokratisierung der Europäischen Union, in: Hartmut Bauer/Peter M. Huber/Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, 2005, S. 281 (308). 484 Christoph Gusy, Demokratiedefizite postnationaler Gemeinschaften unter Berücksichtigung der EU, ZfP 1998, S. 267 (273). 485 Albert Bleckmann, Das europäische Demokratieprinzip, JZ 2001, S. 53 (57). 486 Vgl. zur Situation vor Lissabon Christian Calliess, Optionen zur Demokratisierung der Europäischen Union, in: Hartmut Bauer/Peter M. Huber/Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, 2005, S. 281 (309). 487 Vgl. Christian Calliess, Optionen zur Demokratisierung der Europäischen Union, in: Hartmut Bauer/Peter M. Huber/Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, 2005, S. 281 (312). 488 Wolfgang Hoffmann-Riem, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts: Vorüberlegungen, DVBl 1994, S. 1381 (1387 f.). 489 So auch Christian Calliess, Optionen zur Demokratisierung der Europäischen Union, in: Hartmut Bauer/Peter M. Huber/Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, 2005, S. 281 (312).
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tungen und Meinungen des (betroffenen) Bürgers erneut Berücksichtigung bei der staatlichen Entscheidungsfindung. Ein Rückgang an Einfluss des Volkes in seiner Allgemeinheit findet so einen Ausgleich in einer verstärkten Betroffenen-Partizipation. Der Bürger soll – sozusagen als kleinste Einheit – seinen Beitrag, wenn man so will durch Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, im Gesetzesvollzug leisten.490 Durch das Einbringen seines Wissens, seiner Meinungen und Wertungen schafft er zusätzliche Abwägungskriterien, die bei der Entscheidung Berücksichtigung finden müssen. Korrespondierend zu Transparenz durch Informationen und Steuerung durch Beteiligung bedarf es der Kontrolle durch einen weiten Zugang zu Gerichten im Sinne der dritten Säule des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit. Durch die ihm zustehenden Rechte auf Information und Partizipation ist der Bürger berufen, Verantwortung nicht nur für sich selbst – sein individuelles Recht – zu übernehmen, sondern er hat auch für das Gemeinwohl einzustehen: „Die in der Beschränkung auf den Individualschutz liegende Diskriminierung des Gemeinwohlinteresses widerspricht dem weithin geteilten Ideal vom demokratischen Staatsbürger. Indem und insoweit [seine Rechtsschutzmöglichkeit] ihn auf die Wahrung nur seiner privaten Interessen verweist, setzt sie seinem ‚Recht auf Gemeinwohlengagement‘ hinsichtlich eines nicht unbedeutenden Teils staatlicher Machtausübung prinzipielle Grenzen [. . .]“.491 Das Schlüsselwort partizipativer Demokratie lautet politische Beteiligung möglichst vieler über möglichst Vieles und zwar im Sinne von Teilnehmen, Teilhaben und seinen-Teil-geben einerseits und innerer Anteilnahme am Geschehen und Schicksal des Gemeinwesens andererseits.492 Die partizipatorische Demokratietheorie rückt die tätige Mitwirkung der Bürger, die diskursive Konfliktregelung und das Gespräch ins Zentrum, die Schlagworte sind Regieren durch Mitwirkung und Regieren durch Diskussion. Im Unterschied dazu steht etwa die Konfliktregelung durch Befehl, Kampf oder legitime Herrschaft, durch Markt und Mehrheit. Mehr als jede andere Demokratietheorie drängt die partizipatorische Demokratietheorie auf einen möglichst großen Kreis der Stimmberechtigten und darauf, die Beteiligung der 490 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Clemens Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. I, 2003, § 18 Rn. 1 ff. (7 ff.); vgl. auch Christian Calliess, Optionen zur Demokratisierung der Europäischen Union, in: Hartmut Bauer/Peter M. Huber/Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, 2005, S. 281 (312). 491 Bernhard Wegener, Rechtsschutz für gesetzlich geschützte Gemeinwohlbelange als Forderung des Demokratieprinzips?, in: M. Bertschi u. a., Demokratie und Freiheit, 1999, S. 32 ff., 37. 492 Vgl. zum Folgenden Manfred G. Schmidt, Demokratietheorien, 3. Aufl. 2006, S. 251 ff.
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Stimmbürgerschaft an der Aussprache, der Willensbildung und der Entscheidung über öffentliche Angelegenheiten zu vertiefen und zu intensivieren. Zur Verwirklichung partizipativer Demokratie bedarf es durchweg anspruchsvoller Verfahren der Beratung und Entscheidungsfindung und die Befähigung der Beteiligten, sich auf diese einzulassen. Auch schon unter dem Stichwort der ‚prozeduralistischen Demokratietheorie‘ behandelt, liegt die Pointe eines demokratischen Verfahrens wie des Mehrheitsprinzips nach den Vertretern dieser Demokratietheorie nicht nur darin, dass die Mehrheit herrsche, sondern vielmehr im Vorgang der Meinungsbekundung, Erörterung, Aussprache und dem Bemühen, andere zu überzeugen.493 Wichtigste Variable partizipativer Demokratie ist also ein faires und präzise einzuhaltendes Verfahren, das die Mitwirkung der Öffentlichkeit sicherstellt. Treibende Kraft des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit war daher nicht zuletzt das Bemühen, dem viel beschworenen Demokratiedefizit auf europäischer Ebene entgegenzuwirken. Zunächst angestoßen durch die Rechtssprechung des EuGH, sodann fortentwickelt im Rahmen politischer Programme und der Sekundärrechtssetzung der Union, entwickelten sich partizipative Elemente als kompensatorische Modelle zur repräsentativen Demokratie, die schließlich ihren ausdrücklichen Niederschlag im Primärrecht der Europäischen Union fanden. Der grundlegende Lösungsansatz ist das Subsidiaritätsprinzip: Demnach kommt grundsätzlich der kleineren Einheit der Vorrang im Handeln gegenüber der größeren Einheit nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zu.494 Als bürgernah sind demnach Entscheidungen einzustufen, die auf einer dezentralen unteren Verwaltungsebene getroffen werden, wohingegen die Ebene der Europäischen Union eher als bürgerfern erachtet wird.495 Gemeint sind Entscheidungen in Bürgernähe, die der Vertrag von Lissabon, wie auch bereits der Maastrichtvertrag im Wege des allgemeinen Subsidiaritätsprinzips zu sichern sucht.496 Hintergrund dieses Lösungsansatzes ist die wachsende Einsicht, dass eine ‚verbesserte Gouvernanz‘ in der komplexen, von qualitativ hochwertigen Informationen abhängigen modernen Gesellschaft dezentraler politischer Handlungsebenen bedarf, um diese problemlösungsfähig zu erhalten.497 De493
Ebd. Vgl. Antonio D’Atena, Die Subsidiarität – Werte und Regeln. LA-Häberle, 2004, S. 325 ff.; Grundlegend Josef Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft, 1968, hier S. 71; Christian Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, S. 25 ff. 495 Vgl. Christian Calliess, in: ders./Matthias Ruffert, EUV/EGV, 2007, Art. 1 EUV Rn. 40. 496 Stefan Ulrich Pieper, Subsidiarität: Ein Beitrag zur Begrenzung der Gemeinschaftskompetenz, 1994, S. 259 f. 494
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zentrale Lösungen verringern die Komplexität und erhöhen die Transparenz des Entscheidungsprozesses. Die betroffenen Menschen identifizieren sich besser mit solchen politischen Entscheidungen, die ‚bürgernah‘ getroffen werden, weil dezentrale Entscheidungsstrukturen eine stärkere Partizipation ermöglichen. Zudem kann durch politische Lösungen auf dezentraler Ebene die Effizienz des gesamten Entscheidungsprozesses verbessert werden, weil die Probleme vor Ort gezielter einer Lösung zugeführt werden können.498 Die vom Subsidiaritätsprinzip immanent vorausgesetzte Mehrstufigkeit eines Systems mit dezentralen Handlungsebenen kann die Einstellungen und Bedürfnisse der Bürger besser reflektieren.499 Das Modell der repräsentativen Demokratie500 unterliegt auf Unionsebene Besonderheiten der politischen Herrschaft im Mehrebenensystem, die nunmehr in Art. 10 Abs. 1 und 2 EUV Berücksichtigung finden.501 Kennzeichnend ist eine duale Legitimation über ihre Bürgerinnen und Bürger einerseits sowie die Staaten andererseits. Der erste Legitimationsstrang der Europäischen Union ist das Europäische Parlament, das von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt wird, Art. 10 Abs. 2 Satz 1 EUV; der zweite Legitimationsstrang ist die demokratische Rückkopplung der im Europäischen Rat bzw. im Rat vertretenen Regierungsmitglieder an die nationalen Parlamente bzw. – je nach verfassungsrechtlicher Ausgestaltung – an die mitgliedstaatliche Aktivbürgerschaft, Art. 10 Abs. 2 Satz 2 EUV. Durch Art. 10 Abs. 2 Satz 2 EUV werden die nationalen Parlamente in die demokratische Legitimation der Europäischen Union explizit eingebunden. Gleichzeitig erfährt dieser Legitimationsstrang durch den Vertrag von Lissabon eine Aufwertung, indem die Mitwirkung der nationalen Parlamente an der Arbeitsweise der Union und damit deren Verantwortlichkeiten im Mehr497 Vgl. Bericht des Club of Rome, Die globale Revolution, Spiegel Spezial 2/1991; Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, 1986, S. 311 ff.; Werner Weidenfeld, Europäische Defizite, europäische Perspektiven, 1988, S. 121 f. 498 Vgl. Renate Mayntz, Föderalismus und die Gesellschaft der Gegenwart, AöR, 115 (1990), 232 (235, 239); Cordula Stumpf, in: Jürgen Schwarze, EU-Kom, Art. 1 Rn. 30. 499 Vgl. auch Christian Calliess, in: ders./Matthias Ruffert, EUV/EGV, 2007, Art. 1 EUV Rn. 40. 500 Im Überblick, Karl-Peter Sommermann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG II, 4. Aufl. 2002, Art. 20 Abs. 1 Rn. 62 ff.; Manfred G. Schmidt, Demokratietheorien, S. 148 ff.; Martin Kriele, Einführung in die Staatslehre, 5. Aufl. 1994, S. 294 ff; Peter Michael Huber, VVDStRL Bd. 60, 2001, S. 194 (223 f.). 501 Ziehe zum Folgenden Matthias Ruffert, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert, Verfassung der Europäischen Union, Kommentar der Grundlagenbestimmungen, 2006, Art. I-46 Rn. 3 ff., der hier herangezogen werden kann, da die Vorschrift wortgleich ist mit Art. 10 EUV in der Fassung von Lissabon.
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ebenensystem nunmehr in einem eigenen Art. 12 EUV ausdrücklich normiert sind. Zur Verwirklichung des Demokratieprinzips im europäischen Mehrebenensystem sind mit Art. 11 EUV nunmehr ausdrücklich partizipative Elemente hinzugetreten. Diese sollen der Kompensation von Defiziten der repräsentativ-demokratischen Legitimation der Europäischen Union dienen.502 Denn im Mehrebenesystem erweitert sich die Legitimationskette zwischen Parlament und Verwaltungsentscheidung um die Unionsebene.503 Und ‚je länger‘ die Legitimationskette zwischen der abstrakt-generellen Gesetzgebungsebene und der den Bürger konkret betreffenden Entscheidung, desto ‚bürgerferner‘ wird die Entscheidung empfunden und desto weniger Akzeptanz erfährt sie. Durch (verfahrensrechtliche) Strukturen, die es dem (betroffenen) Bürger erlauben, seine Meinungen und Wertungen zu einer konkreten Einzelentscheidung erneut einzubringen, erfährt die Entscheidung eine erneute und zusätzliche Rückbindung an die (betroffene) Öffentlichkeit. Die Partizipation alleine stellt keine Legitimation her,504 da stets nur ein bestimmter Ausschnitt gesellschaftlicher Wertungen und Meinungen Berücksichtigung findet, nicht aber die Öffentlichkeit in ihrer Gesamtheit. Die partizipativ-demokratische Rückbindung auf der dezentralen Vollzugsebene ist aber in einem Komplexen Gemeinwesen wie dem des Mehrebenensystems ein unabdingbarer Pfeiler zur Verwirklichung des Demokratieprinzips. Denn die Entscheidungen können ihrer Komplexität wegen nicht auf der Grundlage strikten Gesetzesvollzugs getroffen werden. Eine offene Normprogrammierung aber kann nicht durch die Verwaltung alleine ausgefüllt werden, sie ist in Kooperation, d.h. in einem arbeitsteiligen System des Normvollzugs zu verwirklichen. Die Betroffenen-Partizipation bieten eine Ergänzung zur repräsentativen Demokratie. Dieser Ansatz demokratischer Legitimation zielt auf die Verwirklichung des Demokratieprinzips unter den Bedingungen 502 Zu diesem Zusammenhang vgl. Matthias Ruffert, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert, Verfassung der Europäischen Union, Kommentar der Grundlagenbestimmungen, 2006, Art. I-47 Rn. 1 ff., Art. I-47 der Verfassung für Europa ist identisch mit Art. 11 EUV in der Fassung von Lissabon; vgl. im Überblick, Armin von Bogdandy, Europäische Prinzipienlehre, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149 (178 ff.); Anne Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 631 ff; Markus Müller, Mut zur Staatlichkeit, in: Beckmann/Dieringer/Hufeld (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, 2. Aufl. 2005, S. 119, der allerdings die Errichtung eines Europastaates zur Herstellung effektiver demokratischer Herrschaft propagiert. 503 Vgl. dazu Walter Schmitt Glaeser, Partizipation an Verwaltungsentscheidungen, in VVDStRL 31 (1971), S. 179 (213). 504 Vgl. Ingolf Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht – Grundlagen und Konturen einer Billigkeitskompetenz der Verwaltung, 1. Aufl. 1991, S. 613.
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der Globalisierung. Er wird in der Literatur auch unter der Bezeichnung der ‚postnationalen Demokratie‘ behandelt505 und ist eng verknüpft mit dem sogenannten Governance-Konzept, dass moderne Strategien der Aufgabenbewältigung unter Einbeziehung privater Akteure zusammenfasst und 2001 im oben506 skizzierten Weißbuch der Kommission zum Europäischen Regieren entfaltet wurde. Die Betroffenen-Partizipation ist einer der fünf ‚Grundsätze guten Regierens‘ im Governance-Weißbuch, der im Zusammenhang mit einem weiteren Grundsatz steht, nämlich der Offenheit bzw. Transparenz. Maßgeblich ist das Leitmotiv der ‚Einbindung der Zivilgesellschaft‘. Diese Einbindung der Bürger vollzieht sich nach dem Governance-Modell insbesondere über Gruppen unterschiedlicher organisatorischer Verdichtung, die nach dem Weißbuch als organisierte Elemente der Zivilgesellschaft in Konsultationsprozesse, Koregulierungsverfahren und Selbstverpflichtungsvereinbarungen einbezogen werden sollen. Einen weiteren Ansatz bildet die sogenannte Deliberation, die auf Beratung im Vorfeld einer Entscheidung zielt. Der Schwerpunkt dieses Prozesses soll nicht auf verhandelnden Ausgleich, sondern auf argumentative Überzeugung gerichtet sein und sowohl bei der Formulierung normativer Entscheidungen als auch in ihrem Vollzug stattfinden können. Die durch Art. 11 EUV auf die primärrechtliche Ebene gehobene Einbindung der Bürgerinnen und Bürger sowie gesellschaftlicher Gruppen in die politischen Prozesse der Union birgt fraglos die Chance, den demokratischen Prozess auch diesseits der periodischen Wahlakte und der parlamentarischen Abläufe lebendig zu halten507 und auf diese Weise zur Herausbildung einer politischen Gemeinschaft jenseits des Staates beizutragen.508 Indes sind Ansätze der partizipativen Demokratie mit Blick auf die damit verbundene Stärkung von Interessengruppen auch mit Gefahren und Schwächen verbunden, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Diese reichen von der Ausgrenzung einzelner Unionsbürger bzw. einzelner Gruppen von Unionsbürgern aus der ‚Zivilgesellschaft‘509 über die Vereinnahmung gemeinschaftlicher und staatlicher Instanzen bis hin zum Stillstand durch 505
Etwa Heidrun Abromeit, Wozu braucht man Demokratie?, 2002. Kapitel 1, B. III. 2. 507 Vgl. Matthias Ruffert, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert, Verfassung der Europäischen Union, Kommentar der Grundlagenbestimmungen, 2006, Art. I-47 Rn. 10; Gunnar Folke Schuppert, in: Klein/Schmalz-Bruns (Hrsg.), Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland, S. 114 (117, 125). 508 Vgl. Rainer Wahl, Erklären staatstheoretische Leitbegriffe die Europäische Union?, JZ 2005, S. 916 (922 ff.). 509 Ulrich Hilp, Weißbuch „Europäisches Regieren“ und Bürgerbeteiligung. Ein untauglicher Versuch auf dem Weg zu einem Europa aller Bürger?, ZG 2003, 119 (123). 506
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festgefahrene Verhandlungen in Konsensgremien.510 Doch im europäischen Gemeinwesen lässt sich das überkommene Modell der Volksherrschaft nicht in seiner reinen Form verwirklichen. Daher erfährt das Modell der repräsentativen Demokratie eine Weiterentwicklung durch ergänzende Legitimationsmodelle, die sich letztlich auf alle Ebenen des Systems – wie etwa die deutsche Verwaltung – auswirken. Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit ist Ausdruck dieser Entwicklung, es setzt partizipative Demokratie um. Es ergänzt die repräsentative Demokratie des Mehrebenensystems um partizipative Elemente auf der dezentralen Vollzugsebene.
510 Vgl. dazu Matthias Herdegen, Informalisierung und Entparlamentariesierung politischer Entscheidungen als Gefährdung der Verfassung?, VVDStRL Bd. 62, 2003, S. 7 (31); Joseph H. H. Weiler, European Models: Polity, people and system, in: Craig/Harlow (Hrsg.), Lawmaking in the European Union, 1998, S. 3 (22).
Schlussresümee Der Wandel gesellschaftlicher Lebensumstände im Zuge von Technologisierung und Globalisierung fordert ein neues Verständnis des Staates, seiner Aufgaben und Handlungsinstrumente. Aufgrund zunehmend komplexer werdender Sachverhalte und dem damit einhergehenden enormen Wissensbedarf des Staates ist dieser bei der Bewältigung seiner Aufgaben auf die Mitwirkung der Adressaten seiner Politik angewiesen. Es bedarf eines konzertierten Zusammenwirkens aller Akteure – von der größten Einheit, etwa den supranationalen Institutionen der Europäischen Union, über internationale Organisationen, bis hin zur kleinsten Einheit, dem Bürger. Mit den herkömmlichen Instrumenten eines imperativ final ausgerichteten Rechts lässt sich dies nicht verwirklichen. Daher entwickelt sich ein kooperatives Gemeinwesens, das ein gemeinwohlförderliches Zusammenleben mittels kooperativer Handlungsstrukturen zu verwirklichen sucht. Damit einher geht eine stärkere Gewichtung verfahrensbasierter Rechtsstrukturen. Im Ergebnis führt dies zu einer Gemeinwohlverwirklichung ‚ex processu‘. Denn die Artikulierung und Verwirklichung des Gemeinwohls ist in einer demokratischen Gesellschaft die raison d’être eines jeden Herrschaftsverbandes und das Recht das wichtigste Medium zu seiner Verwirklichung. Für die Verwirklichung des Gemeinwohls unter den Bedingungen von Globalisierung und Technologisierung steht die Europäische Integration. Sie ermöglicht die Entwicklung neuer Lösungsarrangements zur Bewältigung neuartiger Probleme. Vor diesem Hintergrund hat sich ein Konzept gesellschaftlicher (Selbst-)Steuerung entwickelt, dessen Wegbereiter das Europarecht ist. Von Vorbildern insbesondere des französischen Rechts inspiriert und stetig durch die Rechtsprechung des EuGH fortentwickelt, gewann das allgemeine Konzept der informierten Öffentlichkeit zunehmend Konturen in politischen Absichtserklärungen der Europäischen Union und fand seinen Niederschlag in der Sekundärrechtssetzung und schließlich auch im Primärrecht der Union. Motor dieser Entwicklung ist die Notwendigkeit der effektiven Durchsetzung des Europarechts und die Verwirklichung eines transparenten und bürgernahen Europas. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die europäische Rechtsgemeinschaft nur durch ein konzertiertes Mitwirken aller Akteure im Mehrebenensystem gelingen kann. In diesem Sinne verpflichtet der Bürger die Rechtsgemeinschaft auf neue Instrumentarien, im Wege derer er seine Stellung im Machtgefüge des europäischen Mehr-
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Schlussresümee
ebenesystems stärkt und an der Gestaltung seiner Lebensumstände aktiv mitwirkt. Neu daran ist die Ausdehnung der Mitwirkung auf die Vollzugsebene in einem System arbeitsteiliger Rechtsverwirklichung. Grundlegende Basis des Konzepts ist eine informierte Öffentlichkeit, die an Entscheidungsprozessen teilhat und so ihre Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung wahrnimmt. Durch die Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht wirkt das Konzept auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ein. Hier bestätigt sich der Ruf des Umweltrechts als Referenzmaterie. Geprägt von besonders hoher Komplexität – eine durch Industrialisierung und Technologisierung bedrohliche Ausmaße annehmende Umweltverschmutzung hält sich nun einmal nicht an die Grenzen eines Staates – bedarf die Problembewältigung einer ungeahnten Menge an Informationen sowie der Mitwirkung aller Akteure und ist heute fasst ausschließlich europa- und völkerrechtlich determiniert. Eine Untersuchung der umweltrechtlichen Instrumentarien, die in dieser Deutlichkeit von der Aarhus-Konvention ausgehend in das Europarecht und schließlich die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einwirken, ergibt ein Steuerungskonzept, das – spiegelbildlich zum Konzept der Aarhus-Konvention – auf drei Säulen beruht: Transparenz, Steuerung und Kontrolle. Eine transparente Verwaltung, gewährleistet durch im Grundsatz zu gewährende umfassende Informationsansprüche, bildet die Basis des Konzepts, da nur so eine informierte Öffentlichkeit verwirklicht werden kann. Ziel ist eine Öffentlichkeit, die ihre Verantwortung für das Gemeinwohl erkennt und wahrnimmt. Umgesetzt wird die arbeitsteilige Gemeinwohlverwirklichung durch die Beteiligung an Entscheidungsprozessen der Verwaltung. Die (betroffene) Öffentlichkeit wirkt an der (Nach- oder Fein-)Steuerung der Verwaltung mit, indem sie ihre Interessen und ihr Wissen in die Entscheidungsfindung einbringt. Zur praktischen Wirksamkeit des Konzepts ist die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle und damit die Einforderbarkeit der entsprechenden Vorschriften unabdingbar. Aufgrund ihrer geschichtlichen Prägung tun sich die deutsche Verwaltungspraxis und das deutsche allgemeine Verwaltungsrecht mit der Implementation des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit an verschiedenen Stellen schwer. In der Verwaltungspraxis dominiert nach wie vor die Vorstellung von einem grundsätzlich bestehenden Geheimhaltungsrecht und einer Verwaltung mit Monopolstellung bei der Verwirklichung des Gemeinwohls. Aufgrund der materiellrechtlichen Ausprägung des deutschen Rechtsschutzsystems hat das Verfahrensrecht eine der Verwirklichung des materiellen Rechts dienende Funktion, der eine gerichtliche Überprüfung von Verfahrensvorschriften fremd ist. Das subjektiv-öffentliche Recht ist ein Dreh- und Angelpunkt der gesamten deutschen Systematik. Durch
Schlussresümee
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eine offene Normprogrammierung werden allerdings zunehmend Handlungs- und Entscheidungsspielräume von der Legislative an die Exekutive weitergegeben. Dies hat eine Abnahme der gerichtlichen Kontrolldichte zur Folge und birgt aufgrund der ungleichen Durchsetzungschancen gleichzeitig die Gefahr einer ungleichen Gewichtung privater und öffentlicher Belange im Gesetzesvollzug. Dem muss durch eine Ausdehnung der Klagebefugnis auf bestimmte Verfahrensvorschriften einerseits und gemeinwohlorientierte Rechtspositionen andererseits begegnet werden. Von einzelnen Vorschriften des besonderen europäischen Verwaltungsrechts – wie dem Umweltinformationsrecht, der Umweltverträglichkeitsprüfung und dem Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten – gehen Reformimpulse für das allgemeine Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten aus, die Antworten auf übergeordnete Fragen nach einer angemessenen Rechtsstruktur zur Bewältigung komplexer Sachverhalte bereitstellen und gleichzeitig der Verwirklichung der demokratischen Rechtsgemeinschaft der Europäischen Union dienen. Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels hat sich mit dem Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit ein neues Regelungsarrangement entwickelt, das ein neues Verständnis von Staat und Gesellschaft, von Demokratie und Rechtsstaat zum Ausdruck bringt: Der Nationalstaat ist nicht mehr alleiniger Akteur begrenzter Hoheitsbefugnisse, er ist ein Glied im europäischen Mehrebenensystem. Zur Bewältigung seiner Aufgaben (ver-)handelt er im Konzert mit den anderen Akteuren. Ursprung und Zentrum im Staat wie in der Europäischen Union ist der Bürger, zu dessen Wohl jede Ebene des Systems agiert. Zur Verwirklichung des Gemeinwohls unter den Voraussetzungen von Globalisierung und Technologisierung bedarf es der Mitwirkung aller Akteure im Mehrebenesystem. Der Bürger ist aktiv zur Mitwirkung an hoheitlichen Entscheidungsprozessen aufgefordert, sein Wissen und seine Interessen stets von Neuem einzubringen. Auf diese Weise erfahren hoheitliche Entscheidungen auf der Vollzugsebene eine erneute Rückbindung an die (betroffene) Öffentlichkeit. Nur so kann die demokratische Rechtsgemeinschaft der Europäischen Union gelingen.
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Sachregister Aarhus-Konvention 80 ff., 187 Akteneinsichtsrecht 128 ff. akteurszentrierte Steuerungstheorie 28 f. Akzeptanz 66, 69, 72, 87, 173 Amtsermittlungsgrundsatz 162, 181 ff. – nachvollziehende Amtsermittlung 163 Anhörung 129 Begriff der Wechselwirkung 155 f. Binnenmarkt 52 Bürgerbeteiligung 67 f. Demokratie – Demokratieprinzip 132 – demokratische Funktion der Verwaltung 185 – demokratische Grundsätze der Union 73 f. – demokratische Legitimation 69 – Legitimation auf der Vollzugsebene 132, 179, 185 – partizipative Demokratie 73, 233 – Selbststeuerung 79 – Stärkung durch Umsetzung der Aarhus-Konvention 87 f. Drittschutz bei Verfahrensfehlern 190 f. Durchsetzung des Europarechts 54 Eigenwert des Verfahrens 105, 179 f., 227 f. Einbeziehung des Bürgers 65 f. Ermittlungspflichten von Antragstellern 108 ff. Espoo-Konvention 169
Europäischer Gerichtshof 54 ff. – Bresciani, Demirel, Kupferberg 56 – effet utile 54 – Frankovich, Brasserie du Pêcheur, Köbler 58 – Johnston, Zuckerfabrik Süderdithmarschen 60 – Leberpfennig, Van Duyn, Nederlandse Ondernemingen, Marshall, Ratti, Großkrotzenburg 56 – nationaler Rechtsschutz 60 – unmittelbare Wirkung des Europarechts 55 – van Gend & Loos 56, 60 Europäisierung des Verwaltungsrechts 39 französisches Verwaltungsrecht 42 ff. – allgemeines Akteneinsichtrecht 47 – Bürger als Sachwalter öffentlicher Interessen 43 – objektive Rechtskontrolle 41 – Popularbeteiligung 47 Gemeinwohl 18 ff. – als Prozess 21 – Entsubstanzialisierung und Prozeduralisierung 19 – offener Gemeinwohltatbestand 18 gerichtliche Kontrolldichte 190, 229 ff. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 129, 181 f. grenzüberschreitende Behördenbeteiligung 169 ff. grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung 170 f. Grundsatz des fairen Verfahrens 181 f.
Sachregister hierarchisches Staatsmodell 33 Informationsfreiheitsgesetz 131 informierte Öffentlichkeit – als Konzept der Aarhus-Konvention 85 – als konzeptioneller Neuansatz 79 – als Steuerungskonzept 118 ff. – als Verfahrenskonzept im europäischen Umweltrecht 92 ff. – Bedeutung im Kontext der AarhusKonvention 86 – im Umweltvölkerrecht und im Umweltrecht der EU 80 ff. integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU) 94 Juristische Methode 24 f. Klagebefugnis – im Kontext der deutschen Verwaltungsrechtsstrukuren 215 ff. – im Vertrag von Lissabon 76 f. – Verstöße gegen objektive Normen 186 – Verstöße gegen subjektiv-öffentliche Normen 188, 215 ff. – Verstöße gegen Verfahrensrecht 186, 189, 224 ff. Konfliktlösungsmodus der Kooperation 34 ff. Kooperationsformen zwischen Staat und Gesellschaft 23 Kooperationsprinzip 160 f. Kooperationsverhältnis zwischen Staat und Bürger 148, 182 medienübergreifender Regelungsansatz 51, 154 f., 175 nachhaltige Entwicklung 86 f. Nachhaltigkeit 195, 198 nachvollziehende Amtsermittlung 183
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offene Normprogrammierung 178, 184, 219, 231 Öffentlichkeit 74 – als Kontrollinstanz 106 f. – Begriff im Rahmen der UVP 167 – betroffene Öffentlichkeit 94 – betroffene Öffentlichkeit im Rahmen der UVP 167 – Funktionen von Öffentlichkeit 103 ff. – im Umweltrecht der EU 94 – verfahrensakzessorische Öffentlichkeit 93 ff. – verfahrensunabhängige Öffentlichkeit 97 ff. Öffentlichkeitsbeteiligung 85, 87, 227 – grenzüberschreitende 170 f. – im Rahmen der UVP 164 f. – im Umweltrecht der EU 94 – nach der Aarhus-Konvention 89 f. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG 166, 187, 199, 209 Öko-Audit 111 Partizipation 68, 80, 104 f. politische Programme der EU 63 ff. – Umweltaktionsprogramme 64 ff. – Weißbuch Europäisches Regieren 67 f. prozedurales Recht 31 f. Rationalität staatlicher Entscheidungen 133, 147 Recht auf ein faires Verfahren 129 Rechtsstaatsprinzip 129, 215 f. regulatives Recht 31 regulierte Selbstregulierung 29 ff. Rio-Konferenz 81 f. Schutznormakzessorietät 189 Schutznormtheorie 217 f. Scoping 160 Staatliche Steuerung 29
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Sachregister
Steuerung durch Kooperation 30, 147 ff., 158, 171, 176, 179 Steuerungsinstrumente 66 f. – Anreizschaffung 67 – Information 67 – Öffentlichkeit 67 Steuerungskonzepte 22 Steuerungstheorie 24 ff. Steuerungswissenschaft 26 Subsidiarität 74, 78 – im Kontext des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit 119 supranationale Regelungsarrangements 38 Theorie des subjektiv-öffentlichen Rechts 215 ff. Transparenz 70, 72, 74, 80, 85, 173 – allgemeiner Rechtsgrundsatz 71 f. – der Entscheidungsprozesse 120 ff. – der Verwaltung 120 ff. – im Kontext der deutschen Verwaltungsrechtsstruktur 128 ff. – Verordnung 1049/2001/EG 71 Umweltinformation – Anspruch 126 f. – Begriff 126 – Verweigerungsgründe 127 Umweltinformationsgesetz 122 ff. – Bundesverwaltungsgericht 135 f. – OVG Rheinland-Pfalz 137 – Rechtsprechung 134 ff. – VG Dessau 138 – VG Köln 138 f. – Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts 139 ff. Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG 98, 124 ff. Umweltrechtsbehelfsgesetz 187 ff. – Beschwerdeverfahren vor dem Compliance Committee der Aarhus-Konvention 211 ff.
– Beschwerdeverfahren vor der EUKommission 209 f. – Entscheidung des EuGH (Trianel) 201 ff. – Europarechtskonformität 192 ff. – funktionellrechtliche Bedenken 220 f. – Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland 222 f. – Privatisierung des Gemeinwohls 220 – Privilegierung der Verbände 222 – Systembruch der deutschen Rechtschutzsystematik 219 – Überlastung der Gerichte 222 f. – Vorlagebeschluss des OVG Münster (Trianel) 201 ff. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) 93–94, 147 ff. Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 150 ff. – als Kooperationsinstrument 158 – als Verfahrensinstrument 156 f. – Bewertung der Umweltauswirkungen 174 ff. – grenzüberschreitende Kooperation 169 f. – im Kontext der deutschen Verwaltungsrechtsstrukturen 180 ff. – zusammenfassende Darstellung 171 f. Umweltverträglichkeitsrichtlinie 85/337/EWG 149 f. Untersuchungsgrundsatz 161, 181, 183 Verantwortlichkeit – als Prinzip der Aarhus-Konvention 85, 87 – betriebliche Umweltmanagementsysteme 111 f. – Eigenüberwachung von Unternehmen 110 f. – für das Gemeinwesen 119 – für Umweltschutzbelange 105 f. – geteilte Ermittlungsverantwortung im UVP-Verfahren 109 f.
Sachregister – im Gemeinschaftswesen 29 – im Weißbuch Europäisches Regieren 68 – Mitwirkung des Vorhabenträgers im Rahmen der UVP 159 – Verantwortungsteilung im Rahmen der UVP 184 Verbandsklage 187 ff. – altruistische Verbandsklage 188, 218 – nach BNatSchG 218 Verbraucherinformationsgesetz 131 Verfahrenskonzepte im Umweltrecht der Europäischen Union 92 ff. – Konzept der Verahrensprivatisierung 107 ff. – Verfahrenskonzept der informierten Öffentlichkeit 92 ff. Verfahrensprivatisierung – als Antwort auf Vollzugsdefizite 113 – als Konzept der reflexiven Steuerung 115 – zur Stärkung von Kommunikationsund Lernprozessen 113 f. Veröffentlichungspflichten von Behörden 99 ff. – periodische Berichtspflichten 100 – Publizität betrieblicher Umweltschutzkonzepte 102 f. – Überwachungspublizität 102 – Vollzugsberichterstattung 101 Vertrag von Amsterdam 71 f. Vertrag von Lissabon 72 ff. Vertrag von Maastricht 70 Verursacherprinzip 65, 162 Verwaltung
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– als Akteur im Mehrebenensystem 133 – demokratische Funktion 185 – neues Verständnis der Verwaltung 185 Verwaltungsrecht Großbritanniens 48 ff. – Environment Act 51 – prozedural-pragmatischer Ansatz 49 – Royal Commission on Environmental Pollution 50 Vorsorgegrundsatz 65, 148, 150, 154, 174, 195–196, 198, 202 Weißbuch Europäisches Regieren, Governance-Konzept 68 f. Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission 71 Zugang zu Gerichten – im Rahmen des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit 186 ff. – nach der Aarhus-Konvention 90 f. Zugang zu Informationen – für jedermann 98 – im europäischen Umweltrecht 93 ff. – im Kontext des Steuerungskonzepts der informierten Öffentlichkeit 120 ff. – nach der Aarhus-Konvention 88 f. – nach der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG 98 ff. – nach der Verordnung 1049/2001 98 – nach der Verordnung 1367/2006/EG 99