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German Pages 428 Year 2003
KERSTIN LÖHR
Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze
Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 76
Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze Zugleich eine Untersuchung zur Bedeutung des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht
Von Kerstin Löhr
Duncker & Humblot . Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 200112002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 188
Alle Rechte vorbehalten
© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-10908-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Geleitwort Die Arbeit entwickelt die Maßstäbe, mit denen eine Vorschrift des Umsatzsteuerrechts verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen ist. Anlaß der Untersuchung ist die Regelung des § 9 Abs. 2 UStG in ihrer Alternative der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken. Der Vermieter kann durch Option zur Umsatzsteuerpflicht der Vermietungsumsätze bewirken, daß er die ihm berechneten Vorsteuern, insbesondere die der Bauhandwerker, von seiner Steuerschuld abziehen kann. Diese steuerliche Entlastung des Vermieters entfällt aber, wenn der Mieter in geringem Umfang (nach der Verwaltungspraxis im Umfang von mehr als 5%) Umsätze ausführt, die bei ihm den Vorsteuerabzug ausschließen, d. h. wenn seine Umsätze teilweise steuerfrei sind. Das kann auch nachträglich nach der Vermietung und nach der Option des Vermieters entstehen. So kann der Mieter, der mit Waren handelt, seinen Kunden zugleich Kredite vermitteln, wodurch er - vorbehaltlich seines eigenen Optionsrechts nach § 9 Abs. 1 UStG - nach § 4 Nr. 8 Buchst. a) UStG steuerfreie Umsätze ausführt und insoweit nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Die steuerliche Belastung des Vermieters hängt auf diese Weise vom Verhalten seines Mieters ab. Die zunächst naheliegende Frage ist die, ob diese auf einem Verhalten des Mieters beruhenden Nachteile des Vermieters mit den Mitteln des Zivilrechts im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander ausgeglichen werden können. Diese von der Verfasserin gestellte Ausgangsfrage mündet allerdings alsbald in die Vorfrage, ob die geschilderte Regelung des § 9 Abs. 2 UStG, die zu einer zusätzlichen Steuerbelastung des Vermieters auf Grund einseitigen Verhaltens des Mieters ohne erkennbare Steigerung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Vermieters führen kann, überhaupt mit den Prinzipien der Verfassung vereinbar ist. Sollte die Regelung nämlich verfassungswidrig sein, dürfte ein Ausgleich auf zivilrechtlicher Ebene zu versagen sein; denn das Zivilrecht kann nicht dazu dienen, die Folgen einer verfassungswidrigen Regelung zu beseitigen oder zu mildern. Folgerichtig konzentriert sich die Untersuchung trotz des zivilrechtlichen Ausgangspunkts auf das Problem der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 UStG. Hier betritt die Verfasserin Neuland, da diese Zusammenhänge bisher weder von der Rechtsprechung noch vom Schrifttum erkannt worden sind.
In einer grundlegenden Analyse des Leistungsfähigkeitsprinzips im Hinblick auf die Be1astungswirkungen der Umsatzsteuer gelangt sie zur Verfassungswidrigkeit
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Geleitwort
der Regelung des § 9 Abs. 2 UStG mit der Folge, daß es zivilrechtliche Ausgleichsansprüche des Vermieters gegen den die Nutzungsart ändernden Mieter nicht geben kann. Die Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e.Y. hat die Arbeit mit dem AlbertHensel-Preis 2002 ausgezeichnet. Joachim Schulze-Osterloh
Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2001/2002 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis November 2001 berücksichtigt werden. Mein besonders herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. Joachim SchulzeOsterloh, der das Entstehen dieser Arbeit angeregt, stets aufmerksam begleitet und durch zahlreiche wertvolle Anregungen gefördert hat. Herrn Professor Dr. Markus Heintzen danke ich vielmals für die umgehende Erstellung des Zweitgutachtens. Die Arbeit wurde von der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e. V. mit dem Albert-Hensel-Preis 2002 ausgezeichnet. Für diese Ehrung bin ich der Gesellschaft sowie Herrn Martin Hensel zu großem Dank verpflichtet. Den Herausgebern der Reihe "Schriften zum Steuerrecht" des Verlages Duncker & Humblot danke ich für die Aufnahme der Dissertation in diese Schriftenreihe. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern, Frau Dorothee Löhr und Herrn Reinhard Löhr, deren Geduld und beständige liebevolle Ermunterung mir viel Rückhalt während der Erstellung der Arbeit gaben. Kerstin Löhr
Inhaltsübersicht Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels .........................
26
I. Steuerrechtliche Ausgangslage nach der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG ..........................................................
27
11. Optionsschädliche Nutzungsänderung .........................................
51
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
58
IV. Verfassungsrechtlicher Aspekt der Untersuchung
88
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit sowie Konkretisierung des Prüfungsgegenstandes ..............
91
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer im Hinblick auf ihre Belastungswirkungen: indirekte Verbrauchsteuer ............ .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. .. ..
91
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung einer steuerrechtlichen Norm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ................................ 155 IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ................ 167
C. (Umsatz-)Steuerrechtliche Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG als Maßstab zur verfassungsrechtlichen Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG ............................................ 182 I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt des Art. 3 Abs. I GG ....................... 182
11. Konkretisierter Inhalt des Art. 3 Abs. I GG im Umsatzsteuerrecht - Leistungsfähigkeitsprinzip als umsatzsteuerrechtlicher Lastenausteilungsmaßstab ....... 203
D. Prüfung der Vereinbarkeit der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG mit Art. 3 Abs. 1 GG in dessen steuerrechtlicher Konkretisierung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip ........................................................... 284 I. Ungleiche Belastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in Abhängigkeit von der Ausübung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze . . . . . . . . .. 285
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Inhaltsübersicht 11. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in Abhängigkeit von der Optionsausübung .......................... 286 111. Fixierung gleichheitswidriger Be- bzw. Entlastungswirkungen bei bestimmten Verbrauchern nachfolgender Handelsstufen durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG .................................................................. 294 IV. Rechtfertigung der Fixierung gleichheitswidriger Be- bzw. Entlastungswirkungen bei bestimmten Verbrauchern durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG .. 296
V. Ungleichbehandlung der Vermieter durch Ermöglichung optionsschädlicher Nutzungsänderungen .......................................................... 299 VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen der Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung ................................................ 305 VII. Ergebnis ...................................................................... 345
E. Prüfung der Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. an den Freiheitsgrundrechten ........................................................ 347 I. Prüfungsbedürftige Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ..................................................................... 347 11. Geschützte Grundrechtsträger ................................................. 348 111. Prüfung der primären Gestaltungswirkung an Artt. 12 und 14 GG .............. 351 IV. Prüfung der Umgehungsschutzwirkung ........................................ 365 V. Prüfung der Verdrängungswirkung zum Nachteil nicht ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätiger Mieter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 373 VI. Ergebnis ................ . ......................... . ........ . . . .......... . ..... 375
F. Ergebnisse und Folgerungen ...................................................... 377 I. Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ............................... 377 11. Folgerungen für das zivilrechtliche Verhältnis von Vermieter und Mieter. . . . . .. 378 111. Weitere Folgerungen
384
G. Zusammenfassung ................................................................ 386 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 400 Sachwortverzeichnis .................................................................. 414
Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels .........................
26
I. Steuerrechtliche Ausgangslage nach der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG ..........................................................
27
1. Voraussetzungen der Option für Vermietungsumsätie gemäß § 9 UStG n.F.
27
a) Allgemeine Voraussetzungen der Option, § 9 Abs. 1 UStG . . . . . . . . . . . . . . .
27
aa) Umsätze aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken als optionsfähige Umsätze .............................................
27
bb) Unternehmereigenschaft des Leistenden (Vermieter) ................
28
cc) Unternehmereigenschaft des Empflingers (Mieter); Empfang der Leistung für dessen Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
dd) Folgerung ..........................................................
30
b) Besondere Voraussetzungen der Option für Vermietungsumsätze, § 9 Abs. 2 UStG ............................................................
30
aa) Tatsächlich nicht vorsteuerabzugsschädliche unternehmerische Nutzung durch den Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
(1) Maßgeblichkeit der tatsächlichen Nutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
(2) Erweiterung der optionsbezogenen Sperrwirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG auf abzugsschädlich unternehmerisch tätige Mieter
31
bb) Vermietungskette: Maßgeblichkeit der Nutzung auf der Endstufe in Verbindung mit der Optionsausübung durch den Leistungsempfänger . ..... .... ......... ........ .......... ........ ....................
34
(1) Optionsschädliche Endnutzung .................................
35
(2) Optionsfreundliche Endnutzung ................................
35
(3) Folgerung ......................................................
37
cc) Gemischte Verwendung ("Soweit"-Klausel) ........................
37
dd) Ausschließlichkeitsklausel ..........................................
39
ee) Nachweis der Voraussetzungen gegenüber dem Finanzamt durch den Vermieter ......................................................
41
c) Ergebnis ................................................................
42
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Inhaltsverzeichnis 2. Bedeutung der Option für die Mietparteien ................................. a) Umsatzsteuerrechtliche und wirtschaftliche Lage ohne Optionsausübung
43 44
aal Umsatzsteuerfreiheit der Vermietung, § 4 Nr. 12 lit. a UStG . . . . . . . . .
44
bb) Kein Vorsteuerabzugsrecht des Vermieters, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ........ ................. ......................................
44
b) Umsatzsteuerrechtliche und wirtschaftliche Lage nach Optionsausübung aal Umsatzsteuerpflicht des Vermieters. .. .. . . . . . . . . ... . . . . . .. . . . . . . . . . .
46 46
(l) Keine zusätzliche Belastung nichtuntemehmerisch tätiger Mie-
ter ..............................................................
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(2) Keine zusätzliche Belastung untemehmerisch tätiger Mieter ....
48
bb) Vorsteuerabzugsberechtigung des Vermieters .......................
49
cc) Ergebnis............................................................
50
11. Optionsschädliche Nutzungsänderung .........................................
51
1. Tatbestand der optionsschädlichen Nutzungsänderung ......................
51
2. Umsatzsteuerliche Rechtsfolgen der options schädlichen Nutzungsänderung
53
a) Künftige Umsatzsteuerfreiheit der Vermietung .............. . ...........
54
b) Wegfall der Vorsteuerabzugsberechtigung für die Zukunft...............
54
c) Vorsteuerberichtigung nach § I5a UStG .................................
55
3. Ergebnis ...................................................................
57
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung ......................... . . . ..
58
1. Diskussionsstand in Rechtsprechung und Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
2. Gesetzliche Ansprüche des Vermieters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
3. Ungeschriebene Anspruchsgrundlagen: Ergänzende Vertragsauslegung und Wegfall der Geschäftsgrundlage als Lösungsansätze ........................
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a) Ergänzende Vertragsauslegung ..........................................
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aal Mietzinsvereinbarungen ............................................
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bb) Optionspflichtvereinbarung .........................................
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b) Wegfall der Geschäftsgrundlage............ . .......... . ..... . ...........
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aal Geschäftsgrundlage.................................................
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(1) Definition der Geschäftsgrundlage - Oertmannsche Formel.....
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(2) Steuerliche Vorstellungen als Geschäftsgrundlage ..............
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(3) Einseitige Erwartungen als Geschäftsgrundlage.................
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Inhaltsverzeichnis
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bb) Wesentliche Änderung..............................................
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cc) Überschreiten der Grenzen der Risikozuweisung ............ . .......
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dd) Unzumutbarkeit ....................................................
82
4. Ergebnis ...................................................................
87
IV. Verfassungsrechtlicher Aspekt der Untersuchung ..............................
88
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte für die Prüfung der Verlassungsmäßigkeit sowie Konkretisierung des Prüfungsgegenstandes ..............
91
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer im Hinblick auf ihre Belastungswir-
kungen: indirekte Verbrauchsteuer .............................................
91
1. Kriterien der rechtlichen Charakterisierung der Umsatzsteuer bezogen auf das PrüfungszieI ........................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
2. Verbraucher als Steuerträger der Umsatzsteuer............................ . .
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a) Verkehrsteuer-Theorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
b) Verbrauchsteuer-Theorie ................................... . .......... . .
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c) Widersprüchliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
d) "Wertschöpfungsteuer" .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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e) Stellungnahme .......................................................... 100 aa) Gesetzesmaterialien ................................................ 100 bb) Wortlaut als untaugliches Indiz für die Feststellung des Steuerträgers ................................................................ 101 cc) Vorsteuerabzug ..................................................... 10 1 (I) Grundsatz des § 15 Abs. 1 UStG ................................
101
(2) Systemverletzungen durch § 15 Abs. 2 bis 4 UStG ..... . . . . . . . . . 102 (a) Keine systemprägenden Wirkungen der Normen über den Ausschluß des Vorsteuerabzugs ............................ 102 (b) Optionsrecht gemäß § 9 UStG .............................. 104 (c) Verdeckte Überwälzung .................................... 104 (3) Abzugsverbote gemäß §§ 15 Abs. la, Abs. Ib UStG ............ 105 (4) Ergebnis ....................................................... 107 dd) Überwälzbarkeit .................................................... 108 (I) Gesetzlich verankertes Überwälzungsprinzip ................... 110
10
Inhaltsverzeichnis (2) Betriebswirtschaftliche Modelle zum Nachweis des Mißlingens der Überwälzung ............................................... 112 (3) Rechtliche Unterscheidung unmittelbarer (finaler) und mittelbarer (gesamtwirtschaftlicher) umsatzsteuerlicher Belastungen. . . . 115 ee) Ergebnis............................................................ 117 3. Konsumtive Einkommensverwendungen der Verbraucher als Steuergut ..... 118 a) Wortlaut als untaugliches Indiz für die Feststellung des Steuergutes . . . . . . 119 b) Leistungstatbestand, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, und innergemeinschaftlicher Erwerb, § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG .......................................... 120 c) Eigenverbrauchsbesteuerung ...... ". ..................................... 123 d) Einfuhrumsatzsteuer .................................................... 126 e) Korrekturen des Vorsteuerabzugs ........................................ 128 f) Verbrauch als Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit ...... . .......... 128
4. Europäische Umsatzsteuer-Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 5. Umsatzsteuer als indirekte Steuer........................................... 131 6. Ergebnis ................................................................... 132 11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung einer steuerrechtlichen Norm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 132 1. Einteilung der Steuernormen in drei Normarten zwecks Ermittlung eines spezifischen grundrechtlichen Prüfungsmaßstabs ........................... 133 a) Abgrenzung der Steuernormarten nach dem Norrnzweck ................ 136 aa) Abgrenzung nach dem "subjektiven" Zweck des Gesetzgebers...... 137 bb) Abgrenzung nach dem "objektiven" Zweck... . .... . . ... ... . . ... . . .. 140 cc) Fazit ............................................................... 142 b) Abgrenzung der Steuernormarten durch Festlegung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses........................................................ 143 aa) Abgrenzung nach der Gesetzessystematik ........................... 143 bb) Materielles Regel-Ausnahme-Verhältnis .... . ........ . . . . . .......... 144 (1) Gesetzliche Wertungen.........................................
145
(2) Allgemeine Rechtsüberzeugungen (Tax Expenditure Budget) ... 145 (3) "Marginale Austeilungssteuer" ................................. 147 cc) Fazit ............................................................... 149 c) Ergebnis ................................................................ 149
Inhaltsverzeichnis
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2.•,zweigleisiger" Prüfungsmaßstab für Steuernormen wegen doppelter Wirkungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ................................ 155 1. Belastungswirkung zum Nachteil eines Vermieters nach optionsschädJicher Nutzungsänderung ........... . . . ........................................... 155
2. Belastungen der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen ........... ..... . 157 a) Belastungsdifferenzen in Abhängigkeit von der Optionsausübung bei Beteiligung eines Unternehmers als Mieter. . ........................... .. .. 158 aa) Leistungskette unter Beteiligung eines vollständig vorsteuerabzugsberechtigten Mieters....................... .. ............... . ....... 159 bb) Leistungskette unter Beteiligung eines in vollem Umfang nicht vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mieters ............ 161 cc) Leistungskette unter Beteiligung eines nur teilweise vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 dd) Ergebnis ....... .......... ..... ........ . ............................. 163 b) Fixierung bestimmter Belastungswirkungen auf der Stufe nachfolgender Verbraucher durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG ................. 164 c) Unabhängigkeit der Belastungsdifferenzen von optionsschädlichen Nutzungsänderungen der Mieter .............. ... ........... . ............... 165 d) Ergebnis ......... . ... . ..................... . .......... . ......... .... .... 166 IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ................ 167 I. Primäre Gestaltungswirkung: Neugestaltung der umsatzsteuerlichen Rechtslage .......... . ............................................................. 168 2. Umgehungsschutzwirkung: Ausschluß der Vorschaltmodelle vom Vorsteuerabzug ...... . . ... .... .... ... . .... . ........... .. ................ ...... ....... 168 3. Gleichstellungswirkungen .......................... . ....................... 170 a) Erwerber oder Hersteller der zu eigener abzugsschädlicher unternehmerischer Tätigkeit genutzten Gebäude gegenüber Mietern im Rahmen eines Vorschaltmodells ............ . ........................................... 171 b) Vermieter von teilweise abzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mietern im Verhältnis zu Vermietern von nicht unternehmerisch tätigen Mietern ....... . .... ......................................................... 172 c) Abzugsschädlich unternehmerisch tätige Mieter im Verhältnis zu nichtunternehmerisch tätigen Endnutzern: keine Gleichstellung. . . . . . . . . . . . . .. 173 d) Abzugsschädlich unternehmerisch tätige Mieter untereinander. . . . . . . . . . . 173
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Inhaltsverzeichnis 4. Differenzierungswirkungen ................................................. 175 a) Differenzierung zwischen Vermietern verschiedener unternehmerisch tätiger Mieter............................................................. 175 b) Differenzierung zwischen Vermietern in Abhängigkeit von der Organisationsstruktur des Unternehmens der Mieter .............................. 175 5. Keine dauerhaften Wettbewerbsnachteile zu Lasten der Vermieter nach optionsschädlicher Nutzungsänderung ........................................ 176 6. Verdrängungswirkung zum Nachteil abzugsschädlich tätiger Mieter am Vermietungsmarkt ............................................................. 178 7. Investitionshemmende Wirkung ............................................ 179 8. Zivilrechtsgestaltende Wirkung............................................. 180
c. (Umsatz-)Steuerrechtliche
Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG als Maßstab zur verfassungsrechtlichen Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG ............................................ 182 I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt des Art. 3 Abs. 1 GG ....................... 182 I. Art. 3 Abs. 1 GG und seine Funktion als grundrechtliches Abwehrrecht ge-
genüber dem Steuergesetzgeber ............................................ 182 2. Inhalt des Art. 3 Abs. 1 GG: Gleichbehandlung von in bezug auf einen sachbereichsspezifischen Vergleichsmaßstab Gleichem.......................... 184 a) Notwendigkeit und bereichsspezifische Ermittlung eines Vergleichsmaßstabs .................................................................... 184 b) Inhaltliche Anforderungen an den Vergleichsmaßstab .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Gleichem ............ . ...... 187 a) Ausdrückliche Differenzierungsverbote des Grundgesetzes.............. 189 b) Sonstige Differenzierungsverbote (allgemeiner Gleichheitssatz) ......... 189 aa) Willkürkontrolle .................................................... 189 bb) Sogenannte "Neue Formel" des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Ergänzung der Willkürkontrolle .................. 191 cc) Abgrenzung beider Formeln........................................ 194 (l) Erster Senat .................................................... 194
(2) Zweiter Senat .................................................. 195 (3) Vorrang der sach- und regelungsspezifischen Abwägung ........ 197
Inhaltsverzeichnis 4. Besonderheiten der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz
13 198
5. Ergebnis ......... . ............ . .......... . ............ . . . ...... . . . ......... 201
11. Konkretisierter Inhalt des Art. 3 Abs. 1 GG im Umsatzsteuerrecht - Leistungsfähigkeitsprinzip als umsatzsteuerrechtlicher Lastenausteilungsmaßstab ....... 203 1. Leistungsfiihigkeitsprinzip als allgemeiner Lastenausteilungsmaßstab des Steuerrechts ................................................................ 203 a) Allgemeine Anforderungen an einen steuerlichen Lastenausteilungsmaßstab ..................................................................... 203 aa) Sachbereichsspezifische Anforderungen ............................ 203 (1) Folgerungen aus dem Wesen des Steuerstaates ............ . . . . .. 204 (2) Folgerungen aus dem Wesen der Steuer: Steuer als Gemeinlast 206 bb) Anforderungen der Sachgerechtigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. .. .. 207 (1) Erfordernis der Gleichheit in zumutbarer Belastung . . . . . . . . . . . .. 209 (2) Steuerrechtliches Nettoprinzip .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 210 cc) Besteuerungsgegenstand als gleichheitsrechtlicher Vergleichsmaßstab ................................................................ 211 b) Leistungsfähigkeitsprinzip .............................................. 215 aa) Überwiegende Anerkennung des Maßstabs der Leistungsfiihigkeit als steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab ............................. 215 bb) Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips bei der Auswahl eines Besteuerungsgegenstandes ... . . . . . . . . . . .. . . . . .. .. . . . .. . . .. .. . .. .. ... 217 ce) Kritik am Maßstab der Leistungsfiihigkeit .......................... 220 dd) Leistungsfähigkeitsprinzip zugleich Ausdruck anderer Verfassungsprinzipien .......................................................... 222 c) Ergebnis ................................................................ 223 2. Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips als Lastenausteilungsmaßstab im Umsatzsteuerrecht .................................................. 224 a) Keine Folgerung aus Art. 106 GG ....................................... 227 b) Sachgereehtigkeit der Besteuerung des Verbrauchs neben der Besteuerung des Einkommens .. . . . .. . . . .. . .. . . . .. . . . .. . . . .. .. . . . . .. . . . .. . . . . . . .. 229 e) Unbeachtlichkeit des tatsächlichen gegenwärtigen Zustandes des Umsatzsteuerrechts ......................................................... 233 d) Möglichkeit individualisierender Belastung des Verbrauchs. . . . . . . . . . . . .. 234 e) Unabhängigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips von der Besteuerungstechnik ......... .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. ... 236
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Inhaltsverzeichnis f) Keine entgegenstehende Rechtsprechung ................................ 237
g) Untauglichkeit des Kriteriums der Wettbewerbsneutralität als Lastenausteilungsmaßstab ......................................................... 241 h) Ergebnis ................................................................ 242 3. "Verbrauch" als umsatzsteuerrechtlicher Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit ..................................................................... 242 a) Zwei Zurechnungsstufen zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit 243 b) Begriffsbestimmung des "Verbrauchs" auf der Deduktionsstufe zur Ermittlung (umsatz-)steuerlicher Leistungsfähigkeit ....................... 245 aa) Herkömmliche Begriffsbestimmung: Substitutionstheorie ........... 246 bb) Umsatzsteuerrechtlicher Verbrauchsbegriff als Ableitung aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip .......................................... 251 cc) Beschränkung auf die konsumtive Einkommensverwendung von Nichtunternehmern: Subjektives Merkmal des umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriffs ............................................ 258 dd) Beschränkung auf nicht existenz- oder erwerbssichernde Konsumaufwendungen ...................................................... 262 ee) "Verbrauch" im Rechtssinne: Erfassung von Verbrauch und Aufwand im tatsächlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 262 ff) Abgrenzung des Verbrauchs vom Sparen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 265
gg) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 266 c) Typisierung der Leistungsfähigkeit durch den Indikator ,,Einkommensverwendung" auf der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit .......................................................... 266 d) Probleme der Individualisierungsstufe zur Ermittlung (umsatz-)steuerlicher Leistungsfähigkeit: Besteuerungstechnische Grenzen in der Erfassung konsumtiver Einkommensverwendungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 269 aa) Notwendigkeit weitgehend indirekter Besteuerung.................. 271 bb) Technische Erfassung der konsumtiven Einkommensverwendungen durch Besteuerung unter Ausschluß des Vorsteuerabzugsrechts ..... 274 cc) Ausschließliche Belastung untemehmerisch vermittelten Verbrauchs 279 dd) Steuertechnische Möglichkeiten der Freistellung des Existenzminimums sowie der erwerbssichernden Aufwendungen. . . . . . . . . . . . . . . .. 280 ee) Ergebnis............................................................ 282 4. Fazit ....................................................................... 283
Inhaltsverzeichnis
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D. Prüfung der Vereinbarkeit der Belastungswirkungen des § I) Abs. 2 UStG mit Art. 3 Abs. 1 GG in dessen steuerrechtlicher Konkretisierung durch das Leistungsf"8higkeitsprinzip ........................................................... 284 I. Ungleiche Belastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in Abhängigkeit von der Ausübung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze . . . . . . . . .. 285 11. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Verbraucher nachfolgender Handeisstufen in Abhängigkeit von der Optionsausübung .......................... 286 1. Rechtfertigungsanforderungen . .. . . .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. . . .. .. . .. .. . .. ... 286
2. Keine Rechtfertigung durch einen wettbewerbsbezogenen Lenkungszweck 289 a) Geeignetheit eines Optionsrechts ........................................ 290 b) Erforderlichkeit eines Optionsrechts ..................................... 291 c) Angemessenheit eines Optionsrechts .................................... 291 3. Keine Rechtfertigung durch Ermöglichung systernkonsequenter umsatzsteuerrechtlicher Behandlung der Unternehmer ................................. 292 4. Ergebnis ................................................................... 294 III. Fixierung gleichheitswidriger Be- bzw. Entlastungswirkungen bei bestimmten Verbrauchern nachfolgender Handelsstufen durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG .................................................................. 294 1. Vergleichsmaßstab ......................................................... 294
2. Privilegierung bestimmter Verbraucher ..................................... 295 3. Benachteiligung bestimmter Verbraucher ................................... 295 4. Ergebnis ................................................................... 296 IV. Rechtfertigung der Fixierung gleichheitswidriger Be- bzw. Entlastungswirkungen bei bestimmten Verbrauchern durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG .. 296 1. Rechtfertigung der privilegierenden Ungleichbehandlung ................... 297
2. Keine Rechtfertigung der benachteiligenden Ungleichbehandlung .......... 297 3. Ergebnis ................................................................... 298 V. Ungleichbehandlung der Vermieter durch Ermöglichung optionsschädlicher Nutzungsänderungen .......................................................... 299 1. Systemfremde Belastung des Vermieters infolge optionsschädlicher Nutzungsänderung ............................................................. 299
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Inhaltsverzeichnis 2. Art der Nutzung der Mietsache durch den Mieter oder Endnutzer kein Indiz wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Vermieters .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 300 3. Keine Vergleichbarkeit der Belastungswirkungen nach optionsschädlicher Nutzungsänderung mit der Belastungssituation ohne Ausübung der Option 302 4. Ungleichbehandlung rechtlich gleicher Personen und Sachverhalte ......... 303 5. Ergebnis ................................................................... 304 VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen der Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung ................................................ 305 1. Rechtfertigungsanforderungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 305
2. Keine Rechtfertigung durch den Gestaltungszweck "Umgehungsschutz" .... 306 a) Umgehungsschutz als objektiver Zweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. 307 b) Geeignetheit der Neuregelung zur Ausschaltung der Vorschaltmodelle ... 308 c) Erforderlichkeit der Neuregelung zur Ausschaltung der Vorschaltmodelle 309 aa) Spezifizierende verteilungsgerechte Regelungsalternative ........... 309 (1) Zwischenvermietungsmodelle .................................. 310
(2) Vorschaltmodelle ............................................... 311 (a) "Vorgeschaltete" Ehegatten ................................ 312 (b) Sparkassenmodell ............................... . .......... 313 (3) Vergleich beider Umgehungsmodelle ........................... 314 (4) Spezifizierende Regelungsalternative ........................... 316 bb) Verteilungsgerechte Regelungsalternative als offene Umgehungsschutzklausel ....................................................... 319 cc) Fazit ............................................................... 321 d) Angemessenheit der Neuregelung zur Ausschaltung von Vorschaltmodellen ...................................................................... 321 e) Ergebnis ................................................................ 322 3. Keine Rechtfertigung durch den Lenkungszweck der Gleichstellung ........ 322 a) Adressaten des Gleichstellungszwecks .................................. 323 b) Gleichstellungszweck bezogen auf abzugs schädlich tätige Unternehmer innerhalb und außerhalb von Vorschaltmodellen bei Immobilieninvestitionen ................................................................... 324
Inhaltsverzeichnis c) Vermieterbezogener Gleichstellungszweck
17 325
aal Einbeziehung sämtlicher Vermieter in den Gleichstellungszweck ... 325 bb) Beschränkung des Gleichstellungszwecks auf Vermieter abzugsschädlich unternehmerisch tätiger Mieter und Vermieter von Nichtunternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 325 (I) Geeignetheit der Neuregelung ......... . ................ . ....... 326
(2) Erforderlichkeit der Neuregelung ............................... 327 (3) Angemessenheit der Neuregelung .............................. 328 d) Mieterbezogener Gleichstellungszweck .......... . ............ . ......... 331 e) Ergebnis ................................................................ 332 4. Keine Rechtfertigung durch einen vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichenden Lastenausteilungsmaßstab ......................................... 333 a) Vermieterbezogener Lastenausteilungszweck ............................ 333 b) Mieterbezogener Lastenausteilungszweck ............................... 334 aal Vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichender mieterbezogener Lastenausteilungsgrundsatz bis 1985 .................................. 335 bb) Überschreitung des bis 1985 entstandenen Grundsatzes durch § 9 Abs. 2 UStG n.E ................................................... 339 5. Keine Rechtfertigung durch Vereinfachungszwecke .................... . ... 340 6. Keine Rechtfertigung durch soziale Zwecke (insb. Mieterschutz) ........... 342 7. Keine Rechtfertigung durch fiskalische Zwecke ... . ........................ 343 8. Fazit ................................................................... . ... 345 VII. Ergebnis ..................................................... . ................ 345
E. Prüfung der Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. an den Freiheitsgrundrechten ........................................................ 347 I. Prüfungsbedürftige Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.E ..................................................................... 347
11. Geschützte Grundrechtsträger ............................. .. .................. 348 III. Prüfung der primären Gestaltungswirkung an Artt. 12 und 14 GG .............. 351 I. Art. 12 Abs. 1 GG .......................................................... 351
a) Schutzbereich ................................................. .. ........ 351 2 Löhr
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Inhaltsverzeichnis b) Eingriff ................................................................. 351 c) Rechtfertigung.......................................................... 358 2. Art. 14 Abs. 1 GG .......................................................... 358 a) Herkömmlicher Ansatz des Bundesverfassungsgerichts .................. 359 b) Neuer Ansatz in Rechtsprechung und Literatur .......................... 360 c) Anwendbarkeit des neuen Ansatzes auf indirekte Steuern. . . .. .. . ... . . ... 363 IV. Prüfung der Umgehungsschutzwirkung ........................................ 365
1. Art. 12 Abs. 1 GG .......................................................... 366 a) Schutzbereich ..................................................... . ..... 366 b) Eingriff ................................................................. 366 aa) Vermieter im Rahmen von Vorschaltmodellen ...................... 366 bb) Mieter im Rahmen von Vorschaltmodellen .......................... 370 cc) Ergebnis ............................................................ 372 2. Art. 14 Abs. 1 GG .......................................................... 373 V. Prüfung der Verdrängungswirkung zum Nachteil nicht ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätiger Mieter ........................ 373 VI. Ergebnis ...................................................................... 375
F. Ergebnisse und Folgerungen ...................................................... 377 I. Verfassungs widrigkeit des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ............................... 377 11. Folgerungen für das zivilrechtliche Verhältnis von Vermieter und Mieter . . . . . .. 378
1. Grundsätzlich kein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch des Vermieters nach optionsschädlicher Nutzungsänderung ...................................... 378 2. Vorschläge für umsatzsteuerrechtlich orientierte Vertragsgestaltungen der Mietverträge über Unternehmensgrundstücke ............................... 379 a) Verwendungsregelung ................................................... 380 b) Mitteilungspflichten ... .. .. .. . .. .. .. .. . . .. .. .. . . .. . . . .. .. .. . . .. .. .. .. . ... 381 c) Kündigungsrecht ........................................................ 382 d) Vertrags- und Mietzinsanpassungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 382
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e) Schadensersatzregelungen ............................................... 383 t) Untervermietung ........................................................ 383
g) Ergebnis ................................................................ 384 III. Weitere Folgerungen
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G. Zusammenfassung ................................................................ 386 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 400 Sachwortverzeichnis ................................................... . .............. 414
Einleitung Umsätze der Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke oder Gebäude l werden durch das Umsatzsteuergesetz 2 in einer auffallend besonderen Weise besteuert. Sämtliche Vermietungsleistungen genügen zunächst zwar als "sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt", dem Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Jedoch werden gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG grundsätzlich3 alle oben genannten Vermietungsumsätze von der Besteuerung befreit. Indes gehören Umsätze aus der Vermietung unternehmerisch genutzter Grundstücke zu den wenigen ausgewählten Umsätzen, für die durch § 9 UStG dem Leistenden, d. h. dem Vermieter, das Recht eingeräumt wird, die Umsätze abweichend von der grundsätzlichen Freistellung in § 4 Nr. 12 lit. a UStG fakultativ der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen. Dies ergibt sich aus § 9 Abs. 1 UStG, welcher das sogenannte Umsatzsteueroptionsrecht für diejenigen Vermietungsumsätze gewährt, die einem Mieter gegenüber bewirkt werden, welcher die Vermietungsleistung als Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens empfängt. Alle sonstigen Vermietungsumsätze bleiben ohne Optionsmöglichkeit aus § 9 UStG gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG grundsätzlich umsatzsteuerbefreit. Mit der Ausübung des Umsatzsteueroptionsrechts lassen sich verschiedene, sowohl aus der Sicht des Vermieters als auch vom Standpunkt des betroffenen Mie1 Gebäude werden als zivilrechtliche Bestandteile eines Grundstücks i.S.v. § 94 BGB von § 4 Nr. 12 lit. a UStG sowie von der im folgenden zu untersuchenden Norm des § 9 UStG erfaßt: BFH v. 15. 12. 1966 - V 252/63 -, BFHE 87, 508, 509 f. = BStBl. 1967 III, 209; BFH v. 08. 10. 1991 - V R 89/86 -, BFHE 165, 428, 430 = BStBl. 1992 11, 108, 109; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 4 Nr. 12 Anm. 3, Rnr. 7. Auch die Vermietung einzelner Gebäudeteile (z. B. einzelner Räume) ist umsatzsteuerlich wie die Vennietung eines Grundstücks zu behandeln: BFH v. 08.10. 1991 - V R 95/89 -, BFHE 166, 191, 192 f. = BStBl. 199211,209,209; BFH v. 09. 12. 1993 - V R 38/91 -, BFHE 173,454,456 f. = BStBl. 199411,585,586; Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 4 Nr. 12 Anm. 3, Rnr. 8.
2 Die Gesetzesbezeichnung "UStG" ohne nähere zeitliche Angaben bezieht sich im folgenden auf das UStG 1999, d. h. das Umsatzsteuergesetz in der Bekanntmachung der Neufassung vorn 9. Juni 1999, BGBL 1999 I, 1270 ff. 3 Ausgenommen von der Befreiung sind nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden, die Vennietung von Fahrzeugabstellplätzen, die kurzfristige Vennietung auf Campingplätzen sowie die Vermietung oder Verpachtung von Betriebsvorrichtungen.
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Einleitung
ters aus als wirtschaftlich vorteilhaft anzusehende Wirkungen erzielen4 , insbesondere erlangt der optierende Vennieter das Recht, den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG vorzunehmen. Dies bedeutet indes nichts anderes, als daß der Vermieter durch Ausübung der Option für den einzelnen Vennietungsumsatz die Rechtsfolgen eines durch § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG verursachten Systembruchs beseitigen kann. 5 Jedoch wird das Optionsrecht für Umsätze aus der Vennietung unternehmerisch genutzter Grundstücke zusätzlich durch § 9 Abs. 2 UStG eingeschränkt. Diese Vorschrift führt zu einer erheblichen Verschärfung der Optionsvoraussetzungen und hat daher in der Vergangenheit die Kreativität der privatrechtsgestaltenden Praxis stets in hohem Maße herausgefordert. Offensichtlich ist die Ausübung der Option gemäß § 9 UStG für Vermietungsumsätze wirtschaftlich derart attraktiv, daß auch vor abenteuerlichen und aus anderen Gründen wirtschaftlich nicht plausiblen zivilrechtlichen Gestaltungen nicht zurückschreckte, wer auf diesem Wege die Erfüllung der umsatzsteuerrechtlichen Optionsvoraussetzungen zu erreichen hoffte. Anders läßt sich die Vielzahl der von erfinderischen Investoren und deren Beratern erdachten Gestaltungen zur Erlangung des Vorsteuerabzugs mit Hilfe der Umsatzsteueroption kaum erklären, die in der Vergangenheit wiederholt von den Finanzgerichten als Umgehungsgeschäfte im Sinne des § 42 AO sanktioniert werden mußten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang insbesondere an die umfangreiche finanzgerichtliche Rechtsprechung zu den Bauherrenmodellen und anderen Formen der Zwischenvennietung. 6 Als Reaktion auf die Umgehungsversuche der Praxis war vor allem in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine stete Verschärfung der Optionsvoraussetzungen für Vermietungsumsätze durch den Gesetzgeber zu beobachten. Ziel der diversen Änderungen des § 9 Abs. 2 UStG war es, venneintliche Lücken oder Ungenauigkeiten des Gesetzes zu beseitigen, um den für zivilrechtliche Gestaltungen mit Umgehungscharakter ausgenutzten gesetzlichen Spielraum zu begrenzen. Als (bisher) letzter gesetzgeberischer Akt in diesem Sinne ist die Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG vom 21. Dezember 19937 zu verzeichnen, welche zum 1. Januar 19948 in Kraft trat. Die Besonderheit dieser Änderung besteht darin, daß das Recht des Vermieters zur Ausübung der umsatzsteuerrechtliNäher dazu unten, Teil A.I.2.b), S. 46 ff. s. unten, Teil A.l.2.b)bb), S. 49 ff., Teil B.1.2.e)cc)(2)(b), S. 104 ff. sowie Teil D.ll.3., S. 292 ff. 6 S. z. B. Nachweise bei Widmann, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 9 Rz. 104 ff., 113 ff., insb. Rz. 125/1. Genauer zu Zwischenvermietungsmodellen und Vorschaltmodellen als Umgehungsgestaltungen s. unten, Teil D.VI.2.c)aa), S. 309 ff. 7 Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz - StMBG) v. 21. 12. 1993, BGBl. 1993 I, 2310, 2339 = BStBl. 1994 1,50,79. Zum zeitlichen Anwendungsbereich vgl. § 27 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 20 Nr. 23 des StMBG, BGBl. 1993 I, 2310, 2341. 8 Art. 34 Abs. 3 StMBG, BGBl. 1993 I, 2310, 2352. 4
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ehen Option davon abhängig gemacht wurde, daß der Mieter die Mietsache ausschließlich zur Ausführung solcher Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Spätestens durch diese Änderung jedoch hat der Gesetzgeber den Bogen überspannt, ist er in seinem Bestreben um Rechtssicherheit und -klarheit in bedenklicher Weise weit über das Ziel hinausgeschossen. Denn es ist absehbar, daß die Bindung des umsatzsteuerlichen Optionsrechts eines Vermieters an ein bestimmtes unternehmerisches Verhalten seines Mieters in der Praxis alsbald zu Konstellationen führen wird, in denen ein unternehmerisch tätiger Mieter durch eine geringfügige Änderung der Art der Nutzung der Mieträume eine zuvor vom Vermieter ausgeübte umsatzsteuerrechtliche Option zu Fall bringt (optionsschädliche Nutzungsänderung).9 Auf diese Weise kann ein Mieter jedoch erhebliche wirtschaftlich nachteilige Folgen zu Lasten des Vermieters verursachen lO, so daß sich zunächst die Frage stellt, ob einem betroffenen Vermieter infolge der Nutzungsänderung seines Mieters zivilrechtliche Ausgleichsansprüche gegen diesen entstehen. Ausgangspunkt dieser Untersuchung war es daher, das Bestehen zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche in derartigen Fällen zu analysierenY Dabei wurde zunächst unterstellt, daß vertragliche Regelungen über den Ausgleich der bei betroffenen Vermietern nach einer options schädlichen Nutzungsänderung entstehenden Belastungen in den fraglichen Mietverträgen nicht enthalten sind. Auf Grund des für die Ausgangsfrage gefundenen - negativen - Ergebnisses erscheint es allerdings schließlich geboten, der Praxis der Vermietung von Unternehmensgrundstücken dennoch Vorschläge für eine im Hinblick auf die Gefahren, die von § 9 Abs. 2 UStG n.F. ausgehen, sinnvolle Vertragsgestaltung zu unterbreiten. 12 Im Rahmen der folgenden Darstellung soll der von der gewählten zivilrechtlichen Fragestellung ausgehende Erkenntnisprozeß nachgezeichnet werden. Er führt indes schließlich zu der Einsicht, daß die Ausgangsfrage nicht mit Mitteln zivilrechtlicher Dogmatik gelöst werden sollte, weil die drohenden wirtschaftlichen Nachteile des Vermieters in Wahrheit Folgen eines Verfassungsverstoßes 13 der steuerrechtlichen Norm sind. 14 In dem durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. erzeugten Schnittpunkt zwischen Steuerrecht, Zivilrecht und Verfassungsrecht kristallisiert sich somit die verfassungsrechtliche Fragestellung als maßgeblicher Untersuchungsgegenstand für eine Beurteilung der Norm heraus. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der folgenden Darstellung in der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 UStG n.F., die jedoch auf eine PrüNäher zur hier sog. "optionsschädlichen Nutzungsänderung" Teil A.II., S. 51 ff. Zu den Rechtsfolgen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung s. Teil A.II.2., S. 53 ff. 11 Zur Prüfung der zivilrechtlichen Ansprüche des Vermieters s. Teil A.I1I., S. 58 ff. 12 Zu Vorschlägen für geeignete Vertragsklauseln s. Teil EII.2., S. 379 ff. 13 Zur Verfassungsmäßigkeitsprüfung s. unten, Teile C. bis E. 14 Näher zum Verhältnis von Zivil- und Verfassungsrecht unten, Teil A.I1I.3.b)dd), S. 82 ff.
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fung der grundrechtsbezogenen Wirkungen der Nonn beschränkt werden soll. Diese grundrechtsbezogene Verfassungsmäßigkeitsprüfung der umsatzsteuerrechtlichen Nonn bedarf indes zunächst einer genaueren Analyse sowohl des Charakters der Umsatzsteuer 15 als auch der Herleitung 16 einer dogmatisch tragfähigen Basis für die verfassungsrechtliche Prüfung steuerrechtlicher Nonnen an den Grundrechten überhaupt. Letzteres ist unerläßlich, weil bereits in der grundlegenden Frage des zutreffenden grundrechtlichen Prüfungsmaßstabs für die Überprüfung einer steuerrechtlichen Nonn derzeit kein Konsens in der Literatur festzustellen ist, so daß nicht auf ein anerkanntes Prüfungskonzept zurückgegriffen werden konnte. Wie zu zeigen sein wird, kommen als grundrechtliche Prüfungsmaßstäbe in Abhängigkeit von der spezifischen Wirkungsstruktur der zu prüfenden Nonn diesbezüglich sowohl der allgemeine Gleichheitssatz (für die Prüfung faktischer Belastungswirkungen) als auch die Freiheitsgrundrechte (für die Prüfung faktischer Lenkungswirkungen) in Betracht. 1? Die danach erforderliche Gleichheitsprüfung jedoch stellte sich in bezug auf § 9 Abs. 2 UStG n.P. als sehr vielschichtig heraus. Denn die Anwendbarkeit des ansonsten im Steuerrecht allgemein anerkannten Vergleichsmaßstabs der steuerlichen Leistungsfähigkeit wird gerade für das Umsatzsteuerrecht durch namhafte Autoren bestritten. 18 Es war daher erforderlich, im Rahmen dieser Untersuchung zunächst die Anwendbarkeit des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatz steuerrecht zu begründen 19 und sodann einen geeigneten Indikator20 umsatz steuerlicher Leistungsfähigkeit zu bestimmen. Darüber hinaus waren auch bei der Prüfung der Gestaltungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.P. an den Freiheitsgrundrechten der Artt. 12 und 14 GG spezifische Besonderheiten zu berücksichtigen, die aus dem Charakter der Umsatzsteuer als indirekter Steuer resultieren?1 Hinsichtlich des Charakters der Umsatzsteuer läßt sich heute zwar eine Art "herrschende Ansicht" erkennen, wonach die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer anzusehen ist. 22 Dennoch vennögen die umfangreichen, aus dem Charakter der Umsatzsteuer abzuleitenden Wertungen, die im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung des § 9 Abs. 2 UStG notwendig werden, nur dann wirklich zu überzeugen, wenn die Merkmale, die den Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer prägen, nochmals dargestellt werden. In diesem ZusammenNäher dazu unten, Teil B.I., S. 91 ff. Zur Bestimmung eines verfassungsrechtlichen Prüfungsrnaßstabs für die Prüfung steuerrechtlicher Normen s. unten, Teil B.II., S. 132 ff. 17 s. unten, Teil B.II.2., S. 150 ff. IS s. unten, Teil C.1I.2., S. 224 ff. 19 Näher dazu unten, Teil C.l1.2., S. 224 ff. 20 Näher dazu unten, Teil C.II.3., S. 242 ff. 21 Zur Prüfung der Gestaltungswirkungen s. unten, Teil E., S. 347 ff. 22 Näher unten, Teil B.I., S. 91 ff., insb. Teile B.1.2., S. 94 ff. und B.I.3., S. 118 ff. 15
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hang wird zugleich deutlich, daß die Ursache des bis heute andauernden Streits über den Charakter der Umsatzsteuer seine Ursache genaugenommen allein darin hat, daß bisher keine Einigkeit darüber besteht, welche Merkmale das Wesen einer Steuer generell bestimmen. 23
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Genauer dazu unten, Teil B.I.1., S. 91 ff.
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels Ausgangspunkt der nachfolgenden Untersuchung war die Beobachtung, daß es dem Mieter eines unternehmerisch genutzten Grundstücks infolge der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG 1 derzeit möglich ist, mittels einer Änderung der Art der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks den Fortfall einer durch den Vermieter zuvor ausgeübten umsatzsteuerrechtlichen Option herbeizuführen. Wie bereits einleitend erwähnt, kann dieser Verlust der Option für den Vennieter gravierende finanziell nachteilige Folgen haben. 2 Es stellte sich daher zunächst die Frage, ob es für betroffene Vermieter eine Möglichkeit gibt, diese wirtschaftlichen Nachteile auf zivilrechtlichem Wege beim Mieter zu liquidieren. 3 Diesbezügliche Überlegungen führten jedoch rasch zu der Erkenntnis, daß die Folgen der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG - sofern Mieter und Vermieter diese Risiken nicht ausnahmsweise vertraglich geregelt haben - möglicherweise auf zivilrechtlichem Wege überhaupt nicht gemildert werden können4 , weil § 9 Abs. 2 UStG auf Grund seiner verschiedenen, ungleich wirkenden steuerlichen Belastungswirkungen5 möglicherweise als verfassungswidrig anzusehen ist. 6 Die einzelnen Untersuchungsschritte, auf denen dieses Ergebnis beruht, sollen im folgenden nachgezeichnet werden. Sowohl die Untersuchung der Auswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. auf zivilrechtliche Vertragsverhältnisse über Unternehmensgrundstücke als auch die spätere Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Nonn erfordern indes zunächst eine detaillierte Darstellung der nach der erwähnten Gesetzesänderung entstandenen steuerrechtlichen Situation und der durch die neugefaßte Nonn bedingten wirtschaftlichen Folgen in der Sphäre der betroffenen Mietparteien. 7 Sodann sind die Voraussetzungen und die Folgen des problematischen Sachverhaltes der "options1 Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz - StMBG) vom 21. 12. 1993, BGB!. 1993 I, 2310, 2339 =BStB!. 1994 I, 50, 79. 2 Dazu unten, Teil A.II., S. 51 ff. 3 Dazu unten, Teil A.III., S. 58 ff. 4 Zur Problematik des zivilrechtlichen Ausgleichs für die Folgen einer verfassungswidrigen Norm s. unten, Teil A.III.3.b)dd), S. 82 ff., insb. S. 85 ff. Zur genauen Bestimmung des Prüfungsziels s. unten, Teil A.lY., S. 88 ff. 5 Zu den Belastungswirkungen s. unten, Teil B.III., S. ISS ff. 6 Zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit unten, Teile D., S. 284 ff., und E., S. 347 ff. 7 Dazu sogleich Teil A.I.
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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schädlichen Nutzungsänderung" des Mieters näher zu beschreiben8 , welche Anlaß zu den anschließend dargestellten Überlegungen sowohl über das Entstehen zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche9 im Rahmen des Mietvertrages über unternehmerisch genutzte Grundstücke als auch hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit lO des § 9 Abs. 2 UStG bieten. Soweit bereits im Rahmen der nachfolgenden allgemeinen steuerrechtlichen Ausführungen der Rückgriff auf bestimmte charakteristische Merkmale der Umsatzsteuer notwendig ist, wird dieser Untersuchung der erst im Teil B.1. 11 dargestellte Charakter der Umsatzsteuer als indirekte Verbrauch(er)steuer zugrunde gelegt.
I. Steuerrechtliche Ausgangslage nach der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG 1. Voraussetzungen der Option für Vennietungsumsätze gemäß § 9 UStG n.F.
a) Allgemeine Voraussetzungen der Option, § 9 Abs. 1 UStG Der "Verzicht auf Steuerbefreiungen"J2 (Umsatzsteueroption) eines Vermieters in bezug auf den gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG grundsätzlich umsatzsteuerfreien Umsatz aus der Vermietung von Grundstücken ist gemäß § 9 UStG an verschiedene gesetzliche Voraussetzungen gebunden. § 9 Abs. 1 UStG regelt die allgemeinen Voraussetzungen des umsatzsteuerlichen Optionsrechts.
aa) Umsätze aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken als optionsfähige Umsätze Gemäß § 9 Abs. 1 UStG ist die Option nicht für alle, sondern lediglich für wenige ausgewählte der gemäß § 4 UStG umsatzsteuerfreien Umsätze möglich. Die Auswahl dieser optionsfähigen Umsätze durch § 9 Abs. 1 UStG orientiert sich dabei heute an den Umsatzarten, für die Abschnitt X., Art. 13 C. Satz 1 der 6. EGUmsatzsteuer-Richtlinie\3 und Abschnitt XVI., Art. 28 Abs. 3 lit. c, Abs. 4 i.Y.m. Zur optionsschädlichen Nutzungsänderung s. unten, Teil A.II., S. 51 ff. Zur zivilrechtlichen Problematik s. unten, Teil A.III., S. 58 ff. 10 Zur Prüfung der Verfassungs widrigkeit der Wirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. s. unten, Teile D., S. 284 ff., und E., S. 347 ff. 11 s. unten, S. 91 ff. 12 Vgl. die amtliche Überschrift des § 9 UStG. 13 Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harrnonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388 1EWG); ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06.1977, S. 11. 8
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
Anhang G der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie I4 die Einrichtung eines Optionsrechts im innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten zulassen. Für Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, die im deutschen Recht bereits seit der Schaffung des UStG 1967 gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG 196i 5 grundsätzlich von der Umsatzbesteuerung freigestellt sind, enthielt schon § 9 UStG 1967 16 ein Umsatzsteueroptionsrecht. Diese seit dem Bestehen des ersten deutschen Netto-Umsatzsteuergesetzes vorzufindende Rechtslage konnte innerstaatlich auch nach der europäischen Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts beibehalten werden. Denn die Umsätze aus Vermietung und Verpachtung sind einerseits entsprechend Abschnitt X., Art. 13 B. lit. b der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie l7 innerstaatlich grundsätzlich von der Umsatzsteuer freizustellen, zugleich wird den Mitgliedstaaten durch Abschnitt X., Art. 13 C. Satz 1 lit. ader 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie I8 andererseits die Möglichkeit zur Einrichtung eines Optionsrechts für diese Umsätze gewährt. Die Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken sind somit in Übereinstimmung mit den europäischen Vorschriften zur Harmonisierung der Umsatzsteuer Teil der in § 9 Abs. 1 UStG abschließend festgelegten optionsfähigen steuerfreien Umsätze.
bb) Unternehmereigenschaft des Leistenden (Vermieter) § 9 Abs. 1 UStG setzt in Übereinstimmung mit Abschnitt X., Art. 13 C. Satz 1 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie I9 weiterhin voraus, daß der Leistende, dem ein Optionsrecht eingeräumt wird, Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist. Dies ist indes selbstverständlich, da das Umsatzsteuergesetz andernfalls ohnehin nicht anwendbar wäre.
Hinsichtlich eines Grundstücksvermieters trifft diese Voraussetzung grundsätzlich zu, denn die Vermietung von Grundstücken ist regelmäßig eine nachhaltige, auf Einnahmenerzielung gerichtete Handlung und somit eine selbständige gewerbliche Tätigkeit im Sinne der (weiten) Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 UStG?O ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06. 1977, S. 20, 40. UStG 1967 v. 29. 05. 1967, BGB!. 1967 I, 545, 547. 16 BGB!. 1967 I, 545, 550. Wortlaut des § 9 UStG i.d.F. d. UStG 1967: ,,§ 9 Verzicht auf Steuerbefreiungen: Unternehmer, die nach § 4 Nr. 6, 8, 9 Buchstabe a, 12 oder 19 steuerfreie Umsätze an andere Unternehmer für deren Unternehmen ausführen, können dem Finanzamt erklären, daß sie diese Umsätze der Besteuerung nach diesem Gesetz unterwerfen wollen. Die Erklärung braucht sich nicht auf alle bezeichneten Befreiungsvorschriften zu erstrecken; sie muß jedoch alle unter eine Befreiungsvorschrift fallenden Umsätze umfassen, die nach Satz 1 der Besteuerung unterworfen werden können." 17 AB!. EG Nr. L 145 v. 13.06. 1977, S. 10. 18 ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06. 1977, S. 11. 19 ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06. 1977, S. 11. 14 15
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
29
Diese Auslegung des § 2 Abs. I UStG steht im Einklang mit Abschnitt IV., Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie21 , wonach als steuerpflichtige wirtschaftliche Tatigkeit (auch) jede Leistung "gilt", "die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfaßt".22 Eine Ausnahme in bezug auf die Options berechtigung eines Vermieters besteht nur dann, wenn der Vermieter Kleinunternehmer i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG ist oder die Vermietungsleistung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes erbringt23 , für den die Umsatzsteuer nach Durchschnittssätzen erhoben wird, § 24 Abs. 2 UStG. In diesen Fällen ist § 9 UStG wegen § 19 Abs. 1 Satz 4 bzw. § 24 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz UStG nur dann anwendbar, wenn der Kleinunternehmer bzw. der Land- oder Forstwirt zuvor die Option nach § 19 Abs. 2 UStG oder § 24 Abs. 4 UStG ausübt (sogenannte Doppeloption).
cc) Unternehmereigenschaft des Empfängers (Mieter); Empfang der Leistung für dessen Unternehmen Weiterhin hängt das Bestehen des umsatzsteuerlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze gemäß § 9 Abs. 1 UStG davon ab, daß auch der Empfänger der Leistung, d. h. der Mieter, Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne (§ 2 Abs. 1 UStG) ist und daß darüber hinaus die Leistung für dessen Unternehmen ausgeführt wird. 24 Diese allgemeine innerstaatliche Einschränkung des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts begegnet europarechtlich keinen Bedenken. Denn es handelt sich dabei um eine nach Abschnitt X., Art. 13 C. Satz 2, 1. Halbsatz der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie25 zulässige innerstaatliche Begrenzung des "Umfangs" der Option. 26 20 s. nur Heidner, in: Bunjes 1Geist, § 2 Anm. 11.1., Rnr. 5 und Anm. IV.1., Rnr. 38; Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, § 2 Anm. 326 ff., 336 m.N.; Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 D.1.a) Rz. 103; Klenk, in: Sö1ch 1Ringleb, UStG, § 2 Rnr. 6,176. 21 AB!. EG Nr. L 145 v. 13.06.1977, S. 3. 22 Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, § 2 Anm. 55, 326 ff. 23 Zur Vermietung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftIichen Unternehmens vgl. BFH v. 11. 05. 1995 - V R 4/92 -, BFHE 177,559,560 f. = BStBI. 1995 11, 610, 611 f.; Schuhmann, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, § 24 Anm. 109. 24 Genauer zu diesen Voraussetzungen s. nur Widmann, in: Plückebaum 1Malitzky, UStG, § 9 Rnr. 46 ff. (insb. 51 ff., 67 ff.); Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 9 Rnr. 16 ff. und 22 ff. 25 ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06.1977, S. 11. 26 Zur Gestaltungsfreiheit des innerstaatlichen Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Abschn. X., Art. 13 Teile B. und C. der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie S.: Reiß, UR 1993, 213,216 (zur früheren Rechtslage); EuGH v. 03. 02. 2000 - Rs. C-12/98 -, UR 2000, 123, 124 = UVR 2000, 143, 144 (Gründe Nr. 13 f.); EuGH v. 03. 12. 1998 - Rs. C-381 197 -, EuGHE 1998 I, 8153, 8172, 8175 = UR 1999, 203, 204 f., wonach den Mitgliedstaaten - vorbehaltlich innerstaatlicher Vertrauensschutzregeln - sogar das Recht zustehe, ein innerstaatlich
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
Infolge dieser allgemeinen Anforderungen des § 9 Abs. 1 UStG kommt die Gewährung eines umsatzsteuerlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze lediglich in den Fällen der Vermietung von unternehmerisch genutzten Grundstücken für unternehmerische Zwecke anderer Unternehmer in Betracht. Eine Option für Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken zu nichtunternehmerischen Zwecken, insbesondere also für die Vermietung von Wohnraum, scheidet demnach aus.
dd) Folgerung Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß gemäß § 9 Abs. 1 UStG von allen nach § 4 Nr. 12 lit. a UStG steuerfreien Vermietungsumsätzen innerstaatlich lediglich die Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken an andere Unternehmer für deren Unternehmen optionsfähig sind.
b) Besondere Voraussetzungen der Option für Vermietungsumsätze, § 9 Abs. 2 UStG Das durch § 9 Abs. 1 UStG für wenige Umsätze grundsätzlich gewährte Optionsrecht wird für einige der optionsfähigen Umsätze durch § 9 Abs. 2 UStG zusätzlich eingeschränkt. Diese zusätzlichen Einschränkungen des Optionsrechts sind als innerstaatliche Begrenzung des Umfangs der Option gemäß Abschnitt X., Art. 13 C. Satz 2, 1. Halbsatz der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie27 unabhängig von ihrer konkreten Fassung europarechtlich zulässig?S Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG in der seit dem 1. Januar 199429 geltenden Neufassung durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG besteht das steuerliche Wahlrecht einiger der zunächst nach § 9 Abs. I UStG optionsberechtigten Unternehmer nur noch, "soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen". Diese Voraussetzungen sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 UStG n.F. durch den optionswilligen Unternehmer nachzuweisen. Von dieser weiteren Beschränkung des Optionsrechts durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. sind auch die Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung unternehmerisch genutzter Grundstücke betroffen. Im einzelnen ergeben sich daher aus § 9 Abs. 2 UStG n.F. die im folgenden dargestellten besonderen Voraussetzungen der Option für Umsätze aus der Vermietung von Unternehmensgrundstücken. gewährtes Optionsrecht nachträglich wieder aufzuheben; zur Bedeutung des Art. 13 C. auch EuGH v. 19.01. 1982 - Rs. 8/81 -, EuGHE 1982 I, 53, 74 (Tz. 38 f.) =UR 1982,71,73. 27 ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06. 1977, S. 11. 28 V gl. Fn. 26. 29 Zu den Übergangsvorschriften in bezug auf die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 UStG s. § 27 Ahs. 2 UStG Ld.F. durch Art. 20 Nr. 23 des StMBG, BGBL 1993 I, 2310, 2341.
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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aa) Tatsächlich nicht vorsteuerabzugsschädliche unternehmerische Nutzung durch den Mieter Bereits § 9 Abs. 1 UStG schafft durch die Beschränkung des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts eines Vermieters auf die Fälle der Vermietung von Grundstükken an andere Unternehmer für deren Unternehmen eine Abhängigkeit des Vermieter-Optionsrechts von der Art der Nutzung des Mietgrundstücks durch den Mieter. Wahrend sich jedoch in der Praxis aus der durch § 9 Abs. 1 UStG bewirkten Verknüpfung des Vermieter-Optionsrechts mit den Verhältnissen des Mieters kaum Probleme ergeben können, da sich regelmäßig objektiv 30 feststellen läßt, ob ein Grundstück tatsächlich unternehmerisch genutzt wird, steigert § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG n.P. die Abhängigkeit des Optionsrechts von den Verhältnissen des Mieters in praktisch überaus folgenschwerer Weise. ( 1) Maßgeblichkeit der tatsächlichen Nutzung
Nach der Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG ist die Option eines Vermieters nunmehr nur noch zulässig, soweit der Mieter durch die unternehmerische Nutzung des Grundstücks ausschließlich solche Umsätze erzielt, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen. Maßgeblich ist nach dem Wortlaut der Vorschrift dabei allein die Art der tatsächlichen Nutzung des Mietgrundstücks durch den Mieter?l Nur soweit der Mieter das Grundstück tatsächlich (ausschließlich) zur Erzielung nicht abzugsschädlicher Umsätze verwendet, besteht das umsatzsteuerliche Optionsrecht des Vermieters. Für die Entscheidung über die Optionsberechtigung des Vermieters ist demnach auch unerheblich, ob der Mieter im Verhältnis zum Vermieter berechtigt ist, eine bestimmte Nutzung des Mietgrundstücks vorzunehmen. 32 (2) Erweiterung deroptionsbezogenen Sperrwirkung des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG auf abzugsschädlich untemehmerisch tätige Mieter
Gegenüber der früheren Rechtslage, wonach Vermieter tatsächlich unternehmerisch genutzter Grundstücke gemäß § 9 Abs. 2 UStG Ld.P. durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 198533 stets optionsberechtigt waren, bedeutet die Gast, OB 1994, 1208, 1208; Rischke, DStR 1994, 1073, 1074. Gast, OB 1994, l208, 1208, 1210; Lehr/Bengsch, Leasing- und Finanzberater (Beilage zu BB Heft 19/1998), 18, 19 f.; sinngemäß auch: Sontheimer; NJW 1997,693,697; Nieskens, BB 1994,256,261; Rischke, DStR 1994, 1073, 1074. 32 Sontheimer; NJW 1997, 693, 697; Gast, OB 1994, 1208, 1210. 33 Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom 14. 12. 1984, BGBl. 1984 1,1493,1506 - Relevanter Wortlaut des § 9 Abs. 2: "Der Verzicht auf Steuerbefreiung nach Absatz 1 ist bei ( ... ) der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchstabe a) ( ... ) nur zulässig, 30
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
durch das StMBG vorgenommene Änderung eine ganz erhebliche weitere Einschränkung der Optionsmöglichkeiten der Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke. Verhinderte zuvor lediglich die tatsächlich nichtunternehmerische Nutzung des Mietgrundstücks durch den Mieter das Entstehen eines Optionsrechts des Vermieters, so führen infolge der Neufassung nunmehr ganze unternehmerisch tätige Branchen und Berufszweige als Mieter die optionsbezogene Sperrwirkung des § 9 Abs. 2 Satz I UStG herbei. 34 Vor allem 35 Banken und Versicherungen, die Unternehmer in den mit diesen Wirtschaftszweigen verbundenen Verrnittlungsberufen sowie Ärzte und diverse sonstige in medizinischen Bereichen tätige Unternehmer sind von Vermietern nunmehr als "options schädliche Mieter" anzusehen. Aber auch Unternehmer, die nach dem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigt sind, können durch die Verwendung des gemieteten Grundstücks zur Bewirkung steuerfreier Umsätze in geringfügigem Umfang 36 die Optionsberechtigung ihres Vermieters zunichte machen. Dabei ist nicht etwa zwingend, daß betreffende abzugsschädliche Umsätze für das Unternehmen des Mieters atypisch sind. Im Gegenteil - im normalen Geschäftsleben kann nahezu jedes Unternehmen in die Lage geraten, auch abzugsschädliche Umsätze auszuführen. Folgende Beispiele mögen dies verdeutlichen: (a) Vermieter V vermietet das Erdgeschoß seines Gebäudes an einen Zeitungshändler. 37 Führt dieser in den Mieträumen neben den steuerpflichtigen Verkäufen von Zeitungen und Zeitschriften zugleich Umsätze aus dem Verkauf von Briefmarken aus, so bewirkt er dadurch gemäß § 4 Nr. 8 lit. i UStG steuerfreie Umsätze. Dem V steht aus diesem Grunde ein Optionsrecht gemäß § 9 UStG nach dem Wortlaut der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG nicht zu. (b) Vermieter V vermietet ein Gebäude an einen Immobilienmakler. 38 Das Optionsrecht des V entfällt hier, wenn der Immobilienmakler an seine Kunden zugleich Kredite vermittelt, ohne hinsichtlich der dabei erzielten (Provisions-) Umsätze gemäß § 9 Abs. I UStG zur Regelbesteuerung zu optieren. Denn die Kreditvermittlung ist dann gemäß § 4 Nr. 8 lit. a UStG steuerbefreit, der Immosoweit der Unternehmer nachweist, daß das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist.". 34 Rischke, OStR 1994, 1073, 1074. 35 Zu weiteren praktisch relevanten Beispielen aus der Vielzahl der von § 4 UStG erfaBten Unternehmer vg!.: BT-Orucks. 12/5630, S. 87; Rischke, DStR 1994, 1073, 1074 ff.; Gast, OB 1994, 1208, 1210 f. 36 Zu den Problemen im Zusammenhang mit der Ausschließlichkeitsklausel s. sogleich unten, Teil A.I.1.b )dd), S. 39 ff. 37 Vg!. Abschn. 148a III UStR 2000, Beispiel 1, BStB!. 1995 I, Sondernummer 2/ 1999 v. 21. 12. 1999, S. 128 f. 38 Vgl. Rischke, DStR 1994,1073,1074, Beispiel 3.
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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bilienmakler insoweit daher gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Gleiches gilt beispielsweise auch für jedes Autohaus, Möbelhaus, Versandunternehmen oder ähnliches, das seinen Kunden zur Finanzierung des Kaufes eines Gegenstands, welcher nicht unmittelbar in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden soll (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 lit. b UStG), ohne Ausübung der Option gemäß § 9 Abs. 1 UStG Kredite gewährt (§ 4 Nr. 8 lit. a UStG) oder zusätzlich Versicherungen vermittelt (§ 4 Nr. 11 UStG). (c) Vermieter V vermietet ein Gebäude an ein Kosmetikinstitut. 39 V ist auch hier nicht zur Option gemäß § 9 UStG berechtigt, wenn das Kosmetikinstitut neben rein kosmetischen Dienstleistungen ebenfalls medizinische bzw. heilberufliche Leistungen, wie medizinische Fußpflege oder Heilmassagen, anböte. Denn diese Leistungen sind gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit40 , das Kosmetikinstitut ist daher insoweit nicht vorsteuerabzugsberechtigt. (d) Unabhängig von der Art des Unternehmens des Mieters verliert der Vermieter V sein Optionsrecht gemäß § 9 Abs. 2 UStG n.F. stets auch dann, wenn sich das Unternehmen des Mieters mit einer Einlage als stiller Gesellschafter an anderen Unternehmen beteiligt. Denn die stille Beteiligung41 ist gemäß § 4 Nr. 8 lit. j UStG steuerbefreit, der Mieter insoweit nicht vorsteuerabzugsberechtigt. (e) Gleichfalls lassen nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 UStG n.F. Umsätze des Mieters aus der Übernahme einer bestehenden Verbindlichkeit sowie der Übernahme einer Bürgschaft oder einer anderen Sicherheit42 das Optionsrecht des Vermieters entfallen, wenn nicht der Mieter diesbezüglich von seinem Optionsrecht aus § 9 Abs. 1 UStG Gebrauch macht. Denn derartige Umsätze des Mieters sind dann gemäß § 4 Nr. 8 lit. g UStG steuerbefreit. (f) Ebenso führen Umsatzgeschäfte mit Wertpapieren, die der Mieter ohne Option zur Regelbesteuerung nach § 9 Abs. 1 UStG ausführt, zum Fortfall des Optionsrechts des Vermieters, da dieser Umsatz des Mieters sodann gemäß § 4 Nr. 8
lit. e UStG steuerbefreit ist. (g) Schließlich führt ebenfalls jede Untervermietung durch den Mieter an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Untermieter zum Fortfall des Optionsrechts des (Haupt-)Vermieters, da der Umsatz des (Haupt-)Mieters aus der Untervermietung gemäß § 4 Nr. 12 lit. a-UStG steuerbefreit und nicht optionsfähig ist. So Vgl. Rischke, DStR 1994, 1073, 1074, Beispiel 1. Weymüller, in: Sölch/RingIeb, UStG, § 4 Nr. 14 Rnr. 50, 64, 87. 41 Zu der Frage, wessen Leistung im Rahmen einer stillen Beteiligung gemäß § 4 Nr. 8 lit. j UStG steuerbefreit ist, vgl. nur Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 4 Nr. 8 Anm. 13, Rnr. 38 m.N. 42 Zum Begriff der "anderen Sicherheit" S.: BFH v. 14. 12. 1989 - V R 125/84 -, BFHE 159,277,279 ff. = BStBI. 199011,401,403 ff.; BFH v. 24. 01. 1991 - V R 19/87 -, BFHE 164, 137, 138 ff. = BStBl. 1991 11,539,540 f. 39
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3 Löhr
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
würde z. B. die einmalige oder zeitlich eng befristete Untervermietung von Geschäftsräumen an ein Museum zu Ausstellungszwecken43 oder an einen gemeinnützigen Verein zu Veranstaltungszwecken 44 dem Optionsrecht des (Haupt-)Vermieters entgegenstehen. Diese Beispiele ließen sich gewiß um viele weitere vergleichbare Fälle ergänzen. Auf derartige Fälle zielte die gesetzliche Neuregelung indes gar nicht ab. Vielmehr diente sie vorrangig dem Schutz des § 15 Abs. 2 UStG vor Umgehung45 und sollte die in der Praxis zu § 9 Abs. 2 UStG a.F. 46 entstandenen Umgehungsmodelle 47 ausschalten. Tatsächlich werden durch die Neuregelung jedoch auch ganz gewöhnliche Mietverhältnisse über unternehmerisch genutzte Grundstücke nicht unerheblich betroffen. Die Norm geht daher weit über das gesetzgeberische Ziel hinaus. Indem also § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG in seiner Neufassung durch Art. 20 Nr. 9 StMBG die Zulässigkeit des umsatzsteuerlichen Optionsrechts eines Vermieters an die Vorsteuerabzugsberechtigung des die Mietsache nutzenden Unternehmers bindet, wurde das zuvor bestehende Optionsverbot in praktisch ganz erheblichem Maße ausgeweitet.
bb) Vermietungskette: Maßgeblichkeit der Nutzung auf der Endstufe in Verbindung mit der Optionsausübung durch den Leistungsempfänger Seinem Wortlaut nach stellt § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG n.F. zur Beurteilung der für das Optionsrecht maßgeblichen tatsächlichen Verwendung des Grundstücks nicht mehr - wie noch § 9 Abs. 2 UStG Ld.F. durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 198548 - auf den Endnutzer, sondern auf den unmittelbaren Leistungsempfänger ab. Einen Grund für dieses Detail der Änderung nennt der Gesetzgeber des StMBG nicht. 49 Es zeigt sich jedoch, daß durch die veränderte Normfassung im Ergebnis eine wichtige Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Betrachtet man nämlich eine 43 Vgl. Abschn. 148a III UStR 2000, Beispiel 2, BStBl. 1999 I, Sondernummer 2/ 1999 v. 21. 12. 1999, S. 129. 44 Vgl. auch Rischke, DStR 1994, 1073, 1074, Beispiel 2. 45 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (lL Sp.). Zu den Zielen der Neuregelung vgl. genauer unten, Teil D.VI., S. 305 ff.; zum Umgehungsschutzzweck insb. D.VI.2.a), S. 307 ff. 46 § 9 Abs. 2 UStG Ld.F. durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGBI. 1984 I, 1493, 1506 - zum Wortlaut s. Fn. 33. 47 Zu den verschiedenen Umgehungsmodellen vgl. im einzelnen unten, Teil D.VI.2. c )aa)(2), S. 311 ff. 48 BGBI. 1984 I, 1493, 1506. Zum Wortlaut vgl. Fn. 33 ff. 49 Vgl. BT-Drucks. 12/5630, S. 87.
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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mindestens zwei aufeinanderfolgende Vermietungsstufen umfassende Vermieterkette, so ergibt sich für die Optionsberechtigungen der beteiligten Vermieter nach § 9 Abs. 2 Satz I UStG n.F. folgendes. ( 1) Optionsschädliche Endnutzung
Ist derjenige Unternehmer, der das Grundstück auf der Endstufe tatsächlich unternehrnerisch nutzt, abzugsschädlich tätig, so schließt diese Tatsache das Optionsrecht aller Vermieter in der Vermietungskette aus. Denn die durch den Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG n.F. bedingte Abhängigkeit des Vermieter-Optionsrechts von den Verhältnissen des unmittelbaren Leistungsempfängers hat innerhalb der Vermietungskette zur Folge, daß sich das Fehlen der Optionsberechtigung des unmittelbaren Vermieters des Endnutzers auf jede vorhergehende 5o Stufe der Vermietungskette fortsetzt, da jeder vorgeschaltete Vermieter seinerseits nur dann zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes optieren kann, wenn sein Mieter als Zwischenvermieter ausschließlich Abzugsumsätze ausführt. Insofern ist gegenüber der früheren Rechtslage sachlich keine Änderung eingetreten, denn auch entsprechend § 9 Abs. 2 UStG a.F. 51 entfiel das Optionsrecht sämtlicher Vermieter einer Leistungskette, wenn das Grundstück auf der Endstufe optionsschädlich (dies bedeutete nach § 9 Abs. 2 UStG a.F. jedoch lediglich: nicht unternehmerisch) genutzt wurde. (2) Optionsfreundliche Endnutzung
Bewirkt der Mieter auf der Endstufe durch die Nutzung des Mietgrundstücks indes Abzugsumsätze, so führt dies im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 Satz I UStG n.F. nicht mehr automatisch zum Entstehen eines Optionsrechts für alle an der Vermietungskette beteiligten Vermieter. Vielmehr hängt die Optionsberechtigung jedes vorhergehenden Vermieters entsprechend der auf die Verhältnisse des Leistungsempfängers abstellenden Formulierung der Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG davon ab, ob der ihm in der Kette unmittelbar nachfolgende Vermieter seinerseits das Optionsrecht ausübte. 52 Macht also beispielsweise der unmittelbar an den Endnutzer leistende Vermieter keinen Gebrauch von seinem Optionsrecht, so schließt er damit zugleich die Optionsmöglichkeiten für alle ihm vorgeschalteten Vermieter der Leistungskette aus. so Die Vennieterkette wird im folgenden stets in Richtung auf den Endnutzer hin betrachtet: Als "vorgeschalteter" oder "vorhergehender" Vennieter wird daher jeder Vennieter der Kette bezeichnet, der im Vergleich zu dem konkret betrachteten Vennieter von der Endstufe weiter entfernt ist; "nachgeschaltet" oder "nachfolgend" jeder Vennieter, der im Vergleich zu dem konkret betrachteten Vennieter der Endstufe näher steht. SI § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGBl. 1984 I, 1493, 1506. S2 Wenzel, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, § 9 Anm. 160. 3*
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des PrufungszieIs
Auf diese Weise entfaltet hier der vom Gesetzgeber vollzogene Wechsel des Bezugspunktes zur Feststellung der Optionsvoraussetzungen innerhalb des § 9 Abs. 2 UStG von den Verhältnissen des Endnutzers (§ 9 Abs. 2 UStG a.F.) auf die Verhältnisse des Leistungsempfängers (§ 9 Abs. 2 Satz I UStG n.F.) seine rechtsändernde Wirkung. Denn noch gemäß § 9 Abs. 2 UStG a.F. 53 war das Optionsverhalten der innerhalb einer Vermietungskette nachgeschalteten Vermieter für das Bestehen des Optionsrechts eines bestimmten Vermieters irrelevant. Stand nämlich fest, daß das Mietgrundstück auf der Endstufe zu optionstauglichen (damals noch: jeder Art von unternehmerischen) Zwecken verwendet wird, so führte dies auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 UStG a.F. dazu, daß automatisch allen an der Vermietungskette beteiligten Vermietern ein Optionsrecht zustand. 54 Hervorzuheben ist jedoch, daß innerhalb der Vermietungskette auch nach der Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz I UStG neben dem Optionsverhalten sämtlicher nachgeschalteter Zwischenvermieter ausschließlich die tatsächliche Nutzung des Mietgrundstücks auf der Endstufe für die Beurteilung der Optionsberechtigung eines bestimmten Vermieters maßgeblich bleibt. Denn § 9 Abs. 2 Satz I UStG n.F. nimmt auf die Verhältnisse des Leistungsempfangers nur insoweit Bezug, als diese die Verwendung des Grundstücks betreffen. Innerhalb der Vermietungskette folgt daraus, daß der Charakter der sonstigen Umsätze, die ein beteiligter Zwischenvermieter neben dem Mietumsatz ausführt, für die Beurteilung der Optionsrechte aller ihm in der Leistungskette vorgeschalteten Vermieter bedeutungslos ist. Der betreffende Zwischenvermieter kann das Grundstück nämlich nicht zeitgleich mit dem Endnutzer zur Ausübung eigener, womöglich abzugsschädlicher, Tatigkeit nutzen, sondern es lediglich in Form der Vermietung "verwenden". Bei einer tatsächlichen Nutzung zu Vermietungszwecken jedoch steht unter der Voraussetzung abzugsfreundlicher Endnutzung auch dem betreffenden Zwischenvermieter das Optionsrecht zu, soweit sämtliche ihm nachgeschalteten Vermieter ihrerseits von ihrem Optionsrecht Gebrauch gemacht haben. Somit hängt also die Optionsmöglichkeit aller einem Zwischen vermieter vorgeschalteten Vermieter lediglich davon ab, ob der Zwischenvermieter sein Optionsrecht ausübt. Unerheblich ist dagegen, welcher Art Umsätze er neben dem Vermietungsumsatz ausführt. Verwendet der Zwischenvermieter indes Teile des Grundstücks tatsächlich selbst für eine abzugsschädliche Tätigkeit, so ist er hinsichtlich dieser Teile Endnutzer des Grundstücks. Insoweit müssen sodann die Ausführungen zu (1) gelten.
53 § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGBI. 1984 I, 1493, 1506. 54 Wenzel, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, § 9 Anm. 150.
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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(3) Folgerung
Unabhängig davon also, welcher Art Umsätze die an einer Vermietungskette beteiligten Vermieter neben dem Vermietungsumsatz ausführen, gilt: Ist der Endnutzer abzugsschädlich tätig, kann das umsatzsteuerliche Optionsrecht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG n.F. für keinen der an der Leistungskette beteiligten Vermieter entstehen. Nutzt der Mieter der Endstufe das Grundstück hingegen tatsächlich zur Ausführung solcher Umsätze, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen, so ist jeder Vermieter in der Leistungskette immer dann optionsberechtigt, wenn sämtliche ihm nachgeschalteten Vermieter zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes optiert haben. Die Anknüpfung der Optionsvoraussetzungen in § 9 Abs. 2 Satz I UStG n.F. an die Verhältnisse des Leistungsempfängers führt somit dazu, daß innerhalb einer Vermietungskette das Optionsrecht jedes beteiligten Vermieters nach wie vor zwar ausnahmslos von der Art der Nutzung auf der Endstufe, im Falle abzugsfreundlicher Endnutzung darüber hinaus jedoch zusätzlich vom Optionsverhalten aller dem betreffenden Vermieter nachgeschalteten Vermieter abhängt. 55
cc) Gemischte Verwendung ("Soweit"-Klausel) Wird ein vermietetes Grundstück durch den Leistungsempfänger in der Weise gemischt genutzt, daß es diesem sowohl zur Avsführung optionsschädlicher als auch zur Ausführung optionsfreundlicher Umsätze dient, so ist die umsatzsteuerliche Option des Vermieters gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG Ld.F. des Art. 20 Nr. 9 StMBG nur möglich, "soweit" die Nutzung der Ausführung von zur Option berechtigenden Umsätzen dient. Das Gesetz läßt demnach, wie bereits durch die vorhergehende Fassung des § 9 Abs. 2 UStG entsprechend Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 198556 , eine Teilung der zu unternehmerischen Zwecken vermieteten Grundstücke in bezug auf die Ausübung des Optionsrechts durch den Vermieter zu. Dies setzt allerdings die räumliche Teilbarkeit des betreffenden Grundstücks oder die zeitliche Teilbarkeit der Art der Nutzung des Grundstücks voraus. 57 Verwendet der unternehmerisch tätige Mieter das vermietete Grundstück hingegen teilweise zur Ausführung von Abzugsumsätzen und teilweise zur Ausführung 55 Wenzel, in: Rau 1 Dürrwächterl Flick 1 Geist, UStG, § 9 Anm. 160; ungenau Lehr! Bengsch, Leasing- und Finanzberater (Beilage zu BB Heft 191 1998), 18, 20, die nicht auf das Erfordernis der Optionsausübung aller nachgeschalteten Vermieter hinweisen. 56 BGBI. 1984 1,1493,1506. Zum Wortlaut vgl. Fn. 33. 57 Rischke, DStR 1994, 1073, 1074 (mit anschaulichen Beispielen); Wenzel, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, § 9 Anm. 158 ff.; Nieskens, BB 1994, 256, 261; zur räumlichen Teilbarkeit vgl. auch Abschn. 148a I UStR 2000, Beispiele 3 bis 6, BStBI. 1999 I, Sondernummer 21 1999 v. 21. 12. 1999, S. 127 f.
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des PrüfungszieIs
abzugsschädlicher Umsätze, ohne daß eine räumliche oder zeitliche Teilung des Grundstücks oder der Nutzung möglich ist, so läßt § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG n.F. trotz der Verwendung des Wortes "soweit" keine Aufteilung des Vermietungsumsatzes in einen optionsfähigen und einen nicht optionsfahigen Teil entsprechend dem Anteil der Abzugsumsätze und dem Anteil abzugsschädlicher Umsätze des unternehmerisch tätigen Mieters an dessen Gesamtumsatz zu. Zwar wird in der Literatur vereinzelt vertreten, eine derartige quotale Aufteilung des Vermietungsumsatzes entsprechend der Qualität der Umsätze des Mieters sei im Wege teleologischer Reduktion des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG n.F. möglich. 58 Zur Begriindung berufen sich die genannten Autor.;:n im wesentlichen darauf, daß es bei wörtlichem Verständnis der Norm zur umsatzsteuerrechtlichen Ungleichbehandlung vergleichbarer wirtschaftlicher Sachverhalte komme. Denn in den Fällen gemischter Verwendung des Grundstücks durch den unternehmerisch tätigen Mieter sei es bei wortgetreuer Anwendung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. möglich, den Ausschluß des Optionsrechts des Vermieters allein dadurch auf die Quote der abzugsschädlichen Umsätze des Mieters zu begrenzen, daß der Mieter die Ausftihrung steuerpflichtiger und steuerfreier Umsätze räumlich trenne. 59 Es bestehe indes kein rechtlich erheblicher Unterschied dieser Gestaltung zu der gemischten Verwendung des Grundstücks ohne räumliche Trennung. 60 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn der Vermietungsumsatz ist abgesehen von den Fällen räumlicher oder zeitlicher Teilbarkeit sowie von den durch § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG gesetzlich als teilbar anerkannten Fällen umsatzsteuerrechtlich als einheitliche Leistung anzusehen, für den § 9 UStG nur insgesamt anwendbar oder unanwendbar iSt. 61 Weiterhin geschah die erstmalige Verwendung des Wortes "soweit" statt "wenn" in der Neufassung des § 9 UStG durch Art. 36 Nr. 2 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes 1981 62 ausdriicklich zu dem Zweck, in Fällen gemischtgenutzter Grundstücke die Norm "nur für die Gebäudeteile,,63 anwenden zu können, die bestimmten Zwecken (hier: anderen als Wohnzwecken) dienten. Gedacht war also erkennbar vor allem an eine räumliche Aufteilung des Vermietungsumsatzes. Dariiber hinaus spricht auch bereits der Wortlaut der derzeit geltenden Normfassung gegen die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion im oben genannten Sinne. Durch die gleichzeitige Verwendung der Begriffe "soweit" und "ausschließlich" wird schon sprachlich erkennbar die Absicht zur Kumulation der EinschränJungen/Theile, DStR 1994,561,562. Jungen/Theile, DStR 1994,561,562. 60 Jungen/Theile, DStR 1994,561,562. 61 Im Ergebnis ebenso Widmann, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 9 Rnr. 38-40; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 9 Rnr. 31; Birken/eid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 11, 3. Kap., § 110 5.b), Rz. 644 ff. (64~). 62 Zweites Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. Haushaltsstrukturgesetz 2. HStruktG) vom 22.12.1981, BGB\. 198111, S. 1553. 63 Amt!. Begründung zu § 9 UStG Ld.F. des 2. HStruktG 1981, BT-Drucks. 9/843, S. 11. 58 59
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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kungen des Optionsrechts in § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG hervorgehoben. Ließe nämlich der Begriff "soweit" eine Teilbarkeit des Vermietungsumsatzes entsprechend der Qualität der Umsätze des Mieters zu, so bedürfte es der Hinzufügung der Einschränkung "ausschließlich" nicht mehr. Schließlich läßt sich nicht zuletzt auch aus dem Fehlen von Regelungen wie § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG und § 15 Abs. 4 UStG innerhalb der Vorschriften über die Steuerpflicht des Leistenden und über das Optionsrecht folgern, daß eine quotale Aufteilung der Option entsprechend der Qualität der Umsätze des Mieters nicht möglich ist. Da nämlich für Zwecke des Vorsteuerabzugs das Gesetz selbst eine quotale Aufteilung einzelner Umsätze kennt und ausdrücklich zuläßt, wird man auf Grund des Fehlens einer vergleichbar ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für das Optionsrecht davon ausgehen dürfen, daß der Begriff "soweit" hier lediglich eine räumliche und zeitliche Teilbarkeit des Vermietungsumsatzes als Differenzierungskriterium zulassen soll. Dementsprechend läßt auch die Finanzverwaltung eine Aufteilung des Vermietungsumsatzes für Zwecke der Optionsausübung nur bei räumlicher oder zeitlicher Teilbarkeit der Vermietung zu. 64 Auch der Bundesfinanzhor5 hat - ohne daß es allerdings in der konkreten Entscheidung darauf ankam - angedeutet, eine lediglich quotale Aufteilung für Zwecke der Optionsausübung nicht anerkennen zu wollen. Der Umstand, daß es bei wörtlichem Verständnis des § 9 Abs. 2 UStG n.F. nunmehr in der Tat möglich ist, durch räumliche Trennung der Ausführung verschiedenartiger Umsätze des Mieters die Option des Vermieters teilweise zu "retten", stimmt zwar bedenklich. 66 Jedoch ist diese Folge vom Gesetz erkennbar objektiv gewollt. Raum für eine teleologische Reduktion der Norm im oben dargelegten Sinne besteht daher nicht. Nach derzeitiger Rechtslage ist somit davon auszugehen, daß der Vermieter eines unternehmerisch tätigen Mieters eine Teiloption gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG nur dann ausüben kann, wenn sich diese auf einen räumlich oder zeitlich abgrenzbaren Teil des Vermietungsumsatzes bezieht. dd) Ausschließlichkeitsklausel Problematisch ist die Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG weiterhin wegen ihrer "Ausschließlichkeitsklausel". Gemeint ist die Beschränkung des Optionsrechts der Vermieter von unternehmerisch genutzten Grundstücken auf diejenigen Fälle, in denen der Leistungsempfänger "ausschließlich" Umsätze ausführt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. 64 Vg!. Abschn. 148 VI Satz 3 UStR 2000, BStB!. 1999 I, Sondernummer 2/1999 v. 21. 12. 1999, S. 127. 65 BFH v. 26. 6.1996 - XI R 43/90 -, BFHE 181,191,194 = BStB!. 199711,98,100. 66 Vg!. dazu unten, Teil B.lV.4.b), S. 175 f.
40
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
Diese enge Formulierung war in der Literatur bereits seit der Einführung der Vorschrift Anlaß zu erheblicher Kritik. 67 Man ist darin einig, daß das Gesetz eine so strikte Ausschließlichkeit, wie sie der Wortlaut nahelegt, gar nicht regeln wollte. 68 Denn vor allem im Zusammenhang mit der Erweiterung des Optionsverbotes auf die Vermietung an nicht vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätige Mieter69 schafft die Ausschließlichkeitsklausel eine für den Normzweck des Umgehungsschutzes 70 viel zu weitgehende und daher letztlich verfassungswidrige7l Einschränkung des Optionsrechts. Denn interpretierte man das Gesetz wörtlich, so entfiele die Optionsmöglichkeit der Vermieter schon dann, wenn der unternehmerisch tätige Mieter mit dem Grundstück auch nur einen einzigen abzugsschädlichen (und damit optionsschädlichen) Umsatz ausführte. Verdeutlicht man sich dies an den oben genannten Beispielen72, so wird offensichtlich, daß der Gesetzgeber diese folgenschweren Wirkungen durch die Verwendung der Begriffes "ausschließlich" erkennbar nicht erzielen wollte. Inzwischen hat die Finanzverwaltung versucht, die Folgen der insoweit als mißglückt erkannten gesetzlichen Neuregelung im Wege einer Verwaltungsanweisung zu mildern. Nach Abschnitt 148a Abs. 3 UStR 200073 soll die Ausschließlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 UStG n.F. noch gewahrt sein, solange der Mieter nur wenige den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze ausführt und dabei eine Bagatellgrenze von 5 % seiner Gesamtumsätze nicht überschreitet. 74 Diese Behelfslösung unklaren rechtlichen Charakters75 kann jedoch nicht wirklich die gesetzgeberische Fehlleistung kaschieren. Rechtssicherheit kann hier allein eine klarstellende gesetzliche Regelung schaffen. 67
Gast, DB 1994, 1208, 1209 m. w. N.; Rischke, DStR 1994, 1073, 1074; V. Schmidt, UR
1995,212,214; Klenk, in: Sölch I Ringleb, UStG, § 9 Rnr. 81.
68 Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 9 Rnr. 81; Gast, DB 1994, 1208, 1209; V. Schmidt, UR 1995,212,214. 69 Dazu oben, Teil A.I.1.b )aa)(2), S. 31 ff. 70 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (li. Sp.). Zu den Zielen der Neuregelung vg!. genauer unten, Teil D.VI., S. 305 ff.; zum Umgehungsschutzzweck insb. Teil D.VI.2.a), S. 307 ff. 71 Zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Belastungswirkungen s. unten, Teil D., S. 284 ff., zum Rechtfertigungsgrund "Umgehungsschutz" insb. Teil D.VI.2.a), S. 307 ff. 72 s. oben, Teil A.I.1.b)aa)(2), S. 32 f. 73 BStB!. 1999 I, Sondernummer 2/1999 v. 21. 12. 1999, S. 128 f. mit Bsp. 1 und 2; s. auch bereits Abschn. 148a III UStR 1996, BStB!. 1995 I, Sondernummer 4/1995 v. 20. 12. 1995, S. 127 f. mit Bsp. 7 und 8. 74 Dazu auch: Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 9 Rnr. 81; Rischke, DStR 1994, 1073, 1074; Gast, DB 1994, 1208, 1209; Lehr/ Bengsch, Leasing- und Finanzberater (Beilage zu BB Heft 19/1998), 18, 20; Wenzel, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, § 9 Anm. 171 f.; Sontheimer; NJW 1997,693,697. 75 Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 9 Rnr. 81, zieht sowohl eine Auslegung des § 9 UStG als auch eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO als Rechtfertigung der Bagatellgrenze in Betracht. Statt um eine Auslegung der Norm handelte es sich hier jedoch eher um eine teleologische Reduktion, da die Einführung der Bagatellgrenze im Widerspruch zum Wortlaut der Norm steht.
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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ee) Nachweis der Voraussetzungen gegenüber dem Finanzamt durch den Vermieter Schließlich kann der Vermieter gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 UStG die Option nur dann wirksam ausüben, wenn er sämtliche Voraussetzungen des Optionsrechts gegenüber dem Finanzamt nachweist. Damit hat der Gesetzgeber eine besondere Beweisführungs- und Nachweispflicht des Vermieters geschaffen, die diesem unter Durchbrechung des für das Besteuerungsverfahren gemäß § 88 Abs. 1 AO und für das finanzgerichtliche Verfahren gemäß § 76 Abs. 1 FGO geltenden Untersuchungsgrundsatzes die Darlegungsund Beweislast für das Vorliegen der Optionsvoraussetzungen auferlegt. Zwar wird die Normierung derartiger besonderer Nachweispflichten einzelner Steuerpflichtiger in den materiellen Steuergesetzen nach ganz herrschender Ansicht für zulässig erachtet. 76 Darüber hinaus hätte der Vermieter auch ohne eine derartige Regelung entsprechend den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) nach der Normenbegünstigungstheorie 77 die Nachteile der Nichterweislichkeit der Optionsvoraussetzungen zu tragen. Denn mit der Ausübung der Option nimmt der Vermieter ein steuerliches Wahlrecht in Anspruch, welches ihm die Möglichkeit eröffnet, eine für ihn konkret wirtschaftlich vorteilhafte umsatzsteuerliehe Behandlung seiner Umsätze herbeizuführen, nämlich einen Anspruch auf Vorsteuervergütung78 zu begründen. 79 Dennoch wird die Nachweispflicht zum Teil als kaum zumutbare Belastung des Vermieters angesehen. 8o Verdeutlicht man sich die Konsequenzen der Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG, so kann dieser Auffassung nur beigepflichtet werden. Zwar mag auf den ersten Blick die Vermutung naheliegen, daß durch das Abstellen auf die Nutzung des Grundstücks durch den unmittelbaren Leistungsempfänger in § 9 Abs. 2 Satz I UStG die Nachweispflicht des Vermieters bezüglich sämtlicher Optionsvoraussetzungen erleichtert wurde. Denn der Vermieter muß jetzt lediglich die Verhältnisse seines unmittelbaren Vertragspartners ermitteln und kann auf diese unter Umständen im Wege vertraglicher Gestaltungen einen gewissen Einfluß ausüben. 81 Jedoch bestand diese Einflußmöglichkeit des Vermieters auch nach der ur76 s. nur: Lange, in: HHSp, AD/FOD, § 96 FOD Rz. 152; Tipke, in: Tipke/Kruse, AD/ FOD, § 88 AD Rnr. 28; Seer, in: Tipke/Kruse, AD/FOD, § 96 FOD Rnr. 82; Weber-Grellet, StuW 1981,48,48,57 f.; Martin, BB 1986, 1021, 1028. 77 Dazu Seer, in: Tipke/Kruse, AD/FOD, § 96 FOD Rnr. 83 ff.; Lange, in: HHSp, AD/ FOD, § 96 FOD Rz. 154 ff. 78 Zur objektiven Beweislast des Steuerpflichtigen hinsichtlich der den Anspruch auf Vorsteuervergütung begründenden Merkmale vgl. Seer, in: Tipke / Kruse, AD / FOD, § 96 Rnr. 86 (Spiegelstrich 7 m.N.); Lange, in: HHSp, AD/FOD, § 96 FOD Rz. 158 (Spiegelstrich 12 m.N.). 79 Zu den Vorteilen der Dption genauer unten, Teil A.I.2.b), S. 46 ff. 80 Nieskens, BB 1994,256,261 f.; Gast, DB 1994, 1208, 1210 f.; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStO, § 9 Rnr. 80.
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Priifungsziels
sprünglichen Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG i.d.F. durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 82 , wonach die tatsächliche Nutzung auf der Endstufe maßgeblich war. Da eine Untervermietung grundsätzlich nur mit Zustimmung des Vermieters möglich ist, konnte sich ein Vermieter auch nach der früheren Regelung des Optionsrechts vertraglich davor schützen, die Verhältnisse ihm unbekannter Personen ermitteln zu müssen, wenn das Grundstück innerhalb einer Vermietungskette weitervermietet wurde. Eine Erleichterung der Nachweispflicht des Vermieters ist daher nicht erreicht worden. Im Gegenteil ist sogar festzustellen, daß die Nachweispflicht des Vermieters nach der Neuregelung erheblich schwieriger zu erfüllen sein wird. Konnte nämlich früher die tatsächlich nichtunternehmerische Nutzung des Mietgrundstücks durch den Mieter objektiv 83 festgestellt werden, muß der Vermieter jetzt nicht mehr nur nachweisen, daß der Mieter das Grundstück unternehmerisch nutzt, sondern er muß nunmehr sogar die Art einzelner unternehmerischer Umsätze seines Mieters ermitteln und auf diese Weise belegen, daß der Mieter ausschließlich Umsätze ausführt, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen. Eine so umfassende Ausforschung der Verhältnisse eines unternehmerisch tätigen Mieters durch seinen Vermieter ist praktisch weder gegenüber den Mietern durchsetzbar noch von einzelnen Vermietern zu leisten. Auch die Finanzverwaltung dürfte mit der Kontrolle derartiger Nachweise erheblich überfordert sein. 84
c) Ergebnis
§ 9 Abs. 1 UStG gewährt das Recht, auf die Steuerbefreiung von Vermietungsumsätzen nach § 4 Nr. 12 lit. a UStG zu verzichten, nur Vermietern unternehmerisch genutzter Grundstücke und Gebäude. Dieses Recht wurde durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG in ganz erheblichem Maße beschränkt.
Nunmehr entfällt das Optionsrecht eines Vermieters von Gewerberaum schon dann, wenn der unternehmerisch tätige Mieter unter Verwendung des Mietgrundstücks oder der Mieträume in sehr geringem Umfang auch solche Umsätze ausführt, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Dies führt in Verbindung mit der dem Vermieter auferlegten Nachweispflicht hinsichtlich der Optionsvoraussetzungen zu der eigenartigen Situation, daß der Vermieter von Gesetzes wegen gehalten ist, die Art der Umsätze des Mieters und deren Umfang im einzelnen zu ermitteln, um gegenüber der Finanzverwaltung nachweisen zu können, ob sein Optionsrecht 81 Zu steuerlich indizierten Vorschlägen für vertragliche Gestaltungen s. unten, Teil EII.2., S. 379 ff. 82 S. Art. 17 Nr. 9 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGBI. 1984 1,1493,1506. 83 Gast, OB 1994, 1208, 1208; Rischke, OStR 1994,1073,1074. 84 Ebenso Nieskens, BB 1994, 256, 262.
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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besteht. Mit Nieskens 85 läßt sich daher konstatieren: ,,Es drängt sich somit der Verdacht auf, daß die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG - entgegen den durch den Wortlaut zugelassenen Gestaltungsmöglichkeiten - einen grundsätzlichen Vorsteuerabzug verhindern soll, wenn der Leistungsempfänger überhaupt nur Umsätze ausführt, die den Vorsteuerabzug ausschließen, egal in welchem Umfang." Vollkommen absurd würde diese Situation - wollte man die dem Vermieter auferlegte Nachweispflicht streng verstehen - sodann innerhalb einer Vermietungskette. Denn in einer Vermietungskette hängt das Optionsrecht jedes beteiligten Vermieters sowohl davon ab, daß der Endnutzer ausschließlich optionsfreundliche Umsätze ausführt als auch davon, daß alle beteiligten Zwischenvermieter ebenfalls ihr Optionsrecht in Anspruch genommen haben. 86 Es ist daher die Frage zu stellen, ob man den in der Vermietungskette vorgeschalteten Vermietern aufgeben muß, nicht nur die Ausübung des Optionsrechts durch den ihnen unmittelbar nachgeschal~eten Zwischenvermieter nachzuweisen, sondern darüber hinaus zusätzlich die Verhältnisse des (ihnen möglicherweise unbekannten) Endnutzers zu erforschen. Der Umstand indes, daß dem Vermieter unter Durchbrechung des im Besteuerungsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes sowie entsprechend den allgemeinen Regeln über die objektive Beweislast die Nachweispflicht für das Bestehen der Optionsvoraussetzungen auferlegt wird, begegnet für sich betrachtet allerdings noch nicht diesen erheblichen Bedenken. Die Unzumutbarkeit der einem optionswilligen Vermieter auferlegten Nachweispflicht folgt vielmehr daraus, daß die geschaffene Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG durch ihren einerseits zu allgemein 87 und andererseits zugleich zu eng ("ausschließlich,,88) gefaßten Wortlaut weit über den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck hinausgeht. Dies schafft Rechtsunsicherheit und kann - wie noch zu zeigen ist89 - zu kaum hinnehmbaren wirtschaftlichen Belastungen der Vermieter führen. 2. Bedeutung der Option für die Mietparteien
Unter Berücksi.chtigung des unten im Teil B.1. 90 dargestellten rechtlichen Charakters der Umsatzsteuer als indirekter Verbrauch(er)steuer läßt sich die wirtschaftNieskens, BB 1994, 256, 262. s. oben, Teil A.l.l.b)bb), S. 34 ff. 87 Zu allgemein insofern, als über die verschiedenen Umgehungsmodelle, die in der Praxis gegen § 9 Abs. 2 UStG a.F. entwickelt worden waren, hinaus auch ganz gewöhnliche Mietverhältnisse von der Einschränkung des Optionsrechts betroffen werden. 88 Zur Ausschließlichkeitsklausel oben, Teil A.l.l.b )dd), S. 39 ff. 89 Dazu unten, Teil A.II., S. 51 ff. 90 s. unten, Teil B.I., S. 91 ff. 85
86
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
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liehe Bedeutung des Optionsrechts aus § 9 UStG für die Parteien eines Mietverhältnisses über ein unternehmerisch genutztes Grundstück wie folgt beschreiben:
a) Umsatzsteuerrechtliche und wirtschaftliche Lage ohne Optionsausübung
Übt ein optionsberechtigter Vermieter seine Optionsmöglichkeit nicht aus, so bleibt zwar der Vermietungsumsatz entsprechend § 4 Nr. 12 lit. a UStG steuerfrei; diese Steuerfreiheit führt auf Grund des damit verbundenen Verbotes des Vorsteuerabzugs für den Vermieter gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG jedoch zu wirtschaftlich nachteiligen Folgen, die das Mietverhältnis insgesamt betreffen:
aa) Umsatzsteuerfreiheit der Vermietung, § 4 Nr. 121it. a UStG Grundsätzlich 91 ist nach § 4 Nr. 12 lit. a UStG unter anderem die Vermietung von Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen92 ein steuerfreier Umsatz. Der Vermieter ist also grundsätzlich nicht verpflichtet, Umsatzsteuer auf den Mietzins abzuführen, so daß im Regelfall der Mietzins nicht durch Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Mieter verteuert wird. bb) Kein Vorsteuerabzugsrecht des Vermieters, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG Die Umsatzsteuerfreiheit des Vermietungsumsatzes hat jedoch zur Folge, daß der Vermieter gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Daher darf er für keine der zur Ausführung des steuerfreien Vermietungsumsatzes erlangten Lieferungen und für keine der zu diesem Zweck in Anspruch genommenen Dienstleistungen die von ihm an andere Unternehmer gezahlten Vorsteuern abziehen. Der grundsätzliche Ausschluß des Vorsteuerabzugsrechts gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Unternehmer, die steuerfreie Umsätze ausführen, führt zwar nach allgemeiner und zutreffender Ansicht93 zu einem verfassungswidrigen Bruch im System der AII-Phasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug als allgemeiner Verbrauchsteuer. 94 Ziel dieser Untersuchung ist es jeAusnahmen regelt § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG; vgl. Einleitung, Fn. 3. Zur Einbeziehung von Gebäuden und Gebäudeteilen s. Einleitung, Fn. 1. 93 Teichmann. Der Verlust des Vorsteuerabzugs im steuerfreien Bereich der Mehrwertsteuer, Diss. Köln 1975; Reiß. in: Tipke/Lang, § 14 G. 2.1, Rz. 132; Ruppe, "Unechte" Umsatzsteuerbefreiungen, FS f. K. Tipke 1995,457 ff.; Dziadkowski, UStKongrBer. 1985, 103, 120 f. m.N.; Söhn, StuW 1976, 1,26 f.; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, vor § 1 Rz. 10; a.A. Stadie. Vorsteuerabzug, S. 10 ff. 94 s. auch unten, Teil B.I.2.e)cc)(2), S. 102 ff. 91
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I. Steuerrechtliche Ausgangslage
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doch nicht, die Bedeutung und Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 2 UStG zu analysieren. Daher soll im folgenden der bereits durch diese Norm geschaffene Systembruch als existent hingenommen, innerhalb erforderlicher Wertungen allerdings stets auch als solcher berücksichtigt werden. Für den Fall der Vermietung kann sich das Fehlen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Vermieters hier dergestalt auswirken, daß sich der Mietzins insbesondere für bebaute Grundstücke gerade wegen der Umsatzsteuerfreiheit der Vermietung beachtlich verteuert, weil der Vermieter die an andere Unternehmer entrichteten, ohne Ausübung der Option nicht abzugsfähigen Vorsteuern nach Möglichkeit in die Kalkulation des Mietzinses einbeziehen wird. 95 Dies fällt - das Gelingen der verdeckten Überwälzung vorausgesetzt - insbesondere hinsichtlich der Vorsteuer auf die Anschaffungs 96 - oder Herstellungskosten von Grund und Boden sowie des Gebäudes erheblich ins Gewicht. Es besteht allerdings in diesem Zusammenhang für den Vermieter die Gefahr, eine beabsichtigte vollständige Überwälzung der nicht abzugsfähigen Vorsteuern im Rahmen des Mietzinses auf den unternehmerisch tätigen Mieter ausnahmsweise nicht verwirklichen zu können. 97 Denn das Optionsrecht des Vermieters setzt gemäß der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG nunmehr voraus, daß die Vermietung an einen anderen, selbst vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. 98 Ein solcher Mieter könnte daher die entsprechenden Vorsteuern auf die Herstellungskosten stets abziehen, wenn er das Mietobjekt selbst errichten würde. 99 Eine Überwälzung der in den Herstellungskosten des Vermieters enthaltenen nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge im Rahmen des Mietpreises auf einen vorsteuerabzugsberechtigten Mieter wird daher unter Marktbedingungen nicht stets (vollständig) gelingen können, will der Vermieter nicht provozieren, daß der vorsteuerabzugsberechtigte Mieter das benötigte Objekt selbst erwirbt oder herstellt (sogenannte Ausschaltungsgefahr). 100
95 Allgemein bzgl. steuerbefreiter Umsätze: Stadie, in: Rau I Dürrwächter I Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 133; Ruppe, "Unechte" Umsatzsteuerbefreiungen, FS f. K. Tipke 1995, 457,461 f. 96 Auf die Anschaffungskosten von Immobilien kann eine Umsatzsteuer wegen § 4 Nr. 9 lit. a UStG allerdings nur anfallen, wenn der Veräußerer gemäß § 9 UStG zur Besteuerung des Umsatzes optiert hat. 97 Stadie, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 135 f. Etwas zurückhaltender hinsichtlich der Gewißheit der Optionsausübung formuliert Reiß, DStJG 13 (1990), S. 26 Fn. 84. 98 s. oben, Teil A.I.l.b )aa), S. 31 ff. 99 Stadie, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 135; ders., in: Rau I Dürrwächter I Flick I Geist, UStG, Vor §§ 4-9, Anm. 57; ders., Vorsteuerabzug, Kap. 5 5.1., S. 182 f.; Beker, UR 1974,259,260. 100 Beker, UR 1974,259,260. Strenger: Stadie, in: Rau I Dürrwächter I Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 135, der, wohl zu pessimistisch, sogar davon ausgeht, daß die Überwälzung in diesem Falle nie gelinge.
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
Aus diesem Grunde ist es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur schwer vorstellbar, daß ein optionsberechtigter Vermieter sein Optionsrecht nicht ausüben wird, da er durch die Option die genannten Probleme vermeiden kann.
b) Umsatzsteuerrechtliche und wirtschaftliche Lage nach Optionsausübung
Liegen sämtliche Optionsvoraussetzungen lOl vor, kann der Vermieter auf die Steuerfreiheit des Vermietungsumsatzes verzichten. Dies geschieht, indem der Vermieter den Mietumsatz als umsatzsteuerpflichtig "behandelt" (§ 9 Abs. 2 Satz 1 UStG). Da das Gesetz seit der Änderung des § 9 UStG durch das UStG 1980 102 nur noch von "Behandeln" spricht, ist nicht mehr wie nach friiherer Rechtslage eine ausdriickliche Optionserklärung gegenüber dem Finanzamt zur Ausübung der Option notwendig. 103 Vielmehr genügt es, wenn der Vermieter dem Mieter eine dem § 14 UStG entsprechende Rechnung ausstellt, den Umsatz in seiner Umsatzsteuervoranmeldung als steuerpflichtig behandelt lO4 oder den Verzicht in sonstiger Weise durch schlüssiges Verhalten 105 erklärt.
aa) Umsatzsteuerpflicht des Vermieters Hat der Vermieter gemäß § 9 UStG zur Umsatzsteuerpflicht optiert, so muß er auf den Vermietungsumsatz Umsatzsteuer entrichten, für deren Bemessung der Netto-Mietzins (§ 10 Abs. I UStG) zugrundegelegt wird. Diese Umsatzsteuerbelastung wird der Vermieter - systemgerecht 106 - auf den Mieter abwälzen, indem er die Umsatzsteuer zusätzlich zum Netto-Mietzins vom Mieter verlangt. Dies fUhrt allerdings auf Grund der engen gesetzlichen Voraussetzungen des Optionsrechts in keinem Fall zu einer zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung eines Mieters:
s. oben, Teil A.1.1., S. 27 ff. § 9 UStG in der Fassung des Gesetzes zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze v. 26. 11. 1979, BGBI. 1979 I, 1953, 1961. 103 BFH v. 01. 12. 1994 - V R 126/92 -, BFHE 176,491,493 = BStBl. 199511,426,427 =UR 1995,400,401; BFH v. 16.07. 1997 - XI R 94/96 -, BFHE 183,301,303 = BStBl. 199711,670,671; Stöcker. in: Peter/Burhoff/Stöcker, UStG, § 9 Rz. 321 ff.; Wenzel, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 9 Anm. 47 ff. 104 BFH v. 01. 12. 1994 - V R 126/92 -, BFHE 176,491,493 =BStBl. 199511,426,427 = UR 1995,400,401; Klenk, in: Sö1ch/Ring1eb, UStG, § 9 Rz. 32; Wenzel, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 9 Anm. 49. 105 BFH v. 16.07. 1997 - XI R 94/96 -, BFHE 183, 301, 303 =BStBl. 199711,670,671. 106 s. unten, Teil B.I.2.e)dd), S. 108 ff. 101
102
I. Steuerrechtliehe Ausgangslage
47
( 1) Keine zusätzliche Belastung
nichtuntemehmerisch tätiger Mieter
Da die Option nach § 9 Abs. 1 UStG nur ausgeübt werden kann, wenn sowohl der Vermieter als auch der Mieter Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (§ 2 Abs. 1 UStG) sind, darf der Vermieter eines Nichtunternehmers nicht zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes optieren. Für private Mieter besteht daher unter keinen Umständen die Gefahr, mit der nach einer Option vom Vermieter abzuführenden Umsatzsteuer belastet zu werden. Private Mieter (Endverbraucher) tragen vielmehr stets ausschließlich die im Mietpreis verdeckt lO7 auf sie überwälzten Vorsteuerbeträge der Vorstufen des Vermietungsumsatzes, die ihre Vermieter für die Inanspruchnahme von Lieferungen oder sonstigen Leistungen zur Ausführung des Vermietungsumsatzes an andere Unternehmer entrichtet haben und auf Grund der nicht durch Option verzichtbaren Umsatzsteuerbefreiung des Vermietungsumsatzes gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG i.Y.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht abziehen dürfen. Die Belastung privater Mieter durch verdeckte Überwälzung der Umsatzsteuer mag im Hinblick darauf unangemessen erscheinen, daß die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 12 lit. a UStG vorgeblich den Zweck verfolgt, private Mieter aus sozialen Gründen zu entlasten lO8 • Denn § 4 Nr. 12 lit. a UStG erreicht auf diese Weise nur eine Entlastung der privaten Mieter insoweit, als eine Umsatzsteuer, welche die auf der Stufe der Vermietung geschaffene Wertsteigerung belastet, nicht erhoben wird. Die Umsatzsteuer auf die in den Vorstufen geschaffenen Mehrwerte jedoch wird letztlich von dem Endverbraucher getragen. Allerdings wird dies auch vom Gesetzgeber erkannt und hingenommen, wie sich insbesondere aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 9 UStG durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 109 ergibt. 110 Daher ist es rechtlich nicht zu beanstanden, sondern vielmehr als politische Entscheidung des Steuergesetzgebers hinzunehmen, wenn dieser eine Umsatzsteuerentlastung der Mieter lediglich in Höhe der Steuer bezweckt, die auf den durch den Vermieter geschaffenen Mehrwert entfällt. Aus rechtlicher Sicht problematisch ist hingegen der Umstand, daß die verdeckte Überwälzung auf den Mieter bei ihrem Gelingen im Einzelfall nur dazu 107 In diesem Zusammenhang der "unechten" (zu diesem Begriff s. z. B. Ruppe, "Unechte" Umsatzsteuerbefreiungen, FS f. K. Tipke 1995, 457 ff.; Dziadkowski, DStZ 1985, 419 ff.) Umsatzsteuerbefreiungen wird auch von "heimlicher" Überwälzung gesprochen, vgl. Dziadkowski, DStZ 1985, 419 ff.; vgl. zur verdeckten Überwälzung unten, Teil B.I.2.e)cc)(2)(c), S. 104 ff. 108 Vgl. den schriftlichen Bericht des Finanzausschusses v. 17.03. 1967, zu BT-Drucks. V 11581, S. 12 (Einzelbegründung zu § 4 Nr. 12 lit. a UStG): "um Mieterhöhungen bei Wohnungen möglichst zu vermeiden"; Heidner; in: Bunjes/Geist, UStG, § 4 Nr. 12 Anm. 2, Rnr.2. 109 BGBI. 1984 I, 1493, 1506. BO BT-Drucks. 10/1636, S. 72: "Nach dem Grundgedanken des Umsatzsteuerrechts soll jedoch bei Umsätzen auf der Endstufe, ... , die Vorsteuerbelastung erhalten bleiben."
A. Problemdarstellung und Bestimmung des PTÜfungsziels
48
dient, die wirtschaftlichen Folgen eines durch § 15 Abs. 2 UStG auf der Stufe des Vermieters geschaffenen Systembruchs des umsatzsteuerrechtlichen Systems zu kompensieren. Dieses Problem ist jedoch hier im Zusammenhang mit der Darstellung der wirtschaftlichen Vorteile der Umsatzsteueroption für die Mietparteien bedeutungslos, so daß erst an späterer Stelle 111 näher darauf einzugehen sein wird. (2) Keine zusätzliche Belastung unternehmerisch tätiger Mieter Für untemehmerisch tätige Mieter bedeutet die Erhöhung des Mietzinses um den nach Ausübung der Option vom Vermieter abzuführenden Steuerbetrag dann keine echte wirtschaftliche Belastung, wenn sie selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Nach der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG wurde nun gerade die - vom Vermieter nachzuweisende 112 - Vorsteuerabzugsberechtigung des Mieters zur Voraussetzung des Optionsrechts des Vermieters erhoben. Es ist daher gar nicht möglich, daß die Option des Vermieters eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung des untemehmerisch tätigen Mieters herbeiführt. 113 Im Gegenteil - auch der vorsteuerabzugsberechtigte Mieter wird oft ein großes Interesse an der Ausübung der Option durch den Vermieter haben. Dieses Interesse erkennt auch der Bundesjinanzhol14 an, sieht den Vorteil des Mieters jedoch unzutreffend darin, daß der Mieter den Vorsteuerabzug hinsichtlich der auf den Mietzins zu entrichtenden (Vor-)Steuer erlangt. Der Erwerb des Vorsteuerabzugsrechts durch den untemehmerisch tätigen Mieter führt indes lediglich dazu, daß die nur nach einer Option zusätzlich zu dem vom Vermieter kalkulierten Netto-Mietzins zu entrichtende Umsatzsteuer auf diesen Preis den Mieter nicht wirtschaftlich belastet. Ein Vorteil des Mieters läßt sich in der Erlangung des Vorsteuerabzugsrechts nach der Option also nicht sehen, denn genaugenommen wird dadurch lediglich das Entstehen eines Nachteils als Folge der Optionsausübung verhindert. Nach richtiger Ansicht besteht das Interesse des vorsteuerabzugsberechtigten Mieters an der Ausübung der Option vielmehr ausschließlich darin, einen indirekten Vorteil zu erlangen, welcher aus dem mit der Vorsteuerabzugsberechtigung des Vermieters für diesen verbundenen Wettbewerbsvorteil folgt 115 , s. sogleich unter bb). s. unten, Teil B.1.2.e)cc), S. 101 ff., insb. Teil B.I.2.e)cc)(2)(c), S. 104 f. Näher dazu oben, Teil A.I.l.b)ee), S. 41 f. 113 So auch Sontheimer, NJW 1997,693,694; jedoch unzutreffend für den Fall des nicht vorsteuerabzugsberechtigten Mieters, da verkannt wird, daß die Option in diesem Fall unzulässig ist. 114 BFH v. 06. 06.1991- V R 70/89 -, BFHE 165,1,4 f. (Tz. 4) = BStBI. 199111,866, 868; BFH v. 16.03. 1993 - V R 54/92 -, BFHE 171, 7, 9 = BStBI. 199311,736,737; BFH v. 29.04. 1993 - V R 93/89 - BFH/NV 1994,510,511; BFH v. 18.06. 1993 - V R 6/91 -, BFHE 172, 172, 174 = BStBI. 199311,854,855; BFH v. 24. 02. 1994 - V R 80/92 -, BFHE 173, 468, 470 = BStBI. 1994 11, 487, 487. Anders (d. h. zutreffend) jedoch noch BFH v. 19. 12. 1985 - V R 34/80 -, BFHE 145,564,567 = BStBI. 198611,371,372 f. 111
112
I. Steuerrechtliche Ausgangslage
49
bb) Vorsteuerabzugsberechtigung des Vermieters Nach der Option zur Umsatzsteuer kann der Vermieter außerdem gemäß §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 14 UStG den Vorsteuerabzug auf alle Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Grundstücks oder Gebäudes sowie hinsichtlich aller späteren Lieferungen oder sonstigen Leistungen geltend machen, die er zum Zwecke der Ausführung des Vermietungsumsatzes bezogen hat oder bezieht. Die vom Vermieter an andere Unternehmer zu zahlenden Vorsteuern sind in diesem Fall nicht länger in die Kalkulation des Mietzinses einzubeziehen. Dies ist der eigentliche Anreiz für einen berechtigten Vermieter zur Ausübung des Optionsrechts. 116 Denn durch den Erwerb der Vorsteuerabzugsberechtigung entsteht für den Vermieter die Möglichkeit zu preiswerterer Vermietung. Dies schafft einen Wettbewerbsvorteil l17 für den optierenden Vermieter und liegt darüber hinaus auch im Interesse des vorsteuerabzugsberechtigten Mieters. Die Interessen der Vermieter und Mieter sind hier gleichsam reflexartig miteinander verbunden. Somit ist es in der Mehrzahl der Fälle gewerblicher Vermietung für beide Vertragsparteien von Vorteil, wenn der Vermieter zur Besteuerung des Mietumsatzes optiert. 118 An diesem Beispiel der Vermietung wird indes zugleich deutlich, daß § 9 UStG allgemein nur die Funktion hat, die Folgen des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs für steuerfreie Umsätze gemäß § 15 Abs. 2 bis 4 UStG in einigen ausgewählten Fällen des § 4 UStG wieder rückgängig zu machen. 119 Dabei ist heute weitgehend anerkannt, daß § 15 Abs. 2 bis 4 UStG durch seine allgemeine Wirkung zu Lasten steuerfrei tätiger Unternehmer zu einem verfassungswidrigen Bruch des umsatzsteuerrechtlichen Systems führt. l2O Indem § 9 UStG einigen Unternehmern das Recht zur Option gewährt, ermöglicht die Vorschrift diesen Unternehmern also die Wiederherstellung der Systemgerechtigkeit der Umsatzsteuer im Einzelfall. 115 So deutlich Stadie, in: Rau 1 Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 136; Birkenfeid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 11., 3. Kap., § 109 1., Rz. 589; Korn, UStKongrBer. 1988/89, 15, 19. 116 BFH v. 19. 12. 1985 - V R 34/80 -, BFHE 145, 564, 567 = BStB!. 198611,371,372 f.; Birkenfeid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 11., 3. Kap., § 109 1., Rz. 589; Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 136; Korn, UStKongrBer. 1988/89, 15, 19. 117 Regierungsentwurf zum UStG 1967 vom 30. 12. 1963, BT-Drucks. IV 11590, S. 38 (Einzelbegründung zu § 8); Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des UStG 1967, zu BT-Drucks. VI 1581, S. 13 (Einzelbegründung zu § 9); Stadie, Vorsteuerabzug, Kap. I Ein!. S. 8 ff. (allg.), Kap. 5 5.1., S. 182, 185; ders., in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 136,202; Kienk, in: Sölch 1Ringleb, UStG, § 9 Anm. 1. 118 Stadie, Vorsteuerabzug, Kap. 1 Ein!. S. 8 ff. (10 f.), Kap. 5 5.1., S. 183 f.; ders., in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 136. 119 Zu den daraus folgenden Konsequenzen s. unten, Teil B.I.2.e)cc)(2)(b), S. 104 f. sowie Teil D.II.3., S. 292 ff. 120 s. die Nachweise oben in Fn. 93 sowie genauer unten, Teil B.1.2.e)cc)(2), S. 102 ff.
4 Löhr
50
A. Problemdarstellung und Bestimmung des PriifungszieIs
Dies läßt § 9 UStG von vornherein gleichfalls verfassungsrechtlich suspekt erscheinen. Allerdings ist zu bedenken, daß die im folgenden beabsichtigte Kritik an der Norm des § 9 Abs. 2 UStG n.F. stets nur eine immanente Kritik sein kann, da der eigentlich zu beanstandende Systembruch bereits durch § 15 Abs. 2 bis 4 UStG vollzogen wird. Ziel dieser Untersuchung ist es - wie bereits erwähnt l21 - jedoch nicht, die Wirkungsweise und Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 2 UStG zu beurteilen. Daher soll der Ausschluß des Vorsteuerabzugs für steuerfreie Leistungen hier als vorgegebener Parameter hingenommen und § 9 UStG lediglich im Hinblick auf seine über die bereits bestehende Systemverletzung hinausgehenden Wirkungen untersucht werden.
ce) Ergebnis Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die durch Ausübung der Option hervorgerufene Umsatzsteuerpflicht hinsichtlich des Vermietungsumsatzes keinerlei belastende Wirkungen gegenüber Mietern entfalten kann. Im Gegenteil hat der Erwerb des Vorsteuerabzugsrechts durch den Vermieter nach einer Option umsatzsteuerrechtliehe Wirkungen zur Folge, die sowohl beim Vermieter als auch beim Mieter zu nicht unwesentlichen wirtschaftlichen Entlastungen führen können. 122 Dies hat seine Ursache darin, daß die optionsberechtigten Vermieter durch Ausübung der Option gemäß § 9 UStG eine durch § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG verursachte Verletzung des umsatzsteuerrechtlichen Systems für ihren Einzelfall rückgängig machen. Die durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG bewirkte Beschränkung des Optionsrechts hatte daher insgesamt eine erhebliche Verkürzung der bis zum Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1. Januar 1994 123 bestehenden wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke und Gebäude zur Folge. Allerdings verschafft die Option dem beteiligten Vermieter nicht nur Vorteile. Bisher wenig beachtet geblieben ist im Rahmen der Beschreibung der Bedeutung der Option für die Mietparteien, daß die Ausübung des Optionsrechts den Vermieter zugleich in eine Situation bringt, welche die Gefahr des Entstehens erheblicher wirtschaftlicher Nachteile birgt. Dieser Gesichtspunkt soll im folgenden näher beleuchtet werden.
Vg!. oben, Teil A.I.2.a)bb), S. 44 f. Sontheimer. NJW 1997,693,693, geht davon aus, daß aus der Ausübung der Option gemäß § 9 UStG eine Einsparung in Höhe von bis zu 10% der Gesamtkosten einer Immobilie resultieren könne. 123 Vg!. Art. 34 Abs. 3 des StMBG, BGB!. 1993 I, 2310, 2352; zur Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 UStG für die Anwendung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. s. Art. 20 Nr. 23 des StMBG, BGB!. 1993 I, 2310, 2341. 121
122
11. Optionsschädliche Nutzungsänderung
51
11. Optionsschädliche Nutzungsänderung Wie bereits dargestellt 124, erfaßt die Beschränkung des Optionsrechts aus § 9 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG neben den in der Praxis zu § 9 Abs. 2 UStG a.F. 125 entstandenen Umgehungsmodellen 126 auch ganz gewöhnliche Mietverhältnisse über Unternehmens grundstücke. Insbesondere die Ausweitung des Optionsverbotes auf nicht vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätige Mieter 127 , die gegenwärtige Auslegung der "Soweit-Klausel,,128 sowie die Ausschließlichkeitsklausel 129 sind ursächlich für diesen Effekt. Nun mag man diese Einschränkung der zuvor bestehenden Rechte betroffener Vermieter - und, damit reflexartig verbunden, auch der wirtschaftlichen Interessen ihrer unternehmerisch tätigen Mieter 130 - für unproblematisch halten, solange die Vermieter Gelegenheit haben, sich auf die Verkürzung ihrer Rechte durch entsprechende vertragliche Gestaltungen und Mietzinskalkulationen einzustellen. Es soll hier weiterhin auch nicht in Frage gestellt werden, daß die durch Art. 20 Nr. 23 des StMBG 131 geschaffene Übergangsregelung des § 27 Abs. 2 UStG im Hinblick auf die Interessen der betroffenen Mietparteien sachgerecht iSt. 132 Der Gesetzgeber hat jedoch mit dieser Neufassung Raum für eine Konstellation geschaffen, in der gerade die optierenden Vermieter der vom Normzweck nicht erfaßten - gewöhnlichen - Mietverhältnisse zwangsläufig erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden müssen. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG war gleichsam die Geburtsstunde des bis dahin weitgehend bedeutungslosen umsatzsteuerrechtlichen Tatbestandes der "optionsschädlichen Nutzungsänderung". Im folgenden sollen der Tatbestand sowie die daraus resultierenden umsatzsteuerlichen Rechtsfolgen im einzelnen erläutert werden.
1. Tatbestand der optionsschädlichen Nutzungsänderung
Eine optionsschädliche Nutzungsänderung durch einen Mieter wird im Rahmen eines Mietverhältnisses nur dann relevant, wenn der Vermieter für diesen Mietums. oben, Teil A.I.1.b)aa)(2), S. 31 ff., insb. Beispiele S. 32 ff. § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGB\. 1984 I, 1493, 1506 - zum Wortlaut vg\. Fn. 33. 126 Genauer zu den Umgehungsmodellen unten, Teil D.VI.2.c)aa)(2), S. 311 ff. 127 s. oben, Teil A.I.1.b )aa)(2), S. 31 ff. 128 s. oben, Teil A.I.1.b )cc), S. 37 ff. 129 s. oben, Teil A.I.1.b)dd), S. 39 ff. 130 s. oben, Teil A.1.2.b)bb), S. 49 f. 131 BGB\. 1993 I, 2310, 2341. 132 Dazu V. Schmidt, UR 1995, 212, 214 f.; Gast, DB 1994, 1208, 1209 f.; Wenzel, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, § 9 Anm. 130 ff. 124
12S
4*
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
satz bereits zuvor gemäß § 9 UStG auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 lit. a UStG verzichtet hat. Demzufolge sind ausnahmslos Mietverhältnisse über Unternehmensgrundstücke betroffen, bei denen der Mieter im Zeitpunkt der Ausübung der Option durch den Vermieter unter Verwendung des vermieteten Grundstücks bzw. der vermieteten Räume ausschließlich Umsätze ausführte, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigten. Problematisch und mit folgenschweren wirtschaftlichen Auswirkungen zu Lasten des betroffenen Vermieters verbunden ist in dieser Situation eine Veränderung der Verhältnisse dahingehend, daß der Mieter innerhalb des Berichtigungszeitraumes des § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG entgegen der Sachlage im Zeitpunkt der Ausübung der Umsatzsteueroption durch den Vermieter die Mietsache auf einmal nicht mehr "ausschließlich für Umsätze verwendet ... , die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen" (§ 9 Abs. 2 UStG). Der Mieter muß also die Art seiner Nutzung der Mietsache in optionsschädlicher Weise ändern. Eine optionsschädliche Nutzungsänderung setzt dabei nicht etwa zwingend eine grundlegende Umstrukturierung im Unternehmen des Mieters voraus. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG n.F. sind heute vielmehr so eng, daß eine optionsschädliche Nutzungsänderung für den Mieter sehr leicht vollziehbar und daher kein lediglich theoretischer Tatbestand ist. Selbst wenn man die durch die Finanzverwaltung praktizierte Entschärfung der Ausschließlichkeitsklausel durch die Billigkeitsgrenze von 5 %133 nicht zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze akzeptiert, handelt es sich keinesfalls nur um hypothetische oder gar utopische Fälle, in denen der Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke eine den Fortfall der Optionsvoraussetzungen herbeiführende Nutzungsänderung des Mieters und damit die noch zu beschreibenden steuerlichen Nachteile befürchten muß. In der Praxis dürfte die Norm daher noch Anlaß zu erheblichen Streitigkeiten geben. So könnte sich z. B. jeder der oben zur Erläuterung der Voraussetzungen des Optionsrechts nach der Neufassung genannten Beispie1sfälle l34 auch als Fall der optionsschädlichen Nutzungsänderung ereignen, wenn der jeweilige Mieter erst nach Ausübung der Option durch den Vermieter mit der Ausführung der betreffenden abzugsschädlichen Umsätze in dem erforderlichen Umfang (mehr als 5 %) begänne. Darüber hinaus sind jedoch auch unzählige weitere Fälle optionsschädlicher Nutzungsänderungen vorstellbar. Nur einige Beispiele seien genannt: Der Mieter, der auf dem Mietgrundstück zunächst ein Hotel betreibt (nicht steuerbefreit, § 4 Nr. 12lit. a Satz 2 UStG), wandelt das Hotel in eine Jugendherberge um (steuerfrei gemäß § 4 Nr. 24 UStG). Oder: Der Mieter, der zunächst als Handelsvertreter oder Immobilienmakler tätig war, wird Versicherungsvertreter (steuerfrei gemäß § 4 133 134
Vgl. Abschnitt 148a Abs. 3 Satz 2 UStR 2000. s. oben, Teil A.I.l.b)aa)(2), S. 31 ff.
II. Optionsschädliche Nutzungsänderung
53
Nr. 11 UStG). Ferner zu nennen wäre auch der Fall, daß ein zuvor vorsteuerabzugsberechtigt tätiger Mieter sein Unternehmen auf dem Mietgrundstück einsteHt, das Mietverhältnis allerdings innerhalb des Berichtigungszeitraumes des § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG weiterhin beibehalten wird. Besondere Bedeutung dürften in der Praxis auch die FäHe erlangen, in denen der Mieter nicht durch Veränderungen der Art seiner Nutzung der Mietsache, sondern allein durch eine Änderung des Umfangs seiner unternehmerischen Tätigkeit die ursprünglich bestehende Vorsteuerabzugsberechtigung verliert. Um eine optionsschädliche Nutzungsänderung handelt es sich auf Grund der damit verbundenen Rechtsfolgen auch dann, wenn ein zunächst vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätiger Mieter wegen abnehmender Umsatzzahlen die Schwelle zum Kleinunternehmer gemäß § 19 UStG unterschreitet. Dieser Prozeß kann sich im Unternehmen des Mieters vom Vermieter weitgehend unbemerkt vollziehen, so daß diesen die entsprechenden Rechtsfolgen hier besonders unvorbereitet träfen. Der Tatbestand der optionsschädlichen Nutzungsänderung ist daher wie folgt zu definieren: Um eine umsatzsteuerrechtlich relevante optionsschädliche Nutzungsänderung handelt es sich, wenn im Rahmen eines Mietverhältnisses über ein unternehmerisch genutztes Grundstück, für welches der Vermieter gemäß § 9 UStG auf die Steuerbefreiung aus § 4 Nr. 12 lit. a UStG verzichtet hat, der unternehmerisch tätige Mieter innerhalb des Berichtigungszeitraumes des § 15a Abs. I Satz 2 UStG die Art oder den Umfang seiner tatsächlichen Nutzung des Grundstücks in der Weise ändert, daß er mit ihm nicht mehr ausschließlich solche Umsätze ausfuhrt, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen, wobei das Mietverhältnis über den Zeitpunkt dieser Nutzungsänderung hinaus fortgesetzt wird.
2. Umsatzsteuerliehe Rechtsfolgen der optionsschädlichen Nutzungsänderung
Ist eine Nutzungsänderung der beschriebenen Art geschehen, fallen die Optionsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG n.F. fort; die bereits ausgeübte Option kann in der Zukunft nicht fortbestehen. Der Vermieter darf demzufolge nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters den Mietumsatz nicht mehr als umsatzsteuerpflichtig behandeln. Dies führt bei ihm zu den nachfolgend darzustellenden umsatzsteuerrechtlichen Folgen, die erhebliche vermögensmäßige Nachteile verursachen können. Läßt sich die Bewirkung abzugsschädlicher Umsätze durch den Mieter räumlich auf bestimmte Teile des Mietobjektes oder zeitlich auf einen bestimmten Zeitraum des Mietverhältnisses begrenzen, so treten die Rechtsfolgen der optionsschädlichen Nutzungsänderung allerdings nur in bezug auf diesen abgrenzbaren Teil des Verrnietungsumsatzes ein. Dennoch können auch in diesem Fall die wirtschaftlichen Auswirkungen beachtlich sein.
54
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
Bemerkenswert ist dabei vor allem die Tatsache, daß der Mieter diese den Vermieter treffenden Rechtsfolgen herbeiführen kann, ohne daß der Vermieter eine wirksame Möglichkeit zur Verhinderung der Rechtsfolgen der Nutzungsänderung hat. Denn da die Optionsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz I UStG n.F. allein an die Art der tatsächlichen 135 Nutzung der Mietsache anknüpfen, treten die aus einer optionsschädlichen Nutzungsänderung resultierenden Rechtsfolgen notwendigerweise unabhängig davon ein, ob der Mieter mit der optionsschädlichen Nutzungsänderung zivilrechtlich möglicherweise eine Vertragsverletzung begeht. Ebenso unerheblich ist für den Eintritt der Rechtsfolgen, ob und wann der Vermieter von der options schädlichen Nutzungsänderung Kenntnis erlangt oder ob der Vermieter bei Kenntnis von der Nutzungsänderung das Mietverhältnis willentlich über den Zeitpunkt der Nutzungsänderung hinaus aufrechterhält oder ob er es - z. B. mangels Kündigungsrechts - ungewollt aufrechterhalten muß.
a) Künftige Umsatzsteuerfreiheit der Vermietung
Der Fortfall der Optionsvoraussetzungen führt zunächst dazu, daß der betroffene Vermieter den Mietumsatz nicht mehr als umsatzsteuerpflichtig behandeln darf. Er muß also für die Einnahmen aus der Vermietung keine Umsatzsteuer mehr abführen. Man wird jedoch nicht zulassen können, daß dem Vermieter als Folge der nachträglich eintretenden Umsatzsteuerfreiheit des Vermietungsumsatzes ein wirtschaftlicher Vorteil dadurch entsteht, daß er vom Mieter weiterhin den vor der Nutzungsänderung vereinbarten Bruttornietzins verlangen kann. Diese mögliche Folge der optionsschädlichen Nutzungsänderung wird man im Wege ergänzender Vertragsauslegung 136 vermeiden müssen. Der Mieter ist nach der optionsschädlichen Nutzungsänderung daher lediglich zur Entrichtung des vereinbarten Nettornietzinses verpflichtet. Die künftige Umsatzsteuerfreiheit des Vermietungsumsatzes als solche wird daher für den betroffenen Vermieter weder wirtschaftliche Vor- noch Nachteile verursachen.
b) Wegfall der Vorsteuerabzugsberechtigung für die Zukunft
Der Vermieter verliert jedoch auf Grund der eintretenden Umsatzsteuerfreiheit des Vermietungsumsatzes ab dem Zeitpunkt der optionsschädlichen Nutzungsänderung zwingend gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG für die Zukunft das Recht, den Vor-
135 136
s. oben, Teil A.l.l.b )aa), S. 31 ff. Genauer dazu unten, Teil A.III.3.a)aa)(l), S. 68.
11. Optionsschädliche Nutzungsänderung
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steuerabzug für sämtliche zur Ausführung des Mietumsatzes nötigen Vorumsätze geltend zu machen. Auf Grund ihrer Unvermeidbarkeit wirkt diese steuerrechtliche Rechtsfolge zugleich zwingend auf das zivilrechtliche Verhältnis zwischen den Mietparteien zurück. Denn infolge des Wegfalls der Vorsteuerabzugsberechtigung des Vermieters für die Zukunft wird die ursprünglich unter der Voraussetzung des Bestehens des Vorsteuerabzugsrechts durch den Vermieter vorgenommene Kalkulation des (Netto-)Mietzinses hinfällig. Um rentabel zu vermieten, müßte der Vermieter nunmehr die künftig nicht mehr abziehbaren Vorsteuerbeträge auf Vorumsätze zusätzlich in die Kalkulation einbeziehen. Wenn der Vermieter vom Mieter in Zukunft also keinen angepaßten Mietzins verlangen kann, der die durch den Fortfall der Vorsteuerabzugsberechtigung für die Zeit der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses nach der Nutzungsänderung zu erwartenden wirtschaftlichen Einbußen des Vermieters ausgleicht, verschiebt sich das vertragliche ÄqUivalenzverhältnis zu dessen Ungunsteno Dieses Problem erscheint jedoch zivilrechtlich bislang ungeklärt. 137
c) Vorsteuerberichtigung nach § I5a UStG
Der Fortfall der Vorsteuerabzugsberechtigung infolge der optionsschädlichen Nutzungsänderung hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf das künftige vertragliche Äquivalenzverhältnis zwischen den Mietparteien. Tritt eine optionsschädliche Nutzungsänderung nämlich zugleich innerhalb des Berichtigungszeitraumes von 10 Jahren nach der erstmaligen Verwendung des Grundstücks zum Zwecke der Vermietung 138 gemäß § 15a Abs. I Satz 2 UStG ein, so ist der Vermieter gemäß § I5a Abs. 1, 3 UStG zur Vorsteuerberichtigung verpflichtet. Der Vermieter muß danach sämtliche bis zum Zeitpunkt der optionsschädlichen Nutzungsänderung bereits abgezogenen Vorsteuerbeträge für ursprüngliche oder nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten zeitanteilig berichtigen. Denn der durch die optionsschädliche Nutzungsänderung des Mieters bewirkte Wechsel in der Art der Verwendung des Grundstücks durch den Vermieter von der ursprünglichen Verwendung zur Ausführung steuerpflichtiger Vermietungsumsätze hin zur Verwendung für die Ausführung steuerfreier Vermietungsumsätze stellt eine "Änderung der Verhältnisse" im Sinne des § 15a Abs. I Satz 1 UStG dar. 139
Genauer dazu unten, Teil A.III., S. 58 ff., insb. A.III.3.a), S. 66 ff. Zum Zeitpunkt des Beginns des Berichtigungszeitraumes S.: Cissee, in: Bunjes/Geist, UStG, § 15a Anm. 11.3., Rnr. 7; Birkenfeld. Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. 11, Abschn. V., 5. Kap., § 201 1., Rz. 855 f.; Wagner, in: SöIch/Ringleb, UStG, § 15a Rnr. 50 f.; Wenzel, in: Rau/Dürrwächter/F1ick/Geist, UStG, § 15a Anm. 51. 139 So explizit Birkenfeld. Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. 11, Abschn. V., 5. Kap., § 198, Rz. 817 a.E. mit Beispiel; Nieskens, BB 1994, 256, 261; V. Schmidt, UR 1995, 212, 214; Sontheimer, NJW 1997,693,697. 137
138
56
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
Der Vermieter ist demnach verpflichtet, für jedes Kalenderjahr, in welchem der Mietvertrag unter den veränderten Bedingungen aufrechterhalten wird, ein Zehntel (§ 15a Abs. 2 Satz I UStG) der abgezogenen Vorsteuerbeträge auf ursprüngliche (§ 15a Abs. I Satz 1 UStG) oder nachträgliche (§ 15a Abs. 3 UStG) Anschaffungsoder Herstellungskosten zu erstatten. Dies können, da es für betroffene Vermieter hier grundsätzlich um Vorsteuerbeträge aus sämtlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten für Grundstücke oder Gebäude geht, ganz beachtliche Beträge sein, durch deren Berichtigung das Finanzierungskonzept des Vermieters erheblich gefährdet werden kann. Zwar ist zu bedenken, daß Anschaffungskosten für Grundstücke und Gebäude wegen § 4 Nr. 9 lit. a UStG nicht mit Vorsteuern belastet sind, sofern nicht der Verkäufer von seinem nach § 9 UStG bestehenden Optionsrecht Gebrauch macht. In der Praxis dürfte daher ein Berichtigungsbedarf oftmals lediglich für Vorsteuern aus den Herstellungskosten von Gebäuden entstehen. Gleichwohl kann bereits die dadurch entstehende Belastung des Vermieters dessen Finanzplan ruinieren. Das folgende, von Wolfram Birkenfeld l40 mitgeteilte - hier in zeitlicher Hinsicht etwas konkretisierte - Beispiel mag die wirtschaftliche Bedeutung einer Vors teuerberichtigung verdeutlichen: "Der Unternehmer hat eine Etage (mit 4 Räumen zu je 50 qm) in seinem 1997 errichteten Bürogebäude erstmals ab dem 1. Januar 1998 steuerpflichtig an einen Handelsvertreter vermietet und darauf entfallende Vorsteuerbeträge von 120000 DM abgezogen. Seit dem 1. Januar 1999 nutzt der Mieter zwei der vermieteten vier Räume (mit insgesamt 100 qm =50 vH) für steuerfreie Umsätze als Bausparkassenvertreter (§ 4 Nr. 11 UStG)."
Die teilweise optionsschädliche Nutzungsänderung des Handelsvertreters im Jahre 1999 läßt hier die Optionsberechtigung des Vermieters für das Jahr 1999 zur Hälfte entfallen. Demzufolge muß der Vermieter gemäß § 15a Abs. I bis 3 UStG im Jahre 1999 ein Zehntel der auf die betreffenden optionsschädlich genutzten Räume entfallenden Vorsteuerbeträge auf die ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten berichtigen. Er hat also 1/ 10 der auf die entsprechenden Räume abgezogenen Vorsteuern in Höhe von 60.000 DM (= 1/2 von 120.000 DM), also 6.000 DM an die Finanzverwaltung zurückzuzahlen. Wird das Mietverhältnis bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraumes des § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG, also bis zum 31. Dezember 2007 141 , in gleicher Weise fortgesetzt, so muß der Vermieter eine Vorsteuerberichtigung in dieser Höhe ebenso in jedem 142 Folgejahr vornehBirkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. H, Abschn. v., 5. Kap., § 198, Rz. 817 a.E. Begänne der Berichtigungszeitraum zu einem späteren Zeitpunkt des Jahres 1998, so wäre für die Berechnung des Endes des Berichtigungszeitraumes - in diesem Fall im Kalenderjahr 2008 - § 45 UStDV zu beachten. Zu beachten ist außerdem, daß hinsichtlich nachträglicher Anschaffungs- oder Herstellungskosten jeweils ein eigener Berichtigungszeitraum zu laufen beginnt: Wenzel, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 15a Anm. 55; Cissee, in: Bunjes/Geist, UStG, § 15a Anm. II.8., Rnr. 17. 142 Im Fall der Fn. 141 wäre dagegen ausnahmsweise für das Kalenderjahr 2008 lediglich eine zeitanteilige Berichtigung vorzunehmen, da das Ende des Berichtigungszeitraumes auf 140
141
II. Optionsschädliche Nutzungsänderung
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men. Der Berichtigungsbetrag würde sich darüber hinaus entsprechend erhöhen, wenn der Handelsvertreter innerhalb des Berichtigungszeitraumes gegebenenfalls weitere Räume für seine Tätigkeit als Bausparkassenvertreter nutzt. Der Vermieter kann der drohenden Vorsteuerberichtigung und damit dem Scheitern seines Finanzierungsplanes nur entgehen, wenn es ihm gelingt, entweder den Mieter zu erneuter optionsfreundlicher Nutzung der Mieträume zu veranlassen oder sich schnellstmöglich von dem Mietvertrag zu lösen und die Räume erneut steuerpflichtig zu vermieten. Denn § I5a UStG ist für künftige Zeiträume nicht mehr anzuwenden, wenn das Grundstück innerhalb des Berichtigungszeitraumes wiederum steuerpflichtig vermietet wird. 143 Das Beispiel macht deutlich, welche gravierenden wirtschaftlichen Gefahren eine optionsschädliche Nutzungsänderung für den betroffenen Vermieter birgt. Bedenkt man zugleich, daß einer optionsschädlichen Nutzungsänderung durch den Vermieter nicht wirksam vorgebeugt werden kann und sie z.T. auch durch den Vermieter (und die Finanzverwaltung) unbemerkt geschieht, so daß bei Bemerken der Änderung bereits ein erheblicher Berichtigungsbedarf entstanden sein kann 144, wird offenkundig, daß diese Rechtsfolge durch die Vermieter zu fürchten ist. In der Literatur l45 wird daher auch vor allem die Rechtsfolge des § I5a UStG beim Wegfall der Optionsvoraussetzungen nach einer Nutzungsänderung des Mieters als unzumutbar angesehen und dient als Anlaß für verschiedene Vorschläge zu mietvertraglichen Gestaltungen l46 , die dieses Risiko des Vermieters abwenden sollen. Auch hier stellt sich somit die Frage, ob die wirtschaftlichen Nachteile der steuerlichen Rechtsfolge, die zunächst allein den Vermieter treffen, zivilrechtlich ausgeglichen werden können. 147
3. Ergebnis
Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG hat insbesondere die Voraussetzungen für den Verzicht der Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 lit. a UStG erheblich verschärft. Erstmals wird die Option zur Regelbesteuerung nun auch Vermietern einen bestinunten Zeitpunkt des Jahres 2008 fiele. Vg!. dazu Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. II, Abschn. v., 5. Kap., § 201 I.b), Rz. 855 f.; Wenzel, in: Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, UStG, § ISa Anm. 53 f.; Widmann, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § ISa Rnr.58. 143 Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § ISa Rnr. 27 (Beispiel 2). S. auch Abschn. 215 VII Nr. llit. a UStR 2000, BStB!. 1999 I, Sondemununer 2/ 1999 v. 21. 12. 1999, S. 185. 144 Dazu auch Rischke, DStR 1994, 1073, 1075 f. 145 Nieskens, BB 1994,256,261; V. Schmidt, UR 1995, 212, 214; Sontheimer, NJW 1997, 693,697; Rischke, DStR 1994, 1073, 1075 f. 146 Dazu genauer unten, Teil F.II.2., S. 379 ff. 147 Dazu genauer unten, Teil A.IIl., S. 58 ff.
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Priifungsziels
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verwehrt, die an bestimmte unternehmerisch tätige Mieter vermieten. 148 Als Kriterium zur Unterscheidung optionsfähiger und optionsuntauglicher Vermietungsumsätze dient dabei die Vorsteuerabzugsberechtigung der Mieter, mithin die Art der tatsächlichen unternehmerischen Tätigkeit der Mieter. Damit schafft das Gesetz eine eigentümliche Abhängigkeit der Steuerpflichtigkeit des Vermietungsumsatzes des optionswilligen Vermieters von einem tatsächlichen Verhalten des Mieters. Diese Abhängigkeit erscheint um so befremdlicher, als es dem Vermieter unmöglich ist, das tatsächliche Verhalten des Mieters, das für seine - des Vermieters - Steuerpflicht den Ausschlag gibt, wirksam zu beeinflussen. In der Konsequenz bedeutet dies, daß das eigentlich als Wahlrecht des Vermieters gestaltete Optionsrecht des § 9 UStG diesen Charakter fast vollständig verliert. Denn schon geringste Änderungen in der Sphäre des Mieters können, wie gezeigt l49 , den Effekt des Fortfalls der Optionsvoraussetzungen herbeiführen. § 9 UStG birgt daher neben vielfältigen wirtschaftlichen Vorteilen der Option auch erhebliche wirtschaftliche Gefahren für den optierenden Vermieter. Insbesondere die Möglichkeit einer optionsschädlichen Nutzungsänderung durch den unternehmerisch tätigen Mieter sollte jeden Vermieter veranlassen, die bestehenden Vorteile 15o einer Optionsausübung sorgfältig gegenüber den nach einer solchen Nutzungsänderung drohenden wirtschaftlichen Nachteilen 151 abzuwägen. Es erscheint fraglich, ob die möglichen Vorteile einer Option diese Gefahren noch generell überwiegen, so daß die ursprüngliche Attraktivität des Optionsrechts heute nur noch bedingt zu erkennen ist.
111. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung Die auf Grund der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG für Vermieter nunmehr mit der Ausübung des Optionsrechts verbundenen enormen finanziellen Risiken 152 können nicht ohne Rückwirkung auf das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern unternehmerisch genutzter Grundstücke bleiben. So werden denn auch in Ratgebern für die Praxis der Gewerberaummiete 153 sowie in der umsatzsteuerrechtlichen Literatur 154 den Vermietern von Unternehmensgrundstücken, die unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 s. oben, Teil A.I.1.b )aa)(2), S. 31 ff. Optionsschädliche Nutzungsänderung, s. oben, Teil A.II., S. 51 ff. 150 s. oben, Teil A.I.2.b), S. 46 ff., insb. S. 49 f. 151 s. oben, Teil A.II.2., S. 53 ff. 152 s. oben, Teil A.II.2.b) und c), S. 54 ff. 153 Freywald, Rnr. 257, S. 108; Sontheimer, NJW 1997, 693, 697; ders., JuS 1999, 1I80, 1I81. Zum Immobilienleasing auch Lehr/Bengsch, Leasing- und Finanzberater (Beilage zu BB Heft 19/1998),18,21. 154 Birken/eid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 11., 3. Kap., § III 5.h), Rz. 694 ff.; Gast, DB 1994, 1208, 1210 f.; Rischke, DStR 1994,1073,1075. 148
149
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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UStG n.F. auf die Steuerfreiheit des Vermietungsumsatzes verzichten wollen, zahlreiche Vorschläge für vertragliche Klauseln unterbreitet, mit denen die wirtschaftlichen Risiken der Optionsausübung minimiert werden sollen. Anlaß dieser Untersuchung war jedoch die Frage, ob denjenigen von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vermietern, die sich nicht durch eine geeignete vertragliche Klausel vor den Folgen der Nutzungsänderung schützen konnten, dennoch zivilrechtliche Ansprüche gegen ihre Mieter zustehen. Denn erst bei der Prüfung dieser Frage offenbart sich die wirkliche Dimension der rechtlichen Probleme, die durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG verursacht wurden, da festzustellen ist, daß der Versuch eines Ausgleichs zwischen den Mietparteien mit allgemeinen Mitteln des Zivilrechts ohne die Möglichkeit des Rückgriffs auf spezielle Vertragsklauseln scheitern muß, wenn die dem Vermieter drohenden Vermögensnachteile lediglich Folgen der Verfassungswidrigkeit der Norm des § 9 Abs. 2 UStG n.F. sind. Daher soll im folgenden unterstellt werden, daß die Mietverträge der von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters betroffenen Mietverhältnisse, abgesehen von Regelung über die Höhe des Mietzinses und gegebenenfalls von der Regelung einer Optionspflicht des Vermieters, keine Klauseln mit umsatzsteuerrechtlichem Bezug enthalten, insbesondere also keine Bestimmungen über den Ausgleich der Rechtsfolgen einer options schädlichen Nutzungsänderung treffen. 155
1. Diskussionsstand in Rechtsprechung und Literatur
a) Die Rechtsprechung hatte im Rahmen der um § 9 UStG entstehenden zivilrechtlichen Probleme bisher keinen Anlaß, sich konkret mit der aufgeworfenen Frage zu befassen, ob die von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vermieter von ihren Mietern auch dann einen Ausgleich für die steuerlich bedingten finanziellen Nachteile verlangen können, wenn der Mietvertrag keine entsprechenden Regelungen enthält. Die im Zusammenhang mit § 9 UStG entschiedenen Fälle betreffen neben Fragen der Behandlung der Umsatzsteuer als Preisbestandteil allgemein durchweg lediglich das Problem der Anpassung des Mietzinses nach bestimmten Ausübungen des Optionsrechts durch den Vermieter sowie das Verhältnis zwischen der steuerrechtlichen Wirksamkeit der Option und einer (zivil-)vertraglichen Verpflichtung zur Ausübung des Optionsrechts in einer bestimmten Weise. Im einzelnen sind als Gegenstand bisheriger Rechtsprechung zu nennen: Die - bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses - nachträgliche Option des Vermieters, die Ausübung
155 Zu empfehlenswerten Vertragsldauseln im Hinblick auf die Risikovorsorge s. aber unten, Teil EII.2., S. 379 ff.
60
A. Problem darstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
eines vertraglich gebundenen Optionsrechts sowie die Rücknahme und der Widerruf der Option durch den Vermieter. So wird in ständiger Rechtsprechung 156 allgemein davon ausgegangen, daß unabhängig von der Umsatzsteuerpflicht bestimmter Umsätze der zivilrechtlich vereinbarte Preis selbst gegenüber einem vorsteuerabzugsberechtigten Empfänger stets als Brutto-Preis inklusive der Umsatzsteuer zu verstehen iSt. 157 Folgerichtig wird Vermietern im Falle einer - bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages - nachträglichen 158 Option ebenso wie Unternehmern generell in Fällen nachträglich festgestellter, zwischen den Vertragsparteien zunächst streitiger 159 Umsatzsteuerpflicht auch kein Recht zur Erhöhung des vereinbarten Entgeltes um den Umsatzsteuerbetrag zugesprochen. Hingegen läßt die Rechtsprechung in den mit der nachträglichen Ausübung einer Umsatzsteueroption nicht vergleichbaren Fällen eines beiderseitigen Irrtums der Vertragsparteien über die Umsatzsteuerpflicht oder -freiheit eine Vertragsanpassung zu. 160 Ebenso konsequent wurde eine gegenüber einem nicht vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mieter verwendete formularmäßige MietvertragsklauseI als unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 AGBG angesehen, in der sich der Vermieter das Recht vorbehielt, im Falle einer nachträglichen Option den Mietzins um den Umsatzsteuerbetrag zu erhöhen. 161 Der letztgenannte Fall ist indes mit der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG bedeutungslos geworden, da eine Option nach heutiger Rechtslage nicht mehr zulässig ist, wenn die Mietsache abzugsschädlich verwendet wird.
156 BGH v. 04. 04. 1973 - VII ZR 191/72 -, UR 1973,294,294 f. = WM 1973,677,678; BGH v. 14. 12. 1977 - VIII ZR 34/76 -, UR 1978, 111, 111 f.; BGH v. 24. 02. 1988 - VIII ZR 64/87 -, BGHZ 103, 284, 287 f. = UR 1988,183,184; OLG Naumburg v. 09. 11. 1999 - 1 U 102/98 -,ZMR 2000,291,292 (Mietvertrag). 157 Vgl. auch § 1 Satz 1 der Verordnung zur Regelung der Preisangaben (PAngV) vorn 14.03. 1985, BGBL 1985 I, 580, in der Fassung der Neubekanntmachung vorn 28. 07. 2000, BGBL 2000 I, 1244, 1245, der allerdings eine nur zugunsten der Letztverbraucher zwingende Regelung ist. 158 OLG Stuttgart v. 18.07. 1973 - 13 U 48/73 -, UR 1974,5,5 f. = NJW 1973,2066, 2066 f. 159 BGH v. 24. 02. 1988, a. a. O. (Fn. 156), BGHZ 103,284,287 f. =UR 1988, 183, 184 (Viehkaufvon Domänenverwaltung); BGH v. 14. 12. 1977, a. a. O. (Fn. 156), UR 1978,111, 111 f. (Erwerb eines Bimsausbeuterechts) m. Anm. Weiß, UR 1978, 112 f. 160 BGH v. 14.01. 2000 - V ZR 416/97 -, UR 2000,247,248 = NJW-RR 2000, 1652, 1653 (Kauf von Bergwerkseigentum - ergänzende Vertragsauslegung); OLG Nümberg v. 27.06. 1995 - 1 U 1318/95 -, NJW 1996, 1479, 1479 f. (Verwalter-Vergütung durch USStreitkräfte - Wegfall der Geschäftsgrundlage); OLG Düsseldorf v. 18. 11. 1994 - 22 U 71/ 94 -, NJW-RR 1995, 1520, 1530 (unzutreffende Annahme einer Ausfuhrlieferung - ergänzende Vertragsauslegung); OLG Düsseldorf v. 05. 10. 1989 - 8 U 4/89 -, DB 1990, 39, 39 f. (Wegfall der Geschäftsgrundlage); KG v. 26. 03. 1982 - 6 U 5520/81 -, BB 1982, 944, 945 (Verkauf einer Rechtsanwaltspraxis - Wegfall der Geschäftsgrundlage). 161 AG Ebersberg v. 24. 09. 1991 - 3 C 477/91 -, NJW-RR 1993,841,841 f.
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
61
Des weiteren hält die Rechtsprechung l62 eine vertragliche Verpflichtung des Vennieters, sein steuerliches Optionsrecht gemäß § 9 Abs. 2 UStG in einer bestimmten Weise auszuüben, für zulässig. Verletzt der Vennieter eine bestehende vertragliche Bindung, kann er sich demnach schadensersatzpflichtig machen. 163 Auf die steuerrechtliche Wirksamkeit der Option hat diese zivilrechtliche Pflichtverletzung jedoch keinen Einfluß. I64 Denn die Verpflichtung des Vennieters zur Ausübung der Option in einer bestimmten Weise wirkt allein zivilrechtlich, eine steuerliche Wirkung tritt erst ein, wenn der Vermieter den Mietumsatz als umsatzsteuerpflichtig behandelt. Schließlich wurde höchstrichterlich auch entschieden, daß Rücknahme l65 und Widerruf166 einer friiheren Option durch den Vennieter steuerlich stets, also auch im Falle der vertraglich gebundenen Optionsausübung, unabhängig von der Zustimmung des Mieters wirksam sind. 167 Die Rücknahme der Option soll steuerlich auch dann nicht mißbräuchlich sein, wenn der Leistungsempfänger zahlungsunfähig ist und die Rücknahme daher in Kenntnis der Tatsache geschieht, daß der Leistungsempfanger bereits abgezogene Vorsteuerbeträge nicht wird zuriickzahlen können. 168 Zivilrechtliche Folgen der Rücknahme oder des Widerrufs sind hingegen denkbar, wenn dadurch eine Vertragsverletzung begangen wird. 169 Eine solche 162 BGH v. 30.01. 1991 - VIII ZR 361/89 -, UR 1991,223,224 = NJW-RR 1991,647, 648; BFH v. 25. 02.1993 - VR 78/88 -, BFHE 171, 369, 372 f. = BStBl. 199311,777,779. 163 Birken/eid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 11., 3. Kap., § 1096., Rz. 602. 164 BFH v. 25. 02. 1993, a. a. O. (Fn. 162), BFHE 171,369,372 f. =BStBl. 1993 II, 777, 779; BFH v. 31. 01. 1980 - V R 60174 -, BFHE 130, 85, 88 = BStBl. 198011,369,371 = UR 1980, 139, 139. 165 Unter Rücknahme der Option wird eine Änderung des Verzichts auf die Steuerbefreiung verstanden, durch die betreffende Umsätze rückwirkend wiederum als steuerfrei zu behandeln sind, vgl. Birken/eid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. II., 3. Kap., § 1107., Rz. 650, 651; Kienk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 9 Rnr. 40 ff. Die Terminologie ist jedoch - wohl mangels gesetzlicher Regelung - nicht einheitlich; oft werden auch Fälle rückwirkender Änderung der Option als "Widerruf' bezeichnet (s. z. B.: Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 9 Anm. 13, Rnr. 24; Nieders. FG v. 27. 01. 2000 - 5 K 56/95 -, EFG 2000, 970, 970 f.). Die Rücknahme der Option erfordert zu ihrer steuerlichen Wirksamkeit allerdings die rückwirkende Rechnungsberichtigung: BFH v. 25.02. 1993, a. a. O. (Fn. 162), BFHE 171, 369 ff. =BStBl. 199311,777 ff.; Nieders. FG v. 27. 01. 2000 - 5 K 56/95 -, EFG 2000, 970, 970 f. (n. rkr.) - jedoch mißverständlich als "Widerruf' bezeichnet; Birken/eid, a. a. 0., Rz. 651; Kienk, a. a. O. Rnr.40. 166 Unter Widerruf der Option wird eine Änderung des Verzichts auf die Steuerbefreiung für die Zukunft verstanden, vgl. Birken/eid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. II., 3. Kap., § 1107., Rz. 650. 167 BFH v. 25. 02.1993, a. a. O. (Fn. 162), BFHE 171, 369, 372 f. = BStBl. 199311,777, 779 (Rücknahme); BFH v. 11. 08.1994 - XI R 57/93 -, BFH/NV 1995, 170 (re. Sp.) =UR 1995,273,274 (Bezeichnung als "Widerruf', sachlich jedoch die Rücknahme betreffend). 168 BFH v. 11. 08.1994, a. a. O. (Fn. 167), BFH/NV 1995, 170, 170 f., der jedoch terminologisch unzutreffend von "Widerruf' spricht. 169 BFH v. 25. 02. 1993, a. a. O. (Fn. 162), BFHE 171, 369, 372 f. =BStBl. 199311,777, 779.
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
hat das OLG Hamm 170 indes in einem Fall vertraglich vereinbarter Optionsverpflichtung des Vermieters abgelehnt, in dem sich der Mieter selbst vertragswidrig verhielt und an den Vermieter keine Umsatzsteuer auf den Mietzins zahlte. Höchstrichterlich noch nicht entschieden ist allerdings in diesem Zusammenhang, ob der Mieter nach einem steuerlich wirksamen Widerruf oder einer steuerlich wirksamen Rücknahme der Option die künftige Zahlung eines in der mietvertraglichen Vereinbarung besonders ausgewiesenen Umsatzsteueranteils auf den (Netto-)Mietzins verweigern darf. I7I Es ist jedoch zu vermuten, daß dem Mieter nach dem Widerruf bzw. der Rücknahme dieses Recht im Wege ergänzender Vertragsauslegung l72 zugebilligt würde. Denn das Mietverhältnis ist vor dem Widerruf bzw. der Rücknahme der umsatz steuerlichen Option durch den Vermieter entscheidend vom Bestehen der Option geprägt. Dies dürfte insbesondere daran deutlich werden, daß die Parteien ausdriicklich einen bestimmten Netto-Mietzins zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart haben. Entfällt die Option durch den Widerruf oder durch die Rücknahme, entspricht es daher dem hypothetischen Partei willen der Mietvertragsparteien, daß der Mieter nur noch den vereinbarten Netto-Mietzins zu zahlen habe. Anders hat dagegen jüngst das OLG Naumburg 173 einen Fall der Rücknahme der Option entschieden, in dem keine Optionspflicht des Vermieters bestand und in dem die Höhe des Mietzinses in der mietvertraglichen Parteivereinbarung nur mit dem Bruttobetrag ohne besondere Aufgliederung des Umsatzsteueranteils ausgewiesen worden war. Dies verdient Zustimmung, denn in der Tat haben die Parteien in jenem Fall der Option des Vermieters keine erkennbare Bedeutung für die Mietzinskalkulation zugemessen. Wie eingangs bereits erwähnt, handelt es sich somit bei den im Zusammenhang mit § 9 UStG entschiedenen Fällen ausschließlich um solche, in denen die Ursache für den Streit ein bestimmtes Verhalten des Vermieters im Hinblick auf die Ausübung seines Optionsrechts nach § 9 Abs. 2 UStG war. Keine Entscheidung befaßte sich bisher jedoch mit dem für diese Untersuchung relevanten umgekehrten Fall, daß ein Verhalten des Mieters steuerlich relevante Auswirkungen auf die vom Vermieter ausgeübte Option hat und so die Rahmenbedingungen des Mietvertrages verändert. b) Auch in der Literatur sind bislang keine Überlegungen hinsichtlich eines mietvertragsunabhängigen zivilrechtlichen Ausgleichs der Nachteile des Vermieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung veröffentlicht worden. Es fällt auf, daß die eingangs genannten Autoren 174 lediglich Vorschläge für eine vorOLG Harnm v. 27. 05.1997 - 29 U 222/96 -, UR 1999, 34, 35. Diese Frage bejahend: Sternel. Mietrecht Teil II1, Rnr. 27 a.E., unter Verweis auf LG Hamburg v. 25. 03. 1981 - 16 T 100/80 - (nicht veröffentlicht); Wolf/Eckert (bis zur 5. Auf!. 1987; anders ab 6. Auf!. bis 8. Auf!.), Rnr. 142. l72 Vgl. zur ergänzenden Vertragsauslegung der Mietzinsklauseln auch unten, Teil A.III.3.a)aa), S. 66 ff. m OLG Naumburg v. 09.11. 1999 - I U 102/98 -, ZMR 2000, 291, 293. 170 171
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
63
ausschauende vertragliche Gestaltung unterbreiten, sich jedoch nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob eine optionsschädliche Nutzungsänderung durch den Mieter auch ohne spezielle mietvertragliche Regelungen zu Ersatzansprüchen des Vermieters führen kann. Somit muß man folgern, daß davon ausgegangen wird, der Vermieter habe ohne vertragliche Regelung keine derartigen Ersatz- oder Ausgleichsansprüche gegen den unternehmerisch tätigen Mieter. 175 Die Suche nach einer nicht explizit vertraglichen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage für den Ersatz bzw. Ausgleich der fremdbestimrnten Steuererhöhungen, die Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung treffen können, erscheint daher um so dringlicher.
2. Gesetzliche Ansprüche des Vermieters
In Anbetracht der vor allem wegen der Pflicht zur Berichtigung bereits abgezogener Vorsteuerbeträge gemäß § I5a UStG drohenden erheblichen Folgen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung erscheint es verwunderlich, daß das Zivilrecht keine gesetzlichen Ausgleichsmechanismen zur Verfügung stellen soll. Den oben genannten Autoren 176 ist sicher darin beizupflichten, daß eine vertragliche Regelung der Mietzinsanpassungs- und Ersatzansprüche des Vermieters sinnvoll iSt. I77 Die Behauptung jedoch, ohne vertragliche Regelung gebe es überhaupt keinen entsprechenden Anspruch des Vermieters, fordert Zweifel geradezu heraus. Untersucht man jedoch die Anwendbarkeit gesetzlich normierter Anspruchsgrundlagen, so muß man folgendes feststellen: Mietrechtliche Unterlassungsansprüche bzw. Gestaltungsrechte, etwa gemäß §§ 550 oder 553 BGB, können erst eingreifen, wenn der Mieter die optionsschädliche Nutzungsänderung bereits vollzogen hat, die faktischen Auswirkungen im Vermögen des Vermieters also bereits eingetreten sind. Darüber hinaus setzen diese Rechte einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache voraus, was bei einer bloßen Änderung der Art der unternehmerischen Tätigkeit des Mieters nicht der Fall ist, wenn man voraussetzt, daß der Mietvertrag keine spezielle Verwendungsregelung 178 enthält, sondern die Art der in den Mieträumen gestatteten Tätigkeit lediglich allgemein als "unternehmerisch" umschreibt. Ansprüche des Vermieters aus Geschäftsführung ohne Auftrag insbesondere zum Ausgleich der nach § I5a UStG vom Vermieter zu berichtigenden Vorsteuern scheitern daran, daß ausschließlich der Vermieter Steuerschuldner der Umsatzsteu-
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s. oben, Teil A.III., S. 58, Fn. 153 und 154. So deutlich: Sontheimer, NJW 1997,693,697 (re.o. "nur"). s. oben, Teil A.III., S. 58, Fn. 153 und Fn. 154. s. auch unten, Teil F.II.2., S. 379 ff. Zu speziellen VerwendungsregeIn s. unten, Teil F.II.2.a), S. 380.
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
er ist, er also selbst mit einer durch das Verhalten des Mieters ausgelösten Steuerzahlung kein Geschäft des Mieters besorgt. Da der Mieter trotz der beim Vermieter auf Grund steuerlicher Vorschriften eintretenden Zahlungs verpflichtungen keinen Vermögensvorteil erlangt, also nicht unmittelbar bereichert wird, entfallen ebenso Anspriiche des Vermieters aus Bereicherungsrecht. Selbst wenn man, was naheliegend erscheint, alle beim Vermieter eintretenden Vermögensnachteile als einen im Rahmen der §§ 249 ff., 252 BGB ersatzfähigen Vermögensschaden ansieht, scheitern deliktische Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter indes daran, daß eine bloße Nutzungsänderung des Mieters grundsätzlich keine tatbestandsmäßige deliktische Handlung nach §§ 823 ff. BGB darstellt. Die optionsschädliche Nutzungsänderung kann lediglich dann eine Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. I BGB darstellen, wenn die Mietsache gleichzeitig beschädigt, zerstört oder dem Vermieter entzogen wird. In Ausnahmefallen kommt dariiber hinaus eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB in Betracht, wenn der Mieter die ihm bekannte steuerliche Situation bewußt zur Schädigung des Vermieters ausnutzt. Dies kann jedoch nur Einzelfälle betreffen und ist nicht verallgemeinerungsfähig für sämtliche Fälle options schädlicher Nutzungsänderungen. Schließlich hat der betroffene Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung auch keinen Ausgleichsanspruch gegen den Mieter aus § 29 Abs. 2 UStG. Zwar gewährt § 29 UStG einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch für einen Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 179 Die Norm ist jedoch nur anwendbar, wenn infolge einer Gesetzesänderung die Steuersätze für sämtliche oder für spezielle Umsätze, die Steuerpflichtigkeit oder die Steuerbarkeit bestimmter Umsätze verändert werden. Die options schädliche Nutzungsänderung ist daher kein Anwendungsfall des § 29 UStG, da die steuerlichen Folgen bei dem betroffenen Vermieter hier nicht durch einen legislativen Akt, sondern durch ein bestimmtes tatsächliches Verhalten seines Mieters entstehen. Somit bleibt festzuhalten, daß gesetzlich normierte Anspruchsgrundlagen tatsächlich keinen Ausgleich der steuerlichen Nachteile des Vermieters gewähren können. Mit dieser Feststellung sind jedoch die oben erwähnten Zweifel am Nichtbestehen zivilrechtlicher Anspriiche des Vennieters nicht ausgeräumt. Vielmehr drängt sich die Frage auf, ob eine ungeschriebene zivilrechtliche Anspruchsgrundlage, insbesondere ein allgemeines zivilrechtliches Prinzip oder Rechtsinstitut existiert, welches dennoch einen Ausgleich der Vermögensnachteile des Vennieters ermöglichen kann. 179 BOH v. 15.02.1973 - VII ZR 65171-, WM 1973,516,518; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. 11, Abschn. VIII., 2. Kap., § 242, Rz. 96 m.N.; Kaeser/Charisse, DB 1998, 164,164; Stobbe, DStZ 1993,144,146; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 115.
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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3. Ungeschriebene Anspruchsgrundlagen: Ergänzende Vertragsauslegung und Wegfall der Geschäftsgrundlage als Lösungsansätze
Ein zivilrechtlicher Ausgleich der infolge einer optionsschädlichen Nutzungsänderung bei einem betroffenen Vermieter entstehenden Vermögensnachteile erscheint schließlich nur noch im Wege ergänzender Vertragsauslegung oder durch Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erreichbar. Im Rahmen dieser zivilrechtlichen Rechtsinstitute könnte allerdings die Tatsache, daß der Mieter den steuerlich relevanten Sachverhalt allein beherrscht, Anlaß für spezifische Wertungen sein, die zur Begründung eines Anspruches des Vermieters führen. Dabei kann es jedoch nicht vorrangig um Schadensersatzansprüche des Vermieters gehen, sondern entsprechend dem Charakter dieser Rechtsinstitute vor allem um eine Anpassung des Netto-Mietzinses an die veränderte Kalkulationsgrundlage bzw. um die Begründung eines außerordentlichen Kündigungsrechts des Vermieters. Ergänzende Vertragsauslegung und Wegfall der Geschäftsgrundlage sind mitunter schwer voneinander abgrenzbar. Gemeinsame Voraussetzung beider Rechtsinstitute ist zunächst, daß die vertragliche Vereinbarung der Parteien für den Fall des Eintrittes eines bestimmten Risikos keine ausdrückliche Folge vorsieht, also hinsichtlich der Risikoverteilung unvollständig ist, und daß diese vertragliche Regelungslücke nicht durch Anwendung dispositiven Rechts geschlossen werden kann. Läßt sich das ungeregelte Risiko indes unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens 180 den ausdrücklich im Vertragstext geregelten Risiken zuordnen oder zumindest annähern, so kann die ergänzende Vertragsauslegung eine Lösung ermöglichen. Dies geschieht, indem man unterstellt, die Vertragsparteien hätten das betreffende ungeregelte Risiko, wenn sie es als rege1ungsbedürftig erkannt hätten, in ähnlicher Weise wie die vergleichbaren Risiken untereinander verteilt. Steht dagegen fest, daß kein vertraglicher Anhaltspunkt die Zuordnung des nicht geregelten Risikos in den Verantwortungs bereich einer Partei im Wege ergänzender Auslegung ermöglicht, und haben die Vertrags parteien dennoch den Eintritt oder Nichteintritt eines Umstandes zumindest stillschweigend als feststehende Rahmenbedingung ihres Vertrages angesehen, so greifen die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein. 181
180 Als hypothetischer Partei willen gilt der gemäß §§ 157, 242 BOB normativ zu ermittelnde Parteiwille, d. h. diejenige Regelung, welche die Parteien als redliche Vertragspartner bei einer angemessenen Abwägung gegenseitiger Interessen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte vereinbart hätten: st. Rspr., s. nur BOH v. 29. 04. 1982 - III ZR 154/80 -, BOHZ 84,1,7; BOH v. 01. 02.1984 - VIII ZR 54/83 -, BOHZ 90, 69, 77; BOH v. 14. 01. 2000 - V ZR 416/97 -, UR 2000, 247, 248 = NJW-RR 2000, 1652, 1653; Roth, in: Staudinger, BOB, § 157 Rnr. 30 ff. m.N.; Mayer-Maly, in: MüKo, BOB, § 157 Rnr. 39 ff. m.N.; Palandtl Heinrichs, § 157 Rnr. 7 m.N.; Larenz/Wolf, BOB AT, § 28 VIII. 3., Rnr. 120 ff.
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
In bezug auf die Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung sowie der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf die Fälle der optionsschädlichen Nutzungsänderung im Rahmen des § 9 Abs. 2 UStG gelten die nachfolgenden Überlegungen. a) Ergänzende Vertragsauslegung
Die ergänzende Vertragsauslegung bedarf eines Anknüpfungspunktes im jeweiligen Mietvertrag. 182 Um im Wege ergänzender Vertragsauslegung einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch eines von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vermieters zu begründen, müssen daher solche Klauseln eines Mietvertrages über Unternehmensgrundstücke herangezogen werden, die bestimmte umsatzsteuerliche Fragen im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter betreffen. Bedenkt man jedoch, daß in diesem Abschnitt der Untersuchung aber gerade vorausgesetzt 183 wird, daß der Mietvertrag grundsätzlich keine Vertragsklauseln mit umsatzsteuerrechtlichem Bezug enthält, lassen sich nur wenige für eine ergänzende Auslegung geeignete vertragliche Regelungen finden. Als Anhaltspunkte für eine ergänzende Vertragsauslegung kommen daher hier nur vertragliche Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses (s. aa) ) oder eine Optionspflicht (s. bb) ) des Vermieters in Betracht. aa) Mietzinsvereinbarungen Eine Preisvereinbarung ist Bestandteil jedes Mietvertrages. Abhängig davon, wie das Problem der Umsatzsteuer darin behandelt wird, könnten in der Preisvereinbarung bestimmte umsatz steuerliche Vorstellungen der Parteien zum Ausdruck kommen. In den im Rahmen dieser Untersuchung interessierenden Fällen der optionsschädlichen Nutzungsänderung 184 hatte der Vermieter bereits zur Umsatzbesteuerung optiert. Er hatte deshalb ein Interesse daran, die von ihm abzuführende Umsatzsteuer auf den Mieter abzuwälzen. Da jedoch nach ganz herrschender 185 An181 Zum Begriff und zu den Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage s. Palandt I Heinrichs, § 242 Rnr. 112 ff.; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 607 ff.; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 208 ff., 223 ff.; J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, § 242 Rnr. 942 ff.; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 III. Rnr. II ff., IV. Rnr. 31 ff. 182 Roth, in: Staudinger, BGB, § 157 Rnr. 30 m.N.; Palandtl Heinrichs, § 157 Rnr. 7; Mayer-Maly, in: MüKo, BGB, § 157 Rnr. 39. 183 Zu dieser Prämisse s. oben, Teil A.I1I., S. 58 f. 184 Vgl. oben, Teil A.ll.I., S. 51 ff. 185 Zur Rechtsprechung s. oben, Teil A.IIl.I.a), S. 60 Fn. 156; Palandtl Weidenkaff, § 535 Rnr. 32 a.E.; Stemel, Mietrecht Teil I, Rnr. 178 und Teil I1I, Rnr. 27 f.; Birken/eld, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. II., 3. Kap., § 109 6., Rz. 604; Giesberts, UR 1974, 37; Peusquens, NJW 1974,1644,1645; Stöcker, in: Peter/Burhoff I Stöcker, UStG, § 9 Rnr. 345 ff.
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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sicht die Umsatzsteuer ohne gegenteilige Absprache Bestandteil des zivilrechtlich vereinbarten Preises ist, gelingt dem Vermieter die Überwälzung nur, wenn der Mietvertrag eine Klausel enthält, welche den Mieter zur Zahlung eines Netto-Mietzinses zuzüglich Umsatzsteuer verpflichtet. Derartige Klauseln könnten etwa folgendermaßen lauten: "Der Mietzins beträgt ... DM zuzüglich Umsatzsteuer in der jeweiligen gesetzlichen Höhe."
Ist der Mietzins in Grundrniete und Nebenkosten geteilt, so wäre zusätzlich zu vereinbaren: "Der Mieter trägt die folgenden Nebenkosten in Höhe von ... DM zuzüglich Umsatzsteuer in der jeweiligen gesetzlichen Höhe". 186
Zusätzlich könnte im Sachzusarnmenhang mit der Regelung der Miethöhe in der Mietzinsvereinbarung die Verpflichtung des Vermieters geregelt sein, dem Mieter eine dem § 14 UStG entsprechende gesonderte Rechnung zu erteilen. Beabsichtigt der Vermieter, zu einem späteren Zeitpunkt auf die Steuerfreiheit des Vermietungsumsatzes zu verzichten, so wird der Mietvertrag folgende Preisabsprache enthalten: "Der Mietzins (Grundmiete und Nebenkosten) beträgt ... DM. Der Vermieter hat das Recht, den Mietzins um die Umsatzsteuer in der gesetzlichen Höhe auf die Grundmiete und die Nebenkosten zu erhöhen, wenn er zur Umsatzbesteuerung der Vermietungsumsätze optiert." 187
(1) Zu untersuchen ist zunächst, ob diese Klauseln geeignet sind, einen Anspruch des Vermieters auf Anpassung des Netto-Mietzinses an die wegen des Fortfalls der Vorsteuerabzugsberechtigung des Vermieters und gegebenenfalls wegen des Vorsteuerberichtigungsbedarfs nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung veränderte Kalkulationsgrundlage zu begründen. Die Parteien könnten mit einer dieser Preisvereinbarungen ein bestimmtes, von ihnen als ausgewogen angesehenes Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung definiert haben. Die Klauseln zeigen immerhin, daß die Parteien dem Vermieter einen bestimmten Ertrag aus der Vermietung nach Abzug der auf den Umsatz entfallenden Umsatzsteuer zugestehen. 188 Nach dem Fortfall 186 Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 26. 10. 1995 - 10 U 207/94 -, UR 1997,223,224: Ist der Mietzins in Grundmiete und Nebenkosten geteilt und wird vertraglich ausdrücklich nur die Zahlung von Umsatzsteuer auf die Grundmiete vereinbart, so ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung davon auszugehen, daß auch die Nebenkosten mit der Umsatzsteuer belastet sind. 187 Der Wirksamkeit dieser Vereinbarung steht - wie bereits geschildert (S. 60) - nicht die Rechtsprechung des AG Ebersberg v. 24. 09. 1991 (a. a. O. (Fn. 161), NJW-RR 1993, 841, 841 f.) entgegen, da nach derzeitiger Rechtslage die üptionsausübung nur gestattet ist, wenn der Mieter selbst ein vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist. Zur Wirksamkeit dieser Klausel s. auch Bub, in: Bub 1Treier, Teil 11, Rnr. 441; Stemel, Mietrecht Teil III, Rnr. 28. 188 Diesen Ansatz wählt auch das OLG Düsseldoif(allerdings im Rahmen der Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage) in einem Fall des gemeinsamen Irrtums der Vertragspartei-
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
des Optionsrechts infolge der options schädlichen Nutzungsänderung ist dieser Ertrag nicht mehr gesichert, da der Vermieter nun seine Vorsteuerbeträge in die Kalkulation einzubeziehen hat. 189 Jedoch mangelt es trotz der Aufnahme einer dieser Klauseln an einem erkennbar vertraglich fixierten gemeinsamen Willen als Vertragsinhalt, eine Störung der vertraglichen Äquivalenz in jedem Falle durch Anpassung des Mietzinses (automatisch) auszugleichen. Ist aber nicht deutlich erkennbar, daß die Äquivalenz der Leistungen nach dem Parteiwillen unter allen Umständen Vertragsinhalt sein soll, kann sie lediglich Geschäftsgrundlage sein. 190 Zwar wird man nach einer options schädlichen Nutzungsänderung ähnlich wie im Falle des Widerrufs 191 einer Option durch den Vermieter die Mietzinsvereinbarung im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahingehend korrigieren können, daß nunmehr der Mieter nicht mehr verpflichtet ist, den auf den Netto-Mietzins entfallenden Umsatzsteueranteil zu zahlen. Denn der in der Mietzinsvereinbarung zum Ausdruck kommende Regelungsplan der Parteien basierte ganz wesentlich auf der Annahme, die Option des Vermieters und damit die Umsatzsteuerpflicht des Vermietungsumsatzes bestehe fort. Ist dies nicht der Fall, so besteht nach dem hypothetischen Willen der Parteien kein Anlaß mehr dafür, daß der Mieter weiterhin zusätzlich Umsatzsteuer auf die Netto-Miete an den Vermieter zahlt. Eine Anpassung des Netto-Mietzinses zugunsten des Vermieters an die Steuerfreiheit des Vermietungsumsatzes und den daraus folgenden Verlust des Vorsteuerabzugsrechts sowie gegebenenfalls an den Vorsteuerberichtigungsbedarf des Vermieters allerdings erforderte einen Eingriff in die vertragliche Vereinbarung, der das Regelungskonzept der Parteien wesentlich modifiziert. Denn eine Neubestimmung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses durch erneute Kalkulation stellt keinen Akt der Lückenschließung, sondern eine das ursprüngliche Regelungskonzept abändernde Vertragsergänzung dar, die den Mieter einer über seine ursprüngliche Verpflichtung hinausgehenden Vertragsbindung unterwirft. Dies überschreitet jedoch die Grenzen zulässiger ergänzender Vertragsauslegung. l92 (2) Möglicherweise lassen sich indes die oben genannten Mietzinsklauseln dahingehend ergänzend auslegen, daß beiden Mietparteien eine vertragliche Nebenen über die Umsatzsteuerpflicht einer Beraterleistung, in dem ebenfalls ausdrücklich "Bezüge zuzüglich Mehrwertsteuer" vereinbart waren: OLG Düsseldorf v. 05. 10. 1989 - 8 U 4/89-, DB 1990,39. 189 s. oben, Teil A.II.2.b), S. 54 ff. 190 Ohnehin werden Äquivalenzstörungen generell lediglich als besondere Fallgruppe der Störung der Geschäftsgrundlage angesehen: Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 135 ff., Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 589, 608, 693, 738, 749 ff. 191 Dazu oben, Teil A.IIl.l.a), S. 62. 192 Zur Unzulässigkeit einer Änderung oder Erweiterung eines Vertrages durch ergänzende Vertragsauslegung: Roth, in: Staudinger, BGB, § 157 Rnr. 37 ff., insb. Rnr. 39 ff.; MayerMaly, in: MüKo, BGB, § 157 Rnr. 46 ff.; Palandtl Heinrichs, § 157 Rnr. 8; Larenz/Wolf, BGB AT, § 28 VIII.3.c)aa), Rnr. 115 ff.
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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pflicht obliegen solle, das Bestehenbleiben der umsatzsteuerlichen Option des Vermieters zu sichern. Die optionsschädliche Nutzungsänderung des Mieters würde dann eine Vertragsverletzung darstellen, die den Mieter zum Ersatz der dem Vermieter durch die Anwendung der §§ 15 Abs. 2 Nr. 1 und 15a UStG entstehenden Vermögensnachteile verpflichtete. Zunächst müßte man zu diesem Zweck unterstellen dürfen, daß beide Mietvertragsparteien alle wesentlichen Optionsvoraussetzungen kennen. Dies erscheint auch nicht abwegig. Der Vermieter als Angehöriger einer "wirtschaftlich aktiven Gruppe von Adressaten, denen der Umgang mit gesetzlichen Vorschriften nicht fremd ist,,193, kennt die Optionsvoraussetzungen schon deshalb, weil er sie gegenüber dem Finanzamt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 UStG nachweisen 194 muß. Der Mieter wiederum ist hier selbst Unternehmer, also grundsätzlich eine geschäftserfahrene Person. Da der Mieter als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer vom Vermieter nach der Option eine Rechnung i. S. d. § 14 UStG verlangen wird, sollte man ihm auch umsatzsteuerrechtliche Grundkenntnisse unterstellen dürfen. Es geht jedoch wohl zu weit, selbst die ganz auf die Rechtsfolgen nach Ausübung der Option durch den Vermieter ausgerichteten Mietzinsklauseln ohne weitere Anhaltspunkte 195 als Ausdruck eines auf der Kenntnis von den Optionsvoraussetzungen basierenden hypothetischen Willens der Vertragsparteien anzusehen, der dahin geht, eine vertragliche Verpflichtung beider Parteien zur Sicherung des Bestehens und des Bestehenbleibens der Optionsvoraussetzungen zu begründen. Denn dadurch würde der Umfang der vertraglichen Pflichten insbesondere des Mieters in unzulässiger Weise erweitert l96 , da die Mietzinsvereinbarungen keinen Anhaltspunkt für einen rechtlich verbindlichen Willen des Mieters dahingehend bieten, die einmal geschaffenen Voraussetzungen der Option in der eigenen Sphäre auch künftig erhalten zu wollen. Der Mieter nimmt mit der Zustimmung zu der entsprechenden Preisklausel die Optionsentscheidung des Vermieters vielmehr nur hin. Ein Ausgleichs- oder Anpassungsanspruch des Vermieters läßt sich also allein aus der Preisabrede des Mietvertrages nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung herleiten. bb) Optionspflichtvereinbarung Ausdruck umsatzsteuerlicher Vorstellungen der Mietparteien kann weiterhin insbesondere folgende Klausel sein: 193 KO v. 06. 07.1994 - 2 Ss 101/93 - 5 Ws (B) 214-215/93 -, OE 1995,991,992. Zur Nachweispflicht s. oben, Teil A.I.l.b)ee), S. 41 f. s. aber sogleich unten bb) für die Vereinbarung einer Optionspflicht. 196 Zur Unzulässigkeit der Erweiterung des Vertragsgegenstandes durch ergänzende Vertragsauslegung: Palandt/ Heinrichs, § 157 Rnr. 9; Mayer-Maly, in: MüKo, BOB, § 157 Rnr. 47; Roth, in: Staudinger, BOB, § 157 Rnr. 39 ff. 194 195
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels "Der Vermieter ist verpflichtet, gemäß § 9 UStG auf die Steuerbefreiung des Vermietungsumsatzes (§ 4 Nr. 12 lit. a UStG) zu verzichten und die Umsätze aus dem Mietverhältnis in seiner Umsatzsteuererklärung als steuerpflichtigen Umsatz zu behandeln.,,197
Eine derartige Verpflichtung des Vermieters ist sinnvollerweise mit einer der oben genannten Mietzinsvereinbarungen 198 sowie der Pflicht des Vermieters zu entsprechender Rechnungserteilung verbunden. Eine vertragliche Bindung des Vermieters bezüglich der Optionsausübung ist zivilrechtlich zUlässig l99 , steuerlich jedoch bedeutungslos2OO . Fraglich ist aber, ob aus dieser Verpflichtung im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch des Vermieters auf den Ausgleich der Folgen einer options schädlichen Nutzungsänderung gegen den Mieter hergeleitet werden kann. (1) Der Sicherung eines vertraglich definierten Äquivalenzverhältnisses dient die Optionsverpflichtung des Vermieters, isoliert betrachtet, nicht. Allerdings wird die Optionsverpflichtung regelmäßig mit einer der genannten Mietzinsvereinbarungen verbunden sein, so daß sie auf diese Weise einen bestimmenden Einfluß auf das vertraglich vorausgesetzte Gleichgewicht der Leistungen hat.
Dennoch bedeutet auch dies nicht, daß ein hypothetischer Wille der Vertragsparteien dahingehend existiert, den Netto-Mietzins stets automatisch an veränderte umsatzsteuerliche Bedingungen anzupassen. Insbesondere für eine automatische Anpassung des ursprünglich vereinbarten Netto-Mietzinses nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung an die wegen des Fortfalls der Vorsteuerabzugsberechtigung des Vermieters veränderte Kalkulationsgrundlage ergeben diese Klauseln keinen Anhaltspunkt. Denn einen Hinweis auf eine bestimmte Vorgehensweise bei der erforderlichen Neukalkulation des Mietzinses enthalten die Klauseln nicht, so daß die Neukalkulation ausschließlich der situationsabhängigen privatautonomen Regelung der Parteien vorbehalten bleiben muß. (2) Mit der Aufnahme einer Optionsverpflichtung in den Mietvertrag geben die Parteien jedoch zumindest deutlich zu erkennen, daß umsatzsteuerliche Erwägungen das Äquivalenzverhältnis ihres Vertrages mitbestimmt haben. Daher läßt sich der vertraglichen Vereinbarung hier möglicherweise im Wege ergänzender Auslegung eine Nebenpflicht beider Vertragsparteien zur dauerhaften Sicherstellung der Optionsvoraussetzungen entnehmen. Man kann in diesem Fall sicher davon ausgehen, daß sowohl der Vermieter als auch der Mieter die Voraussetzungen des Options rechts kannten. Weiterhin müssen 197 Zur Formulierung vgl. etwa den analogen Formulierungsvorschlag von Eder, ZIP 1994, 1669, 1671, für den Fall eines Grundstückskaufes. 198 s. oben, Teil A.III.3.a)aa), S. 66 f. 199 Zur Rechtsprechung s. die Nachweise in Fn. 162; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 11., 3. Kap., § 109 6., Rz. 602. 200 Zur Rechtsprechung s. die Nachweise in Fn. 164; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 11., 3. Kap., § 109 6., Rz. 605.
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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beide Parteien davon ausgegangen sein, daß die Optionsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Ausübung der Option durch den Vermieter vorlagen und auch weiterhin dauerhaft in der Sphäre des Mieters vorliegen würden, da der Vermieter andernfalls seine vertragliche Verpflichtung nicht erfüllen könnte. Die Aufnahme einer Optionsverpflichtung des Vermieters in den Mietvertrag läßt sich schließlich im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter auch mit einem verstärkten Interesse des Mieters an einer geringeren Miete erklären. 201 Aus diesen Gründen erscheint es sachgerecht, in diesem Fall im Wege ergänzender Vertragsauslegung eine Nebenpflicht beider Mietparteien zur dauerhaften Sicherstellung der Optionsvoraussetzungen in ihrer jeweiligen Sphäre anzuerkennen. Denn diese Verpflichtung, an der Verwirklichung des im beiderseitigen Interesse liegenden Bestehens der Option mitzuwirken, hat als Teil des gemeinsamen Regelungskonzeptes seinen Ausdruck in der Verpflichtung des Vermieters zur Ausübung des Optionsrechts gefunden. Der Mieter, der eine optionsschädliche Nutzungsänderung herbeiführt, handelt demnach beim Bestehen einer mietvertraglichen Optionspflicht des Vermieters vertragswidrig. Er ist daher dem Vermieter in diesem Fall zu~ Ersatz der durch die Nutzungsänderung entstehenden Vermögensnachteile verpflichtet, wenn er schuldhaft handelt.
b) Wegfall der Geschäftsgrundlage
Mit Hilfe ergänzender Vertragsauslegung kann dem von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vermieter folglich nur dann durch die Gewährung eines zivilrechtlichen Anspruches auf Anpassung des künftigen Mietzinses an die veränderte Kalkulationsgrundlage geholfen werden, wenn sich der Vermieter vertraglich zur Ausübung seines Optionsrechts verpflichtet hatte. In den übrigen Fällen könnte sich allenfalls durch Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein entsprechender Ausgleichsanspruch des Vermieters ergeben. Sollten die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf die Fälle optionsschädlicher Nutzungsänderungen Anwendung finden können, so führen sie primär zur Wiederherstellung des durch den Fortfall der Vorsteuerabzugsberechtigung des Vermieters gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG sowie die Anwendung des § 15a UStG gestörten vertraglichen Äquivalenzverhältnisses zwischen den Mietvertragsparteien im Wege der (gesetzlichen) Vertragsanpassung 202 (Neukalkulation des s. oben, Teil A.I.2.b)bb), S. 49 f. Zur gesetzlichen Vertragsanpassung als primärer Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vgl. Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 266 f. m.N.; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 130 f.; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 644, 647; J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, § 242 Rnr. 950; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 V.I., Rnr. 44. 201
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
Mietzinses). Nur wenn den Parteien auch nach einer Mietzinsanpassung ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zumutbar wäre, käme darüber hinaus als Rechtsfolge die Gewährung eines außerordentlichen Rechts zur Kündigung des Dauerschuldverhältnisses in Betracht, welches den Vermieter befähigte, die Auflösung des Vertrages herbeizuführen. 203 Die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist jedoch an verschiedene, sehr strikt zu handhabende Voraussetzungen geknüpft. Denn es gilt zu vermeiden, daß mittels Anwendung dieser Grundsätze jede auf irgendeine Weise inhaltlich unangemessene vertragliche Gestaltung korrigiert und dabei der Grundsatz der Privatautonomie stetig ausgehöhlt wird. 204 Daher ist für die hier zu untersuchenden Fälle genau zu prüfen, ob das "Bestehenbleiben der Optionsvoraussetzungen in der Zukunft" als Geschäftsgrundlage des Mietvertrages gelten kann, ob in der optionsschädlichen Nutzungsänderung eine wesentliche Änderung der Grundlage zu sehen ist, welche die Grenzen der parteilichen Risikozuweisung überschreitet 205 und ob das unveränderte Fortbestehen des Vertrages unter den geänderten Bedingungen für den Vermieter unzumutbar ist. Diese allgemeinen Voraussetzungen der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind zwar im einzelnen in der Literatur stark umstritten. Die hier genannten Grenzen ihrer Anwendung sind jedoch trotz verschiedener Gewichtung oder Differenzierung von der Mehrzahl der Autoren in der Literatur 206 und von der Rechtsprechung 207 als Voraussetzungen für das Eingreifen der Grundsätze anerkannt. 203 Zur Gewährung eines Kündigungsrechts als sekundärer Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vgl. Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 270 m.N.; J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, § 242 Rnr. 950, 1391 ff.; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 132; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 644, 646; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 V.2., Rnr. 46. 204 Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 590 m.N. 205 D.h. die Realisierung der Störung darf nicht einseitig in den Risikobereich einer Partei fallen. Dazu unten, Teil A.III.3.b)cc), S. 79 ff. 206 Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 113, 125 ff.; Nicklisch, BB 1980,949, 950; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 607 ff. (insb. 630 ff.) m.N.; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 IV., Rnr. 32 ff.; modifiziert auch Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 223 ff. 20? Eine wesentliche Änderung der Umstände verlangen: BGH v. 04. 10. 1988 - VI ZR 46/88 -, NJW 1989,289,289 f. m.N. (Unterhaltsschadensrente); OLG Köln v. 13. 11. 1992 - 19 U 77 192 -, NJW-RR 1993, 784, 785 (Gemeinsamer Irrtum über Grunderwerbsteuerpflicht); OLG Nümberg v. 27. 06. 1995 - 1 U 1318/95 -, NJW 1996, 1479 (Gemeinsamer Irrtum über Umsatzsteuerpflicht). Risikozuweisungen untersuchen: BGH v. 01. 06. 1979 - V ZR 80/77 - , BGHZ 74,370,373 (Bebaubarkeit eines Grundstücks: vertragliche Risikoverteilung); BGH v. 10.03.1983 - VII ZR 302/82 -, NJW 1983, 1489, 1490 (Finanzierungsrisiko: vertragliche Risikoverteilung); BGH v. 18. 11. 1985 - 11 ZR 51/85 -, NJW-RR 1986, 708 (Steuerliches Konzept als Geschäftsgrundlage für Gesellschaftsbeteiligung: Kapitalanleger-Risiko); BGH v. 14. 10. 1992 - VIII ZR 91/91 -, BGHZ 120, 10,24 f. = NJW 1993, 259,262 (DDR-Wirtschaftsvertrag); BGH v. 25. 02. 1993 - VII ZR 24/92 -, BGHZ 121, 378,392 m.N. = NJW 1993, 1856, 1860 (DDR-Wirtschaftsvertrag); KG v. 21. 01. 1997 - 21 U 3699/96 -, NJW-RR 1998,663,664 f. (Kauf von Bauerwartungsland); OLG München v.
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aa) Geschäftsgrundlage Als Geschäftsgrundlage des Mietvertrages über Gewerberaum könnte in Fällen, in denen es zu einer optionsschädlichen Nutzungsänderung kommen kann 208 , die Vorstellung der Parteien gelten, daß die Optionsvoraussetzungen auch in der Zukunft für die gesamte 209 Dauer des Mietverhältnisses bestehenbleiben. (1) Definition der Geschäftsgrundlage - Oertmannsche Formel
Wann ein Umstand Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird, ist umstritten. 210 Die Rechtsprechung verwendet im Anschluß an Oertmann 211 folgende Formel: Geschäftsgrundlage seien "die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, aber bei dem Vertragsschluß zutage getretenen gemeinschaftlichen Vorstellungen bei der Vertragspartner oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Fortbestand gewisser Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut,,212. Die Rechtsprechung geht bei der Bestimmung der Geschäftsgrundlage also von einer "subjektiven" Geschäftsgrundlage aus.
22.01. 1997 -7 U 4544/96 -, WM 1998, 1716, 1719 f. Unzumutbarkeit setzen voraus: BGH v. 11. 10. 1994 - XI ZR 189/93 -, NJW 1995,47,48 (Altkreditschulden einer VEB-Nachfolge-GmbH); BGH v. 25. 02. 1993 a. a. 0., BGHZ 121, 378, 393 =NJW 1993, 1856, 1860; OLG Nümberg v. 27. 06. 1995 a. a. 0., NJW 1996, 1479, 1479 f.; KG v. 26. 03. 1982 - 6 U 5520/81 -, BB 1982,944,945 (Gemeinsamer Irrtum über Umsatzsteuerfreiheit). 208 Zu den Fallgestaltungen vgl. oben, Teil A.lL1., S. 51 ff. 209 Insbesondere genügt hier die Annahme nicht, der von den Parteien als maßgeblich zugrundegelegte Zeitraum für das Bestehenbleiben der Optionsvoraussetzungen umfasse lediglich den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch verbleibenden Berichtigungszeitraum des § 15a UStG. Denn das vertragliche Äquivalenzverhältnis wird unabhängig vom Entstehen eines Berichtigungsbedarfs immer auch dadurch gestört, daß der Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters den Vorsteuerabzug für die gesamte künftige Dauer des Mietverhältnisses verliert. 210 Chiotellis (S. 29) zählt 56 verschiedene Theorien zur Geschäftsgrundlage. 211 Oertmann, Die Geschäftsgrundlage, 1921, S. 37, entwickelte folgende Definition der Geschäftsgrundlage: "Geschäftsgrundlage ist die beim Geschäftsschluß zutage tretende und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Sein oder vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille sich aufbaut." 212 Ständ. Rspr.: RG v. 03. 02. 1922 - 11 640/21 -, RGZ 103, 328, 332; BGH v. 23. 10. 1957 - V ZR 219/55 -, BGHZ 25, 390, 392 = NJW 1958, 297, 298; BGH v. 15. 12. 1983 - III ZR 226/82 -, BGHZ 89, 226, 231 = NJW 1984,2947,2948; BGH v. 14. 10. 1992 - VIII ZR 91/91 -, BGHZ 120, 10, 23 = NJW 1993, 259, 262; BGH v. 17.02. 1993 - XII ZR 232/91 -, NJW-RR 1993,773,774; BGH v. 25. 02. 1993 - VII ZR 24/92 -, BGHZ 121,378,391 = NJW 1993, 1856, 1859; BGH v. 05. 01. 1995 - IX ZR 85/ 94 -, BGHZ 128,230,236 = NJW 1995,592,593.
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
In der Literatur wird dieser Ansatz der Rechtsprechung weitestgehend verworfen. Die Tendenz geht dahin, zunehmend auch objektive Merkmale zur Bestimmung der Geschäftsgrundlage heranzuziehen und den Anwendungsbereich der ungeschriebenen Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage überhaupt zugunsten gesetzlich geregelter Instrumente einzuschränken?13 Trotz der umfassenden Kritik der Literatur an dem Ansatz der Rechtsprechung ist dennoch nicht erkennbar, daß von der Literatur eine praktikable Formel entwickelt wurde, die sich gegen die Vielzahl der vertretenen Ansichten durchzusetzen vermag. 214 Daher soll hier aus Zweckmäßigkeitserwägungen die von der Rechtsprechung angewandte Oertmannsche Formel der Geschäftsgrundlage der Untersuchung zu Grunde gelegt werden. Geschäftsgrundlage muß demnach ein Umstand sein, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages in den Geschäftswillen beider215 Parteien als Grundlage der Willensbildung eingeflossen ist, obwohl er nicht Vertragsinhalt wurde. (2) Steuerliche Vorstellungen als Geschäftsgrundlage
In einer Entscheidung aus dem Jahre 1951 216 zum Einkommensteuerrecht ging der Fünfte Senat des Bundesgerichtshofs, sofern man dessen allgemeine Aussage im Wortsinne verstehen Will 217 , ohne nähere Begriindung davon aus, daß Vorstellungen einer oder beider Parteien über steuerliche Folgen des Rechtsgeschäftes generell nicht Geschäftsgrundlage sein könnten. Dem folgend könnten die hier fraglichen umsatzsteuerlichen Vorstellungen der Mietparteien keinesfalls Geschäftsgrundlage des Mietvertrages sein. Gegen diese Ansicht wendet Peusquens 218 im auch hier gegebenen umsatzsteuerrechtlichen Zusammenhang ein, die genannte Entscheidung sei auf das Ertragsteuerrecht bezogen und könne aus diesem Grunde nicht auf das Umsatzsteuerrecht 213 Zu den neueren Entwicklungen vgl. die Nachweise bei Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 510 ff., 512 ff. (3. Aufl.) bzw. Rnr. 602 ff. (4. Aufl.); Teichmann, in: Soerge1, BGB, § 242 Rnr. 208 ff., 214 ff.; Nicklisch, BB 1980,949,950. 214 So auch Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 113. 21S BGH v. 17.02.93 - XII ZR 232/91 -, NJW-RR 1993,773,774; BGH v. 16.02. 1989 - IX ZR 256/87 -, NJW-RR 89, 752, 753; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 113, 117; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 623; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 I1I.l., Rnr. 12 ff. 216 BGH v. 02. 02.1951- VZR 15150-, NJW 1951,517,518. 217 Zweifel am Wortlautverständnis ergeben sich aus der einschränkenden Formulierung des Leitsatzes d) (NJW 1951,517) und aus der (ausdrücklich offengelassenen, NJW 1951, 518 li. Sp., 2. Abs.) Überlegung des Senats, der Fall könne möglicherweise anders zu entscheiden sein, wenn die Parteien vor oder bei Vertragsschluß die steuerlichen Vorstellungen ausdrücklich erörtert hätten. Da diese hypothetischen Erwägungen des Senats jedoch nicht auf den Sachverhalt der Entscheidung bezogen waren, sind sie nicht dazu geeignet, als Argument gegen das wortgetreue Verständnis der allgemeinen Aussage, steuerliche Vorstellungen könnten gar nicht Geschäftsgrundlage sein, zu dienen. 218 Peusquens, BB 1975, 1367, 1368 (Fn. 14).
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übertragen werden. Dieser Einwand überzeugt jedoch bei Anwendung des subjektiven Geschäftsgrundlagenbegriffes nicht. Denn bezüglich der steuerlichen Folgen eines Rechtsgeschäftes ist für die Vertragsparteien im Ergebnis nur das "ob" einer steuerlichen Belastung, die aus der Vermögensverlagerung folgt, bzw. deren Höhe von Bedeutung. Hingegen ist in den Vorstellungen der Parteien grundsätzlich unerheblich, ob es sich um ertragsteuerliche Folgen handelt oder ob als Folge des Rechtsgeschäftes eine Verbrauch- oder Verkehrsbesteuerung eintritt. 219 Unabhängig von ihrer Art muß daher für sämtliche steuerlichen Folgen eines Rechtsgeschäftes übereinstimmend entschieden werden, ob diesbezügliche Vorstellungen der Parteien Geschäftsgrundlage sein können. Der Ansicht des Fünften Senats des Bundesgerichtshofs in der zitierten Entscheidung 220 kann jedoch aus anderen Gründen nicht gefolgt werden. Wendet man nämlich ernstlich die von der Rechtsprechung zugrunde gelegte subjektive Formel 221 der Geschäftsgrundlage an, muß man auch anerkennen, daß jeder Umstand, der geeignet ist, ein Motiv für den konkreten Geschäftswillen der Parteien darzustellen, grundsätzlich auch Geschäftsgrundlage eines Vertrages sein kann. Es läßt sich daher gar nicht allgemein behaupten, ein bestimmter Umstand könne nicht Geschäftsgrundlage sein. Lediglich für den Einzelfall ist feststellbar, ob der Geschäftswille der Parteien auf einem bestimmten Umstand beruht haben kann. In späterer Rechtsprechung gehen der Bundesgerichtshof22 und andere Zivilgerichte 223 zudem auch ganz unproblematisch davon aus, daß Vorstellungen der Parteien über steuerliche Folgen des Rechtsgeschäftes Geschäftsgrundlage eines Vertrages sein können. Auch im Bereich des Umsatzsteuerrechts wurden von der Rechtsprechung bereits bestimmte (umsatz-)steuerliche Vorstellungen der Vertragsparteien als Geschäftsgrundlage angesehen. So wurde z. B. im Falle einer beidseitig irrtümlich angenommenen Umsatzsteuerpflicht 224 des Leistenden entschieden, daß jedenfalls der vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger nach Erkenntnis des Irrtums entsprechend den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht mehr verpflichtet sei, den Steueranteil weiterhin zu zahlen. Ebenso 219 Vgl. aber unten, Teil A.III.3.b)aa)(3)(c), S. 77 f.: Der Vorschlag von Peusquens zur Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern ist im Rahmen der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jedoch hinsichtlich der Frage von Bedeutung, ob es sich bei bestimmten steuerlichen Vorstellungen der Parteien lediglich um einseitige Erwartungen einer Vertragspartei oder um gemeinsame Vorstellungen sämtlicher Vertragsparteien handelte. 220 s. oben, Fn. 216. 221 s. oben, S. 73. 222 BGH v. 23. 01. 1967 - 11 ZR 166/65 -, NJW 1967, 1081, 1082 (Irrtum über Steuerersparnis bei Ehegatten-KG); BGH v. 18. 11. 1975 - VI ZR 153/73 -, DB 1976,234,235 (Steuerliche Anerkennung eines Beratervertrages). 223 OLG Köln v. 13. 11. 1992 - 19 U 77/92 -, NJW-RR 1993,784,784 (Gemeinsamer Irrtum über Gewerbesteuerpflicht); s. auch Fn. 224, 224. 224 BGH v. 19.06. 1990 - XI ZR 280/89 -, NJW-RR 1990, 1199, 1200 = WM 1990, 1322,1323; OLG Düsseldorfv. 05.10.1989 - 8 U 4/89 -, DB 1990,39,39.
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nimmt die Rechtsprechung im Falle beidseitig irrtümlich angenommener Umsatzsteuerfreiheit225 eine Korrektur des vereinbarten Entgelts durch Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor. Es ist also davon auszugehen, daß Vorstellungen der Vertragsparteien über steuerliche Folgen eines Rechtsgeschäfts grundsätzlich durchaus Geschäftsgrundlage sein können. 226 Allerdings muß die Aufnahme der Vorstellungen in den Geschäftswillen beider Parteien stets genau untersucht werden. (3) Einseitige Erwartungen als Geschäftsgrundlage (a) Man kann dem optierenden Vermieter ohne weiteres unterstellen, daß die Vorstellung, die ursprünglich bei Ausübung der Option vorhandenen Voraussetzungen des § 9 UStG werden auch in der Zukunft bestehenbleiben, Voraussetzung seines Geschäftswillens war. Vom Mieter wird man dies - sofern keine Optionspflicht des Vermieters vereinbart wurde - nicht so behaupten können. Es handelt sich also zunächst um die einseitige Erwartung einer Vertragspartei. Einseitige Erwartungen eines Vertragspartners aber können grundsätzlich nur unter strengen Voraussetzungen als Geschäftsgrundlage des Vertrages angesehen werden. Die Rechtsprechung 227 verlangt dafür, daß das Verhalten des anderen Vertrags teiles nach Treu und Glauben als Einverständnis für die Aufnahme des Umstandes in die gemeinsame Vertrags grundlage zu verstehen ist. Es reiche für die Aufnahme einer einseitigen Erwartung in die gemeinsame Geschäftsgrundlage also nicht aus, daß eine Partei ihre Erwartungen lediglich mitgeteilt hat. 228 Speziell bei steuerlichen Fragen genüge es nicht, wenn eine Partei ihre steuerlichen Erwartungen bei den Vertragsverhandlungen darlege. 229 Vielmehr müsse die Vorstellung erkennbar in den Geschäftswillen auch der anderen Partei aufgenommen worden sein. 23o Diese Ansicht verdient Zustimmung, da schon aus der Definition der Geschäftsgrundlage als gemeinschaftlicher Vorstellung der Vertragsparteien folgt, daß irgendeine Form der Billigung der anderen Vertragspartei zur Einbeziehung der Erwartung erforderlich ist. 231 225 OLG Nümberg v. 27. 06. 1995 - 1 U 1318/95 -, NJW 1996, 1479, 1479 f.; KG v. 26. 03. 1982 - 6 U 5520/81 -, BB 1982, 944, 945. 226 So auch Kapp, BB 1979, 1207, 1208; Peusquens, BB 1975, 1367, 1368; Roth, in: Müko, BGB, § 242 Rnr. 728,803 m.N.; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 143, 150 m.N.; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 257 f. m.N. 227 BGH v. 17. 02. 1993 - XII ZR 232/91 -, NJW-RR 1993, 773, 774; BGH v. 16.02. 1989 - IX ZR 256/87 -, NJW-RR 1989,752,753; ebenso Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr.117. 228 BGH V. 17.02. 1993 a. a. O. (Fn. 227), NJW-RR 1993,773,774. 229 BGH v. 23. 01. 1967 - 11 ZR 166/65 -, NJW 1967,1081,1082 f.; BGH v. 18. 11. 1985 - 11 ZR 51/85 -, NJW-RR 1986, 708. 230 BGH v. 17.02. 1993 a. a. O. (Fn. 227), NJW-RR 1993,773,774. 231 Palandt/ Heinrichs, § 242 Rnr. 117.
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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(b) Weitergehend wird jedoch der in der Entscheidung des Fünften Senats des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 1951 232 anklingende Gedanke in späterer Rechtsprechung 233 teilweise dahingehend modifiziert234 , daß steuerliche Vorstellungen der Parteien zwar die Geschäftsgrundlage des Vertrages bilden könnten, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, daß sie vor oder bei Vertragsabschluß in bestimmter Form ausdrücklich erörtert worden sind. War ein Umstand bei den Vertragsverhandlungen allerdings ausdrücklich erörtert worden, so wird die Vorstellung in der Regel schon Vertragsinhalt sein 235 , womit die Qualifikation als Geschäftsgrundlage ausgeschlossen 236 ist. Darüber hinaus kann sich auch ohne ausdrückliche Erörterung der Vorstellungen vor oder bei Vertragsschluß aus anderen Umständen 237 entnehmen lassen, daß beide Parteien ihren Geschäftswillen auf der Grundlage dieser Vorstellungen gebildet haben. Eine ausdrückliche Erörterung der steuerlichen Vorstellungen ist daher nicht zu verlangen. Es muß demnach zur Einbeziehung einseitiger steuerlicher Erwartungen einer Partei in die Geschäftsgrundlage genügen, wenn "die Maßgeblichkeit bestimmter steuerlicher Umstände für den Inhalt des Rechtsgeschäfts eindeutig erkennbar ist,ms, also auch die andere Partei sich diese steuerliche Vorstellung erkennbar zu eigen gemacht hat?39 (c) Diese Formeln sind allerdings sehr allgemein gehalten. Für die Zwecke dieser Untersuchung wäre es daher hilfreich, die Anforderungen speziell für die Einbeziehung einseitiger umsatzsteuerlicher Vorstellungen als Geschäftsgrundlage näher zu konkretisieren. Diesbezüglich könnte möglicherweise die von Peusqueni40 in anderem Zusammenhang 241 angedeutete Unterscheidung zwischen Ertragsteuern als direkten Steuern und der Umsatzsteuer als indirekter Steuer nützlich sein. Denn aus der Art der zu erwartenden steuerlichen Folgen könnten sich Hinweise s. oben, Fn. 216. KG v. 26. 03. 1982 - 6 U 5520/81 - BB 1982, 944, 945. 234 Der Leitsatz d) der Entscheidung (NJW 1951, 517) ist allerdings - im Widerspruch zu den Entscheidungsgriinden - bereits in diesem Sinne formuliert. 235 So auch Schöne, WM 1993,2145,2147. 236 Trotz aller sonstigen Differenzen über die Voraussetzungen der Geschäftsgrundlage ist dies ein anerkannter Grundsatz: Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 113, 116; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 221, 223 ff.; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 659 f. 237 Z. B.: Nach BGH v. 18. 11. 1975 - VI ZR 153/73 -, DB 1976,234,235, könne sich die Wichtigkeit der steuerlichen Beurteilung für den Vertrags partner schon aus der Erfahrung des Geschäftslebens ergeben. In der Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 05. 10. 1989 - 8 U 4/89 -, DB 1990, 39, wird die dem Vertrag zugrundeliegende steuerrechtliche Vorstellung aus einer Formulierung des Vertrages abgeleitet. 238 OLG Düsseldorf v. 05. 10. 1989 - 8 U 4/89 -, DB 1990,39. 239 BGH v. 17.02.1993 - XII ZR 232/91 -, NJW-RR 1993,773,774; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 117. 240 Peusquens, BB 1975, 1367, 1368 (Fn. 14). 241 Dazu oben, Teil A.III.3.b)aa)(2), S. 74 f. 232 233
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
darauf ergeben, welche Partei sich bei Vertrags schluß welche steuerlichen Vorstellungen zu eigen gemacht haben könnte. Dabei ist zunächst zuzugeben, daß es im Bereich der indirekten Steuern wegen der Personen verschiedenheit zwischen Steuerträger und Steuerschuldner wahrscheinlicher ist, daß beide potentiell von der Steuerbelastung betroffenen Vertragsteile bestimmte Vorstellungen entwickelt haben 242 , wohingegen bei der Belastung mit einer direkten Steuer weniger dafür zu sprechen scheint, daß auch der nicht belastete Vertrags partner bestimmte Vorstellungen in bezug auf die Besteuerung entwickelt hat. Jedoch kann die Unterscheidung direkter und indirekter Steuern allenfalls grobe erste Anhaltspunkte dafür liefern, ob und welche Vorstellungen Grundlage des Geschäftswillens beider Parteien waren. Es läßt sich hingegen keine allgemeine Aussage etwa dahingehend treffen, daß z. B. im Bereich direkter Steuern die Erwartungen einer Partei niemals gemeinsame Geschäftsgrundlage sein könnten, da bei einem Vertragsschluß durchaus auch Umstände eintreten können, die zu einer anderen Beurteilung führen müssen. Somit besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit, daß die Vorstellung des Vermieters, die Optionsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 UStG werden auch in der Zukunft bestehen bleiben, Geschäftsgrundlage des Mietvertrages wurde. Erforderlich ist dafür jedoch, daß das Verhalten des Mieters bei Vertragsschluß nach Treu und Glauben als Billigung dieser Auffassung verstanden werden darf. Es wäre im Einzelfall näher zu untersuchen, welche Indizien (z. B. Preisvereinbarung) hierfür ausschlaggebend sind, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist. Eine allgemeine Aussage dahingehend, daß die genannte Vorstellung stets Geschäftsgrundlage eines Mietvertrages über unternehmerisch genutzte Grundstücke ist, auf deren Grundlage der Vermieter die umsatzsteuerliche Option des § 9 UStG ausgeübt hat, läßt sich hingegen nicht treffen. bb) Wesentliche Änderung Nach der optionsschädlichen Nutzungsänderung müßte weiterhin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sein. Wesentlich ist eine Änderung der Umstände immer dann, wenn eine Partei bei Kenntnis der geänderten Umstände den Vertrag so nicht geschlossen hätte. 243 Die Abweichung zwischen den vorgestellten und den tatsächlich eingetretenen Umständen muß einen kennzeichnenden 242 Eine ähnliche Überlegung stellt das OLG Naumburg im Rahmen der Auslegung eines Mietvertrages an, für den der Vermieter zunächst zur Regelbesteuerung optiert hatte, indem es aus dem Umstand, daß die Optionsausübung für beide Parteien des Mietvertrages wirtschaftlich vorteilhaft ist, folgert, daß deshalb "die Frage der Optierung des Vermieters zur Mehrwertsteuer grundsätzlich ein die Willensbildung beider Vertragsparteien vor Abschluß der Mietpreisvereinbarung bestimmendes Kriterium im Sinne einer Kalkulationsgrundlage sein" könne, s. OLG Naumburg v. 09. 11. 1999 - 1 U 102/98 -, ZMR 2000, 291, 293. 243 Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 125; Larenz/Wolj, BGB AT, § 38 IV. 1., Rnr. 32 f.
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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Vertragsbestandteil betreffen 244 oder so bedeutsam sein, daß der von den Parteien angestrebte Vertragszweck gefährdet wird?45 Infolge der optionsschädlichen Nutzungsänderung entfallen - wie gezeigt 246 die von den Mietparteien vorausgesetzten steuerlichen Rahmenbedingungen; das wirtschaftliche Kalkulationskonzept des Vermieters bricht daraufhin zusammen. Diese Veränderung der Bemessungsgrundlage der gegenseitigen Leistungen stellt einen Eingriff in die charakteristische Struktur des betroffenen Mietverhältnisses dar und ist daher bereits für sich genommen als wesentliche Änderung anzusehen. Kein Vermieter würde in Kenntnis der Gefahren den Vertrag ohne Absicherung gegen derartige strukturelle Auswirkungen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung auf das vertragliche Äquivalenzverhältnis abschließen. Dies alles müßte um so mehr gelten, wenn sich herausstellte, daß infolge der optionsschädlichen Nutzungsänderung eine steuerliche Belastung des Vermieters entsteht, die jedoch nicht erkennbar mit einer Erhöhung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit korrespondiert. 247 Man könnte in diesem Fall daran denken, die Wesentlichkeit der Änderung der Verhältnisse über den genannten Grund hinaus auch durch das Merkmal der "steuerlichen Belastung des Vermieters ohne gleichzeitige Leistungsfähigkeitssteigerung" zu beschreiben. Allerdings intendiert diese Betrachtungsweise einen Verstoß gegen das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip und damit einen Verfassungsverstoß. 248 Es wäre daher an dieser Stelle zu entscheiden, ob ein Verfassungsverstoß vorliegt und ob die Begründung zivilrechtlicher Ansprüche durch den Rückgriff auf einen Verfassungsverstoß überhaupt möglich ist. Da sich jedoch die Wesentlichkeit der Änderung bereits aus dem strukturellen Eingriff in das mietvertragliche Äquivalenzverhältnis als solchem ergibt, ist eine Entscheidung dieser Fragen im Rahmen dieses Merkmals nicht erforderlich und soll daher unterbleiben. 249 cc) Überschreiten der Grenzen der Risikozuweisung Für die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist dennoch dann kein Raum, wenn das die Äquivalenzstörung verursachende Risiko der Risikosphäre desjenigen Vertragspartners explizit zugewiesen ist, der sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft. 250 Die Zuweisung einzelner Risiken in OLG Nürnberg v. 27. 06.1995 -1 U 1318/95 -, NJW 1996, 1479, 1479. BGH v. 04. 10. 1988 - VI ZR 46/88 -, NJW 1989,289, 289. 246 s. oben, Teil A.II.2., S. 51 ff. 247 Dazu genauer unten, Teil D.Y.2., S. 300 ff. 248 V gl. zur Prüfung der Verfassungs mäßigkeit unten, Teile C. - E. 249 Vgl. dazu jedoch unten, Teil A.III.3.b)dd), S. 82 ff., insb. S. 85 ff. 250 BGH v. 01. 06. 1979 - V ZR 80177 -, BGHZ 74,370,373 f.; BGH v. 10.03. 1983 - VII ZR 302/82 -, NJW 1983,1489,1490; OLG München v. 22. 01. 1997 -7 U 4544/96-, WM 1998, 1716, 1719; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 223 ff.; J. Schmidt, in: Stau244 245
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die Sphäre einer Vertragspartei kann sich dabei aus dem Vertragstext, auch im Wege ergänzender Auslegung, aus normativen Wertungsgesichtspunkten oder aus dispositivem Recht ergeben. 251 (I) Hinsichtlich der von einer options schädlichen Nutzungsänderung betroffenen Mietverhältnisse ist davon auszugehen, daß sich aus dem Mietvertrag selbst auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung 252 kein Anhaltspunkt für eine explizite Risikozuweisung zu Lasten einer Vertrags partei ergibt.
(2) Unter normativen Gesichtspunkten ist indes grundsätzlich davon auszugehen, daß das Risiko der nachträglichen Erhöhung des Beschaffungspreises als Teil des Beschaffungsrisikos dem Sachleistungsschuldner obliegt. 253 Auch das Rechtsfolgenrisiko, insbesondere das Risiko des Eintritts steuerrechtlicher254 Folgen eines Geschäfts, hat unter normativen Gesichtspunkten grundsätzlich derjenige Vertragspartner zu tragen, der davon betroffen wird. 255 Demzufolge müßte der Vermieter die nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung zu seinen Lasten eingetretene Leistungserschwerung infolge gestiegener Kosten für die Bereitstellung der Vermietungsleistung hinnehmen. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen der normativen Risikoverteilung muß jedoch dann eingreifen, wenn die Leistungserschwerung auf Umständen beruht, die außerhalb des Einflußbereiches 256 des betroffenen Vertragspartners liegen oder für diesen nicht vorhersehbar257 und aus diesem Grunde nicht vermeidbar waren. Das Kriterium der Unvorhersehbarkeit der möglichen steuerlichen Rechtsfolgen wird hier indes kaum eine von den grundsätzlichen normativen Wertungen abweichende Risikoverteilung zugunsten des von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vermieters bewirken können. Denn die weitgehende Einschränkung der üptionsvoraussetzungen 258 nach der Neufassung des § 9 Abs. 2 dinger, BGB, § 242 Rnr. 115 ff.; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 126 ff.; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 630; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 IV.2. Rnr. 34 ff. 251 BGH v. 01. 06. 1979 a.a.O. (Fn. 250), BGHZ 74, 370, 373 f.; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 223 ff., 229 ff.; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 126 ff.; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 630 ff.; J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, § 242 Rnr. 1065 ff., 1115 ff.; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 IY.2. Rnr. 35 ff.; Schöne, WM 1993,2145,2147 f. 252 Dazu oben, Teil A.III.3.a), S. 66 ff. 253 Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 232, 240; J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, § 242 Rnr. 1218 ff., 1230 ff.; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 128, 140 m.N. 254 Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 237; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 143; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 728. 255 Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 237; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 728. 256 Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 240; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 141; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 638; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 IV.2.c), Rnr. 38. 257 OLG Köln v. 28. 12. 1994 - 2 U 74/94 -, WM 1995, 971, 975; OLG München v. 22.01. 1997 - 7 U 4544/96 -, WM 1998, 1716, 1720; Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 238 ff.; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rnr. 637; Larenz/Wolf, BGB AT, § 38 IY.2.b), Rnr. 37; Koller; Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 217 ff.
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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UStG läßt es beinahe fahrlässig erscheinen, wenn ein Vermieter das Risiko optionsschädlicher Nutzungsänderungen verkennt. Wollte man dennoch das Risiko des Eintritts einer optionsschädlichen Nutzungsänderung als durch den Vermieter unvorhersehbar einstufen, so spräche dies für eine gleichmäßige Risikoverteilung auf beide Vertrags parteien. Etwas anderes muß insoweit allerdings für Altverträge gelten. Hatte ein Vermieter, dessen Mieter das Grundstück zur Ausführung von Abzugsumsätzen verwendet, bereits vor dem 1. Januar 1994259 zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes optiert und ist § 9 Abs. 2 UStG n.P. auf diesen Vermieter anwendbar26o , so wird man die Möglichkeit des Eintritts einer optionsschädlichen Nutzungsänderung für den Vermieter als unvorhersehbar ansehen müssen. Für diese Verträge muß daher in jedem Falle eine von den Grundsätzen der normativen Risikozuweisung abweichende Risikoverteilung vorgenommen werden. Jedenfalls sind die grundsätzlichen normativen Risikozuweisungen hier aber in allen Fällen deswegen zu durchbrechen, weil die Leistungserschwerung in der Sphäre des Vermieters ausschließlich einseitig und ohne wirksame Einflußmöglichkeit des Vermieters durch den Mieter mittels einer tatsächlichen Nutzungsänderung herbeigeführt wird. Das Risiko ist allein durch den Mieter abstrakt beherrschbar261 , liegt also gänzlich außerhalb des Einflußbereiches des Vermieters. Weiterhin ist zu bedenken, daß der Schuldner auch im Bereich gesetzlich geregelter nachträglicher Leistungserschwerungen, wie insbesondere in Fällen der Unmöglichkeit, von seiner primären Leistungspflicht befreit wird. Dies gilt sogar, wenn er die Leistungsstörung zu vertreten hat. Diese Wertung sollte auf Geschäftsgrundlagenstörungen in Gestalt von Äquiva1enzstörungen, die leicht zur "wirtschaftlichen Unmöglichkeit" führen können, übertragen werden, da der Übergang zwischen Unmöglichkeit und Wegfall der Geschäftsgrundlage in diesem Bereich fließend ist. 262 Zudem wird grundsätzlich jede Realisierung des Risikos durch den Mieter verursacht, was erst recht dafür spricht, den Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung von seiner Leistungspflicht in der ursprünglich vereinbarten Form zu befreien. Auch an dieser Stelle könnte schließlich in Betracht kommen, die normative Risikozuweisung zu Lasten des Mieters entsprechend dem Kriterium der abstrakten s. oben, Teil A.1.1.b), S. 30 ff. Also vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG. 260 Entsprechend der Übergangsregelung des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG i.d.F. durch Art. 20 Nr. 23 des StMBG (BGBI. 1993 I, 2310, 2341) ist dies der Fall, wenn das auf dem Grundstück errichtete Gebäude nach dem 31. Dezember 1997 fertiggestellt worden ist oder wenn mit der Errichtung des Gebäudes erst nach dem 10. November 1993 begonnen wurde. Daraus ergibt sich, daß es nur sehr wenige solcher Altfalle geben dürfte. 261 Zum Risikoprinzip abstrakter Beherrschbarkeit s. insb. Koller, a. a. O. (Fn. 257), S. 77 ff., 100 ff., 119 ff. 262 Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 240 m.N.; Koller, a. a. O. (Fn. 257), S. 217 ff. 258
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
Beherrschbarkeit durch die Feststellung zu unterstützen, daß sich - möglicherweise - die steuerliche Belastung des Vermieters nach einer options schädlichen Nutzungsänderung erhöht, ohne daß zugleich dessen steuerliche Leistungsfähigkeit steigt. 263 Diese Wertung ist jedoch - ebenso wie bei dem Merkmal der Wesentlichkeir2 64 - zur Begründung der Abweichung von den Grundsätzen normativer Risikozuweisung nicht erforderlich. Daher soll auch hier vorerst offengelassen werden, ob derartige Erwägungen zutreffend und zulässig sind. 265 Allein das Kriterium der abstrakten Beherrschbarkeit zusammen mit dem Verursachungsprinzip führt hier also bereits dazu, die grundsätzliche normative Risikozuweisung zu Lasten des Vermieters zu durchbrechen und die überwiegende Verantwortlichkeit für die Rechtsfolgen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung dem Mieter aufzuerlegen. (3) Dieses Ergebnis normativer Risikobetrachtung wird zudem unterstützt durch eine dem Umsatzsteuergesetz immanente Wertung in Gestalt einer spezialgesetzlichen Risikozuweisung. Denn das Umsatzsteuergesetz enthält mit § 29 eine Norm, die jedenfalls für langfristige Verträge das Risiko des Eintrittes vertraglicher Äquivalenzstörungen durch Änderungen des Umsatzsteuergesetzes während der Laufzeit des Vertrages dem Geldleistungsschuldner auferlegt. § 29 UStG gilt daher als besondere gesetzliche Ausprägung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 266 Der Fall der optionsschädlichen Nutzungsänderung fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 29 UStG, da der Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis nicht durch eine Gesetzesänderung, sondern durch eine einseitige Tatsachengestaltung geschieht. Jedenfalls ist § 29 UStG aber als Indiz dafür anzusehen, daß auch der Gesetzgeber des Umsatzsteuergesetzes davon ausgeht, daß umsatzsteuerlich bedingte Leistungserschwerungen nicht ausschließlich den Sachleistungsschuldner treffen müssen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß das Risiko des Eintritts umsatzsteuerlicher Rechtsfolgen nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung dem betroffenen Vermieter nicht ausschließlich zugewiesen ist.
dd) Unzumutbarkeit Der die Rechtsfolgen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung herbeiführende Mieter müßte daher nach Treu und Glauben eine Anpassung des Mietzinses an Dazu genauer unten, Teil D. y'2., S. 300 ff. s. oben, Teil A.III.3.b)bb), S. 78 ff. 265 s. aber unten, Teil A.III.3.b)dd), S. 82 ff., insb. S. 85 ff. 266 BGH v. 15.02.1973 - VII ZR 65/71 -, WM 1973,516,518; Kaeser/Charisse. OB 1998,164,164; Stobbe, DStZ 1993, 144, 146; Palandtl Heinrichs. § 242 Rnr. 115; Birkenfeld. Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. H, Abschn. VIII., 2. Kap., § 242, Rz. 93 ff., 96 m.N. 263
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III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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die veränderte Kalkulationsgrundlage hinnehmen, wenn ein unverändertes Festhalten des Vermieters am Vertrag für diesen unzumutbar ist. (1) In der Regel bestimmt die Rechtsprechung im Bereich der Äquivalenzstörungen die zur Feststellung der Unzumutbarkeit dienende Opfergrenze in Abhängigkeit von der Höhe der im Einzelfall eintretenden finanziellen Belastung. 267 Diese einzelfallbezogene Betrachtung der Rechtsprechung birgt für die von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vermieter jedoch das nicht geringe Risiko, daß die bei ihnen eingetretene Belastung nicht als unzumutbar anerkannt würde. Denn an die Annahme der Unzumutbarkeit werden äußerst strenge Anforderungen gestellt; praktisch wird in den Fällen der Erschwerung der Sachleistung eine Anpassung des Vertrages nur in Fällen wirtschaftlicher Unmöglichkeit anerkannt. 268 Welche Kriterien jedoch allgemein die wirtschaftliche Unmöglichkeit begriinden könnten, bleibt in Rechtsprechung und Literatur weitgehend offen. Mit den als Konkretisierungen der Anforderungen an die Unzumutbarkeit dargebotenen 269 Kriterien wie "Existenzvernichtung", "krasses Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung" oder "Überschreitung der Opfergrenze" läßt sich im Einzelfall wenig anfangen.
Insbesondere bezogen auf den Ausgangsfall bieten diese Stichworte keine Hilfe für die Beurteilung der Unzumutbarkeit. So ließe sich hier beispielsweise fragen, ob etwa eine "Existenzvernichtung" des Vermieters schon anzunehmen wäre, wenn die eintretende (auch nur geringe) Äquival~nzstörung dessen Finanzierungskonzept zu Fall bringt, etwa indem dem Vermieter die Tilgung fälliger Kredite für Investitionen in das Mietobjekt unmöglich gemacht wird oder ihm ein die Grenzen seines wirtschaftlichen Leistungsvermögens übersteigender zusätzlicher Finanzierungsbedarf entsteht. Diese Fragen wird man jedoch letztlich verneinen müssen, obwohl auf diese Weise eine Notlage des Vermieters entstehen kann, die dessen Existenz tatsächlich im Wortsinne "vernichtet". Denn in die Beurteilung der Unzumutbarkeit sind zugleich stets Aspekte der Risikoverteilung einzubeziehen. 27o Das Risiko indes, aus seiner Tätigkeit Erträge in einer bestimmten Höhe erzielen zu können, ist ausschließlich dem Vermieter zugewiesen. Zudem muß auch der Umstand, daß der Vermieter möglicherweise schon zur Bereitstellung seiner Leistung hohe Investitionen tätigt, deren Finanzierung ihm von vornherein nur mit Fremdkapital gelingt, allein dessen Risikosphäre zugewiesen werden. Aus diesen Griinden kann allein das Scheitern des Finanzierungsplanes des Vermieters infolge der Äquivalenzstörung ohne Beriicksichtigung des konkreten Ausmaßes der Störung auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung die Unzumutbarkeit hier nicht begriinden.
Vgl. die Nachweise bei Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 247 ff. s. nur Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 141. 269 Vgl. etwa: Teichmann, in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 247 m.N.; Roth, in: Müko, BGB, § 242 Rnr. 643; Palandtl Heinrichs, § 242 Rnr. 141. 270 Roth, in: Müko, BGB, § 242 Rnr. 642 f. 267 268
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Priifungszie1s
Eine gewisse Orientierung mag hingegen die in der Literatur271 beobachtete Tendenz geben, wonach bei allgemeinen Äquivalenzstörungen eine Kostensteigerung für den Sachleistungsschuldner auf etwa das Doppelte als Grenze für die Annahme der Unzumutbarkeit gelten kann. In derartigen Fällen erscheint die Annahme plausibel, das vertraglich vorausgesetzte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung habe sich so gravierend verschoben, daß die weitere Leistungserbringung durch den Sachleistungsschuldner nicht mehr nur wirtschaftlich unvernünftig, sondern schlechterdings untragbar erscheint. Dementsprechend wurde in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Anpassung von Erbbaurechtsverträgen an den Geldwertschwund 272 vereinzelt 273 , allerdings ebenfalls einen Fall der Geldentwertung durch Kaufkraftschwund betreffend, auch für einen langfristigen Mietvertrag die Entwertung der Gegenleistung um mehr als 60 % als für die Annahme der Unzumutbarkeit genügend angesehen. Legt man in den Fällen optionsschädlicher Nutzungsänderungen diesen quantitativen Maßstab an, so erscheint es jedoch femliegend, im Rahmen der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage die Unzumutbarkeit eines Festhaltens des Vermieters am Vertrag allein mit der Höhe der entstehenden finanziellen Belastung des Vermieters zu begründen. Diese Belastung kann zwar durchaus erheblich sein, wird indes in aller Regel aber bei weitem nicht zu einer Verdopplung der Beschaffungskosten des Vermieters führen. Daher stellt sich die Frage, ob die Unzumutbarkeit hier nicht, wie üblich, im Einzelfall aus quantitativen Merkmalen der eintretenden Belastung, sondern möglicherweise allgemein aus bestimmten qualitativen Merkmalen des Tatbestandes der optionsschädlichen Nutzungsänderung folgen kann. (2) Die Unzumutbarkeit könnte sich nämlich hier unabhängig von der konkreten nominellen Belastung schon daraus ergeben, daß der Mieter überhaupt die Möglichkeit hat, steuerliche Folgen, die beim Vermieter zu einer bleibenden wirtschaftlichen Belastung führen, bei diesem einseitig 274 herbeizuführen, ohne daß der Vermieter eine effektive Möglichkeit der Einflußnahme oder Vorsorge hat. Es drängt sich demzufolge die Überlegung auf, Unzumutbarkeit als Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage allgemein immer dann anzunehmen, wenn eine Vertragspartei infolge einer einseitigen Handlung der anderen Vertrags partei steuerliche Mehrbelastungen zu tragen hat.
Teichmann. in: Soergel, BGB, § 242 Rnr. 247 m.N. s. nur BGH v. 30. 03. 1984 - V ZR 119/83 -, BGHZ 91,31,33 ff. m.N.; BGH v. 21. 02. 1986 - V ZR 195/84 -, BGHZ 97, 171, 175 ff. 273 OLG Hamburg v. 15.03. 1989 - 4 U 173/88 -, OLGZ 1990,65,66 ff. m.N. 274 Zur Annahme der Unzumutbarkeit wegen einseitiger Handlung mit umsatzsteuerlichen Folgen vgl. auch Peusquens. BB 1975, 1367, 1369, für den Fall der Minderung der abziehbaren Vorsteuer beim Käufer im Falle verdeckter Preisnachlässe (Inzahlungnahme gebrauchter Gegenstände) nach einer Umsatzsteuerberichtigung des Verkäufers. 271
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III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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(3) Spätestens an dieser Stelle offenbart sich jedoch die wahre Dimension der gewählten Ausgangsfrage. Es zeigt sich nämlich, daß eine Antwort auf die Frage nach dem zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vennieters entsprechend den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Rahmen des Merkmals der "Unzumutbarkeit" nicht ohne vorherige Untersuchung der bisher bei der Prüfung der Voraussetzungen der "Wesentlichkeit" und der "Risikozuweisung" noch offengelassenen Fragen nach der Vereinbarkeit des § 9 Abs. 2 UStG n.P. mit dem steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip und nach der Zulässigkeit der Begründung eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs durch Heranziehung einer verfassungswidrigen Wirkung einer steuerlichen Nonn gegeben werden kann. Konnte zur Begründung der "Wesentlichkeit" der Änderung noch unabhängig von dem Eintritt bleibender steuerlicher Belastungswirkungen auf den bloßen strukturellen Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis zurückgegriffen werden 275 und ließ sich die Zuweisung des Risikos des Eintritts einer options schädlichen Nutzungsänderung in die Sphäre des Mieters noch allein durch die Einseitigkeit der Handlung des Mieters unabhängig von deren konkreter Rechtsfolge begründen 276 , so wäre demgegenüber die Annahme der "Unzumutbarkeit" allgemein nur unter Rückgriff auf das Merkmal der "einseitigen Herbeiführung belastender steuerlicher Rechtsfolgen durch den Mieter in der Sphäre des Vermieters" möglich. Schon auf den ersten Blick erscheint es jedoch im Falle einer optionsschädlichen Nutzungsänderung möglich, daß gerade die auf § 9 Abs. 2 UStG n.P. beruhenden, einseitig durch den Mieter herbeigeführten steuerlichen Rechtsfolgen das verfassungsrechtliche Prinzip der Besteuerung entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzen. Nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters entsteht nämlich eine steuerliche Belastung des Vermieters 277 , ohne daß zugleich eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vennieters - wie immer man sie auch umsatzsteuerrechtlich bestimmen mag - erkennbar wird. 278 Stellte sich aber heraus, daß § 9 Abs. 2 UStG n.P. verfassungswidrige Wirkungen hervorruft, ist weiterhin fraglich, ob gerade diese Wirkungen zivilrechtlich dazu dienen dürfen, einen Ausgleichsanspruch des Vennieters nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu begründen. (4) Diese zuletzt gestellte Frage ist indes klar zu verneinen. Das Zivilrecht hat nämlich nicht die Aufgabe, die Folgen verfassungswidriger (Steuer-)Nonnen zu mildern oder gar zu beseitigen. s. oben, Teil A.III.3.b)bb), S. 78 f. s. oben, Teil A.III.3.b)cc), S. 79 ff. 277 Zum Entstehen einer relevanten Belastungswirkung beim Vennieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung vgl. unten, Teil B.III.!., S. 155 ff. 278 Zum Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip näher unten, Teil D.Y., S. 299 ff. 275
276
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungszie1s
Ebenso, wie ein objektiver Verfassungsverstoß einer steuerlichen Norm nicht durch die Gewährung zivilrechtlicher Ansprüche heilbar ist oder - entgegen vereinzelt279 vorgetragener gegenteiliger Ansicht - auch nicht durch das Bestehen eines auf die zu dem Verfassungs verstoß führenden Wirkungen der Norm gestützten zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs verhindert werden kann, darf umgekehrt ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch nicht unter Rückgriff auf den Verfassungsverstoß einer Norm begründet werden. 28o Denn einerseits schafft das Zivilrecht durch die Gewährung von Ausgleichsansprüchen keinerlei Präjudizien für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Wirkungen einer steuerlichen Norm. 281 Andererseits folgt schon aus dem Gebot der Einheit der Rechtsordnung sowie aus der Normenhierarchie, daß die Erkenntnis der Verfassungs widrigkeit der Wirkungen einer steuerlichen Norm die Herleitung einfachrechtlicher Folgen aus diesen Wirkungen nicht zuläßt. Das Zivilrecht darf daher dem außerhalb eines Steuerschuldverhältnisses stehenden Dritten keine Ausgleichspflicht auferlegen, solange dieser seine durch einen verfassungswidrigen Steuertatbestand geschaffene Befähigung zur Erhöhung der Steuerbelastung eines anderen nicht vorsätzlich in schädigender Weise ausnutzt, sondern lediglich seine allgemeine Handlungsfreiheit gebraucht. Die Verantwortung des Gesetzgebers zur Beachtung des Verfassungsrechts darf nicht auf zivilrechtliche Vertragspartner abgewälzt werden, indem deren Handhingsfreiheit durch drohende Ausgleichsansprüche beengt wird. Stellt sich also heraus, daß § 9 Abs. 2 UStG verfassungswidrig ist, so muß die Gewährung eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruches für den Vermieter im Wege der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in jedem Falle ausscheiden. Denn Korrekturbedarf hinsichtlich der Rechtsfolgen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung besteht dann ausschließlich im Bereich des Steuerrechts. (5) Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß sich die Unzumutbarkeit des unveränderten Festhaltens des Vermieters am Mietvertrag nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung im Einzelfall grundsätzlich nicht daraus ergeben wird, daß die den Vermieter treffenden finanziellen Belastungen quantitativ derart hoch sind, daß dessen wirtschaftliche Interessen unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht mehr annähernd gewahrt sind. Jedoch erscheint es möglich, die Unzumutbarkeit für den Vermieter unabhängig von der konkreten Höhe der im Einzelfall entstehenden Belastung allgemein daraus herzuleiten, daß diese Belastung ausschließlich einseitig durch den Mieter herbeigeführt wird. Die Begründung eines Anspruchs des Vermieters entsprechend 279 Meilicke / Heidel, DB 1993, 313, 316 f., mit der Begründung, die zivilrechtliche Beurteilung sei "Vorfrage" im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung. Dagegen zu Recht Schöne, WM 1993,2145,2145 (Fn. 5), unter Hinweis auf Art. 100 Abs. 1 GG. 280 In diesem Sinne auch Schöne, WM 1993,2145,2145 (Fn. 5). 281 Schöne, WM 1993,2145,2145 (Fn. 5).
III. Zivilrechtliche Ausgangsfrage der Untersuchung
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den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage unter Heranziehung dieses Kriteriums ist jedoch nur dann zulässig, wenn § 9 Abs. 2 UStG n.E nicht auf Grund des Umstandes, daß er diese Wirkungen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung zuläßt, verfassungswidrig ist. Daher kann ohne vorherige Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG das Bestehen eines solchen Ausgleichsanspruchs des Vermieters gar nicht abschließend beurteilt werden.
4. Ergebnis
Die Problematik des zivilrechtlichen Ausgleichs der steuerlichen Folgen einer options schädlichen Nutzungsänderung ist sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung bisher nicht erkannt worden. 282 Demzufolge werden keine geeigneten zivilrechtlichen Ausgleichsmechanismen diskutiert, die nach dem Eintritt einer optionsschädlichen Nutzungsänderung zugunsten des betroffenen Vermieters eingreifen könnten. Lediglich hinsichtlich einer vertraglichen Risikovorsorge unterbreitet die Literatur gefährdeten Vermietern geeignet erscheinende Vorschläge. 283 Das Risiko der Durchsetzung sinnvoller vertraglicher Klauseln obliegt jedoch dennoch allein den Vermietern. Die Untersuchung hat gezeigt, daß zivilrechtliche Ausgleichsansprüche des von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vermieters nur in Ausnahmefällen existieren, sofern der Mietvertrag diese Frage nicht bereits ausdrücklich regelt. Derartige Ansprüche können sich indes allenfalls durch ergänzende Vertragsauslegung des Mietvertrages oder durch Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben. Im Wege ergänzender Vertragsauslegung lassen sich Ersatz- oder Ausgleichsansprüche des Vermieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung allerdings nur dann herleiten, wenn eine mietvertragliche Optionsverpflichtung des Vermieters· besteht. 284 Bei der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wiederum besteht ein erster bedeutender Unsicherheitsfaktor schon darin, ob die Vorstellungen der Parteien vom Bestehenbleiben der Optionsvoraussetzungen Geschäftsgrundlage sein können, da die Zweiseitigkeit der Vorstellungen in der Regel nur im Einzelfall bestimmt werden kann?85 Hinsichtlich der Wesentlichkeit der Rechtsfolgen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung ist jedoch eine Verallgemeinerung für sämtliche Fälle optionsschädlicher Nutzungsänderungen dahingehend möglich, daß der Eingriff in die Struktur des Mietverhältnisses durch die Veränderung der Kalkulationsgrundlagen aus sich heraus als wesentlich anzusehen 282 283 284 285
Dazu oben, Teil A.III.I., S. 59 ff. Genauer unten, Teil EII.2., S. 379 ff. s. oben, Teil A.III.3.a)bb), S. 69 ff. s. oben, Teil A.III.3.b)aa)(3), S. 76 ff.
A. Problemdarstellung und Bestimmung des Prüfungsziels
88
ist. 286 Ebenso führt die Einseitigkeit der Handlung des Mieters sowie dessen abstrakte Herrschaft über den Tatbestand der optionsschädlichen Nutzungsänderung zu der normativen Wertung, daß das Risiko des Eintritts der umsatzsteuerlichen Rechtsfolgen dem Mieter aufzuerlegen ist. 287 Die größte Unsicherheit bei der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage birgt allerdings das Kriterium der Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Vertrages in der bisherigen Form. Denn nach der Rechtsprechung kann die Unzumutbarkeit lediglich im Einzelfall in Abhängigkeit von der Höhe der den Vermieter treffenden Belastungen beurteilt werden. Die für die Annahme der Unzumutbarkeit erforderliche Höhe dieser Belastungen wird in den Fällen options schädlicher Nutzungsänderungen jedoch nicht erreicht. Man ist daher diesbezüglich geneigt, die Unzumutbarkeit mit strukturellen Merkmalen des Tatbestandes der options schädlichen Nutzungsänderung zu begründen. Spätestens an dieser Stelle stößt man jedoch an die Grenzen dessen, was das Zivilrecht zu leisten vermag, wenn sich herausstellen sollte, daß die Bejahung der Unzumutbarkeit aus den genannten qualitativen Gründen die zivilrechtliche Sanktionierung eines Verfassungsverstoßes des § 9 Abs. 2 UStG n.F. bedeutete. Die Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG bleibt daher im folgenden zu prüfen, bevor die Frage nach dem Bestehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs des Vermieters abschließend beantwortet werden kann.
IV. Verfassungsrechtlicher Aspekt der Untersuchung
Wie gezeigt, läßt sich die zivilrechtliche Ausgangsfrage erst dann abschließend beantworten, wenn über die Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 UStG n.F. im Hinblick auf die durch diese Norm verursachten Wirkungen der optionsschädlichen Nutzungsänderung eine konkrete Aussage getroffen werden kann. Daher kristallisiert sich als eigentliches Problem bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Norm in bezug auf ihre grundrechtsbezogenen Wirkungen heraus. Diese Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG im Hinblick auf die nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung eintretenden spezifischen grundrechtsbezogenen Wirkungen wurde bislang weder in der Literatur noch in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung gestellt. Insbesondere der Bundesfinanzhofwar mit der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG bisher lediglich indirekt befaßt, nämlich soweit es um die Anwendung der Neufassung entsprechend der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 20 Nr. 23 des StMBG288 geht. Diesbezüglich hatte der Bundesfinanzhof89 in zwei Entscheidun286 287 288
s. oben, Teil A.III.3.b)bb), S. 78 f. s. oben, Teil A.I1I.3.b )cc), S. 79 ff. BGBI. 1993 I, 2310, 2341.
IV. Verfassungsrechtlicher Aspekt der Untersuchung
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gen über die Auslegung des Merkmales des Beginns der Errichtung in § 27 Abs. 2 UStG n.F. zu befinden, wobei er in einem Fall einen VOrlagebeschluß 29o zum Europäischen GerichtshoJformulierte. Das Vorhaben der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der grundrechtsrelevanten Wirkungen der steuerrechtlichen Norm § 9 Abs. 2 UStG wirft indes diverse neue Probleme auf, die im folgenden dargestellt und einer Lösung zugeführt werden sollen. Besonderes Gewicht wird dabei auf die spezifisch umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten im Zusammenhang mit der Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG und des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips gelegt. Es soll vor allem die in der Literatur anzutreffende Ansicht widerlegt werden, das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip finde im Umsatzsteuerrecht keine Anwendung?91 Weiterhin ist es bei dieser Annahme, auch das Umsatzsteuerrecht orientiere sich am Leistungsfähigkeitsprinzip, notwendig, einen Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit für das Umsatz steuerrecht zu definieren bzw. zu konkretisieren 292 , ehe eine Prüfung der Belastungswirkungen293 des § 9 Abs. 2 UStG n.F. an Art. 3 Abs. 1 GG und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit möglich ist. Es ist jedoch erforderlich, der schwerpunktmäßig steuerrechtlichen Arbeit in einigen Abschnitten spezifische verfassungs- und grundrechtsdogmatische Ausführungen vorauszuschicken. Dies ist z. B. unerläßlich, um zunächst eine dogmatisch tragfähige Basis der grundrechtlichen Prüfung der Steuemorm des § 9 Abs. 2 UStG n.F. zu schaffen. Es kann nämlich insbesondere bereits in der grundlegenden Frage des zutreffenden grundrechtlichen Prüfungsmaßstabs für die Überprüfung einer steuerrechtlichen Norm derzeit kein Konsens in der Literatur festgestellt werden?94 Wie zu zeigen sein wird, kommen als grundrechtliche Prüfungsmaßstäbe in Abhängigkeit von der spezifischen Wirkungs struktur der zu prüfenden Norm allerdings sowohl der allgemeine Gleichheitssatz (für die Prüfung faktischer Belastungswirkungen) als auch die Freiheitsgrundrechte (für die Prüfung faktischer Lenkungswirkungen) in Betracht. Vor der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 UStG n.F. soll allerdings zum besseren Verständnis vieler im Verlauf der Prüfung angewandter Wertungsgesichtspunkte zunächst der dieser Untersuchung zugrundegelegte Charakter295 der Umsatzsteuer dargestellt werden. Denn der Charakter der Umsatzsteuer 289 BFH v. 13.02.1998 - V B 69/97 -, UR 1999,33,34; BFH v. 27. 08.1998 - V R 77 / 96 -, BFHE 186,468,470 ff. = UR 1999, 30, 31 ff. 290 BFH v. 27.08.1998, a. a. O. (Fn. 289). 291 Näher dazu unten Teil c.n.2., S. 224 ff. 292 Näher dazu unten Teil C.lI.3., S. 242 ff. 293 Zu den verschiedenen Be1astungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. s. Teil B.III., S. 155 ff.; zu deren Verfassungsmäßigkeit unten, Teil D., S. 284 ff. 294 Näher dazu unten Teil B.lI.1., S. 133 ff.
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A. Problemdarstellung und Bestimmung des Priifungsziels
ist in der Literatur bis heute umstritten. Dieser Streit hat seine Ursache jedoch genaugenommen darin, daß keine Einigkeit darüber besteht, welche Merkmale das Wesen einer Steuer bestimmen. 296 Da allerdings im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nur die Priifung der grundrechtsrelevanten Wirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. beabsichtigt ist, ist allein eine priifungszielbezogene Bestimmung des Charakters der Umsatzsteuer notwendig, welche die Umsatzsteuer im Hinblick auf ihre Belastungswirkungen sowohl in bezug auf das Steuergut als auch den Steuerträger charakterisiert. Die nachfolgende Priifung der Vereinbarkeit der grundrechtsrelevanten Wirkungen des § 9 Abs. 2 UStG mit den Grundrechten ist daher wie folgt gegliedert: In einem ersten Teil (Teil B.) sind grundlegende Überlegungen zum Charakter der Umsatzsteuer, zum anzuwendenden Priifungsmaßstab sowie zum genauen Inhalt des Priifungsgegenstandes, d. h. der spezifischen Wirkungen des § 9 Abs. 2 UStG, dargestellt. Daran schließt sich die Priifung der Belastungswirkungen am allgemeinen Gleichheitssatz an, was jedoch zunächst einige grundlegende Betrachtungen zu Anwendbarkeit und Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht erfordert (Teil C.), bevor die spezifischen Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG im einzelnen gepriift werden können (Teil D.). Zuletzt werden die ermittelten Gestaltungs- und Lenkungswirkungen der Norm an den Freiheitsgrundrechten gepriift (Teil E.).
295 296
Sogleich unten Teil B.I., S. 91 ff. Dazu genauer unten, Teil B.l.l., S. 91 ff.
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit sowie Konkretisierung des Prüfungsgegenstandes I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer im Hinblick auf ihre Belastungswirkungen: indirekte Verbrauchsteuer 1. Kriterien der rechtlichen Charakterisierung der Umsatzsteuer bezogen auf das Prüfungsziel
Die Frage nach dem rechtlichen Charakter des geltenden Umsatzsteuersystems (All-Phasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug) wird in der Literatur bis heute nicht einheitlich beantwortet. Ohne rechtliche Qualifikation der Umsatzsteuer ist jedoch jede teleologisch orientierte Gesetzesauslegung und -anwendung unmöglich. Insbesondere eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit umsatzsteuerrechtlicher Normen muß sich in weiten Bereichen auf Auslegungsvorgänge und Wertungen stützen, weIche nur dann zu überzeugen vermögen, wenn sie konsequent und widerspruchsfrei aus einem zuvor offengelegten, seinerseits überzeugend als das Umsatzsteuersystem prägend erkannten Charakter der Umsatzsteuer abgeleitet werden können. Daher ist zunächst darzustellen, weIches Verständnis des Umsatzsteuersystems dieser Untersuchung zugrunde gelegt wird. Das "Wesen" bzw. der "Charakter" der Umsatzsteuer wird allerdings in der Steuerrechtswissenschaft bis heute so kontrovers diskutiert, die herkömmlichen Ansichten zum Charakter der Umsatzsteuer erscheinen so gegensätzlich, daß die Anerkennung der einen oder der anderen Ansicht beinahe wie ein Glaubensbekenntnis anmutet. Bei näherer Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung fällt jedoch auf, daß die Ursache für die bis heute anhaltende Diskussion über den rechtlichen Charakter der Umsatzsteuer gar nicht im Umsatzsteuerrecht selbst liegt. Vielmehr entstehen die konträren Aussagen zum Charakter der Umsatzsteuer dadurch, daß offensichtlich unklar ist, weIche Merkmale für die Bestimmung des rechtlichen "Wesens" einer Steuer wirklich prägend sind. 1 Die gegensätzlichen Ansichten über den Charakter der Umsatzsteuer schöpfen ihre Unvereinbarkeit also nicht etwa aus einer besonderen Undurchschaubarkeit oder Unklarheit des Umsatzsteuerrechts, sondern allein daraus, daß ihre Vertreter jeweils I Zur Diskussion über die wesensbestimmenden Merkmale s. nur: Philipowski, UStKongrBer. 1985, 183, 183 ff.; Söhn, StuW 1975, 1,8 ff.; Tehler; Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und/ oder Verbrauchsteuer, S. 14 ff.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
ein anderes Kriterium zur Beschreibung des Wesens der Umsatzsteuer bevorzugen? Üblicherweise wird der Streit um den materiell-rechtlichen Charakter der Umsatzsteuer in diesem Zusammenhang entweder zwischen der Einordnung der Umsatzsteuer als indirekter Verkehrsteuer oder als indirekter Verbrauchsteuer entschieden. 3 Neuerdings findet sich jedoch eine weitere Ansicht in der Literatur, nach der die Umsatzsteuer als "Wertschöpfungsteuer" (oder auch: Unternehmersteuer) qualifiziert wird. 4 Die Vertreter der sogenannten Verkehrsteuer-Theorie gehen dabei davon aus, daß allein der Steuertatbestand das Wesen einer Steuer bestimmen müsse, auf die Wirkungen der Besteuerung komme es grundsätzlich nicht an. 5 Demgegenüber ziehen die Befürworter sowohl der sogenannten Verbrauchsteuer-Theorie als auch die Vertreter der Wertschöpfungsteuer-Theorie gerade die Belastungswirkungen der Steuer als maßgebliches Kriterium heran. 6 Zu dieser Kontroverse ist anzumerken, daß es aus bestimmten Gründen sowohl zweckmäßig sein kann, den formal-rechtlichen Steuertatbestand als auch die entstehenden Belastungswirkungen als maßgebliches charakteristisches Merkmal einer Steuer zu betrachten. Welchem Merkmal der Vorzug zu geben ist, hängt jedoch allein vom Sachzusammenhang ab, in welchem die Charakterisierung vorgenommen wird. Es ist daher an dieser Stelle nicht nötig, allgemeingültig zu entscheiden, ob die Umsatzsteuer rechtlich generell durch ihren (formalen) Besteuerungstatbestand oder ihre Wirkungen charakterisiert wird. Es genügt hier vielmehr eine Charakterisierung, die dem spezifischen Prüfungszie1 dieser Untersuchung, d. h. der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer umsatzsteuerrechtlichen Norm, gerecht wird. Auszugehen ist daher von der Tatsache, daß für die verfassungsrechtliche Prüfung der Norm des § 9 Abs. 2 UStG vor allem die Grundrechte als Prüfungsmaßstab in Betracht kommen. 7 Demnach kommt es im Rahmen dieser Untersuchung nicht darauf an, welcher Kategorie von Steuern die Umsatzsteuer für verwaltungsrechtliche 8 oder finanzverfassungsrechtliche 9 Zwecke zugeordnet werden muß. Vielmehr ist der materiell-(grund)rechtliche Gehalt der Umsatzsteuer aus grundrechtlicher Perspektive zu finden, welcher sich in den grundrechtsbeeinträchtigens. dazu auch Philipowski, UStKongrBer. 1985, 183, 184 f. Dazu unten Teile B.1.2.a), S. 95 f. und B.I.2.b), S. 96 ff. 4 Dazu unten Teil B.I.2.d), S. 99 ff. 5 s. unten, Teil B.1.2.a), insb. Nachweise in Fn. 24. 6 Tipke, SteuRO 11, § 19 2.23, S. 896; ders., StuW 1992, 103, 107; ders., UR 1972, 2, 3; Söhn, StuW 1975, 1, 8 ff.; Tehler; Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und 1oder Verbrauchsteuer, S. 14 ff. 7 Genauer unten, Teil B.l1.2., S. 150 ff. 8 Dazu siehe nur: Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 66 ff.; Söhn, StuW 1975, 1,6 ff.; BFH v. 16. 10. 1986 - V B 64/86 -, BFHE 148, 10, 11 ff. =BStB!. 1987 11, 95, 96 ff. 9 Dazu siehe nur: Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 61 ff. 2
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I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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den Wirkungen der Umsatzbesteuerung konkretisiert. Diese Wirkungen bestehen vor allem in den durch die Besteuerung tatsächlich hervorgerufenen Belastungswirkungen. lo Somit sind allein die steuerlichen Belastungswirkungen für die hier notwendige Bestimmung des Wesens der Umsatzsteuer ausschlaggebend. Die Besteuerungstatbestände sind zur Charakterisierung der Umsatzsteuer für den Zweck der folgenden Untersuchung daher nicht lediglich formal zu betrachten, sondern in bezug auf die von ihnen hervorgerufenen Belastungswirkungen zu interpretieren. Steuerliche Belastungswirkungen lassen sich indes nur unter Beachtung ihres doppelten Bezugspunktes vollständig beschreiben. Belastungswirkungen weisen stets sowohl eine personelle Komponente als auch einen gegenständlichen Bezug auf. Sie sind somit nur dann lückenlos erfaßbar, wenn die Person des steuerlich Belasteten und das Objekt des steuerlichen Zugriffes bekannt sind. 11 Das Ziel einer Charakterisierung der Umsatzsteuer im Hinblick auf ihre Belastungswirkungen muß es daher sein, eine in diesem Sinne doppelte Aussage zu treffen. Die Wirkungen der Umsatzsteuer müssen also einerseits personell zugeordnet werden, d. h. es ist festzustellen, welche Personen Steuerträger der Umsatzsteuer sind. Darüber hinaus ist andererseits zugleich zu ermitteln, auf welches Steuergut die Umsatzsteuer belastend zugreift. Entsprechend diesem doppelten Priifungsziel ist die nachfolgende Untersuchung des Wesens der Umsatzsteuer in die Analyse von Steuergut und Steuerträger der Umsatzsteuer zu gliedern. 12 Dabei ist jedoch stets die Relevanz der Argumente der herkömmlichen Ansichten zum Charakter der Umsatzsteuer zu überpriifen, da mit den verschiedenen Einordnungen nicht in jedem Falle sowohl eine Aussage über das Steuergut als auch über den Steuerträger der Umsatzsteuer beabsichtigt wird. Mit der Einordnung der Umsatzsteuer als "Verkehrsteuer" wird lediglich das Steuergut l3 näher charakterisiert, d. h. es wird nur festgestellt, welche Vorgänge als steuerwürdig gelten sollen. Diese Zuordnung der Umsatzsteuer impliziert keine Aussage über die konkrete personelle Verteilung der steuerlichen Lasten. Hingegen werden als "Verbrauchsteuer" oder als "Wertschöpfungsteuer" solche Steuern bezeichnet, die den Verbrauch als Ausdruck steuerlicher Leistungsfahigkeit beim Verbraucher l4 bzw. unternehmerische Wertschöpfungen beim Unternehmer l5 belasten. Man kann diesen Charakteristika der Umsatzsteuer daher sowohl bezogen auf die personelle Verteilung der steuerlichen Lasten als auch bezogen auf das Steuergut eine Auskunft entnehmen. Zu den Belastungswirkungen s. unten, Teil B.III., S. 155 ff. Dies wird verkannt, wenn bei der Untersuchung der Wirkungen der Umsatzsteuer z.T. ausschließlich auf das Steuergut abgestellt wird, vgl. z. B. Tehler, Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und/ oder Verbrauchsteuer, S. 14 ff. (18). 12 s. unten, Teile B.I.2. und 3. 13 Dazu näher unten, Teil B.I.2.a), S. 95 f. 14 Dazu näher unten, Teil B.I.2.b), S. 96 ff. IS Dazu näher unten, Teil B.I.2.d), S. 99 f. 10 11
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
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Damit wird jedoch deutlich, daß die Begriffe "Verkehrsteuern", "Wertschöpfungsteuern" sowie "Verbrauchsteuern" nach ihrem herkömmlichen Inhalt nur insoweit sinnvolle Gegenmodelle darstellen, als die Frage nach dem Steuergut gestellt wird. Hinsichtlich der hier außerdem relevanten Frage nach dem Steuerträger der Umsatzsteuer gehört jedoch der Begriff "Verkehrsteuer" nicht zu derselben Begriffskategorie 16 wie die übrigen, so daß diesbezüglich die dargestellten herkömmlichen Einordnungen der Umsatzsteuer zu überdenken sind. Im Hinblick auf die personelle Belastungsverteilung ist als Gegensatz zur Verbrauchsteuer nur ein Verständnis der Umsatzsteuer geeignet, welches eine ausschließliche Belastung des umsatzsteuerrechtlichen Unternehmers annimmt, wie dies etwa bei der Einordnung als "Wertschöpfungsteuer" angestrebt wird. 17 Aus diesem Grunde soll im folgenden im Rahmen der Frage nach dem Steuerträger der Umsatzsteuer das Begriffspaar "Verbrauchersteuer" und "Unternehmersteuer" verwendet werden, um die gegensätzlichen Alternativen der personellen Verteilung der umsatzsteuerlichen Belastungen zu kennzeichnen.
2. Verbraucher als Steuerträger der Umsatzsteuer
Die personelle Komponente umsatzsteuerlicher Belastungswirkungen kann nur durch die Beantwortung der Frage nach der Person des Steuerträgers der Umsatzsteuer veranschaulicht werden. Als Steuerträger wird - unabhängig von der Person des Steuerschuldners 18 - stets diejenige Person bezeichnet, in deren Sphäre eine bestimmte steuerliche Belastungswirkung im Ergebnis wirtschaftlich verbleibt. 19 Die Unterscheidung zwischen Steuerschuldner und Steuerträger ist sowohl im Bereich der direkten als auch im Bereich der indirekten Steuern von Bedeutung, jedoch tritt die Problematik der Bestimmung des Subjektes einer steuerlichen Belastungswirkung im Bereich direkter Steuern wegen der Personenidentität von Steuerträger und Steuerschuldner nicht deutlich hervor?O Vgl. Ruppe, FS f. K. Tipke 1995,457,459 f.; Theile, StuW 1996, 154, 155. Dazu näher unten, Teil B.1.2.d), S. 99 f. 18 So deutlich: Tipke, StuW 1992, 103, 105: "Die Gerechtigkeitsfrage betrifft immer die Steuerträger, nicht diejenigen, die aus steuertechnischen Gründen zum Steuerschuldner erklärt werden."; ders., StuW 1993, 105, 108; vgl. schon A. Hensel, Steuerrecht, § 11 1.3., S. 64. 19 Daher auch die Bezeichnung "Steuerträger". In diesem Sinne zu verstehen schon A. Hensel, Steuerrecht, § 11 1.1., S. 63: "Die Steuer ist eine wirtschaftliche Last. Irgendwie wirkt sie sich als Verminderung des Vermögens einer Person aus. Diese Person bezeichnen wir als Steuerträger. ... Steuerträger im Rechtssinne ist also der auf öffentlich-rechtlicher Grundlage privatrechtlich Ausgleichspflichtige.", auch wenn für den Bereich des Umsatzsteuerrechts, dessen Steuerträger die Verbraucher sind, die Zahlung der (überwälzten) Umsatzsteuer durch den Verbraucher an den Unternehmer sicher nicht als zivilrechtliche Ausgleichspflicht gelten kann. 20 Dies beschrieb schon A. Hensel, Steuerrecht, § 11 (Der Steuerschuldner), S. 62 ff. (64 oben). 16
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I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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Für die Umsatzsteuer gilt es diesbezüglich zu entscheiden zwischen den Alternativen der Verbrauchersteuer (Belastung des Verbrauchers) bzw. der Unternehmersteuer (Belastung des umsatzsteuerpflichtigen Unternehmers).
a) Verkehrsteuer- Theorie
Nach der Verkehrsteuer-Theorie soll als charakteristisches Merkmal der Umsatzsteuer gelten, daß durch den Steuertatbestand ausschließlich Akte des Rechtsverkehrs als Steuergut der Umsatzsteuer erfaßt werden?l Vor allem der Bundesfinanzhof2 verteidigt in seiner Rechtsprechung beharrlich die These, die Umsatzsteuer sei rechtlich als Verkehrsteuer in diesem Sinne zu begreifen. Teilweise folgt sogar das Bundesverfassungsgericht23 in seiner Rechtsprechung unter Berufung auf den Bundesfinanzhof dieser Ansicht. In der Literatur hingegen ist die Annahme, die Umsatzsteuer sei als Verkehrsteuer zu begreifen, als Mindermeinung anzusehen. 24 Zwar betonen insbesondere namhafte Umsatzsteuerexperten wie Eberhard Weij325, der in seiner Funktion als Richter im Umsatzsteuersenat des Bundesfinanzhofs auch einen bedeutsamen Einfluß auf die Rechtsprechung ausübte 26 , bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder den Charakter der 2l BFH v. 04. 12. 1952 - V 84/51 S -, BFHE 57,473,489 = BStBl. 1953 I1I, 183, 188; BVerfG v. 07. 05. 1963 - 2 BvL 8, 10/61 -, BVerfGE 16,64, 73 m.N.; Philipowski, UStKongrBer. 1985, 183, 183,201 f.; Weiß, UR 1993,329,333; ders., UR 1981, 149, 149 f. Zum Begriff der Verkehrsteuem s. auch Mirre, Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VII. Abt., 3. Teil A., § 1 1., S. 275; Tipke, SteuRO 11, § 20 1., S. 932; BFH v. 27. 06. 1973 - 11 R 179171-, BFHE 110,213,215 = BStBl. 197311,807,808; BVerwG v. 07. 03.1958 - VII C 84.57 -, BVerwGE 6,247,255 f. 22 BFH v. 04. 12. 1952 a.a.O. (Fn. 21), BFHE 57, 473, 489 = BStBl. 1953 III, 183, 188 (Weinabgabe in Rheinland-Pfalz): "Ist die Weinabgabe eine Verkehrsteuer, dann tritt sie in Konkurrenz mit der Umsatzsteuer ... "; BFH v. 13. 12. 1962 - V 87/60 S -, BStBl. 1963 m, 72,73; BFH v. 08.11. 1972 - 11 B 24/72 -, BFHE 107, 315, 318 f. = BStBl. 197311,94,96 (Straßengüterverkehrsteuergesetz): "Die meisten Verkehrsteuern einschließlich der Umsatzsteuer ... ". Auf einen maßgeblichen "Verkehrsvorgang" stellen ab: BFH v. 27. 07. 1988 - X R 40/82 -, BFHE 154, 264, 268 = BStBl. 198811,1017,1019; BFH v. 09. 03. 1989 - V B 48/88 -, BFHE 156, 535, 538 = BStBl. 198911,580,582. 23 BVerfG v. 22. 05.1963 - 1 BvR 78/56 - BVerfGE 16, 147, 162 (Werkfernverkehrsteuer); BVerfG v. 05. 03. 1974 - 1 BvR 712/68 -, BVerfGE 36, 321, 333 (unter Verweis auf BFH v. 27. 06. 1968 - V R 128/66 -, BFHE 92, 144, 146 = BStBl. 1968 11, 488, 488). 24 Vertreter dieser Ansicht sind insbesondere: Weiß, StbKongrRep. 1981, 131, 137, 139; ders., UR 1981, 149, 149; ders., UR 1982,246; ders., UR 1988,277,279; Woemer, DStJG 13 (1990),247,252; Widmann, DB 1985,2073,2074; Hübner, UR 1985,6,7; Philipowski, UStKongrBer. 1985, 183,202 (nur bzgl. binnenländischer Umsatzsteuer). Aus der älteren Literatur z. B. A. Hensel, Steuerrecht, § 39 11., S. 220 ("Wie alle Verkehrsabgaben knüpft auch die Umsatzsteuer in ihrem rechtlichen Tatbestand an den einzelnen Akt des Verkehrslebens, den Leistungsaustausch, an."). 25 s. Nachw. in Fn. 24 sowie Weiß, UR 1993,329,333. 26 Vgl. Tipke, StuW 1992, 103, 107 f.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Umsatzsteuer als Verkehrsteuer. Dennoch vermochte sich diese Ansicht aus guten Gründen in der Literatur nicht durchzusetzen. 27 Die Qualifikation der Umsatzsteuer als Verkehrsteuer im oben genannten Sinne ist indes nicht geeignet, eine Aussage über die endgültige personelle Verteilung der grundrechtsrelevanten umsatzsteuerrechtlichen Belastungswirkungen zuzulassen. 28 Dies ist allerdings auch gar nicht beabsichtigt, da von den Anhängern der Verkehrsteuer-Theorie ausschließlich der Steuertatbestand als Maßstab rechtlicher Qualifizierung einer Steuer anerkannt wird. 29 Die Vertreter der Verkehrsteuer-Theorie schließen sich daher hinsichtlich der Beschreibung der Belastungswirkungen der Umsatzsteuer zum Tei1 30 der Ansicht der Befürworter des Verbrauchsteuercharakters der Umsatzsteuer an, ohne daraus jedoch Konsequenzen für die Auslegung des Gesetzes zu ziehen.
b) Verbrauchsteuer- Theorie
Bereits die 1918/19 geschaffene Brutto-Umsatzsteuer3l wurde durch Teile der älteren Rechtsprechung 32 sowie in der Literatur vor allem 33 durch Johannes Popitz 34 , der in seiner Funktion als Referent für die Umsatzsteuer im ReichsDazu nur: Söhn, StuW 1975, 1,5 ff.; Tipke, StuW 1992, 103, 107 f. Mirre, Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VII. Abt., 3. Teil A., § 1 3., S. 276 f.; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 17; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Einf. 11., 1. Kap., § 51., Rz. 133.2.; auch Ruppe, FS f. K. Tipke 1995,457,459 f. 29 BFH v. 04. 12. 1952 a.a.O. (Fn. 21), BFHE 57, 473, 489 = BStBl. 1953 III, 183, 188; BFH v. 25. 09. 53 - V 69/53 S -, BFHE 58, 109, 112 ff. =BStBl. 53 III, 332, 333 f.; Weiß, UR 1993,329,333; ders., UR 1981, 149; ders., UR 1982, 246; Hübner UR 1985,6,7. Allgemein zur Maßgeblichkeit des Steuertatbestandes bei der Abgrenzung von Verbrauch- und Verkehrsteuern auch BVerwG v. 07. 03. 1958 a.a.O. (Fn. 21), BVerwGE 6, 247, 257; BFH v. 27. 06. 1973 a.a.O. (Fn. 21), BFHE 110, 213, 216 = BStBl. 1973 11, 807, 809; BVerfG v. 04. 02. 58 - 2 BvL 31, 33/56 -, BVerfGE 7, 244, 260. 30 Weiß, UR 1993, 329, 333; Philipowski, UStKongrBer. 1985, 183, 197 ff. (mit Einschränkungen). 31 Umsatzsteuergesetz 1918 v. 26. 07. 1918, RGBl. 1918, 779 ff.; Umsatzsteuergesetz 1919 v. 24. 12. 1919, RGBl. 1919,2157 ff. 32 RFH-Gutachten v. 09. 07. 1937 - V D 1/37 -, RFHE 42 (1937), 253, 254 f. = RStBl. 1937, 1306, 1307: "Die Umsatzsteuer ist ihrem Wesen nach eine allgemeine Verbrauchsteuer und erfaßt deswegen grundsätzlich jeden Umsatz."; RFH-Gutachten v. 02. 07. 1938 - Gr.S. D 5/38 -, RFHE 44 (1938),198,199 = RStBl. 1938,743,743; RFH v. 24. 08.1938 - V 306/ 37 -, RFHE 44, 328, 329 = RStBl. 1938,903,903; BFH v. 03. 06. 1954 - V 262/53 U-, BFHE 59,75,76 = BStBl. 1954111,238,238; BFH v. 26. 02.1959 - V 209/56 U -, BFHE 68,538,544 = BStBl. 1959 III, 204, 206; BFH v. 18.08. 1966 - V 21/64 -, BFHE 87, 228, 229 = BStBl. 1967 III, 100, 101; BFH v. 17.04. 1969 - V 44/65 -, BFHE 95,353,355 f. = BStBl. 196911,413,414. 33 Neben Popitz sind weiterhin zu nennen: Herting, DStZ 1936, Nr. 25, S. 767; ders., DStZ 1936, Nr. 43, S. 1223 (1263), 1224 (1264); Mirre, Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VII. Abt., 3. Teil A., § 1 3., S. 276 f.; Hübschmann, FR 1954,529,531. 27 28
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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schatzamt und im Reichsfinanzministerium 35 einen wesentlichen Anteil am Entstehen des ersten deutschen Umsatzsteuergesetzes hatte, als Verbrauchsteuer charakterisiert. Die Verwendung des Begriffes "Verbrauchsteuer" sollte schon damals gleichzeitig auf zweierlei Merkmale der Umsatzsteuer hinweisen: Einerseits wurde zum Ausdruck gebracht, daß der "Verbrauch" als Steuergut der Umsatzsteuer anzusehen sei?6 Andererseits sollte die Charakterisierung der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer zugleich die Aussage einschließen, daß grundsätzlich ausschließlich der Endverbraucher (Konsument) Steuerträger der Umsatzsteuer seL 37 Es kann indes nicht unerwähnt bleiben, daß speziell Johannes Popitz diese Zuordnung der Umsatzsteuer zu den Verbrauchsteuern "lediglich" als eine finanzwissenschaftliche Einordnung begriff. "Vom Rechtsstandpunkt", so Popitz 38 , sei die Umsatzsteuer dagegen den Besitz- und Verkehrsteuern zuzurechnen, weil sie an Privatrechtsakte anknüpfe, statt, wie alle sonstigen Verbrauchsteuern und Zölle, an Realakte. 39 Mit dieser, lediglich von formal-technischen Merkmalen ausgehenden Analyse trug Popitz selbst maßgeblich zum Entstehen der Verkehrsteuer-Theorie bei. Jedoch muß berücksichtigt werden, daß sich die Ausführungen von Popitz in diesem Zusammenhang erkennbar40 nur auf die formale verwaltungsrechtliche Einordnung der Umsatzsteuer beziehen. Die rechtliche Relevanz der Wirkungen einer Steuer scheint zu diesem Zeitpunkt noch unerkannt gewesen zu sein. In der vorliegenden Untersuchung jedoch, in der es ausschließlich auf den materiellrechtlichen Gehalt der Umsatzsteuer ankommt, der sich in den grundrechtsbeeinträchtigenden Wirkungen der Steuer manifestiert, muß die Bezugnahme auf früher genannte Argumente auch dann zulässig sein, wenn der Verfasser selbst diese als 34 Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in HBdFinWiss. (1927), Bd. H, VI. Abt., 2. Teil A., S. 180 ff.; ders., in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, I. Kap., S. 3 ff. (9 f.); ders., UStG 1919, I. Halbband, I. Teil: Einleitung, 2. Kap., A.H., S. 37 ff. (39); ders., PrVerwBI. 1918,533,534. 35 Popitz, in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, Vorwort S. V; Hübschmann, FR 1954, 529,530. 36 Popitz, in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, I. Kap. H., S. 5 ff. (10 f.). 37 Popitz, in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, I. Kap. H., S. 5 ff. (9). 38 Popitz, in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, I. Kap. HI.3., S. 13. 39 Popitz, in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, I. Kap. III.3., S. 13 f. und Einleitung, 4. Kap. IV., S. 92 ff. 40 Dies wird insbesondere deutlich an der Bemerkung "Das deutsche Steuerrecht kennt den - freilich auf anderen Gebieten des Verwaltungsrechts ... nicht ganz belanglosen - Unterschied von direkten und indirekten Steuern nicht." (Popitz, a. a. 0., S. 13 - Hervorhebung durch Verf.). Auch die weiteren Ausführungen sowie insbesondere der Verweis auf das 4. Kapitel der Einleitung (Popitz, a. a. 0., S. 14), welches mit dem Satz beginnt, "Für den verwaltungsrechtlichen Inhalt des Steuerrechts ist die Umsatzsteuer von besonderer Bedeutung ... " (Popitz, a. a. 0., S. 92 - Hervorhebung im Original), weisen deutlich darauf hin, daß die von Popitz vorgenommene "rechtliche" Einordnung der Umsatzsteuer nur eine verwaltungsrechtliche Zuordnung meint.
7 Löhr
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
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finanzwissenschaftliche und damit (unzutreffend) als rechtlich unerhebliche Charakteristika angesehen hat. 41 Für die nunmehr geltende Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug folgt heute die überwiegende Mehrzahl der Autoren 42 ebenfalls bzw. erst recht43 der Ansicht, die Umsatzsteuer sei entsprechend ihrer gesetzlichen Konzeption materiell-rechtlich dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Besteuerung des Steuergutes "Verbrauch,,44 herbeiführen sowie als Steuerträger den Verbraucher belasten wolle. 45 Es besteht Einvernehmen in der Beurteilung darüber, daß die Unternehmer lediglich aus verwaltungstechnischen Gründen 46 als Steuerpflichtige in Anspruch genommen werden. Nach der Verbrauchsteuer-Theorie ist also ausschließlich der Verbraucher Steuerträger der Umsatzsteuer. c) Widersprüchliche Rechtsprechung
In der neueren Rechtsprechung indes findet man widersprüchliche Aussagen über den materiell-rechtlichen Charakter der Umsatzsteuer. Sofern die Umsatzsteuer von der Rechtsprechung nicht als Verkehrsteuer47 qualifiziert wird, bleibt der für die Gesetzesauslegung maßgebliche Charakter in den Entscheidungen sowohl des Bundesveifassungsgerichts48 als auch des Bundesfinanzhofs meist ungeklärt. s. auch Söhn, StuW 1975, 1,8. Söhn, StuW 1975, 1 ff.; ders., FS f. v. Wallis 1985,439,443 ff.; ders., StuW 1976, 1, 17 ff., 21 ff.; ders., BB 1975,219,219; Stadie, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 55 ff., 85 ff.; ders., DStJG 13 (1990), 179, 180 f.; ders., Vorsteuerabzug, Kap. 1 Einf. S. 1 f.; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, vor § 1 Rnr. 9 ff.; Zeuner, in: Bunjes/Geist, UStG, Ein!. Anm. 3, Rnr. 6 a.E.; 1ipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 893 ff. m.N. (s. insb. Fn. 20); ders., StuW 1992, 103, 106 ff.; ders., DStR 1983,595,595 ff.; ders., UR 1972,2,3; Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 A.1. Rz. 1; ders., Der Verbraucher als Steuerträger der Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt, FS f. K. Tipke 1995,433 ff.; ders., StuW 1978, 126, 127; Ruppe, "Unechte" Umsatzsteuerbefreiungen, FS f. K. Tipke 1995, 457, 459 ff. (460); Tehler, Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und/oder Verbrauchsteuer, S. 10 ff., 37 ff.; ders., DStR 1983, 215, 217; Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 33 ff., 44 ff.; ders., BB 1983,693,693 f.; Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, S. 50 ff.; Selmer, StuW 1978, 321, 325; Crezelius, Steuerrecht 11, § 241., Rnr. 2 (S. 378); Dziadkowski, BB 1982, 2096, 2096; ders., DStZ 1985,419, 419; Horn, StuW 1970, 145, 151; Pohmer, FS f. P. Scherpf, 1983, S. 375, 381 ff., 384 ff.; Hardorp, UR 1986, 168, 169; Kruhl, BB 1998,666,666. 43 Vg!. unten, Teile B.I.2.e)cc), S. 101 f. und B.1.2.e)dd), S. 108 ff. 44 Zum Inhalt des Begriffes "Verbrauch" s. unten, Teil C.1I.3.b), S. 245 ff. 45 Zum doppelten Aussagegehalt des Begriffes "Verbrauchsteuer" vgl. nur: Söhn, StuW 1996, 165, 165 ff.; 1ipke, StuW 1992, 103, 106 ff.; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 18. Dies verkennt Theile, StuW 1996, 154, 155 ff. 46 s. nur: 1ipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 893 ff. (895); Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 A.1. Rz.1. 47 s. oben, Fn. 22 und Fn. 23. 41
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I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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Mißverständlich für die Frage nach dem Steuerträger erscheint insbesondere diejenige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs49 , welche im Anschluß an F. HertinlO die unklare und eher ein Verständnis der Umsatzsteuer als Unternehmersteuer nahelegende Formulierung verwendet, es gehöre zum "Wesen der Umsatzsteuer . . . , daß sie die wirtschaftliche Kraft besteuert, die sich darin ausdrückt, daß eine Ware (Leistung) Absatz findet." Während F. Herting seine Formulierung dahingehend zu konkretisieren versucht, daß "nicht die wirtschaftliche Kraft des Unternehmers, der den Absatz bewirkt, ... , sondern die volkswirtschaftliche Kraft, die sich darin äußert, daß eine Ware Absatzfindet,,51 gemeint sei und er die Umsatzsteuer dennoch finanzpolitisch klar als allgemeine Verbrauchsteuer verstehen wolle52 , erläutert oder präzisiert der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung die oben genannte Formel nicht näher.
d) " Wertschöpjungsteuer"
Ferner wird die Umsatzsteuer in der betriebswirtschaftlieh beeinflußten Literatur teilweise als eine "Steuer auf die unternehmerische Wertschöpfung,,53 charakterisiert. Als Steuergut ist nach dieser Ansicht die am Markt realisierte unternehmerische Wertschöpfung anzusehen. 54 Diese Annahme beruht auf der mittels betriebswirtschaftlicher Modelle entwickelten These, daß die gesetzlich intendierte Überwälzung der Umsatzsteuer durch die Unternehmer auf die Verbraucher tatsächlich nie 48 BVerfG v. 04. 02. 1958 - 2 BvL 31, 33/56 -, BVerfGE 7, 244, 260 (Badische Weinabgabe): "Ebenso wie die allgemeine Umsatzsteuer steht die badische Weinabgabe im Schnittpunkt zwischen Verbrauchsteuern und Verkehrsteuern. Ihrer wirtschaftlichen Wirkung nach sind beide allgemeine Verbrauchsabgaben, gesetzestechnisch sind jedoch beide als Verkehrsteuern ausgestaltet."; BVerfG v. 27. 07.1971 - 2 BvF 1/68,2 BvR 702/68 -, BVerfGE 31, 314, 331 f. (Umsatzsteuerpflicht öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten): " ... konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet der Verbrauch- und Verkehrsteuern und damit auch für deren Hauptanwendungsfall, die Umsatzsteuer, ... " (S. 331), "Das Charakteristikum, das das Wesen der hier zur Anwendung kommenden Umsatzsteuer bestimmt, liegt seit jeher in einer allgemeinen Verbrauchsbelastung und Besteuerung jeglichen Leistungsaustausches, der im Wirtschaftsleben vorkommt." (S. 331 f.). 49 BFH v. 25. 09.1953 - V 69/53 S -, BFHE 58,109,114 f. = BStB!. 1953 III, 332, 334; BFH v. 10.06. 1954 - V 45/53 S -, BFHE 59,77,78 = BStB!. 1954 III, 238, 239; BFH v. 13.12.1962 - V 87/60 S -, BStB!. 1963 III, 72, 73; BFH v. 27.06. 1968 - V R 128/66-, BFHE 92,144,146 = BStB!. 196811,488,488. 50 F. Herting, DStZ 1936, Nr. 43, S. 1223 (1263). 51 Herting, DStZ 1936, 1223 (1263) re. Sp. (Hervorhebungen im Original). 52 Herting, DStZ 1936,767,767: "Die Umsatzsteuer ist die allgemeine Verbrauchsteuer."; ders., DStZ 1936, 1223 (1263), 1224 (1264). 53 Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer, 1995, S. 96 ff., (136 f.); ders., StuW 1996, 154, 155 ff. (163). 54 Theile, StuW 1996, 154, 155, 163 f.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
(vollständig) gelingen könne 55 , weil die Umsatzsteuer stets Umsatzschmälerungen bei den Unternehmern hervorrufe und dadurch negativ auf die unternehmerische Zielgröße Gewinn einwirke. 56 Insofern sei also stets eine Belastung der Unternehmer zu beobachten. Mit dieser Erkenntnis müsse schließlich insbesondere die herrschende Verbrauchsteuer-Theorie als widerlegt gelten. 57 Neben der Aussage über das Steuergut soll dieser Charakterisierung der Umsatzsteuer eine weitere Erkenntnis entnommen werden können. Da die konkrete Belastungsverteilung vom Grad der Überwälzbarkeit im Einzelfall abhänge58 , die Überwälzbarkeit jedoch praktisch nicht gewährleistet sei, müsse tendenziell von einer (fast ausschließlichen) finanziellen Belastung des umsatzsteuerpflichtigen Unternehmers ausgegangen werden. 59 Bezogen auf die Frage nach dem Steuerträger geht diese Ansicht daher von der Umsatzsteuer als einer Unternehmersteuer aus und steht damit in wesentlichen Punkten im Gegensatz zu den herkömmlichen Ansichten. e) Stellungnahme
aa) Gesetzesmaterialien Für die Bestimmung des Charakters der Umsatzsteuer sind Aussagen über den materiell-rechtlichen Charakter der Umsatzsteuer in den Gesetzesmaterialien kritisch zu bewerten. Den Gesetzesmaterialien sämtlicher Umsatzsteuergesetze kann zwar regelmäßig die Absichtserklärung des entsprechenden Gesetzgebers entnommen werden, das betreffende Umsatzsteuergesetz im Sinne einer allgemeinen Verbrauchsteuer auszugestalten, d. h. einerseits eine Belastung des Verbrauchs als Steuergut sowie andererseits ausschließlich eine Belastung des Letztverbrauchers herbeiführen zu wollen. 6o Dieses Vorhaben kann jedoch für das Verständnis des Theile, StuW 1996, 154, 159 ff. Theile, StuW 1996, 154, 159 ff. (160 f.). 57 Dazu vgl. näher unten, Teil B.1.2.e)dd)(2), S. 112 ff. 58 Theile, StuW 1996, 154, 163 f. 59 Theile, StuW 1996, 154, 163. 60 Begründung zum Entwurf des UStG 1918, RT-Drucks. 1914/1918 Nr. 1461, 1.2., S. 16: "Es tritt also eine Verteuerung des Verbrauchs ein."; Amtl. Begründung zum UStG 1934, Teil A. (1m Allgemeinen), RStBl. 1934, S. 1549: "Derartige Befreiungen widersprechen auch dem Wesen der Umsatzsteuer als der allgemeinen Verbrauchsteuer des Reichs." sowie Teil B. (1m Besonderen), zu § 4 UStG 1934, RStBl. 1934, S. 1549, 1553: "Die Befreiungsvorschrift im § 3 Ziffer 3 UStG 1932 (Befreiung von Umsätzen gemeinnütziger oder wohltätiger Unternehmen) mußte wegfallen, weil sie mit dem Wesen der Umsatzsteuer als einer allgemeinen Verbrauchsteuer nicht zu vereinbaren ist."; Amtl. Begründung zum Entwurf des UStG 1967, BT-Drucks. IV 11590, A. (Allgemeine Begründung) 11.1. S. 16 f: "Da sie ... den Verbrauch im weitesten Sinne kräftig belastet ... Tatsache, daß sie den Verbrauch belastet", 111.1. S. 17: "Rückgriff auf eine Besteuerung des Verbrauchs"; Bericht des Finanzausschusses v. 17. 03. 1967 zum Entwurf des UStG 1967, zu BT-Drucks. V /1581, Allgemeines, 3. (Grund55
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I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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Umsatzsteuerrechts nur Bedeutung haben, wenn sich die Absicht des Gesetzgebers auch im Gesetz selbst inhaltlich konkretisiert hat. 61
bb) Wortlaut als untaugliches Indiz für die Feststellung des Steuerträgers Zunächst ist daher zu untersuchen, welche Hinweise der Wortlaut der Besteuerungstatbestände des Umsatzsteuergesetzes für die Entscheidung über die typische personelle Belastungsverteilung der Steuer bietet. Wollte man die Umsatzsteuer als Unternehmersteuer im oben genannten Sinne ansehen, könnte man möglicherweise bei reiner Wortlautinterpretation des Gesetzes die aus § 13 Abs. 2 UStG folgende Steuerpflicht der Unternehmer als Argument für eine Unternehmersteuer heranziehen. Allerdings deutet das Gesetz durch die §§ 14, 15 UStG gleichzeitig an, daß sich die Steuerpflicht nicht mit der abschließenden personellen Belastungsverteilung decken muß. 62 Daher ist der Wortlaut bezogen auf die Frage nach dem Steuerträger kein taugliches Auslegungskriterium, so daß weiterhin die Systematik und Teleologie des Gesetzes näher beleuchtet werden müssen.
cc) Vorsteuerabzug Ein entscheidendes Argument für den Verbrauchersteuercharakter der Umsatzsteuer bezogen auf die personelle Verteilung der Belastungswirkungen läßt sich den Regelungen über den Vorsteuerabzug des § 15 UStG entnehmen.
(1) Grundsatz des § 15 Abs. 1 UStG § 15 Abs. 1 UStG ermöglicht es den steuerpflichtigen Unternehmern, sich durch den Vorsteuerabzug grundsätzlich von sämtlichen auf sie überwälzten Vorsteuerbeträgen für unternehmerische Investitionen sowie von der Einfuhrumsatzsteuer und der Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb zu entlasten. Dieses Prinzip des Vorsteuerabzugs ist ein systemtragendes (steuertechnisches 63 ) Prinzip der geltenden Netto-Umsatzsteuer, welches der Durchsetzung des auch dem Umsatzsteuzüge der Mehrwertsteuer), S. 2: "Die Mehrwertsteuer ist eine nur beim Verkauf an den Letztverbraucher sich realisierende Verbrauchsteuer. " 61 Ebenso Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 74; Söhn, StuW 1975, 1, 10; Tehler, Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und/oder Verbrauchsteuer, S. 16 f.; Söhn, StuW 1975, 1,9 f.; ders., StuW 1996, 165, 165 f.; ders., FS f. v. Wallis 1985, 439, 444; Menner, Die Umsatzsteuerharmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, S. 51; Iipke, DStR 1983,595,597. 62 Näher dazu sogleich unten, Teile B.I.2.e)cc) und dd), S. 101 f. und und 108 ff. 63 Näher unten, Teil C.lI.3.d)bb), S. 274 ff.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
errecht als allgemeines Gerechtigkeitsprinzip zugrunde liegenden steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips dient. 64 Es verhindert prinzipiell, daß Unternehmer zum umsatzsteuerrechtlichen Steuerträger hinsichtlich derjenigen Umsatzsteuern werden können, welche auf den Vorstufen ihrer eigenen unternehmerischen Lieferung oder Leistung entstanden sind und bei der Entgegennahme einer unternehmerischen Investition auf sie überwälzt wurden oder bei einer eigenen Einfuhr bzw. einem innergemeinschaftlichen Erwerb im Inland entstanden sind. 65 Damit scheiden die Unternehmer grundsätzlich bezüglich eines großen Teiles der von ihnen zunächst (u.U. an andere Unternehmer) zu zahlenden Umsatzsteuerbeträge als Steuerträger aus. (2) Systemverletzungen durch § 15 Abs. 2 bis 4 UStG
Durchbrochen wird dieses Prinzip allerdings, soweit gemäß § 15 Abs. 2 bis 4 UStG untemehmerische Investitionen, die zur Ausführung bestimmter (abzugsschädlicher) Umsätze verwendet werden, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind. 66 (a) Keine systemprägenden Wirkungen der Normen über den Ausschluß des Vorsteuerabzugs Die Regelungen über den Ausschluß des Vorsteuerabzugsrechts sind jedoch keineswegs selbst systemprägend für die geltende All-Phasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Vielmehr verursachen sie, wie insbesondere Knud Michael Teichmann 67 bereits im Jahre 1975 in bezug auf § 15 Abs. 2 UStG überzeugend nachgewiesen hat, einen Verstoß gegen das vom Leistungsfähigkeitsprinzip geprägte innere umsatzsteuerrechtliehe System und führen so zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. 68 Denn das Verbrauchsteuerprinzip als spezifisch umsatzsteuerrechtliche Ausprägung des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips 69 64 Zur Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht s. unten, Teil C.U.2., S. 224 ff. 65 Söhn, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 76; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. U, Abschn. V., I. Kap., § 1662., Rz. 3; Cissee, in: Bunjes/Geist, § 15 Anm. 1.2., Rnr. 3 f. 66 Vgl. dazu: Teichmann, StuW 1975, 189 f.; Ruppe, "Unechte" Umsatzsteuerbefreiungen, FS f. K. Tipke 1995, S. 457 ff. 67 Teichmann, Der Verlust des Vorsteuerabzugs im steuerfreien Bereich der Mehrwertsteuer, Diss. Köln 1975. 68 Ebenso: Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 G. 2.1, Rz. 132; Ruppe, "Unechte" Umsatzsteuerbefreiungen, FS f. K. Tipke 1995, 457 ff.; Dziadkowski, UStKongrBer. 1985, 103, 120 f. m.N.; Söhn, StuW 1976, 1,26 f.; Klenk, in: Sö1ch/Ringleb, UStG, vor § 1 Rz. 10; a.A. Stadie, Vorsteuerabzug, S. 10 ff.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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verlangt auf der Grundlage des vom Gesetzgeber gewählten steuertechnischen Prinzips der All-Phasen-Netto-Umsatzsteuer, daß grundsätzlich sämtliche unternehmerischen Lieferungen oder Leistungen besteuert, zugleich jedoch sämtliche Unternehmer durch die Gewährung eines Vorsteuerabzugsrechts von der Umsatzsteuer auf erwerbssichernde Aufwendungen freigestellt werden. 7o Dieses Gebot wird durchbrochen, wenn bestimmte Umsätze "unecht" umsatzsteuerrechtlich befreit werden, wenn also Unternehmern, deren Lieferungen oder Leistungen vor allem aus sozialpolitischen Griinden von der Umsatzsteuer befreit sind, zugleich gemäß § 15 Abs. 2 UStG das Vorsteuerabzugsrecht verwehrt wird. Indem im geltenden Umsatzsteuergesetz auf diese Weise die Anforderungen des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips nicht vollständig umgesetzt wurden, sind die Durchbrechungen des Prinzips des Vorsteuerabzugs jedoch keineswegs zu systemtragenden Grundsätzen erhoben worden. Zwar hat insbesondere der Bundesfinanzhof vor einiger Zeit wegen der Existenz der Durchbrechungen des Prinzips des Vorsteuerabzugs in § 15 Abs. 2 UStG die Beriicksichtigung eines "vorrangigen Systemgedankens der Umsatzsteuerentlastung des leistenden Unternehmers durch den Vorsteuerabzug,,71 bei der Auslegung umsatzsteuerlicher Normen abgelehnt. Soweit damit angedeutet werden sollte, daß der Vorschrift des § 15 Abs. 2 UStG gleichfalls systemprägende Bedeutung zuzuerkennen sei, kann dem jedoch nicht zugestimmt werden. Denn das dem Gesetz zugrundeliegende System der Entlastung der Unternehmer von der Umsatzsteuer, welches seine Wurzeln in dem allgemeinen steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip hat, kann nicht dadurch beeinflußt werden, daß das Gesetz dieses System selbst nicht vollständig umsetzt. 72 Darüber hinaus widerspricht die Ablehnung eines derartigen "vorrangigen Systemgedankens" dem Grundprinzip der Neutralität der harmonisierten europäischen Mehrwertsteuer im unternehmerischen Bereich73, das seine Grundlage in Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie74 findet. Der systemwidrige Ausschluß des Vorsteuerabzugs bei steuerfreien Umsätzen ändert daher nichts an der Erkenntnis, daß das dem geltenden Umsatzsteuergesetz zugrundeliegende Prinzip des Vorsteuerabzugs grundsätzlich auf eine Entlastung der Unternehmer abzielt. 69 Zur Konkretisierung des steuerlichen Leistungsfahigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht durch das Verbrauchsteuerprinzip s. unten, Teil C.1I.3., S. 242 ff. 70 Näher dazu unten, Teil C.l1.3.d)bb), S. 274 ff. 71 BFH v. 07. 10. 1987 - V R 2/79 -, BFHE 151,228,231 = BStBI. 198811,88,89. 72 In diesem Sinne auch Weiß, UR 1988, 130, 131 (Anm. zu BFH v. 07. 10. 1987 a. a. O. (Fn.71». 73 Zum Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer s. insb. EuGH v. 19. 09. 2000 - Rs. C-I77 /99, C-181 /99 - (Ampafrance und Sanofi Synthelabo), UR 2000, 474, 477 (Rnr. 34). 74 Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG); ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06. 1977, S. 13.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
(b) Optionsrecht gemäß § 9 UStG Nur durch diese Systemverletzung der § 15 Abs. 2 bis 4 UStG erklärt sich im übrigen die Existenz des § 9 UStG. Denn mittels Option zur Regelbesteuerung können einige der von dem Systembruch betroffenen Unternehmer im Einzelfall wiederum eine systemgerechte umsatzsteuerliche Behandlung ihrer Umsätze herbeiführen. 75 Zwar ist die Norm des § 9 UStG dadurch, daß sie als Wahlrecht der optionsberechtigten Unternehmer ausgestaltet ist, keineswegs geeignet, auch nur für den Kreis der - mehr oder weniger willkürlich ausgewählten - optionsberechtigten Unternehmer die durch §§ 15 Abs. 2 bis 4 UStG verletzte Systemgerechtigkeit konsequent wiederherzustellen. 76 Jedoch deutet auch die Existenz dieser Norm darauf hin, daß das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich davon ausgeht, daß Unternehmer vollständig von der Umsatzsteuer auf unternehmerische Investitionen zu entlasten sind. Denn § 9 UStG gewährt den berechtigten Unternehmern das Optionsrecht immer dann, wenn diese ihre Lieferung oder Leistung an andere Unternehmer erbringen, d. h. in den Fällen, in denen die überwiegend sozialpolitisch motivierten Zwecke, die den Befreiungsvorschriften des § 4 UStG zugrundeliegen, mangels Ausführung der Lieferung oder Leistung an einen Endverbraucher nicht eingreifen. Das Gesetz zeigt auf diese Weise - wenn auch sehr unvollkommen -, daß es die (Wieder-)Herstellung des Prinzips des Vorsteuerabzugs immer dann anstrebt, wenn dessen Durchbrechung durch (vermeintlich) vorrangige soziale Zwecke nicht geboten ist. (c) Verdeckte Überwälzung Trotz seiner Systemwidrigkeit führt allerdings selbst der Ausschluß des Vorsteuerabzugsrechts bei den betroffenen Unternehmern meist nicht zu einer bleibenden steuerlichen Belastung mit den zunächst auf sie überwälzten Vorsteuern der Vorstufen. Denn die abzugsschädlich tätigen Unternehmer wälzen diese Vorsteuerbeträge regelmäßig - verdeckt - im Rahmen der Ausführung der eigenen unternehmerischen Lieferung oder Leistung, d. h. bei Ausführung des abzugsschädlichen Umsatzes, auf den Empfänger über. 77 Die verdeckte Überwälzung verhindert daher, sofern sie gelingt, daß diejenigen Unternehmer, die systemwidrig gemäß § 15 Abs. 2 bis 4 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden, im Einzelfall Steuerträger der nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge werden. Das bedeutet zwar nicht, daß die Möglichkeit verdeckter Überwälzung selbst als systemkonform anzusehen 75 Vgl. dazu für den Fall der Vennietung oben, Teil A.1.2.b)bb), S. 49 f. sowie weiterhin unten, Teil 0.11.3., S. 292 f. 76 s. dazu unten, Teil 0.11.3., S. 292 ff. 77 Stadie, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 133; Birkenjeid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. 11, Abschn. v., 3. Kap., § 183 1., Rz. 494; Teichmann, StuW 1975, 189, 191 f.; Ruppe, "Unechte" Umsatzsteuerbefreiungen, FS f. K. Tipke 1995,457,461.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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ist oder daß diese Möglichkeit gar den durch § 15 Abs. 2 bis 4 UStG verursachten Systembruch beseitigt. Denn einerseits sieht das Umsatzsteuergesetz selbst in § 14 UStG nur die offene Überwälzung der Umsatzsteuer vor, so daß allein das Prinzip offener Überwälzung als systemprägend gelten kann. 78 Andererseits hängt das Gelingen der verdeckten Überwälzung stets von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, so daß von konsequenter und gleichmäßiger Beseitigung des Systembruchs keine Rede sein könnte. Gelingt nämlich die verdeckte Überwälzung in bestimmten Einzelfällen nicht79 , so wirkt sich darin der durch § 15 Abs. 2 bis 4 UStG verursachte Systembruch aus. (3) Abzugsverbote gemäß §§ J5 Abs. Ja, Abs.Jb UStG
Auch die erst seit kurzem geltenden Abzugsverbote gemäß §§ 15 Abs. la, Abs. 1b UStG n.F. 80 führen nicht zu einer Aufhebung des umsatzsteuerlichen Grundprinzips des Vorsteuerabzugs. Soweit sie den Vorsteuerabzug für Aufwendungen eines Unternehmers ausschließen, welche dessen persönliche Lebensführung berühren, sind diese Vorschriften Teil des durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/200281 grundlegend neu gestalteten Rechts der Eigenverbrauchsbesteuerung 82 und stehen folglich nicht im Widerspruch zum Prinzip des Vorsteuerabzugs. Denn der Unternehmer wird in diesem Fall in seiner Eigenschaft als Endverbraucher zum Steuerträger der Umsatzsteuer. Indes schließen die Vorschriften der §§ 15 Abs. la, Abs. Ib UStG n.F. den Vorsteuerabzug eines Unternehmers zum Teil auch für solche Aufwendungen aus, die eindeutig dessen unternehmerischer Sphäre zuzuordnen sind. Soweit dies geschieht, sind die Vorschriften jedoch weder mit dem umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip83 noch mit den Vorschriften und Grundgedanken der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie 84 vereinbar85 und stellen daher eine das System der Dazu sogleich unten, Teil B.1.2.e)dd), S. 108 f. s. dazu z. B. Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 133. 80 §§ 15 Abs. la, Abs. Ib UStG wurden durch Art. 7 Nr. 11 lit. bund lit. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. 03. 1999 (BGBI. 1999 I, 402, 488) eingeführt und gelten mit Wirkung ab 1. 4.1999. 8! Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. 03. 1999, BGBI. 1999 I, 402 ff. 82 s. die Begründung zu § 15 Abs. la UStG Ld.F. durch Art. 7 Nr. 11 lit. b des Steuer-entlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BGBI. 1999 I, 402, 488) in BT-Drucks. 14/23 v. 09. 11. 1998, S. 198 (Begründung zu Art. 8 Nr. 8 lit. b des Entwurfs des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002); Nieskens, UR 1999, 137, 144 f.; Widmann, DB 1999,925,928; das., UR 1999,20,23 f. 83 Zum umsatzsteuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip s. unten, Teil C.I1.2., S. 224 ff. und C.n.3., S. 242 ff. 84 ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06.1977, S. 13. 85 Zum Verstoß der §§ 15 Abs. la, Abs. Ib UStG n.F. gegen das Gemeinschaftsrecht s. auch: Widmann, DStR 2000, 1989, 1989 m. w. N.; das., in: Plückebaum/Malitzky, UStG, 78
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Umsatzsteuer nicht prägende Durchbrechung des Grundprinzips des Vorsteuerabzugs dar. Dies ist in der Rechtsprechung deutscher Finanzgerichte, des Bundesfinanzhofs und des Europäischen Gerichtshofes bereits hinsichtlich der Regelungen der §§ 15 Abs. la Nr. 2, Abs. Ib UStG erkannt worden, muß jedoch ebenso für die übrigen Fälle des § 15 Abs. la UStG angenommen werden. 86 So hat kürzlich der Bundesfinanzhof7 im Anschluß an das Finanzgericht Hamburl 8 § 15 Abs. la Nr. 2 UStG wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 2 lit. ader 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie für im deutschen Recht unanwendbar erklärt, soweit diese Norm den Vorsteuerabzug eines Unternehmers für die im Unternehmen aus dienstlichen Griinden angefallenen Übernachtungskosten seines Personals ausschließt. Dabei haben die Gerichte zwar in den Begriindungen der genannten Urteile lediglich eher formal darauf abgestellt, daß die Regelung des § 15 Abs. la Nr. 2 UStG als Durchbrechung des Grundsatzes des Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie im deutschen Recht weder nach Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie zulässig sei, da eine vergleichbare Regelung bei der Einführung der harmonisierten Mehrwertsteuer im deutschen Umsatzsteuerrecht nicht bestanden habe, noch gemäß Art. 27 Abs. 1 der Ric:htlinie als abweichende Sondermaßnahme zur Vereinfachung der Steuererhebung oder zur Verhütung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen statthaft sei, weil eine dafür erforderliche Ermächtigung des Rates nicht beantragt und somit auch nicht erteilt worden ist. 89 Dies bedeutet jedoch in der Konsequenz, daß die Gerichte den insbesondere durch den Europäischen GerichtshofO für das System der harmonisierten Mehrwertsteuer als systemprägend erkannten Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer im unternehmerischen Bereich, der gerade durch den Vorsteuerabzug als "integrierenden Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer,,91 sichergestellt werden soll, auch für das deutsche Umsatz steuerrecht als Grundprinzip anerkannten. Deutlicher wird dieses Verständnis noch in einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs 92 vom 19. September 2000, die Normen des französischen Um§ 15 Rnr. 280/13; Nieskens, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, § 15 Anm. 5, 29; ders., UR 1999,137,145; Cissee, in: Bunjes 1Geist, UStG, § 15 Rnr. 59. 86 Zur Bedeutung der nachfolgend dargestellten Entscheidungen für die Rechtspraxis s. insb. Widmann, DStR 2000, 1989 ff. 87 BFH v. 23. 11. 2000 - V R 49/00 -, DStR 2001, 23, 24. 88 FG Hamburg v. 19.07.2000 - VI 205/99 -, EFG 2000,1150 ff. = DStRE 2000,1211, 1212 f. 89 BFH v. 23.11. 2000, a. a. O. (Fn. 87), DStR 2001, 23, 24; FG Hamburg v. 19.07.2000, a. a. O. (Fn. 88), DStR 2000, 1211, 1213. 90 s. zuletzt insbesondere EuGH v. 19.09.2000 - Rs. C-177/99, C-181199 - (Ampafrance und Sanofi Synthelabo), UR 2000,474,477 (Rnr. 34). 91 EuGH v. 19.09.2000 a. a. O. (Fn. 90), UR 2000, 474, 477 (Rnr. 34). 92 EuGH v. 19.09.2000 a. a. O. (Fn. 90), UR 2000, 474 ff.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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satzsteuerrechts betrifft, welche den Vorsteuerabzug für solche Aufwendungen eines Unternehmers ausschließen, die Unterkunft oder Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen für Führungskräfte oder Personal betreffen. Hier hat der Europäische Gerichtshof ausgehend von dem Grundprinzip der Neutralität der harmonisierten Mehrwertsteuer im unternehmerischen Bereich sogar die Ermächtigung des Rates nach Art. 27 Abs. 1 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie, auf deren Grundlage die französischen Normen innerstaatlich erlassen worden waren, als unverhältnismäßig und somit als unwirksam angesehen. 93 Der Europäische Gerichtshofbegriindete seine Entscheidung damit, daß wegen der Bedeutung des Vorsteuerabzugs für das Mehrwertsteuersystem an die Gestattung einer Durchbrechung desselben aus Vereinfachungsgriinden oder zwecks Vermeidung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen sehr hohe Anforderungen zu stellen seien. Eine Durchbrechung dürfe nur zugelassen werden, wenn dies für die Erreichung des Ziels unbedingt erforderlich sei. 94 Verallgemeinert man diese Ausführungen, so wird deutlich, daß keine der Regelungen des deutschen Rechts in § § 15 Abs. 1a, Abs. 1b UStG n.F. vor den Anforderungen der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie bestehen könnte. 95 Denn mit dem Europäischen Gerichtshof6 ist davon auszugehen, daß allein die Tatsache, daß bei Aufwendungen der von den betreffenden Normen erfaBten Art die Abgrenzung zwischen unternehmerischer und privater Veranlassung mitunter schwierig ist, nicht als Rechtfertigung für eine Durchbrechung des Prinzips des Vorsteuerabzugs genügt, die eindeutig der unternehmerischen Sphäre zuzurechnende Aufwendungen erfaßt. Dies alles zeigt, daß der Grundsatz des Vorsteuerabzugs im unternehmerischen Bereich sowohl europarechtlich als auch innerstaatlich als systemprägendes Prinzip der Umsatzsteuer angesehen werden muß. An diesem Prinzip ist die Wirksamkeit von Vorschriften wie §§ 15 Abs. la und Abs. Ib UStG n.F. zu messen. Keinesfalls darf daher umgekehrt angenommen werden, die durch diese Normen bewirkten Durchbrechungen des Prinzips des Vorsteuerabzugs, die Unternehmer im Einzelfall zu Trägem der Umsatzsteuer werden lassen, seien für den Charakter der Umsatzsteuer bestimmend. (4) Ergebnis
Das Prinzip des Vorsteuerabzugs ist daher als systembestimmendes umsatzsteuerrechtliches Grundprinzip anzusehen. Es trägt als solches entscheidend zur ChaEuGH v. 19.09.2000 a. a. O. (Fn. 90), UR 2000, 474, 479 (Rnr. 56 ff.). EuGH v. 19. 09. 2000 a. a. O. (Fn. 90), UR 2000, 474, 479 (Rnr. 56 ff.); dazu auch bereits EuGH v. 29. 05. 1997 - Rs. C-63/96 - (Skripalle), EuGHE 1997 I, 2847, 2866, 2876 (Rnr. 24) = BStBl. 11 1997,841,844. 95 s. auch Widmann, DStR 2000, 1989 ff. 96 EuGH v. 19.09.2000, a. a. O. (Fn. 90), UR 2000, 474, 479 (Rnr. 56-58,61). 93
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
rakterisierung der Umsatzsteuer als Verbrauchersteuer bei, da es - soweit es im Umsatzsteuergesetz tatsächlich verwirklicht wurde - dazu führt, daß allein die Verbraucher mit derjenigen Umsatzsteuer belastet bleiben, die bei der Entgegennahme unternehmerischer Lieferungen oder Leistungen an den ausführenden Unternehmer bzw. bei der Einfuhr oder einem innergemeinschaftlichen Erwerb im Inland zu zahlen ist. dd) Überwälzbarkeit Unternehmer werden also durch den Vorsteuerabzug grundsätzlich, d. h. soweit das Prinzip des Vorsteuerabzugs im Umsatzsteuergesetz verwirklicht wurde, von der auf sie überwälzten Umsatzsteuer sämtlicher Vorstufen ihrer eigenen unternehmerischen Lieferung bzw. Leistung sowie von der Einfuhrumsatzsteuer und der Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb befreit. Daneben entsteht jedoch eine Umsatzsteuerpflicht der Unternehmer bei der Ausführung ihrer eigenen unternehmerischen Lieferung bzw. Leistung im Inland sowie zum Teil im Falle des Eigenverbrauchs 97 und bei der Ausführung unentgeltlicher Wertabgaben 98 . Es scheint daher in diesen Fällen eine Belastung der Unternehmer als Steuerträger der Umsatzsteuer in Betracht zu kommen. Bei der Besteuerung des Eigenverbrauchs wird der Unternehmer indes nicht in. seiner Eigenschaft als Unternehmer besteuert. Er handelt vielmehr zu betriebsfremden Zwecken, also als Verbraucher. 99 Soweit es dem Unternehmer nicht gelingt, die Umsatzsteuer auf den Eigenverbrauch im Preis seiner Lieferungen oder Leistungen verdeckt auf andere Personen überzuwälzen, bleibt er Träger dieser Belastung. Da er jedoch als Verbraucher besteuert wird, handelt es sich bei der Steuer auf den Eigenverbrauch nicht um eine "Unternehmersteuer". Die Besteuerung unentgeltlicher Lieferungen oder Leistungen des Unternehmers bezieht sich ebenfalls zum Teil auf Wertabgaben, die den persönlichen Lebensbereich des Unternehmers betreffen, vgl. § 3 Abs. Ib Nm. 2, 3, Abs. 9a UStG n.F., und führt daher insoweit wie der Eigenverbrauch zu einer systemkonformen Belastung des Unternehmers in seiner Eigenschaft als Verbraucher. 1OO 97 Nach der Neuregelung der § I Abs. I Nr. I i.Y.m. § 3 Abs. Ib Nr. I i.V.m. Satz 2 und Abs. 9a Nm. 1, 2 UStG durch Art. 7 Nr. 3 lit. a und lit. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BGB!. 1999 I, 402, 487) ist die Besteuerung des Eigenverbrauchs davon abhängig, daß der Gegenstand zuvor zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, s. unten, Teil B.I.3.c), S. 123 ff. 98 Neuregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. Ib Nm. 2, 3 und Abs. 9a Nr. 2 UStG durch Art. 7 Nr. 3 lit. a und lit. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BGB!. 1999 I, 402, 487. 99 s. unten, Teil B.I.3.c), S. 123 ff. 100 Amtliche Begründung zu Art. 8 Nr. 2 lit. a des Entwurfs des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/23, S. 196; Widmann, DB 1999, 925, 926; Klenk, NJW 1999,3472,3473.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
109
Im Anwendungsbereich der zuletzt genannten Regelungen kann jedoch auch - insbesondere in den Fällen einer unentgeltlichen Zuwendung an das Personal (§§ 3 Abs. Ib Nr. 2, Abs. 9a UStG n.F.) - eine umsatzsteuerliche Belastung des Unternehmers eintreten, die ihre Ursache nicht in einer Stellung des Unternehmers als Verbraucher hat. 101 Der Unternehmer hat in diesen Fällen auf Grund der unentgeltlichen Leistungserbringung auch keine Möglichkeit, die Umsatzsteuer verdeckt auf den Leistungsempfänger überzuwälzen, so daß er zum Steuerträger der Umsatzsteuer wird. Indessen liegt die Ursache für die ausnahmslose Besteuerung unentgeltlicher Sachzuwendungen und unentgeltlicher Leistungserbringung wohl vor allem in diversen Abgrenzungsproblemen zum Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sowie zu den Eigenverbrauchstatbeständen begründet. So läßt sich insbesondere bei Zuwendungen an das Personal nur im Einzelfall feststellen, ob die Zuwendung tatsächlich unentgeltlich erbracht wird oder vielmehr ihre Ursache im Arbeitsverhältnis hat und somit entgeltlich geschieht. 102 Darüber hinaus kann bei unentgeltlichen Zuwendungen die Abgrenzung zwischen privater und unternehmerischer Veranlassung problematisch sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es in gewisser Weise verständlich, daß der Gesetzgeber zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen eines Unternehmers der Besteuerung unterwirft. Zugleich wird jedoch deutlich, daß die .konkrete Ausgestaltung dieser Besteuerungstatbestände überwiegend den bestehenden Abgrenzungsproblemen geschuldet ist und die Regelungen daher nicht als systemprägende Normen gelten können. Vielmehr haben die Vorschriften Ausnahmecharakter, soweit sie durch die Besteuerung unternehmerisch veranlaßter unentgeltlicher Wertabgaben eine endgültige steuerliche Belastung des Unternehmers herbeiführen. Für die Bestimmung der Person des Steuerträgers der Umsatzsteuer können die Besteuerungstatbestände der §§ 3 Abs. lb, Abs. 9a UStG daher unberücksichtigt bleiben, wenn das Überwälzungsprinzip im übrigen durch das Umsatzsteuergesetz verwirklicht wurde. Das Maß der Systemkonsequenz der Umsatzsteuer als Verbrauchersteuer hängt daher im wesentlichen von der Verteilung der Belastungswirkung der Umsatzsteuer auf die unternehmerischen Lieferungen bzw. Leistungen im Inland (§ lAbs. 1 Nr. 1 UStG I03 ) ab. Diese Steuer wird zunächst besteuerungstechnisch bei den liefernden oder leistenden Unternehmern erhoben lO4 , was als Indiz für den Charakter dieses Bestandteils der Umsatzsteuer als "Unternehmersteuer" gelten könnte. Die Wahl einer bestimmten Erhebungstechnik hat indes keinen Einfluß auf den materi101 Widmann. UR 1999, 20, 22 f. (bzgl. § 3 Abs. Ib Nr. 3); Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rnr. 352 (bzgl. § 3 Abs. Ib Nr. 2), Rnr. 373 (bzgl. § 3 Abs. Ib Nr. 3), Rnr. 603 (bzgl. § 3 Abs. 9a). 102 s. dazu Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rnr. 347 ff. (352). 103 § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG a.F. wurde mit Wirkung ab 1. 4. 1999 geändert durch Art. 7 Nr. I lit. a aa) des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000 / 2002, BGBI. 1999 I, 402, 486. 104 Näher dazu Teil B.1.5., S. 131 ff.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
ell-rechtlichen Charakter einer Steuer.'05 Entgegen dem äußeren Anschein kann daher nicht ohne weitere Untersuchungen der Belastungsverteilung gefolgert werden, die Unternehmer seien Steuerträger der bei der Ausführung ihrer Umsätze entstehenden Umsatzsteuer. Denn als ein typisches, wenn auch nicht notwendiges Merkmal einer Verbrauchersteuer gilt es bekanntlich, wenn die Steuer zwar nicht beim Verbraucher direkt erhoben, jedoch typischerweise auf den Verbraucher überwälzt wird. '06 Dieses Merkmal erfüllt auch die Umsatzsteuer, wenn eine Überwälzung der bei der Ausführung einer Lieferung oder Leistung bei dem liefernden oder leistenden Unternehmer entstehenden Steuerlast auf den Verbraucher gesetzlich intendiert ist und in der Praxis ebenfalls grundsätzlich gelingt. ( 1) Gesetzlich verankertes Überwälzungsprinzip
Aus den Gesetzesmaterialien 107 verschiedenerUmsatzsteuergesetze geht hervor, daß die Umsatzsteuer seit jeher vom Gesetzgeber als eine Steuer angesehen wird, die auf "Überwälzung angelegt" ist, die also trotz der Steuerpflichtigkeit der Unternehmer ausschließlich von den Verbrauchern getragen werden soll. Schon zu Zeiten der Brutto-Umsatzsteuer war die Methode der verdeckten Überwälzung der steuerlichen Belastung auf den Verbraucher als systemtragendes Prinzip anerkannt lO8 , obwohl die Gesetze zur Brutto-Umsatzsteuer die offene Überwälzung der Steuer durch die Unternehmer gesetzlich 109 untersagten. 105 Tehler, Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und 1oder Verbrauchsteuer, S. 16 f.; Söhn. StuW 1975, 1, 9; ders .. FS f. v. Wallis 1985, 439, 444; Tipke. DStR 1983, 595, 597; Mirre. Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VII. Abt., 3. Teil A., § 1 3., S. 276. ff. 106 BVerfG v. 10.05. 1962 - 1 BvL 31/58 -, BVerfGE 14, 76, 96 (Vergnügungsteuer); BVerfG v. 28. 01. 1970 - 1 BvL 4/67 -, BVerfGE 27, 375, 384 (Branntwein- und Schaumweinsteuer); BVerfG v. 01. 04. 1971 - 1 BvL 22/67 -, BVerfGE 31,8, 19 ff. (Vergnügungsteuer); BFH v. 25. 09. 1953 - V 69153 S -, BFHE 58, 109, 112 =BStBl. 1953 III, 332, 333; BFH v. 27. 06.1973 - 11 R 179/71 -, BFHE 110,213,217 = BStBl. 197311,807,809; BFH v. 26. 06. 1984 - VII R 60/83 -, BFHE 141, 369, 375 (Branntweinsteuer); BVerwG v. 07.03. 1958 - VII C 84.57 -, BVerwGE 6,247,256 f.; Schmölders. Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in: HBdFinWiss. (2. Auf!. 1956), Bd. 11, 9. Teil I., § 3 S. 640, § 4 S. 643, § 5 S. 649. 107 Für die All-Phasen-Brutto-USt schon: Begründung zum UStG 1918, RT-Drucks. 1914/18 Nr. 1461,1.1. u. 2., S. 15 f. Zur All-Phasen-Netto-USt mit Vorsteuerabzug vgl.: Begründung zum UStG 1967, BT-Drucks. IV 11590, A.II.3. und A.III.1., S. 17. 108 Begründung zum UStG 1918, RT-Drucks. 1914/1918 Nr. 1461, S. 15 f. (16); Popitz, in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, 1. Kap. 11., S. 5 ff. (8 f.); ders .• PrVerwBl. 1918, 533, 533 f.; A. Hensel. Steuerrecht, § 39 11., S. 219; Mirre. Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VII. Abt., 3. Teil A., § 1 3., S. 277; Hübschmann. FR 1954, 529, 533; RFH v. 02. 07. 1924 - V D 2/24 -, RFHE 14,73,75 = RStBl. 1924, 187 (nur LS); RFH v. 09. 07. 1937 - V D 1/37 -, RFHE 42,253,254 f. = RStBl. 1937, 1306, 1307; BFH v. 25. 09. 1953 - V 69/53 S -, BFHE 58, 109, 112 f. = BStBl. 1953 III, 332, 333 f.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
11l
Für die Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug wird heute in Literatur 11 0 und Rechtsprechung 111 erst recht davon ausgegangen, daß das Prinzip der Überwälzung der Umsatzsteuer vom Steuerschuldner auf den als Steuerträger ins Auge gefaßten Verbraucher Grundlage des umsatzsteuerrechtlichen Systems sei. Diese Ansicht überzeugt, denn die Überwälzbarkeit der Steuerlast ist nunmehr im Gesetz selbst, nämlich vor allem in der Norm des § 14 UStG, verankert. ll2 Indem § 14 Abs. 1 UStG die offene Überwälzung der von den steuerpflichtigen Unternehmern geschuldeten Umsatzsteuern zuläßt bzw. gegenüber anderen Unternehmern sogar fordert, wird die Intention des Gesetzes zur ausschließlichen Belastung des Verbrauchers deutlich 113, da die offen überwälzte Umsatzsteuer wirtschaftlich nur diejeni109 Z. B.: § 13 Abs. 1 UStG 1918 v. 26. 07. 1918, RGBI. 1918, 779, 785: "Bei Leistungen aus Verträgen, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen sind, ist der Steuerpflichtige nicht berechtigt, die Steuer dem Leistungsberechtigten neben dem Entgelte ganz oder teilweise gesondert in Rechnung zu stellen. Der Abnehmer aus einern Lieferungsvertrag ist nicht berechtigt, die bei der Weiterveräußerung des Gegenstandes fällige Steuer von dem ihm von seinem Lieferer in Rechnung gestellten Entgelte zu kürzen."; § 12 Abs. 1 UStG 1919 v. 24. 12. 1919, RGBI. 1919, 2157, 2162: "Bei Leistungen aus Verträgen, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen sind, ist der Steuerpflichtige nicht berechtigt, die Steuer dem Leistungsberechtigten neben dem Entgelte ganz oder teilweise gesondert in Rechnung zu stellen, es sei denn, daß als Entgelt für eine Leistung gesetzlich bemessene Gebühren angesetzt werden. Der Abnehmer aus einern Lieferungsvertrag ist nicht berechtigt, das ihm von seinem Lieferer in Rechnung gestellte Entgelt um die bei der Weiterveräußerung des Gegenstandes fällige Steuer zu kürzen."; § 11 Abs. 1 UStG in der Fassung der Neubekanntmachung v. 08. 05. 1926 (UStG 1926), RGBI. 19261, 218, 221: "Der Steuerpflichtige ist nicht berechtigt, die Steuer dem Leistungsberechtigten neben dem Entgelte ganz oder teilweise gesondert in Rechnung zu stellen, es sei denn, daß als Entgelt für eine Leistung gesetzlich bemessene Gebühren angesetzt werden. Der Abnehmer aus einern Lieferungsvertrag ist nicht berechtigt, das ihm von seinem Lieferer in Rechnung gestellte Entgelt um die bei der Weiterveräußerung des Gegenstandes fällige Steuer zu kürzen."; § 10 Abs. 1 UStG 1934 v. 16. 10. 1934, RGBI. 19341, 942, 945 - wortgleich mit § 10 Abs. 1 UStG in der Fassung der Neubekanntmachung v. 01. 09. 1951, BGBl. 1951 1, 791, 794: "Der Steuerschuldner ist im Fall des § I Ziffer I nicht berechtigt, die Steuer neben dem Entgelt ganz oder teilweise gesondert anzufordern oder das Entgelt, das er für den an ihn bewirkten Umsatz zu entrichten hat, um die von ihm geschuldete Steuer zu kürzen. Er kann jedoch die Steuer gesondert anfordern, wenn als Entgelt gesetzlich bemessene Gebühren angesetzt werden." 110 Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 50, 68 f., 77 ff.; Zeuner, in: Bunjes/Geist, Ein!. Anm. 3, Rnr. 5; Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 A.l. Rz. I; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, vor § I Rnr. 9 ff. 111 BVerfG v. 29. 10. 1999 - 2 BvR 1264/90 -, BVerfGE 101, 132, 139 (Umsatzsteuerbefreiung für Heileurytbrnisten); BVerfG v. 13.06. 1997 - 1 BvR 201/97 - (Nichtannahmebeschluß), NJW 1997,3368,3368 =DStRE 1998,27,28; BVerfG v. 19.03. 1974 - 1 BvR 416, 767,779/68 -, BVerfGE 37,38,45,46 ff. (Kleinunternehmer); BVerfG v. 20. 12. 1966 - 1 BvR 320/57, 70163 -, BVerfGE 21, 12, 29, 32 (Brutto-Umsatzsteuersystem); BFH v. 26.06. 1984 - VII R 60/83 - BFHE 141,369,375; BFH v. 25. 09. 1953 - V 69/53 S-, BFHE 58, 109, 112 =BStB!. 1953 III, 332, 333. l12 Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 77; Tipke, StuW 1992, 103,107; Söhn, StuW 1996, 165, 165 f. 113 Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 77; Tipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 895; ders., StuW 1992, 103, 107; Söhn, StuW 1996, 165, 165 f.; Zeuner, in: Bunjes/Geist, Ein!. Anm. 3, Rnr. 5; a.A. Theile, StuW 1996, 154, 157.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
gen Personen treffen kann, welche nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, d. h. grundsätzlich 114 nur die Endverbraucher. Eine wirtschaftliche Belastung der zunächst bei der Ausführung einer Lieferung oder Leistung steuerpflichtigen Unternehmer wird also ersichtlich vom Umsatzsteuergesetz prinzipiell gar nicht beabsichtigt. Ein weiteres Indiz für die gesetzliche Intention zur ausschließlichen Belastung des Verbrauchers läßt sich der Vorschrift des § 29 UStG entnehmen. 115 Soweit § 29 UStG einen Ausgleichsanspruch des langfristig vertraglich gebundenen Unternehmers hinsichtlich entstehender umsatzsteuerlicher Mehr- oder Minderbelastungen insbesondere nach Gesetzesänderungen vorsieht, wird nochmals für diesen Spezialfall, in welchem ohne den Ausgleichsanspruch eine tatsächliche Belastung des Unternehmers droht, die Absicht des Gesetzes verdeutlicht, die steuerlichen Belastungen grundsätzlich ausschließlich dem Verbraucher aufzuerlegen. Ein wesentliches Strukturprinzip des Umsatzsteuergesetzes ist ausgehend von der Gesetzessystematik demnach das Prinzip der offenen Überwälzung der Steuer durch die steuerpflichtigen Unternehmer auf die Endverbraucher. Diese offene Überwälzung der Umsatzsteuer soll nach der gesetzlichen Intention zusammen mit dem Vorsteuerabzugsrecht der Unternehmer dazu führen, daß letztere grundsätzlich vollständig von allen sie betreffenden Umsatzsteuern entlastet werden. 116 Hingegen sollen die Verbraucher die auf sie überwälzten Umsatzsteuerbeträge nicht abziehen können und wirtschaftlich mit der Steuer belastet bleiben. (2) BetriebswirtschaJtliche Modelle zum Nachweis des Mißlingens der Überwälzung Teilweise wird jedoch, ausgehend von betriebs wirtschaftlichen Überlegungen, im Schrifttum insbesondere lI7 von Carsten Theile 11 8, dem Vertreter der "Wertschöpfungsteuer"-Theorie, prinzipiell bestritten, daß die gesetzlich intendierte Überwälzung der Steuerlast in der wirtschaftlichen Realität umsetzbar sei. Ware dies der Fall, träfe also die umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer entgegen der dar114 Die gern. § 15 Abs. 2, 3 UStG ausnahmsweise nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer werden wirtschaftlich nur dann mit überwälzter Umsatzsteuer belastet, wenn ihnen eine weitere Überwälzung auf Empfänger ihrer Leistung nicht gelingt, vgl. Stadie, in: Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, UStG, Einf. Anm. 133. Zum darin liegenden Systembruch oben, Teil B.I.2.e)cc)(2), S. 102 f. 115 Stadie, in: Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, UStG, Einf. Anm. 78. 116 Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 86; Tipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 895; ders., StuW 1992, 103, 107; Söhn, StuW 1996, 165, 166. 117 Dazu auch D. Schneider; BB 1982,381,383 f.; das., Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, S. 61 ff. 118 Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer, S. 96 ff.; ders., StuW 1996, 154, 159 ff. (unter Berufung auf D. Schneider; a. a. 0.); s. auch oben, Teil B.L2.d), S.99f.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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gestellten Systematik des Umsatzsteuergesetzes auf Grund einer ebenfalls im Gesetz angelegten Konstellation grundsätzlich ein erheblicher Teil der steuerlichen Belastung auch wirtschaftlich, so ließen sich nicht ausschließlich die Verbraucher als Steuerträger der Umsatzsteuer ansehen. Von einer Verbrauchersteuer könnte keine Rede mehr sein. 119 Zum Nachweis des Mißlingens der Überwälzung der Umsatzsteuer nutzt Theile 120 zunächst ein Modell, in welchem er eine (gedachte) Welt ohne Umsatzsteuer einer ansonsten identischen (gedachten) Welt gegenüberstellt, in welcher eine Umsatzsteuer erhoben wird. Selbstverständlich ergibt sich dabei, daß, sofern man von nach Gewinnmaximierung strebenden Unternehmern ausgeht, der unternehmerische Gewinn in einer Welt ohne Umsatzsteuer höher ausfällt als in einer Welt mit Umsatzsteuer. Daraus folgert Theile l21 , daß in der Welt mit Umsatzsteuer die Überwälzung auf die Verbraucher nicht bzw. nicht vollständig gelingen könne. Sein Ergebnis stützt Theile 122 sodann weiterhin im Anschluß an eine vor allem von Dieter Schneider 123 wiederbelebte Beweisführung Augustin Coumots 124 vor allem auf eine Darstellung der Abhängigkeit des unternehmerischen Gewinns vom Verhältnis der Nachfrage zum Preis der Ware. Theile 125 führt aus, daß ein gewinnmaximierend handelnder Unternehmer durch die Besteuerung zu einer Preiserhöhung gezwungen sei, die zu einem Umsatzverlust führen müsse, welcher im wesentlichen sodann diejenige Gewinnschmälerung verursache, die als rechtserhebliche Belastungswirkung der Besteuerung anzusehen sei. Da diese Belastung bei den Unternehmern verbleibe, sei die Umsatzsteuer mithin keinesfalls eine Verbrauchersteuer. 126 Demgegenüber erkennt die Steuerrechtswissenschaft zwar an, daß es Einzelfälle gibt, in denen dem Unternehmer eine Überwälzung der Umsatzsteuerlast nicht vollständig gelingt. 127 Die systembedingte generelle Funktionsunfähigkeit des Überwälzungsprinzips, die Theile zu begriinden versucht, wird hingegen von der herrschenden Ansicht in der Steuerrechtswissenschaft verneint. 128 119 Tipke, StuW 1992, 103, 108; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 163, 185; zur Bruttoumsatzsteuer: Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Auf!. 1956), Bd. II, 7. Teil, § 3 S. 588 ff.; ders., Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in: HBdFinWiss. (2. Auf!. 1956), Bd. H, 9. Teil 1., § 4 S. 643, § 5 S. 649, 651. 120 Theile, StuW 1996, 154, 160. 121 Theile, StuW 1996, 154, 160. 122 Theile, StuW 1996, 154, 160f. 123 Schneider; Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, 6. Auf!. 1994, S. 61 ff.; ders., BB 1982,381 ff. 124 Cournot, Recherches sur les Principes Mathematiques de la Theorie des Richesses, 1838. Deutsche Übersetzung: Untersuchungen über die mathematischen Grundlagen der Theorie des Reichtums, Jena 1924. 125 Theile, StuW 1996, 154, 160, 162. 126 Theile, StuW 1996, 154, 163. 127 Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 133, 185; bezogen auf Umsatzsteuererhöhungen: Dziadkowski, UR 1998, 181, 182; Kruhl, BB 1998,666,666 f.
8 Löhr
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Gegen die Ansicht Theiles hat insbesondere Hartmut Söhn l29 eingewandt, es komme für die Qualifikation der Umsatzsteuer als Verbrauchersteuer gar nicht auf das tatsächliche Gelingen der Überwälzung, sondern nur darauf an, ob das Umsatzsteuersystem von Gesetzes wegen auf Überwälzung angelegt sei. Es sei im rechtswissenschaftlichen Schrifttum sowie in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, daß das Gelingen der Überwälzung im Einzelfall nicht zu den Voraussetzungen einer Verbrauchersteuer gehöre. 130 Somit gehe der "Nachweis" des Mißlingens der Überwälzung fehl, da er für die Bestimmung der rechtlichen Qualität der Umsatzsteuer irrelevant sei. 131 Diese Argumentation Söhns vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zwar ist zweifellos auch das Überwälzungsprinzip - wie jedes Prinzip - nicht sogleich grundsätzlich in Frage zu stellen, wenn die vom Gesetz vorgesehene Überwälzung in (wenigen) Ausnahmefällen mißlingt. Selbst das Bundesverfassungsgericht betont in diesem Sinne in ständiger Rechtsprechung, die Abwälzbarkeit auf den Verbraucher als Wesen einer Verbrauchsteuer habe nicht zum Inhalt, "daß dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, daß er den von ihm als Steuerschuldner entrichteten Betrag immer von der Person ersetzt erhält, die nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen SOll.,,132 Allerdings kann die Unschädlichkeit des Mißlingens der Überwälzung in Einzelfällen nicht bedeuten, daß das prinzipielle Mißlingen der Überwälzung der Umsatzsteuer insgesamt, welches Theile zu begründen sucht, ebenso unerheblich sei. 133 Denn jedes Prinzip verliert seinen Geltungsanspruch, wenn die als Ausnahmen beschriebenen Sachverhalte, quantitativ betrachtet, zur Regel werden, weil der Durchsetzung des Prinzips objektive Umstände entgegenstehen. Somit bleibt festzuhalten, daß Theiles These des Mißlingens der Überwälzung entgegen der Ansicht Söhns für die Bestimmung des Steuerträgers der Umsatzsteuer durchaus von erheblicher Bedeutung ist.
128 Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 79 m. w. N.; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 21 f.; Tipke, StuW 1992, 103, 108; ders., SteuRO 11, § 192.23, S. 898; Söhn, StuW 1996, 165, 165 f.; a.A. Theile, StuW 1996, 154, 159 ff. 129 Söhn, StuW 1996, 165, 165 f.; s. auch BirklFörster; DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 301 1985, S. 7. 130 Vgl. Nachweise bei Söhn, StuW 1996, 165, Fn. 8. 131 Söhn, StuW 1996, 165, 165 f., 168. 132 BVerfG v. 28.01. 1970 - 1 BvL 4/67 -, BVerfGE 27, 375, 384 (Nachversteuerung für Brannt- und Schaumwein); ähnlich BVerfG v. 10. 05. 1962 - 1 BvL 31/58 -, BVerfGE 14, 76,96 (Vergnügungsteuer); BVerfG v. 01. 04. 1971 - 1 BvL 22/67 -, BVerfGE 31, 8, 20 (Vergnügungsteuerpauschale für Automatenspielgeräte ). 133 Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 163, 185; Tipke, StuW 1992, 103, 108; Trzaskalik, DStJG 12 (1989), 157, 170 f.; Schmölders, Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 9. Teil 1., § 4 S. 643, § 5 S. 649, 651.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
115
An den Ausführungen Theiles irritiert vom juristischen Standpunkt aus jedoch, daß er im Rahmen seiner Untersuchung die Belastung der Unternehmer bezogen auf die "unternehmerische Zielgröße Gewinn" innerhalb dynamischer betriebswirtschaftlicher Modelle untersucht, welche insbesondere die mittelbaren (gesamt-) wirtschaftlichen Wirkungen der Umsatzsteuer einbeziehen. Gewiß sind diese Ergebnisse aus betriebswirtschaftlicher Sicht zutreffend. Fraglich ist indes, inwiefern sie Relevanz für die juristische Beurteilung der Überwälzungsproblematik im Rahmen der Frage nach dem rechtlichen Charakter der Umsatzsteuer entfalten können.
(3) Rechtliche Unterscheidung unmittelbarer (finaler) und mittelbarer (gesamtwirtschaftlicher) umsatzsteuerlicher Belastungen Für die rechtliche Charakterisierung der Umsatzsteuer erscheint es zur Systembildung notwendig, zwischen den unmittelbaren (oder auch finalen) Belastungswirkungen der Umsatzsteuer und deren mittelbaren gesamtwirtschaftlichen Wirkungen zu differenzieren. 134 Die Frage nach der "Überwälzung" der steuerlichen Belastung ist im Rahmen der rechtlichen Charakterisierung der Umsatzsteuer sodann ausschließlich auf die unmittelbaren (finalen) Belastungswirkungen zu beziehen: Die unmittelbaren (finalen) Belastungswirkungen jeder Besteuerung lassen sich durch den Geldentzug beschreiben, den ein zur Zahlung einer Steuer Verpflichteter, im Bereich der Umsatzsteuer also grundsätzlich zunächst der Unternehmer, erfährt. Allein diese unmittelbaren Wirkungen werden von den Steuergesetzen erfaßt und geregelt. Nur auf diese kann daher eine rechtliche Systembildung gestützt werden, welche wiederum maßgeblicher Ausgangspunkt der Frage nach dem Steuerträger der Umsatzsteuer sein muß. Auch eine steuerrechtliche Untersuchung zum Gelingen der Überwälzung im Rahmen der Bestimmung des Steuerträgers der Umsatzsteuer kann somit ausschließlich auf die unmittelbaren Belastungen bezogen werden. Die von den Kritikern des Überwälzungsprinzips aus betriebswirtschaftlicher Sicht in die Diskussion eingeführten Argumente beziehen sich hingegen auf die mittelbaren (gesamtwirtschaftlichen) Belastungswirkungen der Umsatzsteuer. Sie basieren jedoch auf einer rechtlich irrelevanten Vergleichssituation, die für die rechtliche Charakterisierung der Umsatzsteuer nicht stichhaltig ist. Die mittelbaren Belastungen werden von den Kritikern des Überwälzungsprinzips in den durch die Erhebung einer Umsatzsteuer entstehenden Gewinnschmälerungen gesehen, die durch die Einwirkung der Steuer auf die Preis-Nachfrage-Relation entstehen. 135 Sie lassen sich daher nur mittels dynamischer Modelle und
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Ähnlich Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 21 f. Theile, Stu W 1996, 154, 160 ff.
116
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Funktionsgleichungen beschreiben, die einen Vergleich mit einer gedachten Welt ohne (bzw. mit geringerer) Umsatzsteuer herstellen. Auf der Grundlage dieser Modelle läßt sich jedoch der Grad der Überwälzbarkeit der Steuer nur als Funktion von Preis und Absatzmenge abbilden. Eine für die rechtliche Systembildung geeignete allgemeine Aussage zur konkreten Verteilung der mittelbaren Belastungen ist indes demzufolge unmöglich. Ein für die rechtliche Charakterisierung der Umsatzsteuer anhand ihrer Wirkungen geeignetes Modell kann jedoch nur ein statisches System sein, in welchem der Wirklichkeit entsprechend vom Bestehen einer Umsatzsteuer ausgegangen wird, für die der Grad der Überwälzung entstehender unmittelbarer Belastungen unter den beteiligten Personen bekannt ist. Müßten im Rahmen der rechtlichen Charakterisierung einer Steuer ebenfalls die mittels dynamischer betriebswirtschaftlicher Modelle beschriebenen mittelbaren Belastungswirkungen zugrunde gelegt werden, wäre auf Grund der vielfältigen gesamtwirtschaftlichen Wirkungen jeder Steuer sowohl die steuerrechtliche Systembildung als auch die verfassungsrechtliche Rechtfertigung nahezu aller Steuern unmöglich. Das Bestehen einer Umsatzsteuer muß daher aus rechtlicher Sicht schlicht als Rahmen bzw. Grenze unternehmerischer Betätigung verstanden werden, innerhalb derer eine Gewinnerzielung überhaupt nur möglich ist. Denn jeder am Markt erziel bare maximale (Brutto-)Preis wird grundsätzlich in gleicher Weise durch die Steuer belastet, der Gewinn jedes Unternehmers also in gleicher Weise durch die kalkulatorische Größe Umsatzsteuer "begrenzt". Diese Begrenzung stellt zwar eine vor Art. 12 und 14 GG zu rechtfertigende Verkürzung der Rechtspositionen der Unternehmer dar 136, ist also rechtlich nicht völlig irrelevant. 137 Da den Unternehmern von der Rechtsordnung jedoch kein Gewinn in einer bestimmten Höhe garantiert wird 138, können die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen des bloßen Bestehens einer (Umsatz-)Steuer nicht diejenigen rechtlich charakteristischen Belastungen beschreiben, auf welche bei der Frage nach der Überwälzbarkeit einer Steuer abzustellen ist. 139 Von diesem Verständnis ausgehend, lassen sich auch die von den Unternehmern stets als starke Belastung empfundenen Wirkungen von Umsatzsteuererhöhungen erklären. Das "statische" rechtliche System der Umsatzsteuer kann selbstverständlich jederzeit durch entsprechende Gesetzesänderungen (Steuererhöhungen) verändert werden. Eine Erhöhung der Preise der unternehmerischen Lieferungen oder Leistungen um den nach einer Steuererhöhung zusätzlich von den Unternehmern s. nur Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 36 ff., 44. Insofern ist daher Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 22, zu widersprechen. 138 Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 22 (mit Fn. 68); vgl. auch BVerfG v. 01. 04. 1971 - I BvL 22/67 -, BVerfGE 31,8,20 (Vergnügungsteuerpauschale für Automatenspielgeräte). 139 Relevant ist hinsichtlich der Höhe des Gewinnes al1enfal1s im Rahmen von Artt. 12, 14 GG, ob dem Unternehmer überhaupt noch die Möglichkeit zu ausreichend rentabler wirtschaftlicher Betätigung verbleibt (Erdrosselungswirkung der Steuer). 136
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1. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
117
zu entrichtenden Steuerbetrag kann jedoch in einem solchen Fall durch die Unternehmer oft nicht ohne Inkaufnahme von Umsatzminderungen durchgesetzt werden, da die Kaufkraft der Verbraucher insgesamt sinkt. Dies wirkt in der Tat belastend auf diejenigen Unternehmer, die zuvor bereits das Gewinnmaximum in Form einer spezifischen Preis-Absatz-Relation erreicht hatten. Diese Situation resultiert jedoch nur daraus, daß der rechtliche Rahmen unternehmerischer Gewinnerzielung verschoben wurde, das umsatzsteuerrechtliche System quasi in einen anderen, jedoch wiederum "statischen" Zustand überführt wurde. Die aus betriebswirtschaftlicher Sicht festzustellende Gewinnschmä1erung bedeutet daher rechtlich lediglich das Erreichen der in den Grenzen von Artt. 12, 14 GG variablen rechtlichen Grenzen der Marktbeteiligung. Aus alledem folgt, daß sich die Frage nach der Überwälzbarkeit steuerlicher Belastungen im bestehenden (statischen) rechtlichen System der Umsatzsteuer ausschließlich auf die unmittelbaren (finalen) Belastungen beziehen kann. Nur deren Verteilung gibt demnach Auskunft über den Steuerträger. Hinsichtlich dieser unmittelbaren (finalen) Belastung ist für die Umsatzsteuer nun - wie dargestellt 140 - gerade signifikant, daß sie durch das Steuergesetz selbst als abwälzbar gekennzeichnet wird, §§ 14,29 UStG. Gegen die Abwälzbarkeit der unmittelbaren Belastungswirkung der Umsatzsteuer entsprechend der Systematik des Gesetzes bestehen auf der Grundlage des dargestellten Verständnisses auch keinerlei Einwände. Denn sämtliche konkurrierenden Unternehmer, die am selben Markt tätig werden, schulden die Umsatzsteuer für ihre Umsätze in gleicher Höhe, so daß eine Überwälzung der Steuer im Preis an jedem Markt trotz der Wettbewerbssituation erreicht werden wird. 141 Bezüglich der unmittelbaren (finalen) Belastung ist die Umsatzsteuer daher in der Tat ein "durchlaufender Posten" bei den Unternehmern, das Prinzip der Überwälzung also ein charakteristisches Merkmal der Umsatzsteuer. Daraus folgt wiederum, daß ausschließlich die Verbraucher Träger dieser unmittelbaren steuerlichen Belastung sein müssen.
ee) Ergebnis Die Ausführungen machen deutlich, daß vom rechtlichen Standpunkt aus allein die Verteilung der unmittelbaren (finalen) Steuerbelastungen die Frage nach dem Steuerträger entscheiden kann. Somit kann für die rechtliche Beurteilung davon ausgegangen werden, daß die vom System des Umsatzsteuergesetzes intendierte Überwälzung in Form der Weitergabe der zu entrichtenden Steuer als offen auszuweisender Preisbestandteil auch tatsächlich gelingt.
s. oben, Teil B.I.2.e)dd)(I), S. 110 ff. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 77; BVerfG v. 19.03.1974 - 1 BvR 416,767,779/68 -, BVerfGE 37, 38,47. 140
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Grundsätzlich verwirklicht also der heute als systemtragendes Prinzip der Umsatzsteuer gesetzlich verankerte Grundsatz der offenen Überwälzbarkeit der Umsatzsteuer im Zusammenwirken mit dem Vorsteuerabzugsrecht ausschließlich eine Belastung des Endverbrauchers. 142 Dieser ist daher rechtlich als Steuerträger anzusehen.
3. Konsumtive Einkommensverwendungen der Verbraucher als Steuergut
Steuerträger der Umsatzsteuer sind demnach grundsätzlich die Verbraucher. Für die Charakterisierung der Umsatzsteuer durch ihre Wirkungen als Grundlage einer teleologischen Auslegung des Umsatzsteuergesetzes ist jedoch weiterhin die Kenntnis des Steuergutes unerläßlich. Dieses wird, wie bereits erwähnt, von der Steuerrechtswissenschaft entweder in Rechtsverkehrsakten 143, Verbrauchsvorgängen l44 oder unternehmerischen Wertschöpfungen 145 gesehen. Die Ansicht, Steuergut der Umsatzsteuer seien unternehmerische Wertschöpfungen, beruht indes wesentlich auf der Annahme, daß die vom Umsatzsteuergesetz intendierte Überwälzung der steuerlichen Belastung praktisch nicht gelinge. Da sich allerdings bereits die Prämisse des Mißlingens der Überwälzung aus rechtlicher Sicht als unzutreffend 146 herausgestellt hat, kann weiterhin auch die darauf beruhende Aussage über das Steuergut der Umsatzsteuer nicht überzeugen. Hinzu kommt, daß eine Steuer auf die "am Markt realisierte unternehmerische Wertschöpfung" schwerlich mit Hilfe des Leistungsfähigkeitsprinzips gerechtfertigt werden könnte l47 , da der Umsatz eines Unternehmens - also: die Realisierung der Wertschöpfung am Markt - über die Ertragslage und damit über die Fähigkeit zur Zahlung von Steuern keine sicheren Auskünfte gibt. 148 Da aber bereits festgestellt wurde, daß ausschließlich die Verbraucher als Steuerträger der Umsatzsteuer anzusehen sind, liegt es nahe, korrespondierend dazu den "Verbrauch,,149 als Steuergut anzusehen. Es ist daher zu untersuchen, ob dies mit dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck des Umsatzsteuergesetzes vereinbar ist. 142 Tipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 895; Söhn, StuW 1975, 1, 10 ff.; Reiß, FS f. K. Tipke 1995,433,437 f.; ders., in: Tipke/Lang, § 14 1., Rz. 1. 143 Verkehrsteuer-Theorie, s. oben, Teil B.I.2.a), S. 95 f. 144 Verbrauchsteuer-Theorie, s. oben, Teil B.l.2.b), S. 96 ff. 145 Wertschöpfungsteuer, s. oben, Teil B.l.2.d), S. 99 f. 146 s. oben, Teil B.I.2.e)dd)(2) und (3), S. 112 ff., S. 115 ff. 147 So auch Theile, StuW 1996, 154, 164. 148 Tipke, SteuRO 11, § 19 2.3, S. 899; ders., StuW 1992, 103, 109; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 21. 149 Zum Begriff des "Verbrauchs" vgl. unten, Teil C.II.3.b), S. 245 ff.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
119
a) Wortlaut als untaugliches Indiz für die Feststellung des Steuergutes
Nach der Verkehrsteuer-Theorie gelten als Steuergut der Umsatzsteuer diejenigen Akte des Rechtsverkehrs, an welche das Gesetz die Umsatzsteuerpflicht knüpft. 150 Als Argument für diese Auffassung dient den Befürwortern der Verkehrsteuer-Theorie vor allem der Wortlaut der an Rechtsverkehrsakte anknüpfenden Besteuerungstatbestände des § 1 Abs. 1 Nm. I a.F. 151 , 3 a.F. 152 , 5 UStG. 153 Es läßt sich nicht leugnen, daß in den genannten Normen durch die Anknüpfung an Lieferungs- oder Leistungsvorgänge konkrete Akte des Rechtsverkehrs als Besteuerungstatbestand der Umsatzsteuer herangezogen werden, so daß die Umsatzsteuer im Bereich dieser Umsätze formal betrachtet in der Tat als "Prototyp der Verkehrsteuer,,154 gelten könnte. Es entspricht jedoch keineswegs den Regeln juristischer Methodik, bei der Ermittlung des materiell-rechtlichen Gehaltes eines Normensystems am Wortlaut einzelner Vorschriften Halt zu machen. Schon Ludwig Mirre 155 formulierte in diesem Zusammenhang treffend: "Der Begriff der Verkehrsteuern ist ferner insofern einzuschränken, als es nicht gerechtfertigt ist, Steuern, die offenbar den Verbrauch belasten sollen, nur deshalb den Verkehrsteuern zuzurechnen, weil das Gesetz die Entstehung der Steuerschuld an einen Rechtsvorgang knüpft." Für die Bestimmung des Steuergutes der Umsatzsteuer erhält dieser Einwand ein besonderes Gewicht, weil die genannten, verkehrsteuerrechtlich ausgestalteten Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nm. 1 a.F. 156, 3 a.F. 157 und 5 UStG den Besteuerungstatbestand der Umsatzsteuer nicht abschließend beschreiben. Mit dem Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG a.F. 158 bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.Y.m. § 3 Abs. Ib Nr. 1, Abs. 9a Nr. 1 UStG n.F. 159 und der Einfuhr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG sind vielmehr s. oben, Teil B.1.2.a), S. 95 f. Zur Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000 /2002 s. oben, Fn. 103. Diese Änderung betrifft jedoch nicht den hier für die Auslegung der Vorschrift maßgeblichen Wortlaut. 152 § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. ist mit Wirkung ab l. 4. 1999 aufgehoben durch Art. 7 Nr. 1 lit. a)bb) des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BGBI. 1999 I, 402, 486. Inhaltlich geht die ursprüngliche Regelung jedoch in den neu gefaßten Eigenverbrauchsregelungen der §§ 3 Abs. Ib, Abs. 9a UStG i.d.F. durch Art. 7 Nr. 21it. a und lit. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BGBI. 1999 I, 402, 487, auf; vgl. unten, Teil B.I.3.c), S. 123 ff. 153 So Woemer, DStJG 13 (1990), 247, 252; Weiß, StbKongrRep. 1981, 131, 139. 154 A. Hensel, Steuerrecht, § 39 II., S. 220. 155 Mirre, Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. II, VII. Abt., 3. Teil A., § 1 3., S.276. 156 s. Fn. 15l. 157 s. Fn. 152. 158 § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG a.F. wurde mit Wirkung ab l. 4. 1999 aufgehoben durch Art. 7 Nr. Ilit. a) bb) des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BGBI. 1999 I, 402, 486. 150 151
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
auch solche wirtschaftlichen Vorgänge umsatzsteuerbar, denen kein Rechtsverkehrsakt, sondern ein Verbrauchsvorgang bzw. ein sonstiger Realakt zugrunde liegen. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 UStG allein kann demnach nicht als Argument für den Verkehrsteuercharakter der Umsatzsteuer überzeugen. 160 Er bietet jedoch auch keine allein überzeugenden Hinweise für die Belastung des Verbrauchs als Steuergut. Vielmehr läßt der bloße Wortlaut der Besteuerungstatbestände keine zuverlässige Charakterisierung des Steuerguts der Umsatzsteuer zu, da gemäß § 1 Abs. 1 UStG neben Akten des Rechtsverkehrs auch reine Verbrauchsvorgänge und sonstige Realakte als Anknüpfungspunkt der Besteuerung dienen.
b) Leistungstatbestand, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, und innergemeinschaftlicher Erwerb, § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG
Aufschlußreicher als der Wortlaut könnte indes eine teleologische Untersuchung der Besteuerungstatbestände sein. Nimmt man an, daß durch die Umsatzsteuer entweder Rechtsverkehrsakte (Verkehrsteuer-Theorie) oder Verbrauchsvorgänge (Verbrauchsteuer-Theorie) belastet werden sollen, so müßte es möglich sein, die Belastung des entsprechenden Vorganges jeweils verfassungsrechtlich insbesondere vor den spezifischen Anforderungen der Steuergerechtigkeit 161 zu rechtfertigen, welche vor allem im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ihren Ausdruck gefunden haben. Andernfalls wäre eine Erhebung der Umsatzsteuer auf das spezielle Steuergut verfassungsrechtlich unzulässig, so daß nicht davon auszugehen wäre, daß eine derartige Belastung durch das Umsatzsteuergesetz bezweckt wird. aa) Die Vertreter der Verkehrsteuer-Theorie, welche, entsprechend dem Wortlaut vor allem der Besteuerungstatbestände des § 1 Abs. 1 Nm. 1 a.F. 162 und 5 UStG bestimmte Rechtsverkehrsakte als Steuergut der Umsatzsteuer begreifen wollen, können indes meist lediglich auf die von Mirre 163 zur allgemeinen Rechtfertigung von Verkehrsteuern entwickelte sogenannte Bewertungsdifferenzhypothese verweisen. Danach seien Verkehrsteuern als Belastung der durch individuelle Bewertungsdifferenzen verursachten (subjektiv empfundenen) Vorteile gerechtfertigt, welche die Parteien eines Rechtsgeschäftes aus der gewollt herbeigeführ159 Eingeführt durch Art. 7 Nr. 2 lit. a und lit. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002, BGBI. 1999 I, 402, 487. Die Neuregelungen führen jedoch zu gewissen Änderungen in der Eigenverbrauchsbesteuerung, dazu unten, Teil B.I.3.c), S. 123 ff. 160 Tipke, StuW 1992, 103, 107 f.; Söhn, FS f. v. Wallis, 1985,439,443 f. 161 s. näher dazu unten, Teil C.II.1.a)bb), S. 207 ff. 162 s. Fn. 103. 163 Mirre, Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VII. Abt., 3. Teil A., § 2, S. 278 ff. (insb. § 2 3., S. 280). Vgl. zu dieser Theorie auch Tipke, SteuRO 11, § 20 1., S. 934 m.N.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
121
ten Neubewertung eines Gutes zu erzielen hoffen. 164 Zu verlangen sei nach Mirre jedoch, daß die steuerliche Ausnutzung von Bewertungsdifferenzen nicht beim Übergang eines Gutes aus dem Bereich der Produktion in den Bereich des Konsums geschehe, da in diesem Fall nicht von einer Bewertungsdifferenz ausgegangen werden könne. 165 Daraus läßt sich folgern, daß Verkehrsteuern auf der Grundlage der Bewertungsdifferenzhypothese nur gerechtfertigt sein können, wenn sie auf solche Rechtsverkehrsakte erhoben werden, durch die ein Gut dem Markt zum wiederholten Male zugeführt wird. Diese Voraussetzung erfüllt jedoch die Umsatzsteuer gerade nicht. Denn die von den genannten umsatzsteuerrechtlichen Tatbeständen erfaßten Vorgänge können auch solche Wirtschaftsgüter oder Leistungen betreffen, die nach ihrer Produktion erstmalig einem Markt unterworfen werden. Darüber hinaus ist der Bewertungsdifferenzhypothese vorzuwerfen, daß ihr jeglicher Bezug zur Sachgerechtigkeit im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung fehlt. 166 Weder die Besteuerung von Hoffnungen (subjektiv empfundenen Vorteilen) noch die Besteuerung der bloßen Teilnahme an einem Rechtsgeschäft stellt irgendeinen Zusammenhang zu einem sachgerechten, die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG erst ermöglichenden Vergleichsmaßstab l6? her, was jedoch aus Gründen der Steuergerechtigkeit stets zu fordern ist. bb) Die Rechtfertigung des Leistungstatbestandes vor Art. 3 Abs. 1 GG mit Hilfe der Verbrauchsteuer-Theorie erscheint dagegen weitaus überzeugender. Denn der Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1168 UStG läßt sich im Einklang mit dem Wortlaut auch dahingehend interpretieren, daß es sich bei den in der Vorschrift genannten Rechtsverkehrsakten der "Lieferungen und sonstigen Leistungen" inhaltlich um Einkommens- bzw. Vermögensverwendungsakte der die Lieferung oder Leistung empfangenden Verbraucher handelt. Einkommensverwendungen der Verbraucher zu konsumtiven Zwecken sind jedoch Vorgänge, die typischerweise eine bestimmte Leistungsfähigkeit des Einkommensverwenders indizieren. 169 Versteht man unter "Verbrauch" im umsatzsteuerrechtlichen Sinne diese Einkommensverwendungsakte der Verbraucher 170, so ist der Verbrauch geeigneter Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit und daher ein sachgerechtes Merkmal zur Anknüpfung gleichmäßiger steuerlicher Belastungen.I?1
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Mirre, Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VII. Abt., 3. Teil A., § 2 3.,
S.280.
165 Mirre, Die Verkehrsteuern, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VII. Abt., 3. Teil A., § 2 3., S.280. 166 Tipke, SteuRO 11, § 201., S. 934; Lang, in: Tipke/Lang, § 84., Rz. 47. 167 Zum Erfordernis eines sachgerechten Vergleichsmaßstabs für die Anwendung des Art. 3 GG s. unten, Teil C.1.2., S. 184 ff. 168 Zur Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG s. Fn. 103. 169 Dazu genauer unten, insb. Teil C.U.3.b )bb), S. 251 ff. 170 s. unten, Teil C.lI.3.b)bb), S. 251 ff.
122
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Zwar werden durch den Leistungstatbestand auch sämtliche Lieferungen oder Leistungen an Unternehmer erfaßt. Die dabei durch die Überwälzung der Steuer auftretende Belastung der erwerbenden Unternehmer wird jedoch grundsätzlich durch die Gewährung des Vorsteuerabzugsrechts gemäß § 15 Abs. I Nr. I UStG kompensiert, so daß letztlich ausschließlich Vermögensverwendungsvorgänge der Verbraucher mit der gemäß § I Abs. I Nr. I UStG erhobenen Umsatzsteuer belastet bleiben. Die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs gemäß § I Abs. I Nr. 5 i.Y.m. §§ la bis Ic UStG dagegen erfaßt zunächst, mit Ausnahme des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Fahrzeugen gemäß § I b UStG, ausschließlich grenzüberschreitende Erwerbsvorgänge durch vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer. Eine Belastung des Endverbrauchs kann hier also grundsätzlich nicht unmittelbar eintreten. Allerdings gewährt § 15 Abs. I Nr. 3 UStG dem steuerpflichtigen erwerbenden Unternehmer grundsätzlich das Recht zum Vorsteuerabzug für die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb, so daß die Belastung sogleich durch das Vorsteuerabzugsrecht kompensiert wird. Grundsätzlich verursacht die Erhebung der Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb daher keine bleibende Belastung. Sie hat im Zusammenwirken mit der Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung 172 lediglich die Funktion, innerhalb des europäischen Binnenmarktes das zwecks Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips bestehende System von Steuerbefreiung der Ausfuhr und Erhebung einer Einfuhrumsatzsteuer 173 zu ersetzen, um (seit dem 1. Januar 1993) den Verzicht auf Grenzabfertigungen zu ermöglichen. 174 Eine bleibende Steuerbelastung entsteht daher erst, wenn der erwerbende Unternehmer das grenzüberschreitend innerhalb des Binnenmarktes erworbene Gut im Rahmen seines Unternehmens oder zu nichtunternehmerischen Zwecken weiterverwendet. Im ersten Fall tritt bei der Ausführung der unternehmerischen Lieferung bzw. Leistung sodann, wie soeben ausgeführt, eine Verbrauchs belastung bei dem empfangenden Endverbraucher ein. Im zweiten Fall ist die Besteuerung des Eigenverbrauchs indes ebenfalls Ausdruck des Verbrauchsteuergedankens. 175 Der Tatbestand des § I Abs. I Nr. 5 i.Y.m. § la UStG steht somit einer Interpretation der Umsatzsteuer als Steuer auf den Verbrauch nicht entgegen. Sofern die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb darüber hinaus ausnahmsweise direkt bei Endverbrauchern erhoben wird, vgl. § Ib UStG, stellt sie sogar unmittelbar eine Steuer auf einen Verbrauchsvorgang i.w.S. dar. 171 Näher dazu vgl. unten, Teile B.I.3.f), S. 128 ff. sowie C.II.l.b)bb), S. 217 ff. und C.II.2.b), S. 229 ff. 172 § 4 Nr. llit. b i.V.m. § 6a UStG. 173 Vgl. zur Ausfuhrbefreiung und Einfuhrumsatzsteuer bei grenzüberscheitenden Vorgängen im Verhältnis zu Drittlandsgebieten unten, Teil B.I.3.d), S. 126 ff. 174 Reiß, FS f. K. Tipke 1995,433,446. 175 s. sogleich Teil B.I.3.c), S. 123 ff.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
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ce) Die zuletzt dargestellte verbrauchsteuerrechtliehe Begründung der Steuerwürdigkeit unternehmerischer Lieferungen und Leistungen sowie des innergemeinschaftlichen Erwerbs läßt damit einen Rückgriff auf ein Leistungsfahigkeitskriterium zu 176 und ist aus diesem Grunde den verkehrsteuerrechtlichen Rechtfertigungsversuchen vorzuziehen. Die Ansicht, Steuergut der Umsatzsteuer sei der "Verbrauch" wird sodann weiterhin gestützt durch eine Auslegung der Besteuerungstatbestände des Eigenverbrauchs gemäß § I Abs. I Nr. 2 lit. a und lit. bund Nr. 3 UStG a.F. bzw. § lAbs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. Ib Nr. 1, Abs. 9a Nr. 1 UStG n.F. 177 sowie der Einfuhr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG, welche eindeutig keine Rechtsverkehrsakte darstellen.
c) Eigenverbrauchsbesteuerung
Die Rechtfertigung der Besteuerung des unternehmerischen Eigenverbrauchs gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und lit. bund Nr. 3 178 UStG a.F. bzw. gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 LV.m. § 3 Abs. 1b Nr. 1 und Abs. 9a UStG n.F. 179 erscheint, ausgehend von der Verbrauchsteuer-Theorie, ebenfalls relativ unproblematisch. Denn die Entnahme oder Verwendung von Gütern aus dem Unternehmen für Zwecke außerhalb des Unternehmens ist ebenfalls ein Vermögensverwendungsvorgang und daher ein Akt des Verbrauchs im rechtlichen Sinne. 180 Dies wurde bezüglich des heutigen § 1 Abs. 1 Nr. 21it. a UStG a.F. bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 LY.m. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG n.F. schon bei der Schaffung des UStG 1918 erkannt, weshalb der Eigenverbrauchstatbestand des § 1 Abs. 2 UStG 1918 181 ausweislieh der Gesetzesbegründung dazu dienen sollte, einen unbelasteten Konsum derjenigen Personen zu verhindern, welche sich aus dem eigenen Betrieb selbst versorgen können. 182 Ers. unten, Teil B.L3.f), S. 128 ff. m s. Fn. 158 u. 159. 178 Im Falle des § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG handelte es sich - trotz der irreführenden systematischen Stellung - richtigerweise um einen Unterfall des Eigenverbrauchstatbestandes: Begründung zur Einführung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG im UStG 1980, BT-Drucks. 8/1779, S. 29; BFH v. 03.11. 1983 - V R 4/73 -, BFHE 140,115,119 = BStB!. 198411,169,171; Widmann. in: Plückebaum 1Malitzky, UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Rz. 5, 7 ff. 179 Aufhebung des § 1 Abs. 1 Nm. 2 und 3 UStG a.F. und dafür Einfügung des § 3 Abs. Ib und Abs. 9a UStG geschahen durch Art. 7 Nr. 1 lit. a bb) und Nr. 21it. a und lit. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BGB!. 1999 I, 402, 486 f. 180 Tipke. SteuRO 11, § 193.2, S. 915 f.; Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 81, 111 ff.; Söhn. StuW 1996, 165, 166 f.; Reiß. in: Tipke/Lang, § 142., Rz. 82. Speziell für § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG: BFH v. 03. 11. 1983 - V R 4/73 -, BFHE 140, 115, 119 = BStB!. 198411,169,171; a.A. Theile. StuW 1996, 154, 157. 181 § 1 Abs. 2 UStG v. 26. 07. 1918, RGB!. 1918,779,779. 182 RT-Drucks. 1914/1918 Nr. 1461, S. 29; RT-Drucks. 1914/1918 Nr. 1745, S. 2653, 2654 f.; Popitz. in: Popitz 1Kloß 1Grabower, UStG 1926, § 1 Nr. 2 (Der Eigenverbrauch), III., S. 382; vg!. auch Söhn. StuW 1996, 165, 166; ders .• BB 1975,219,219. 176
124
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
neut betont wurde der Charakter des Eigenverbrauchstatbestands als Verbrauchsakt bei der Einführung der Steuerpflicht für den Verwendungseigenverbrauch im Jahre 1967. 183 Auch die oft kritisierte 184 Heranziehung der Selbstkosten als Besteuerungsmaßstab für die Eigenverbrauchstatbestände gemäß § 10 Abs. 4 Nm. 1, 2 UStG ist konsequenter Ausdruck des Verbrauchsteuergedankens, wonach nur die tatsächlichen Aufwendungen des konkreten Verwendungsaktes besteuert werden sollen, da diese bei der Selbstversorgung naturgemäß geringer sind. 185 Zur Vermeidung einer Doppelbelastung des Unternehmers im Falle einer Verwendung von im Unternehmen angeschafften Gütern für Zwecke außerhalb des Unternehmens, ist indes die Eigenverbrauchsbesteuerung unter Zugrundelegung des Verbrauchsteuergedankens von der Gewährung eines Vorsteuerabzugs beim Erwerb des später entnommenen Wertes abhängig zu machen. Die Besteuerung führt so lediglich zur Neutralisation eines bereits gewährten Vorsteuerabzugs und damit zur einfachen umsatzsteuerrechtlichen Belastung der Aufwendungen für das entnommene GUt. 186 Dies ist eine Forderung, die sich richtigerweise auch bereits vor der Änderung der Eigenverbrauchstatbestände durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000 / 2002 187 durch teleologische Reduktion der Eigenverbrauchstatbestände aus dem deutschem Recht ergab. 188 Der Bundesfinanzhof zog diese Folgerung bis zur Neuregelung jedoch nur zwecks Herstellung der Richtlinienkonforrnität des deutschen Rechts im Anschluß an den Europäischen Gerichtshoj89 und änderte hinsichtlich des § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und lit. b UStG a.F. seine zuvor anderslautende Rechtsprechung (erst) mit einer Entscheidung vom 29. August 1991. 190 Mit der Anpas183 § 1 Abs. 1 Nr. 21it. b UStG v. 29. 05. 1967, BGB!. 1967 I, 545, 545. Dazu BT-Drucks. IV 11590, S. 35. 184 Z. B.: Söhn, StuW 1996, 165, 167; ders., BB 1975,219,220; Theile, StuW 1996, 154, 157. 185 Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 111 f. 186 Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 81, 111 ff.; EuGH v. 27.06.1989 - Rs. 50/88 -, EuGHE 1989, 1925, 1952 f. = UR 1989,373,374. Siehe auch Theile, StuW 1996, 154, 157, der jedoch aus dieser Erkenntnis die unzutreffende Schlußfolgerung zieht, die Abhängigkeit der Eigenverbrauchsbesteuerung von der vorherigen Gewährung eines Vorsteuerabzuges diene nicht der Erfassung des Verbrauchs. 187 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24. 03.1999, BGB!. 1999 I, 402, 486 f. 188 Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 113 ff.; Reiß, in: Tipkel Lang, § 142., Rz. 82; Tipke, SteuRO 11, § 193.2, S. 915; Theile, Wettbewerbsneutralität, S. 283 ff.; a.A. Söhn, BB 1975,219,221. 189 EuGH v. 27.06.1989 - Rs. 50/88 -, EuGHE 1989, 1925, 1952 f. (insb. Tz. 10) =UR 1989,373,374; EuGH v. 05. 12. 1989 - Rs. C-165/88 -, EuGHE 1989,4081,4099 (Tz. 19 f.) = UR 1991, 81, 82; s. auch EuGH v. 25. 05. 1993 - Rs. C-193/91 -, EuGHE 1993 I, 2615,2633 f. (Tz. 8 f.) = BStB!. 199311,812,813 f. 190 BFH v. 29. 08.1991 - VB 113/91 -, BFHE 165,109,111 ff. = BStB!. 199211,267, 269. Siehe später auch BFH v. 17. 12. 1992 - V B 22/92 -, BFHE 170,477,479 f. = BStB!. 1994 11, 370, 371.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
125
sung des deutschen Rechts an Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie 191 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 192 findet dieser Gedanke jedoch zukünftig auch im Gesetzestext selbst in § 3 Abs. I b Satz 2, Abs. 9a Satz 2 UStG n.F. seinen Niederschlag, was die Annahme, die Eigenverbrauchstatbestände seien Ausdruck des Verbrauchsteuercharakters der Umsatzsteuer, zusätzlich untermauert. Hingegen bereitet die Rechtfertigung der Eigenverbrauchsbesteuerung den Vertretern der Verkehrsteuer-Theorie enorme Schwierigkeiten. So wurde in früherer Rechtsprechung die Besteuerung des Eigenverbrauchs als "Fiktion,,193 begriffen, um die gesetzliche Gleichstellung des Eigenverbrauchs mit den steuerbaren "Verkehrsvorgängen" des § 1 Abs. 1 Nm. 1194,3195 und 5 bzw. Nm. 1 und 5 UStG a.F. zu rechtfertigen. Diese Konstruktion besitzt jedoch wenig Überzeugungskraft. 196 Dies gilt um so mehr, weil sich die Besteuerung des Eigenverbrauchs in ein Modell der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer problemlos systemgerecht einfügen läßt. Vielfältige Kritik führte daher dazu, daß die neuere Rechtsprechung den Eigenverbrauch nunmehr als Realakt in Form von "Wertabgaben durch das Unternehmen zu nichtunternehmerischen Zwecken,,197 begreift und sich damit - indes ohne ausdrückliche Aufgabe der Verkehrsteuer-Theorie - inhaltlich stark der Verbrauchsteuer-Theorie annähert. Die Bezeichnung des Besteuerungsgutes als Realakt indes ist sehr unspezifisch und daher ebenfalls wenig überzeugend. 198
191 ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06.1977, S. 4 (Art. 5 Abs. 6) bzw. 5 (Art. 6 Abs. 2). Art. 7 Nr. 2 lit. a und lit. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BGBI. 1999 I, 402, 487. 193 Sogenannte "Fiktions-Theorie", vertreten insb. durch den RFH: RFH v. 11. 01. 1927 - VA 746/26 -, RFHE 20, 147, 149 = RStBI. 1927, 102 (nur LS); RFH v. 11. 10. 1929 - V A 263/29-, RFHE 26,28,30 =RStBI. 1930, 122, 122; RFH v. 12.04.1935 - VA 387/34-, RFHE 37,310,310 f. = RStBI. 1935,925,925; RFH v. 17. 10. 1941- V 131/40 -, RStBl. 1942,51,51 f. Später auch: BFH v. 09. 02. 1961 - V 66/58 U -, BFHE 72, 475, 477 = BStBI. 1961 III, 173, 174; Nieders. FG v. 11. 08.1981 - V 142/81 -, EFG 1982,209; vgl. auch Popitz, in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, § 1 Nr. 2 (Der Eigenverbrauch), I., S.380. 194 s. Fn. 103. 195 s. Fn. 152. 196 Zur Kritik vgl. nur Weiß, StbKongrRep. 1981, 131, 139 ff.; Dziadkowski, BB 1982, 2096 ff.; Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 1., Rz. I, S. 607. 197 Sogenannte "Realakt-Theorie", vertreten insb. durch Weiß, StbKongrRep. 1981, 131 ff., 139 ff., sowie die neuere Rechtsprechung des BFH: BFH v. 28. 02. 1980 - V R 138/72 -, BFHE 130, 111, 113 f. = BStBl. 198011, 309, 309 f.; BFH v. 03. 11. 1983 - V R 4/73 -, BFHE 140, 115, 118 f. = BStBI. 198411,169,171; BFH v. 16.09. 1987 - X R 51/81 -, BFHE 152,156,158 =BStBl. 198811,205,206; BFH v. 11. 03.1988 - V R 30/84 -, BFHE 153, 155, 160 = BStBl. 198811,643,646; BFH v. 24. 11. 1988 - V R 200/83 -, BStBI. 198911,163,164; BFH v. 22. 06.1989 - V R 37/84 -, BFHE 158, 144, 152 =BStBl. 198911, 913,917; BFH v. 17.02.1994 - V R 17/91 -, BFH/NV 1995,351,352. 198 Reiß, in: Tipke/Lang, § 141., Rz. I, S. 607. 192
126
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Insgesamt besitzt die Rechtfertigung der Eigenverbrauchsbesteuerung mit Hilfe des Verbrauchsteuergedankens somit die größere Überzeugungskraft.
d) EinJuhrumsatzsteuer Eine Sonderstellung nimmt schließlich die Besteuerung der Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet ein, § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG. Bei der Einfuhr handelt es sich um einen Realakt l99 , der unabhängig von einem Akt des Rechtsverkehrs stattfinden kann, jedoch auch nicht unmittelbar zu einem Endverbrauch führen muß?OO Die Rechtfertigung dieses steuerbaren Umsatzes scheint demnach weder mit Hilfe der Verkehrsteuer-Theorie noch mit Hilfe des Verbrauchsteuergedankens zu gelingen. Diese Probleme können indes nicht durch den Hinweis auf die Vorschrift des § 21 Abs. 1 UStG umgangen werden, welche die Einfuhrumsatzsteuer zur Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung erklärt. Denn die gesetzliche Bestimmung ordnet lediglich an, daß die Einfuhrumsatzsteuer im verwaltungsrechtlichen Sinne als Verbrauchsteuer gelten soll.201 Die verwaltungsrechtliche Behandlung einer Steuer wird jedoch weitgehend durch verfahrensrechtliche Anforderungen und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte bestimmt; der materiell-rechtliche Charakter muß mit dem verwaItungsrechtlichen Verständnis der Steuer nicht übereinstimmen. 202 Ebensowenig kann daher aus der gesetzlichen Zuweisung ausschließlich des Tatbestandes der Einfuhrumsatzsteuer zu den Verbrauchsteuern im Sinne der Abgabenordnung materiell-rechtlich der Urnkehrschluß gezogen werden, .daß alle weiteren Besteuerungstatbestände nicht als Verbrauchsteuern gelten; eine derartige Aussage ist lediglich für das Verfabrensrecht zutreffend?03 Fragt man nach dem Zweck der Besteuerung der Einfuhr, so ist festzustellen, daß die Einführung dieses Umsatzsteuertatbestands im Jahre 1932 204 die Wettbe199 Nämlich das Verbringen eines Gegenstandes aus dem Drittlandsgebiet in das Zollgebiet durch einen Unternehmer oder Nichtunternehmer, s. nur Birken/eid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 1., 15. Kap., § 90 2.a), Rz. 1924 ff.; Söhn, StuW 1975, 1, 16; Schwarz, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Rz. 52. 200 Birken/eid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. I, Abschn. 1., 15. Kap., § 90 2.a), Rz. 1924; Söhn, StuW 1975, 1, 16; Schwarz, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Rz. 53. 201 Söhn, StuW 1975, 1, 16; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 54, 84. 202 Söhn, StuW 1975, 1, 16; ders., FS f. v. Wallis, 1985,439,444; Stadie, in: Rau/Dürrwächter / Flick / Geist, UStG, Einf. Anm. 54, 66 f., 84. 203 Stadie, in: Rau/Dürrwächter /Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 54, 66 f. 204 Verordnung über das Inkrafttreten von Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes v. 29. 01. 1932, RGBl. 1932 I, S. 39 (§ 1 Nr. 4) sowie S. 49 ff. (Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz v. 30.01. 1932 - Ausgleichssteuer). Zur Bezeichnung der Einfuhrumsatzsteuer als "Ausgleichssteuer" s. Hübschmann, FR 1954,529,536.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
127
werbsvorteile ausländischer Anbieter beseitigen sollte, die ihre Waren bis dahin ohne umsatzsteuerliche Vorbelastung im Inland offerieren konnten?05 Dieser Zweck wird noch heute als Hauptzweck der Norm angesehen. 206 Dagegen sind allerdings auf Grund der von der Brutto-Umsatzsteuer abweichenden Wirkungsweise der Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug Zweifel anzumelden, soweit die Einfuhr durch einen Unternehmer vorgenommen wird. Beim Import einer für den Verbrauch im Inland bestimmten Ware durch einen Unternehmer wird die Ware mittels Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer vorgeblich auf dasselbe Besteuerungsniveau erhoben wie alle im Inland produzierten Waren. 207 Dies ist der Sache nach zutreffend. Geht man davon aus, daß die eingeführte Ware durch einen Grenzausgieich 208 bei der Ausfuhr aus dem Herkunftsland (Drittstaat) grundsätzlich bereits von der Umsatzsteuer des Herkunftslandes befreit ist, so wird die Ware lediglich durch die Einfuhrumsatzsteuer belastet. Jedoch kann der einführende Unternehmer diese grundsätzlich 209 nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abziehen. Er wird also grundsätzlich nicht mit der inländischen Steuer belastet, so daß sich die Erhebung einer Einfuhrumsatzsteuer wirtschaftlich nicht auswirkt - ebenso als wäre die Ware im Inland produziert worden. Da durch den Vorsteuerabzug grundsätzlich auch alle im Inland produzierten Waren von Vorbelastungen befreit sind, bedürfte es der Erhebung einer Einfuhrumsatzsteuer zur Anpassung der durch Unternehmer importierten Waren an das inländische umsatzsteuerrechtliche Belastungsniveau an sich nicht. 210 Der ursprüngliche Zweck der Schaffung der Einfuhrumsatzsteuer wurde also mit dem Wechsel des umsatzsteuerrechtlichen Systems weitgehend obsolet, sofern die Einfuhr durch einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer vorgenommen wird. Allein die praktischen Schwierigkeiten bei der Feststellung der Unternehmereigenschaft des Einführenden rechtfertigen wohl heute die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auch gegenüber diesen Unternehmern. 211 Eine weitere Untersuchung der Wirkungsweise des Tatbestandes ergibt indes, daß die Einfuhrumsatzsteuer dennoch eine wesentliche steuersystematische Funktion erfüllt. 212 Der Einfuhrtatbestand vervollständigt die steuerliche Erfassung der 205 Söhn, StuW 1975, I, 16; Stadie, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 84; A. Hensel, Steuerrecht, § 39 I., S. 219; Hübschmann, FR 1954,529,535 f. 206 Söhn, StuW 1975, I, 16; Stadie, in: Rau I Dürrwächter I Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 84; Schwarz, in: Plückebaum I Malitzky, UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Rz. 10. 207 Söhn, StuW 1975, 1, 16; Schwarz, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 1 Abs. 1 Nr.4, Rz. 10; Reiß, in: Tipke I Lang, § 144., Rz. 89. 208 Zum Grenzausgleich zwecks Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips vgl. nur Reiß, in: Tipke I Lang, § 142.1, Rz. 14. 209 Soweit nicht § 15 Abs. 2 UStG eingreift. 210 Schwarz, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Rz. 11. In diesem Sinne auch Reiß, FS f. K. Tipke 1995,433,438. 211 Schwarz, in: Plückebaum I Malitzky, UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Rz. 11. 212 A.A. Stadie, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 84 - Einfuhrumsatzsteuer sei kein Argument für den Verbrauchsteuercharakter.
128
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Verbrauchsvorgänge der Nichtunternehmer?13 Wird ein Verbrauchsgut durch einen Nichtunternehmer importiert, unterliegt dieser Vorgang ebenfalls der Einfuhrumsatzsteuer. Die dabei entstehende Belastung aus der Einfuhrumsatzsteuer verbleibt bei dem importierenden Nichtunternehmer, als hätte er die Ware in gleicher Weise214 im Inland erworben. Die Einkommensverwendung zum Erwerb eines im Inland genutzten Verbrauchsgutes unterliegt mithin der inländischen Umsatzsteuer unabhängig davon, woher das Verbrauchsgut bezogen wird. 215 Bei Anwendung des Verbrauchsteuergedankens ist es weiterhin folgerichtig, daß das Tatbestandsmerkmal der "Einfuhr" sowohl den Import auf Grund eines Rechtsgeschäftes als auch als reinen Realakt erfaßt. Die Ausdehnung des Einfuhrtatbestandes auf Nichtunternehmer trägt demnach dazu bei, die Besteuerung privaten Verbrauchs zu vervollständigen. Man kann dem Einfuhrtatbestand daher in gewissen Grenzen auch ein Indiz für den Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer entnehmen.
e) Korrekturen des Vorsteuerabzugs
Als weiterer Ausdruck des Verbrauchsteuergedankens müssen die Regelungen über die Berichtigung des Vorsteuerabzugs im § ISa Abs. 4 bis 6 UStG angesehen werden. 216 Diese Vorschriften führen innerhalb einer gewissen Frist zu einer Nachversteuerung in einigen Fällen des Eigenverbrauchs, welche andernfalls steuerfrei wären. § ISa UStG entfaltet somit eine gewisse Ergänzungsfunktion zu den Eigenverbrauchstatbeständen. 217
f) Verbrauch als Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit
Es erscheint somit hinreichend bewiesen, daß durch das System der Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug der "Verbrauch" als Steuergut erfaßt werden soll. Damit fügt sich die Umsatzsteuer in die Reihe deIjenigen Steuern ein, die als Steuergut eine der drei als große Säulen der steuerlichen Leistungsfähigkeit anerkannten 218 Indikatoren Einkommen - Vermögen - Verbrauch erfassen. Denn auch 213 Söhn, StuW 1975, 1, 16; Schwarz, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 1 Abs. 1 Nr.4, Rz. 11; Tipke, SteuRO 11, § 193.3, S. 917; Reiß, in: Tipke/Lang, § 142.1, Rz. 14 und § 14 4., Rz. 89. 214 Es sei denn, der Einfuhr liegt ein Erwerb von einern Privatmann zugrunde; dieser wäre im Inland nicht steuerpflichtig, vgl. unten Teil B.I.3.f), S. 129 f., insb. Fn. 224. Insofern kann der Einfuhrtatbestand weiter reichen als der Leistungstatbestand im Inland. Dies ist jedoch mit dem Verbrauchsteuergedanken vereinbar. 215 Söhn, StuW 1975, 1, 16. 216 Stadie, in: Rau I Dürrwächter I Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 82. 217 Stadie, in: Rau I Dürrwächter I Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 82,145 f., 147 ff.
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
129
der individuelle "Verbrauch,,219 läßt eine bestimmte Leistungsfähigkeit erkennen, die den Anknüpfungspunkt für eine steuerliche Belastung und gleichzeitig den Maßstab für eine sachgerechte Differenzierung dieser Belastung bieten kann?20 Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Erhebung einer Umsatzsteuer bereitet demnach ausgehend von der Verbrauchsteuer-Theorie nur geringe Schwierigkeiten. 221 Eine Umsatzsteuer als Steuer auf die Einkommensverwendung eignet sich nach diesem Verständnis gut als Teil eines komplexen, auf dem Leistungsfähigkeitsprinzip basierenden steuerrechtlichen Gesamtsystems, da die Besteuerung der Einkommensverwendung, sofern sie mit den übrigen Steuern hinreichend abgestimmt wird, eine unentbehrliche Ergänzungsfunktion zur Besteuerung von Einkommenserzielung und Vermögen einnehmen kann. 222 Gegen die Annahme, die Umsatzsteuer erfasse mit dem Verbrauch einen Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit, wird allerdings oftmals eingewendet, daß die Steuer unter diesen Voraussetzungen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Allgemeinheit der Besteuerung genügen könne. 223 Dies wird damit begründet, daß im geltenden Umsatzsteuerrecht fast 224 ausschließlich der auf einem Erwerb des Verbrauchsguts von einem Unternehmer beruhende Verbrauchsvorgang erfaßt werde, nicht hingegen die für eine allgemeine Verbrauchsteuer ebenso steuerwürdige Einkommensverwendung zum Erwerb von Gütern auf Grund nichtunternehmerischer Leistungen. 225 Es ist indes steuertechnisch aus Praktikabilitätsgründen kaum möglich, auch privat vermittelte Einkommensverwendungen steuerlich zu belasten. 226 Die Einschränkung in der Allgemeinheit der Besteuerung des Verbrauchs durch den Verzicht auf die Erfassung des privat vermittelten Verbrauchs ist ein Gebot der Vernunft227 und kann daher nicht dazu führen, die Charakterisierung der Umsatzsteuer als eine allgemeine Verbrauchsteuer abzulehnen. 218 Zu den "drei großen Säulen der Leistungsfähigkeit" s. nur Lang, in Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.2.2, Rz. 95 ff. sowie unten, Teil C.I1.1.b)bb), S. 217 ff. 219 "Verbrauch" im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist zu verstehen als konsumtive Einkommensverwendung über den Grundbedarf hinaus, vgl. unten, Teile C.I1.3.b) bb) - ff), S.251ff. 220 Tipke, SteuRO 11, § 19 2.3, S. 899 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 1.2.2.2.b), Rz. 95 sowie § 4 1.2.2.2.d), Rz. 110; Reiß, FS f. K. Tipke 1995,433,434; ders., DStJG 13 (1990), 3, 19; ders., in: Tipke/Lang, § 141., Rz. 1; Teichmann, StuW 1975,189,193. Siehe auch unten, Teile C.II.3.b)bb), S. 251 ff. und C.I1.3.c), S. 266 ff. 221 Näher dazu unten, Teil C.I1.2.b), S. 229 ff. 222 Näher dazu unten, Teile C.II.1.b)bb), S. 217 ff. und C.I1.2.b), S. 229 ff. 223 Insbesondere Weiß, UR 1981, 149, 149. 224 Ausnahmsweise kann der auf einem Erwerb von einem Privatmann beruhende Verbrauch mittels der Einfuhrumsatzsteuer erfaßt werden, wenn der Erwerber (Endverbraucher) selbst das privat erworbene Verbrauchsgut in das Zollgebiet einführt, vgl. oben, Teil B.I.3.d), S. 126 ff., insb. Fn. 214. 225 Weiß, UR 1981, 149,149. 226 Genauer dazu unten, Teil C.II.3.d)cc), S. 279 f.
9 Löhr
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Die Umsatzsteuer ist demnach aus der Sicht des deutschen Rechts eine Steuer, die durch die Erfassung des "Verbrauchs" i.S.v. konsumtiven Einkommensverwendungen als Steuergut einen typischen Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit erfaßt. 4. Europäische Umsatzsteuer-Harmonisierung
Auch innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wird die harmonisierte Umsatzsteuer darüber hinaus ganz herrschend als Verbrauchsteuer verstanden. 228 Bereits in Art. 2 Abs. 1 der Ersten Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer vom 11. April 1967 229 wird die zu schaffende harmonisierte Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer bezeichnet. Bei der Umsetzung der in der Ersten Richtlinie vereinbarten allgemeinen Anforderungen an ein harmonisiertes europäisches Mehrwertsteuersystem wird schließlich insbesondere durch die Gewährung eines Vorsteuerabzugs für Unternehmer in Art. 17 der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer vom 17. Mai 1977230 sowie durch verschiedene weitere Vorschriften 231 dieser Sechsten Umsatzsteuer-Richtlinie, welche die Besteuerung des Letztverbrauchs sicherstellen sollen, verdeutlicht, daß die harmonisierte europäische Mehrwertsteuer materiell-rechtlich tatsächlich als Verbrauchsteuer wirken soll.232 Die Auslegung des harmonisierten Mehrwertsteuersystems durch den Europäischen Gerichtshof33 basiert weiterhin ebenfalls ausdriicklich auf dem Verständnis Genauer dazu unten, Teil c.n.3.d)cc), S. 279 f. Zur europäischen Literatur vgl. nur Nachweise bei Tipke, DStR 1983,595,596 f. 229 Erste Richtlinie des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (67/227 /EWG), ABI. EG Nr. 71, S. 1301, 1302. 230 Sechste Richtlinie (EWG) Nr. 77 / 388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - vom 17. 05. 1977, ABI. EG Nr. L 145, S. 1, IH. 231 s. z. B.: Art. 16 Abs. 1 der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie, ABI. EG Nr. L 145, S. 1, 13: "Unbeschadet der übrigen gemeinschaftlichen Steuerbestimmungen können die Mitgliedstaaten ... Sondermaßnahmen treffen, um folgende Umsätze ... nicht der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, sofern diese nicht für eine endgültige Verwendung und / oder einen Endverbrauch bestimmt sind"; Art. 5 Abs. 6 der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie, ABI. EG Nr. L 145, S. 1, 4 (Steuerpflichtigkeit der Entnahmen von Gegenständen, für welche ein Vorsteuerabzugsrecht bestand). 232 s. auch Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, S. 51 f.; Streng. StuW 1999, 154, 156; Söhn, FS Pohmer 1990, 217, 227 f. 233 Grundlegend: EuGH v. 05. 05. 1982 - Rs. 15/81 -, EuGHE 1982, 1409, 1426 = UR 1982,242,243. Seitdem ständ. Rspr.: EuGH v. 10.07. 1985 - Rs. 16/84 -, EuGHE 1985, 2355,2371 =UR 1986,173,175; EuGH v. 27. 06.1989 - Rs. 50/88 -, EuGHE 1989,1925, 1952 ff. = UR 1989,373,374; EuGH v. 13.07. 1989 - Rs. 93/88, 94/88 -, EuGHE 1989, 227
228
I. Rechtlicher Charakter der Umsatzsteuer
131
der Steuer als Verbrauchsteuer. Besonders hervorzuheben ist dabei nochmals die Bedeutung, die der Europäische Gerichtshof dem Vorsteuerabzug für die Verwirklichung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer im unternehmerischen Bereich beimißt. 234 Somit kann zusätzlich das europarechtliche Verständnis der hannonisierten Umsatzsteuer als Argument für den materiell-rechtlichen Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer herangezogen werden. Allerdings folgt daraus nicht zugleich, daß durch die Richtlinie ein für die Mitgliedstaaten innerstaatlich verbindlicher europäischer Verbrauchsbegriff definiert wird. 235 Die signifikanten systemtragenden Merkm!ile des Netto-Umsatzsteuer-Systems mit Vorsteuerabzug offenbaren somit den Charakter der Umsatzsteuer deutlich. Die gesetzlich intendierte personelle Belastungsverteilung, wonach grundsätzlich ausschließlich die Endverbraucher belastet werden sollen, sowie das im Verbrauch LS.v. Einkommensverwendungen zu sehende Steuergut der Umsatzsteuer führen zur Qualifikation der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer.
5. Umsatzsteuer als indirekte Steuer
Obwohl die Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer die (End-)Verbraucher treffen soll, wird sie grundsätzlich 236 besteuerungstechnisch bei den Unternehmern erhoben. Diese rechtstechnische Anknüpfung an Verkehrsakte zwecks steuerlicher Erfassung von Verbrauchsvorgängen läßt sich damit erklären, daß die Erhebung einer Verbrauchsteuer bei dem Verbraucher selbst praktisch unmöglich ist und zugleich einen sehr starken Eingriff in die Privatsphäre bedeutete. 237 Das Umsatzsteuergesetz nimmt daher aus verwaltungstechnischen Gründen und zum Schutz der Privatsphäre der Verbraucher die Unternehmer als Steuerpflichtige in Anspruch?38 Letztlich belastet bleibt jedoch allein die Einkommensverwendung der Nichtunternehmer. Die Technik der indirekten Besteuerung hindert daher die Annahme nicht, Steuerträger der Umsatzsteuer sei der Verbraucher und Steuergut der Umsatzsteuer sei der Verbrauch. 2671, 2706 f. = UR 1990, 362, 364. Mißverständlich lediglich EuGH v. 08. 07. 1986 - Rs. 73/85 -, EuGHE 1986,2219,2238 f. = UR 1986, 297, 301: "andere Verkehrsteuern als die
Mehrwertsteuer" . 234 Dazu oben, Teil B.I.2.e)cc)(3), S. 105 ff. 235 Dazu genauer unten, Teil C.II.3.b)bb)(3), S. 254 ff. 236 Als Ausnahmen, in denen die Umsatzsteuer u.U. im Einzelfall direkt beim Verbraucher erhoben wird, sind zu nennen: § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG (Einfuhr); § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § Ib UStG (Innergemeinschaftlicher Erwerb von Fahrzeugen); § 18 Abs. 8 UStG; § 6a Abs. 4 S. 3 UStG. Vgl. dazu Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 88 ff.; Reiß, FS f. K. Tipke 1995,433,438. 237 Genauer dazu s. unten, Teil C.II.3.d)aa), S. 271 ff. 238 1ipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 893 ff. (895); Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 A.1. Rz. 1. 9*
132
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
6. Ergebnis
Für die Zwecke dieser Untersuchung kann demnach bezüglich der Charakteristika des geltenden Umsatzsteuersystems vorausgesetzt werden, daß es sich um ein System einer allgemeinen indirekten Verbrauchsteuer handelt. Es hat sich herausgestellt, daß Steuerträger der Umsatzsteuer grundsätzlich die Verbraucher sind; Steuergut der Umsatzsteuer ist der "Verbrauch,,239. Innerhalb dieses Verbrauchsteuersystems darf davon ausgegangen werden, daß den zunächst bei der Ausführung einer Lieferung oder Leistung steuerpflichtigen Unternehmern die durch die Gesetzessystematik intendierte Überwälzung der steuerlichen Belastung auf die Verbraucher grundsätzlich gelingt und daß die Unternehmer gleichzeitig durch das Instrument des Vorsteuerabzugs grundsätzlich von Vorsteuern auf solche Lieferungen oder Leistungen, die sie zur Ausführung eigener Umsätze erwerben, entlastet werden. Soweit das Umsatzsteuergesetz den Vorsteuerabzug bei der Ausführung bestimmter Lieferungen und Leistungen ausschließt, stellt dies einen Bruch des Systems der Umsatzsteuer dar, der indes verfassungsund zum Teil auch europarechtswidrig ist und daher den Charakter der Umsatzsteuer nicht bestimmt. Die systemtragenden Prinzipien des geltenden Umsatzsteuerrechts sind somit das Überwälzungsprinzip und das System des umsatzsteuerrechtlichen Vorsteuerabzugs.
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung einer steuerrechtlichen Norm
Ziel der folgenden Untersuchung ist es, die Vereinbarkeit des § 9 Abs. 2 UStG n.F. mit materiellen verfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Grundrechten, zu überpriifen. 24o Die Prüfung einer steuerlichen Norm auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung setzt jedoch zunächst voraus, daß man sich über den zugrundezulegenden verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab Klarheit verschafft. Auf Grund des Charakters des Steuerrechts als staatliches Eingriffsrecht241 ist offenkundig, daß Steuernormen in besonderem Maße grundrechtsrelevant sind. Schwierigkeiten bereitet jedoch die Beantwortung der Frage, ob eine steuerrechtliche Norm im Einzelfall vorrangig dem Gleichheitsgrundsatz oder den Freiheitsgrundrechten zu genügen hat bzw. in welchem Verhältnis Gleichheits- und Frei-
Zum Inhalt des rechtlichen Verbrauchsbegriffs s. jedoch unten, Teil C.l1.3.b), S. 245 ff. Zum Priifungsziel s. oben, Teil A.lY., S. 88 ff. 241 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 D.II.2. Rnr. 67 ff. (in sb. 68 - 72); P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 A.lV. Rnr. 41 ff., 79 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 1 2.1.b) Rz. 11; Tipke, SteuRO I, § 3 2.3, S. 35; Birk, Steuerrecht I, § 3 Rnr. 5, § 5 Rnr. 1; Stern, in: Stern, Staatsrecht 11, § 46 I.5.a), S. 1106. 239
240
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
133
heitsgrundrechte bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der Steuernorm stehen. In der neueren steuerrechtlichen Literatur werden diesbezüglich verschiedene Auffassungen vertreten. Da die Entscheidung über den Prüfungsmaßstab das Ergebnis der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 UStG erheblich beeinflussen kann, ist dieser (Vor-)Frage zunächst besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
1. Einteilung der Steuernormen in drei Normarten zwecks Ermittlung eines spezifischen grundrechtlichen Prüfungsmaßstabs
In der steuerrechtlichen Literatur wird überwiegend davon ausgegangen, daß es keinen einheitlichen grundrechtlichen Prüfungsmaßstab für sämtliche steuerrechtlichen Normen gebe. Vielmehr sei eine Abgrenzung zwischen speziellen Arten 242 von Steuernormen erforderlich 243 , die jeweils einem spezifischen Prüfungsmaßstab unterliegen sollen. 244 Als herrschend 245 kann eine Einteilung der Steuernormen in folgende drei Normarten bezeichnet werden: In sogenannte Fiskalzwecknormen246 , sogenannte Sozialzwecknormen247 , welche wiederum als Lenkungsnormen248 oder Umverteilungsnormen wirken können, sowie sogenannte Vereinfachungszwecknormen. 249
242 Zu den Normarten: Tipke, SteuRO I, § 4 2.32, S. 77 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2. Rz. 19 ff.; K. Vogel, StuW 1977, 97, 107; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 1I.4.a), S. 36; Birk, Steuerrecht I, § 2 II Ror. 6 ff. 243 Zur Erforderlichkeit der Abgrenzung insb. Tipke, SteuRO I, § 42.34, S. 83 ff. (83 f.); einschränkend Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 60 ff.; ders., in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 56 a.E.; K. Vogel, BayVBI. 1980,523,524; ablehnend Bodenheim, Zweck, S. 185 ff. 244 TIpke, SteuRO I, § 4 2.34, S. 83 ff. (85); ders., StuW 1988,262,273; Lang, in: Tipkel Lang, § 4 A. 3.2.2. Rz. 25, § 4 A. 3.2.1. a)-c) Rz. 20-24, im einzelnen § 4 C. 1.2. (Rz. 81 ff.), 1.3. (Rz. 124 ff.), 1.4. (Rz. 130 ff.); Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 55; Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomrn, GG, Vorbem. z. Art. I04a-115 Rnr. 529; Zitzelsberger, StuW 1985, 197, 198 f. (Fn. 18); ausführliche Darstellung der Entwicklung bei Bodenheim, Der Zweck der Steuer, S. 189 ff. 245 s. Nachweise in Fn. 242. 246 Auch "Lastenausteilungsnormen", s. K. Vogel, StuW 1977,97 ff. (S. 99 Fn. 23); ders., DStZl A 1977,5 ff. 247 Auch "steuerinterventionistische" Normen, s. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 39,63 ff. m.N.; auch Birk, Steuerrecht I, § 211.2. Rnr. 16. 248 K. Vogel, StuW 1977,97 (99, 107 f.), und Birk, Steuerrecht I, § 211.2. Rnr. 14 ff., wählen anstelle des Begriffes der Sozialzwecknormen diesen Begriff der Lenkungssteuern als Oberbegriff. 249 Einteilung nach Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.1. Rz. 19 ff. Ebenso TIpke, SteuRO I, § 4 2.31, S. 74 f. (mit umfangreichen Nachweisen zur weiteren Verwendung dieser Terminologie in Fn. 47 (S. 75».
134
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Jeder dieser drei Normgruppen wird ein spezifischer grundrechtlicher Prüfungsmaßstab zugeordnet. 250 Daneben hat insbesondere die Identifikation wirtschaftslenkender Sozialzwecknormen große Relevanz u. a. für die Qualifikation steuerlicher Vorschriften als Subventionen251 , für die Auslegung 252 steuerlicher Normen, für Kompetenzbestimmungen 253 , für die sozialrechtliche Bedürftigkeitsmessung anhand steuerlicher Vorgaben 254 , für Vertrauensschutzfragen bei rückwirkenden Gesetzesänderungen 255 sowie für Rechtsschutzfragen, Haushaltsrecht oder Finanzausgleichsrecht. 256 Als Fiskalzwecknormen im Sinne der oben genannten Unterscheidung werden solche Normen bezeichnet, die primär die Erzielung staatlicher Einnahmen mittels Definition von Belastungstatbeständen unter Berücksichtigung der Kriterien austeilender Gerechtigkeit bezwecken (Ertrags- und Verteilungszweck). 257 Daher sollen sie sich nach herrschender Ansicht überwiegend an dem aus dem Gleichheitsgebot abzuleitenden Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Lei250
s. Nachweise in Fn. 244.
251
a) Nach § 12 StabilG (Gesetz v. 08.06. 1967, BGBI. 1967 I, 582) sind sichtbare und
unsichtbare Finanzhilfen des Bundes in zweijährigem Turnus in einem Subventionsbericht aufzuführen und die daraus resultierenden Mindereinnahmen zu schätzen; s. zuletzt Siebzehnter Subventionsbericht, BT-Drucks. 14/1500 v. 13.08.1999. b) Im Rahmen von Art. 92, 93 (neu 87, 88) EGV könnten auch steuerliche Subventionen als wettbewerbsverfälschende "Beihilfen" unzulässig sein; s. nur Entscheidung der Kommission Nr. 93/4961 EWG v. 09.06. 1993, ABI. EG Nr. L 233, S. 10 ff., 12. c) Allgemein zur Bedeutung der Identifikation steuerlicher Subventionen s. Zitzelsberger, StuW 1985, 197 ff.; Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, 48 f.; Ault, StuW 1974,335 ff.; Tipke, StuW 1988,262,273. 252 Insb. K. Vogel, DStZl A 1977, 5, 8 ff.; ders., StuW 1977, 97, 98 f.; ders., BayVBI. 1980,523,525; Tipke, StuW 1988,262,273. 253 Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 55, 504 m. w. N.; Selmer, Steuerinterventionismus, S. 160 ff.; Bodenheim, Zweck, S. 294 ff.; K. Vogel, StuW 1977, 97, 99; Ault, StuW 1974,335,339; Tipke, StuW 1988,262,273. Gegen eine zusätzliche Sachkompetenz für Lenkungssteuern neben der Steuergesetzgebungskompetenz: BVerfG v. 07. 05. 1998 - 2 BvR 1991/95 und 2004/95 -, BVerfGE 98, 106, 118 (Kommunale Verpackungsteuer). 254 Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 55; Tipke, StuW 1988,262,273. 255 Das BVerfG hat in einem Beschluß vom 03. 12. 1997 (- 2 BvR 882/97 -, BVerfGE 97, 67, 80) in einem obiter dictum, welches jedoch dem Beschluß als Leitsatz 1 vorangestellt wurde, den Vertrauensschutz bei der gesetzlichen Änderung von Sozialzwecknormen gegenüber dem Vertrauensschutz bei der Änderung von Fiskalzwecknormen wesentlich erhöht. So ebenfalls: Friauf, StbJb 1986/87,279,284 ff.; K. Vogel, JZ 1988, 833, 838 f.; P. Kirchhof, DStR 1989, 263, 268; Tipke, SteuRO I, § 6 3.2, S. 166 f.; J. Isensee, FS Klein 1994, 611, 613 f.; Burmeister, FS Friauf 1996, 759, 786; Lang, WPg 1998, 163, 174; Hey, BB 1998, 1444, 1448; a.A. AmdtlSchumacher, NJW 1998, 1538, 1539. Für die rückwirkende Änderung der Finanzrechtsprechung ähnlich schon BFH v. 23. 02. 1979 - III R 16/78 -, BFHE 127,476,479 f. 256 Allgemein zur Relevanz: Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 47 - 50; ders., in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 55; Tipke, SteuRO I, § 4 2.34, S. 83 ff.; ders., StuW 1988, 262, 273 f.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.2. Rz. 25; K. Vogel, StuW 1977,97,98 ff. 257 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.l.a) Rz. 20; Tipke, SteuRO I, § 4 2.321, S. 77; K. Vogel, DStZl A 1977,5,9; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 52.
11. Grundrechtlicher Priifungsmaßstab
135
stungsfähigkeit messen lassen. 258 Im Hinblick auf Freiheitsgrundrechte indessen wurden Fiskalzwecknormen teilweise als vollkommen unproblematisch angesehen, da eventuell auftretende lenkende Nebeneffekte dieser Normen keine grundrechtsbezogenen Eingriffe darstellen sollen. 259 Darauf wird zurückzukommen sein. 260 Für die Verfassungsmäßigkeit von Sozialzwecknormen hingegen, deren Primärzweck nicht die Einnahmenerzielung 261 , sondern ein politisch motivierter Gestaltungs- oder Lenkungszweck sei 262 , soll das Leistungsfähigkeitsprinzip nur eine untergeordnete Rolle spielen. Dies folge daraus, daß derartige Normen bewußt vom Grundprinzip der Verteilung der Steuerlast nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abwichen, sich somit gerade als wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitisch motivierte Ausnahme von einer ursprünglichen Belastungsentscheidung des Gesetzgebers darstellten. 263 Die Sozialzwecknormen müßten auf Grund ihrer gezielten Gestaltungsfunktion vielmehr nur den Freiheitsgrundrechten 264 , dem Sozialstaatsprinzip 265, dem Gemeinwohlprinzip266 sowie je nach ihrer Art dem Verdienst- oder Bedürfnisprinzip267 genügen. Vereinfachungszwecknormen schließlich sollen der Verwirklichung von Steuergerechtigkeit durch Steuervereinfachung und damit der Durchsetzung des Gleichheitssatzes dienen. 268 Die in ihnen enthaltenen Typisierungen und Pauschalisierungen seien dann durch das Praktikabilitätsprinzip gerechtfertigt, wenn sie trotz Abweichung vom Gleichbehandlungsgebot nicht zu einem beträchtlichen Verlust an Einzelfallgerechtigkeit führten. 269 258 Lang, in: Tipke I Lang, § 4 A. 3.2.1.a) Rz. 20 und § 4 C. 1.2.1.b) Rz. 85; Tipke, SteuRO I, § 4 2.321, S. 77. 259 Selmer; Steuerinterventionismus, S. 217 ff. (221); kritisch dazu Bodenheim, Zweck, S. 189 ff., 269 ff.; Klo~pfer; StuW 1972, 176, 179 ff.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 195 ff.; P. Kirchhof, DOV 1973,467. 260 s. unten, Teil 8.11.2., S. 150 ff. 261 Fehlen des Primärzwecks der Einnahmenerzielung bedeutet dabei lediglich die Abwesenheit eines Lastenausteilungs-( =Verteilungs-)zwecks als nur eines Teiles des Finanzzwecks (s. nur TIpke, SteuRO I, § 4 2.322, S. 77 f.; K. Vogel, StuW 1977,97, 106 f.); hingegen entfällt nicht auch der Ertragszweck vollständig - er tritt lediglich hinter den Lenkungszweck zuriick (K. Vogel, DStZl A 1977,5, 10). 262 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.1. Rz. 21; K. Vogel, DStZI A 1977,5, 10; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 53 f. 263 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.3. Rz. 124 ff. 264 Nachw. bei Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 47. 265 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.1.b) Rz. 21, § 4 C. 3. Rz. 196 ff. (für Umverteilungsnormen). 266 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.3.a) Rz. 126; TIpke, SteuRO I, § 4 2.322, S. 77 ff. (78) m.w.N. 267 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.3.b) und c) Rz. 127 -129; TIpke, SteuRO I, § 4 2.322, S. 77 ff. (78). 268 Lang, in: Tipke I Lang, § 4 C. 1.4. Rz. 130 ff.
136
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Die Eigenständigkeit der Vereinfachungszwecknormen als Normgruppe wird allerdings zunehmend bestritten. 27o Da vereinfachende Normen stets entweder der Durchsetzung eines Verteilungszwecks oder eines Lenkungszwecks dienen 271 , der Vereinfachungszweck also eine geringere Wertigkeit 272 aufweist als die ethischen - aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten - Prinzipien, die den Fiskal- und Sozialzwecknormen zugrundeliegen, ist dieser Kritik zuzustimmen. Normen mit Vereinfachungszweck sind daher entsprechend ihrer Intention jeweils den für Fiskal- oder Sozialzwecknormen geltenden Prinzipien zu unterwerfen. Zur Bestimmung eines grundrechtlichen Priifungsmaßstabs wäre es nach der herrschenden Ansicht nun erforderlich, die zu priifende Norm des § 9 Abs. 2 UStG einer der genannten Normarten zuzuordnen. Eine solche Einordnung begegnet jedoch erheblichen Schwierigkeiten. In der Literatur werden eine Vielzahl von Abgrenzungskriterien insbesondere für die Unterscheidung zwischen Fiskal- und Sozialzwecknormen vorgeschlagen. Versucht wird, durch Einteilung nach dem Normzweck, durch Feststellung eines formellen oder materiellen Regel-Ausnahme-Verhältnisses sowie durch Heranziehmtg des Leistungsfähigkeitsprinzips eine Abgrenzung zu erreichen. Diese Abgrenzungskriterien können indes nicht überzeugen, da sie zum Teil willkürlich erscheinen und eine wirklich eindeutige Zuordnung einer steuerrechtlichen Norm zu einer bestimmten Normgruppe im Einzelfall nicht gewährleisten können.
a) Abgrenzung der Steuemormarten nach dem Normzweck Die steuergesetzlichen Normgruppen werden in der steuerrechtlichen Literatur überwiegend nach dem ihnen zugrundeliegenden primären Zweck273 bzw. ihrer "Funktion,,274 unterschieden, was bereits in den anerkannten Definitionen275 der Normarten zum Ausdruck kommt.
269 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.4. Rz. 130; Tipke, SteuRO I, § 7 5.9211, S. 349 (unter (5» mit Nachweisen aus der Rechtsprechung in § 7 5.9212, S. 351 in Fn. 394. 270 Tipke, SteuRO I, § 4 2.323, S. 80; Ruppe, Gutachten 8. ÖlT, S. 34. Von vornherein auf die Nennung der Vereinfachungszwecknormen als besondere Normgruppe verzichten Birk, Steuerrecht I, § 2 11., Rnr. 6 ff.; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 52 ff.; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 1I.4.a), S. 36. 27l Ruppe, Gutachten 8. ÖlT, S. 34; Tipke, SteuRO I, § 4 2.323, S. 80. 272 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.4. Rz. 130; Tipke, SteuRO I (1. Aufl.), § 8 6.72, S. 371; ders., SteuRO I, § 7 5.921, S. 348 ff., insb. § 7 5.9213, S. 354 ff. 273 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.1. Rz. 19-24 und insb. § 4 A. 3.2.2. Rz. 26; Selmer; Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 59 ff.; Bodenheim, Zweck, S. 25 ff., 211 ff. 274 K. Vogel, StuW 1977,97, 106 ff., versteht "Funktion" als "objektiven Zweck" des Gesetzes (S. 106). 275 s. oben, Teil B.II.I., S. 133 ff.
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
137
aa) Abgrenzung nach dem "subjektiven" Zweck des Gesetzgebers Die Definition der Steuernormarten legt zunächst eine Abgrenzung nach dem "subjektiv,,276 vom Gesetzgeber, respektive von den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen, bestimmten Primärzweck nahe. Ein derartiger historischer Sinn einzelner Normen läßt sich anhand der Entstehungsgeschichte sowie unter Heranziehung von Entwürfen, Beratungsprotokollen, Gesetzesbegründungen oder anderen überlieferten Äußerungen aus den Beratungen der gesetzgebenden Organe, die den überwiegenden Willen der beteiligten Personen wiedergeben, ermittein. 277 Bei einer Orientierung allein am subjektiven Regelungszweck des Gesetzgebers besteht jedoch stets die Gefahr, daß dieser auf Grund von Zweckkumulation, Zweckvortäuschung oder auch Zeitablauf nicht (mehr) eindeutig zu ermitteln ist. 278 Daher ist auch in der allgemeinen Methodenlehre heute anerkannt, daß der subjektive historische Wille des Gesetzgebers für das Verständnis einer Norm nicht allein ausschlaggebend ist. 279 Ist der historische Wille nicht (mehr) erkennbar oder läßt sich die Norm danach nicht eindeutig auslegen, so ist der Zweck eines Gesetzes vielmehr normativ unter Berücksichtigung aller erkennbaren Zwecke, der aus dem Bedeutungszusammenhang der Norm folgenden Grundgedanken sowie gegebenenfalls aus objektiv-teleologischen Kriterien (wie insb. Struktur des Normbereiches, rechtsethische Prinzipien)28o zu bestimmen?81 Die Ermittlung des subjektiv vom Gesetzgeber bestimmten Primärzwecks taugt folglich schon allgemein vom Ansatz her nicht zur Einteilung der Normen in die verschiedenen Normgruppen. 282 Denn daraus ergäbe sich beispielsweise die Konsequenz, daß der Gesetzgeber durch die Betonung (irgend-)eines Gestaltungs- oder Lenkungszwecks stets in der Lage wäre, die Norm zu einer Sozialzwecknorm zu erklären und damit das Leistungsfähigkeitsprinzip als Prüfungsmaßstab vollständig auszuschalten. 283 276 Diese Art der Abgrenzung nach dem subjektiven Willen des Gesetzgebers entspricht der "historischen" Auslegungsmethode nach der "subjektiven Theorie" bzw. "Willenstheorie". Zur historischen Auslegung s. Larenz, Methodenlehre, Teil 11. Kap. 4 2.c), S. 328 ff. Zur Bedeutung der "subjektiven Theorie" s. Larenz, Methodenlehre, Teil I. Kap. 2 3., S. 28 ff.; Teil 11. Kap. 4 l.b), S. 316 ff. 277 Larenz, Methodenlehre, Teil 11. Kap. 4 2.c), S. 328 ff. 278 Bodenheim, Zweck, S. 244 ff.; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt., D.I.3.b), Anm. 56; ders., Gutachten 8. ÖJT, S. 51 f.; K. Vogel, StuW 1977,97,104 m.N., 106. 279 s. nur Larenz, Methodenlehre, Teil 11. Kap. 4 l.b), S. 316 ff., Kap. 4 2.c), S. 328 ff. 280 Larenz, Methodenlehre, Teil 11. Kap. 4 2.d), S. 333 ff. (objektiv-teleologische Kriterien). 281 Larenz, Methodenlehre, Teil 11. Kap. 4 2.c), S. 332 f. 282 Bodenheim, Zweck, S. 211 ff.; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt Anm. 56; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 76 ff.; K. Vogel, StuW 1977,97,106. 283 Birk, Steuerrecht I, § 2 III., Rnr. 20.
138
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Auch speziell bei dem Versuch der Qualifikation des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ermöglicht die historische Auslegung keine eindeutige Zuordnung zu einer Normgruppe, da sich ein deutlicher Primärzweck nicht sicher bestimmen läßt: Einerseits verfolgte der Gesetzgeber ausweislieh der Gesetzesbegründung 284 bei der Schaffung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. wie bei der Normierung jeder285 steuerlichen Vorschrift einen Ertragszweck, da er sich von der Änderung ausdrücklich deutliche Mehreinnahmen versprach. 286 Diese Erwartung des Gesetzgebers ist berechtigt, denn dem Fiskus verbleibt ein Aufkommen aus der Umsatzsteuer erst, wenn ein Umsatz ausgeführt wird, für den der Vorsteuerabzug des Empfängers der Leistung ausgeschlossen ist. 287 Der Entzug des Optionsrechtes bestimmter Vermieter durch die Neufassung der Norm stellt daher sicher, daß diese Vermieter kein Vorsteuerabzugsrecht erwerben können und dem Staat somit frühzeitig und unmittelbar umsatzsteuerrechtliehe Einnahmen in Höhe der von den betreffenden Vermietern entrichteten Vorsteuerbeträge auf vermietungsbezogene Vorumsätze zufließen. Zur Qualifikation der Norm genügt jedoch ein derartiger Ertragszweck nicht. Erst ein hinzutretender Lastenausteilungs- oder Lenkungszweck würde eine Zuordnung zu einer der Normgruppen ermöglichen. 288 Laut der Gesetzesbegründung zu Art. 20 Nr. 9 des StMBG ging es dem Gesetzgeber zusätzlich um die "Gleichstellung aller Unternehmer, die wegen der Erzielung steuerfreier Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind,,289. Diese Ausführungen könnten Ausdruck gleichheitsrechtlicher Erwägungen austeilender Gerechtigkeit sein. Ware dies der Fall, läge der Norm auch ein Verteilungszweck zugrunde. Sähe man daher § 9 Abs. 2 UStG als Fiskalzwecknorm an, so wäre als 284 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (Einzelbegründung zu § 9 Abs. 2 UStG): "Zur Vermeidung von erheblichen Steuerausfällen". 285 Ohne Ertragszweck - zumindest als untergeordnetem Zweck - handelt es sich nach überwiegender Ansicht schon begrifflich nicht um eine steuerliche Norm, ständ. Rspr.: BVerfG v. 16.06.1954 - 1 PBvV 2/52 -, BVerfGE 3, 407, 435 f. (Wertsteigerungsabgabe); BVerfG v. 22. 05. 1963 - 1 BvR 78/56 -, BVerfGE 16, 147, 161 f. (Beförderungssteuer); BVerfG v. 24. 09. 1965 - 1 BvR 228/65 -, BVerfGE 19, 119, 125 (Kuponsteuergesetz); BVerfG v. 08. 12. 1970 - 1 BvR 95/68 -, BVerfG 29, 327, 331 (Schankerlaubnissteuer); BVerfG v. 02. 10. 1973 - 1 BvR 345/73 -, BVerfGE 36, 66, 70 f. (Stabilitätszuschlag); BVerfG v. 17.07.1974 - 1 BvR 51,160,285/69,1 BvL 16, 18,26/72 -, BVerfGE 38, 61, 80 m. w. N. (Werkfernverkehr); Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 78 Fn. 13 - 15 m.N.; K. Vogel, StuW 1977,97, 106 f.; ders., DStZl A 1977,5,9; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 52; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.l.a) u. b) Rz. 20-22. 286 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (Einzelbegründung zu § 9 Abs. 2 UStG): ,,zur Vermeidung von erheblichen Steuerausfällen". 287 Birken/eid, Umsatzsteuer-Handbuch, Bd. II, Abschn. V., 1. Kap., § 1662., Rz. 4; Reiß, FS f. K. Tipke 1995,433,437; Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rnr. 22. Unzutreffend hingegen BFH v. 06. 05.1993 - V R 45/88 -, BFHE 171,138,141 = BStBl. 199311,564, 565. 288 s. nur K. Vogel, StuW 1977,97, 107. 289 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (Einzelbegründung zu § 9 Abs. 2 UStG).
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
139
grundrechtlicher Prüfungsmaßstab nach herrschender Ansicht der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG mit dem daraus abgeleiteten Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Es bestehen jedoch Zweifel gegenüber der Vermutung, daß der weitgehende Ausschluß der Vermieter vom Vorsteuerabzug tatsächlich Ausdruck einer primären, auf Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten beruhenden gesetzgeberischen Lastenverteilungsentscheidung ist. 290 Indessen verfolgte der Gesetzgeber neben dem Fiskalzweck ebenfalls einen Gestaltungszweck. Denn aus der Gesetzesbegründung 291 zu § 9 Abs. 2 UStG n.E läßt sich entnehmen, daß vor allem der Umgehungsschutz ein wesentliches Ziel der Neufassung war. Es. sollte verhindert werden, daß Vermieter im Rahmen der als Umgehungsgestaltungen zur Erlangung des Vorsteuerabzugs angesehenen sogenannten Vorschaltmodelle künftig die Option weiterhin ausüben können. Darin läßt sich ein wirtschaftlicher Gestaltungszweck des Gesetzgebers sehen, der hier als Umgehungsschutzzweck bezeichnet werden soll. Dagegen erscheint es zweifelhaft, ob der Gesetzgeber möglicherweise zugleich den (Lenkungs-)Zweck verfolgte, die als Vorschaltmodelle bezeichneten wirtschaftlichen Gestaltungen künftig gänzlich zu verhindern, also die wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit der von der Verschärfung der Optionsvoraussetzungen betroffenen Unternehmer zu verkürzen. Dafür könnte sprechen, daß der oben genannte Umgehungsschutzzweck durch § 9 Abs. 2 UStG n.E in einer Weise umgesetzt wurde, die erwarten läßt, daß Zwischenvermietungsmodelle der als Vorschaltmodelle bezeichneten Art von vorsteuerabzugsschädlich tätigen Unternehmern künftig nicht mehr gewählt werden, sofern nicht andere als umsatzsteuerliche Gründe dies für die Unternehmer sinnvoll erscheinen lassen. 292 Diese Wirkungen mußte der Gesetzgeber vorausgesehen haben. Jedoch hat er die Wahl rechtlicher Gestaltungen in Form der Vorschaltmodelle letztlich nicht verboten, sondern ihnen lediglich die Attraktivität genommen. Daher kann dem Gesetzgeber ein echter Lenkungszweck im Sinne eines beabsichtigten Eingriffs in die wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit der Unternehmer nicht unterstellt werden. Somit läßt sich für § 9 Abs. 2 UStG n.E im Ergebnis jedenfalls auch ein bedeutender Gestaltungszweck in Form des Umgehungsschutzzwecks ermitteln. Qualifizierte man daher die Norm als Sozialzwecknorm, folgte nach der herrschenden Ansicht daraus, daß sie ausschließlich an den Freiheitsgrundrechten bzw. dem Sozialstaatsprinzip zu messen sei. Erkennt man aber sowohl einen Lastenausteilungszweck als auch einen Lenkungszweck an, so stellt sich die Frage nach dem Primärzweck der Neufassung des Vgl. dazu unten, Teil D.VI.4., S. 333 ff. BT-Drucks. 12/5630, S. 87: "Zwischenzeitlich sind weitere Gestaltungsformen zur Erlangung des Vorsteuerabzugs bekannt geworden, bei denen auf der Endstufe wegen Ausführung steuerfreier Umsätze der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist." 292 Zur Umgehungsschutzwirkung s. unten, Teil B.lY.2., S. 168 ff. 290 291
140
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
§ 9 Abs. 2 UStG. Die Bestimmung eines Primärzwecks scheitert hier jedoch daran, daß für eine Abwägung der kumulierten Zwecke gegeneinander kein überzeugendes Kriterium erkennbar ist. Es mag einiges dafür sprechen, den Gestaltungszweck als unter Umständen gewichtigeren Zweck anzusehen. Bedenkt man jedoch, daß durch die mit der Neufassung erreichte Ausschaltung der steuerrechtlich motivierten Zwischenvermietungs- und Vorschaltmodelle und durch die nunmehr außerordentlich engen Optionsvoraussetzungen, welche die Ausübung der Option erheblich einschränken293 , beachtliche positive fiskalische Wirkungen verursacht werden, so läßt sich gewiß nicht behaupten, der Fiskalzweck sei nur ein untergeordnetes gesetzgeberisches Motiv der Änderung gewesen. Man könnte vielmehr auch annehmen, der Umgehungsschutzzweck diene ausschließlich der Sicherung des Fiskalzwecks und sei diesem daher unterlegen. Denn der Entzug des Optionsrechts bestimmter Vermieter verhindert, daß diese Vermieter durch Ausübung der Option ein Vorsteuerabzugsrecht erwerben und damit die unmittelbare und friihzeitige Erzielung staatlicher Einnahmen in Höhe der Vorsteuerbeträge aus verrnietungsbezogenen Vorumsätzen vereiteln können. Das enorme Interesse des Gesetzgebers an der alsbaldigen Beseitigung von Umgehungsmöglichkeiten des § 9 Abs. 2 UStG, welches in der Vergangenheit stets zu beobachten war, legt daher den Verdacht nahe, daß die derzeitige Gestaltung der Norm vor allem der kurzfristigen Erhöhung des Umsatzsteueraufkommens dienen soll.
In der Tendenz erscheint aus diesen Griinden der durch den Gesetzgeber angestrebte Fiskalzweck als Primärzweck der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG, so daß die Norm als Fiskalzwecknorm nach der herrschenden Ansicht nur arn allgemeinen Gleichheitssatz zu messen wäre. Jedoch ist dieses Ergebnis wegen der aufgezeigten Kumulation von Fiskal- und Gestaltungszwecken wenig überzeugend.
bb) Abgrenzung nach dem "objektiven" Zweck Da der subjektive historische Zweck der Norm allein kein entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung bieten kann, wird sodann eine Differenzierung anhand des normativen, des "objektiven" Zwecks versucht. 294 Es soll zur Identifizierung der Normarten derjenige Wille der gesetzgebenden Organe ausschlaggebend sein, der im Gesetz objektiv seinen Ausdruck gefunden hat. Es seien gewissermaßen die Gedanken und Wertungen des Gesetzgebers unter Zugrundelegung der aktuellen Normsituation zu Ende zu denken. 295
s. die Beispiele oben, Teil A.I.l.b )aa)(2), S. 32 ff. Insb. K. Vogel. StuW 1977,97, 106 ff. 295 K. Vogel, StuW 1977,97, 106 ff. Diese Auslegung entspricht der .. historisch-teleologischen" Auslegungsmethode, auch "objektive Theorie" bzw...Theorie der immanenten Gesetzesdeutung", vgl. Larenz, Methodenlehre, Teil I. Kap. 24., S. 32 ff. Zur Bedeutung dieser Methode s. Larenz. a. a. 0., Teil 11. Kap. 4 l.b), S. 316 ff.; Teil 11. Kap. 4 2.c), S. 328 ff. 293
294
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
141
Dieser Ansatz deckt sich zunächst mit den neueren Erkenntnissen der juristischen Methodenlehre, wonach ebenfalls eine verstärkt normativ orientierte Auslegung bevorzugt wird. 296 Allerdings wird selbst die Ausrichtung am normativen Gesetzeszweck nicht in jedem Fall zu einer eindeutigen Zuordnung der steuerlichen Normen führen können. Es ist nicht auszuschließen, daß eine steuerliche Norm auch objektiv kumulative Zwecke erkennen läßt, ohne zugleich Kriterien zur Bestimmung des Primärzwecks anzubieten. 297 Schließlich können auch die im Gesetz selbst angelegten Zwecke durch Veränderungen äußerer Umstände unzeitgemäß werden, so daß sich die Bedeutung von Normen im Laufe der Zeit verändert. 298 Demnach ist auch die Orientierung am objektiven Normzweck kein geeignetes Abgrenzungskriterium zur Unterscheidung der steuerlichen Normarten. Der theoretischen Unbrauchbarkeit dieses Abgrenzungskriteriums entspricht es sodann, daß auch die Vertreter in der Literatur, die zunächst von diesem Ansatz ausgehen, ihm oft nicht wirklich folgen. Beispielsweise befürwortet Klaus Vogel vom Ansatz her eine Abgrenzung nach der ,,Funktion" der steuerrechtlichen Norm. Er umschreibt diesen Begriff der "Funktion" zwar als ",objektiven' Zweck des Gesetzes ..299 , grenzt die Steuernormarten inhaltlich jedoch sodann anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips (Stichwort "marginale Austeilungssteuer") ab. Dies entspricht eher einer Unterscheidung durch die Bestimmung eines materiellen Regel-Ausnahme-Verhältnisses 3OO, denn die Einordnung einer Norm zu einer bestimmten Normgruppe hängt nach diesem Ansatz davon ab, ob sie in ihren Wirkungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip als "Regel" abweicht, somit also nach inhaltlichen Kriterien als "Ausnahme" zu qualifizieren ist. Daher wird auf den Ansatz Klaus Vogels erst an späterer Stelle zuriickzukommen sein?OI Auch die unter dem Stichwort "Abgrenzung nach dem objektiven Zweck" von Joachim Lang vorgeschlagene Kollisionsregel, wonach im Zweifel "von der Normwirkung auf den Normzweck zu schließen,,302 sei, führt im Ergebnis dazu, daß letztlich nicht der Zweck, sondern die Normwirkung über den verfassungsrechtlichen Priifungsmaßstab entscheidet. Dies stellt jedoch eine beachtliche Annäherung 303 an den - im Rahmen dieser Untersuchung bevorzugtens. nur Larenz. Methodenlehre, Teil 11., Kap. 4 l.b), S. 316 ff. Ruppe. Gutachten 8. ÖlT. S. 51 f. 298 Ruppe a. a. O. 299 K. Vogel. StuW 1977,97. 106. 300 So auch Bodenheim, Zweck, S. 214; Ruppe. in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 56; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip. S. 79. 301 s. unten Teil B.II.l.b)bb)(3), S. 147 ff. 302 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 3.2.2. Rz. 26. 303 Die Ansicht, Lang wolle jedenfalls hinsichtlich der grundrechtlichen Prüfung von Steuemormen dem Ansatz von Birk folgen, wird noch untermauert durch die Bezugnahme auf das Konzept von Birk im Rahmen der Erörterung der Rechtfertigung von Sozialzwecknormen, Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.3. Rz. 125. 2%
297
142
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Ansatz von Dieter Birk 304 dar, wonach allein die Nonnwirkung über den spezifischen Prüfungsmaßstab entscheidet, auch wenn Lang damit die letzte Konsequenz zum Übergang auf eine "zweigleisige" Prüfung noch nicht gezogen hat. Auch der objektive Zweck ist somit kein taugliches Abgrenzungskriterium der verschiedenen Arten von Steuernonnen.
cc) Fazit Im modemen Sozialstaat verfolgt beinahe jede steuerliche Nonn neben dem Fiskalzweck zumindest auch einen Gestaltungs- oder Lenkungszweck. Die Abgrenzung der Nonnen nach den ihnen vom Gesetzgeber beigelegten Zwecken ist daher nicht zuverlässig zu erreichen. Ebensowenig gelingt jedoch die sichere Qualifikation der Nonnen anhand eines objektiv ennittelten Zwecks. Dies wird in der die Abgrenzung nach dem Nonnzweck befürwortenden Literatur zwar als ein Hauptproblern der herrschenden Ansicht erkannt. 305 Zumeist wird sodann aber die im Grunde unausweichliche Folgerung der Ablehnung dieses Ansatzes nicht gezogen. Von den Vertretern der herrschenden Ansicht wird vielmehr für ~ie Lösung von Konfliktfällen nur kurz darauf hingewiesen, daß in Zweifelsfällen die Nonnwirkung ausschlaggebend see06 oder daß - solange eine solche Zuordnung nicht völlig abwegig erscheine - eine Lastenausteilungsnonn 307 anzunehmen sei. Dabei ist allerdings schon wegen der Diskrepanz dieser beiden zuletzt genannten Ansätze zur Konfliktlösung deutlich zu erkennen, daß die Einteilung der Nonnen nach ihrem Zweck durch die Vertreter der herrschenden Ansicht gerade in Zweifelsfällen nicht überzeugend vorgenommen werden kann. Die komplexe Struktur von Nonnen mit Mehrfachzwecken kann mit der herrschenden Ansicht augenscheinlich nicht erfaßt werden. Eine eindeutige und nachvollziehbare Zuordnung jeder steuerrechtlichen Nonn zu einer der unterschiedenen Nonngruppen ist jedoch gerade unverzichtbare Voraussetzung dieses Ansatzes zur Bestimmung eines verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs. Kann diese Einteilung nicht gewährleistet werden, so steht jede darauf aufbauende verfassungsrechtliche Prüfung auf unsicherem Boden. Daher ist wegen der verbleibel).den Unsicherheiten die Abgrenzung nach dem Zweck der Nonnen nicht zur Unterscheidung der Nonngruppen zwecks Festlegung eines grundrechtlichen Prüfungsmaßstabs geeignet. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 81 ff.; genauer unten, Teil B.n.2., S. 150 ff. Tipke, SteuRO I, § 4 2.33, S. 80 ff.; K. Vogel, StuW 1977,97 ff.; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt., D.I.3.b), Anm. 56; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.2. Rz. 26. Bodenheim, Zweck, S. 252 f., fordert aus diesem Grunde sogar die Aufgabe der Unterscheidung der Steuernorrnen nach ihrem Zweck. 306 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 3.2.2. Rz. 26. 307 K. Vogel, StuW 1977,97, 108. 304
305
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
143
b) Abgrenzung der Steuemormarten durch Festlegung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses
Fiskalzwecknormen sind definiert als Ausdruck einer primären gesetzgeberischen Belastungs- und Verteilungsentscheidung, d. h. als Teil eines steuergesetzlichen Regeltatbestandes. Sozialzwecknormen hingegen werden als Ausnahme von der Regel beschrieben. Daher liegt es nahe, die Abgrenzung der verschiedenen Normarten durch Bestimmung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses vorzunehmen.
aa) Abgrenzung nach der Gesetzessystematik Zur Bestimmung von Regel- und Ausnahmevorschriften eines Steuergesetzes scheint sich zunächst die Abgrenzung der Normen anhand der Gesetzessystematik anzubieten. Alle Gesetze, Steuergesetze insbesondere, enthalten diverse Ausnahmevorschriften oder Sonderrege1ungen, die bereits durch das äußere gesetzliche System abgegrenzt werden, z. B. durch Tatbestandseinschränkungen oder -erweiterungen, Sonderüberschriften oder spezielle Paragraphen. Das rechtliche Abgrenzungsproblem wäre gelöst, könnte man die gesetzestechnisch als Ausnahmen gekennzeichneten Normen ausschließlich der Normgruppe der lenkenden oder umverteilenden Sozialzwecknormen bzw. den Vereinfachungszwecknormen zuordnen, welche die Sozialzwecknormen durchsetzen. Die schematische Einordnung des § 9 Abs. 2 UStG nach dem äußeren System des UStG ist indes schwierig. Gesetzestechnisch stellt § 9 Abs. 2 UStG eine Beschränkung des Optionsrechts aus § 9 Abs. 1 UStG dar. Somit könnte er nach diesem Verständnis als Ausnahmeregelung - mithin als Lenkungsnorm - begriffen werden. Dabei ist allerdings zu beachten, daß § 9 Abs. 1 UStG gesetzestechnisch selbst nur eine Ausnahme von der Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze gemäß § 4 Nr. 121it. a UStG ermöglicht, wobei letztere Vorschrift wiederumeine Ausnahme zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG enthält. In diesem verschachtelten System von Ausnahmen und Einschränkungen wird man jedoch bei streng schematischer Betrachtung auch jegliche Normen als Ausnahmevorschriften qualifizieren müssen, die eine eindeutig als Ausnahme vom Regeltatbestand gekennzeichnete Vorschrift wiederum einschränken oder ändern. Als solche eindeutige Ausnahme kann man hier gesetzessystematisch auf Grund der Abschnitts- und Normüberschrift "Steuerbefreiungen ..." § 4 Nr. 121it. a UStG ansehen. Demzufolge wäre auch § 9 Abs. 2 UStG Teil der Ausnahmevorschriften des UStG. Die Norm müßte nach dieser Ansicht also als Sozialzwecknorm qualifiziert werden. Es mag Gesetze geben, wie etwa das Bürgerliche Gesetzbuch, in denen bereits die Systematik ein materiell-rechtliches Regel-Ausnahme-Verhältnis kenntlich macht. Eine plausible Abgrenzung der Normgruppen ist jedoch im Steuerrecht an-
144
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
hand des äußeren gesetzlichen Systems nur teilweise möglich. 308 Auf Grund der schwierigen und komplexen Materie hält es gerade der Steuergesetzgeber oft allein aus Verständnisgriinden, aus Griinden der Übersichtlichkeit oder auch nur aus stilistischen Griinden für sinnvoller, einen "Tatbestand" i.w.S. in mehrere Sätze, Absätze oder gar Nonnen aufzuteilen. 309 Dabei muß z. B. ein einschränkendes Tatbestandsmerkmal wie eine Ausnahme fonnuliert werden, obwohl die Einschränkung materiell noch Teil der primären Belastungs- oder Verteilungsentscheidung des Gesetzgebers ist. Zugleich kann Lenkung durch Schweigen des Gesetzgebers bei einer nur am äußeren gesetzlichen System orientierten Unterscheidung nicht erfaßt werden. 3\O Die gesetzestechnische Gestaltung einer steuerrechtlichen Nonn als Ausnahme ist somit nicht notwendig identisch mit deren materieller Bedeutung. 311
bb) Materielles Regel-Ausnahme-Verhältnis Vertreten wird sodann, die Identifizierung der Nonnarten gelinge durch Bestimmung eines materiellen Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Von einem derartigen Verständnis geht beispielsweise die Bundesregierung bei der Ennittlung der Steuervergünstigungen für den gemäß § 12 Abs. 3 des Stabilitätsgesetzes 312 in zweijährigem Turnus zu erstellenden Subventionsberiche 13 aus?14 Die Bestimmung eines materiellen Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen verschiedenen Steuernonnen setzt die Existenz inhaltlicher Kriterien voraus, die eine Beschreibung des als gesetzliche "Regel" anzusehenden Maßstabs erlauben. Als derartige Kriterien für eine allgemeine Charakterisierung eines steuerrechtlichen Regeltatbestandes werden wiederum verschiedene Merkmale herangezogen. Insbesondere wird auf gesetzliche Wertungen, eine allgemeine Rechtsüberzeugung sowie das Leistungsfähigkeitsprinzip Bezug genommen. 308 K. Vogel, StuW 1977, 97, 102 m.N.; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 56; ders., Gutachten 8. ÖJT, S. 50 f. m.N. 309 Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 50 f.; K. Vogel, StuW 1977,97,102; Lang, Systematisierung, S. 26 ff. (28). 310 Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 5I. 311 K. Vogel, StuW 1977,97, 102; Lang, Systematisierung, S. 28 f., 64 f., 74 f. 312 Gesetz vom 08.06. 1967, BGBl. 1967 I, 582, 583. 313 s. zuletzt Siebzehnter Subventionsbericht v. 13.08. 1999, a. a. o. (Fn. 251). 314 s. z. B. Siebzehnter Subventionsbericht v. 13. 08. 1999, BT-Drucks. 14/1500, S. 10 (11.3., Tz. 6): Steuervergünstigungen seien "spezielle steuerliche Ausnahmeregelungen", sowie S. 230 (Anlage 8 "Methodische Erläuterungen zum Bericht über Finanzhilfen des Bundes und Steuervergünstigungen", 4. "Abgrenzung zu anderen Leistungen des Staates", Stichwort "Steuervergünstigungen"): "Die Beurteilung des Sinns und der Notwendigkeit bestimmter steuerlicher Ausnahmetatbestände muß jeweils im Rahmen des gesamten Steuersystems gesehen werden, wobei es häufig schwierig ist, zwischen systematischen oder von der Steuergerechtigkeit gebotenen steuerlichen Regelungen und den für den Bericht bedeutsamen subventionspo1itischen Ausnahmeregelungen zu unterscheiden".
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
145
( 1) Gesetzliche Wertungen
Nachdem die Orientierung am äußeren gesetzlichen System, also an der formalen Struktur des Gesetzes, nicht zu einer überzeugenden Abgrenzung der Steuernormarten führt 315 , liegt der Gedanke nicht fern, daß sodann eventuell die dem Gesetz zu entnehmenden materiellen Wertungen und Grundgedanken eine inhaltlich überzeugende Unterscheidung der Normen in Regel- und Ausnahmevorschriften ermöglichen könnten. Dieser Ansatz begegnet jedoch durchgreifender Kritik. Die grundlegenden materiellen Wertungen eines Gesetzes können im Prinzip nur durch den historischen Gesetzgeber entfaltet und durch entsprechende Normenbildung von ihm verwirklicht werden. Gewiß ist nicht auszuschließen, daß sich die Bedeutung eines Gesetzes im Laufe der Zeit ändert, daß gesellschaftliche Veränderungen ein gewandeltes Normenverständnis indizieren. Dennoch ähnelt die Suche nach einem an den Grundwertungen des Gesetzes orientierten Regel-Ausnahme-Verhältnis der Einteilung der Normgruppen nach dem "objektiven" Zweck316, dem verobjektivierten Willen des Gesetzgebers. Somit sind gegen diesen Ansatz zunächst vergleichbare Argumente anzuführen wie gegen die Heranziehung des objektiven Zwecks als Abgrenzungsmerkmal. Es ist keineswegs sicher, daß die einem Gesetz zugrundeliegenden Wertungen stets zuverlässig ermittelt werden können. Das Gesetz kann auf kumulierten Wertungen aufbauen, ohne einen Gesichtspunkt als Primärwertung hervorzuheben. 317 Ebenso könnten durch die Vorschriften bestimmte Wertungen verborgen oder im Gegenteil sogar vorgetäuscht werden. Weiterhin bemerkt Klaus Vogel gegen diesen Ansatz zutreffend, daß das Wertungssystem insbesondere von Steuergesetzen oft durch unlösbare Wertungswidersprüche318 oder durch nicht nachvollziehbare Wertungen 319 gestört ist und daher grundsätzlich als Abgrenzungsmaßstab zur Bestimmung von Regel- und Ausnahmetatbeständen ausscheiden muß. Diese wesentlichen Bedenken führen dazu, auch diesen Ansatz aus allgemeinen methodischen Erwägungen abzulehnen. (2) Allgemeine Rechtsüberzeugungen (Tax Expenditure Budget)
Weiterhin ist hier der Ansatz des US-amerikanischen Tax Expenditure Budget zu nennen, der insbesondere von Stanley S. Surrel 20 beschrieben und weiterentwikkelt wurde. Nach dem durch Surrey am Beispiel der Einkoll11llensteuer entwickel315 316 317 318 319 320
s. oben Teil B.II.l.b)aa), S. 143 f. Dazu s. oben Teil B.II.l.a)bb), S. 140 f. K. Vogel, StuW 1977,97, 104. K. Vogel, StuW 1977,97,104 f. K. Vogel, StuW 1977,97, 105 f. Surrey, Pathways To Tax Reform, S. 15 ff.
10 Löhr
146
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
ten Konzept sind Steuemormen in drei Normarten 321 einzuteilen, wobei die Abgrenzung der Normgruppen anhand einer weitgehend akzeptierten Einkommensdefinition sowie der allgemeinen Struktur der Einkommensteuer, mithin auf der Grundlage einer allgemeinen Überzeugung 322 vorgenommen werden soll.323 Beachtlich ist am Konzept Surreys dabei, daß auch das Leistungsfähigkeitsprinzip als Teil der ,,strukturelemente" der Einkommensteuer anerkannt wird. 324 Gegen diesen Ansatz bemerkt Klaus VogeP25 zutreffend, daß ein allgemeiner Konsens über die Funktion einer Norm nicht in jedem Falle zu ermitteln ist, so daß offen bleibt, welche Instanz letztlich über die Einbeziehung einer Norm in die Gruppe der als "tax expenditures" bezeichneten Ausnahmerege1ungen entscheiden soll. Vogel sieht die Gefahr, "daß der einzelne diejenige Lösung zur ,Regel' erklärt, die er selber für wünschenswert hält. Aus einem Werkzeug wissenschaftlicher Erkenntnis würde der Begriff der ,tax expenditures' damit zu einem Instrument politischer Auseinandersetzung.,,326. Der Ansatz des amerikanischen Tax Expenditure Budget ist daher zur materiellrechtlichen Unterscheidung steuerlicher Regel- und Ausnahmevorschriften ungeeignet. Zustimmung findet das Konzept Surreys trotz seiner Schwächen hingegen bei anderen Autoren. 327 Ruppe 328 befürwortet diesen Ansatz wegen dessen inhaltlicher Anknüpfung an das einkommensteuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip. Nur dieses 321 Surrey unterscheidet: 1) "normative income tax", als "provisions ... that would essentially be treated in much the same way by any group of tax experts building the structure of an income tax and being govemed in that task by all the requirements implicit in such a tax because it is an income tax. " (S. 17) - Bestimmungen, die sich notwendig aus dem Wesen der Einkommensteuer ergeben; vgl. K. Vogel, StuW 1977,97, 102.2) "structural parts of an income tax", als "provisions ... that likewise are necessary to building an income tax but could, in the view of such a group of tax experts, conceivably be treated differently from country to country depending the views and policies shaped by other goals in the particular society, rather than by factors special to an income tax." (S. 17) - Strukturelemente des Einkommensteuergesetzes im Sinne notwendiger Vorschriften in einem Einkommensteuergesetz, wobei zu den geregelten Fragen jedoch verschiedene Lösungen denkbar sind; vgl. K. Vogel, StuW 1977,97, 102.3) "tax expenditures", als "provisions that may be found in an income tax law but that do not serve the two functions set forth above." (S. 18) - Ausnahmevorschriften (steuerliche Subventionen). 322 Vgl. die Definitionen der ersten und zweiten Normgruppe in Fn. 321 sowie die Ausführungen Surreys zu den Kriterien "widely accepted definitions of income" und "generally accepted structure ofincome tax" (S. 18 f.); s. auch K. Vogel, StuW 1977,97,102 f. 323 Ault, StuW 1974, 335, 337: "Methode der ,Definition durch Consensus"'; K. Vogel, StuW 1977,97, 102 f.: "Bestimmung der ,Ausnahme' durch Konsens"; Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 56. 324 Surrey, Pathways to Tax Reform, S. 21 f. 325 StuW 1977,97, 103. 326 K. Vogel a. a. O. (Hervorhebung im Original). 327 Insb. Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 56; Ault, StuW 1974,335,337. 328 Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 56.
H. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
147
könne Anhaltspunkte für die Qualifikation einzelner Normen als Wesensmerkmale, Struktutelemente oder außerfiskalische Abweichungen eines Einkommensteuergesetzes bieten. 329 Ruppe verweist jedoch gleichzeitig darauf, daß auch das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht in jedem Falle eine eindeutige Zuordnung erlaube, es sei kein "metajuristischer Maßstab,mo, und bestärkt damit zugleich die oben genannte Kritik Klaus Vogels, wonach ein Konsens über die Qualifikation von Ausnahmebestimmungen nicht stets zu erzielen sei. Trotz seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Ansatz des Tax Expenditure Budget greift allerdings auch Klaus Vogel zur Abgrenzung der steuerlichen Normarten letztlich auf das Leistungsfähigkeitsprinzip zuriick, indem er als Abgrenzungsmaßstab331 die "marginale Austeilungssteuer" entwickelt. 332 Auf diese "marginale Austeilungssteuer" wiederum stützt sich auch Ruppe im Rahmen der Einteilung der Normen nach dem Konzept Surreys. Insofern decken sich die Ansichten beider Autoren inhaltlich weitgehend. Der Unterschied in den Ansichten Vogels und Ruppes besteht darin, daß Vogel die Heranziehung des Leistungsfahigkeitsprinzips zur Abgrenzung der Steuernormen aus dem Kriterium des objektiven Normzwecks, genauer der "Funktion" des Steuergesetzes begriindet, wohingegen Ruppe 333 das Leistungsfähigkeitsprinzip als Abgrenzungsmaßstab innerhalb der Unterscheidung zwischen Regel- und Ausnahmetatbestand anwendet, weil er den Normzweck nicht als Abgrenzungskriterium anerkennt. Eine an materiellen Grundsätzen orientierte Differenzierung steuerlicher Normen sollte daher in jedem Falle dem am Leistungfähigkeitsprinzip orientierten Abgrenzungskonzept von Klaus Vogez3 34 folgen, denn in der Tat ist am Konzept Surreys vor allem die Erkenntnis bedeutsam, daß eine Abgrenzung der Steuernormen auch auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips möglich ist. Da jedoch diese Abgrenzung mittels der "marginalen Austeilungssteuer,,335 inhaltlich zur Bestimmung steuerlicher Regel- und Ausnahmevorschriften führt, soll das Konzept Vogels in diesem Abschnitt vorgestellt werden. (3) "Marginale Austeilungssteuer"
Nach Klaus Vogel ist durch einen Vorgang der "Abschichtung,,336, d. h. durch einen Vergleich der zu untersuchenden Norm zusammen mit den ihr zuzuordnenden Rechtsfolgen als "eigenem, in sich geschlossenen Regelungskomplex,,337 mit Ruppe, in: H/H/R, a. a. O. Ruppe, in: H/H/R, a. a. 0.; ders., Gutachten 8. ÖJT, S. 52 ff. (54). 331 In der Tenninologie Klaus Vogels "Abschichtungsrnaßstab". 332 K. Vogel, StuW 1977,97,107 ff.; s. sogleich unten, Teil B.II.l.b)bb)(3), S. 147 ff. 333 Ruppe, Gutachten 8. ÖlT, S. 51 f.; ders., in: H/H/R, Einf. ESt. Anrn. 56. 334 K. Vogel, StuW 1977,97 ff. (106 ff.). 335 K. Vogel, StuW 1977,97,107 ff. 336 K. Vogel, StuW 1977,97, 101 ff. 329 330
10*
148
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
geeigneten anderen "Regelungskomplexen" zu enniueln, ob eine steuerrechtliche Regelung als Lenkungs- oder Vereinfachungsnonn aufzufassen sei. Diese Abschichtung könne wegen des teilweise unübersichtlichen "Tatbestandsgefüges,,338 steuerrechtlicher Nonnen sowohl mit einzelnen oder mehreren Vorschriften als auch mit Teilen von Vorschriften, etwa Sätzen oder sogar Satzteilen, vorgenommen werden. 339 Grundgedanke der Abschichtung sei, daß es während eines Konkretisierungsprozesses, innerhalb dessen das Gebot der gerechten steuerlichen Lastenverteilung in den einzelnen Steuernonnen verwirklicht werde, oftmals die Möglichkeit gebe, zwischen mehreren gleich gerechten Lösungen zu entscheiden. 34o Maßstab für die Abschichtung könne daher nicht eine vom Interpreten als gerechter empfundene Möglichkeit sein, sondern allein die "marginale Austeilungssteuer", d. h. diejenige Vorschrift, "die sich unter den der zu prüfenden noch am nächsten kommenden Möglichkeiten ,gerade noch' als Ausprägung austeilender Gerechtigkeit verstehen läßt,,341. Von dieser Basis der marginalen Austeilungssteuer abschichtungsfähig ist nach Vogel eine Nonn dann, wenn die gleiche Regelung nicht auch aus Erwägungen austeilender Gerechtigkeit denkbar wäre. 342 Gelinge danach eine Abschichtung, so handele es sich um eine Lenkungs- bzw. Vereinfachungsnonn. 343 Ergebe sich bei einem Versuch der Abschichtung jedoch, daß die Nonn nicht sinnvoll als Lenkungs- oder Vereinfachungsnonn aufrechterhalten werden könne, so könne dies ein gewichtiges Indiz dafür sein, daß ihr überwiegend lastenausteilende Erwägungen zu Grunde liegen und die Nonn somit eine Lastenausteilungsnonn sei. 344 Dies müsse selbst dann gelten, wenn der Gesetzgeber die Nonn in eindeutig lenkender Absicht geschaffen hat. 345 Wie Vogel an zahlreichen Beispielen zeige 46, kann auf diesem Wege in vielen Fällen ein überzeugendes Abschichtungsergebnis erzielt werden. Dennoch bleibt, wie Vogel selbst bemerkt, die Methode der Abschichtung ein Verfahren der Interpretation, dessen Ergebnisse "in sehr unterschiedlichem Maße stringent sein können,,347. Ruppe, der im übrigen diesen Ansatz Vogels als den 337 338 339 340 341 342 343
Vogel, Vogel, Vogel, Vogel, K. Vogel, K. Vogel, K. Vogel,
StuW 1977,97,98. StuW 1977,97,97. StuW 1977,97,97 und 109 f. StuW 1977,97, 101 f., 107. StuW 1977,97,107. StuW 1977,97,107. StuW 1977,97,99: "abschichtungsfähige Steuervergünstigungen sind Len-
K. K. K. K.
StuW StuW StuW StuW
K. K. K. K.
kungsnormen". 344 345
346 347
Vogel, Vogel, Vogel, Vogel,
1977,97, 108 ("Hin- und Herwandem des Blicks"). 1977,97,107. 1977,97, 108 ff., insb. 110 ff. 1977,97, 110; auch Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 59 f.
n. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
149
"überzeugendsten Versuch,,348, die Abgrenzungsschwierigkeiten zu überwinden, bezeichnet, kritisiert außerdem, daß mit dieser Methode der Bereich des außerfiskalischen Abgabenrechts inhaltlich zu stark begrenzt werde 349 und daß auf Grund der Unschärfe des Leistungsfähigkeitsprinzips eine sichere Grenzziehung zwischen fiskalischen und nichtfiskalischen Abgaben nicht möglich sei 35o . Wollte man dennoch den Ansatz Vogels zur Abschichtung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. verwenden, so ist den genannten Bedenken vom Standpunkt dieser Untersuchung aus hinzuzufügen, daß die Heranziehung des Leistungsfähigkeitsprinzips, auf dessen Anwendbarkeit im Bereich der jeweils abzuschichtenden Normen der Ansatz Vogels aufbaut, im Umsatzsteuerrecht nicht unproblematisch ist und zumindest einiger Begriindung351 sowie Präzisierung hinsichtlich der Leistungsfähigkeitsindikatoren352 bedarf. Will man jedoch die Unterscheidung der Normgruppen zum Zwecke der Festlegung eines grundrechtlichen Priifungsmaßstabs für die Priifung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm vornehmen, so ist jeder ernstzunehmende Zweifel an der Zuverlässigkeit der Abgrenzung wegen der fundamentalen Bedeutung des Priifungsmaßstabs inakzeptabel. Daher eignet sich auch diese Abgrenzungsmethode im Ergebnis nicht allgemein zur Begriindung der Zugehörigkeit einer steuerlichen Norm zu einer bestimmten Normgruppe.
cc) Fazit Die Abgrenzung steuerlicher Normarten durch Feststellung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses kann demnach zwar insbesondere bei der Orientierung an materiellen Kriterien viele Anhaltspunkte für die Abgrenzung der steuerrechtlichen Normgruppen bieten, gewährleistet aber dennoch keine allgemeine und sichere Unterscheidung von Fiskal- und Sozialzwecknormen.
c) Ergebnis
An dieser Stelle offenbart sich ein ungelöstes Problem des Ausgangspunktes der überwiegenden Ansicht in der Literatur, nach welcher sich der verfassungsrechtliche Priifungsmaßstab aus der Zuordnung der Norm zu einer der verschiedenen Normarten ergebe. 353 Zwar stellt die Literatur zur Abgrenzung insbesondere von 348 349 350 351 352 353
Ruppe, in: H I H I R, Einf. ESt. Anm. 56. Ruppe, in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 56; ders., Gutachten 8. ÖJT, S. 59. Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 60; ähnlich Bodenheim, Zweck, S. 226 ff. Dazu unten, Teil c.n.2., S. 224 ff. Dazu unten, Teil C.lI.3.b), S. 245 ff. s. oben, Teil B.n.l., S. 133 ff., insb. die Nachweise in Fn. 244.
150
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Sozialzweck- und Fiskalzwecknonnen 354 im Einzelfall die unterschiedlichsten Unterscheidungskriterien zur Verfügung, so daß sich häufig eine konsensfahige Zuordnung einer Nonn vornehmen läßt. Das Problem der Abgrenzung ist jedoch nicht allgemein bewältigt und daher nicht in allen Fällen sicher möglich. 355 Eine unzweifelhafte Zuordnung jeder steuerrechtlichen Nonn zu einer der verschiedenen Nonngruppen ist jedoch unverzichtbare Voraussetzung dieses Ansatzes zur Bestimmung eines verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs. Kann aber diese Einteilung nicht gewährleistet werden, so steht jede darauf aufbauende verfassungsrechtliche Prüfung auf unsicherem Boden. Bereits dies ist Grund genug, die Unterscheidung der Steuernonnen zwecks Bestimmung eines verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs abzulehnen. Es zeigt sich allerdings darüber hinaus ein weiterer Einwand gegen diesen Ansatz. Ein nur einfacher Prüfungsmaßstab kann generell niemals alle verfassungsrechtlich relevanten Aspekte einer steuerlichen Nonn erfassen. 356 Daher ist jedenfalls zum Zwecke der Ermittlung des grundrechtlichen Prüfungsmaßstabs für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer steuerlichen Nonn eine Differenzierung der Nonngruppen nicht zweckmäßig. 357 Unabhängig von ihrer Qualität ist jede steuerrechtliche Nonn vielmehr im Rahmen einer zweistufigen Prüfung sowohl am Gebot der Steuergerechtigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG und daher am steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip als auch an den Freiheitsgrundrechten sowie allgemeinen Verfassungsprinzipien zu messen?58
2. "Zweigleisiger" Prüfungsmaßstab für Steuernormen wegen doppelter Wirkungsstruktur
a) Nach einer anderen, maßgeblich von Dieter Birk359 entwickelten Ansicht lassen sich die Zuordnungsprobleme der herrschenden Ansicht venneiden, wenn man anstatt auf den Zweck oder den Ausnahmecharakter der Steuernonn vielmehr auf die Wirkungsweise 360 derselben abstellt. 354 In der Terminologie von K. Vogel: die Abgrenzung von Lenkungs- und Lastenausteilungsnormen. 355 Ruppe, Gutachten 8. ÖIT, S. 50 Cf.; Bodenheim, Zweck, S. 211 Cf.; Tipke, SteuRO I, § 4 2.33, S. 80 Cf.; AmdtlSchumacher; NJW 1998, 1538, 1539. Angedeutet auch bei: Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A. 3.2.2. Rz. 26; K. Vogel, StuW 1977,97,110. 356 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 76 Cf., 81 Cf., 232 Cf.; Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 60 Cf.; Bodenheim, Zweck, S. 234 Cf. Genauer dazu sogleich unten, Teil B.II.2., S. 150 Cf. 357 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 81 Cf., 232 Cf.; ders., Steuerrecht I, § 2 III. Rnr. 21, § 7 11.2. Rnr. 18 Cf.; Ruppe, Gutachten 8. ÖIT, S. 59 Cf. (63); ders., in: H/H/R, Einf. ESt. Anm. 56 a.E. (leicht mißverständlich hingegen Anm. 55 LV.m. 535, 546); oCfenlassend K. Vogel, BayVBI. 1980,523,525; eventuell auch Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.3. Rz. 125. 358 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 81 Cf., 232 Cf.; ders., Steuerrecht I, § 7 11.2. Rnr. 18 Cf.; Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 63. 359 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuemormen, Köln 1983.
11. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
151
Birk geht in seiner Untersuchung von der Prämisse aus, daß jede Steuernorm notwendigerweise und unabhängig von der Motivation des Gesetzgebers bei der Schaffung dieser Norm zwingend eine doppelte Wirkungsstruktur besitze. 361 Einerseits führe die Steuer beim Steuerträger stets zu einem Geldentzug, entfalte also eine sogenannte Belastungswirkung362 , die zugleich mit einer bestimmten Verteilungswirkung hinsichtlich der Belastung verbunden sei. Diese Belastung habe sodann unausweichlich bestimmte wirtschaftliche Ausweichreaktionen der Steuerträger zur Folge, könne zur Entstehung von Anreizen zur Investition, zum Konsum oder zur Einkommenserzielung führen, die wirtschaftliche Aktivität der Steuerträger hemmen oder sonstige gesamtwirtschaftliche oder gesamtgesellschaftliche Effekte auslösen, so daß - vom Gesetzgeber gewollt oder ungewollt - stets auch sogenannte Gestaltungswirkungen einträten. 363
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Steuernorm kann nach Birk daher zwingend nur dann umfassend gewürdigt werden, wenn jede Steuernorm "zweigleisig", also hinsichtlich jeder ihrer Wirkungen untersucht wird. 364 Da die Belastungswirkung einer Steuer nur dann hingenommen werden könne, wenn sie unter Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes (Gebot der Steuergerechtigkeit) verteilt werde 365 , müsse notwendigerweise jede Steuernorm hinsichtlich ihrer Belastungswirkungen an den "lastenausteilenden Verfassungsnormen,,366, d. h. am allgemeinen Gleichheitsgrundsatz überprüft werden. Daher sei die vermeintliche Unanwendbarkeit des Gleichheitssatzes im Bereich der interventionistischen Steuernormen nicht akzeptabel. 367 Andernfalls könne mittels Ausweitung interventionistischer Zwecke in Steuergesetzen das Prinzip der steuerlichen Belastungsgerechtigkeit ausgehebelt werden und würde damit verzichtbar?68 Gestaltungswirkungen wiederum könnten die freiheitliche Betätigung der Steuerträger beeinflussen und müßten daher stets in den "gestaltungsbegrenzenden Verfassungsnormen,,369, d. h. den Freiheitsgrundrechten, ihre Schranken finden?70 360 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 81 ff. Ebenso: Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 60 ff.; Vogel/Waldhofj', in: BonnerKornrn, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115 Ror. 529. 361 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 68 ff.; auch Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 60 ff. 362 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 70 f.; ders., Steuerrecht I, § 2 III. Rnr. 21; auch Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 60. 363 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 71 ff.; ders., Steuerrecht I, § 2 III. Rnr. 21; auch Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 60 ff. 364 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 81 ff., 232 ff. 365 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 81 ff., 155 ff.; ders., Steuerrecht I, § 7 11.1. Rnr. 16. 366 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 81. 367 Birk, Steuerrecht I, § 2 III. Rnr. 20. 368 Birk, Steuerrecht I, § 2 III. Rnr. 20. 369 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 82. 370 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 81 ff., 194 ff. (202 ff.); ders., Steuerrecht I, § 7 11.1. Rnr.17.
152
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber bei der Schaffung der Normen lenkende Zwecke verfolgt hat, müßten die durch die Normen eintretenden faktischen Freiheitseingriffe also stets an den Freiheitsgrundrechten gemessen werden. Birk arbeitet weiterhin heraus, daß sich die "verfassungsrechtlichen Lastenausteilungsnormen" durch das Leistungsfahigkeitsprinzip371 formulieren lassen, die "gestaltungsbegrenzenden Verfassungsnormen" hingegen hauptsächlich in den Freiheitsgrundrechten 372 zu sehen seien.
Im Ergebnis sei daher jede Norm entsprechend ihrer doppelten Wirkungs struktur zunächst sowohl bezüglich der Belastungswirkungen am Leistungsfähigkeitsprinzip als auch hinsichtlich der Gestaltungswirkungen an den Freiheitsgrundrechten zu prüfen. Stelle sich bei dieser Prüfung heraus, daß eine der Wirkungen nicht verfassungsgemäß sei, so müsse weiterhin gefragt werden, ob dieser Verstoß durch den der anderen (verfassungsmäßigen) Wirkung beigelegten, vorrangigen Zweck gerechtfertigt werden könne. Birk373 kommt dabei zu dem Ergebnis, daß lediglich die Rechtfertigung einer gleichheitswidrigen Belastungswirkung durch einen übergeordneten Lenkungszweck denkbar sei, nicht hingegen eine Rechtfertigung von Freiheitsverstößen durch einen Belastungszweck. b) Dieser Ansatz zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit steuerlicher Normen von Dieter Birk verdient weitgehend Zustimmung. 374 Denn Birk schafft durch die Betrachtung der doppelten Wirkungsstruktur der Steuernormen ein in sich geschlossenes verfassungsrechtliches Prüfungskonzept, welches auf alle steuerrechtlichen Normen gleichermaßen anwendbar ist, gleichgültig ob sie nach herkömmlicher Ansicht als Fiskalzweck-, Sozialzweck- oder Vereinfachungszwecknormen anzusehen sind. Die zweigleisige Prüfung vermeidet damit die Abgrenzungsschwierigkeiten der herkömmlichen Ansichten und ermöglicht zugleich eine deutlich realitätsnähere Prüfung der Verfassungsmäßigkeit steuerlicher Normen?75 Denn nur mit diesem zwei stufigen Prüfungskonzept gelingt es, sämtliche verfassungsrechtlich relevanten Wirkungen steuerlicher Normen zu erfassen und einer Überprüfung zugänglich zu machen. 376 Der Grundrechtsschutz gegenüber steuerlichen Normen wird damit, anders als bei der herkömmlichen Ansicht, unabhängig von der ohnehin nicht sicher zu ermittelnden Intention des Gesetzgebers gewährleistet. 377
Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 155 ff. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 194 ff. 373 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 236 ff., 254 ff. 374 Zustimmend auch Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 60 ff.; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 86; Vogel/Waldhojf, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 104a-1l5 Rnr. 529. 375 Ruppe, Gutachten 8. ÖlT, S. 60. 376 Ruppe, Gutachten 8. ÖlT, S. 60 ff. (63). 377 Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 64. 371
372
II. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab
153
Schließlich hat das Konzept von Birk den Vorteil, daß es die verfassungsrechtlichen Lastenausteilungsnonnen (Leistungsfähigkeitsprinzip) und die gestaltungsbegrenzenden Verfassungsnonnen (Freiheitsgrundrechte) derart zueinander in Beziehung setzt, daß eine schlüssige verfassungsrechtliche Prüfung auch solcher steuerlicher Nonnen möglich wird, die - wie § 9 Abs. 2 UStG - Mehrfachzwecke verfolgen. Eine Gewichtung der verschiedenen Nonnwirkungen und Nonnzwecke, die in vielen Fällen nicht überzeugend gelingen würde, ist daher unnötig. 378 Selbst Mehrfachzwecke steuerlicher Nonnen können im Rahmen der erforderlichen Rechtfertigungsprüfungen ohne weiteres unter jedem einzelnen Zweckgesichtspunkt zur Geltung gebracht werden. Denn das Prüfungskonzept wird durch die Abgrenzung der tatsächlichen Wirkungen steuerlicher Nonnen strukturiert, die Berücksichtigung sämtlicher Nonnzwecke im Rahmen der Rechtfertigung festgestellter Verstöße erhöht somit die Prägnanz der Prüfung im Einzelfall und trägt dazu bei, keinen verfassungsrechtlich relevanten Gesichtspunkt zu vernachlässigen. c) Zur Durchführung der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 9 Abs. 2 UStG sind daher für das Beispiel der Vermietungsumsätze zunächst die durch die Nonn hervorgerufenen Wirkungen in Gestalt von Belastungswirkungen379 und Gestaltungs- oder Lenkungswirkungen 380 festzustellen. Dabei sind unter "Belastungswirkungen" diejenigen Wirkungen zu verstehen, die sich in einer bleibenden finanziellen Belastung bestimmter Personen in Gestalt eines Geldentzugs konkretisieren. 38 I Gestaltungs- oder Lenkungswirkungen dagegen sind alle sonstigen Wirkungen einer Steuer, die sehr vielgestaltig sein können, jedoch mit der Belastungswirkung korrespondieren und daher einen freiheitsrechtlichen Bezug aufweisen?82 Zu beachten ist bei der Bestimmung möglicher Belastungs- oder Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG, daß es im vorliegenden Zusammenhang der grundrechtlichen Prüfung der steuerrechtlichen Nonn allein auf die objektiv typisiert zu ermittelnden faktischen, nicht hingegen auf die theoretisch beabsichtigten oder theoretisch zu erwartenden Wirkungen der Nonn ankommt. 383 Dem von Vieter Birk entwickelten Prüfungskonzept wird zwar vereinzelt entgegengehalten, die Aufspaltung 384 der Wirkungen steuerlicher Nonnen in eine als bloßen Geldentzug verstandene Belastungswirkung und den aus dieser Belastungswirkung folgenden (korrespondierenden) Gestaltungswirkungen als FreiheitsentRuppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 62 f.; a.A. v. Lishaut, FR 1988,406,409 f. Dazu unten, Teil B.III., S. 155 ff. 380 Dazu unten, Teil B.lY., S. 167 ff. 381 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 70 f., 179 ff. 382 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 71 ff., 179 ff. (187); Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S.60f. 383 So deutlich auch Tipke, StuW 1992, 103, 105: "Die Gerechtigkeitsfrage betrifft immer die Steuerträger, nicht diejenigen, die aus steuertechnischen Gründen zum Steuerschuldner erklärt werden."; Ruppe, Gutachten 8. ÖJT, S. 64 f. 384 Zur Bedeutung der Abgrenzung für die Anwendung der Freiheitsgrundrechte insb. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 179 ff. 378
379
154
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
zug sei nur ein "Kunstgebilde der Interpretation,,385. Dies mag im Bereich der direkten Steuern zunächst so erscheinen. Aber selbst die Kritiker halten die Unterscheidung im Ergebnis für "ertragreich,,386, was wiederum daran liegt, daß nur diese Differenzierung eine vollständige und strukturierte Analyse sämtlicher grundrechtsrelevanten Wirkungen steuerlicher Normen ermöglicht. Bei der Priifung einer Norm aus dem Bereich der indirekten Steuern - wie im Rahmen dieser Untersuchung - ist diese "künstliche" Unterscheidung der Wirkungen jedoch sogar unentbehrlich, um insbesondere die Freiheitsgrundrechte überhaupt plausibel anwenden zu können?87 Nach der Bestimmung der einzelnen Wirkungen des § 9 Abs. 2 UStG sind entsprechend dem zweistufigen Priifungsmodell von Dieter Birk die ermittelten Belastungswirkungen am allgemeinen Gleichheitssatz 388 sowie die Lenkungswirkungen an den Freiheitsgrundrechten 389 zu messen. Die zu untersuchende Norm ist dann verfassungswidrig, wenn sie ungleiche, den aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgenden verfassungsrechtlichen Lastenausteilungsnormen widersprechende Belastungswirkungen hervorruft und diese Ungleichbelastung nicht durch einen überragenden Lenkungszweck gerechtfertigt werden kann, oder wenn ihre Lenkungswirkungen den freiheitsgrundrechtlichen Gewährleistungen widersprechen. Im Rahmen dieser Priifung ist jedoch ausgehend von der neueren Grundrechtsdogmatik 390 das Konzept Dieter Birks zu modifizieren. Denn es kann nicht mehr von einer vollständigen "Ineffizienz,,391 der Freiheitsgrundrechte im Rahmen der von Birk sogenannten "lastenausteilenden" Verfassungsnormen ausgegangen werden. 392 Vielmehr entfalten die Freiheitsgrundrechte auch eine Bedeutung bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes. 393 Diese notwendige Modifikation verändert jedoch das Konzept Dieter Birks nicht grundsätzlich. Sie trägt statt dessen dazu bei, das System eines durch das Zusammenwirken von Freiheitsund Gleichheitsrechten geprägten umfassenden Grundrechtsschutzes im steuerlichen Bereich abzurunden.
v. Lishaut, FR 1988, 406, 411. v. Lishaut, FR 1988,406,411 (re. Sp.). 387 Dazu s. unten, Teil E.III.2.c), S. 363 f. 388 s. dazu unten, Teile C. und D. 389 s. dazu unten, Teil E. 390 Bezüglich Art. 3 GG s. insb. unten, Teil C.n.l.a)bb)(2), S. 210 f. 391 So Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 161 ff., 179 ff. (193). 392 So auch v. Lishaut, FR 1988, 406, 408 f. 393 Dazu genauer unten, C.II.1.a)bb)(2), S. 210 f. 385
386
III. Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
ISS
IH. Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
Zunächst sind die spezifischen Belastungswirkungen des Optionsrechts für Vermietungsumsätze gemäß § 9 Abs. 2 UStG n.F. zu charakterisieren, die sich in der finanziellen Belastung bestimmter Personen wegen der Auferlegung einer Geldleistungspflicht konkretisieren. Dabei lassen sich zwei Arten steuerlicher Belastungswirkungen unterscheiden, deren Entstehen speziell auf die Existenz des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts für Verrnietungsumsätze zurückzuführen ist. Einerseits entstehen primäre finanzielle Belastungen optionsberechtigter Vermieter nach dem Fortfall der Optionsvoraussetzungen auf Grund einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters. 394 Andererseits bewirkt die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG eine Fixierung endgültiger wirtschaftlicher Belastungswirkungen bei solchen Verbrauchern, die auf nachfolgenden Handelsstufen Lieferungen oder Leistungen von nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern beziehen, welche im Rahmen ihres Unternehmens Vermietungsleistungen als Mieter entgegennehmen. 395 Diese Wirkung beruht darauf, daß die Belastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen grundsätzlich von der Ausübung der Option durch einen dazu berechtigten Vermieter abhängig ist. 396 Vergleichbare Belastungswirkungen auf nachfolgenden Handelsstufen lassen sich dagegen bei der Beteiligung vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer in der Leistungskette durch eine optionsschädliche Nutzungsänderung nicht herbeiführen. 397
1. Belastungswirkung zum Nachteil eines Vermieters nach optionsschädlicher Nutzungsänderung
Wie bereits an früherer Stelle398 dargestellt wurde, treffen einen Vermieter, welcher gemäß § 9 UStG zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes optiert hatte, beim Fortfall der Optionsvoraussetzungen aus § 9 Abs. 2 UStG infolge einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters bedeutsame steuerliche Folgen, die sich aus der Anwendung der §§ 15 Abs. 2 Nr. 1 und 15a UStG ergeben. Denn einerseits trägt der Vermieter zunächst unmittelbar den Berichtigungsbetrag, welcher sich gegebenenfalls aus der Anwendung des § I5a UStG ergibt. Andererseits wird er auch durch die nach der optionsschädlichen Nutzungsänderung künftig nicht mehr abziehbaren Vorsteuerbeträge auf verrnietungsbezogene Vorumsätze vorerst unmittelbar wirtschaftlich belastet.
394 395 396 397 398
s. sogleich B .III.l. Näher dazu unten, Teil B.III.2.b), S. 164. s. unten, Teil B.III.2.a), S. 158 ff. s. unten, Teil B.III.2.c), S. 165 ff. s. oben, Teil A.lI.2., S. 53 ff.
156
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Diese primären finanziellen Belastungen, die in der Sphäre eines Vermieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung entstehen, müssen hier unabhängig davon Gegenstand der verfassungsrechtlichen Begutachtung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. sein, ob dem Vermieter infolge des Eintritts dieser Wirkungen ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den Mieter zusteht. Zwar führen die primären Belastungen bei dem Vermieter dann nicht zu einer Belastungswirkung in dem hier399 vorausgesetzten Sinne einer bleibenden finanziellen Belastung, wenn es dem Vermieter gelingt, diese Folgen auf seinen Mieter überzuwälzen. Jedoch wurde bereits dargestellt, daß dem Vermieter keine originäre, dem üblichen Mechanismus der Überwälzung umsatz steuerlicher Belastungen entsprechende Möglichkeit zur Abwälzung der wirtschaftlichen Folgen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung zusteht. Denn ohne eine entsprechende mietvertragliche Vereinbarung ist der Vermieter grundsätzlich gezwungen, das Mietverhältnis aufrechtzuerhalten, ohne zugleich das unter der Voraussetzung des Bestehens der Option vertraglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis an die veränderten Umstände anpassen zu können. 4oo Eine solche Möglichkeit bestünde nur im Wege der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage40I , wenn sich herausstellte, daß § 9 Abs. 2 UStG nicht auf Grund seiner Wirkungen verfassungswidrig ist. Nun könnte man geneigt sein, im Vorgriff auf die nachfolgende Priifung der Verfassungsmäßigkeit der - sonstigen - Wirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. bereits an dieser Stelle davon auszugehen, die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sei ausgeschlossen, weil § 9 Abs. 2 UStG schon wegen dieser sonstigen Wirkungen verfassungswidrig402 ist. Eines solchen Vorgriffs, der im übrigen die Gefahr eines Zirkelschlusses in sich birgt, bedarf es hier jedoch nicht. Vielmehr ist daran zu erinnem403 , daß die Frage nach der Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 UStG n.F. wegen dessen Wirkung, optionsschädliche Nutzungsänderungen zu ermöglichen, unabhängig davon zu entscheiden ist, ob auf Grund eben dieser Wirkungen zivilrechtliche Ausgleichsanspriiche des Vermieters gegen den Mieter entstehen. Das Zivilrecht darf nicht in der Weise zur "Vorfrage" des Verfassungsrechts gemacht werden, daß beim Bestehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs, der wiederum nur infolge der verfassungsrechtlich bedenklichen Wirkungen der zu begutachtenden Norm entstehen soll, ein Verfassungsverstoß abgelehnt wird. 404 Dies führte zu einem unzuläsZum Begriff der Belastungswirkung s. oben, Teil B.II.2.c), S. 153. s. oben, Teile A.III. 2. und 3., S. 63 ff. 401 Dazu oben, Teil A.III.3.b)dd), S. 82 ff. 402 s. dazu unten, Teile DJ. und 11., S. 285 ff., D.m. und IV., S. 294 ff. und Teil E., S. 347 ff. 403 s. oben, Teil A.m.3.b)dd)(4), S. 85 f. 404 In diesem Sinne auch Schöne, WM 1993, 2145, 2145 (Fn. 5); unzutreffend dagegen Meilicke / Heidel, DB 1993, 313, 317. 399
400
III. Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
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sigen Zirkelschluß. Darüber hinaus zeigt Art. 100 Abs. 1 GG, daß allenfalls die verfassungsrechtliche Wirksamkeit einer Norm Vorfrage bei deren zivilrechtlicher Begutachtung sein kann. 405 Somit kommt es in Wahrheit für die Bestimmung der verfassungsrechtlich zu begutachtenden steuerlichen Belastungswirkungen, die § 9 Abs. 2 UStG n.F. nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung eines Mieters in der Sphäre des betroffenen Vermieters auslöst, nicht darauf an, ob dem Vermieter infolge der Nutzungsänderung ein zivilrechtlicher Anspruch zum Ausgleich eben dieser Folgen gegen seinen Mieter entsteht. Vielmehr sind als verfassungsrechtlich relevante Belastungswirkungen hier allein die sich in der Sphäre des Vermieters aus der Anwendung der §§ 15 Abs. 2 Nr. 1 und 15a UStG ergebenden primären Belastungen anzusehen. Diese können, wie bereits gezeigt406 , zu Lasten des Vermieters eine erhebliche Höhe erreichen. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, daß die Höhe der nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung eintretenden primären Belastungswirkung auch von der Organisationsstruktur des Unternehmens des Mieters abhängig ist. Kann nämlich der Mieter die optionsschädliche Nutzungsänderung auf räumlich abgrenzbare Grundstücksteile oder auf abgrenzbare Nutzungszeiten beschränken, so entsteht die beschriebene Belastungswirkung bei dem betroffenen Vermieter wegen der Verwendung des Begriffes "soweit" in § 9 Abs. 2 UStG n.F. nur in Höhe eines Teils des Vermietungsumsatzes, der dem Anteil der abzugsschädlichen Umsätze des Mieters an dessen gesamten Umsätzen entspricht. 407 § 9 Abs. 2 UStG in seiner Neufassung durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG läßt demnach zu, daß ein Vermieter in seiner Funktion als umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung seines Mieters von einer primären finanziellen Belastungswirkung betroffen wird, deren Höhe darüber hinaus von organisatorischen Gegebenheiten im Unternehmen des Mieters abhängt.
2. Belastungen der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen
Gegen die Zulässigkeit umsatzsteuerrechtlicher Optionsrechte wird darüber hinaus in der Literatur gelegentlich408 eingewandt, die Optionsmöglichkeiten eines Unternehmers gemäß § 9 UStG seien nicht verbrauchsteuerkonform, da sie je nach Schöne. WM 1993,2145,2145 (Fn. 5). Oben, Teil A.II.2., S. 53 ff. 407 Dazu oben, Teil A.l.1.b)cc), S. 37 ff. 408 Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 G.4. Rz. 138; ders .• DStJG 13 (1990), 3, 26 (Fn. 84 unter Verweis auf die Fundstelle in Tipke I Lang); ders .• UR 1993, 213, 216 (bezogen auf den Fall der Vermietung an steuerfrei liefernde Unternehmer, für den nur bis zum Inkrafttreten des StMBG die Option noch zulässig war); Söhn. StuW 1976, 1, 20 (für umsatzsteuerrechtliche Optionsrechte allgemein, ohne konkreten Bezug zu § 9 UStG); Teichmann. StuW 1975, 189, 197. 405
406
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Wahl des optionsberechtigten Unternehmers zu einer zusätzlichen Belastung der Verbraucher führten. Dazu ist zunächst - wiederholend409 - darauf hinzuweisen, daß genaugenommen nicht lediglich § 9 UStG eine Verletzung des Verbrauchsteuerprinzips herbeiführen kann, sondern daß vielmehr bereits § 15 Abs. 2 UStG das System der Umsatzsteuer in verfassungswidriger Weise durchbricht. Die folgende Untersuchung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. nimmt jedoch, wie bereits erwähnt4 \O, den Systembruch durch § 15 Abs. 2 bis 4 UStG hin und will nur aufzeigen, welche verfassungswidrigen Wirkungen § 9 UStG über die schon bestehende Systemverletzung hinaus entfaltet. Somit ist die nachfolgende Darstellung stets (lediglich) als immanente Kritik an § 9 UStG innerhalb eines ohnehin bereits verfassungswidrigen Regelungsbereiches des Umsatzsteuergesetzes zu verstehen. Unter dieser Prämisse ist daher an dieser Stelle der aufgeworfenen Frage nach der wahlweisen Belastung der Verbraucher in Abhängigkeit von der Optionsausübung eines dazu berechtigten Unternehmers bezogen auf das Optionsrecht für Vermietungsumsätze nach der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG genauer nachzugehen. Stellt sich nämlich heraus, daß Verbraucher tatsächlich in Abhängigkeit von der Ausübung des Optionsrechts durch den Vermieter verschieden belastet werden, dann könnte eine Norm wie § 9 Abs. 2 UStG n.F., welche die Ausübung des Optionsrechts des Vermieters in bestimmten Fällen untersagt, zugleich eine (positive oder negative) Belastungswirkung in der Sphäre der Verbraucher entfalten. Denn durch die Neufassung der Norm würde dann möglicherweise eine bestimmte Belastungssituation der nachfolgenden Verbraucher konstituiert, die zuvor de facto weitgehend vermieden wurde. D.ies wäre in jedem Fall eine beachtliche Belastungswirkung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. a) Belastungsdif.{erenzen in Abhängigkeit von der Optionsausübung bei Beteiligung eines Unternehmers als Mieter Die Annahme einer vom Willen des Vermieters abhängigen umsatzsteuerlichen Belastung auf der Grundlage der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG kann nur auf Verbraucher bezogen werden, welche auf einer dem Vermietungsumsatz nachfolgenden Handelsstufe Lieferungen oder Leistungen derjenigen Unternehmer empfangen, die im Rahmen ihres Unternehmens eine Vermietungsleistung als Mieter in Anspruch nehmen. 411 Private Empfänger der Leistungen eines Vermieters dagegen, also private Mieter als Verbraucher im umsatzsteuerrechtlichen Sinne, können nie in Abhängigkeit von einer Optionsausübung des Vermieters verschieden belaDazu oben, Teil B.1.2.e)cc)(2)(a), S. 102 ff. sowie Teil A.I.2.a)bb), S. 44 f. Vgl. dazu die Anmerkung oben, Teil A.1.2.b)bb), S. 49 f. 411 Dieser Bezug wird deutlich bei Reiß, UR 1993, 213, 216 (dort bezogen auf den Fall der Option bei Vermietung an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer, für den nur bis zum Inkrafttreten des StMBG die Option möglich war); Söhn, StuW 1976, 1,20. 409
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III. Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
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stet werden, weil eine Option bei der Vermietung an Nichtunternehmer gemäß § 9 Abs. 1 UStG unzulässig ist. Private Mieter werden vielmehr immer durch verdeckt überwälzte Vorsteuern auf vermietungsbezogene Vorumsätze belastet, die bei deren Vermieter nicht abzugsfähig sind. 412 Für Verbraucher auf einer dem Vermietungsumsatz nachfolgenden Handelsstufe wird jedoch die folgende Prüfung zeigen, daß deren Belastung tatsächlich von der Ausübung der Option für den Vermietungsumsatz abhängig ist. Betrachtet werden soll zu diesem Zweck jeweils eine Leistungskette aus den Personen Vermieterunternehmerisch tätiger Mieter - Verbraucher, wobei unabhängig von der aktuellen Rechtslage zunächst unterstellt wird, daß dem beteiligten Vermieter jeweils ein Optionsrecht zusteht. Dabei soll stets davon ausgegangen werden, daß die Verbraucher vom Mieter im Rahmen der dargestellten Leistungskette Verbrauchsgüter oder Dienstleistungen erwerben, deren Wert ohne Berücksichtigung der sich aus dem Umsatzsteuerrecht ergebenden Preisauswirkungen (Nettowert) im Falle ausgeübter und nicht ausgeübter Option für die Besteuerung des Vermietungsumsatzes identisch ist. Aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt bleiben soll darüber hinaus im nachfolgend vorzunehmenden Vergleich diejenige Umsatzsteuerbelastung, die im Rahmen des Nettomietzinses sowie der von Vermieter und Mieter im Rahmen der Leistungskette geschaffenen Mehrwerte verdeckt auf den Verbraucher überwälzt wird. Diese verdeckte Belastung entsteht typischerweise, wenn Vermieter oder Mieter im Rahmen ihrer Tätigkeit steuerfreie Lieferungen oder Leistungen ihrer Lieferanten entgegennehmen und dabei selbst zunächst verdeckt mit der Umsatzsteuer der Vorumsätze ihrer Lieferanten belastet werden. Um wirtschaftlich nicht dauerhaft belastet zu bleiben, werden sie daher im Rahmen ihrer Kalkulationen auch diese verdeckten Steuern auf den Verbraucher überwälzen. Da indes die Höhe der dabei im Einzelfall entstehenden Belastung von diversen Zufällen, z. B. der Anzahl der steuerfrei tätigen Lieferanten, abhängt und somit allgemein nicht quantifizierbar ist, soll diese verdeckte Umsatzsteuerbelastung der Verbraucher innerhalb der Leistungskette hier außer Betracht bleiben. Vereinfachend kann unterstellt werden, die Höhe der auf diese Weise auf den Verbraucher abgewälzten verdeckten Umsatzsteuer sei in den betrachteten Fällen jeweils identisch.
aa) Leistungskette unter Beteiligung eines vollständig vorsteuerabzugsberechtigten Mieters Zunächst ist eine Leistungskette aus den Personen Vermieter - vollständig vorsteuerabzugsberechtigter Mieter - Verbraucher zu betrachten, also diejenige Leistungskette, für die nach der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG eine Option des Vermieters noch unproblematisch möglich ist. 412
s. oben, Teil A.1.2.b )aa)(l), S. 47 f.
160
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Optiert der berechtigte Vennieter, so ist sowohl er selbst413 hinsichtlich der entgegengenommenen Vorumsätze als auch sein Mieter hinsichtlich des Vennietungsumsatzes zum Vorsteuerabzug berechtigt. In die Kalkulation des Mieters gegenüber den Verbrauchern fließt daher der Mietzins nur mit dem Nettobetrag ein. Die Steuerbelastung der Verbraucher umfaßt lediglich die Steuer, die bei der Ausführung der unternehmerischen Leistung des Mieters entsteht. Dies ist die Umsatzsteuer auf die Summe aus den Vorumsätzen des Vennieters zu deren Nettobetrag und den von Vermieter und Mieter geschaffenen Mehrwerten. Unterläßt der Vennieter hingegen bei gleichem Sachverhalt die Option, so hängt die Belastung der Verbraucher davon ab, ob es dem Vennieter gelingt, die von ihm entrichteten und nicht abziehbaren Vorsteuern auf vennietungsbezogene Vorumsätze verdeckt im Mietzins auf den Mieter überzuwälzen. Geht man vom Gelingen der verdeckten Überwälzung im Verhältnis VennieterMieter aus und setzt man weiterhin systemgerecht voraus, daß die entstehende Belastung des Mieters von diesem im Rahmen der eigenen steuerpflichtigen Lieferung oder Leistungserbringung vollständig weiter auf die Verbraucher überwälzt wird, so geht der Mietzins zum Bruttopreis in die Kalkulation des Mieters gegenüber den Verbrauchern ein. Die steuerliche Gesamtbelastung der Verbraucher setzt sich daher in diesem Fall aus mehreren Komponenten zusammen. Einerseits tragen die Verbraucher die Steuer, die bei der Ausführung der unternehmerischen Leistung des Mieters entsteht. Andererseits werden sie zusätzlich mit dem vom Vermieter auf den Mieter verdeckt überwälzten und von jenem an die Verbraucher weitergegebenen Vorsteuerbetrag auf vennietungsbezogene Vorumsätze belastet. Bedenkt man weiterhin, daß die Steuer auf die unternehmerische Leistung des Mieters einen Kumulationsbetrag 414 enthält, der durch die Erhebung der Umsatzsteuer auf den überwälzten Vorsteuerbetrag als zusätzlichen Teil der Bemessungsgrundlage der Leistung des Mieters gegenüber den Verbrauchern entsteht, so wird erkennbar, daß die steuerliche Gesamtbelastung der Verbraucher deutlich höher ist als im Fall der Ausübung der Option durch den Vennieter. Sie umfaßt also neben der Steuer auf die Summe der Vorumsätze des Vennieters zu deren Nettobetrag und auf die von Vermieter und Mieter geschaffenen Mehrwerten zusätzlich die Umsatzsteuer auf die vermietungsbezogenen Vorumsätze und den Kumulationsbetrag. Unter der Prämisse des Gelingens vollständiger Überwälzung nicht abziehbarer Vorsteuern von der Stufe des Vermieters bis hin zur Stufe der Verbraucher ist demnach in der Tat festzustellen, daß die Belastung der Verbraucher auf der Endstufe von der Ausübung der Option auf der Vorstufe der Vennietung abhängig ist. Wie bereits erörtert415 , kann dem Vennieter jedoch die verdeckte Überwälzung nicht abziehbarer Vorsteuern auf einen vorsteuerabzugsberechtigten Mieter bei s. oben, Teil A.1.2.b)bb), S. 49 f. Zum Entstehen einer Steuerkumulation in Fällen einer Zwischenstufenbefreiung s. auch Stadie, Vorsteuerabzug, S. 8 f. 415 s. oben, Teil A.I.2.a)bb), S. 45. 413
414
III. Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
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nicht ausgeübter Option auf Grund der drohenden Ausschaltungsgefahr nie vollständig gelingen. Aus diesem Grunde trifft die Behauptung, § 9 UStG räume dem Unternehmer (Vennieter) ein Wahlrecht ein, über die umsatzsteuerrechtliche Belastung der Verbraucher zu entscheiden, hier nur bedingt ZU. 416 Nach der Ausübung des Optionsrechts durch den Vennieter, also in der Situation, die man aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten als den "Normalfall" beschreiben kann, entfällt schließlich die mögliche Belastung der Verbraucher späterer Handelsstufen mit auf den Vorstufen des Endumsatzes nicht abzugsfähigen Vorsteuern. Diese Umstände dürften dazu führen, daß bei der Beteiligung ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt tätiger Mieter an der Leistungskette tatsächlich nur in seltenen Fällen eine signifikant erhöhte Umsatzsteuerbelastung der Verbraucher nachfolgender Verbrauch stufen entstehen wird, und zwar dann, wenn der Vennieter den Verzicht auf die Steuerfreiheit des Vennietungsumsatzes trotz bestehender Optionsmöglichkeit nicht erklärt und dennoch ungeachtet der sog. Ausschaltungsgefahr die verdeckte Überwälzung nicht abzieh barer Vorsteuern seiner Vorumsätze durchsetzen kann. Unzulässig erscheint es jedoch, die Wahrnehmung des Optionsrechts durch einen berechtigten Unternehmer stets vorauszusetzen und aus diesem Grunde § 9 UStG den Charakter als (systemfremdes) umsatzsteuerliches Wahlrecht abzusprechen. 417 Als Ergebnis bleibt daher festzuhalten, daß Verbraucher nachfolgender HandeIsstufen in der hier betrachteten Leistungskette Vermieter - vollständig vorsteuerabzugsberechtigter Mieter - Verbraucher in Abhängigkeit von der Ausübung des Optionsrechts durch den Vermieter unterschiedlich steuerlich belastet werden. Ihre Belastung ist dabei jeweils höher, wenn der Vermieter sein Optionsrecht nicht ausübt.
bb) Leistungskette unter Beteiligung eines in vollem Umfang nicht vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mieters Bei der Untersuchung einer Leistungskette unter Beteiligung der Personen Vermieter - vollständig vorsteuerabzugsschädlich unternehmerisch tätiger Mieter Verbraucher ergibt sich dagegen ein entgegengesetztes Ergebnis, wenn man voraussetzt, daß die Options ausübung dem Vennieter auch in diesem Fall möglich ist, wie dies noch gemäß § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 418 der Fall war. 419 416 Strenger Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 136 und Vor §§ 4-9 Anm. 60, der entsprechend seiner Annahme, die Überwälzung gelinge nie (s. oben,
Nachweise in A.1.2.a)bb), Fn. 100), auch den Einfluß der Option auf die Belastung der Verbraucher vollständig verneint. 417 So aber Stadie, Vorsteuerabzug, S. 10 ff. 418 BGBI. 1984 I, 1493, 1506. § 9 UStG i.d.F. d. Steuerbereinigungsgesetzes 1985 hatte folgenden Wortlaut: ,,§ 9 Verzicht auf Steuerbefreiungen: (1) Der Unternehmer kann einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 8 Buchstabe abis g, Nr. 9 Buchstabe a, Nr. 12, 13 oder 19 steuerfrei 11 Löhr
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Optiert der Vermieter, so werden die nachfolgenden Verbraucher unter Berücksichtigung des Überwälzungsprinzips mit dem von dem Mieter an den Vermieter gezahlten Bruttomietzins, in welchen allerdings die vermietungsbezogenen Vorumsätze nur zu deren Nettobetrag eingegangen sind, belastet. Die Verbraucher tragen daher die Umsatzsteuer, die auf die Summe der Nettobeträge der vermietungsbezogenen Vorumsätze zuzüglich eines vom Vermieter geschaffenen Mehrwertes erhoben wird. Grundsätzlich sind die Leistungen der nicht vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mieter an die Verbraucher jedoch nicht steuerpflichtig, vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG, so daß sich der überwälzte Betrag grundsätzlich nicht durch zusätzliche Belastung mit Umsatzsteuer erhöht. Unterläßt der Vermieter dagegen eine - mögliche - Option, so wird dieser zwar den Mietzins unter Einbeziehung der bei ihm nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge auf vermietungsbezogene Vorumsätze kalkulieren. Der vom Mieter zu zahlende und von diesem an die Verbraucher abgewälzte Mietzins enthält daher den Betrag der nicht abzieh baren Vorsteuern auf vermietungsbezogene Vorumsätze. Allerdings sind sowohl die Vermietungsleistung selbst als auch die Lieferung oder Leistung des Mieters in diesem Fall nicht steuerpflichtig. Dies hat zur Folge, daß die nachfolgenden Verbraucher insgesamt nur die Umsatzsteuerbeträge auf die vermietungsbezogenen Vorumsätze tragen. Hingegen werden sie nicht zusätzlich mit der Umsatzsteuer auf einen vom Vermieter oder vom Mieter geschaffenen Mehrwert belastet. Die umsatzsteuerliche Gesamtbelastung der Verbraucher ist somit bei einem Verzicht des Vermieters auf die Ausübung der Option hier grundsätzlich geringer, als wenn der Vermieter zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes optierte. Im Vergleich mit der zuvor420 betrachteten Leistungskette unter Beteiligung eines vollständig vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mieters ergibt sich darüber hinaus, daß der Verbraucher am Ende einer Leistungskette, in der ein vollständig abzugsschädlich tätiger Unternehmer als Mieter beteiligt ist, im Falle des Verzichts des Vermieters auf die Ausübung einer - möglichen - Option insgesamt die geringste umsatzsteuerliche Belastung zu tragen hat.
ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. (2) Der Verzicht auf Steuerbefreiung nach Absatz 1 ist bei der Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten (§ 4 Nr. 9 Buchstabe a), bei der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchstabe a) und bei den in § 4 Nr. 12 Buchstabe bund c bezeichneten Umsätzen nur zulässig, soweit der Unternehmer nachweist, daß das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist." 419 s. auch Reiß, UR 1993,213,216. 420 s. oben, Teil B.III.2.a)aa), S. 159 ff.
III. Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.P.
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cc) Leistungskette unter Beteiligung eines nur teilweise vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mieters Ein differenzierteres Bild ergibt sich schließlich bei der Untersuchung einer Leistungskette aus den Personen Vermieter - untemehmerisch tätiger Mieter - Verbraucher, wenn der Mieter teilweise steuerpflichtige und teilweise steuerfreie Umsätze ausführt. Die umsatzsteuerliche Belastung der Verbraucher auf der Endstufe hängt hier zwar ebenfalls davon ab, ob der beteiligte Vermieter sein Optionsrecht ausübt. Vorrangig ist bei der Beschreibung der Belastungssituation der Verbraucher jedoch danach zu unterscheiden, ob der unternehmerisch tätige Mieter an den Verbraucher im konkreten Fall einen steuerpflichtigen oder einen steuerfreien Umsatz ausführt. Führt der Mieter im Einzelfall eine steuerpflichtige Lieferung oder Leistung an den Verbraucher aus, so entsprechen die auf der Endstufe des Verbrauchers festzustellenden Belastungen vollständig denjenigen Wirkungen, die innerhalb einer Leistungskette unter Beteiligung eines ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt tätigen Mieters 421 entstehen. Die Belastung des Verbrauchers hängt somit von der Ausübung der Option durch den Vermieter in der Weise ab, daß die Belastung höher ist, wenn der Vermieter nicht optiert. 422 Leistet der Mieter hingegen im konkreten Fall steuerfrei an den Verbraucher, so ergibt sich eine andere Belastung des Verbrauchers. Diese entspricht indes vollständig der Belastung eines Verbrauchers am Ende einer Leistungskette unter Beteiligung eines vollständig nicht vorsteuerabzugsberechtigt tätigen Mieters423 • Die Belastung des Verbrauchers ist demnach auch in dieser Konstellation von der Ausübung der Option durch den Vermieter abhängig. Jedoch ist die Belastung des Verbrauchers hier geringer, wenn der Vermieter auf die Ausübung seines Optionsrechts verzichtet.
dd) Ergebnis Somit ist abschließend festzustellen, daß das Bestehen eines Optionsrechts für Vermietungsumsätze tatsächlich eine wahlweise Belastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in Abhängigkeit von der Ausübung der Option durch den Vermieter zuläßt. Ist an der zur Versorgung der Verbraucher führenden Leistungskette ein vollständig vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätiger Mieter beteiligt oder führt ein sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei liefernder oder leistender Mieter im Einzelfall einen steuerpflichtigen Umsatz an den Verbraucher aus, so ist die Belastung des Verbrauchers geringer, wenn der Vermieter sein Op421 422 423
11*
Zu dieser Leistungskette oben, Teil B.III.2.a)aa), S. 159 ff. s. oben, Teil B.III.2.a)aa), S. 159 ff. Zu dieser Leistungskette oben, Teil B.III.2.a)bb), S. 161 ff.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
tionsrecht ausübt. Ist der beteiligte unternehmerisch tätige Mieter hingegen generell nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt oder liefert bzw. leistet ein nur teilweise vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätiger Mieter bezogen auf den konkret ausgeführten Umsatz steuerfrei an einen Verbraucher, so ist die steuerliche Belastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen dagegen geringer, wenn der beteiligte Vermieter sein Optionsrecht nicht ausübt.
b) Fixierung bestimmter Belastungswirkungen auf der Stufe nachfolgender Verbraucher durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG
Die soeben erzielten Ergebnisse implizieren zugleich eine wesentliche Aussage über die Belastungswirkungen, welche die Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG hervorruft. Die Ausübung eines bestehenden Optionsrechts durch einen Vermieter verändert in jeder Leistungskette, an der ein unternehmerisch tätiger Mieter beteiligt ist, die umsatz steuerliche Belastung der beteiligten Verbraucher auf nachfolgenden Handeisstufen. Indem nun § 9 Abs. 2 UStG n.F. künftig den Vermietern von Unternehmensgrundstücken, die ihre Vermietungsleistung an nicht "ausschließlich" vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausführen, das Recht zur Option entzieht, konstituiert und fixiert die Neuregelung bestimmte, nach alter Rechtslage noch durch Ausübung der Option vermeidbare Belastungssituationen in der Sphäre derjenigen Verbraucher, die ganz oder teilweise vorsteuerabzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mietern in der Leistungskette nachfolgen. Diese Folge ist als spezifische Belastungswirkung der Neuregelung in der Sphäre der Verbraucher anzusehen. Je nach Konstellation kann es sich dabei sowohl um eine positive als auch um eine negative Belastungswirkung handeln. Eine negative Belastungswirkung, d. h. eine Entlastung, entsteht durch die Neuregelung einerseits in der Sphäre der Verbraucher, die an einer Leistungskette beteiligt sind, in welcher der unternehmerisch tätige Mieter im Wortsinne "ausschließlich" vorsteuerabzugsschädliche Umsätze ausführt. Andererseits werden, sofern man die Anwendung der Bagatellgrenze der "Ausschließlichkeit" gemäß Abschnitt 148a Abs. 3 UStR 2000 befürwortet424 , infolge des Fortfalls des Optionsrechts des Vermieters durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. auch diejenigen Verbraucher entlastet, die steuerfreie Lieferungen oder Leistungen eines sowohl abzugsberechtigt als auch abzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mieters entgegennehmen, dessen Anteil vorsteuerabzugsschädlicher Umsätze an seinem Gesamtumsatz mehr als 5 % beträgt. Denn in diesen Fällen fixiert § 9 Abs. 2 UStG n.F. die steuerliche Belastung der Verbraucher auf das innerhalb sämtlicher Leistungsketten geringstmögliche Maß. 425 Die Verbraucher werden hier nunmehr stets lediglich mit den 424 425
Zur Ausschließlichkeitsklausel s. oben, Teil AI.l.b)dd), S. 39 f. s. oben, Teil B.III.2.a)bb) und cc), S. 161 f., S. 163 f.
III. B-elastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
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auf sie überwälzten, vom Vermieter nicht abziehbaren Vorsteuern auf die Vorumsätze des Vermietungsumsatzes belastet. Eine positive Belastungswirkung, d. h. eine effektive Belastung, ergibt sich dagegen zu Lasten der Verbraucher, die steuerpflichtige Lieferungen oder Leistungen von unternehmerisch tätigen Mietern entgegennehmen, welche neben steuerpflichtigen Umsätzen zugleich steuerfreie Umsätze im Umfang von mehr als 5 % gemessen an ihrem Gesamtumsatz ausführen. In diesem Fall fixiert § 9 Abs. 2 UStG n.F. durch den Entzug des Optionsrechts des Vermieters eine umsatzsteuerliche Belastungssituation der Verbraucher, die durch die Option des Vermieters hätte verringert werden können. 426 Die betroffenen Verbraucher werden hier nunmehr stets mit der Steuer auf die Summe aus den vermietungsbezogenen Vorumsätzen zu deren Nettobetrag und den von Mieter und Vermieter geschaffenen Mehrwerten, der überwälzten (Vor-)Steuer auf die vermietungsbezogenen Vorumsätze sowie zusätzlich mit einem Kumulationsbetrag der Umsatzsteuer belastet, der durch Erhebung der Steuer auf die überwälzten Vorsteuerbeträge auf vermietungsbezogene Vorumsätze bei der Lieferung oder Leistung des Mieters entsteht. 427 Keine Belastungswirkung entfaltet § 9 Abs. 2 UStG n.F. unter Berücksichtigung der Reduktion seines Anwendungsbereiches durch die Bagatellgrenze des Abschnitt 148a Abs. 3 UStR 2000 dagegen insoweit, als Vermieter betroffen sind, deren Mieter teilweise vorsteuerabzugsschädlich und teilweise vorsteuerabzugsberechtigt tätig sind, bei denen jedoch der Anteil abzugsschädlicher Umsätze gemessen am Gesamtumsatz die 5 %-Grenze nicht übersteigt. Diesen Vermietern bleibt das Optionsrecht durch die Neuregelung erhalten, so daß § 9 Abs. 2 UStG n.F. keine bestimmte Belastungssituation der betreffenden Verbraucher fixiert.
c) Unabhängigkeit der BelastungsdiJferenzen von optionsschädlichen Nutzungsänderungen der Mieter
Das umsatzsteuerliche Optionsrecht aus § 9 UStG bleibt auch nach der Neufassung der Norm erhalten, soweit ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer bzw. solche Unternehmer, bei denen der Anteil vorsteuerabzugsschädlicher Umsätze am Gesamtumsatz nicht mehr als 5 %428 beträgt, als Mieter beteiligt sind. In diesen Fällen kann der Vermieter weiterhin durch den Verzicht auf die Ausübung der Option die Belastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen verändern. 429 Fraglich ist in diesem Zusammenhang indes, ob sich vergleichbare Belastungswirkungen auf nachfolgenden Handelsstufen auch durch eine optionsschädliche Nutzungsänderung herbeiführen lassen. Immerhin tritt nach der opti426 427 428 429
s. oben, Teil B.III.2.a)cc), S. 163 f. s. oben, Teil B.III.2.a)aa) und ce), S. 159 f., S. 163 f. Abschn. 148a Abs. 3 UStR 2000. Vgl. oben, Teil B.II1.2.a)aa) und ce), S. 159 f., S. 163 f.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
onsschädlichen Nutzungsänderung eine Situation ein, die derjenigen ohne Ausübung der Option in gewisser Weise vergleichbar430 ist. Ausgangspunkt dieser Untersuchung muß die Tatsache sein, daß Wirkungen einer options schädlichen Nutzungsänderung nur entstehen können, wenn der Vermieter zuvor zur Besteuerung der Vermietungsumsätze optiert hatte. War dies der Fall, so werden die Verbraucher einer dem Mietverhältnis nachfolgenden Handelsstufe in einer jeweils spezifischen Weise belastet. 431 Nach einer options schädlichen Nutzungsänderung des Mieters wird sodann bezogen auf das Mietverhältnis zwar eine formale Situation hergestellt, die derjenigen entspricht, die vor der Ausübung des Optionsrechts bestand. Denn der Vermietungsumsatz ist nun nicht mehr steuerpflichtig und der Vermieter verliert das Recht zum Vorsteuerabzug. 432 Allerdings kann der Vermieter nach dieser Änderung zivilrechtlieh den Mietzins gegenüber dem Mieter nicht ohne vertragliche Absprache über die Ausübung des Optionsrechts sowie die Folgen einer Nutzungsänderung erhöhen433 , so daß in der Sphäre des Vermieters eine Belastungswirkung entsteht, die ohne Ausübung der Option nicht bestünde. 434 Dem Vermieter gelingt also nach einer options schädlichen Nutzungsänderung die Überwälzung der bei ihm entstehenden Belastungen auf den Mieter grundsätzlich nicht. Dies hat jedoch zur Folge, daß auch für die Verbraucher auf nachfolgenden Handelsstufen nicht die Gefahr besteht, zusätzlich belastet zu werden. Die nachfolgenden Verbraucher werden demnach durch eine optionsschädliche Nutzungsänderung nicht in die Situation zuriickversetzt, als wäre die Option nicht ausgeübt worden. Eine Abhängigkeit der umsatz steuerlichen Belastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen von einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters ergibt sich also in den Leistungsketten, an denen vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer als Mieter beteiligt sind, nicht. Die Belastungswirkungen in der Sphäre nachfolgender Verbraucher können somit lediglich durch eine optionsbezogene Entscheidung des Vermieters beeinflußt werden. d) Ergebnis
Auf Verbrauchs stufen, die einem Vermietungsumsatz unter Beteiligung eines unternehmerisch tätigen Mieters nachgelagert sind, bewirkt die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG in zweifacher Hinsicht ungleiche Belastungen der Verbraucher. 430 Eine Vergleichbarkeit besteht insofern, als der Mietumsatz nicht steuerpflichtig ist und der Vermieter kein Vorsteuerabzugsrecht besitzt, vgl. oben, Teil A.1.2.a), S. 44 ff. Ein Unterschied tritt jedoch in der Belastungssituation des Vermieters auf, s. soeben Teil B.III.1., S. 155 ff. und unten, Teil D.V.3., S. 302 f. 431 s. oben, Teile B.m.2.a)aa) und cc), S. 159 ff., S. 163 f. 432 s. oben, Teil A.I.2.a), S. 44 ff. 433 Dazu oben, Teil A.m. 2. und 3., S. 63 ff. und 65 ff. 434 s. oben, Teil B.m.1., S. 155 ff.
IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
167
Einerseits ermöglicht es die Norm, soweit sie die Ausübung des umsatzsteuerlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze weiterhin zuläßt, daß die Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in Abhängigkeit von der tatsächlichen Ausübung der Option durch einen an der zur Versorgung der Verbraucher führenden Leistungskette beteiligten Vermieter verschieden belastet werden. Andererseits fixiert § 9 Abs. 2 UStG n.F. 435 durch den Ausschluß der Option bei der Beteiligung eines im Umfang von mehr als 5 % seines Gesamtumsatzes vorsteuerabzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mieters an einer Leistungskette zugleich spezifische Belastungssituationen der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in dieser Leistungskette. Die Art der fixierten Belastungswirkung hängt dabei davon ab, welcher Art Umsatz der Mieter im konkreten Fall an den betreffenden Verbraucher ausführt. Nimmt der Verbraucher eine steuerfreie Lieferung oder Leistung des Mieters entgegen, so führt der Fortfall des Optionsrechts des Vermieters zur Fixierung einer Entlastung des Verbrauchers. Führt der Mieter dagegen einen steuerpflichtigen Umsatz an den Verbraucher aus, so wirkt der Fortfall des Optionsrechts des Vermieters als Fixierung einer positiven Belastung des Verbrauchers.
IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. Neben den soeben beschriebenen Belastungswirkungen ruft § 9 Abs. 2 UStG zugleich verschiedene Lenkungs- oder Gestaltungswirkungen hervor. Als steuerliche Lenkungswirkungen gelten alle durch eine Norm hervorgerufenen Wirkungen, die nicht zu einer finanziellen Be- oder Entlastung führen. 436 Derartige Lenkungswirkungen stellen meist Ausweichreaktionen der von der Norm betroffenen Personen zur Vermeidung steuerlicher Belastungswirkungen dar und können in vielfältigster Form sowie in den verschiedensten Lebensbereichen entstehen. 437 Auch für § 9 Abs. 2 UStG sind außer den primär auf die betroffenen Steuerträger bezogenen sowie den vom Gesetzgeber des StMBG beabsichtigten Wirkungen diverse sonstige, wie z. B. gesamtwirtschaftliche oder gesamtgesellschaftliche Wirkungen zu erwarten. Die folgende Beschreibung der Lenkungseffekte des § 9 Abs. 2 UStG erhebt daher auf Grund der zu erwartenden Komplexität der Wirkungsstruktur des § 9 Abs. 2 UStG nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich die erkennbar signifikanten und somit möglicherweise grundrechtsrelevanten Gestaltungswirkungen der Norm darstellen.
435 436 437
In Verbindung mit Abschn. 148a Abs. 3 UStR 2000. s. auch Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 71 f. s. nur Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 71 ff., insb. 73 f.
168
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
1. Primäre Gestaltungswirkung: Neugestaltung der umsatzsteuerlichen Rechtslage
Als erste und wichtigste Gestaltungswirkung der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG ist der (selbstverständliche) Effekt zu nennen, daß die umsatzsteuerliche Rechtslage durch die Neuregelung umgestaltet wurde. Insbesondere438 ist nunmehr sämtlichen Vermietern die Ausübung des umsatzsteuerlichen Optionsrechts aus § 9 UStG auch dann untersagt, wenn ihre Mieter auch nur teilweise nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer sind. 439 Die Feststellung dieser primären Gestaltungswirkung erscheint zunächst banal. Jedoch ist gerade diese Wirkung in besonderer Weise freiheitsgrundrechtlich relevant, da sie insbesondere die Berufsausübung aller Vermieter tangiert. 44o Die primäre, die Steuerrechtsordnung gestaltende Wirkung der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG darf daher nicht vernachlässigt werden. 2. Umgehungsschutzwirkung: Ausschluß der Vorschaltmodelle vom Vorsteuerabzug
Bei der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG bezweckte der Gesetzgeber vor allem, die Option zur Erlangung des Vorsteuerabzugs für Vermieter im Rahmen sogenannter "Vorschaltmodelle" künftig zu verhindern44l , da diese als Umgehungsgestaltungen angesehen wurden. Ließe sich feststellen, daß dieses Ziel des Gesetzgebers durch die Neufassung tatsächlich praktisch verwirklicht wurde, so wäre der Neuregelung ein Lenkungseffekt in Form einer Umgehungsschutzwirkung zu attestieren. Als sogenannte "Vorschaltmodelle" werden zivilrechtliche Gestaltungen bezeichnet, in denen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer, wie insbesondere Inhaber oder Träger von Banken, Sparkassen, Versicherungen, Träger von Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten und Bildungseinrichtungen sowie selbständige Ärzte442 , ein Gebäude zur Eigennutzung mieteten, welches eine von den Unternehmern gegriindete selbständige Vorschaltgesellschaft443 oder, zumeist in den Fällen selbständig tätiger Ärzte, ihre "vorgeschalteten" Ehegatten 444 mit fi438 Die Rechtsänderung betrifft selbstverständlich auch alle anderen Unternehmer, die Umsätze der in § 9 Abs. 2 UStG genannten Art ausführen. 439 Dazu oben, Teil A.l.l.b )aa)(2), S. 31 ff. 440 Dazu genauer unten, Teil E.III., S. 351 ff. 441 s. BT-Drucks. 12/5630, S. 87. 442 Zu den typischen Untemehmergruppen vg!. auch BT-Drucks. 12/5630, S. 87. 443 Zu den Fällen der Vorschaltgesellschaften insb. bei den sogenannten "Sparkassenmodellen" s. nur: BFH v. 18. 12. 1996 - XI R 12/96 -, BFHE 182, 395 ff. = BStB!. 199711, 374 ff.; Salzberger, UR 1994,453 ff.; Aisenbrey/Eck, DStR 1993,1904. 444 Zu den Fällen "vorgeschalteter" Ehegatten s. nur: BFH v. 16.01. 1992 - V R 1/91 -, BFHE 167,215 ff. = BStBl. 199211,541 ff.; BFH v. 10.09. 1992 - V R 104/91 -, BFHE
IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
169
nanzieller Unterstützung der betreffenden Unternehmer erworben oder errichtet hatten und unter Ausübung der Option gemäß § 9 UStG an die Unternehmer vermieteten. 445 Diese Gestaltung bot vor allem Vorteile für den späteren Mieter, welcher als Finanzier des Grundstückserwerbs bzw. der Gebäudeerrichtung wirtschaftlich gesehen im Rahmen eines Vorschaltmodells auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985446 nur mit den Nettoerwerbsbzw. -baukosten belastet wurde. Hätte der Mieter hingegen das für sein Unternehmen benötigte Grundstück oder Gebäude selbst erworben bzw. selbst errichtet, wäre ihm als abzugsschädlich tätigem Unternehmer der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG versagt geblieben. Durch Erlangung des Optionsrechts gemäß § 9 UStG gelang es den abzugsschädlich tätigen Unternehmern daher, das Abzugsverbot des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu umgehen. Ein wichtiges gemeinsames, wenn auch nicht das allein signifikante447 , Merkmal aller Vorschaltmodelle ist demnach das Fehlen der Vorsteuerabzugsberechtigung des unternehmerisch tätigen Mieters. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG knüpft den Ausschluß des Optionsrechts nun gerade an dieses Merkmal, indem sie dem Vermieter das Optionsrecht immer dann versagt, wenn der Mieter das Mietgrundstück zur Ausführung solcher Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Auf diese Weise wurden sämtliche Vorschaltmodelle einfach und lückenlos in den Kreis derjenigen Gestaltungen einbezogen, für welche § 9 Abs. 2 UStG einem Vermieter das umsatzsteuerrechtliehe Optionsrecht versagt. 448 Für die Praxis der Grundstücksvermietung läßt sich somit prognostizieren, daß die Vorschaltmodelle ihre Bedeutung als zivilrechtliche Gestaltungsform zur Erlangung des Vorsteuerabzugs auf Erwerbs- und Baukosten verloren haben, da dieses wirtschaftliche Ziel des Mieters durch die Versagung des Optionsrechts des "vorgeschalteten" Vermieters in Zukunft gänzlich unerreichbar ist. Sofern also kein besonderer außersteuerrechtlicher Grund für die gewählte Gestaltungsform existiert, werden Vorschaltrnodelle in der Praxis künftig keine Verwendung mehr finden. Statt dessen werden die betreffenden nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer die von ihnen benötigten Grundstücke und Gebäude wieder selbst 169,258 ff. = BStBI. 199311,253 ff.; BFH v. 07. 09. 1995 - V R 52/94 -, BFH/NV 1996, 443 ff.; BFH v. 14. 12. 1995 - V R 12/95 -, BFHE 179,472 ff. = BStBI. 199611,252 ff.; Reiß, UR 1993,213 ff. 445 Genauer zu den Besonderheiten der einzelnen Vorschaltmodelle unten, Teil D.VI.2.c )aa)(2), S. 311 ff. 446 BGBI. 1984 I, 1493, 1506. 447 Zur Auseinandersetzung mit den charakteristischen Merkmalen der Vorschaltmodelle s. unten, Teil D.VI.2.c)aa)(3), S. 314 ff. 448 Daß dariiber hinaus durch die Anknüpfung an das abstrakte Merkmal des Fehlens der Vorsteuerabzugsberechtigung des Mieters auch andere, nicht als Vorschaltmodelle ausgestaltete Mietverhältnisse von dem Optionsrechtsausschluß betroffen werden (s. oben, Teil A.I.1.b)aa)(2), S. 31 ff. mit Beispielen), ist an dieser Stelle noch irrelevant. Vgl. aber unten, Teil D.VI.2.c)aa)(3), S. 314 ff.
170
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
unter Ausschluß des Vorsteuerabzugs - erwerben oder herstellen, wie es auch dem eigentlich wirtschaftlich beabsichtigten Ergebnis der Vorschaltmodelle entspricht. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG entfaltet daher eine (vom Gesetzgeber beabsichtigte449) Gestaltungswirkung dahingehend, daß sie die in der Praxis entwickelten zivilrechtlichen Gestaltungen zur Umgehung des Vorsteuerabzugsverbots mittels Umsatzsteueroption in Form der Vorschaltmodelle sicher und umfassend von der Erlangung des Optionsrechts ausschließt. Zukünftig ist daher sogar mit dem Eintreten einer Lenkungswirkung zu rechnen, die in einer faktischen Einschränkung der wirtschaftlichen Gestaltungsfreiheit der betroffenen vorsteuerabzugsschädlich tätigen Unternehmer gesehen werden kann, indem nämlich die vorsteuerabzugsschädlich tätigen Unternehmer weitgehend auf derartige zivilrechtliche Gestaltungen verzichten, soweit diese allein aus steuerlichen Gründen gewählt wurden. Diese Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. sollen daher im folgenden unter dem Begriff der "Umgehungsschutzwirkung" zusammengefaßt werden.
3. Gleichstellungswirkungen
Der durch die Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG erreichte Umgehungsschutz bewirkt möglicherweise zugleich verschiedene "Gleichstellungswirkungen". Diese sollen hier neben der Umgehungsschutzwirkung näher untersucht werden, weil der Gesetzgeber des StMBG diese Wirkungen eventuell mit einem in der Formulierung der Absicht zur "Gleichstellung aller Unternehmer, die wegen der Erzielung steuerfreier Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind,,45o ausgedrückten Lenkungszweck verbunden hat. Es kann daher insbesondere für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ungleich wirkender steuerlicher Belastungswirkungen451 von Bedeutung sein, ob und auf welche Weise sich diese auf nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer bezogene Gleichstellungsabsicht des Gesetzgebers in Gleichstellungswirkungen konkretisiert hat. Als "Gleichstellungswirkung" soll dabei hier jede Wirkung der Neufassung bezeichnet werden, die zu einer umsatzsteuerrechtlichen Gleichbehandlung von Mietern oder Vermietern untereinander oder im Verhältnis zu sonstigen Personen führt, welche auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 452 noch nicht bestand. Zum Gestaltungszweck des Umgehungsschutzes s. oben, Teil B.II.l.a)aa), S. 138 f. Begründung zur Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch das StMBG, BT-Drucks. 12/ 5630, S. 87 (re. Sp.). 451 Zur Prüfung der Rechtfertigung des Gleichheitsverstoßes der vermieterbezogenen Belastungswirkungen durch den Lenkungszweck der Gleichstellung s. unten, Teil D.VI.3., S. 322 ff. 452 BGBI. 1984 I, 1493, 1506. Zum Wortlaut des § 9 UStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 s. oben, Fn. 418. 449
450
IV. Oestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStO n.P.
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a) Erwerber oder Hersteller der zu eigener abzugsschädlicher unternehmerischer Thtigkeit genutzten Gebäude gegenüber Mietern im Rahmen eines Vorschaltmodells
Vor der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG453 ließ sich eine nunmehr möglicherweise beseitigte umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung folgender, jeweils nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer feststellen: Wurde die zivilrechtliche Gestaltung steuerlich anerkannt und der Vorschaltgesellschaft bzw. dem Ehegatten die Option gewährt, so bewirkte die Verwendung von Vorschaltmodellen, daß die entsprechenden abzugsschädlich tätigen Mieter, welche den Erwerb oder die Errichtung des von ihnen genutzten Gebäudes wirtschaftlich gesehen finanzierten, lediglich mit dem Nettobetrag der Erwerbs- oder Herstellungskosten belastet waren, obwohl ihnen als steuerfrei tätigen Unternehmern das Vorsteuerabzugsrecht nach dem Gesetzesplan verwehrt sein sollte. 454 Hatte dagegen ein abzugsschädlich tätiger Unternehmer das für eigene unternehmerische Zwecke benötigte Gebäude selbst erworben oder errichtet, wie es der wirtschaftlichen Sachlage angemessen wäre, so konnte er die Vorsteuern auf die Erwerbs- oder Baukosten nicht abziehen. Dies führte zu einem Wettbewerbsvorteil derjenigen Unternehmer, welche das benötigte Gebäude im Rahmen eines Vorschaltmodells mieteten, statt das Gebäude selbst zu errichten. Durch die Ausschaltung455 der Vorschaltmodelle werden diese wirtschaftlich gleichen Sachverhalte nunmehr gleich behandelt, indem jedem nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer, welcher den Erwerb oder die Errichtung eines zu eigenen Zwecken benötigten Gebäudes wirtschaftlich betrachtet finanziert, der Vorsteuerabzug hinsichtlich der Erwerbs- oder Herstellungskosten - auch wirtschaftlich gesehen - versagt bleibt. Dies verschlechtert zunächst die Wettbewerbsposition der betroffenen Mieter im Rahmen der Vorschaltmodelle im Verhältnis zur Rechtslage auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1985456 . Jedoch tritt keine finanzielle Belastungswirkung auf, da trotz der Verschlechterung der Wettbewerbssituation des Mieters innerhalb eines Vorschaltmodells davon auszugehen ist, daß auch ihm als nicht vorsteuerabzugsberechtigtem Unternehmer die Überwälzung der von der Vorschaltgesellschaft nicht mehr abziehbaren und daher vom Mieter wirtschaftlich zu tragenden Vorsteuerbeträge im Preis seiner Produkte gelingen wird, da alle seine Konkurrenten ebenfalls nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind und somit vor der Notwendigkeit stehen, die Vorsteuern aus Erwerbs- und Baukosten überzuwälzen. Daher entfaltet die Umgehungsschutzwirkung des neugefaßten § 9 Abs. 2 UStG hier zugleich Lenkungseffekte in Form einer umsatzsteuerrechtlichen sowie wett453 454 455 456
BOB!. 1993 I, 2310, 2339. s. oben, Teil B.IV.2., S. 168 ff. sowie unten, Teil D.VI.2.c)aa)(2), S. 311 ff. s. oben, Teil B.IV.2., S. 168 ff. BOB!. 1984 I, 1493, 1506.
172
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
bewerbsbezogenen Gleichstellungswirkung zwischen steuerfrei tätigen Mietern eines Umgehungsmodells und steuerfrei tätigen sonstigen Unternehmern, welche ein zu eigenen unternehmerischen Zwecken benötigtes Gebäude selbst erwerben oder errichten.
b) Vermieter von teilweise abzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mietern im Verhältnis zu Vermietern von nicht unternehmerisch tätigen Mietern
Die Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke waren auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1985457 ausnahmslos und unabhängig von der Art der unternehmerischen Tätigkeit ihrer Mieter oder der Nutzer auf der Endstufe in den Mieträumen zur Option berechtigt. Demgegenüber konnten Vermieter, deren Grundstücke auf der Endstufe von Nichtunternehmern genutzt wurden, das Optionsrecht nicht ausüben. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG versagt nunmehr die Option auch für Vermieter, deren Mieter in den Mieträumen - auch nur teilweise 458 - vorsteuerabzugsschädlich unternehmerisch tätig sind. Damit werden jetzt zwar Vermieter unternehmerisch tätiger Mieter in Abhängigkeit von der Vorsteuerabzugsberechtigung der Mieter ungleich behandelt. 459 Es ist jedoch zugleich eine umsatzsteuerrechtliche Gleichstellung der Vermieter von (teilweise) abzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mietern auf der Endstufe mit denjenigen Vermietern eingetreten, welche an nicht unternehmerisch tätige Mieter vermieten und daher bereits durch § 9 Abs. 2 UStG a.F. vom Optionsrecht ausgeschlossen waren. Die Situation dieser Vermietergruppen stellt sich aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht nunmehr identisch dar. Durch die Versagung des Optionsrechts haben sowohl die Vermieter von Nichtunternehmern als auch die Vermieter von (teilweise) abzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mietern auf der Endstufe460 seit der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG nicht mehr die Möglichkeit, ein Vorsteuerabzugsrecht hinsichtlich vermietungsbezogener Vorumsätze zu erlangen. Das bedeutet jedoch nicht, daß die betroffenen Vermieter mit diesen Vorsteuern belastet bleiben, also Steuerträger werden, so daß diese Gleichstellung keine Belastungswirkung schafft. Denn bei der Ausführung des Mietumsatzes können die BGBI. 1984 1,1493,1506. Nach Abschnitt 148a Abs. 3 UStR 2000 genügt ein Anteil von 5 % abzugsschädlicher Umsätze, gemessen an den Gesamtumsätzen des Mieters. 459 Genauer sogleich unten, Teil B.IY.4., S. 175, sowie Teil D.V., S. 299 ff. 460 Maßgeblich ist trotz abweichender Formulierung auch nach der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG stets die Nutzung des Grundstücks auf der Endstufe, allerdings mit der Einschränkung, daß das Optionsrecht innerhalb einer Vermieterkette nur dann in alle Stufen vermittelt werden kann, wenn sämtliche beteiligten (Zwischen-)Vermieter optieren, vgl. oben, Teil A.l.l.b)bb), S. 34 ff. 457 458
IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
173
Vennieter jeweils grundsätzlich durch entsprechende Kalkulation des Mietzinses eine wirtschaftliche Überwälzung461 der nicht abziehbaren Vorsteuern auf vennietungsbezogene Vorumsätze erreichen. Da weiterhin die hier betrachteten unternehmerisch tätigen Mieter abzugs schädlich tätig sein sollen, wird die Überwälzungschance der entsprechenden Vennieter auch nicht durch die sogenannte "Ausschaltungsgefahr"462 vennindert. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch das StMBG bewirkt demnach eine umsatzsteuerrechtliehe Gleichstellung der Vennieter von nicht unternehmerisch tätigen Mietern mit den Vennietern von untemehmerisch tätigen, jedoch (teilweise) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Mietern auf der Endstufe.
c) Abzugsschädlich untemehmerisch tätige Mieter im Verhältnis zu
nichtuntemehmerisch tätigen Endnutzem: keine Gleichstellung
Aus den obigen Ausführungen unter b) folgt indes nicht zugleich, daß auch die entsprechenden Mieter bzw. Nutzer des Grundstücks der gleichgestellten Vermietergruppen nunmehr umsatzsteuerrechtlich gleich behandelt würden. Zwar läßt sich folgern, daß sowohl nichtunternehmerisch tätige Mieter als auch abzugs schädlich unternehmerisch tätige Mieter die im Rahmen des Mietzinses verdeckt auf sie überwälzten Vorsteuern derjenigen vennietungsbezogenen Vorumsätze zahlen, welche ihre Vennieter mangels Optionsrechts nicht abziehen können. Die unternehmerisch tätigen Mieter werden indes, anders als die nichtunternehmerisch tätigen Mieter, nicht Steuerträger dieser Vorsteuern. Denn obwohl sie steuerfrei leisten, wird es ihnen möglich sein, über den Preis ihrer Waren oder Dienstleistungen die im Mietzins enthaltenen Vorsteuern für vennietungsbezogene Vorumsätze auf ihre Kunden abzuwälzen. Eine echte umsatzsteuerrechtliche Gleichstellung aller Mieter der vom Optionsrechtsausschluß betroffenen Vennieter könnte also nur erreicht werden, wenn eine Belastungsgleichheit geschaffen würde. Es bleibt somit festzuhalten, daß die Mieter der vom Optionsrechtsausschluß betroffenen Vennieter umsatzsteuerrechtlieh durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG nicht gleichgestellt werden.
d) Abzugsschädlich untemehmerisch tätige Mieter untereinander Schließlich konnte es durch § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1985463 zu wettbewerbswirksamen Ungleichbehandlungen der abzugsschäd461 462 463
Zum Gelingen der verdeckten Überwälzung s. oben, Teil B.l.2.e)cc)(2)(c), S. 104 f. Zur Ausschaltungsgefahr vgl. oben, Teil A.1.2.a)bb), S. 45 f. BGBI. 1984 1,1493,1506.
174
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
lich unternehmerisch tätigen Mieter oder Endnutzer von Unternehmensgrundstükken untereinander kommen. Die Vorschrift gewährte den Vermietern sämtlicher unternehmerisch genutzter Grundstücke ein umsatzsteuerliches Optionsrecht, also ein im Belieben des Vermieters stehendes steuerliches Gestaltungsrecht. Sämtliche unternehmerisch tätigen Mieter eines Grundstücks mußten daher in Abhängigkeit von der Ausübung der Option durch den jeweiligen Vermieter eine umsatzsteuerrechtliche Ungleichbehandlung gegenüber Konkurrenten befürchten, welche ihre Unternehmensgrundstücke ebenfalls mieteten. Denn je nachdem, ob der Vermieter das Optionsrecht ausübte oder darauf verzichtete, zahlte der mietende Unternehmer entweder die im Mietzins verdeckt überwälzten Vorsteuerbeträge auf vermietungsbezogene Vorumsätze (ohne Ausübung der Option) oder die Umsatzsteuer auf den ohne Einbeziehung dieser Vorsteuern kalkulierten Mietzins (bei Ausübung der Option). Diese verschiedenen Beträge können sich deutlich unterscheiden, so daß die Wettbewerbsposition verschiedener Unternehmer, die sich in einer ansonsten rechtlich gleichen Situation befanden, allein durch die Optionsausübung des Vermieters beeinflußt werden konnte. Es entstand zwar keine steuerliche Belastung der Unternehmer in Abhängigkeit von der Optionsausübung, da man davon ausgehen darf, daß den Grundstücksnutzern eine offene oder verdeckte Überwälzung sowohl der gegebenenfalls zu zahlenden Umsatzsteuer auf den Mietzins als auch der andernfalls verdeckt überwälzten vermietungsbezogenen Vorsteuern im Rahmen der Ausführung eigener unternehmerischer Umsätze gelingt. Soweit durch die Änderung des § 9 Abs. 2 UStG also eine umsatzsteuerrechtliche Gleichstellung entstanden ist, handelt es sich daher nicht um eine Belastungs-, sondern um eine Lenkungswirkung. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch das StMBG führt dazu, daß künftig zumindest sämtliche abzugs schädlich unternehmerisch tätigen Mieter eines Grundstücks untereinander umsatzsteuerrechtlich gleich behandelt werden. Denn das Optionsrecht ist gemäß § 9 Abs. 2 UStG n.P. immer auch dann ausgeschlossen, wenn der Mieter ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist. Somit zahlen nun stets alle nicht vorsteuerabzugsberechtigten unternehmerisch tätigen Mieter gleichermaßen die verdeckt im Rahmen des Mietzinses auf sie überwälzten Vorsteuern auf vermietungsbezogene Vorumsätze. Insoweit läßt sich also eine weitere, wettbewerbsbezogene Gleichstellungswirkung des § 9 Abs. 2 UStG n.P. feststellen. Für vorsteuerabzugsberechtigt tätige Mieter bleibt die beschriebene Situation der Abhängigkeit der Wettbewerbssituation von der Optionsrechtsausübung des Vermieters indes erhalten.
IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
175
4. Difrerenzierungswirkungen
a) Differenzierung zwischen Vermietern verschiedener unternehmerisch tätiger Mieter
Auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 UStG Ld.F. durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985464 wurden sämtliche Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke umsatzsteuerrechtlich gleich behandelt, indem ihnen das Optionsrecht nach § 9 UStG einschränkungslos gewährt wurde. Nach der Neufassung des § 9 UStG durch das StMBG wird einem Teil dieser Vermieter nunmehr das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht versagt. Das Gesetz differenziert dabei nach der Art der tatsächlichen Nutzung des Mietgrundstücks durch den unternehmerisch tätigen Mieter, indem es das Optionsrecht dann verwehrt, wenn der Mieter in den Mieträumen eine ihn nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Tatigkeit ausübt. Dies führt zwar einerseits zu der bereits oben465 dargestellten umsatzsteuerrechtlichen Gleichstellung der betroffenen Vermieter mit Vermietern von Nichtunternehmern. Gleichzeitig entsteht jedoch eine gesetzliche Differenzierung zwischen den ehemals gleich behandelten Vermietern unternehmerisch genutzter Grundstücke, indem nunmehr lediglich den Vermietern von ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mietern ein Optionsrecht gemäß § 9 Abs. 2 UStG gewährt wird. Als weitere Lenkungswirkung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ergibt sich daher eine Differenzierungswirkung zwischen verschiedenen Vermietern von Unternehmensgrundstücken in Abhängigkeit von der Art der Nutzung der Mietsache durch den Mieter. Dies führt gleichzeitig zu der Folge, daß Vermieter von vorsteuerabzugsberechtigten Mietern auch im Verhältnis zu Vermietern von Nichtunternehmern verschieden behandelt werden. Dieser Lenkungseffekt in Gestalt einer Differenzierungswirkung wandelt sich ferner dariiber hinaus in eine Belastungswirkung in der Sphäre eines Vermieters, wenn ein urspriinglich vorsteuerabzugsberechtigter Mieter nach Ausübung des Optionsrechts gemäß § 9 UStG durch den Vermieter die Art der Nutzung der Mietsache in optionsschädlicher Weise ändert. 466
b) Differenzierung zwischen Vermietern in Abhängigkeit von der Organisationsstruktur des Unternehmens der Mieter
Dariiber hinaus wurde bereits bei der Darstellung der gesetzlichen Voraussetzungen des Optionsrechts gemäß § 9 Abs. 2 UStG in Gestalt der Neufassung durch 464
BGB!. 1984 I, 1493, 1506. Teil B.IV.3.b), S. 172 f. s. Teil B.m.l., S. 155 ff.
465 S. 466
176
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Art. 20 Nr. 9 des StMBG deutlich, daß die Norm durch die Verwendung des Wortes "soweit" eine weitere Differenzierungswirkung schafft. 467 Denn ausgehend davon, daß entsprechend der derzeitigen Bedeutung dieses Begriffes lediglich in den Fällen einer räumlichen Teilung des Grundstücks durch den Mieter in einen abzugsschädlich und einen abzugsfreundlich genutzten Grundstücksteil oder einer zeitlichen Teilung der Art der Nutzung durch den Mieter verhindert werden kann, daß eine lediglich geringfügige abzugsschädliche unternehmerische Nutzung durch den Mieter das Optionsrecht des Vermieters für den gesamten Vermietungsumsatz ausschließt468 , zeigt sich, daß das Bestehen des Optionsrechts des Vermieters bzw. dessen Umfang nunmehr auch von der Organisationsstruktur des Unternehmens des Mieters abhängig ist. Dies stellt eine durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. geschaffene neuartige Differenzierungswirkung dar. Allerdings kann diese Differenzierungswirkung nur zum Teil als eigenständige Lenkungswirkung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. angesehen werden. Denn soweit sie sich im Rahmen einer optionsschädlichen Nutzungsänderung auswirkt, erschöpft sie sich allein darin, daß sich in Abhängigkeit von der Organisationsstruktur des Unternehmens des Mieters eine höhere oder niedrigere Belastung des Vermieters ergibt. Insoweit geht die Differenzierungswirkung daher in der Be1astungswirkung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. auf.
5. Keine dauerhaften Wettbewerbsnachteile zu Lasten der Vermieter nach optionsschädlicher Nutzungsänderung
Die Abhängigkeit des umsatzsteuerlichen Optionsrechts eines Vermieters gemäß § 9 Abs. 2 UStG n.F. von der Art der tatsächlichen Nutzung der Mietsache durch den Mieter verursacht die Gefahr optionsschädlicher Nutzungsänderungen. 469 Dies führt einerseits zu den beschriebenen470 finanziellen Belastungswirkungen beim Vermieter. Dariiber hinaus könnte andererseits durch den Fortfall der Option zusätzlich eine als Gestaltungswirkung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. zu begreifende Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil des Vermieters entstehen. Denn es wurde bereits an friiherer Stelle471 festgestellt, daß die Ausübung der Option dem berechtigten Vermieter durch die Möglichkeit zu preiswerterer Vermietung einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Daher liegt es nahe anzunehmen, der Fortfall der Optionsvoraussetzungen 467 s. oben, Teil A.I.I.b)cc), S. 37 ff.; vgl. auch den Hinweis bei Jungen/Theile, DStR 1994,561,562. 468 s. oben, Teil A.!.I.b)cc), S. 37 ff. und Teil A.II.2., S. 53 ff. 469 s. oben, Teil A.II.I., S. 51 ff. 470 s. oben, Teil B.II!.I., S. 155 ff. 471 s. oben, Teil A.I.2.b)bb), S. 49 f.
IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
177
des § 9 Abs. 2 UStG nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung verursache umgekehrt einen Wettbewerbsnachteil des Vennieters. Das Entstehen von Wettbewerbsnachteilen zu Lasten eines Vennieters setzt indes die aktuelle Marktteilnahme dieses Vennieters mit dem von der optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Grundstück voraus. Der Vennieter muß das betreffende Grundstück also zur Neuvennietung anbieten können. Nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters fehlt dem betroffenen Vennieter allerdings regelmäßig die Möglichkeit, das bestehende Mietverhältnis wegen des Fortfalls der Optionsvoraussetzungen aufzulösen. 472 Solange aber das Mietverhältnis weiterhin besteht, ist eine aktuellen Marktteilnahme des Vennieters in bezug auf das betreffende Grundstück unmöglich. Wettbewerbs beeinträchtigende Wirkungen in der Sphäre des Vermieters können daher während dieser Zeit nicht entstehen. Die Versagung zivilrechtlicher Ausgleichs-, Anpassungs- sowie Vertragsauflösungsansprüche anläßlich einer optionsschädlichen Nutzungsänderung führt vielmehr ausschließlich zu finanziellen Lasten des Vermieters, so daß die Folgen, die das aktuelle Mietverhältnis betreffen, vollständig und ausschließlich durch die beschriebenen Be1astungswirkungen473 charakterisiert werden. Infolge einer optionsschädlichen Nutzungsänderung könnten demnach allenfalls dann wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkungen in der Sphäre des Vennieters entstehen, wenn das betroffene Mietverhältnis aus anderen Gründen beendet wird. Geschieht dies, so richtet sich zunächst die Möglichkeit der zukünftigen Ausübung des Optionsrechts gemäß § 9 UStG ausschließlich nach den Verhältnissen eines nachfolgenden Mieters. Der Vennieter kann unabhängig von den Geschehnissen während des Bestehens des von der optionsschädlichen Nutzungsänderung betroffenen Mietverhältnisses nach dessen Beendigung wiederum alle Vorteile des Optionsrechts nutzen, sofern er einen vorsteuerabzugsberechtigten Nachmieter findet. Auch § 1Sa UStG ist ab dem Zeitpunkt der Neuvennietung an einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer nicht mehr anzuwenden. 474 Selbst soweit der Neuvermietungszeitraum noch innerhalb des Berichtigungszeitraumes von zehn Jahren seit der erstmaligen Verwendung (§ 1Sa Abs. 1 UStG) liegt, kann der Vermieter daher die zeitanteilig auf den Zeitraum der Neuvennietung entfallenden Vorsteuern auf vennietungsbezogene Vorumsätze wiederum abziehen. Er befindet sich daher, bezogen auf ein künftiges Mietverhältnis, in derselben Weubewerbsposition wie seine Konkurrenten. Lediglich soweit ein Vennieter gemäß § 1Sa UStG für den Zeitraum des Fortbestehens des ursprünglichen Mietverhältnisses nach der optionsschädlichen Nutzungsänderung bereits abgezogene Vorsteuern zeitanteilig berichtigen mußte, 472 473 474
s. oben, Teil A.III. 2. und 3., S. 63 ff. und 65 ff. s. oben, Teil B.III.l., S. 155 ff. s. oben, Teil A.II.2.c), S. 55 ff. (insb. Fn. 143).
12 Löhr
178
B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
könnte sein Interesse dahin gehen, die ihn belastenden berichtigten Vorsteuerbeträge im Rahmen eines nachfolgenden Mietverhältnisses verdeckt überzuwälzen. Will der Vermieter diese Überwälzung durchsetzen, verschlechtert sich seine Wettbewerbsposition auf Grund seiner im Verhältnis zu anderen optierenden Vermietern höheren Kalkulationsgrundlage für die Berechnung des Mietzinses. Das Interesse zur Überwälzung berichtigter Vorsteuern folgt jedoch unmittelbar und ausschließlich aus der Belastungswirkung. Denn der Vermieter hat die Wahl zwischen der Hinnahme der Belastungswirkung oder eines Wettbewerbsnachteils. Trägt er die nach der Berichtigung bereits abgezogener Vorsteuern entstandene Belastung, so kann er bei einer Neuvermietung an einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer den Mietzins auf der Grundlage der Nettobelastungen hinsichtlich vermietungsbezogener Vorumsätze ohne Wettbewerbsnachteile kalkulieren. Will der Vermieter die Belastungswirkung vermeiden, muß er dagegen einen Wettbewerbsnachteil akzeptieren. Es zeigt sich daher, daß die primäre Wirkung einer optionsschädlichen Nutzungsänderung in der finanziellen Belastung des Vermieters besteht. Eine zusätzliche Berücksichtigung der Änderungsfolgen als wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkung der Norm des § 9 Abs. 2 UStG n.F. ist nicht geboten, da die Wettbewerbssituation des Vermieters im Falle späterer Marktteilnahme zwecks Suche eines Nachmieters durch die frühere optionsschädliche Nutzungsänderung nicht in einer über die Belastungswirkung hinausgehenden Qualität beeinträchtigt wird. Es ist daher festzuhalten, daß die nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung entstehenden Folgen in der Sphäre des betroffenen Vermieters nicht zu einer über die Be1astungswirkung hinausgehenden dauerhaften und daher als Gestaltungswirkung relevanten Wettbewerbsbeeinträchtigung im Hinblick auf die spätere Marktteilnahme des Vermieters führen können. 6. Verdrängungswirkung zum Nachteil abzugsschädlich tätiger Mieter am Vermietungsmarkt
Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG schließt die Option für Vermietungsumsätze generell auch dann aus, wenn der Mieter ein vorsteuerabzugsschädlich tätiger Unternehmer ist. 475 Die neuartige Einschränkung des umsatzsteuerlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze könnte in der Zukunft dazu führen, daß vorsteuerabzugsschädlich tätige Unternehmer als Mieter unternehmerisch nutzbarer Gebäude zunehmend gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern benachteiligt werden. Diese potentielle Verdrängungswirkung zu Lasten der abzugsschädlich tätigen Unternehmer am Vermietungsmarkt beruht auf zwei Aspekten. Vor allem die Errichtung, Modernisierung oder Instandsetzung unternehmerisch nutzbarer Immobilien zum Zweck der Vermietung erfordert regelmäßig bedeuten-
475
s. oben, Teil A.I.1.b)aa)(2), S. 32 ff. (mit Beispielen) und Teil A.II.1., S. 52 f.
IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
179
de Investitionen der Eigentümer. Bei derartigen Investitionen, die nicht von vornherein auf die Vermietung an bestimmte (abzugsschädlich tätige) Unternehmer zugeschnitten sind, wird dabei aus finanziellen Erwägungen wegen der erheblichen Vorteile 476 der umsatzsteuerlichen Option regelmäßig ein Finanzierungskonzept zugrunde gelegt werden, welches überwiegend von der Möglichkeit zur späteren Inanspruchnahme der Option für Vermietungsumsätze ausgeht. Aus finanziellen Gründen werden daher viele Investoren gezwungen sein, vorsteuerabzugsberechtigte Mieter zu finden. Dies muß zwangsläufig dazu führen, daß viele Vermieter nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer bei der Vermietung unternehmerisch nutzbarer Immobilien subjektiv benachteiligen. Weiterhin ist zu bedenken, daß Vermieter, die hohe Vorsteuerbeträge auf Investitionen in das Mietobjekt gezahlt haben und dennoch unternehmerisch nutzbaren Mietraum an abzugsschädlich tätige Unternehmer vermieten, durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG gezwungen sind, den Mietzins deutlich höher zu kalkulieren als im Falle der Vermietung an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer. Diese aus § 9 Abs. 2 UStG n.F. folgende Tendenz zur Verteuerung der Mieten für abzugsschädlich genutzte Unternehmensgrundstücke läßt erwarten, daß sich abzugsschädlich tätige Unternehmer zukünftig verstärkt selbst vom Vermietungsmarkt abwenden und daß bei diesen Unternehmern ein Trend zur Eigenherstellung benötigter Immobilien zu beobachten sein wird. Gewiß ist nicht zu erwarten, daß die Verdrängung der abzugs schädlich unternehmerisch tätigen Mieter vom Vermietungsmarkt plötzlich und vollständig geschieht. Dennoch wird man prognostizieren können, daß die dargestellte Lenkungswirkung im Laufe der Zeit erkennbar werden wird, sofern § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG in dieser Form bestehen bleibt.
7. Investitionshemmende Wirkung
In der steuerrechtlichen Literatur wurde bereits kurze Zeit nach der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch das StMBG erkannt, daß die Neufassung der Norm eine in bezug auf die Herstellung, Modernisierung und Instandsetzung von unternehmerisch nutzbaren Gebäuden investitionshemmende Wirkung entfaltet. So betonte insbesondere Bemd Rischke477 : "Des weiteren ist davon auszugehen, daß potentielle Investoren durch die für sie unkalkulierbaren, weil vom Mieter ausgelösten Tatbestände, die den Vorsteuerabzug beeinflussen, abgeschreckt werden." Diese Einschätzung verdient Zustimmung. Denn die Vermietung von Unternehmensgrundstücken birgt auf Grund der durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG geschaffenen Abhängigkeit des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts von der tatsächlichen Nutzung der Mietsache erhebliche finanzielle Risiken für jeden optionswilligen 476 477
12*
s. oben, Teil A.I.2.b), S. 46 ff. DStR 1994, 1073, 1075.
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B. Systematische und dogmatische Ausgangspunkte
Vennieter. 478 Dies wird Vennieter, die diese Risiken erkennen und für die die Verwirklichung der Risiken auf Grund erheblicher Investitionen in das Mietobjekt enonne finanzielle Bedeutung erlangen kann, zur verstärkten Prüfung der Frage veranlassen, ob eine Investition in unternehmerisch nutzbare Mietobjekte wirtschaftlich sinnvoll ist. Bedeutende Investitionen in unternehmerisch nutzbare Grundstücke sind oft nur dann finanzierbar, wenn durch Ausübung der Option für Vennietungsumsätze gemäß § 9 UStG der Vorsteuerabzug auf die Investitionskosten in Anspruch genommen werden kann. Die Optionsausübung erfordert die Vennietung an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer und birgt dadurch oft die Gefahr der optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters. Um diesbezüglich potentielle wirtschaftliche Nachteile von vornherein auszuschließen, kann ein Vennieter zwar mietvertraglich Vorsorge treffen. 479 Das Gelingen vertraglicher Risikovorsorge hängt jedoch einerseits davon ab, ob der Vennieter entsprechende Ausgleichs- und Vertragsauflösungsansprüche in den Vertragsverhandlungen gegen den Mieter durchsetzen kann. Andererseits besteht selbst dann, wenn dem Vennieter dies gelingt, stets das Risiko der faktischen Durchsetzbarkeit etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Mieter, welchem allenfalls durch das ebenso schwer durchsetzbare Verlangen auf Bestellung von Sicherheiten begegnet werden kann. 48o Mit Sicherheit verhindern könnte ein Vennieter das Eintreten wirtschaftlicher Nachteile durch eine optionsschädliche Nutzungsänderung nur durch den Verzicht auf die Option. Dies gefährdet jedoch durch den Verlust des Vorsteuerabzugsrechts regelmäßig den Finanzierungsplan des Investors und führt auf Grund der Notwendigkeit zur Erhöhung des Mietzinses zusätzlich zu einem Wettbewerbsnachteil. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG entfaltet somit für private Investitionen in unternehmerisch nutzbare Immobilien geradezu investitionsfeindliche Wirkungen. Langfristig wird die steuerliche Nonn des § 9 Abs. 2 UStG n.F. daher einen gesamtwirtschaftlichen Lenkungseffekt haben, der als Rückgang privater Investitionen in die Herstellung und Sanierung unternehmerisch nutzbarer Mietobjekte zu beobachten sein wird.
8. Zivilrechtsgestaltende Wirkung
Die Schaffung einer steuerlichen Be1astungsnonn ruft stets verschiedene Ausweichreaktionen der von dieser Nonn betroffenen Personen hervor, durch welche diese den Eintritt steuerlicher Belastungswirkungen in ihrer Sphäre zu verhindern hoffen. Diese Ausweichwirkungen sind eine typische Fonn der Gestaltungs- bzw. 478 479
480
s. oben, Teile A.I1., S. 51 ff. und B.III.l., S. 155 ff. Zu geeigneten Vertragsklauseln s. unten, Teil F.I1.2., S. 379 ff. m.N. Sontheimer, NJW 1997, 693, 697; ders., JuS 1999, 1180, 1181.
IV. Gestaltungs- und Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F.
181
Lenkungswirkungen einer steuerrechtlichen Norm. 481 Die zu beobachtenden Ausweichwirkungen der von einer steuerlichen Norm betroffenen Personen können sich in wirtschaftlichen Dispositionen, wie etwa hier in der Entscheidung, künftig nicht mehr in unternehmerisch nutzbaren Mietraum zu investieren482 oder nicht mehr an abzugs schädlich tätige Unternehmer zu vermieten 483 erschöpfen. Oft jedoch kann dem Entstehen der unerwünschten Belastungswirkungen auch dadurch vorgebeugt werden, daß der Betroffene als Ausweichreaktion eine besondere zivilrechtliche Gestaltung vornimmt, die es ihm ermöglicht, seine frühere wirtschaftliche Disposition beizubehalten und dennoch weitgehend von steuerlich bedingten finanziellen Belastungen verschont zu bleiben. Dies gelingt vor allem dann, wenn der Tatbestand der steuerrechtlichen Norm an zivilrechtliche Gestaltungen anknüpft. Bezogen auf die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG ist in diesem Zusammenhang zu erwarten, daß die Gefahren, die einem optierenden Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung seines Mieters drohen, die Vermieter dazu veranlassen werden, in erhöhtem Maße mietvertragliche Ausgleichs-, Mietzinsanpassungs- oder Auflösungsansprüche für den Fall der Nutzungsänderung gegen den Mieter durchzusetzen. 484 Damit kann zwar zunächst der Eintritt der steuerlichen Belastungswirkungen nach einer Nutzungsänderung nicht verhindert werden. Die wirtschaftlichen Folgen für den Vermieter werden jedoch durch die Entstehung vertraglicher Ansprüche gegen den Mieter zumindest gemildert. Das Bewußtsein des Risikos, welches § 9 Abs. 2 UStG n.F. für Vermieter unternehmerisch genutzter Grundstücke geschaffen hat, wird in den betreffenden Vermieterkreisen in Zukunft zur Entwicklung bestimmter standardisierter Vertragsklausein für die Vermietung von Unternehmensmietraum führen, welche die Vermietungspraxis dominieren. Man könnte daher von einer zu erwartenden "vertragstypgestaltenden" Lenkungswirkung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. in bezug auf Unternehmensraummietverträge sprechen.
481
482 483 484
Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 73 f.; s. auch oben, Teil B.I1.2., S. 150 ff. Vgl. zuvor B.lV.7., S. 179 ff. Vgl. zuvor B.lV.6., S. 178 f. Zu geeignet erscheinenden Vertragsklauseln vgl. unten, Teil F.I1.2., S. 379 ff.
c. (Umsatz-)Steuerrechtliche Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG als Maßstab zur verfassungsrechtlichen Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG Als Maßstab zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. hervorgerufenen Belastungswirkungen dient - entsprechend dem zweistufigen Prüfungsmodelli - der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dessen Anwendung bedarf jedoch zunächst einiger Vorüberlegungen sowohl allgemeiner Art2 als auch in bezug auf das Steuerreche allgemein sowie speziell in bezug auf das Umsatzsteuerrecht4 .
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt des Art. 3 Abs. 1 GG 1. Art. 3 Abs. 1 GG und seine Funktion als grundrechtHches Abwehrrecht gegenüber dem Steuergesetzgeber
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gewährt allen Menschen das subjektive Recht5 auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Wie jedes Grundrecht entfaltet der Gleichheitssatz in erster Linie Wirkungen als Abwehrrecht6 gegen diskriminierende hoheitliche Handlungen. Darüber hinaus wird der Gleichheitssatz in engen Grenzen auch zur Begründung derivativer Teilhabe- oder Leistungsrechte7 sowie im speziellen Zusammenhang mit anderen grundrechtlichen s. oben, Teil B.II.2., S. 150 ff. Sogleich unter c.1. 3 s. unten, Teil C.I1.1., S. 203 ff. 4 s. unten, Teile C.H.2., S. 224 ff. und C.I1.3., S. 242 ff. 5 H.M.: BVerfG v. 05. 04. 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1,208,242 ("subjektives Recht der Wähler"); BVerfG v. 23. 11. 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84, 91 ("Grundrecht des Einzelnen"); BVerfG v. 19. 06. 1973 - 1 BvL 39/69, 14172 -, BVerfGE 35, 263, 271 f.; BVerfG v. 08. 04.1987 - 2 BvR 909,934-936,938,941,942,947/82,142/84 -, BVerfGE 75, 108, 157; Starck, in: v.MangoldtiKlein/Starck, Art. 3 Abs. 1, Rnr. 209; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 38; Dürig, in: Maunz 1Dürig, GG, Art. 3 Abs. I, Rnr. 275 - 283. 6 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 D.V.2.b) Rnr. 274 ff. m.N.; Rüjner, in: BonnerKomm; GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 5, Rnr. 59 m. w. N.; Osterloh, in Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 38 ff. 7 Sachs, in: Stern, Staatsrecht IIII 1, § 67 H.1.c), S. 700 ff. m. w. N.; Ständ. Rspr.: BVerfG v. 18.07.1972 - 1 BvL 32170, 25171 -, BVerfGE 33,303,329 ff., 332 (numerus c1ausus); 1
2
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
183
Gewährleistungen (z. B. Art. 12 Abs. 1 GG s, Art. 21 GG9 , Art. 38 GG IO) zur Begrundung des Prinzips der Chancengleichheit 11 herangezogen. Neben diesen subjektiven Gewährleistungen entfaltet der allgemeine Gleichheitssatz weiterhin im Zusammenhang mit den Freiheitsgrundrechten sowie allgemeinen Verfassungsprinzipien gewisse objektiv-rechtliche Schutzfunktionen 12 in dem Sinne, daß er als Grundentscheidung der grundgesetzlichen Ordnung in allen Rechtsbereichen zu beachten ist. 13 Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG binden alle drei Staatsgewalten an die Grundrechte und somit auch an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 14 Besondere Bedeutung hat diese Bindung im Bereich des Steuerrechts gegenüber dem Gesetzgeber, da das Steuerrecht vor allem staatliches Eingriffsrecht l5 ist und als solches stets einer gesetzlichen Grundlage bedarf. 16 Aus dem Eingriffscharakter des Steuerrechts folgt weiterhin, daß gegenüber dem Steuergesetzgeber die grundBVerfG v. 13. 10. 1976 - 1 BvR 135175 -, BVerfGE 43, 34,45; BVerfG v. 22.06. 1977 - 1 BvL 23175 -, BVerfGE 45,393,397; BVerfG v. 03. 06. 1980 - I BvR 967,973,627, 737178 -, BVerfGE 54,173,191. 8 Zur Chancengleichheit LY.m. Art. 12 GG: a) Zugang zur Berufsausbildung (zugleich derivatives Teilhaberecht): BVerfG v. 18.07. 1972 a. a. O. (Fn. 7), BVerfGE 33, 303, 331 f. (338); BVerfG v. 08. 02. 1977 - 1 BvF 1176, 1 BvL 7,8175, 1 BvR 239175, 92, 103-114, 140-143, 187176 -, BVerfGE 43,291,316 ff.; BVerfG v. 22. 10. 1991 - 1 BvR 393, 610/ 85 -, BVerfGE 85, 36, 53 f. b) Gleiche Ausgangsbedingungen bei Prüfungen: BVerfG v. 25. 06. 1974 - 1 BvL 11173 -, BVerfGE 37, 342, 352 ff. (354); BVerfG v. 06. 12. 1988 - 1 BvL 5, 6/85 -, BVerfGE 79, 212, 218 f. 9 Zur Chancengleichheit i.Y.m. Art. 21 GG: BVerfG v. 05. 04. 1952 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 1,208,255; BVerfG v. 15.01. 1985 - 2 BvR 1163/82 -, BVerfGE 69,92, 107; BVerfG v. 29. 09.1990- 2 BvE 1,3,4/90,2 BvR 1247/90 -, BVerfGE 82, 322, 337. 10 Zur Chancengleichheit i.Y.m. Art. 38 GG: BVerfG v. 07. 04.1981 - 2 BvR 1210/80-, BVerfGE 57, 43, 56 m. w. N.; BVerfG v. 29. 09. 1990 a. a. O. (Fn. 9), BVerfGE 82, 322, 337 f.; BVerfG v. 12. 12. 1991 - 2 BvR 562/91-, BVerfGE 85,148,158. 11 Zur Chancengleichheit allgemein: Rüfner, in: BonnerKomm, GG Art. 3 Abs. 1 Rnr. 59 m. w. N.; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 57 ff. 12 Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 210; Osterloh, in: 'Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 65. 13 BVerfG v. 05. 04. 1952 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 1,208,233; BVerfG v. 23. 11. 1957 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 6,84,91; BVerfG v. 19.06.1973 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 35, 263, 272; BVerfG v. 13. 11. 1974 - 1 BvL 27173 -, BVerfGE 38,225,228; BVerfG v. 07. 02. 1990 - 1 BvR 26/84 -, BVerfGE 81, 242, 254 (bezogen auf alle Grundrechte). 14 Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 III Rnr. 100 ff. und Art. 3 Abs. I Rnr. 292 f.; P. Kirchhof Gleichheit in der Funktionenordnung, HBStR V, § 125 A.I. Rnr. 1 ff.; Stern, in: Stern, Staatsrecht 11111, § 73, S. 1250 ff.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 160; LI R/ H, GG, Art. 3 Rz. 59 m. w. N. zur Rspr. d. BVerfG; Zippelius, VVDStRL 47 (1989),7, 11. 15 s. oben, Teil B.II., S. 132, insb. die Nachweise in Fn. 241. 16 Zum Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes im Steuerrecht: BVerfG v. 24. 01. 1962 -1 BvR 232/60-, BVerfGE 13,318,328 f.; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 67 (Abgaben allg.), 68 f. (Steuern insb.); Lang, in: Tipke/
184
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
rechtliche Abwehrfunktion des allgemeinen Gleichheitssatzes im Vordergrund steht. Gegenstand der Untersuchung ist mit § 9 Abs. 2 UStG eine steuerrechtliche Eingriffsnorm. Daher muß im folgenden insbesondere die Abwehrfunktion des Grundrechts aus Art. 3 Abs. I GG berücksichtigt und speziell auf die Bindungen und Beschränkungen des Steuergesetzgebers durch das grundrechtliche Abwehrrecht eingegangen werden. 2. Inhalt des Art. 3 Abs. 1 GG: Gleichbehandlung von in bezug auf einen sachbereichsspezifischen Vergleichsmaßstab Gleichem
a) Notwendigkeit und bereichsspeziJische Ermittlung eines Vergleichsmaßstabs Art. 3 Abs. I GG ordnet an: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich". Paul Kirchhof7 hingegen beginnt seine Kommentierung des Art. 3 Abs. I GG im Handbuch des Staatsrechts mit dem Satz: "Alle Menschen sind verschieden". Obwohl es beim unreflektierten Lesen anders erscheinen mag, steht diese Aussage Kirchhofs nicht im Widerspruch zu Art. 3 Abs. I GG. Vielmehr wird durch die Gegenüberstellung dieser beiden Aussagen der Kern des Problems, das Art. 3 Abs. I GG aufwirft, erst besonders anschaulich verdeutlicht. Die Schwierigkeit bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes besteht darin festzustellen, welche Personen als rechtlich "gleich" anzusehen sind und daher nicht ohne Rechtfertigung ungleich behandelt werden dürfen. Die Feststellung rechtlicher Gleichheit setzt stets einen Vergleich von Personen voraus. Ein Vergleich ist jedoch nicht ohne Zugrunde1egung eines Vergleichsmaßstabs (tertium comparationis) möglich. Somit ist auch die Gleichheit von Personen nie absolut, sondern nur in bezug auf einen bestimmten Vergleichsmaßstab feststellbar. 18 Personen, die in allen ihren Eigenschaften und Lebensumständen gleich, also insgesamt identisch sind, gibt es nicht. Die Annahme von Gleichheit kann nur durch logische Klassifikation mit Unterordnung der zu vergleichenden Personen unter einen gemeinsamen Oberbegriff (genus proximum)19 begründet werden und ist stets das Ergebnis einer Wertung?O Lang, § 1 2.1.a) Rz. 11 und § 4 C.2. Rz. 150 ff. Zum Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes allgemein: Ossenbühl, in: Erichsen, AVwR, § 9 II Rnr. 7-23; Maurer; § 6 Rnr. 9-11a, 12 (Eingriffsverwaltung). 17 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.I. Rnr. 1. 18 Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. I Rnr. 1; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.I. Rnr. 3, A.II.3. Rnr. 21; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 3; TIpke, SteuRO I, § 7 5.81, S. 312-314; Robbers, DÖV 1988,749,750. 19 Rüfner; in: BonnerKomrn, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 13 f. m. w. N. (Rüfner beschreibt die Bildung von Vergleichsmaßstäben im Anschluß an Podlech als "Gruppenbildung" (statt aus-
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
185
Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt eine Bewertung speziell in bezug auf die rechtliche Gleichheit von Personen. Die Wertung muß sich also auf die Übereinstimmung von Personen in bestimmten rechtserheblichen Merkmalen, d. h. in solchen Merkmalen, die das Eingreifen einer Rechtsfolge rechtfertigen, beziehen. Den zur Ermittlung rechtlicher Gleichheit erforderlichen Vergleichsmaßstab liefert Art. 3 Abs. 1 GG allerdings nicht selbst - der allgemeine Gleichheitssatz ist hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs offen. 21 Indem Art. 3 Abs. 1 GG die Gleichheit "vor dem Gesetz" anordnet, wird jedoch zum Ausdruck gebracht, daß sich der spezielle Vergleichsmaßstab aus dem Kontext, dem jeweiligen Regelungszweck eines jeden Gesetzes ergeben muß. 22 Wertentscheidungen über die Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen können daher nur im spezifischen Sachzusammenhang durch Heranziehung solcher Kriterien getroffen werden, die nicht selbst Bestandteil des Gleichheitssatzes sind, ihn aber konkretisieren. 23 Das Bundesverfassungsgerichf24 fordert aus diesem Grunde in ständiger Rechtsprechung die "bereichsspezifische" bzw. "sachbereichsbezogene" Anwendung des Gleichheitssatzes. Der Vergleichsmaßstab für den als ersten Schritt einer rechtlichen Gleichheitsprüfung notwendigen Vergleich von Personen ist also stets aus dem bereichsspezifischen Regelungszweck abzuleiten, der einer bestimmten Norm, einem bestimmten Gesetz bzw. einem bestimmten Sachgebiet zugrunde liegt.
b) Inhaltliche Anforderungen an den Vergleichsmaßstab Der Vergleichsmaßstab muß eine Regel enthalten, die abstrakt festlegt, welche individuellen Merkmale, Eigenschaften oder Lebensumstände verschiedener Personen dazu führen, diese Personen im Rechtssinne, d. h. bezogen auf den konkreten Regelungszweck eines Gesetzes, als "gleich" anzusehen, um sie gleichmäßig sagenlogisch "Klassen"bildung) auf Grund logischer Klassifikation); Böckenförde, VVDStRL47 (1989), 96; PierothlSchlink, § 11 11.1., Rnr. 431 ff. 20 Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. I Rnr. 1; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.I. Rnr. 4, A.II.3. Rnr. 21; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 44; Robbers, DÖV 1988,749,750. 21 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.III.l. Rnr. 22 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. l.l.c) Rz. 76; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 14; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 4 ff. 22 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.lV.2. Rnr. 34 ff.; Tipke, SteuRO I, § 7 5.85, S. 319 ff.; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 5. 23 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 5. 24 BVerfG v. 22. 06. 1995 - 2 BvL 37/91 -, BVerfGE 93, 121, 134; BVerfG v. 27. 06. 1991 - 2 BvR 1493/89 -, BVerfGE 84, 239, 268; BVerfG v. 08. 06. 1988 - 2 BvL 9/85,3/86-, BVerfGE 78, 249, 287; BVerfG v. 30. 09. 1987 - 2 BvR 933/82 -, BVerfGE 76,256,329; BVerfG v. 08. 04.1987 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 75,108,157 m. w. N.
186
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
einer bestimmten Rechtsfolge zu unterwerfen. 25 Der Vergleichsmaßstab muß demnach ein Oberbegriff sein, unter dem sich die vom Gesetzgeber vorgesehenen Normadressaten vollständig und abschließend zusammenfassen lassen. Als Vergleichsmaßstab genügt jedoch nicht irgendeine beliebige Regel, die zur Verwirklichung des Regelungsziels geeignet erscheint. Er muß vielmehr eine (sach)gerechte 26 , d. h. eine von einer Gerechtigkeitsvorstellung getragene, Regel zur Erreichung des konkreten Regelungsziels enthalten. Dieses Erfordernis eines gerechten Vergleichsmaßstabs folgt daraus, daß Art. 3 Abs. 1 GG (neben anderen Grundrechten) eine grundlegende Konkretisierung des allgemeinen Gerechtigkeitsgedankens im Grundgesetz darstellt 27 und somit alles staatliche Handeln ebenfalls an Grundaussagen der Gerechtigkeit bindet. Die Verwirklichung von "Gerechtigkeit" ist daher schon bei der Bildung von Vergleichsmaßstäben anzustreben. 28 Dies geschieht, indem der Vergleichsmaßstab bereichsspezifisch ermittelt und dabei an den Konkretisierungen allgemeiner Gerechtigkeitsvorstellungen ausgerichtet wird, die die einzelnen Rechtsgebiete beherrschen. 29 Es ist daher auch oft von "sachgerechten,,30 Vergleichsmaßstäben die Rede. Derart sachgerechte Regeln lassen sich indes nur finden, indem die systemkonstituierenden Prinzipien des konkreten Rechtsgebietes herausgearbeitet und in den Vergleichsmaßstab eingefügt werden?! Die systemkonstituierenden Prinzipien jedes Rechtsgebietes wiederum werden wesentlich durch die grundlegenden Wertentscheidungen der Verfassung 25 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 11.3. Rnr. 20; TIpke, SteuRO I, § 7 5.84, S. 318 f. 26 Stern, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 75 IV.4.d), S. 1495 und Staatsrecht III/2, § 96 IY.9.a), S. 1828 m. w. N.; Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 27 -42; ders., SteuRO I, § 7 5.84 und 5.85, S. 316-321; ders., StuW 1988, 262, 265 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 B. Rnr. 44, B.I. Rnr. 46 ff., D. Rnr. 193 ff.; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 3; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.1.c) Rz. 76; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 23 f. 27 Ständ. Rspr.: BVerfG v. 17. 12. 1953 - 1 BvR 147/52 -, BVerfGE 3, 58, 135: "Dieser [Art. 3 I GG] bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken, ,Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden' zu behandeln."; BVerfG v. 11. 03. 1980 - 1 BvL 20176,1 BvR 826176 -, BVerfGE 53, 313,329; BVerfG v. 07.10.1980-1 BvL 50,89179,1 BvR 240179 -, BVerfGE 55, 72, 89 f.; BVerfG v. 30. 09. 1987 a. a. O. (Fn. 24), BVerfGE 76,256,329; Stern, in: Stern, Staatsrecht IIII2, § 96 IY.9.a), S. 1828 m.N.; TIpke, SteuRO I, § 7 5., S. 282 ff. (insb. S. 284), § 7 5.82, S. 314 ff.; ders., Steuergerechtigkeit, S. 24 ff.; Lang, in: Tipke 1Lang, § 4 B. 3.2 Rz. 63 und § 4 C. 1. La) Rz. 70; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.a), S. 43 (Fn. 132), § 2 III.2.d) S. 48; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 11 f., 20 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 B.I. Rnr. 46 ff.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 2 ff. 28 TIpke, SteuRO I, § 7 5.84, S. 316 ff. (insb. S. 317, 319). 29 TIpke, SteuRO I, § 7 4.51, S. 273 ff. 30 TIpke, SteuRO I, § 7 5.84, S. 316 ff.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 30; Gubelt, in: v.Münch 1Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 30 (In der Terminologie Gubelts wird das tertium comparationis als Differenzierungskriterium bezeichnet.). 31 TIpke, StuW 1988,262,269 f.
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
187
mitbestimmt. Insbesondere Freiheitsgrundrechte und Staatszielbestimmungen wirken daher als Bestandteile geltender Gerechtigkeitsvorstellungen entscheidend auf den zu findenden Vergleichsmaßstab ein. Für das Steuerrecht ist diese Interpretation des allgemeinen Gleichheitssatzes als Gerechtigkeitsprinzip von ganz besonderer Bedeutung. 32 Schließlich ist bei der Suche nach dem Maßstab einer Gleichheitsprüfung zu beachten, daß eine Abstufung im Abstraktionsgrad der Oberbegriffe zwischen den Prüfungsebenen Norm - Gesetz - Sachgebiet besteht. So faßt beispielsweise ein abstrakter Oberbegriff als allgemeiner Vergleichsmaßstab eines Sach- oder Rechtsgebietes viele verschiedene Begriffe zusammen, die ihrerseits wiederum (weniger abstrakte) Oberbegriffe eines bestimmten Gesetzes im betreffenden Rechtsgebiet sein können. Prüfungsrelevant muß jeweils der - bezogen auf den Regelungszweck - speziellste Oberbegriff, sozusagen der "kleinste gemeinsame Nenner" aller der von einer Regelung erfaßten Personen sein, der der konkreten Prüfungsstufe vorsteht. 33 Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß Art. 3 Abs. 1 GG die Gleichbehandlung aller Menschen fordert, die in bezug auf einen bereichsspezifischen, aus dem konkreten Zweck einer Norm, eines Gesetzes oder eines Sachgebietes zu entwickelnden sachgerechten Vergleichsmaßstab als in rechtlich relevanter Weise gleich anzusehen sind. Für die Prüfung einer steuerrechtlichen Norm am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet dies, daß zunächst ein im Hinblick auf die Ziele des Steuerrechts als sachgerecht anzusehender Vergleichsmaßstab zu finden ist, der einen Vergleich der Belastungen verschiedener Personen aus dem Blickwinkel des Steuerrechts erst ermöglicht. 34 Sodann ist dieser Oberbegriff für das Gebiet des Umsatzsteuerrechts zu konkretisieren. 35
3. Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Gleichem
Ergibt sich die Feststellung, daß verschiedene Personengruppen unter Zugrundelegung eines bereichsspezifisch ermittelten, sachgerechten Vergleichsmaßstabs als rechtlich gleich bzw. ungleich anzusehen sind, verlangt der allgemeine Gleichs. auch unten, Teil C.II.l.a)bb), S. 207 ff. Böcken!örde, VVDStRL 47 (1989), 96 ("nächsthöhere Klasse") unter Bezugnahme auf Podlech, S. 64 ff. (In der Tenninologie von Podlech ist der maßgebliche Oberbegriff die "nächste Einschlußklasse eines kennzeichnenden Baumes" (vgl. S. 70) einer jeden Klasse.) Inhaltlich ebenso zu verstehen: Pieroth/Schlink, § 11 11.1., Rnr. 434, 436 a.E.; Rüjner; in: BonnerKomrn, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 13. 34 Vgl. dazu unten Teil C.II.l.b), S. 215 ff.: Allgemein anerkannt als gerechter steuerlicher Vergleichsmaßstab für Belastungswirkungen ist das Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dieses ist auch im Umsatzsteuerrecht anwendbar, s. unten, Teil C.II.2., S. 224 ff. 35 Vgl. dazu unten Teil C.U.3., S. 242 ff. 32 33
188
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
heitssatz des Art. 3 Abs. I GG nach herrschender Lehre 36 und ständiger Rechtsprechung des Bundesveifassungsgerichts 37 von allen hoheitlich handelnden Staatsgewalten, "wesentlich Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden" zu behandeln. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn sich eine spezielle verfassungsrechtliche Rechtfertigung dafür finden läßt. Begründungsbedürftig sind demnach die Ungleichbehandlung von rechtlich Gleichem sowie die Gleichbehandlung von rechtlich Ungleichem. 38 Teilweise wird hingegen die Ansicht vertreten, rechtfertigungsbedürftig sei nur jede Ungleichbehandlung, denn die Gleichbehandlung von Ungleichem sei auf den Fall der Ungleichbehandlung von Gleichem zurückführbar, wenn man nur die entsprechende Vergleichsgruppe wähle. 39 Bedenken gegen diese Ansicht dürften jedoch hinsichtlich der Möglichkeit bestehen, stets das Problem erhellende Vergleichsgruppen zu finden, mit denen die gleich behandelten ungleichen Personengruppen tatsächlich rechtlich gleich sind. 40 Im Rahmen der folgenden Untersuchung ist dieses Problem jedoch ohne Bedeutung, da allein die Ungleichbehandlung möglicherweise als rechtlich gleich anzusehender Personengruppen durch die Auferlegung steuerlicher Belastungen in Frage steht. 41 Ob die erwähnte Ansicht überzeugen kann, sei hier also dahingestellt. Für die folgende Untersuchung ist daher allein die Möglichkeit der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung solcher Personengruppen von Bedeutung, die unter Heranziehung des sachgerechten Vergleichsmaßstabs als rechtlich gleich anzusehen sind.
Vgl. nur Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 1828 m. w. N. BVerfG v. 17. 12. 1953 a. a. O. (Fn. 27), BVerfGE 3, 58, 135; BVerfG v. 16. 03. 1955 - 2 BvK I/54 -, BVerfGE 4, 144, 155; BVerfG v. 24. 03. 1976 - 2 BvR 804/75 -, BVerfGE 42,64,72; BVerfG v. 10. 12. 1985 - 2 BvL 18/83 -, BVerfGE 71, 255, 271; BVerfG v. 30.09. 1987 a. a. O. (Fn. 24), BVerfGE 76,256,329; BVerfG v. 26. 04. 1988 - 1 BvL 84/ 86 -, BVerfGE 78,104,121; BVerfG v. 3l. Ol. 1996 - 2 BvL 39, 40/93 -, BVerfGE 93,386, 396f. 38 Ständ. Rspr., vgl. Fn. 37. Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 1828; Gubelt, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 10 f.; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 83. 39 PierothlSchlink, § 11 11.2., Rnr. 436 unter Verweis auf Podlech, S. 53 ff. 40 Das von Podlech S. 59 f., 71 f. (Satz 8.2 i.Y.m. Regel 9.8) beschriebene Verfahren zur Vergleichsgruppenbildung mag logisch richtig sein; praktisch aber scheitert es möglicherweise, wenn die so gefundenen Vergleichsgruppen, mit denen die in Frage stehenden ungleich behandelten Personengruppen rechtlich gleich sind, auf eine Weise rechtlich behandelt werden, die für die fraglichen Gruppen ebenfalls nicht akzeptabel ist. 41 s. oben, Teil B.III., S. 155 ff. 36
37
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
189
a) Ausdrückliche DiJferenzierungsverbote des Grundgesetzes Das Grundgesetz selbst verbietet die Differenzierung zwischen rechtlich gleichen Personengruppen aus einigen besonderen Gründen. Diese Gründe sind insbesondere in den sogenannten speziellen Gleichheitssätzen der Art. 3 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 GG enthalten. Darüber hinaus enthalten auch weitere Verfassungsnormen Differenzierungsverbote. Zu nennen sind hier unter anderem Art. 6 Abs. 5 GG, Art. 21 GG, Art. 33 Abs. 1,2 und 3 GG, Art. 38 Abs. I S. I GG, Art. 140 GG i.Y.m. Art. 136 Abs. I und Abs. 2 WRy' 42
b) Sonstige DiJferenzierungsverbote (allgemeiner Gleichheitssatz) Jedoch kann daneben auch eine gesetzliche Differenzierung zwischen prinzipiell rechtlich gleichen Personengruppen nach anderen als den vom Grundgesetz ausdrücklich genannten Kriterien verfassungsrechtlich unzulässig sein. Derartige allgemeine Differenzierungsverbote folgen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG. Welche Differenzierungen der allgemeine Gleichheitssatz allerdings verbietet, welche Kriterien also nicht als Rechtfertigungsgrund einer Ungleichbehandlung von rechtlich Gleichem taugen, läßt sich nur schwer abstrakt formulieren und ist jeweils eine Wertungsfrage im Einzelfall. aa) Willkürkontrolle Bei der Prüfung eines Rechtfertigungsgrundes für eine Ungleichbehandlung rechtlich gleicher Personengruppen hat das Bundesverfassungsgericht im Anschluß an Leibhol/3 bis zum Jahre 1980 ausschließlich mit der sogenannten Willkürformel gearbeitet. Danach ist Art. 3 Abs. I GG erst dann verletzt, wenn "sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß. ,,44
42 Sachs, Besondere Gleichheitsgarantien, HBStR V, § 126 (Aufzählung besonderer Gleichheitssätze in § 126 A. Rnr. 1); Gubelt, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 9; Pieroth/Schlink, § 11 111.3 - 5. Rnr. 459 - 478; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rnr. 538 f. 43 Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Aufl. 1959, S. 72 ff. (87) (identisch mit der 1. Aufl. 1925, S. 72 ff. (87». 44 BVerfG v. 23. 10. 1951 - 2 BvG 1/51 -, BVerfGE I, 14, 52; mit ähnlicher Formulierung in ständ. Rspr.: BVerfG v. 16.03. 1955 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 4, 144, 155; BVerfG v. 16.07.1969 - 1 BvL 19/63 -, BVerfGE 27,1,9 f.; BVerfG v. 19.06. 1973 a. a. O. (Fn. 5),
190
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Durch die Verwendung der Willkürformel räumte das Bundesveifassungsgericht dem Gesetzgeber in sehr hohem Maße Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Zweckmäßigkeit, Vernünftigkeit oder Gerechtigkeit einer Regelung ein, welche bis zur Willkürgrenze nicht justitiabel sein sollte. 45 Allerdings läßt die Willkürformel eine gerichtliche Kontrolle der Sachlichkeit und Rationalität gesetzlicher Regelungen zu, vgl. Formulierungen wie "sachlich einleuchtender Grund,,46, "sachlich vertretbarer Grund"47, "sachgerechter Grund,,48 oder "Natur der Sache,,49.5o Die Willkürformel ermöglichte aber gleichwohl lediglich eine gerichtliche Evidenzkontrolle, denn nur "evident,,51 unsachliche Differenzierungen wurden als willkürlich angesehen und führten zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes. Damit nahm das Bundesveifassungsgericht gleichzeitig eine Kompetenzabgrenzung zwischen Legislative und Judikative vor und verwies die Kompetenz zur Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes und somit die Kompetenz zur Festlegung von Gerechtigkeitsmaßstäben im jeweils zu ordnenden Sachbereich weitgehend an den Gesetzgeber. 52 Die Willkürformel führte dariiber hinaus zu einer gewissen Objektivierung der Gleichheitsprüfung, da die Willkürgrenze nicht nach den vom Gesetzgeber heranBVerfGE 35, 263, 272; BVerfG v. 11. 10. 1977 - 1 BvL 8174 -, BVerfGE 46,55,62; BVerfG v. 10. 10. 1978 - 2 BvL 10177 -, BVerfGE 49,260,271; BVerfG v. 20. 03. 1979 - 1 BvR 111174,283178 -, BVerfGE 51, 1,23. Weitere Nachweise unten, in Fußnoten 70 und 71. 45 BVerfG v. 16.03. 1955 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 4, 144, 155; BVerfG v. 09. 07. 1969 - 2 BvL 20/65 -, BVerfGE 26, 302, 310 m. w. N.; BVerfG v. 06. 10. 1983 - 2 BvL 22/80 -, BVerfGE 65,141,148; BVerfG v. 15. 10. 1985 - 2 BvL 4/83 -, BVerfGE 71,39,53; BVerfG v. 10. 12. 1985 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 71, 255, 271. 46 BVerfG v. 23. 10. 1951 a. a. O. (Fn. 44), BVerfGE 1, 14, 52; BVerfG v. 16. 07. 1969 a. a. O. (Fn. 44), BVerfGE 27, 1, 10; BVerfG v. 19.06. 1973 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 35, 263,272; BVerfG v. 03. 03. 1982 - 1 BvL 15/80 -, BVerfGE 60, 101, 108 f.; BVerfG v. 06. 10. 1983 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 65, 141, 148; BVerfG v. 05. 10. 1993 - 1 BvL 34/ 81 -, BVerfGE 89, 132, 141. 47 BVerfG v. 17. 10. 1990 - 1 BvR 283/85 -, BVerfGE 83, 1, 23. 48 BVerfG v. 16.03. 1955 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 4, 144, 155; BVerfG v. 05. 10. 1993 a. a. O. (Fn. 46), BVerfGE 89, 132, 142. 49 BVerfG v. 23. 10. 1951 a. a. O. (Fn. 44), BVerfGE 1, 14,52; BVerfG v. 16.07. 1969 a. a. O. (Fn. 44), BVerfGE 27, 1, 10; BVerfG v. 10. 10. 1978 a. a. O. (Fn. 44), BVerfGE 49, 260, 271; BVerfG v. 03. 03. 1982 a. a. O. (Fn. 46), BVerfGE 60, 101, 108 f.; BVerfG v. 06. 11. 1984 - 2 BvL 16/83 -, BVerfGE 68, 237, 250; BVerfG v. 05. 10. 1993 a. a. O. (Fn. 46), BVerfGE 89, 132, 141. 50 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 D.IV.1.b) Rnr. 243 f. (i.Y.m. D.II. Rnr. 205 ff.); Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 29; Wendt, NVwZ 1988,778,780 f. 51 BVerfG v. 09. 05.1961- 2 BvR49/60-, BVerfGE 12,326,333; BVerfG v. 01. 07.1964 - 1 BvR 375/62 -, BVerfGE 18, 121, 124; BVerfG v. 06. 03.1968 - 1 BvL 2/63 -, BVerfGE 23, 135, 143; BVerfG v. 07. 10. 1980 a. a. O. (Fn. 27), BVerfGE 55, 72, 90; BVerfG v. 05. 10. 1993 a. a. O. (Fn. 46), BVerfGE 89, 132, 142. 52 s. Rechtsprechungsnachweise in Fn. 45 sowie: P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 D.IV.1.a) Rnr. 237 ff.; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 10.
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
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gezogenen Zielen und Gründen, sondern anband objektiver Gründe zu bestimmen ist. 53 Willkür in diesem Sinne ist demnach kein subjektiver Schuldvorwurf, sondern bezeichnet lediglich die "tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand.,,54 Das Willkürverbot erfaßt allerdings mit dem Kriterium der Evidenz tatsächlich nur den "innersten Kern,,55 des Gleichheitssatzes. Es ist daher heute weitgehend anerkannt56 , daß die Willkürformel als alleiniger Inhalt des allgemeinen Gleichheitssatzes zu eng ist, denn nicht jede Ungleichbehandlung muß bereits ein Akt der Willkür sein. 57
bb) Sogenannte "Neue Formel" des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Ergänzung der Willkürkontrolle Seit einem Beschluß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Oktober 198058 wird nunmehr ein Gleichheitsverstoß nicht mehr nur bei Willkür angenommen. Ein Gleichheitsverstoß liegt nach der in der genannten Entscheidung entwickelten sogenannten "neuen Formel" bereits vor, "wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. ,,59 Diese Formel bringt zum Ausdruck, daß ein Gleichheitsverstoß nicht erst bei Evidenz der Ungleichbehandlung, sondern bereits dann vorliegt, wenn durch eine 53 BVerfG v. 16.03. 1955 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 4, 144, 155; BVerfG v. 24. 03. 1976 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 42, 64, 73; BVerfG v. 28.06.1983 - 1 BvL 20/79 -, BVerfGE 64, 243, 249; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 D.IV. Rnr. 235, D.IV.2. Rnr. 245 ff.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 20 m.N. 54 BVerfG v. 16.03. 1955 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 4, 144, 155. 55 Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 19. 56 s. sogleich unten, Teil C.I.3.b)bb), S. 191 f., insbesondere Nachweise in Fn. 60. 5? Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 43 f.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr.19. 58 BVerfG v. 07.10. 1980 - 1 BvL 50, 89/79,1 BvR 240/79 -, BVerfGE 55, 72, 88. 59 BVerfG v. 07. 10. 1980 a. a. O. (Fn. 58), BVerfGE 55, 72, 88. Danach ständ. Rspr. des 1. Senats: BVerfG v. 28. 11. 1984 - 1 BvR 1157/82 -, BVerfGE 68, 287, 301; BVerfG v. 23.01. 1990 - 1 BvL 4,5,6,7/87 -, BVerfGE 81, 228, 236; BVerfG v. 30. 05. 1990 - 1 BvL 2/83,9,10/84,3/85,11-13/89,4/90,1 BvR 764/86 -, BVerfGE 82,126,146 m. w. N.; BVerfG v. 11. 06. 1991 - 1 BvR 538/90 -, BVerfGE 84, 197, 199; BVerfG v. 08. 10. 1991 -1 BvL 50/86 -, BVerfGE 84, 348, 359; BVerfG v. 11. 02.1992 -1 BvL 29/87 -, BVerfGE 85,238,244 f.; BVerfG v. 07. 07.1992 - 1 BvL 51186, 50/87,1 BvR 873/90, 761191-, BVerfGE 87,1,36; BVerfGv. 02.12.1992-1 BvR296/88-, BVerfGE88, 5,12; BVerfG v. 26. 01. 1993 - 1 BvL 38, 40, 43/92 -, BVerfGE 88, 87, 96 f.; BVerfG v. 12. 11. 1996 - 1 BvL 4/88 -, BVerfGE 95,143,154 f.; BVerfG v. 10.03.1998 - 1 BvR 178/97 -, BVerfGE 97, 332,344.
192
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Abwägung unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine unsachgemäße Differenzierung zwischen verschiedenen Personengruppen festgestellt werden muß. 60 Eine personenbezogene Ungleichbehandlung ist also nunmehr mit Blick auf ein konkretes Differenzierungsziel61 zu rechtfertigen. Das bedeutet zunächst, daß jede Differenzierung als Abweichung vom Grundprinzip der Gleichbehandlung "gleicher,,62 Normadressaten einer Begründung durch ein spezifisches gesetzgeberisches Ziel bedarf, das gegenüber dem allgemeinen gesetzlichen Regelungsziel, welches das Sachgebiet beherrscht, vorrangig ist. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt es sodann darauf an, ob die betreffende Differenzierung und Ungleichbehandlung zur Erreichung dieses Differenzierungsziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Dabei sind in die Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip auch Freiheitsgrundrechte einzubeziehen. 63 Diese nach der neuen Formel vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung verringert zwar durch die gegenüber dem Willkürverbot erhöhte Kontrolldichte den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Schaffung neuer Regelungen. 64 Dennoch wird dem Gesetzgeber in Rechtsprechung 65 und Literatur66 noch immer eine überwiegende Kompetenz zur Auswahl der Kriterien rechtlicher Gleichheit in den zu regelnden Rechtsgebieten und damit weitgehende Freiheit bei der inhaltlichen Gestaltung der Normen zuerkannt. 67 60 Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 96 IY.9.b), S. 1830; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Anh. Art. 3, Rnr. 6; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 14; Gubelt, in: v.Münch/ Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 14 m.N.; Rüjner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 96 f.; Robbers, DÖV 1988, 749, 751 f.; Katzenstein, Sondervotum zu BVerfG v. 18. 11. 1986 (BVerfGE 74, 9), BVerfGE 74, 28, 30. 61 Gubelt, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 14, 18; Rüjner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 96; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 22; Müller, VVDStRL 47 (1989), 37,49 f. 62 D.h. solcher Normadressaten, die, gemessen an dem aus dem gesetzlichen Regelungsziel bereichsspezifisch herzuleitenden Vergleichsmaßstab, als rechtlich gleich anzusehen sind. 63 BVerfG v. 16.03. 1982 - 1 BvR 938/81 -, BVerfGE 60, 123, 134 (bzgl. Art. 1 und 2 GG); BVerfG v. 16. 11. 1982 - 1 BvL 16175, 36179 - BVerfGE 62, 256, 274 (bzgl. Art. 12 GG); BVerfG v. 08. 04. 1986 - 1 BvR 1186, 1574, 1704/83,291,334,271/84 -, BVerfGE 71,364,384; BVerfG v. 18. 11. 1986 - 1 BvL 29, 30, 33, 34, 36/83 -, BVerfGE 74, 9, 24 f. (bzgl. Art. 14 GG); Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 15 ff.; Maaß, NVwZ 1988, 14, 19. 64 Gubelt, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 14; Katzenstein, Sondervotum zu BVerfG v. 18. 11. 1986 (BVerfGE 74, 9 ff.), BVerfGE 74,28,30. 65 BVerfG v. 29. 04.1981- 1 BvL 11/78 -, BVerfGE 57,107,115; BVerfG v. 06.10.1983 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 65, 141, 148; BVerfG v. 28. 11. 1984 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 68, 287, 301; BVerfG v. 15. 10. 1985 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 71, 39, 53; BVerfG v. 10.02. 1987 - 1 BvL 18/81,20/82 -, BVerfGE 74, 182, 199 f. (zum Steuerrecht); BVerfG v. 30. 09. 1987 a. a. O. (Fn. 24), BVerfGE 76, 256, 330; BVerfG v. 08. 10. 1991 a. a. O. (Fn. 58), BVerfGE 84, 348, 359; BVerfG v. 11. 02. 1992 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 85, 238, 244 f. (zum Steuerrecht); BVerfG v. 07. 07. 1992 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 87, 1, 36 f.; BVerfG v. 10.03.1998 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 97,332,345. 66 Gubelt, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 23; Maaß, NVwZ 1988,14,16,18 f.
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
193
Die "Neue Fonnel" ist allerdings sowohl nach dem Verständnis des Bundesver!assungsgerichts68 als auch der überwiegenden Ansicht in der Literatur69 kein aliud zum Willkürverbot, sondern stellt lediglich eine Ergänzung desselben dar. Dem entspricht es, daß sowohl der Erste70 als auch der Zweite 71 Senat des Bundesverfassungsgerichts in späterer Rechtsprechung (nach 1980) Willkürverbot und "Neue Fonnel" nebeneinander auf jeweils spezifische Fallgestaltungen in einem Konzept "abgestufter Kontrolldichte"n anwenden. Schließlich bestand zwischen 67 Eine derartige Freiheit des Gesetzgebers ist jedoch speziell im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl von Besteuerungsgegenständen nicht anzuerkennen, s. genauer unten, Teil C.II.l.a)cc), S. 211 ff. 68 Ausdrücklich in: BVerfG v. 07. 10. 1980 a. a. O. (Fn. 58), BVerfGE 55, 72, 89 f.; BVerfG v. 26. 01. 1993 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 88, 87, 96 f.; BVerfG v. 08. 06. 1993 - 1 BvL 20/85 -, BVerfGE 89,15,22 f.; BVerfG v. 11. 01. 1995 - 1 BvR 892/88 -, BVerfGE 92,53,68 f.; BVerfG v. 08. 04. 1997 - 1 BvR 48/94 -, BVerfGE 95,267,316 f. Weiterhin BVerfG v. 15. 10. 1985 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 71,39: Das Willkürverbot (S. 53) wird ohne deutliche Trennung neben der neuen Formel (S. 58 f.) verwandt; ebenso BVerfG v. 30.09. 1987 a. a. O. (Fn. 24), BVerfGE 76,256,329 f. 69 Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 96 IV.9.b) S. 1829 f.; Rüjner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 28; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 25; Gubelt, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 14; Robbers, DÖV 1988,749,752; Herzog, in: Maunzl Dürig, GG, Anh. Art. 3, Rnr. 10 vertritt sogar die Ansicht, das Willkürverbot sei von der neuen Formel umfaßt, also lediglich ein Teil dieser. 70 Willkürverbot in späterer Rechtsprechung des 1. Senats: BVerfG v. 03. 03. 1982 a. a. O. (Fn. 46), BVerfGE 60, 101, 108 f.; BVerfG v. 19. 10. 1982 - 1 BvL 39/80 -, BVerfGE 61, 138, 147; BVerfG v. 26. 04. 1988 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 78, 104, 121; BVerfG v. 17. 10. 1990 - 1 BvR 283 I 85 -, BVerfGE 83, 1, 23; BVerfG v. 05. 10. 1993 a. a. O. (Fn. 46), BVerfGE 89, 132, 141 f. "Neue Formel" in späterer Rechtsprechung des 1. Senats: BVerfG v. 29. 04. 1981 a. a. O. (Fn. 67), BVerfGE 57, 107, 115; BVerfG v. 22. 10. 1981 - 1 BvR 1369/79 -, BVerfGE 58, 369, 373 f.; BVerfG v. 16. 11. 1982 a. a. O. (Fn. 63), BVerfGE 62, 256,274 f.; BVerfG v. 09. 02. 1983 - 1 BvL 8/80,16/81, 1 BvR 257/80,890/80, 1357 I 81 -, BVerfGE 63,152,166; BVerfG v. 15.06.1983 - 1 BvR 1025/79 -, BVerfGE 64, 229, 239; BVerfG v. 28. 06. 1983 a. a. O. (Fn. 53), BVerfGE 64,243,247; BVerfG v. 16. 10. 1984 - 1 BvL 17/80 -, BVerfGE 67,348,365; BVerfG v. 03. 07. 1985 - 1 BvR 1428/82 -, BVerfGE 70,230,239 f.; BVerfG v. 06.11. 1985 - 1 BvL 47/83 -, BVerfGE 71,146,154 f.; BVerfG v. 25. 03. 1986 - 1 BvL 5 I 80, 1 BvR 1023, 1052 I 83, 1227 I 84 -, BVerfGE 72, 84, 89 f.; BVerfG v. 10.02.1987 - 1 BvL 15/83 -, BVerfGE 74, 203, 217; sowie die Entscheidungen in Fn. 59. 71 Willkürverbot in späterer Rechtsprechung des 2. Senats: BVerfG v. 06. 10. 1983 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 65,141,148; BVerfG v. 06.11. 1984 - 2 BvL 16/83 -, BVerfGE 68, 237, 250. Mit besonderer Betonung der Sachbereichsbezogenheit: BVerfG v. 10. 12. 1985 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 71,255,271; BVerfG v. 08. 04. 1987 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 75, 108, 157; BVerfG v. 08. 06. 1988 a. a. O. (Fn. 24), BVerfGE 78, 249, 287 f.; BVerfG v. 13. 11. 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89, 107 f. "Neue Formel" in späterer Rechtsprechung des 2. Senats: BVerfG v. 07. 12. 1983 - 2 BvR 282/80 -, BVerfGE 65, 377, 384; BVerfG v. 15. 10. 1985 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 71,39,57 ff. (ohne eindeutige Trennung zwischen Willkürverbot und neuer Formel, vgl. S. 53 - 58 f.); BVerfG v. 30. 09. 1987 a. a. O. (Fn. 24), BVerfGE 76, 256, 329 f.; BVerfG v. 15.05. 1995 - 2 BvL 19/91,2 BvR 1206, 1584/91, 2601193 -, BVerfGE 92,277,318; BVerfG v. 31. 01. 1996 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 93, 386,396 f.
13 Löhr
194
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG
der Rechtsprechung des Ersten und des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nie ein wirklicher Gegensatz, wie nach dem Beschuß des Ersten Senats vom 7. Oktober 198073 teilweise behauptet74 wurde. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat schon bald nach dem Beschluß des Ersten Senats vom 7. Oktober 198075 ebenfalls die "Neue Formel" angewandt76 und sich in seinen Urteilen ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Ersten Senates bezogen. Entscheidend ist somit allein die Frage der Anwendbarkeit der einen oder anderen Formel auf den Einzelfall.
cc) Abgrenzung bei der Formeln (l) Erster Senat
Nach der Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts soll die Abgrenzung beider Formeln nach dem Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus dessen Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen vorzunehmen sein. 77 Da der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere eine Ungleichbehandlung von Personengruppen verhindern solle, sei die Kontrolldichte danach abzustufen, ob die fragliche Differenzierung personen- oder sachbezogene Unterscheidungen treffe. Eine personenbezogene Differenzierung müsse daher dem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab78 genügen, eine lediglich sachverhaltsbezogene Unterscheidung verstoße grundsätzlich nur bei objektiver Willkür79 gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Allerdings gebiete es der Zweck des allgemeinen Gleichheitssatzes, auch eine sachverhaltsbezogene Differenzierung dann am Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu 72 BVerfG v. 26. 01. 1993 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 88,87,96 f.; BVerfG v. 08. 04. 1997 - I BvR 48/94 -, BVerfGE 95,267,317. 73 BVerfG v. 07. 10. 1980 a. a. O. (Fn. 58), BVerfGE 55, 72, 88 ff. 74 So etwa Robbers, DÖV 1988,749,751; Maaß, NVwZ 1988,14,14 f. 75 BVerfG v. 07. 10. 1980 a. a. O. (Fn. 58), BVerfGE 55,72,88 ff. 76 s. Nachweise zur Anwendung der neuen Formel in späterer Rechtsprechung des 2. Senats oben in Fn. 71. 77 BVerfG v. 26. 01. 1993 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG v. 08. 06. 1993 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 89, 15,22; BVerfG v. 08. 04. 1997 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 95, 267,316. 78 BVerfG v. 07.10. 1980 a. a. O. (Fn. 58), BVerfGE 55, 72, 88 f.; BVerfG v. 26. 01. 1993 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 88,87,96; BVerfG v. 08. 06. 1993 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 89, 15,22 f.; BVerfG v. 08. 02. 1994 - I BvR 1237/85 -, BVerfGE 89, 365, 375; BVerfG v. 11. 01. 1995 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 92,53,68 f.; BVerfG v. 08. 04.1997 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 95, 267, 316 f. 79 BVerfG v. 07.10. 1980 a. a. O. (Fn. 58), BVerfGE 55, 72,89 f.; BVerfG v. 17. 10. 1990 -I BvR 283/85 -, BVerfGE 83, 1,23; BVerfG v. 08. 06.1993 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 89, 15,23; BVerfG v. 11. 01. 1995 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 92,53,69; BVerfG v. 08. 04. 1997 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 95, 267, 317.
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
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messen, wenn die Ungleichbehandlung der Sachverhalte mittelbar eine Ungleichbehandlung rechtlich gleicher Personengruppen bewirke. 8o Im Falle verhaltens bezogener Differenzierungen, die weder eindeutig personen- noch sachverhaltsbezogen unterscheiden, hänge das Maß der Kontrolldichte davon ab, ob für die Normadressaten eine Möglichkeit bestehe, ihr Verhalten und damit die Verwirklichung des Differenzierungsmaßstabs zu beeinflussen. 81 Je weniger Einfluß der Betroffene auf die Verwirklichung des Differenzierungskriteriums habe, um so strenger müsse die gerichtliche Kontrolle sein. Ist nach diesen Grundsätzen ein strenger Prüfungs maßstab anzulegen, so soll nach der Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Bindung des Gesetzgebers um so enger sein, je mehr sich die differenzierenden Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Differenzierungsverboten annähern 82 und je stärker die Differenzierung nachteilig auf grundrechtlich geschützte Freiheiten einwirkt83 . (2) Zweiter Senat
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat zwar ebenfalls - wie bereits erwähnt84 - in einigen neueren Entscheidungen die "Neue Formel" angewandt, ist dabei jedoch nie der strikten personen- und sachverhaltsbezogenen Ab80 BVerfG v. 26. 01. 1993 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 88,87,96; BVerfG v. 08. 06. 1993 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 89, 15,22; BVerfG v. 08. 02. 1994 a. a. O. (Fn. 78), BVerfGE 89, 365, 375 f., wonach allerdings im Falle mittelbarer Ungleichbehandlung von Personen durch sachverhaltsbezogene Differenzierung "weder eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit geboten noch eine bloße Willkürkontrolle ausreichend" (S. 376) sei, also eine Art mittlerer Prüfung unter besonderer Beachtung der "Besonderheiten des geregelten Lebens- und Sachbereichs" (S. 376) vorzunehmen sei; BVerfG v. 11. 01. 1995 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 92, 53,69; BVerfG v. 08. 04. 1997 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 95, 267, 316 f. 81 BVerfG v. 26.01. 1993 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG v. 08. 06. 1993 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 89, 15,22; BVerfG v. 08. 04. 1997 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 95, 267,316 f. 82 BVerfG v. 26. 01. 1993 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 88, 87, 96. 83 BVerfG v. 16.03.1982 a. a. O. (Fn. 63), BVerfGE 60, 123, 134; BVerfG v. 16. 11. 1982 a. a. O. (Fn. 63), BVerfGE 62, 256, 274; BVerfG v. 08. 04. 1986 a. a. O. (Fn. 63), BVerfGE 71, 364, 384; BVerfG v. 18. 11. 1986 a. a. O. (Fn. 63), BVerfGE 74, 9, 24 f.; BVerfG v. 30.05.1990 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 82,126,146; BVerfG v. 07. 07.1992 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 87, 1,36 f.; BVerfG v. 26. 01. 1993 a. a. O. (Fn. 59), BVerfGE 88,87,96; BVerfG v. 08. 06. 1993 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 89, 15, 22 f.; BVerfG v. 11. 01. 1995 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 92, 53, 69; BVerfG v. 08. 04. 1997 a. a. O. (Fn. 68), BVerfGE 95,267, 316 f. Gegen eine Begrenzung des Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers durch Freiheitsgrundrechte Katzenstein, Sondervotum zu BVerfG v. 18. 11. 1986 (BVerfGE 74, 9, 26 f.), BVerfGE 74, 28, 28 f., 30: Die strenge Begrenzung des Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG durch Art. 14 GG sei nicht geboten und erschwere dem Gesetzgeber notwendige gesetzliche Anpassungen an Änderungen sozialer oder wirtschaftlicher Verhältnisse. 84 Nachweise zur neuen Formel in der Rechtsprechung des 2. Senats oben in Fn. 71.
13*
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
grenzung zwischen Willkürverbot und neuer Formel des Ersten Senats ausdrücklich gefolgt. Statt dessen nimmt der Zweite Senat der Sache nach eine einheitliche Kontrolle vor, die nur die Sachgerechtigkeit der Differenzierung, also einen "inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung,,85 fordert. Er greift zu diesem Zweck auch auf Formulierungen zurück, die bereits aus der Willkürrechtsprechung bekannt sind. Dabei fragt der Zweite Senat im Obersatz der Gleichheitsprüfung stets danach, ob "die (un)gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist", ob "also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung,,86 existiert. Er stellt sodann zwar jeweils den Bezug zu einer Willkürkontrolle87 oder Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der neuen Formel 88 her, prüft aber tatsächlich lediglich die Sachgerechtigkeit der Differenzierung im jeweiligen Regelungsbereich in Abhängigkeit von den spezifischen Wirkungen der Differenzierung mehr oder weniger intensiv. Aus dieser Rechtsprechung wird deutlich, daß der Zweite Senat beide Formeln nur als jeweils ein Extrem einer einheitlichen Prüfung der Sachangemessenheit einer Differenzierung begreift. 89 Ganz besonders evident wird dies in einigen neueren 90 Entscheidungen des Zweiten Senats, die sämtlich das Steuerrecht betreffen. Der Senat formuliert in diesen Entscheidungen: "Der Gleichheitssatz ist umso strikter, je mehr eine Regelung den einzelnen als Person betrifft ( ... ), und umso offener für gesetzgeberische Gestaltungen, je mehr allgemeine, für rechtliche GeBVerfG v. 15. 10. 1985 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 71, 39, 58. Im Rahmen der Anwendung des Willkürverbots: BVerfG v. 10. 12. 1985 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 71, 255, 271; BVerfG v. 08. 04. 1987 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 75, 108, 157. Im Rahmen der Anwendung der neuen Formel: BVerfG v. 15. 10. 1985 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 71,39,58; BVerfG v. 30. 09. 1987 a. a. O. (Fn. 24), BVerfGE 76, 256, 329 f.; BVerfG v. 31. 01. 1996 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 93, 386, 397. Ohne ausdrücklich Bezugnahme auf Willkürverbot oder "Neue Formel": BVerfG v. 13. 11. 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89,107 f. 87 BVerfG v. 10. 12. 1985 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 71,255,271; BVerfG v. 08. 04. 1987 a. a. O. (Fn. 5), BVerfGE 75, 108, 157. 88 Bemerkenswert ist dabei die Verknüpfung des Obersatzes (vgl. Text zu Fn. 86) mit der neuen Fonnel durch die Wendung: " ... (Obersatz) ... Ein solcher Fall liegt auch / z. B. vor, wenn ... ("Neue Fonnel") ... ": BVerfG v. 15. 10. 1985 a. a. O. (Fn. 45), BVerfGE 71,39, 58 f.; BVerfG v. 30. 09. 1987 a. a. O. (Fn. 24), BVerfGE 76, 256, 329 f.; BVerfG v. 31. 01. 1996 a. a. O. (Fn. 37), BVerfGE 93,386,397. 89 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr.37. 90 Erstmals BVerfG v. 10. 04. 1997 - 2 BvL 77/92 -, BVerfGE 96, 1,6 (Arbeitnehmerund Weihnachtsfreibetrag). Darauf beziehen sich später: BVerfG v. 30. 09. 1998 - 2 BvR 1818/91 -, BVerfGE 99, 88, 94 (Verlustverrechnungsverbot für Einkünfte aus Vermietung beweglicher Gegenstände); BVerfG v. 29. 10. 1999 - 2 BvR 1264/90 -, BVerfGE 101, 132, 138 (Umsatzsteuerbefreiung für Heileurythmisten); BVerfG v.07. 12. 1999 - 2 BvR 3011 98 -, BVerfGE 101,297,309 (Häusliches Arbeitszimmer). 85
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I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
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staltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden.,,91 Damit deutet der Zweite Senat nur scheinbar eine dem Vorgehen des Ersten Senats entsprechende Differenzierung des Prüfungsmaßstabs in Abhängigkeit davon an, ob die zu prüfende Norm personen- oder sachverhaltsbezogene Unterscheidungen trifft. Tatsächlich jedoch bringt der Senat vor allem klar zum Ausdruck, daß er den Gleichheitssatz als einheitlichen Prüfungsmaßstab begreift, wenngleich er im Einzelfall in unterschiedlicher Intensität angewendet werden kann, so daß Willkürverbot und "Neue Formel" jeweils die Extrempunkte dieses Prüfungsmaßstabs bilden. Die Verbindung von Formulierungen zur Willkürformel und zur "Neuen Formel" zu einem einheitlichen Prüfungs maßstab macht darüber hinaus deutlich, daß das Willkürverbot im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht mit dem allgemeinen Willkürverbot identisch ist, welches schon aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt und daher nicht Teil des Gleichheitssatzes ist, sondern diesem vorausgeht. 92 (3) Vorrang der sach- und regelungsspezijischen Abwägung
Die sach- und regelungs spezifische Abwägung des Zweiten Senats ist der Unterscheidung des Ersten Senats vorzuziehen. Denn zunächst ist anzumerken, daß die vom Ersten Senat befürwortete Unterscheidung zwischen personen- und sachverhaltsbezogenen Differenzierungen kaum eindeutig vorgenommen werden kann und somit das Ergebnis einer nicht als solche gekennzeichneten Wertung 93 ist94 , was eine Objektivierung des Prüfungsmaßstabs verhindert. Ein vom Ansatz her einheitlicher Prüfungsmaßstab ist demgegenüber leicht zu handhaben. Zudem prüft auch der Erste Senat im Gewande der personen- und sachverhaltsbezogenen Unterscheidung genaugenommen sachbereichsspezifische Rechtfertigungsgründe95 , denn nichts anderes bedeutet die Erhöhung der Kontrolldichte in freiheitsgrundrechtlich relevanten Bereichen96 , in denen typischerweise personenbezogen differenziert wird, in Bereichen, die sich den Differenzierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 GG97 annähern, sowie dort, wo die Betroffenen das Differenzierungskriterium nicht beeinflussen können 98 . s. die Nachweise in Fn. 90. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 34; Müller; VVDStRL 47 (1989), 37, 43 f.; K. Vogel, VVDStRL 47 (1989), 65; a.A. Stern, VVDStRL 47 (1989),92. 93 Was sich schon an der schwierigen Einordnung verhaltensbezogener Differenzierungen sowie solcher sachverhaltsbezogener Unterscheidungen, die mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken, in der Rechtsprechung des 1. Senates zeigt, vgl. oben. S. 194 f. 94 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 27 - 29. 95 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 37. 96 s. Nachweise oben in Fn. 83; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rnr. 32. 97 s. Nachweise oben in Fn. 82. 98 s. oben, S. 194 f. mit Nachweisen in Fn. 81. 91
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Schließlich führt nur die ebenfalls sachbereichsspezifische Prüfung der Rechtfertigung eines Gleichheitsverstoßes zusammen mit der notwendigerweise sachbereichsspezifischen Ermittlung eines Vergieichsmaßstabs99 zu einem in sich geschlossenen und folgerichtigen Konzept der Gleichheitspriifung, in welchem sowohl die rechtliche Gleichheit als auch Ausnahmen von dem aus rechtlicher Gleichheit folgenden Gleichbehandlungsgrundsatz an einem einheitlichen Maßstab gemessen werden. Aus diesen Gründen ist für die nachfolgende Untersuchung davon auszugehen, daß es zur Rechtfertigung eines festgestellten Gleichheitsverstoßes erforderlich ist, jeweils sachbereichsspezifisch einen Grund für eine differenzierende Regelung aufzufinden, welcher von solcher Art und solchem Gewicht ist, daß er die Ungleichbehandlung zurücktreten läßt. Die Prüfung sollte dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Ersten Senats um so strenger vorgenommen werden, je mehr sich die differenzierenden Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Differenzierungsverboten annähem 1oo, je stärker die Differenzierung nachteilig auf grundrechtlich geschützte Freiheiten einwirkt lOl und je geringer die Möglichkeit der Betroffenen ist, die Verwirklichung des Differenzierungskriteriums zu beeinflussen 102• 103 Eine derartige Rechtfertigungsprüfung nach der neuen Formel kann schließlich problemlos und konsequent auch für die Prüfung steuerlicher Belastungswirkungen am allgemeinen Gleichheitssatz nach dem Konzept von Dieter Birk lO4 nutzbar gemacht werden, denn im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung läßt sich systematisch folgerichtig und sachbereichsbezogen analysieren, ob ungleiche Lastenverteilungswirkungen durch überragende Lenkungszwecke gerechtfertigt werden können.
4. Besonderheiten der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz
Die Offenheit lO5 des allgemeinen Gleichheitssatzes hinsichtlich eines Vergleichsmaßstabs ist auf eine wertende Konkretisierung durch die einzelnen Staatsgewalten im Rahmen ihrer Aufgaben angelegt. I06 Der Gesetzgeber nimmt indes s. oben, Teil C.l.2.a), S. 184 f. s. die Nachweise oben, Fn. 82. 101 s. die Nachweise oben, Fn. 83. 102 s. die Nachweise oben, Fn. 81. 103 In diesem Sinne zu verstehen sind auch die in Fn. 90 zitierten neueren Entscheidungen des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts. 104 s. oben Teil B.II.2., S. 150 ff. 105 s. oben Teil C.l.2.a), S. 185. 106 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.III.1. und 2., Rnr. 2231; Rü!ner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr.30. 99
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I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
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bei der Erfüllung dieser Aufgabe der Konkretisierung des Art. 3 Abs. I GG eine Sonderstellung ein. Denn der Gesetzgeber bestimmt durch Festlegung des gesetzlichen Regelungsziels die Kriterien rechtlicher Gleichheit in einem Regelungsbereich mit Bindungswirkung für alle anderen Staatsgewalten, aber auch für sich selbst. \07 Die gesetzgeberische Kompetenz zur Regelung verschiedener Sachbereiche umfaßt zunächst das Ermessen, über die Regelungsbedürftigkeit einer Materie zu entscheiden. Dabei ist der Gesetzgeber grundsätzlich I 08 frei in der Entscheidung, ob er eine Materie für regelungsbedürftig hält. Eine gleichheitsrechtliche Bindung des Gesetzgebers tritt grundsätzlich erst ein, wenn er sich zur Schaffung einer Regelung entschlossen hat. Mit einer positiven Entscheidung über das "Ob" einer Regelung unterwirft sich der Gesetzgeber dann jedoch einer Bindung an Art. 3 Abs. I GG, die die Gestalt einer inhaltlichen Selbstbindung annimmt. Denn die positive Entscheidung für die Schaffung einer Regelung umfaßt die Pflicht des Gesetzgebers, zuvor ein verfassungsmäßiges lO9 Regelungsziel zu bestimmen. llo Aus diesem gesetzgeberischen Regelungsziel ist mit Blick auf Art. 3 Abs. I GG der (sachgerechte 11l ) Vergleichsmaßstab zu entwickeln. 112 Daraus ergibt sich sodann wiederum eine Bindung des Gesetzgebers bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Normen. 113 Zwar ist zunächst auch bei Zugrundelegung der "Neuen Formel" des Ersten Senats des Bundesverj'assungsgerichts l14 anerkannt, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung eines Gesetzes grundsätzlich in der Auswahl derjenigen Eigenschaften 107 Ob überhaupt eine Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte besteht, war nicht immer unbestritten, vgl. Nachweise bei P. Kirchhof, Gleichheit in der Funktionenordnung, HBStR V, § 125 A.I. Rnr. 2-4; Herzog, in: Maunz/Dürig, Anh. Art. 3, Rnr. 11 ff., 19 ff.; Hesse, AöR 109 (1984), 174, 175 ff. Heute bestehen allerdings mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des Gleichheitssatzes und Art. lAbs. 3 GG keine ernsthaften Zweifel mehr an der Verbindlichkeit der Grundrechte und somit auch des allgemeinen Gleichheitssatzes gegenüber dem Gesetzgeber: P. Kirchhof, Gleichheit in der Funktionenordnung, HBStR V, § 125 A.I. Rnr. 4; ders., StuW 1984,297; Herzog, in: Maunz/Dürig, Anh. Art. 3, Rnr. 19 ff.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 164 f. m. w. N.; Starck, in: v.Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 2; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 B. 3.2.a) Rz. 63 und § 4 C. l.l.a) Rz. 70; Birk, StuW 1989,212,213; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7,11 m. w. N. 108 Ausnahmen i.S.v. Normsetzungspflichten müssen dann gelten, wenn auf Grund anderer, bereits bestehender Regelungen eine gleichheitswidrige Lücke entstanden ist, vgl. P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.lV.l. Rnr. 32. Zu beachten sind auch die besonderen Bindungen des Gesetzgebers im Steuerrecht, dazu näher unten, Teil C.II.l.a)cc), S. 211 ff. 109 Gubelt, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 21 (in der Terminologie von Gubelt wird das gesetzliche Regelungsziel als Differenzierungsziel bezeichnet). lIO P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.lV.l. Rnr. 32 u. A.lV.2. Rnr. 39; ders., Gleichheit in der Funktionenordnung, HBStR V, § 125 A.II.l.a) Rnr. 10 f. 1I1 s. oben, Teil C.I.2.b), S. 185 ff. 1I2 s. oben, Teil C.I.2.a), S. 184 f. 113 P. Kirchhof, Gleichheit in der Funktionenordnung, HBStR V, § 125 A.II.l.a) Rnr. 12. 1I4 s. oben, Teil C.I.3.b )bb), S. 191 ff.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
oder Umstände frei ist, welche als Anknüpfungspunkt für eine Rechtsfolge dienen sollen. 115 Mit jeder derartigen Auswahl zur Tatbestandsbildung gibt der Gesetzgeber allerdings gleichzeitig zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen er im Hinblick auf den aus dem - vom Gesetzgeber selbst bestimmten - Regelungsziel abzuleitenden Vergleichsmaßstab Personen im rechtserheblichen Sinne für gleich oder ungleich hält. Bei dieser Wertung wirkt sich notwendigerweise die Bindung des Gesetzgebers an den allgemeinen Gleichheitssatz aus. Deshalb ist, da der Gleichheitssatz eine Konkretisierung des allgemeinen Gedankens der Gerechtigkeit darstellt 116, der Gesetzgeber insbesondere bei der Tatbestandsbildung an die Grundwertungen der Gerechtigkeit gebunden. Die Tatbestandsbildung, also die Auswahl der als Indiz der Gleichheit dienenden Tatbestandsmerkmale, muß daher im Hinblick auf den sich aus dem beabsichtigten Regelungsziel ergebenden sachgerechten Vergleichsmaßstab ebenfalls sachgerecht 1l7 und folgerichtig 11 8 sein. Somit führt schon die Definition eines Regelungsziels zu einer gleichheitsrechtlichen Selbstbindung des Gesetzgebers bei der inhaltlichen Gestaltung der Normen. Das einmal gewählte Regelungsziel bindet den Gesetzgeber dann folgerichtig auch bei jeder Änderung eines Gesetzes, sofern diese Änderung nicht gerade dazu dient, das ursprüngliche Regelungsziel und damit den gleichheitsrechtlichen Vergleichsmaßstab zu korrigieren. Zusammenfassend lassen sich daher folgende Grundsätze für die Normsetzung durch den Gesetzgeber formulieren: Die Normsetzung muß zunächst dazu führen, daß alle, aber auch nur die Personen vom Gesetz gleich behandelt, also der gleichen Rechtsfolge unterworfen werden, die unter Zugrundelegung des gerechten Vergleichsmaßstabs wegen der bei ihnen vorgefundenen tatsächlichen Übereinstimmungen in rechtserheblichen Merkmalen als "gleich" anzusehen sindY9 Die als Vergleichsmaßstab ausgewähl115 Rechtsprechungsnachweise s. Fn. 65. P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.III.1. Rnr. 22, spricht von "Offenheit des Gleichheitssatzes als Kompetenzzuweisung"; ders., Gleichheit in der Funktionenordnung, HBStR V, § 125 A.II.1.a) Rnr. 11 f.; Stern, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 96 IV.9.a), S. 1828 m.N.; Rüjner, in: BonnerKomrn, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 17; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.1.c) Rz. 77; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.a), S. 44 f. 116 s. Nachweise in Fn. 27. 117 Ständ. Rspr.: BVerfG v. 20.12.1966 - 1 BvR 320157, 70163 -, BVerfGE 21,12,26; BVerfG v. 11. 03. 1980 a. a. O. (Fn. 27), BVerfGE 53, 313, 329; BVerfG v. 08. 04. 1987 a. a. 0. (Fn. 5), BVerfGE 75, 108, 157; BVerfG v. 01. 06. 1989 - 2 BvR 239/88, 2 BvR 1205, 1533, 1095/87 -, BVerfGE 80, 109, 118. 118 BVerfG v. 27. 06. 1991 - 2 BvR 1493/89 -, BVerfGE 84, 239, 271 (Kapitalertragsteuer); BVerfG v. 22. 06. 1995 - 2 BvL 37/91 -, BVerfGE 93, 121, 136 (Vermögensteuergesetz); BVerfG v. 07. 05. 1968 - 1 BvR 420/64 -, BVerfGE 23, 242, 256; Gubelt, in: v.Münch 1Kunig, GGK, Art. 3 Rnr. 30; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 D.III. Rnr. 222 ff. 119 BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. 0. (Fn. 118), BVerfGE 93, 121, 136: "Nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes hat er (der Gesetzgeber - Anm. d. Verf') die einmal getroffene
I. Bedeutung und allgemeiner Inhalt
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ten charakteristischen Merkmale oder Umstände der betroffenen Personen müssen geeignet sein, das Regelungsziel des Gesetzes umfassend zu verwirklichen. Die Priifung einer Norm am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG muß, nachdem der bereichsspezifische Vergleichsmaßstab ermittelt wurde, also in erster Linie die Frage beantworten, ob die Tatbestandsbildung durch den Gesetzgeber gemessen am Vergleichsmaßstab sachgerecht ist in dem Sinne, daß sie zu einer umfassenden und abschließenden Gleichbehandlung aller unter Zugrundelegung des Vergleichsmaßstabs gleichen Personengruppen führt. Weicht der Gesetzgeber trotz rechtlicher Gleichheit verschiedener Personengruppen durch differenzierende Tatbestandsbildung vom Prinzip der Gleichbehandlung dieser Personengruppen ab, so bedarf diese Abweichung einer Rechtfertigung. 120 Das bedeutet zunächst, daß die Abweichung auf einem Differenzierungsziel beruhen muß, welchem Vorrang vor dem allgemeinen Regelungsziel des Gesetzes eingeräumt werden kann. Dariiber hinaus muß die gesetzliche Differenzierung, bezogen auf dieses Differenzierungsziel, verhältnismäßig sein. 121 Schließlich kann ein Gesetz dem Gleichheitssatz nur dann gerecht werden, wenn es so ausgestaltet ist, daß die konsequente Anwendung und Durchsetzung der Rechtsfolgen problemlos möglich ist. 122 Aufgabe der Exekutive l23 und der Judikative ist es sodann, im Einzelfall die Norm konsequent anzuwenden und durchzusetzen, um tatsächliche Gleichheit in der rechtlichen Behandlung zu gewährleisten. 124 5. Ergebnis
Eine Überpriifung von Normen am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG muß stets zwischen den Rechtsgebieten differenzieren und kann ohne bereichsspezifische Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht vorgenommen werden. Wie die vorhergehende Untersuchung gezeigt hat, sind sachbereichs spezifische Wertungen bei der Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes sogar in zweifacher Hinsicht von Bedeutung. Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen"; BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 118), BVerfGE 84,239,271. 120 Zur Rechtfertigung genauer oben, Teil c.I.3., S. 187 ff. 121 s. oben, Teil C.I.3.b )cc )(3), S. 197 ff. 122 BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 118), BVerfGE 84, 239, 271 f.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 A.IY.2. Rnr. 39. 123 Soweit die Exekutive lediglich bestehende Gesetze ausführt, also funktionell verwaltend tätig wird. In Bereichen, in denen die Verwaltung etwa selbst Rechtsnormen erlassen darf (Art. 80 Abs. 1 GG), gelten ähnliche Kriterien wie für den Gesetzgeber (vgl. nur Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. I Rnr. 110, 169). 124 Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 24-27, 42 f.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 170 (bzgl. Exekutive), 184 (bzgl. Judikative); P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStRV, § 124 A.III.2. Rnr. 26, C.UI.1. Rnr. 176; Birk, StuW 1989,212,213.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Jede Gleichheitsprüfung setzt zunächst zwingend die Definition eines sachgerechten Vergleichsmaßstabs für das betreffende Rechtsgebiet voraus, ohne den der rechtliche Vergleich von Personengruppen unmöglich ist. Dieser allgemeine Vergleichsmaßstab ist für die Prüfung sodann erforderlichenfalls zu präzisieren, wenn der Vergleich nur einen spezifischen Ausschnitt aus dem Rechtsgebiet betrifft. 125 Stellt sich bei einem Vergleich auf der Grundlage des konkretisierten bereichsspezifischen Vergleichsmaßstabs heraus, daß die betroffenen Personengruppen rechtlich gleich bzw. ungleich sind, vom Gesetz jedoch verschieden bzw. gleich behandelt werden, so bedarf diese Differenzierung einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die Rechtfertigung wiederum gelingt nur dann, wenn die Differenzierung ebenfalls auf sachgerechten bereichsspezifischen Gründen beruht, die jedoch von solcher Art und von solchem Gewicht sein müssen, daß sie die (Un-) Gleichbehandlung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsabwägung zurücktreten lassen. 126 Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen gliedert sich die nachfolgende Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. am allgemeinen Gleichheitssatz wie folgt. Zunächst bedarf es der Bestimmung eines konkreten sachbereichsspezifischen Vergleichsmaßstabs für das Umsatzsteuerrecht. 127 Anhand dieses Maßstabs sind die von den spezifischen Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. betroffenen Personengruppen rechtlich zu vergleichen. 128 Wie zu zeigen sein wird, stellt sich dabei heraus, daß § 9 Abs. 2 UStG n.F. verschiedene Personengruppen im Verhältnis zu anderen Personengruppen ungleich belastet, obwohl diese jeweils im umsatzsteuerlichen Sinne als "gleich" gelten. Der Gesetzgeber hat also bei der Neufassung der Norm den spezifisch umsatzsteuerrechtlichen Vergleichsmaßstab im Rahmen der Tatbestandsbildung nicht sachgerecht umgesetzt. Daher bedarf es schließlich auch der Prüfung, ob die festgestellten Ungleichbehandlungen rechtlich gleicher Personengruppen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können. 129 Dies hat zu geschehen, indem jeweils zuerst ein verfassungsmäßiges, sachgerechtes und bereichsspezifisches Differenzierungsziel für die entsprechende Ungleichbehandlung ermittelt wird. Sodann ist zu untersuchen, ob das jeweilige Differenzierungsziel von solcher Art und von solchem Gewicht ist, daß es die Durchbrechung des umsatzsteuerlichen Vergleichsmaßstabs rechtfertigen kann. Die dabei notwendige Prüfung der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit der Differenzierung in bezug auf das jeweilige Differenzierungsziel muß jedoch um so strenger ausfallen, je stärker die Differenzierung zur Beein125 126 127 128 129
s. oben, Teil C.1.2.b), S)87. s. oben, Teil c.1.3., S. 187 ff., insb. Teil C.I.3.b)cc)(3), S. 197 ff. Dazu genauer sogleich Teil C.I1. s. dazu unten, Teile D.I., S. 285 ff., D.III., S. 294 ff. und D.V., S. 299 ff. s. dazu unten, Teile D.lI., S. 286 ff., D.lV., S. 296 ff., und D.VI., S. 305 ff.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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trächtigung von Freiheitsgrundrechten führt, je stärker sie sich an Differenzierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG annähert und je weniger Einfluß der Betroffene auf die Verwirklichung des Differenzierungskriteriums nehmen kann.
11. Konkretisierter Inhalt des Art. 3 Abs. 1 GG im Umsatzsteuerrecht - Leistungsfähigkeitsprinzip als umsatzsteuerrechtlicher Lastenausteilungsmaßstab Die gleichheitsrechtliche Prüfung der durch § 9 Abs. 2 UStG hervorgerufenen Belastungswirkungen an Art. 3 Abs. 1 GG erfordert, wie unter c.1. festgestellt, zunächst die Feststellung eines sachbereichsspezifischen 130 sowie sachgerechten 13l Vergleichsmaßstabs für das Umsatzsteuerrecht, anhand dessen erst festgestellt werden kann, ob eine bestimmte, durch eine umsatzsteuerrechtliche Norm bei einer Person hervorgerufene Belastungswirkung den Erfordernissen gleichmäßiger Besteuerung entspricht. Zu diesem Zweck ist es allerdings notwendig, zuvor diejenigen Anforderungen zu definieren, die ein derartiger, auf einen Teilbereich des Steuerrechts bezogener Vergleichsmaßstab infolge der spezifischen Besonderheiten des Steuerrechts ganz allgemein erfüllen muß, bevor spezielle Eigenheiten des Umsatzsteuerrechts 132 im Rahmen der Definition eines Vergleichsmaßstabs Beachtung finden können.
1. Leistungsfäbigkeitsprinzip als allgemeiner Lastenausteilungsmaßstab des Steuerrechts
a) Allgemeine Anforderungen an einen steuerlichen Lastenausteilungsmaßstab
aa) Sachbereichsspezifische Anforderungen Grundsätzlich lassen sich sachbereichsspezifische Anforderungen an einen gleichheitsrechtlichen Vergleichsmaßstab aus dem konkreten sachbereichsbezogenen Regelungsziel eines Gesetzes ableiten. 133 Im Steuerrecht besteht jedoch das Problem, daß steuerliche Belastungswirkungen durch Gesetze hervorgerufen werden, die grundsätzlich 134 nur das überaus allgemeine Ziel verfolgen, dem Staat s. oben, Teil C.1.2.a), S. 184 f. s. oben, Teil C.1.2.b), S. 185 ff. 132 Zum umsatzsteuerrechtlichen Vergleichsmaßstab unten, Teil C.l1.2., S. 224 ff. 133 s. oben, Teil C.I.2.a), S. 184 f. 134 Vorbehaltlich zulässiger Lenkungszwecke, die aIIerdings bei der gleichheitsrechtlichen Prüfung der Belastungswirkungen von Steuergesetzen für die Frage nach der Ermittlung des Vergleichsmaßstabs bedeutungslos sind. Die Lenkungsziele greifen hier lediglich auf der 130
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Einnahmen zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs zu verschaffen. 135 Zur Förderung dieses Ziels wäre aber bei steigendem Finanzbedarf des Staates schlichtweg jede noch so hohe und undifferenzierte steuerliche Belastung aller Bürger zweckmäßig. 136 Daher eignet sich der Fiskalzweck nicht zur Herleitung von Inhalt und Grenzen einer gleichheitsrechtlich zulässigen Besteuerung. 137 Ebensowenig wie aus dem Zweck der Besteuerung können ferner Rückschlüsse aus der Verwendung des Steueraufkommens zur Erfüllung allgemeiner staatlicher Aufgaben auf bestimmte Erfordernisse gleichmäßiger Besteuerung gezogen werden. 138 Es gibt jedoch andere grundlegende Charakteristika des Steuerrechts, die zur Konkretisierung spezifischer Anforderungen an einen steuerrechtlichen Vergleichsmaßstab beitragen.
(1) Folgerungen aus dem Wesen des Steuerstaates Ein Anhaltspunkt zur Konkretisierung des allgemeinen steuerrechtlichen Vergleichsmaßstabs folgt zunächst aus dem Wesen des Steuerstaates. Finanz- und Wirtschafts verfassung des Grundgesetzes setzen jeweils voraus, daß Staat und Privatwirtschaft in der bestehenden, freiheitsrechtlich geprägten Ordnung zwei prinzipiell voneinander unabhängige Sphären bilden. 139 Dies bedeutet einerseits, daß der Stufe der Rechtfertigung des Gleichheitsverstoßes ein; dazu oben, Teil B.II.2., S. 150 ff. (insb. S. 152 f.). 135 BVerfG v. 22. 06. 1995 - 2 BvL 37/91 -, BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögensteuergesetz); BVerfG v. 27. 06. 1991 - 2 BvR 1493/89 -, BVerfGE 84, 239, 268 f. (Kapitalertragsteuer); Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-1l5 Rnr. 385 ff., identisch mit Vogel/Walter, in: BonnerKomm, GG, Art. 105 Rnr. 45 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 1 1., Rz. 6; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.b), S. 46; K. Vogel, DStZl A 1977,5,8. 136 Besonders eindringlich: K. Vogel, DStZl A 1977,5,8 f.; P. Kirchhof, StuW 1985, 319; ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 82. 137 BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögensteuergesetz); BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 268 f. (Kapitalertragsteuer); K. Vogel, DStZl A 1977,5,8 f.; ders., StuW 1977,97, 106 f.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 82; Tipke, SteuRO I, § 7 5.86, S. 326; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 1Il.2.b), S. 46. Dies verkennt der BFH, wenn er in einigen Entscheidungen allein den Fiskalzweck zur Begriindung bestimmter umsatzsteuerrechtlicher Ergebnisse für ausschlaggebend hält, vg!.: BFH v. 06. 05.1993 - V R 45/88 -, BFHE 171, 138, 141 =BStB!. 199311,564,565 (erfolgloser Unternehmer); BFH v. 16. 12. 1993 - V R 103/88 -, BFHE 173,262,263 = BStB!. 199411,278,279 (erfolgloser Unternehmer); BFH v. 08.11. 1972 - 11 B 24/72 -, BFHE 107,315,319 =BStB!. 1973 I1, 94, 96: "Die meisten Verkehrsteuern einschließlich der Umsatzsteuer haben keinen tieferen Sinn als den, dem Staate Geld zu bringen." (Straßengüterverkehrsteuer). 138 BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 268 f. (Kapitalertragsteuer). 139 Vogel/Waldhoff, BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-1l5 Rnr. 332 ff.; J. lsensee, Steuerstaat als Staatsform, FS f. H.P. Ipsen 1977, 409, 420 ff. (lV.-XIIl.); K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, HBStR I, § 27 c.l.3. Rnr. 59 ff. i.V.m. C.I1l.1. Rnr. 69 ff.; Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 5 f.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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Staat grundsätzlich 140 nicht selbst wirtschaftlich tätig wird, sondern lediglich die freiheitliche private wirtschaftliche Betätigung sichert, kontrolliert sowie gegebenenfalls deren Folgen korrigiert. 141 Andererseits folgt aus dieser Trennung die Notwendigkeit der Steuererhebung, um den Staat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben zu befähigen. Der moderne, nicht selbst wirtschaftlich tätige Staat der Bundesrepublik Deutschland ist also notwendigerweise Steuerstaat. 142 Setzt man daher voraus, daß die Steuererhebung als Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger überhaupt als zulässig angesehen werden kann l43 , so muß Steuererhebung unter der freiheitsrechtlich geprägten Ordnung des Grundgesetzes daher vorrangig geschehen, indem der Staat in Form von Steuern am Erfolg freiheitlicher privatwirtschaftlicher Betätigung teilnimmt. 144 Dabei besteht Konsens darüber, daß diese Teilhabe an freiheitlicher privatwirtschaftlicher Tätigkeit nur am Erfolg der Betätigung, d. h. am Erworbenen als Ergebnis aus dieser Tätigkeit, ausgerichtet werden kann; niemals darf eine Steuer hingegen auf die bloße Erwerbsfähigkeit einer Person unabhängig vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg zugreifen. 145 Als Maßstab einer gleichmäßigen Besteuerung muß also vor allem die Zahlungsfähigkeit l46 (Belastbarkeit) dienen, die eine Person durch Ausübung einer freiheitlichen wirtschaftlichen Betätigung erworben hat. Darüber hinaus jedoch 140 Zu eigenwirtschaftlicher Tätigkeit des Staates s. z. B. Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, HBStR III, § 84. 141 Vogel/Waldhoff, BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115 Rnr. 331; K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, HBStR I, § 27 C.I.3. Rnr. 58, 60. 142 Vogel/Waldhoff, BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115 Rnr. 327 ff.; K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, HBStR I, § 27 C.I.l. Rnr. 51 f., C.I.4. Rnr. 62 f., C.III. Rnr. 69 ff.; Söhn, FinArch. Bd. 46 (1988), 154, 161 m.N.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 92. 143 Dazu ausführlich: K. Vogel, Rechtfertigung von Steuern, Eine vergessene Vorfrage, in: Der Staat 25 (1986), 481, 481 ff.; ders., Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 87 ff.; 7ipke, SteuRO I, § 7, S. 228 ff.; vgl. auch die Beiträge verschiedener Diskussionsteilnehmer auf dem Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 194 ff. 144 BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögensteuergesetz); K. Vogel, in: Der Staat 25 (1986), 481, 516 f.; ders., Der Finanz- und Steuerstaat, HBStR I, § 27 C.I.3. Rnr. 59; Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a115 Rnr. 330; J. lsensee, Steuerstaat als Staatsform, FS f. H.P. Ipsen 1977,409,417 f.; Birk, Steuerrecht I, § 6 Rnr. 1; P. Kirchhof, StbKongrRep. 1988,29,30 f.; ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 84. 145 BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 135 (Vermögensteuergesetz); P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 69; ders., Gutachten z. 57. DJT, VdDJT 57 (1988), Bd. I Teil F, S. 12 f.; ders., StuW 1984, 297, 305; ders., StbKongrRep. 1988,29,31; J. lsensee, Steuerstaat als Staatsform, FS f. H.P. Ipsen 1977,409, 416 f. 146 P. Kirchhof, StuW 1984,297,305; ders., StuW 1985,319,321; ders., Gutachten z. 57. DJT, VdDJT 57 (1988), Bd. I Teil F, S. 12 f.; Kruse, StuW 1990,322,326.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
darf der Staat als Steuerstaat auch am sonstigen Erwerb einer Person partizipieren, wenn dieser Vermögenstransfer - wie insbesondere bei Schenkung oder Erbschaft - durch eine Bereicherung ohne Leistung des Empfangenden gekennzeichnet ist. 147 (2) Folgerungen aus dem Wesen der Steuer: Steuer als Gemeinlast
Weiterhin lassen sich ebenso aus den allgemeinen, aus dem Verlassungsrecht abgeleiteten Charakteristika der Steuer 148 gewisse bereichsspezifische gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung herleiten. Jede Steuer ist eine Gemeinlast, die alle Inländer 149 zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben heranzieht. 150 Die Steuererhebung stellt daher nach herrschendem staatsrechtlichem Verständnis einen staatlichen Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Einzelnen dar, für die der Staat dem Betroffenen keine individuell meßbare Gegenleistung gewährt. l5l Die Steuerpflicht kann somit für den Einzelnen nicht, wie die Erhebung von Gebühren oder Beiträgen, in Abhängigkeit vom Wert empfangener staatlicher Leistungen ermittelt werden. 152 Ein derartiger Eingriff außerhalb eines Austauschverhältnisses ist jedoch nur dann unter Gleichheitsgesichtspunkten zu rechtfertigen, wenn die zur Erlüllung aller staatlichen Aufgaben erlorderliche Ge147 s. nur P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 170 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 8 3.2, Rz. 38 ff.; Seer; in: Tipke I Lang, § 13 1.2, Rz. 102 ff. 148 Zu den verschiedenen Steuerbegriffen S.: Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rnr. 349 ff., identisch mit Vogel/Walter; BonnerKomm, GG, Art. 105 Rnr. 23 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 3 2., Rz. 9 ff. 149 s. dazu P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 135 f. 150 BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 269 (Kapitalertragsteuer); BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögensteuergesetz); Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115 Rnr. 373 ff. (insb. Rnr. 385 ff.), identisch mit Vogel/Walter; BonnerKomm, GG, Art. 105 Rnr. 34 ff. (insb. Rnr. 45 ff.); Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 5 f. 151 BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 269 (Kapitalertragsteuer); BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögensteuergesetz); Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115 Rnr. 373 ff. (insb. Rnr. 376 ff. zum Merkmal der hoheitlich auferlegten Zwangsleistung; Rnr. 379 ff. zum Merkmal "ohne besondere Gegenleistung"), identisch mit Vogel/Walter; BonnerKomm, GG, Art. 105 Rnr. 34 ff. (insb. Rnr. 37 zum Merkmal der hoheitlich auferlegten Zwangsleistung; Rnr. 40 ff. zum Merkmal "ohne besondere Gegenleistung"); P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 63 ff.; ders., StuW 1985,319,320; ders., StbKongrRep. 1988,29, 30 f.; Wendt, BB 1987, 1257, 1259 f. 152 1ipke, SteuRO I, § 9 2.2, S. 476 f.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.c), Rz. 87; J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, FS f. H.P. Ipsen 1977,409,416; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 67; ders., StuW 1985, 319, 320. Allerdings bezieht P. Kirchhof den Äquivalenzgedanken in sein Konzept der Steuerrechtfertigung, welches er auf Art. 14 GG stützt, stets stark mit ein (s. nur Gutachten z. 57. DIT, VdDIT 57 (1988), Bd. I Teil F, S. 14, 17), wodurch das Gewicht seiner allgemeinen Aussagen erheblich relativiert wird (s. dazu Tipke, SteuRO I, II, S. 233,532).
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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samtsteuerlast gleichmäßig verteilt wird. 153 Der Gleichheitssatz muß im Steuerrecht demnach das Prinzip der Lastengleichheit (oder auch: Belastungsgleichheit), nicht das Prinzip der Austauschgleichheit (Äquivalenzprinzip), umsetzen. 154 Steuerliche Lasten- bzw. Belastungsgleichheit wiederum kann nur Gleichheit des Belastungserfolges 155 in Form eines Vermögensentzuges 156 bedeuten. Jeder im Steuerrecht anzuerkennende Vergleichsmaßstab muß demnach so beschaffen sein, daß Steuergesetze, die diesen Maßstab umsetzen, Belastungsgleichheit in Form eines gleichmäßigen Belastungserfolges bei allen Steuerträgern verwirklichen und zugleich nur auf die durch freiheitliche wirtschaftliche Betätigung erzielten Ergebnisse oder auf Bereicherungen einer Person zugreifen, die ohne Leistung des Empfangenden entstehen.
bb) Anforderungen der Sachgerechtigkeit Neben den Anforderungen der Sachbereichsspezifik sind indes auch die inhaltlichen Anforderungen an den Vergleichsmaßstab im Steuerrecht von besonderer Bedeutung. Wie bereits an friiherer Stelle 157 dargestellt wurde, hat sich der einem bestimmten Rechtsgebiet zugrundezulegende sachbereichsspezifische Vergleichsmaßstab inhaltlich an den bereichsspezifischen Konkretisierungen allgemeiner Gerechtigkeitsvorstellungen zu orientieren, die durch die systemkonstituierenden Prinzipien des Rechtsgebiets ausgedriickt werden. Der Vergleichsmaßstab für das Umsatzsteuerrecht muß demnach, ebenso wie ein Vergleichsmaßstab für jegliche andere Steuerart, eine Ableitung aus den das Steuerrechtssystem konstituierenden Spezifizierungen des Gedankens der Steuergerechtigkeit darstellen. In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, daß sich die Gerechtigkeitsidee im Steuerrecht in weit höherem Maße auswirkt als in anderen Rechtsgebieten. Das Prinzip der Steuergerechtigkeit entfaltet über Art. 3 Abs. 1 GG, welcher generell als wichtigste Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Gerechtigkeit 153 Tipke, SteuRO I, § 7 2.1, S. 236 ff. (238) (Gerechte Verteilung der Steuerlast sei ein "Imperativ der Ethik"); Wendt, BB 1987, 1257, 1259 f.; BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 269 (Kapitalertragsteuer); BVerfG v. 03. 07. 1973 - 1 BvR 368, 369/65 -, BVerfGE 35, 324, 335 m.N.; BVerfG v. 20.12.1966 - 1 BvR 320157, 70/63-, BVerfGE 21, 12,26 f. (Brutto-Umsatzsteuer). 154 Tipke, SteuRO I, § 9 2.2, S. 476 ff.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 67; ders., Gutachten z. 57. DIT, VdDIT 57 (1988), Bd. I Teil F, S. 12; ders., StuW 1985, 319, 320; ders., StuW 1996, 3, 7; J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, FS f. H.P. Ipsen 1977,409,416 i.V.m. 418; Wendt, DÖV 1988,710,712. 155 Zur Maßgeblichkeit des Belastungserfolges: BVerfG v. 22.06. 1995 a. a. o. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögensteuer); BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BYerfGE 84,239,268 (Kapitalertragsteuer). 156 Wendt, DÖV 1988,710,712. 157 Vgl. oben, Teil C.I.2.b}, S. 185 ff.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
gilt l58 , enorme Auswirkungen auf das Steuerrechtssystem. 159 Steuern, deren Erhebung in bezug auf entstehende finanzielle Belastungswirkungen nicht den Anforderungen der Steuergerechtigkeit genügen, entbehren nach herrschender Ansicht l60 jeglicher verfassungsrechtlicher Rechtfertigung und sind somit unzulässig. In anerkennenswerte Gerechtigkeitsvorstellungen müssen indes alle Grundwertungen der geltenden verfassungsmäßigen Ordnung einfließen. Dazu gehören insbesondere auch die freiheitsgrundrechtlichen Gewährleistungen. Denn gerade in den Freiheitsgrundrechten finden grundsätzliche, das allgemeine Gerechtigkeitsverständnis der geltenden verfassungsrechtlichen Ordnung prägende Wertentscheidungen des Verfassungsgebers ihren Ausdruck. Auch das Bundesverfassungsgericht berücksichtigt die Freiheitsgrundrechte aus diesem Grunde in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich als "wertentscheidende Grundsatznormen" 161 im s. oben, Teil C.I.2.b), S. 185 ff., insb. die Nachweise in Fn. 27. Zum Systemgedanken im Steuerrecht: Tipke, SteuRO I, § 4, S. 61 ff.; ders., StuW 1971, 2,3 ff.; ders., StuW 1988,262,264 ff.; ders., UR 1972,2,2; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 A.l., Rz. 1 ff.; Birk, Steuerrecht I, § 6, S. 46 ff. Zum Einfluß der Steuergerechtigkeit auf das Steuerrechtssystem: Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 47 ff.; ders., SteuRO I, § 7 1., S. 228 ff., § 7 2., S. 234 ff., § 7 4., S. 256 ff.; ders., StuW 1988,262,265 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 B. 1., Rz. 51 u. insb. § 4 B. 3., Rz. 60 ff.; P. Kirchhof, StuW 1996,3,4; ders., StbKongrRep. 1988, 29, 33 f.; Birk, StuW 1989,212, 212 f.; ders., Steuerrecht I, § 6 III. Rnr. 13 ff., S. 54 ff.; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 50; BVerfG v. 10. 03. 1998 - 1 BvR 178 I 97 -, BVerfGE 97,332,346 (Kindergartengebühren); BVerfG v. 10.02.1987 -1 BvL 18/81,201 82 -, BVerfGE 74, 182, 199 f. (Einheitswertbesteuerung); BVerfG v. 17. 10. 1984 - 1 BvR 527/80,528/81,441/82-, BVerfGE68, 143, 152; BVerfGv. 22. 02.1984-1 BvL 10/80-, BVerfGE 66, 214, 223; BVerfG v. 03. 11. 1982 - 1 BvR 620178, 1335178, 1104179,363 I 80 -, BVerfGE 61, 319, 343 f.; BVerfG v. 13.03. 1979 - 2 BvR 72176 -, BVerfGE 50, 386, 391 f. (Schuldzinsenabzug); BVerfG v. 11. 10. 1977 - 1 BvR 343173, 83174, 183,428175-, BVerfGE 47,1,29 f. (Hausgehilfinnenfreibetrag); BVerfG v. 23. 11. 1976 - 1 BvR 150175-, BVerfGE 43, 108, 118 ff. (Kinderfreibetrag); BVerfG v. 03. 07. 1973 a. a. O. (Fn. 154), BVerfGE 35,324,335 m.N. (Lastenausgleichsrecht); BVerfG v. 30. 10. 1961 - 1 BvR 8331 59 -, BVerfGE 13,181,203 (Schankerlaubnissteuer); BVerfG v. 17.01. 1957 - I BvL 41 54 -, BVerfGE 6,55,70 f. (Zusamrnenveranlagung von Ehegatten). 160 Tipke, SteuRO I (1. Aufl.), Vorwort S. VIII und SteuRO I, § 7 1., S. 228 ff., § 7 2.1, S. 236 ff.; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 87 ff. (insb. Rnr. 89) m.N.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 B. 3.1., Rz. 61 m.N.; Birk, StuW 1989,212,212 f.; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.a), S. 43; BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 268 f. (Kapitalertragsteuer); BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögensteuergesetz). 161 Grundrechte als "wertentscheidende Grundsatznormen": Zu Art. 1 Abs. 1 GG: BVerfG v. 26. 01. 1994 -1 BvL 12/86 -, BVerfGE 89,346,353. Zu Art. 5 Abs. 1,3 GG: BVerfG v. 05.03. 1974 - 1 BvR 712/68 -, BVerfGE 36, 321, 330 ff. (Schallplattenumsatzsteuer). Zu Art. 6 Abs. 1 GG: BVerfG v. 17. 01. 1957 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 6, 55, 70 ff.; BVerfG v. 24.01. 1962 - 1 BvL 32/57 -, BVerfGE 13,290,298 f.; BVerfG v. 23.11. 1976 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 43, 108,118 ff.; BVerfG v. 03. 11. 1982 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 61, 319,343 ff.; BVerfG v. 17. 10. 1984 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 68, 143, 152; BVerfG v. 29.05. 1990 - 1 BvL 20,26, 184,4/86 -, BVerfGE 82, 60, 86 f.; BVerfG v. 26. 01. 1994 a. a. 0., BVerfGE 89, 346, 353. Zu Art. 14 GG: BVerfG v. 22.06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 133 ff. (Vermögensteuergesetz). Zum Sozialstaatsprinzip (Art. 1 Abs. 1, 20 158
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11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
209
Rahmen seiner Überlegungen zur Steuergerechtigkeit. Steuergerechtigkeit dient demnach unter der geltenden verfassungsmäßigen Ordnung der Wahrung von Freiheit neben Gleichheit. 162 Die Beachtung der in den Freiheitsgrundrechten verankerten Wertentscheidungen der Verfassung im Rahmen der Ermittlung eines sachgerechten steuerrechtlichen Vergleichsmaßstabs führt allerdings dazu, daß bereits im steuerrechtlichen Vergleichsmaßstab gewisse Durchbrechungen der strikten (formalen) Gleichmäßigkeit der Besteuerung angelegt werden. Dies ist jedoch nur folgerichtig, da der allgemeine Gleichheitssatz gerade nicht die Gewährleistung formaler, sondern rechtlicher, d. h. sachbereichsspezifischer sowie sachgerechter, Gleichheit sicherstellen soll. (1) Erfordernis der Gleichheit in zumutbarer Belastung
Die Erkenntnis, daß freiheitsgrundrechtliche Wertungen, vermittelt durch den Gedanken der Steuergerechtigkeit, auf die Steuergesetzgebung einwirken und dabei die Eingriffsbefugnisse des Staates begrenzen, läßt vor allem den Schluß zu, daß jede "gerechte" Besteuerung ihre Grenze in der allgemeinen Grenze der Verhältnismäßigkeit l63 , also in der Zumutbarkeit der Belastung für denjenigen Steuerträger finden muß, der durch die mit einer Belastungswirkung korrespondierende Gestaltungswirkung l64 in seiner wirtschaftlichen Freiheit beschränkt wird. Unzulässig, weil im Übermaß belastend, ist eine Besteuerung, die dem eine freiheitsrechtlieh gewährleistete wirtschaftliche Betätigung ausübenden Steuerträger nicht wenigstens den "Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen,,165 beläßt. '66 Aus den Freiheitsgrundrechten als Teil der materiellen rechtsstaatlichen Ordnung folgt demnach für die Besteuerung die Grenze Abs. 1, 28 Abs. 1 GG): BVerfG v. 03. 11. 1982 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 61, 319, 343 ff.; BVerfG v. 17. 10. 1984 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 68, 143, 152. Die Einbeziehung grundrechtlicher Wertungen in Steuergerechtigkeitsüberlegungen sollte jedoch nicht allein auf diese wenigen Grundrechte beschränkt werden. 162 P. Kirchhof StbKongrRep. 1988,29,35; Friauf Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 194. 163 P. Kirchhof StuW 1985,319,321 f. 164 Zur Unterscheidung zwischen Belastungs- und Gestaltungswirkungen steuerlicher Normen s. oben, Teil B.II.2., S. 150 ff. Zu den Voraussetzungen eines Eingriffs in die Eigentumsfreiheit durch die mit einer Be1astungswirkung korrespondierende primäre Gestaltungswirkung genauer unten, Teil E.III.2.c), S. 363 ff. 165 BVerfG v. 25. 09. 1992 - 2 BvL 5,8, 14/91 -, BVerfGE 87, 153, 169 (Grundfreibetrag); ähnlich BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. o. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 135 (Vermögensteuergesetz). 166 P. Kirchhof StuW 1985,319,323; Friauf DStJG 12 (1989), 3, 7 ff.; fachmann, StuW 1998,193,197 f. 14 Löhr
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG
der Zumutbarkeit der Belastung. Ausgehend vom Ziel der gleichmäßigen Verteilung der Steuerlast durch Herbeiführung eines gleichen Belastungserfolges, muß der spezifische Vergleichsmaßstab eines Steuergesetzes also aus Steuergerechtigkeitsgesichtspunkten derart definiert werden, daß er bei den Steuerträgern eine "Gleichheit in der angemessenen Last,,167 herbeiführen kann. Welche Last allerdings als (gerade noch) "angemessen" gelten kann, läßt sich nur schwer nominell definieren. In jüngster Zeit ist die äußerste Grenze der Zumutbarkeit steuerlicher Gesamtbe1astung jedoch wiederholt bei in etwa 50% des Einkommens der Steuerpflichtigen gezogen worden. 168
(2) Steuerrechtliches Nettoprinzip Die Abwehrfunktion 169 der Freiheitsgrundrechte konkretisiert sich jedoch nicht lediglich im allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Einige spezifische freiheitsgrundrechtliche Gewährleistungen entfalten vielmehr ihren Wesens gehalt gerade in der Abwehr steuerlicher Belastungen, so daß sie spezifische Anforderungen an den Vergleichsmaßstab implizieren. Einerseits ist in diesem Zusammenhang Art. 12 GG zu nennen. Da durch Art. 12 Abs. I GG die Berufsfreiheit umfassend geschützt wird 170 und da weiterhin Besteuerung die Teilhabe des Staates an den Ergebnissen freiheitlicher wirtschaftliP. Kirchhof, StuW 1985,319,321 f. BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 138 (Vermögensteuergesetz): "Die Vermögensteuer darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages ( ... ) in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt und dabei insgesamt auch Belastungsergebnisse vermeidet, die einer vom Gleichheitssatz .gebotenen Lastenverteilung nach Maßgabe finanzieller Leistungsfahigkeit zuwiderlaufen."; Ahnlich P. Kirchhof, Gutachten z. 57. DIT, VdDJT 57 (1988), Bd. I Teil F, S. 82: "Die verfassungsrechtlich zulässige Obergrenze einer Gesamtbelastung des Einkommens liegt in der Nähe einer hälftigen Teilung der individualnützigen Einnahmen zwischen privater und öffentlicher Hand." (Hervorhebungen im Original); K. Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, in: Der Staat 25 (1986),481,518 f., sieht bei einer Besteuerungsquote über 50 % die Rechtfertigung der Steuererhebung an sich gefahrdet; Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 9. ZweijelruJ.: FG Düsseldorf v. 05. 11. 1997 - 8 K4409/97 E -, EFG 1998,378,378 f.; BFH v. 17.07.1998 - VI B 81/97-, BStBI. 199811,671,672 (im Hinblick auf Ertragsteuern). Ablehnend: BFH v. 11. 08. 1999 - XI R 77/97 -, BFHE 189,413, 417 = BStBI. 1999 11, 771, 773 (bzgl. Einkommen- und Gewerbeertragsteuer): "Er (der Senat) vermag dem GG kein Gebot zu entnehmen, die Steuern auf das Einkommen und den Gewerbeertrag auf höchstens 50 % des Gesamtbetrags der Einkünfte oder des zu versteuernden Einkommens zu begrenzen."; BFH v. 28. 06. 2000 - I R 89/99 -, BFHE 192,513,514 f. = BStBl. 2001 11,261,262 m. w. N. (bzgl. Körperschaftsteuerbelastung einer am Anrechnungsverfahren teilnehmenden Körperschaft bei Gewinnthesaurierung). Vgl. weiterhin den Diskussionsbeitrag von Tipke, StuW 1994,58,60 f. 169 Zur Abwehrfunktion der Freiheitsgrundrechte s. nur: BVerfG v. 15.01. 1958 - 1 BvR 400/51 -, BVerfGE 7, 198,204 f. (Lüth); I. v. Münch, in: v.Münch/Kunig, GGK, Vorb. Art. 1-19 Rnr. 16. 170 Genauer zum Schutzbereich des Art. 12 GG s. unten, Teil E.III.I., S. 351 ff. 167
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11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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cher Betätigung - also der Berufsausübung - bedeutet, muß eine sachgerechte Besteuerung gewährleisten, daß die zur Sicherstellung der Einkommenserzielung durch Berufsausübung notwendigen Aufwendungen von einer Besteuerung verschont bleiben. 171 Andererseits führen einige als "soziale" Freiheitsrechte anzusehende grundrechtliche Gewährleistungen, wie insbesondere Artt. 1, 2 Abs. 1 GG, sowie das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip l72 zu der Wertung, daß jedem Erwerbstätigen zur Sicherung seiner Existenz schlechthin sowie unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 GG auch zur Erfüllung bestehender Unterhaltsverpflichtungen ein bestimmter Teil seiner erzielten Einkünfte als Existenzminimum 173 unversteuert verbleiben muß. Dieses steuerliche Existenzminimum sollte sich am individuellen Bedarf des Steuerpflichtigen orientieren und somit über dem liegen, was dem Bedürftigen als Sozialhilfe vom Staat gewährt wird. 174 Diese Forderungen, im Einkommensteuerrecht spricht man diesbezüglich vom objektiven und subjektiven Nettoprinzip 175, sind somit Inhalt des Gedankens der Steuergerechtigkeit und müssen daher auch den steuerrechtlichen Vergleichsmaßstab prägen.
cc) Besteuerungsgegenstand als gleichheitsrechtlicher Vergleichsmaßstab Ein gleichheitsrechtlicher Vergleichsmaßstab für das Steuerrecht, welcher alle soeben entwickelten Anforderungen erfüllt, ist schließlich nicht erst durch die Gerichtsbarkeit zu finden und zu beachten, welche über die Verfassungsmäßigkeit steuerrechtlicher Normen zu entscheiden hat. Vielmehr wird bereits der Steuerges. nur Lang, in: Tipke/Lang, § 9 C. 1.2, Rz. 42,54 f. m.N. Zur Einwirkung des Sozialstaatsprinzips auf den steuerlichen Vergleichsmaßstab s. insb.: Lehner, Einkommensteuer und Sozialhilfereeht, S. 41 ff.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 123 ff., 139 ff.; ders., StuW 1983, 293, 295, 296 f.; Tipke, SteuRO I, § 7 7.2, S. 401 f.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 127 f.; fachmann, Verfassungsrechtliehe Grenzen der Besteuerung, S. 9 ff. 173 Vgl. zuletzt BVerfG v. 23. 08. 1999 - 1 BvR 2164/98 -, NJW 1999,3478,3478 f. = FR 1999, 1134, 1135 f. (Umsatzsteuerbelastung von Familien); BVerfG v. 10. 11. 1998 - 2 BvR 1057, 1226, 980/91 -, BVerfGE 99, 216, 232 ff. (Kinderbetreuungs- und Erziehungsbedarf); BVerfG v. 10. 11. 1998 - 2 BvL 42/93 -, BVerfGE 99,246,259 ff. (Wohnbedarf); BVerfG v. 10. 11. 1998 - 2 BvR 1220/93 -, BVerfGE 99,268,271 (Kinderexistenzminimum 1985); BVerfG v. 10. 11. 1998 - 2 BvR 1852, 1853/97 -, BVerfGE 99, 273, 276 f. (Kinderexistenzminimum 1987, 1988); BVerfG v. 26. 01. 1994 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 89, 346, 352 ff. (Berufsausbildungskosten für Kinder); BVerfG v. 25. 09. 1992 a. a. O. (Fn. 165), BVerfGE 87, 153, 169 ff. (Grundfreibetrag); BVerfG v. 29. 05. 1990 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 82, 60, 85 ff. (Familienexistenzminimum). Zusammenfassend aueh Lang, in: Tipke/Lang, § 9 C. 3.1, Rz. 68 ff. 174 s. sämtliche Entscheidungen des BVerfG vom 11. 10. 1998 in Fn. 173; Lehner, Einkommensteuerreeht und Sozialhilfereeht, S. 12 ff., 41 ff., 175 ff., 290 ff. 175 s. nur Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 44. 171
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
setzgeber bei der Schaffung steuerrechtlicher Normen durch den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden. 176 Dessen Bindung an Art. 3 Abs. I GG weist allerdings eine Besonderheit auf, die Rückschlüsse auf die Art des allgemeinen steuerrechtlichen Vergleichsmaßstabs zuläßt. Eine gleichheitsgerechte Steuergesetzgebung erfordert ganz allgemein zweierlei. 177 Zunächst muß der Gesetzgeber die Auswahl des Besteuerungsgegenstandes 178 jeder einzelnen Steuer, also die Auswahl jedes besteuerungswürdigen Sachverhalts, unter Gleichheitsgesichtspunkten rechtfertigen können. 179 Eine Steuer darf nicht an individuelle Merkmale von Personen anknüpfen, die als Grundlage einer gleichmäßigen Verteilung der Gesamtsteuerlast ungeeignet sind. 18o Wurde ein sachgerechter Besteuerungsgegenstand gefunden, so muß der Gesetzgeber weiterhin in Befolgung des Gedankens der Steuergerechtigkeit bei der konkreten Ausgestaltung eines Steuergesetzes dafür Sorge tragen, daß das durch die Festlegung des Belastungsgrundes definierte Besteuerungsprinzip bei der spezifischen Tatbestandsbildung gleichmäßig umgesetzt wird (Grundsatz der Folgerichtigkeit). 181 Die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes wirken mithin bereits auf den Prozeß der Auswahl eines sachgerechten Besteuerungsgegenstandes in der ersten Stufe der Steuergesetzgebung in besonderem Maße ein. Es existiert zwar s. oben, Teil C.I.4., S. 198 ff. m Folgerungen aus den oben dargestellten Besonderheiten der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz, vgl. oben Teil C.1.4., S. 198 ff. 178 Oder auch: Steuergegenstand, Steuergut, Besteuerungsgut. Durch rechtliche Normierung nach einer Steuerwürdigkeits~ntscheidung des Gesetzgebers wird der Besteuerungsgegenstand (oder Teile davon) zum sog. Steuerobjekt. Vgl. zur Begriffsbildung nur Lang, in: Tipke/Lang, § 7 5.3.2., Rz. 23 ff. m.N.; ders., Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 34. 179 Zur Rechtfertigung der Steuerarten s. insb.: 1ipke, SteuRO I, § 7 7.1, S. 228 ff. (allgemein) sowie SteuRO 11 speziell für die einzelnen Steuerarten; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 87 ff. (insb. Rnr. 89). 180 BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 269 ("Der ... Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Steuerpflichtigen gewinnt seine Rechtfertigung ... auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung."); ebenso BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 (Vermögensteuergesetz); 1ipke, SteuRO I, § 7 7.1 (3), S. 232. 181 Grundsatz der Folgerichtigkeit im Steuerrecht: BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 271 (Kapitalertragsteuer): Bei der Ausgestaltung des Ausgangstatbestandes habe der Gesetzgeber "die einmal getroffene Belastungsentscheidung dann aber folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen."; ebenso: BVerfG v. 29. 10. 1999 - 2 BvR 1264/90 -, BVerfGE 101, 132, 138 = UR 1999,494,496 (Umsatzsteuerbefreiung für Heileurythmisten); BVerfG v. 30. 09. 1998 - 2 BvR 1818/91-, BVerfGE 99,88,95 (Verlustverrechnungsverbot für Einkünfte aus Vermietung beweglicher Gegenstände); BVerfG v. 22.06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 136 (Vermögensteuergesetz); BVerfG v. 07.05. 1968 - 1 BvR 420/64 -, BVerfGE 23,242,256 (Vermögensteuerveranlagung); 1ipke, SteuRO I, § 7 5.87, S. 327 ff. m.N.; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 113; ders., Der allgemeine Gleichheitssatz, HBStR V, § 124 D.m. Rnr. 222 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. l.l.c), Rz. 77. 176
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatz steuerrecht
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keine verfassungsrechtliche Norm, welche den Steuergesetzgeber bei der Auswahl von Steuergegenständen ausdrücklich beschränkt, so daß insbesondere das Bundesverfassungsgericht 182 in ständiger Rechtsprechung die grundsätzliche Freiheit, den grundsätzlich bestehenden Entscheidungsspielraum des Steuergesetzgebers hinsichtlich der Erschließung VOn Steuerquellen betont. Mit dieser Auffassung unterschätzt das Bundesverfassungsgericht jedoch die besonderen Anforderungen des Gleichheitssatzes im Steuerrecht. Richtigerweise führt die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG nämlich zu einer wichtigen Begrenzung des Entscheidungsspielraums des Steuergesetzgebers bei der Auswahl von Steuergegenständen. Denn durch die Auswahl eines Besteuerungsgegenstandes begrenzt der Gesetzgeber nicht nur den Umfang der steuerrechtlichen Eingriffsbefugnis des Staates, da wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung 183 eine Steuererhebung nur möglich ist, wenn und soweit ein Steuergesetz den Zugriff auf den ausgewählten Steuergegenstand eröffnet. Sondern der Gesetzgeber determiniert darüber hinaus mit der Festlegung eines Besteuerungsgegenstandes wegen des zu beachtenden Grundsatzes der FOlgerichtigkeit 184 zugleich den Inhalt des speziellen Steuergesetzes und dessen konkrete Ausgestaltung. Denn durch die Auswahl eines steuerwürdigen Sachverhaltes spezifiziert der Gesetzgeber den Regelungszweck eines Steuergesetzes. Diesen spezifischen Rege1ungszweck der "Besteuerung des ausgewählten Sachverhaltes" muß der Steuergesetzgeber sodann in Beachtung des Gleichheitssatzes inhaltlich umfassend und abschließend durch Tatbestandsbildung verwirklichen. Durch die Wahl des Besteuerungsgegenstandes definiert der Steuergesetzgeber mithin bereits die systemtragenden inhaltlichen Prinzipien eines Steuergesetzes. Daraus folgt wiederum, daß der vom Gesetzgeber zu bestimmende Besteuerungsgegenstand so ausgewählt sein muß, daß er selbst die wesentlichen Anforderungen der Steuergerechtigkeit in sich trägt, da andernfalls jene Anforderungen einer vom Besteuerungsgut ausgehenden Herleitung systemtragender inhaltlicher 182 BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 136 (Vermögensteuergesetz); BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 271 (Kapitalertragsteuer); BVerfG v. 10. 02. 1987 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 74, 182, 199 f. (Einheitswertbesteuerung); BVerfG v. 06. 12. 1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325, 354 m.N. (Zweitwohnungssteuer); BVerfG v. 13.03. 1979 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 50,386,392 (Schuldzinsenabzug); BVerfG v. 01. 04. 1971 - 1 BvL 22/67 -, BVerfGE 31, 8, 24 ff. (Pauschalierung der Vergnügungssteuer auf Spielgeräte); BVerfG v. 21. 12. 1966 - 1 BvR 33/64 -, BVerfGE 21,54,63 (Lohnsummensteuer); BVerfG v. 30. 10. 1961 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 13, 181, 202 f. (Schankerlaubnissteuer). Zusätzlich befürworteten einen Gestaltungsspielraum sogar bei der Ausgestaltung der Normen: BVerfG v. 11. 10. 1977 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 47,1, 30; BVerfG v. 23. 11. 1976 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 43, 108, 120 f.: "Zur reinen Verwirklichung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsflihigkeit ist der Gesetzgeber auch bei der Einkommensteuer von Verfassungs wegen nicht verpflichtet." 183 Mit den Ausprägungen: Vorbehalt des Gesetzes und Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, vgl. nur Lang, in: Tipke I Lang, § 4 C.2., Rz. 150; Stern, in: Stern, Staatsrecht 11, § 461.5.c), S. 1107. 184 s. oben, Fn. 181.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Prinzipien des Gesetzes nicht zugrunde gelegt werden könnten. Der Besteuerungsgegenstand selbst muß folgerichtig den gleichheitsrechtlichen Vergleichsmaßstab für die Priifung eines Steuergesetzes darstellen, wenn gleichheitsrechtliche Anforderungen im Steuerrecht überhaupt Wirkung entfalten sollen. 185 Das bedeutet jedoch, daß die erwähnte, vom Bundesverfassungsgericht l86 besonders in friiheren Entscheidungen betonte Freiheit des Gesetzgebers bei der Auswahl des Besteuerungsgegenstandes nicht wirklich in vollem Umfang bestehen kann. Vielmehr ist der Gesetzgeber bereits bei der Auswahl von Besteuerungsgegenständen und damit erst recht bei der inhaltlichen Ausgestaltung steuerlicher Normen in seinem Gestaltungsspielraum durch die Anforderungen des Gleichheitssatzes beschränkt. 187 Dies spiegelt sich in gewisser Weise auch in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wider. Insbesondere in den neuesten Entscheidungen z. B. zum Vermögensteuergesetz l88 , zum Existenzminimum l89 oder zur Abzugsfahigkeit der Berufsausbildungskosten für Kinder l90 wird die prinzipiell anerkannte gesetzgeberische Freiheit zur Definition steuerlicher Eingriffsbefugnisse als durch grundlegende verfassungsrechtliche Wertungen - insbesondere aus den Freiheitsgrundrechten - beschränkt angesehen. 191 Dies ist ein Ausdruck dafür, daß auch das Bundesverfassungsgericht dem Steuergesetzgeber bei der Auswahl von Besteuerungsgegenständen Grenzen aus dem Gedanken der Steuergerechtigkeit zieht, da die Erfordernisse der Steuergerechtigkeit insbesondere durch freiheitsgrundrechtliche Wertungen mitbestimmt werden. 185 In diesem Sinne Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.2.2., Rz. 92 und § 7 5.3.2., Rz. 23 ff. (insb. 24) m.N.; fachmann, StuW 1998, 193, 198 m.N. in Fn. 70; dies., DStJG 23 (2000), 9, 13 f. Dies voraussetzend auch: Bunnester; StuW 1993,221 ff.; Tipke, StuW 1993, 105 ff.; Birk, Steuerrecht I, § 5 111.2. Rnr. 10; Hüttemann, DStJG 23 (2000), 127, 139. 186 s. die Nachweise in Fn. 182. 187 Ebenso: Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 5, 27 f.; P. Kirchhof, Gutachten z. 57. DJT, VdDJT 57 (1988), Bd. I Teil F, S. 11; Tipke, StuW 1988,262,272 mit Fn. 5; ders., StuW 1993, 105, 109; fachmann, DStJG 23 (2000), 9, 13 f.; Hüttemann, DStJG 23 (2000), 127, 139. 188 BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 ff. (Verrnögensteuergesetz). 189 BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 216, 232 ff. (Kinderbetreuungskosten); BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 246, 259 ff. (Wohnbedarf); BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 268, 271 (Kinderexistenzminimum 1985); BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. o. (Fn. 173), BVerfGE 99,273,276 f. (Kinderexistenzminimum 1987, 1988); BVerfG v. 25. 09. 1992 a. a. O. (Fn. 165), BVerfGE 87, 153, 169 ff. (Grundfreibetrag); BVerfG v. 29. 05. 1990 a. a. o. (Fn. 161), BVerfGE 82, 60, 83 ff. (Familienexistenzminimum). 190 BVerfG v. 26. 01. 1994 (Fn. 161), BVerfGE 89, 346, 352 ff. 191 BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 ff., insb. S. 136 f. (Verrnögensteuergesetz); BVerfG v. 25. 09. 1992 a. a. O. (Fn. 165), BVerfGE 87, 153, 169 ff. (Grundfreibetrag); BVerfG v. 29. 05. 1990 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 82, 60,85 ff. (Familienexistenzminimum); BVerfG v. 26. 01. 1994 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 89, 346, 352 ff. (Berufsausbildungskosten für Kinder).
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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Die dargestellten bereichsspezifischen Anforderungen und die Anforderungen der Sachgerechtigkeit an den steuerrechtlichen Vergleichsmaßstab sind somit auf den jeweils als Besteuerungsgut in Betracht kommenden Umstand anzuwenden, weil die besonderen steuerrechtlichen Anforderungen des Gleichheitssatzes bereits im spezifischen Besteuerungsgegenstand als Vergleichsmaßstab jedes Steuergesetzes abgebildet werden müssen. b) Leistungsjähigkeitsprinzip
aa) Überwiegende Anerkennung des Maßstabs der Leistungsfähigkeit als steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab Den vielfältigen Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes an einen spezifisch steuerrechtlichen Vergleichsmaßstab genügt nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur l92 und auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 193 nur das Kriterium der "wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit". 192 Leistungsflihigkeit sehen als steuerspezifischen Vergleichsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG an: 1ipke, SteuRO I, § 7 5.86, S. 322 ff. m.N., § 9 2.31, S. 480, § 9 2.32, S. 485, § 2.3421, S. 500; ders., Steuergerechtigkeit, S. 57 ff. m.N.; ders., StuW 1988,262,270 ff.; ders., StuW 1994, 58, 59; P. Kirchhof, StuW 1996, 3,6; ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 114; ders., StuW 1984, 297, 304 f.; K. Vogel, DStJG 12 (1989), 123, 141 ff.; ders., DStZ/ A 1975,409,410 f.; VogellWaldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 100a115, Rnr. 516 ff.; Birk, Leistungsflihigkeitsprinzip, S. 59 ff., S. 161 ff.; ders., StuW 1983, 293, 295; ders., StuW 1989, 212, 213; ders., Steuerrecht I, § 2 Rnr. 9 ff.; Lang, in: Tipke/ Lang, § 4 A. 3.1. Rz. 13, § 4 C. 1.2.1. Rz. 81; ders., Entwurf eines Steuergesetzbuchs, S. 94 f. (Rz. 354, 358); Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 A.1., Rz. 1; Ruppe, in: Kirchhof/Söhn, EStG/ KStG, Einf. ESt. Anm. 543; Wendt, DÖV 1988, 710, 712 f.; ders., BB 1987, 1257, 1259 f.; Stern, in: Stern, Staatsrecht 11, § 46 I.5.c)ß), S. 1109 m.N.; Friauf, StuW 1985, 308, 312 f.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 199; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 10 ff., 42 ff.; Schneider, StuW 1979,38,38 f.; Birk/lnhester, StuW 1996, 227, 229 f.; Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 7 f.; dies., StuW 1998,193,198; Kruse, StuW 1990,322,324. 193 Ständ. Rspr.: BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 216, 232 (Kinderbetreuungsbedarf); BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 246, 259 ff. (Wohnbedarf); BVerfG v. 10.03. 1998 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 97, 332, 346 (Kindergartengebühr); BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 135 (Vermögensteuergesetz); BVerfG v. 26. 01. 1994 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 89, 346, 352 f. (Berufsausbildungskosten); BVerfG v. 29. 05. 1990 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 82, 60, 86 f.; BVerfG v. 23.01. 1990 - 1 BvL 4,5,6,7/87 -, BVerfGE 81, 228, 236 f. m.N. (Bußgeldabzug); BVerfG v. 10. 02. 1987 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 74, 182, 199 f. (Einheitswertbesteuerung); BVerfG v. 04. 10. 1984 - 1 BvR 789/79 -, BVerfGE 67, 290, 297; BVerfG v. 22. 02. 1984 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 66, 214, 223; BVerfG v. 03. 11. 1982 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 61,319,343 f.; BVerfG v. 10. 12. 1980 - 2 BvF 3/77 -, BVerfGE 55, 274, 302 (Ausbildungsplatzabgabe); BVerfG v. 11. 10. 1977 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 47,1,29 (Hausgehilfinnenfreibetrag); BVerfG v. 23.11. 1976 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 43,108,120 f. (Kinderfreibetrag); BVerfG v. 24. 01. 1962 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 13, 290, 297 (Ehegatten-Arbeitsverhältnisse); BVerfG v. 14.04. 1959 - 1 BvL 23, 34/57 -, BVerfGE 9,237,243 (Zusammenveranlagung von Ehegatten).
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird gewöhnlich definiert als die "Fähigkeit von Personen, Steuern aus dem gespeicherten Einkommen entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens zahlen zu können. ,,194 Legt man die so verstandene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dem Steuerrecht als Maßstab zur Beurteilung der Belastungsgleichheit zugrunde, so kommt als Besteuerungsgut eines Steuergesetzes nur ein Sachverhalt oder Umstand in Betracht, welcher wirtschaftliche Leistungsfrihigkeit in diesem Sinne indiziert. Das in dieser Weise verstandene Leistungsfähigkeitsprinzip wird in der Tat den oben 195 entwickelten Anforderungen an den steuerrechtlichen Vergleichsmaßstab gerecht. Denn es gebietet, die Besteuerung ausschließlich an solche Merkmale anzuknüpfen, die die Fähigkeit indizieren, aus erzieltem Einkommen (im weiteren Sinne l96 ) Steuerleistungen zu erbringen, und gewährleistet damit, daß der Staat durch die Erhebung von Steuern nur auf solche Vermögensteile zugreift, welche Ergebnisse freiheitlicher wirtschaftlicher Betätigung oder freigiebiger Zuwendungen sind. 197 Daraus folgt zugleich, daß Zugriffsobjekt einer Steuer auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips die individuelle Leistungsfähigkeit einer Person iSt. 198 Diese ist jedoch, wie bereits erwähnt, ausschließlich als Ist-Leistungsfähigkeit zu ermitteln, die bloße Erwerbsfähigkeit in Form von Soll-Leistungsfrihigkeit darf hingegen nicht besteuert werden. 199 . Dadurch läßt sich ferner Lastengleichheit zwischen den Steuerträgern sicherstellen, denn die Steuerträger werden auf diese Weise jeweils in bezug auf den bei ihnen eintretenden Belastungserfolg verglichen, was auf Grund des Charakters der Steuern als Gemeinlasten zu fordern ist. 2oO Schließlich wird durch die Beschränkung des staatlichen Zugriffs auf die Zahlungsfähigkeit "entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens" ausgedrückt, daß die wegen der Einwirkung der freiheitsgrundrechtlichen Gewährleistungen in den Bereich des Gleichheitssatzes zu beachtenden Einschränkungen (Verhältnismäßigkeitsprinzip, Nettoprinzip )201 im Vergleichsmaßstab be-
194 Wortlich Tipke, SteuRO I, § 9 2.31, S. 481 m.N. (Hervorhebung im Original); ders., StuW 1994,58,60. In vergleichbarer Weise (z.T. jedoch ohne die Einschränkung: "entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens") wird "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" definiert von: Vogel/WaldhojJ, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-1l5, Rnr. 5; Birk, Leistungsfahigkeitsprinzip, S. 67 f.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 97; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 10; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III. 2.d), S. 49 f.; Söhn, FinArch. Bd. 46 (1988), 154, 161 m. w. N.; fachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 8. 195 s. oben, Teil c.n.l.a), S. 203 ff. 196 Zum ökonomischen Einkommensbegriff des Leistungsfähigkeitsprinzips s. sogleich Teil C.II.l.b)bb), S. 218 f. 197 Zu diesem Erfordernis vgl. oben, Teil c.n.l.a)aa)(I), S. 205 f. 198 s. nur TIpke, SteuRO I, § 9 2.341 d), S. 497. 199 TIpke, SteuRO I, § 9 2.341 f), S. 497 f.; s. auch oben, Teil c.n.l.a)aa)(l), S. 205. 200 Zu diesem Erfordernis vgl. oben, Teil c.n.l.a)aa)(2), S. 206. 201 Zu diesen Erfordernissen vgl. oben, Teil c.n.l.a)bb), S. 207 ff.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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rücksichtigt werden. Insofern ist diese Einschränkung ein nicht entbehrlicher Teil des Inhaltes des steuerrechtlichen Vergleichsmaßstabs. 202
bb) Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips bei der Auswahl eines Besteuerungsgegenstandes Die Besteuerung auf der Grundlage des Maßstabs der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, kurz: das sogenannte Leistungsfähigkeitsprinzip, ist demnach als spezifisch steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG tauglich. Der Steuergesetzgeber darf daher auf Grund seiner Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz als Besteuerungsgut nur ein Kriterium wählen, welches Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit im oben genannten Sinne ist. Als derartige Kriterien (oder auch: Indikatoren) gelten heute lediglich die drei Faktoren Einkommen (i.S.v. Einkommenserzielung), Vermögen und Konsum?03 Ein verfassungsmäßiges Steuergesetz darf somit ausschließlich die Belastung eines dieser Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit bezwecken. Der "weitreichende Entscheidungsspielraum", welcher dem Gesetzgeber durch das Bundesverfassungsgerichr04 für die (Er-)Findung von Steuerquellen zur Erzielung staatlicher Einnahmen geradezu gewohnheitsmäßig formelhaft zugestanden wird, ist also tatsächlich durch das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht unerheblich begrenzt. Dem Steuergesetzgeber ist also zunächst ein abgegrenzter Bereich vorgegeben, innerhalb dessen er Besteuerungsgegenstände zu finden hat. Demgegenüber ist der Gesetzgeber jedoch grundsätzlich frei in der Entscheidung darüber, ob im Rahmen der Gesamtsteuerrechtsordnung lediglich ein oder mehrere der genannten Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit belastet werden sollen. 205 Entschließt sich der Gesetzgeber aber zur Schaffung eines Vielsteuersystems, gebietet wiederum das Leistungsfähigkeitsprinzip die Vermeidung kumulativer Belastungswirkungen, die durch gleichzeitige Besteuerung aller denkbaren Leistungsfähigkeitsindikatoren entstehen können. Die einzelnen Steuerarten eines Vielsteuersystems müssen auf Grund der Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips derart aufeinander abgestimmt werden, daß sowohl das Verhältnismäßigkeitsprinzip als auch das steu202 Anders jedoch ausdrücklich Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 104a-1l5, Rnr. 516. 203 Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.2.2, Rz. 95 ff.; ders., Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 124 ff. (Rz. 450 ff.); P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 70 ff.; Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 104a-1l5, Rnr. 528; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167; Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 31 f. m.N.; Thiel, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 197; fachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 36. 204 Vgl. Nachweise oben in Fn. 182. 205 Zu den Vor- und Nachteilen eines Alleinsteuersystems gegenüber einem Vielsteuersystem s. nur Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.2.2, Rz. 92 ff. m.N.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG
errechtliche Nettoprinzip nicht nur durch jede Einzelsteuer, sondern auch durch das Gesamtsteuersystem gewahrt werden. 206 Dies erschließt sich insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, daß sowohl der Vermögensbestand als auch die für Verbrauchszwecke verwendeten Vermögensteile letztlich nur einem zuvor erzielten Einkommen (im weiteren Sinne) entstammen können. Der Vermögensbestand in Form ruhenden Vermögens beschreibt dabei einen Zustand bzw. Zeitpunkt der Manifestation des Erworbenen.207 Durch Akte der Einkommenserzielung sowie der Einkommens- oder Vermögensverwendung werden dagegen die Zeitpunkte charakterisiert, in denen das Einkommen, auch soweit es zwischenzeitlich manifestiert war, in seiner Bewegung, d. h. bei einem Wechsel in seiner Zuordnung zwischen verschiedenen Personen, erlaßt werden kann. 20g Daraus folgt, daß alle anerkannten Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit letztlich auf dasselbe Objekt "Einkommen" Bezug nehmen. Besteuerungsobjekt jeder Steuer ist auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips also allein das Einkommen (im weiteren Sinne) einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. in einem bestimmten "Aggregatzustand".209 Auch Steuerzahlungen können ausschließlich aus eben diesem Einkommen beglichen werden.2 10 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, daß sich der hier bei der Untersuchung des Leistungsfähigkeitsprinzips verwendete Begriff des "Einkommens" nicht etwa mit dem Einkommensbegriff des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes deckt, sondern erheblich weiter gefaßt werden muß. 211 Da mit Hilfe des Kriteriums der Leistungsfähigkeit das wirtschaftliche Potential einer Person vollständig erlaßt und beschrieben werden soll, muß der Einkommensbegriff des Leistungsfähigkeitsprinzips notwendigerweise alle wirtschaftlichen Werte jeglicher Art, also sämtliche wirtschaftlich bedeutsamen Mittelzuflüsse sowie bereits manifestierte Einkommensteile umfassen. "Einkommen" im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips ist daher als "ökonomisches Einkommen" zu verstehen. 212 Es umfaßt daher neben den Ergebnissen freiheitlicher wirtschaftlicher Betätigung einer Person insbesondere auch Mittelzuflüsse auf Grund freigiebiger 206 Dazu insb. BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 ff. (Vermögensteuergesetz). 207 Tipke, SteuRO I, § 9 2.3421, S. 500, SteuRO II, § 152.21, S. 775. 208 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 70 ff.; ders., StuW 1996, 3, 5. 209 Tipke, SteuRO II, § 152.21, S. 775 (Vermögensteuer), § 192.41, S. 903 ff. (Umsatzsteuer), § 21 1.3, S. 963 ff. (besondere Verbrauchsteuern); s. dazu auch P. Kirchhof, StuW 1996,3,5 f.; Jachmnnn, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 36; Teichmnnn, Der Verlust des Vorsteuerabzugs im steuerfreien Bereich der Mehrwertsteuer, S. 75 f. 210 Tipke, SteuRO 1(1. Aufl.), Vorwort S. VII f. sowie SteuRO I, § 9 1., S. 471, SteuRO II, § II 5.1, S. 533 ff. 211 BVerfG v. 06. 12. 1983 a. a. O. (Fn. 182), BVerfGE 65, 325, 347. Vgl. auch Pelka, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192,198. 212 Vgl. Pelka, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 198; BVerfG v. 06. 12. 1983 a. a. o. (Fn. 182), BVerfGE 65, 325, 347.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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Zuwendungen, wie Erbschaft oder Schenkung, die ohne Leistung des Empfangenden bei diesem zu einer Erhöhung seines Vermögens führen. Mit der Entscheidung für die gleichzeitige Besteuerung jedes der drei Indikatoren Einkommen (i.S.v. Einkommen im Zeitpunkt der Erzielung), Vermögen (LS.v. Einkommen im Zeitpunkt der Manifestation) und Konsum (LS.v. Einkommen oder Vermögen im Zeitpunkt seiner konsumtiven Verwendung) sorgt der Gesetzgeber also für eine Mehrfachbelastung des ökonomischen Einkommens einer Person. Dies ist aus Steuergerechtigkeitsgründen nur dann zulässig, wenn die Gesamtbelastung des Einkommens in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung zumutbar ist und wenn das steuerrechtliche Nettoprinzip bezogen auf alle steuerlich erfaßten Einkommensteile gewährleistet wird. Darüber hinaus erscheint es allerdings durchaus sinnvoll, mittels verschiedener Einzelsteuern insbesondere die Einkommenserzielung neben der Einkommens- oder Vermögensverwendung zu besteuern, da sich die Einzelsteuergesetze bei entsprechender Gestaltung und Abstimmung in diesem Fall in ihrem gemeinsamen Ziel der gleichmäßigen Belastung des ökonomischen Einkommens zweckmäßig ergänzen können. 213 Gegen die Besteuerung des Vermögensbestandes als solchen hinsichtlich seiner bloßen Ertragsfähigkeit neben der zeitgleichen Besteuerung von Einkommenserzielung und Einkommens- oder Vermögensverwendung bestehen dagegen auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips durchgreifende Bedenken, denen allerdings im Rahmen dieser Untersuchung nicht nachgegangen werden kann. 214 Zusammenfassend ist also festzustellen, daß das Gebot der Besteuerung entsprechend der Fähigkeit einer Person, Steuerleistungen aus dem gespeicherten Einkommen im Verhältnis zur Höhe des disponiblen Einkommens zu erbringen (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit), als gleichheitsrechtlicher Vergleichsmaßstab für das Steuerrecht herangezogen werden kann. Die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips als spezifisch steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab führt indes zu einer Begrenzung des Spielraumes des Steuergesetzgebers. Dieser ist auf Grund seiner Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz und des daraus abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzips gehalten, als Besteuerungsgut nur Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit auszuwählen. Darüber hinaus hat der Steuergesetzgeber sowohl innerhalb jeder Einzelsteuer als auch bezogen auf das Gesamtsystem die Grenzen der Besteuerung zu beachten, die das Leistungsfähigkeitsprinzip vor allem durch das ihm immanente Verhältnismäßigkeitsprinzip und das steuerliche Nettoprinzip zieht.
Genauer dazu s. unten, Teil C.1I.2.b), S. 229 ff. Vgl. dazu insb. die Vermögensteuer-Entscheidung des BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 ff., sowie: 1ipke, SteuRO 11, § 152.2, S. 775 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.2.2. c)aa), Rz. 102 ff. m.N.; ders., WM 1998,2516; Seer, in: Tipkel Lang, § 13 B. 2., Rz. 73 f. 213
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cc) Kritik am Maßstab der Leistungsfähigkeit (1) Die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips als spezifisch steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab findet allerdings in der Literatur nicht nur Zustimmung. Das Leistungsfähigkeitsprinzip im dargestellten Sinne ist vielmehr einer anhaltenden Kritik ausgesetzt.
Der wohl wichtigste Einwand der Kritiker gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip ist in dem Vorwurf zu sehen, das Kriterium wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sei zu unbestimmt, um als gleichheitsrechtlicher Vergleichsmaßstab des Steuerrechts die konkreten systemtragenden steuerlichen Prinzipien zu determinieren. 215 Dieser Kritik ist zuzugeben, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich unbestimmt ist. Der Grund dafür liegt jedoch in dem hohen Grad an Abstraktion und Allgemeinheit, welchem das Leistungsfähigkeitsprinzip als allgemeingültiges Fundamentalprinzip gleichmäßiger Besteuerung naturgemäß gerecht werden muß?16 Jeder andere denkbare steuerspezifische Vergleichsmaßstab müßte in ähnlicher Weise allgemein und abstrakt, also in ähnlicher Weise inhaltlich konkretisierungsbedürftig sein. Aus diesem Grunde kann die Kritik am Leistungsfähigkeitsprinzip nur dann durchgreifen, wenn es nicht lediglich inhaltlich unbestimmt, sondern darüber hinaus auch inhaltlich unbestimmbar wäre. Dies trifft jedoch nicht ZU?1? Mit der Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Maßstab der steuerlichen Lastengleichheit scheiden andere steuerrechtliche Gleichheitsmaßstäbe, wie z. B. das Kopfsteuerprinzip oder das Äquivalenzprinzip, aus, worin bereits eine wesentliche inhaltliche Aussage des Leistungsfähigkeitsprinzips zu sehen ist. 218 Weitere Konkretisierungen des Prinzips sind darüber hinaus nicht ausgeschlossen. Denn die als Leistungsfähigkeitsprinzip bezeichneten Grundsätze sachgerechter Besteuerung sind Ableitungen aus Grundprinzipien der Verfassung sowie aus dem Charakter der Besteuerung vor dem Hintergrund des Grundgesetzes und damit keineswegs inhaltslos. Die Anforderungen des Leistungsfahigkeitsprinzips nehmen weiterhin 215 Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 m.2.d), S. 52 f.; Littmann, FS f. F. Neumark 1970, 113, 113 f.; Amdt, FS f. Mühl 1981, 17, 18 ff.; ders., NVwZ 1988, 787, 790 f.; Leisner, StuW 1983, 97, 101; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 199. Vgl. auch BVerfG v. 23. 11. 1976 - 1 BvR 150/75 -, BVerfGE 43, 108, 120. 216 1ipke, SteuRO I, § 92.341, S. 492 f.; ders., StuW 1988,262,272; Lang, in: Tipke/ Lang, § 4 C. 1.2.1, Rz. 83 i.Y.m. § 4 A. 3.1, Rz. 16; Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115, Rnr. 523 ff.; P. Kirchhof, StuW 1985, 319, 319 f.; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 42 f.; Birk, StuW 1983, 293, 297. 217 1ipke, SteuRO I, § 9 2.341, S. 493 ff.; Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115, Rnr. 525 ff.; P. Kirchhof, StuW 1985,319,320 ff. - jeweils mit Beispielen zur spezifischen Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Weiterhin s. auch Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.1, Rz. 83; Birk, StuW 1983, 293, 297. 218 1ipke, SteuRO I, § 9 2.341, S. 494; ders., StuW 1988, 262, 271; P. Kirchhof, StuW 1985,319,320.
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im Bereich der für eine gleichmäßige Besteuerung unverzichtbaren Prämissen Regelungscharakter an, sind an anderer Stelle jedoch zugleich offen für auf den Einzelfall bezogene Wertungskriterien. Daher ist es möglich, die spezifischen Anforderungen des Gleichheitssatzes innerhalb spezieller Steuerarten im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips zur Geltung zu bringen und gleichzeitig steuerartübergreifend einen grundlegenden Standard gleichmäßiger und freiheitssichernder Besteuerung zu gewährleisten. Sofern das Leistungsfähigkeitsprinzip als Grundprinzip gerechter Besteuerung bei der Gestaltung des inneren steuerrechtlichen Systems219 , d. h. bei seiner Anwendung im Rahmen eines Einzelsteuergesetzes, die Wahl zwischen verschiedenen Subprinzipien ermöglicht, ist dies keineswegs ein Symptom für die Unbrauchbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips, sondern lediglich ein Ausdruck der Gleichrangigkeit bestimmter Wertungen vor dem Gleichheitssatz. Die Umsetzung der zwingenden Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips im Rahmen der Einzelsteuergesetze, aber auch die Ausfüllung von Wertungsspielräumen ist Aufgabe des Steuergesetzgebers.z2o Dieser kann eine folgerichtige und einzelfall gerechte Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips stets gewährleisten. Die inhaltliche Unbestimmtheit spricht somit nicht gegen eine Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips als spezifisch steuerrechtlichen Vergleichsmpßstab. (2) Weiterhin wenden sich insbesondere Paul Kirchhof21 und Heinrich Wilhelm Kruse 222 gegen eine Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf sämtliche Bereiche des Steuerrechts. Die genannten Autoren argumentieren, daß sämtliche Verbrauchsteuern sowie die übrigen indirekten Steuern nicht am Kriterium wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausgerichtet sein müßten. Damit wird der Charakter des Kriteriums der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als allgemeiner spezifisch steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab für die Beurteilung steuerlicher Belastungswirkungen in Frage gestellt. Dieser Ansicht muß indes entschieden widersprochen werden. Auch im Bereich der indirekten Steuern entfaltet das Leistungsfähigkeitsprinzip seine volle Wirksamkeit. Zur Begründung dieser Annahme sei an dieser Stelle nur auf die Auseinandersetzung mit diesem - für die vorliegende Untersuchung grundlegenden Problem der Gültigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich der indirekten Steuern im Teil C.II.2. 223 verwiesen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist demnach ein im Bereich des gesamten Steuerrechts anwendbares Steuergerechtigkeitsprin219 Zum inneren steuerrechtlichen System s. nur Tipke, SteuRO I, § 4 2., S. 67 ff.; Lang, in: Tipke / Lang, § 4 A.3., Rz. 9 ff. 220 Tipke, SteuRO I, § 9 2.341, S. 493; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 91; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 52. 221 P. Kirchhof, StuW 1985,319, 324; ders., StbKongrRep. 1988,29, 37; eingeschränkt: ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 120 ff. 222 Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 51 f. 223 s. unten, S. 224 ff.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
zip und kommt auch deshalb als spezifischer steuerrechtlicher Gleichheitsmaßstab in Betracht. (3) Schließlich wird gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vorgetragen, das Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit könne zwar durchaus als steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab in Frage kommen, es müsse jedoch nicht zwangsläufig den einzig richtigen Maßstab darstellen. 224 Dieser Einwand mag zutreffen. Bisher ist es allerdings auch den Kritikern des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht gelungen, einen alternativen gleichheitsrechtlichen Maßstab zur Verteilung der Gesamtsteuerlast zu entwickeln. Da eine Orientierung am Kriterium der Leistungsfähigkeit aber eine solche Verteilung gewährleistet, ist das Leistungsfähigkeitsprinzip als derzeit einzig tauglicher und dariiber hinaus auch überzeugender steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab mit dem oben dargestellten Inhalt anzuwenden.
dd) Leistungsfähigkeitsprinzip zugleich Ausdruck anderer Verfassungs prinzipien Das Leistungsfähigkeitsprinzip, welches hier als steuerrechtliche Spezifizierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG entwickelt wurde, findet verfassungsrechtlich indes auch in anderen Normen des Grundgesetzes eine Stütze. Insbesondere Klaus Vogez2 25 geht von einer sogar "vierfachen Wurzel" des Leistungsfähigkeitsprinzips in der Verfassung aus. Nach seiner Ansicht ist das Leistungsfahigkeitsprinzip nicht nur als bereichsspezifische Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Steuerrecht zu verstehen. Es sei dariiber hinaus vor allem als Grundgedanke des Art. 106 GG 226 zu interpretieren, als Folgerung aus dem Sozialstaatsprinzip227 anzuerkennen und könne außerdem durch das Rechtsstaatsprinzip 228 in seiner Ausprägung als verfassungsrechtliches Willkürverbot in224 Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 1I1.2.d), s. 50 f.; ders., DStJG 5 (1982), 71, 80; Littmann, FS f. F. Neumark, 113, 126; Amdt, FS f. O. Müh11981, 17,29 ff.; Birk, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996,192,197. 225 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 92; VogelIWaldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 104a-115, Rnr. 519. 226 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 92; ders., DStJG 12 (1989), 123, 142; VogellWaldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115, Rnr. 519 f. Ebenso auch P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 68 ff.; a.A. Tipke, SteuRO 1(1. Aufl.), § 10 2.33, S. 490, SteuRO 11, § 192.42, S. 908 ff., und SteuRO III, § 25 2.13, S. 1092 ff. 227 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 93; ders., DStJG 12 (1989), 123, 143 f.; VogellWaldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115, Rnr. 521. Ebenso auch Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 123 ff., 139 ff.; Tipke, SteuRO I, § 7 7.21, S. 402 ff., § 9 2.32, S. 484; P. Kirchhof, StuW 1984,297,306.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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haltliehe Konturen erlangen. Daneben wird das Leistungsfahigkeitsprinzip vor allem von Paul Kirchhof29 auch aus dem Zusammenwirken des Art. 3 Abs. I GG mit Art. 14 GG abgeleitet. Mithin wird heute oft vom Leistungsfähigkeitsprinzip nicht nur als Fundamentalprinzip 230 der Steuergerechtigkeit, sondern ebenso vom Leistungsfähigkeitsprinzip als einem Verfassungsprinzip231 gesprochen. Es kann indes im Rahmen dieser Untersuchung dahingestellt bleiben, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip wirklich in derart vielen verfassungsrechtlichen Normen und Prinzipien verwurzelt ist. Durchgreifenden Zweifeln begegnet zwar insbesondere die Interpretation des Art. 106 GG als verfassungsrechtliche Kodifikation des Leistungsfähigkeitsprinzips; diese Zweifel sind jedoch innerhalb der vorliegenden Untersuchung erst an systematisch geeigneterer Stelle232 darzustellen. Denn die Möglichkeit, das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht nur als spezifischen Vergleichsmaßstab im Rahmen der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf das Steuerrecht begreifen, sondern die Geltung des Prinzips auch aus anderen Verfassungsnormen herzuleiten, ist für die weitere gleichheitsrechtliche Priifung der finanziellen Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG irrelevant. Für die Anwendung des Art. 3 Abs. I GG als Priifungsmaßstab ist hier ausschließlich entscheidend, daß der allgemeine Gleichheitssatz im Steuerrecht mit Hilfe des Leistungsfahigkeitsprinzips als dem spezifischen Vergleichsmaßstab konkretisiert werden kann.
c) Ergebnis
Die gleichheitsrechtliche Priifung der Belastungswirkungen steuerrechtlicher Normen bedarf eines spezifischen sachgerechten Vergleichsmaßstabs für jedes Steuergesetz, welcher materielle Belastungsgerechtigkeit zu verwirklichen vermag. Diese Anforderung wird erfüllt, wenn der Steuergesetzgeber einen spezifischen Besteuerungsgegenstand233 so auswählt, daß die Steuer in ihren wirtschaft228 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 93; ders., DStJG 12 (1989), 123, 144; Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-115, Rnr. 520. 229 P. Kirchhof, StuW 1985, 319, 323 f.; ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 114 ff. 230 Tipke, SteuRO I, § 9 (Auf der Suche nach einem sachgerechten Fundamentalprinzip sozial gerechter Besteuerung), S. 469 ff., insb. § 92.3, S. 479 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.1, Rz. 81; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 ff.; Schaumburg, FS f. K. Tipke 1995, 125, 125; a.A. Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 1I1.2.d), S. 51. 231 Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbern. z. Art. l04a-115, Rnr. 524 m.N.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 59 ff., 66 11.; fachmann, StuW 1998, 193, 198 m.N.; Tipke, SteuRO I, § 9 2.33, S. 491 f.; P. Kirchhof, StbKongrRep. 1988, 29, 34 ff.; ders., StuW 1985,319,323; a.A. Amdt, FS f. O. Müh11981, 17,26 ff.; Schaumburg, FS f. K. Tipke 1995, 125, 125. 232 s. unten, Teil C.II.2.a), S. 227 ff.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
lichen Belastungswirkungen nur auf die Ergebnisse 234 freiheitlicher wirtschaftlicher Betätigung oder auf Bereicherungen infolge freigiebiger Zuwendungen zugreifen kann, wobei dem belasteten Steuerträger jedoch ein Kembestand des durch eigene Leistung Erworbenen zur privatnützigen Verwendung verbleiben muß. Ein steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab muß daher Besteuerungsgleichheit in der "angemessenen Last,,235 verwirklichen können und zugleich diejenigen Aufwendungen von der Besteuerung freistellen 236 , die der belastete Steuerträger zur Sicherung seiner Existenz, zur Erfüllung von Unterhaltspflichten oder zur Sicherstellung der Einkommenserzielung benötigt. Unter Zugrundelegung dieser Anforderungen kommt nach dem derzeitigen Stand der Steuerrechtswissenschaft nur das Leistungsfähigkeitsprinzip als spezifisch steuerrechtlicher Vergleichsmaßstab einer Gleichheits prüfung steuerlicher Belastungswirkungen in Betracht. 237 Dieses läßt als Besteuerungsgüter ausschließlich Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu. 238 Gleichzeitig fordert und ermöglicht es die Berücksichtigung freiheitsrechtlicher Grenzen der Besteuerung sowohl innerhalb jeder Einzelsteuer als auch bezogen auf das Gesamtsystem der Besteuerung. Inhaltliche Unbestimmtheiten des Prinzips sind auf Grund seiner Allgemeinheit allerdings unvermeidbar?39 Daher müssen bei der Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips innerhalb jeder Einzelsteuer bereichs spezifische Wertungen zur Konkretisierung des Prinzips entwickelt werden.
2. Anwendbarkeit des Leistungsiähigkeitsprinzips als Lastenausteilungsmaßstab im Umsatzsteuerrecht
Nach all dem bisher zum Leistungsfähigkeitsprinzip Gesagten sollte, die prinzipielle Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Lastenausteilungsmaßstab vorausgesetzt, auch dessen Anwendbarkeit im Bereich des Umsatzsteuerrechts nicht mehr zweifelhaft sein. Denn die soeben ermittelten Ergebnisse gelten auf Grund der Allgemeingültigkeit ihrer Herleitung für jedes Steuergesetz. Befürwortet man also den hier gewählten Ansatz, die verfassungsrechtliche Prüfung steuerrechtlicher Normen jeweils spezifisch auf die verschiedenen Normwirkungen zu beziehen, und geht man weiterhin davon aus, daß Belastungswirkungen steuerrechtlicher Normen vorrangig am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen sind 24o , so muß man einen für den spezifischen Bereich des Steuer233 Welcher mit dem für das spezifische Steuergesetz geltenden gleichheitsrechtlichen Vergleichsmaßstab identisch ist, s. oben, Teil c.n.l.a)cc), S. 211 ff. 234 Dazu oben, Teil c.n.l.a)aa)( 1), S. 204 ff. 235 s. oben, Teil c.n.l.a)bb)(1), S. 209 f. 236 s. oben, Teil c.n.l.a)bb )(2), S. 210 f. 237 Vgl. oben, Teil c.n.l.b), S. 215 ff. 238 Dazu oben, Teil c.n.l.b)bb), S. 217 ff. 239 s. oben, Teil c.n.l.b )cc)(1), S. 220 f.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatz steuerrecht
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rechts als allgemeingültig erkannten Vergleichsmaßstab zwingend auch im Umsatzsteuerrecht anerkennen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein tauglicher spezifisch steuerrechtlicher Lastenausteilungsmaßstab. Es muß daher auch für die Beurteilung der Gleichmäßigkeit umsatzsteuerrechtlicher Belastungen herangezogen werden. 241 Dieses Ergebnis wird auch von denjenigen Autoren vorausgesetzt, welche im Rahmen der neueren steuerrechtlichen Diskussion nachdriicklich für eine stärkere Konsumorientierung der Besteuerung eintreten. 242 In jüngster Zeit riickt die Besteuerung privaten Verbrauchs - sei es mittels direkter oder indirekter Steuern, mittels einer Alleinsteuer auf den Konsum oder eines kombinierten Konsumsteuersystems - zunehmend in den Vordergrund grundsätzlicher Überlegungen zur Reform des Steuerrechtssystems. Tendenziell gehen die Argumentationen dahin, ein überwiegend an der Besteuerung des privaten Verbrauchs anknüpfendes Steuersystem könne mindestens ebenso "gerecht" und vielleicht sogar einfacher sein als das gegenwärtige, vorrangig an die Einkommenserzielung anknüpfende System, weil bei geeigneter Gestaltung eines derartigen Konsumsteuersystems eine zuverlässige und unkomplizierte Besteuerung nach der individuellen (Konsum-)Leistungsfähigkeit243 möglich erscheine. 244
s. dazu oben, Teil B.II.2., S. 150 ff. Ebenso: Tipke, SteuRO 11, § 192.3, S. 899 ff.; ders., StuW 1992, 103, 108 ff.; ders., Steuergerechtigkeit, S. 35, 60, 101 f.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.1.b), Rz. 85; ders., Besteuerung des Konsums aus gesetzgebungspolitischer Sicht, in: Rose, Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, 291, 311 f.; ders., Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 122 f. (Rz. 443, 447); Reiß, DStJG 13 (1990), 3,20; ders., in: Tipke/Lang, § 14 A. 1., Rz. 1; Teichmann, Der Verlust des Vorsteuerabzugs im steuerfreien Bereich der Mehrwertsteuer, S. 72 ff.; ders., StuW 1975, 189, 193; fachmann, StuW 1998, 193, 198 (Fn. 60); Lehner, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 199 f.; Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 49, 50 ff.; Thiel, FS f. K. Tipke 1995, 295, 296; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 19 ff., 38 ff. 242 S. Z. B. die Beiträge in Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, Heidelberg 1991, insb. die Beiträge im Vierten Teil (Die Konsumbesteuerung aus juristischer Sicht) von Lang (S. 291 ff., zur Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips S. 310 ff.) und Birk (S. 351 ff., zur Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips S. 361 ff.); Rose, Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems - Bericht über den Heidelberger Konsumsteuerkongreß -, StuW 1990,88 ff.; Lang, StuW 1990, 107, 113 ff.; ders., in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.2.2.d), Rz. 116 ff.; Tipke, SteuRO 11, § 124.23, S. 570 ff. und § 192.4, S. 903 ff.; Schwinger; StuW 1994,39 ff. 243 Die Anknüpfung eines konsumorientierten Steuersystems an die Konsumleistungsfähigkeit müßte sich insofern von der Anknüpfung des geltenden Steuersystems an das Leistungsfähigkeitsprinzip unterscheiden, als mittels einer Besteuerung der Konsumleistungsfähigkeit das Auftreten von Umverteilungswirkungen ausgeschlossen wäre: Lang, StuW 1990, 107, 113 ff.; ders., Entwurf eines Steuergesetzbuchs, S. 162 (Rz. 458); Birk, Verfassungsrechtliche Grenzen der Konsumbesteuerung, in: Rose, Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, 351, 360. 244 s. Nachweise bei Tipke, SteuRO 11, § 192.3, S. 901 f. 240
241
15 Löhr
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Diese Vorschläge basieren also auf der Annahme, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip im Bereich einer solchen Steuer ebenso wie im Bereich einer Alleinsteuer auf die Einkommenserzielung gelten müsse. Für ein Steuersystem, innerhalb dessen dagegen Steuern auf den Verbrauch mit Steuern auf die Einkommenserzielung kombiniert werden, kann dann hinsichtlich der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips auf die Einzelsteuern nichts anderes gelten. Trotz alledem wenden sich bis heute ernstzunehmende Stimmen in der Literatur beharrlich gegen die Annahme, das Leistungsfähigkeitsprinzip gelte auch im Umsatzsteuerrecht. Hier sind vor allem Paul Kirchhof45 und Heinrich Wilhelm Kruse 246 zu nennen 247 , deren überaus detaillierte Argumentationen gegen die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht Anlaß für eine intensivere Auseinandersetzung mit diesem Problem sein müssen. Darüber hinaus wird das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Literatur zum Teil 248 für im Bereich indirekter Verbrauchsteuern zwar anwendbar, jedoch wenig aussagekräftig gehalten. Auch dieser Einwand ist im Verlaufe der folgenden Untersuchung zu entkräften. Die genannten Autoren zweifeln indes nicht an der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips als Lastenausteilungsmaßstab generell. Insbesondere für den Bereich der Einkommensteuer halten auch sie das Kriterium wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für einen tauglichen Gerechtigkeitsmaßstab. 249 Demzufolge sind es die Besonderheiten der Umsatzsteuer als indirekter Verbrauchsteuer, welche die erwähnten Zweifel hervorrufen. Es bedarf daher einer genaueren Analyse aller Argumente für und wider die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht unter besonderer Beachtung der strukturellen Unterschiede zwischen den direkten Steuern auf die Einkommenserzielung und der Umsatzsteuer als indirekter Steuer auf die Einkommensverwendung.
245 P. Kirchhof, StuW 1985, 319, 324; ders., StbKongrRep. 1988, 29, 37; ders., StuW 1984, 297, 305 f. Etwas anders und möglicherweise als Aufgabe genereller Ablehnung des Leistungsfähigkeitsprinzips für indirekte Steuern zu verstehen später indes: ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 72, 120 ff.; ders., Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996,192,199: Das Leistungsfahigkeitsprinzip gelte auch im Bereich indirekter Steuern, jedoch nur in einem allgemeinen Sinne. Die indirekten Steuern belasteten nicht individuelle Leistungsflihigkeit, sondern eine vermutete Nachfragekraft, d. h. eine typisierte Leistungsflihigkeit. 246 Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 51 f.; ders., DStJG 5 (1982), 71, 77 f.; ders., Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 197. 247 Daneben s. auch: Horn, StuW 1970, Sp. 145, 148. 248 Rüjner; in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 199; wohl auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 186 ff., 192 ff. 249 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 116 ff.; ders., StuW 1985, 319,324; Kruse, DStJG 5 (1982), 71, 77 ff.; ders., Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 50 f.; Rüjner; in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 199 f.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
227
a) Keine Folgerung aus Art. 106 GG Für die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht wird insbesondere von Klaus VogeP50 zunächst Art. 106 GG angeführt. Diese Vorschrift verteilt das erzielte Steueraufkommen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Nach der Ansicht Klaus Vogels bezieht sich die Norm dabei jedoch ausschließlich auf den überkommenen Steuerbegriff sowie die traditionellen Steuerarten, welche bereits zu einer Zeit in vergleichbarer Form bestanden, als mit der Regelung in Art. 134 WRV 251 das Leistungsfähigkeitsprinzip ein originäres Verfassungsprinzip war?52 Es sei daher davon auszugehen, daß die damals bestehenden Steuern dem Leistungsfähigkeitsprinzip genügten. Da weiterhin, so wird argumentiert, alle diese überkommenen Leistungsfähigkeitssteuern in Art. 106 GG aufgenommen worden seien, seien notwendigerweise alle genannten Steuerarten - mithin auch die Umsatzsteuer - solche, denen das Leistungsfähigkeitsprinzip als Lastenverteilungsmaßstab zugrunde liege?53 Die Vielfalt der verschiedenen Steuerarten sei lediglich darauf zuriickzuführen, daß wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in vielfältiger Form auftreten könne und somit auf verschiedenen Wegen erfaßt werden müsse?54 Diese Argumentation begegnet jedoch durchgreifenden Zweifeln. Zunächst ist festzustellen, daß der Wortlaut des Art. 106 GG mit keiner Silbe einen Bezug zu irgendeinem Lastenverteilungsmaßstab herstellt. Dariiber hinaus lassen Regelungsinhalt und systematische Stellung der Norm ausschließlich die Folgerung zu, daß es sich bei Art. 106 GG um eine Kompetenznorm handelt, welche nur die Funktion hat, das tatsächlich erzielte Aufkommen real existierender Steuern zu verteilen. 255 Art. 106 GG setzt demnach die gerechte Verteilung steuerlicher Lasten nur voraus, regelt sie aber nicht. 256 Eine Interpretation der Norm, welche mit historisch-teleologischen Erwägungen das Leistungsfähigkeitsprinzip in die Vorschrift hineinzudeuten sucht, gerät somit bereits in bedenklicher Weise in Konflikt mit dem Wortlaut als Grenze der Auslegung. 250 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 92, 95; ders., JZ 1993, 1121, 1124; Vogel/Waldhojf, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 104a115, Rnr. 519 i.Y.m. Rnr. 528. 251 Wortlaut des Art. 134 WRV: "Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.", s. RGB!. 1919 Nr. 152, S. 1383 ff., 1408. 252 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 92. 253 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 92; ders., DStJG 12 (1989), 123, 142; Vogel/Waldhojf, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 104a-115, Rnr. 519. 254 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HBStR IV, § 87 Rnr. 92; Vogel/Waldhojf, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. l04a-1l5, Rnr. 519. 255 TIpke, SteuRO 11, § 192.42, S. 909; ders., StuW 1994,58,59. 256 TIpke, SteuRO 11, § 192.42, S. 909; ders., StuW 1992, 103, 112. 15*
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C.Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Sodann erscheint es unzulässig, das Fehlen einer verfassungsrechtlichen Nonn wie Art. 134 WRV im Grundgesetz zu ignorieren und trotz des expliziten Schweigens der Verfassung hinsichtlich eines steuerlichen Lastenverteilungsmaßstabs den Schluß zu ziehen, der Gedanke des Art. 134 WRV wirke in der Aufzählung überkommener Steuerarten in Art. 106 GG fort. Methodisch wäre eher der gegenteilige Schluß naheliegend. Aus dem Fehlen einer Nonn wie Art. 134 WRV könnte vielmehr gefolgert werden, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip heute nicht mehr gelten solle, wenn es sich nicht aus anderen Nonnen, wie insbesondere dem Gleichheitssatz, dem Sozialstaatsprinzip und den Freiheitsgrundrechten, dennoch 257 ergäbe?58 Die Aufnahme Überkommener Steuerarten in Art. 106 GG fand schließlich auch ohne eine Prüfung dieser herkömmlichen Steuern auf ihre Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip des Art. 134 WRV statt259 , so daß die Folgerung von der Übernahme einer überkommenen Steuer auf deren Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip ebenfalls nicht zulässig ist. 26o Weiterhin ist anzumerken, daß für Art. 134 WRV von namhaften Autoren261 bestritten wurde, daß indirekte Steuern mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar seien. Eine "Fortgeltung" des Leistungsfähigkeitsprinzips mit seinem von Art. 134 WRV bestimmten Inhalt dürfte daher kaum zur Begründung der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht taugen. 262 Schließlich befand sich Art. 134 WRV systematisch in einem Abschnitt der Weimarer Reichsverfassung, in welchem die Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen geregelt waren. 263 Die Übertragung des Inhaltes dieser grundrechtlichen Nonn auf Art. 106 GG, der eine verfassungsrechtliche Kompetenznonn darstellt, ist daher auch aus verfassungssystematischen Gründen bedenklich. 264 Art. 106 GG kann nach alledem also nicht zur Begründung der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich des Umsatzsteuerrechts herangezogen werden. Aus den oben 265 angeführten Gründen ist die Anwendbarkeit des Lei-
257
258 259
112 f.
s. dazu oben, Teil C.II.1.b), S. 215 ff., insb. Teil C.1I.1.b)dd), S. 222 f. Arndt, FS f. O. Müh11981, 17,26 f. Tipke, SteuRO 11, § 192.42, S. 909; ders., StuW 1994,58,59; ders., StuW 1992, 103,
Insofern zustimmend auch K. Vogel, FS f. K. Tipke 1995,93,101. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 13. Auf!. 1930, Art. 134 Anm. 2; ders., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Auf!. 1933, Art. 134 Anm. 2 mit Fn. 1; Bühler, in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung (1930), Bd. 2, Art. 134 Anm. 11., S. 316. 262 Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 52; a.A. Vogel/Waldhojf, in: BonnerKomm, GG, Vorbem. z. Art. 104a-115, Rnr. 528. 263 Die Abschnittsüberschrift vor Art. 134 WRV (genauer: vor Art. 119 WRV) lautet: "Das Gemeinschaftsleben", vgl. RGBI. 1919, Nr. 152, 1383, 1406. 264 Amdt, FS f. O. Müh11981, 17,27. 265 s. oben, Teil C.II.2., S. 224 ff. 260
261
II. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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stungsfähigkeitsprinzips im Bereich der Verbrauchsteuern allerdings dennoch zu befürworten. b) Sachgerechtigkeit der Besteuerung des Verbrauchs neben der Besteuerung des Einkommens
Der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht steht nicht entgegen, daß im derzeit bestehenden Steuerrechtssystem zeitgleich sowohl die Einkommenserzielung als auch die Einkommens- oder Vermögens verwendung steuerlich belastet werden. Zwar ist dem Leistungsfähigkeitsprinzip das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Sachgerechtigkeitskriterium immanent. Allerdings verstößt grundsätzlich weder die gleichzeitige Belastung verschiedener Einkommensteile gegen das Übermaßverbot noch wäre ein derartiger Verstoß im geltenden Recht überhaupt geeignet, die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips als Lastenausteilungsmaßstab für bestimmte Bereiche des Steuerrechts in Frage zu stellen. "Verbrauchen", also Einkommen oder Vermögen für private Zwecke verwenden 266, kann nur, wer Einkommen erzielt oder wer gespeichertes Einkommen in Form von Vermögensbeständen besitzt. Durch eine Steuer auf den Verbrauch wird somit im Ergebnis wiederum nur das Einkommen im ökonomischen Sinne belastet. 267 Daher muß bei der Besteuerung von Einkommens- bzw. Vermögensverwendungsvorgängen davon ausgegangen werden, daß wesentliche Teile der verwendeten Vermögenswerte bei ihrem Erwerb bereits einer Steuer auf die Einkommenserzielung unterlagen, so daß mit der Besteuerung der Einkommens- bzw. Vermögensverwendung eine Mehrfachbesteuerung bestimmter Einkommensteile eintritt. Dieser Umstand wird jedoch in der Steuerrechtswissenschaft zu Recht überwiegend lediglich als Problem der Abstimmung der einzelnen Steuerarten untereinander angesehen. Es wird zutreffend davon ausgegangen, daß die gleichzeitige Besteuerung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung bei hinreichender Angleichung der betreffenden Steuern untereinander mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht nur vereinbar ist, sondern die vollständige Verwirklichung der Gedanken des Leistungsfähigkeitsprinzips sogar erst ermöglicht. 268 Betrachtet man nämlich das Einkommen im ökonomischen Sinne als einzig möglichen Belastungsgegenstand einer Steuer269 , so stellt das Leistungsfähigkeitsprinzip vor allem die Anforderung, daß die steuerliche Gesamtbelastung Zum Begriff des Verbrauchs s. genauer unten, Teil C.II.3., S. 242 ff. Tipke, SteuRO II, § 19 2.41, S. 903 ff.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 188; auch P. Kirchhof, StuW 1996, 3, 5 f.; Birk/ Förster; DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 6; vgl. auch oben, Teil C.II.1.b)bb), S. 217 ff. 268 Tipke, SteuRO II, § 19 2.41, S. 903 ff.; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 19 f.; ders., in: Tipke/Lang, § 14 A. 1., Rz. 1; Lang, FS f. K. Tipke 1995,3,22. 269 s. dazu oben, Teil C.II.1.b)bb), S. 217 f. 266
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG
des Einkommens eines Steuerträgers für diesen zumutbar sein muß. Wie sich die steuerliche Gesamtbelastung des Einkommens indes zusammensetzt, wird durch das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht determiniert. Daher muß es grundsätzlich möglich sein, das Einkommen sowohl bei seiner Erzielung als auch bei seiner Verwendung zu belasten, wenn nur die Verhältnismäßigkeit der Gesamtbelastung gewahrt ist. 270 Für eine Kombination von Einkommenserzielungs- und Verbrauchsteuern spricht dabei aus rechtlicher Sicht vor allem, daß eine allgemeine Verbrauchsteuer auf Grund ihrer Unvermeidbarkeit für den Steuerträger Einkommensteile zu erfassen vermag, welche für eine Steuer auf die Einkommenserzielung unzugänglich sind?7l Es ist mittels einer allgemeinen Verbrauchsteuer insbesondere möglich, auch (zu Recht oder zu Unrecht) unversteuert erzieltes Einkommen, welches der konsumtiven Verwendung zugeführt und damit durch den Verbraucher als Leistungsfähigkeitsfaktor eingesetzt wird, zu belasten. 272 Insofern kann die Verbrauchsteuer prinzipiell ein höheres Maß an Allgemeinheit der Besteuerung sicherstellen als jede Steuer auf die Einkommenserzielung. 273 Darüber hinaus schwankt der Verbrauch (Konsum) der Steuerträger innerhalb verschiedener Besteuerungszeiträume grundsätzlich nicht so stark wie die erzielten Einkommen. 274 Eine Verbrauchsteuer führt daher zu einer - bezogen auf verschiedene Besteuerungszeiträume - gleichmäßigeren Belastung der Verbraucher. Steuern auf die Einkommenserzielung lassen sich schließlich durch den potentiellen Steuerträger vermeiden, indem schlicht die Erzielung von Einkünften vermieden wird. 275 Demgegenüber kann sich niemand dem Konsum zumindest in Höhe eines Grundbedarfes entziehen. Diese Unvermeidbarkeit 276 der allgemeinen 270 Friauf, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 198, weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß sich direkte und indirekte Besteuerung gegenseitig bedingen. Die gleichzeitige Besteuerung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung sei daher aus praktischen, rechtssystematischen und verfassungsrechtlichen Gründen nur bei entsprechender Abstimmung der Steuern möglich. 271 Tipke, SteuRO 11, § 192.41, S. 906; Pelka, Symposium z. Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 197; Teichmann, Der Verlust des Vorsteuerabzugs im steuerfreien Bereich der Mehrwertsteuer, S. 73; Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 7. Teil, § 1, S. 570 f. 272 So können durch eine Verbrauchsteuer insbesondere auch erfaßt werden: Einnahmen aus Lotterie- und Spielgewinnen, aus der steuerfreien Veräußerung von Wertpapieren oder Grundstücken oder aus "schwarzen" Nebeneinkünften, vgl. Tipke, SteuRO 11, § 19 2.41, S.906. 273 Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 20; Söhn, StuW 1975, 1,2; Thiel, FS f. K. Tipke 1995,295, 296; s. auch bereits Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., S. 180 ff. (182). 274 Tipke, SteuRO 11, § 192.41, S. 906. 275 BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 135 (Vermögensteuergesetz); P. Kirchhof, Gutachten z. 57. DIT, VdDIT 57 (1988), Bd. I Teil F, S. 13; Tipke, SteuRO 11, § 124.22, S. 568 m.N. sowie § 192.41, S. 906.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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Verbrauchsteuer zusammen mit ihrer enormen Wirkungsbreite 277 macht sie zu einem sicheren, d. h. krisenfesten und ergiebigen Finanzierungsinstrument des Staates, weshalb ihre Existenz neben den Steuern auf die Einkommenserzielung als unentbehrlich angesehen wird. 278 Neben diesen Vorteilen sind allerdings auch einige Nachteile einer allgemeinen Steuer auf die Einkommens- bzw. Vermögens verwendung gegenüber einer Steuer auf die Einkommenserzielung zu bedenken. Die Unvermeidbarkeit sowie die umfassende Allgemeinheit einer allgemeinen Verbrauchsteuer führen grundsätzlich auch zur Erfassung solcher Vermögensteile, deren steuerliche Freistellung das Leistungsfähigkeitsprinzip an sich durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder das steuerliche Nettoprinzip gebietet. So muß derzeit grundsätzlich auch derjenige Verbrauchsteuern tragen, der lediglich Einkünfte bis zur Höhe des im Rahmen der Steuern auf die Einkommenserzielung steuerfreien Existenzminimums erzielt oder gar mangels eigener Einkünfte von staatlich gewährter Sozialhilfe lebt. 279 Darüber hinaus entfaltet die Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer eine sich gerade in den unteren Einkommensschichten stark belastend auswirkende Regressionswirkung. 28o Diese Wirkung steht im Widerspruch zu den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips. Daraus läßt sich allerdings nicht folgern, daß ein Nebeneinander von Einkommenserzielungs- und Einkommensverwendungssteuern aus Gründen des Leistungsfähigkeitsprinzips unzulässig sei. Denn diese aus Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten unzulässigen Wirkungen einer allgemeinen Verbrauchsteuer ließen sich weitgehend durch eine entsprechende Gestaltung der Verbrauchsteuergesetze vermeiden. Insbesondere im Bereich der Umsatzsteuer bestünde die Möglichkeit und auf Grund der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips sogar die Pflicht des Gesetzgebers, existenz- und erwerbssichernden Verbrauch von der Besteuerung freizustellen. Dies könnte durch die (echte 281 ) Freistellung bestimmter existentieller Güter und Leistungen von der Besteuerung geschehen 282 oder auch 276 Hierzu s. nur Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 7. Teil, § 3, S. 587; Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 2, S. 187. 277 Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11,7. Teil, § 1, S. 571 sowie § 3, S. 582 ff., 585 ff. 278 Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 4; Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 2, S. 185; Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. II, 7. Teil, § 1, S. 570 sowie § 3 S. 585 ff. 279 s. nur Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 6. 280 Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 5 f.; Tipke, SteuRO 11, § 193.8, S. 928 f.; ders., StuW 1992, 103, 117 f.; Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 7. Teil, § 1, S. 571. 281 D.h. Freistellung der entsprechenden Lieferungen oder Leistungen unter gleichzeitiger Gewährung des Vorsteuerabzugsrechts an den liefernden oder leistenden Unternehmer; vgl. unten, Teil C.1I.3.d)dd), S. 280 f.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG
dadurch verwirklicht werden, daß Verbraucher, die existenz- oder erwerbssichernde Aufwendungen tätigen müssen, oder Verbraucher, deren Einkünfte unterhalb des steuerfreien Existenzminimums liegen, durch Verbrauchsteuervergütungen 283 nach entsprechender Erklärung entlastet werden. Ebenso ist es jedoch auch möglich, die Umsatzsteuer auf existentielle Güter im Rahmen des einkommensteuerlichen Existenzminimums 284 angemessen zu berücksichtigen. Die überwiegend unbefriedigende Abstimmung zwischen den derzeit existierenden Steuern auf die Einkommenserzielung und den Steuern auf die Einkommensverwendung hinsichtlich der steuerlichen Freistellung des existenz- und erwerbssichernden Aufwandes kann nur immer wieder nachdrücklich beklagt werden. Ein stichhaltiges Argument gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer Besteuerung der Einkommens- bzw. Vermögensverwendung neben der Besteuerung der Einkommenserzielung bietet der aktuelle Zustand der geltenden Verbrauchsteuergesetze jedoch nicht. 285 Es wäre somit möglich, die gleichzeitige Besteuerung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips entsprechend zu gestalten. Gelingt dies, so birgt die Kombination der Steuern auf die Einkommenserzielung und die Einkommensverwendung erhebliche Vorteile auch für die Verwirklichung der Steuergerechtigkeit. Der Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatz steuerrecht steht es somit nicht entgegen, daß neben der Umsatzsteuer als Steuer auf die Einkommens- und Vermögensverwendung zugleich auch Steuern auf die Einkommenserzielung erhoben werden. 282 s. dazu Tipke, SteuRO 11, § 193.7, S. 922 ff.; ders., StuW 1992, 103, 114 ff.; Birk, Verfassungsrechtliche Grenzen der Konsumbesteuerung, in: Rose, Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, 351, 362; Stadie, in: Rau I Dürrwächter/Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 192; s. auch bereits Popitz, in: Popitz I Kloß I Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, I. Kap. VI. 1., S. 41 f. 283 Pahlke, Die Nettoumsatzsteuer als Zentralsteuer, FinArch. Band 26 (1967), 215, 224 f.; Lang, StuW 1990, 107, 126 f.; Tipke, SteuRO 11, § 193.7, S. 926 ff. m.N.; ders., StuW 1992, 103, 116 f.; Stadie, in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 193; Horn, StuW 1970, Sp. 145, 160 f.; s. auch bereits Popitz, in: Popitz I Kloß I Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, I. Kap. VI. 1., S. 42 f. 284 Diese Methode wird tatsächlich in der Praxis angewandt, indem für die Ermittlung des steuerlichen Existenzminimums eines Steuerpflichtigen und dessen Familie die realitätsgerecht zu ermittelnden tatsächlichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt für maßgeblich erachtet und daher das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum als Grenze angesehen wird, die über-, aber nicht unterschritten werden darf (zuletzt insb.: BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 246, 259 ff. (260) m.N.; BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99,268,271; BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 273,276 f.; BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99,216,232 ff.). Das sozialrechtliche Existenzminimum ist entsprechend §§ 22 Abs. 3, 4 BSHG, § 3 BSHG-Regelverordnung nach den tatsächlichen (statistisch ermittelten) Verbrauchsausgaben zu bestimmen, enthält daher also die Umsatzsteuer auf existenznotwendige Güter (BVerfG v. 23. 08. 1999 a. a. O. (Fn. 173), NJW 1999, 3478, 3478 (re. Sp.) = FR 1999,1134,1135). Zu Nachteilen dieser Methode s. aber unten, Teil c.n.3.d)dd), S. 280 f. 285 s. sogleich unten, Teil C.II.2.c).
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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c) Unbeachtlichkeit des tatsächlichen gegenwärtigen Zustandes
des Umsatzsteuerrechts
Johannes Popitz konstatierte bereits für die All-Phasen-Brutto-Umsatzsteuer knapp: "Die Umsatzsteuer ist jeder Rücksichtnahme auf die Leistungsfahigkeit der Verbrauchenden bar"286, "die allgemeine Verbrauchsteuer entbehrt jedes besonderen Begriffselements, das auf die Lage der einzelnen Verbrauchenden Rücksicht nimmt. Sie ist die brutalere, primitivere unter den allgemeinen Besteuerungsformen.,,287. Eine ähnliche Feststellung wird heute zum Teil auch für die Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug getroffen. So wird insbesondere beklagt, daß mit der geltenden Umsatzsteuer die individuelle Leistungsfähigkeit der Steuerträger nicht wirklich erfaßt werden kann, weil individuelle Gegebenheiten nicht beriicksichtigt werden 288 und weil vor allem das Existenzminimum nicht von der Umsatzsteuerbelastung freigestellt ist. 289 Daraus leiten einige Autoren 29o indes ab, daß das Leistungsfrihigkeitsprinzip im Bereich der Umsatzsteuer generell nicht gelten könne. Die erwähnte Kritik ist der Sache nach zwar zutreffend, denn die heutige Umsatzsteuer beriicksichtigt individuelle Gegebenheiten der Verbraucher in der Tat kaum. Bestenfalls die Ermäßigung des Steuersatzes für bestimmte existenznotwendige Güter von 16 % auf 7 % gemäß § 12 Abs. 2 UStG i.V.m. der Anlage zum UStG kann als Ausdruck dafür angesehen werden, daß die Umsatzsteuer die individuelle Leistungsfähigkeit der Verbraucher beriicksichtigt. Dennoch können für die hier interessierende Frage nach der prinzipiellen Anwendbarkeit des Leistungsfahigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht daraus keine Schlußfolgerungen gezogen werden. Die zitierten Argumente beriihren nämlich allein die Frage, ob die Umsatzsteuer in ihrer derzeitigen Form das Leistungsfahigkeitsprinzip tatsächlich zu verwirklichen vermag. Dies ist jedoch erst ein Folgeproblem,we1ches nur dann untersucht werden kann, wenn die hier maßgebliche logische Vorfrage beantwortet ist.
Klaus Tipke 291 bringt dies auf den Punkt, indem er den Kritikern, die aus dem gegenwärtigen Zustand des Umsatzsteuerrechts die Nichtgeltung des LeistungsfäPopitz, in: Popitz / Kloß / Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, 1. Kap. 111.1., S. 11. Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 182; s. auch Popitz, a. a. 0., § 2 2., S. 186. 288 P. Kirchhof, StbKongrRep. 1988,29,37; ders. Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rz. 72 u. 120; ders., StuW 1985, 319, 324; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 52; ders., DStJG 5 (1982),71,77 f. 289 P. Kirchhof, StuW 1996,3,8; Tipke, SteuRO 11, § 193.7, S. 922 ff. (925 f.); Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 192; s. auch oben, Teil C.II.2.b), S. 229 ff. 290 P. Kirchhof, StuW 1985, 319, 324; ders., StbKongrRep. 1988, 29, 37; Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 52; ders., DStJG 5 (1982), 71, 78. 291 Tipke, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 198. 286 287
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG
higkeitsprinzips für die Umsatzsteuer ableiten wollen, entgegenhält, es gehe "nicht darum, das Leistungsfähigkeitsprinzip an den real existierenden Steuern zu messen, sondern darum, die real existierenden Steuern zu messen".292
d) Möglichkeit individualisierender Belastung des Verbrauchs
Ein Einwand gegen die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht, der vor allem von Paul Kirchhof in die Diskussion eingeführt wurde, ist jener, daß mittels der Umsatzsteuer auf Grund ihrer Eigenarten als indirekter Steuer generell keine Möglichkeit bestehe, eine erforderliche Beziehung zur individuellen Leistungsfähigkeit der Verbraucher herzustellen. 293 Die Verbraucher seien nicht individualisierbar, weil sie lediglich in der Anonymität des Marktes erfaßt würden, und könnten demzufolge allenfalls im Verhältnis zu einer vermuteten bzw. typisierten Nachfragekraft belastet werden. 294 Aus diesen Gründen seien, so Paul Kirchhof 95 , die indirekten Steuern nicht am Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern vielmehr insbesondere an den verfassungsrechtlichen Kriterien der Wettbewerbsneutralität296 und der Sozialstaatlichkeit auszurichten. Während Paul Kirchhof allerdings in früheren Veröffentlichungen 297 vor allem mit diesen Argumenten die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich sämtlicher indirekter Steuern strikt ablehnte, formuliert er dagegen in späteren Stellungnahmen298 diesbezüglich weniger streng. Einige der späteren Ausführungen können sogar dahingehend verstanden werden, daß auch Paul Kirchhof nunmehr die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf indirekte Steuern nicht mehr generell ablehnt, sondern statt dessen lediglich nachdrücklich darauf hinweist, daß bei der Erfassung des Verbrauchs als Steuergut gewisse Typisierungen stattfinden müßten. 299 292 In diesem Sinne auch Lehner; Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996,192,199 f. 293 P. Kirchhof, StuW 1985,319,324; ders., StbKongrRep. 1988,29,37; ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 72, 120. 294 P. Kirchhof, StbKongrRep. 1988,29,37; ders., StuW 1984,297,305 f.; ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 72, 120; ders., StuW 1996, 3, 8; ders., Diskussionsbeitrag auf dem Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 199. 295 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 124 f.; ders., StuW 1984,297, 305 f.; ders., StuW 1985,319,324; ders., StbKongrRep. 1988,29,37. 296 Zur Untauglichkeit des Maßstabs der Wettbewerbsneutralität als Lastenausteilungsmaßstab s. genauer unten, Teil C.II.2.g), S. 241 f. 297 P. Kirchhof, StbKongrRep. 1988,29,37; ders., StuW 1985,319,324. 298 P. Kirchhof, StuW 1996, 3, 8; ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 72, 120; ders., Diskussionsbeitrag auf dem Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 199. 299 Siehe vor allem P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag auf dem Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 199: "Zwar herrsche auch bei der Umsatzsteuer
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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Zunächst ist zutreffend, daß die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit die Erfassung der individuellen Zahlungsfähigkeit jeder Person erfordert. 3°O Diese individuelle, für steuerliche Zwecke verfügbare Zahlungsfähigkeit einer Person kann jedoch nur festgestellt werden, indem die Höhe der durch eine Person verwirklichten Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit bestimmt wird. Die Umsatzsteuer kann demnach nur dann eine Leistungsfähigkeitssteuer sein, wenn die Möglichkeit zur Individualisierung der einzelnen Verbraucher durch persönliche Zurechnung des jeweils individuell verwirklichten Verbrauchs besteht. Eine derartige Möglichkeit besteht jedoch ohne weiteres. Klaus Tipke 301 weist zutreffend darauf hin, daß diese Individualisierung schon erreicht werden könnte, wenn jeder Verbraucher über einen entsprechenden Zeitraum hinweg seine Belege für sämtliche Einkommensverwendungen sammelte. Das Argument Kirchhofs, die Verbraucher seien in der "Anonymität des Marktes" zusarnmengefaßt, kann somit nicht gegen die Möglichkeit individualisierender Besteuerung des Verbrauchers mittels der Umsatzsteuer sprechen. 302 Jedoch schließt die Argumentationskette Paul Kirchhofs einen zutreffenden Gedanken ein, auf den allerdings erst an späterer Stelle303 zurückzukommen sein wird. Es ist nicht die individuelle Erfassung des Verbrauchs, also der Einkommensverwendungen bestimmter Personen, welche mittels der Umsatzsteuer nicht gelingt. Vielmehr kann anhand des individuellen Verbrauchs einer Person nur bedingt auf deren tatsächliche Ist-Leistungsfähigkeit geschlossen werden, denn die Anknüpfung an die Einkommensverwendung an sich stellt eine gewisse Typisierung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dar. 304 Die von Kirchhof beanstandete Typisierung bzw. Vermutung der Leistungsfähigkeit findet also nicht auf der Stufe der Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit statt, auf welcher eine Beziehung zwischen den Steuerträgern und einem bestimmten Leistungsfähigkeitsindikator gesucht wird (Individualisierungsstufe)305, sondern erst auf der nachfolgenden Stufe der Deduktion der steuerlich erheblichen Ist-Leistungsfähigkeit aus der Existenz das Leistungsfähigkeitsprinzip in dem allgemeinen Sinne, wie es Pe/lw (s. StuW 1996, S. 198 - Anm. d. Verf.) formuliert habe. Fraglich sei jedoch, ob dies noch das Leistungsfahigkeitsprinzip sei, das einer einzelnen Person zugeordnet und in diesen persönlichen individuellen Rechtsverhältnissen zur Kenntnis genommen werde."; ders., StuW 1996, 3, 8: "Deshalb ist die Umsatzsteuer allenfalls eine Besteuerung der typisiert vermuteten, nicht aber der für eine einzelne Person festgestellten Leistungsfähigkeit." 300 s. oben, Teil C.II.l.b)aa), S. 215 ff. 301 Tipke, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 199. 302 Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 20 (mit Fn. 61); Tipke, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 199. 303 Unten, Teil C.II.3.c), S. 266 ff. 304 Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 20 (mit Fn. 61); so zu verstehen wohl auch P. Kirchhof StuW 1996, 3, 8; ders., Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 120 f.; Raupach, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 199; s. näher unten, Teil C.lI.3.c), S. 266 ff. 305 Genauer dazu unten, Teil C.1I.3.a), S. 243 ff.
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eines Leistungsfähigkeitsindikators bei einer Person (Deduktionsstufe)306. Es handelt sich somit nicht um ein Problem, welches die grundsätzliche Frage der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht, sondern allein die Frage nach der Indikationsqualität des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsindikators berührt. 307 Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß es grundsätzlich möglich ist, mittels der Umsatzsteuer den individuellen Verbrauch einer Person für die Besteuerung zu erfassen.
e) Unabhängigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips von der Besteuerungstechnik
Die bereits in Ansätzen dargestellte Argumentationskette Paul Kirchhofs gegen die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich indirekter Steuern stützt sich weiterhin im wesentlichen auf die technischen Besonderheiten der indirekten Steuern. Kirchhof führt aus, daß die Technik der indirekten Besteuerung eine Bezugnahme des Steuertatbestandes auf individuelle Gegebenheiten der Einkommens-, Vermögens- oder Bedarfsverhältnisse eines einzelnen (anonym bleibenden) Steuerträgers nicht zulasse, weil die indirekten Steuern den Steuerträger nur bei gelungener Überwälzung tatsächlich erreichten. 308 Diese Einwände erscheinen indes nur plausibel, soweit sie als Aussagen über derzeit existierende indirekte Steuern dahingehend verstanden werden, daß diese in ihrer Ausgestaltung dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht genügten. Dann allerdings können sie nicht als Argument gegen die prinzipielle Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich indirekter Steuern taugen. 309 Soweit darüber hinaus allgemein behauptet werden soll, es sei grundsätzlich nicht möglich, eine Individualisierung indirekter steuerlicher Belastungen vorzunehmen, muß dieser Ansicht aus den soeben31o dargestellten Gründen nachdrücklich widersprochen werden. Gegen die Annahme, die Umsatzsteuer als indirekte Steuer sei in bezug auf ihre Belastungswirkungen am Leistungsfähigkeitsprinzip zu orientieren, spricht schließlich auch nicht, daß die endgültige Belastung der Verbraucher vom Gelingen der Steuerüberwälzung durch den steuerpflichtigen Unternehmer abhängt. Denn es kann davon ausgegangen werden, daß diese Überwälzung grundsätzlich gelingt. 3\1 Demzufolge muß als Besteuerungsgegenstand der Umsatzsteuer allein Genauer dazu unten, Teil C.II.3.a), S. 243 ff. s. dazu genauer unten, Teil C.II.3.c), S. 266 ff. 308 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 72; ders., StbKongrRep. 1988, 29,37. 309 V gl. oben, Teil C.II.2.c), S. 233 f. 3\0 Teil C.II.2.d), S. 234 ff. 306 307
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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der Verbrauch gelten 3 !2, welcher als Leistungsfähigkeitsindikator anzuerkennen 3 !3 ist. Eine Steuer jedoch, welche einen Leistungsfähigkeitsindikator belastet, muß notwendigerweise auch an das Leistungsfähigkeitsprinzip als Lastenausteilungsmaßstab gebunden sein. Die Art der für die steuerliche Erfassung des Leistungsfähigkeitsindikators gewählten Besteuerungstechnik ist dagegen sekundär. Gewiß bedingt die für die Erfassung der Einkommens- bzw. Vermögensverwendung gewählte Technik der indirekten Besteuerung verschiedene Probleme bei der Erfassung individueller Gegebenheiten einzelner Verbraucher. Diese Schwierigkeiten sind jedoch lösbar, auch eine indirekte Steuer kann bei entsprechender Gestaltung den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips genügen. Die Umsetzung des gesetzgeberischen Ziels der Verbrauchsbesteuerung durch die Gestaltung der Umsatzsteuer als indirekte Steuer hat demnach keinen Einfluß darauf, daß mit dem Verbrauch ein Merkmal individueller Leistungsfähigkeit erfaßt wird und daher das Leistungsfähigkeitsprinzip als grundlegendes Lastenausteilungsprinzip gelten muß. 3 !4
f) Keine entgegenstehende Rechtsprechung
Als weiteres Argument gegen die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich der Umsatzsteuer wird schließlich vor allem von Heinrich Wilhelm Kruse 3 !5 die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herangezogen. Kruse verweist darauf, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur "insbesondere" im Bereich der Einkommensteuer, mithin nicht im Bereich indirekter Verbrauchsteuem, gelte. 3 !6 Zwar, so führt Kruse weiterhin aus, vertrete das Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungen s. oben, Teil B.I.2.e)dd), S. 108 ff. s. dazu oben, Teil B.I.3., S. 118 ff.; zum Verbrauchsbegriff insb. unten, Teil C.l1.3.b), S. 245 ff., vor allem C.l1.3.b)bb), S. 251 ff. 3I3 s. oben, Teil C.II.1.b)bb), S. 217 ff., genauer unten, Teil C.lI.3., S. 242 ff. 314 Tipke, SteuRO 11, § 192.4, S. 903 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.1.b), Rz. 85, § 4 C. 1.2.2.2.d), Rz. 111; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 20; ders., in: Tipke/Lang, § 14 A.1., Rz. 1; Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 49, 50 ff. 315 Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 51. 316 Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 51 f. unter Hinweis auf folgende Entscheidungen: BVerfG v. 22. 02. 1984 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 66,214,223 (Unterhaltsaufwendungen); BVerfG v. 09. 02. 1972 - 1 BvL 16/69 -, BVerfGE 32, 333, 339 (Ergänzungsabgabe); BVerfG v. 02. 10. 1973 - 1 BvR 345/73 -, BVerfGE 36, 66, 72 (Stabilitätszuschlag); BVerfG v. 23. 11. 1976 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 43, 108, 120 (Kinderfreibetrag); BVerfG v. 03. 11. 1982 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 61, 319, 344 (Alleinerziehende); BVerfG v. 17. 10. 1984 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 68, 143, 152 (Alleinerziehende); BVerfG v. 14.05.1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200, 260 (Rückwirkende Änderung von Steuergesetzen); BVerfG v. 23. 01. 1990 a. a. o. (Fn. 193), BVerfGE 81, 228, 236 f. (Bußgeldabzug). 311
312
238
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
auch die Ansicht, daß sich bei Verbrauch- und Aufwandsteuern die steuerlich erfaßte Leistungsfähigkeit im Konsum äußere, das sei jedoch "unrealistisch,,317. Zur Unterstützung der Argumentation Kruses könnte darüber hinaus auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs verwiesen werden, welche an die zitierte Rechtsprechung des Bundesveifassungsgerichts anknüpfen. Beispielhaft sei hier die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 26. Juni 1984318 zur Einführung einer Branntweinsteuer auf bestimmte technische Alkohole genannt, in welcher die möglichen Konsequenzen eines Mißverständnisses der Aussagen des Bundesverfassungsgerichts besonders deutlich werden. In dieser Entscheidung lehnt der Bundesfinanzhof die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf Verbrauchsteuern mit folgender Begriindung ab: "Dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich keine Regel entnehmen, nach der es dem Gesetzgeber untersagt wäre, allein mit dem Ziel, den Finanzbedarf des Staates zu decken, eine bestimmte Steuer einzuführen ( ... ). ( ... ) Die ( ... ) vorgetragene Rechtsauffassung, welche sich auf eine aus dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit hergeleitete spezifische Sachlogik der Verbrauchsteuern beruft, würde zu einer Einengung des Gestaltungsermessens des Steuergesetzgebers führen, die mit der vorstehend wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung des BVerfG nicht in Einklang stünde. ( ... ) Die Entscheidungen, in denen das BVerfG ausgeführt hat, daß die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten sei, betrafen die Einkommensteuer ( ... ). Für das hier zu beurteilende Gebiet der Verbrauchsteuern jedenfalls können nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsentwicklung dem für die direkten. Steuern, besonders die Einkommensteuer, bedeutsamen Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit keine Maßstäbe entnommen werden, die für eine verfassungsrechtliche Normenkontrolle geeignet ( ... ) wären.,,319 Weiterhin ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung des Bundesveifassungsgerichts in einem Nichtannahmebeschluß vom 13. Juni 1997 320 zu erwähnen. Durch den genannten Beschluß wurde die Annahme der Verfassungsbeschwerde eines umsatzsteuerrechtlichen Kleinunternehmers i.S.v. § 19 UStG abgelehnt, mit welcher der Unternehmer die Freistellung seines Existenzminimums von der Umsatzbesteuerung begehrte. Nach dem zutreffenden Hinweis auf das umsatzsteuerrechtliche Überwälzungsprinzip führt die Kammer aus: "Der Endverbraucher ist materiell mit der Umsatzsteuer belastet, deshalb stellt sich, wenn überhaupt, allenfalls bei ihm die Frage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der indirekten Steuern.,,321 317 Kruse, Steuerrecht I (AT), § 2 III.2.d), S. 52, für die Ansicht des BVerfG unter Hinweis auf die Entscheidung: BVerfG v. 06. 12. 1983 a. a. O. (Fn. 182), BVerfGE 65, 325, 347 (Zweitwohnungsteuer). 318 BFH v. 26. 06.1984 - VII R 60/83 -, BFHE 141, 369 ff. 319 BFH v. 26. 06.1984 a. a. O. (Fn. 318), BFHE 141, 369, 381 f. 320 BVerfG v. 13. 06. 1997 - 1 BvR 201/97 -, DStRE 1998, 27 f. = NJW 1997, 3368 (Existenzminimum und Umsatzsteuer). 321 BVerfG v. 13.06. 1997 - 1 BvR 201 /97 -, NJW 1997,3368 = DStRE 1998,27,28.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
239
Schließlich könnte auch eine neuartige Wendung des Bundesverfassungsgerichts in einem Beschluß vom 10. November 1998 322 zur einkommensteuerlichen Behandlung von Kinderbetreuungs- und Erziehungskosten als Ausdruck von Zweifeln in bezug auf die Geltung des Leistungsfahigkeitsprinzips im Bereich indirekter Steuern verstanden werden. Der Zweite Senat formuliert hier: "Das Gebot der Steuergleichheit fordert zumindest für die direkten Steuern eine Belastung nach der finanziellen Leistungsflihigkeit. ,,323 Dagegen ist allerdings folgendes zu sagen: Zunächst erklärt das Bundesverfassungsgericht zwar in der Tat das Leistungsflihigkeitsprinzip "insbesondere" im Bereich der Einkommensteuer für anwendbar?24 Jedoch finden sich keine Hinweise in den Entscheidungen, daß das Bundesverfassungsgericht tatsächlich die "ausschließliche" Anwendbarkeit des Leistungsflihigkeitsprinzips im Bereich des Einkommensteuerrechts befürworten will. 325 Dies stünde auch im Widerspruch zum Wortsinn der Vokabel "insbesondere".326 Es läßt sich daher der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Leistungsfahigkeitsprinzip keine Beschränkung des Anwendungsbereiches auf direkte Steuern oder Steuern auf die Einkommenserzielung entnehmen. Vielmehr sprechen gerade diejenigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen Aufwand- und Verbrauchsteuern dadurch charakterisiert werden, daß sie "die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,,327 treffen sollen, in denen also die Eignung des Konsums als Leistungsflihigkeitsindikator herausgestellt wird, dafür, daß auch das Bundesverfassungsgericht von der Geltung des Leistungsflihigkeitsprinzips als dem allgemeinen steuerrechtlichen Lastenausteilungsprinzip ausgeht. Darüber hinaus wendet das Bundesverfassungsgericht in anderen Entscheidungen 328 das Leistungsfähigkeitsprinzip auch ohne besondere Betonung seiner Bedeutung für das Einkommensteuerrecht an. Es ist daher unzulässig, dem Bundesverfassungsgericht zu unterstellen, es beschränke die Anwendbarkeit des Leistungsflihigkeitsprinzips in seiner Rechtsprechung auf den Bereich der Einkommensteuer. BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 216 ff. BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 216, 232. 324 Vgl. die oben genannten Entscheidungen, s. Fn. 316. Darüber hinaus aus jüngster Zeit auch: BVerfG v. 26. 01. 1994 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 89, 346, 352 (Berufsausbildungskosten für Kinder). 325 Tipke. SteuRO 11, § 192.3, S. 900 f. 326 In diesem Sinne auch: Tipke. SteuRO 11, § 192.3, S. 900 f. 327 Insbesondere: BVerfG v. 06. 12. 1983 a. a. O. (Fn. 182), BVerfGE 65, 325, 345 f. (Zweitwohnungsteuer); BVerfG v. 12. 10. 1978 - 2 BvR 154/74 -, BVerfGE 49, 343, 354 (Kornrnunalabgabengesetz); BVerfG v. 07. 05. 1963 - 2 BvL 8,10/61 -, BVerfGE 16,64,74 (Einwohnersteuerordnung). 328 Z. B.: BVerfG v. 27. 06. 1991 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 84, 239, 268 ff. (Kapitalertragsteuer); BVerfG v. 22. 06. 1995 a. a. O. (Fn. 135), BVerfGE 93, 121, 134 ff. (Vermögensteuergesetz). 322 323
240
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Bezogen auf die Argumentation des Bundesfinanzhofs 329 in der zitierten Entscheidung zur Branntweinsteuer auf technische Alkohole ist außerdem hinzuzufügen, daß die Ausrichtung der Verbrauchsteuern am Leistungsfähigkeitsprinzip keineswegs den Spielraum des Steuergesetzgebers bei der Erschließung von Steuerquellen in unzulässiger Weise beschränken würde. Diese Annahme des Bundesfinanzhofs beruht auf einer Verkennung der besonderen Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes im Steuerrecht. Die Bezugnahme auf die überholte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom nahezu unbegrenzten Steuererfindungsrecht des Gesetzgebers 33o, welche den Anforderungen des im Art. 3 Abs. 1 GG angelegten Steuergerechtigkeitsprinzips keine hinreichende Bedeutung beimißt, führt in der Konsequenz dazu, daß die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes für den Bereich der Verbrauchsteuern negiert wird. Dies ist selbstverständlich nicht zulässig - der allgemeine Gleichheitssatz gilt auch im Bereich der Verbrauchsteuern. Da er jedoch im Steuerrecht insgesamt durch die spezifischen Anforderungen der Steuergerechtigkeit geprägt ist, welche nur durch das Leistungsfähigkeitsprinzip verwirklicht werden können, muß das Steuererfindungsrecht des Gesetzgebers notwendigerweise insoweit durch das Leistungsfähigkeitsprinzip beschränkt sein. 331 Der Argumentation des Bundesfinanzhofs kann somit nicht gefolgt werden. Schließlich sprechen auch die Kammerentscheidung vom 13. Juni 1997 332 sowie der Beschluß des Zweiten Senats vom 10. November 1998 333 gegen die Annahme, das Bundesverfassungsgericht verneine die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatz steuerrecht. Indem die Kammer in der zitierten Entscheidung vom 13. Juni 1997 adäquat auf das umsatzsteuerrechtliehe Überwälzungsprinzip hinweist, siedelt sie die Frage nach der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips zutreffend auf der Stufe des Endverbrauchers als Steuerträger der Umsatzsteuer an und macht damit deutlich, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip als steuerrechtlicher Lastenausteilungsmaßstab anerkannt wird. Sofern mit der Einschränkung "wenn überhaupt" Zweifel in bezug auf die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht angedeutet werden sollten, ist darauf hinzuweisen, daß diese Frage für die Entscheidung über die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht entscheidungserheblich war und somit die Aussage weder als verbindliche Stellungnahme für noch gegen die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips verstanden werden kann. Auch die neuartige Wendung "zumindest" des Zweiten Senats in dessen Beschluß zur einkommensteuerlichen Behandlung von Kinderbetreuungs- und Erzie329 330 331 332 333
BFH v. 26.06.1984 - VII R 60/83 -, BFHE 141,369,381 f. s. oben, Teil C.II.1.a)cc), S. 211 ff., Rechtsprechungsnachweise in Fn. 182. Dazu oben, Teil C.II.1.a)cc), S. 211 ff. BVerfG v. 13.06. 1997 a. a. O. (Fn. 320), NJW 1997, 3368 = DStRE 1998,27,28. BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 216, 232.
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
241
hungskosten vom 10. November 1998334 muß, sofern ihr überhaupt die Bedeutung als Ausdruck von Zweifeln des Senats an der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Bereich indirekter Steuern beizumessen ist, als nicht entscheidungserhebliche Bemerkung angesehen werden. Darüber hinaus ist zu bezweifeln, daß der Senat durch die Verwendung der Formulierung "zumindest für die direkten Steuern" in bezug auf die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips überhaupt etwas anderes ausdrücken wollte als mit der bis dahin gebräuchlichen Formel "insbesondere für das Einkommensteuerrecht". Denn der Zweite Senat hat die zitierte Wendung mit Rechtsprechungsnachweisen verbunden, welche sämtlich Entscheidungen zur Einkommensteuer betreffen, in denen bis auf eine Ausnahme stets die Formel "insbesondere" gebraucht wurde?35 Die neue Formulierung bedeutet daher keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Als Ergebnis bleibt somit festzuhaiten, daß vor allem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf den Bereich der indirekten Verbrauchsteuern nicht entgegensteht. Im Gegenteil bestärken viele Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vielmehr die Annahme, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip durch die Rechtsprechung auch hier, also auch im Bereich des Umsatzsteuerrechts, als Lastenausteilungsmaßstab anerkannt würde.
g) Untauglichkeit des Kriteriums der Wettbewerbsneutralität als Lastenausteilungsmaßstab
Ausgehend von seiner geschilderten Kritik folgert insbesondere Paul Kirchho/ 36 , daß den indirekten Steuern als Gerechtigkeitsprinzip anstelle des Leistungsfähigkeitsprinzips vielmehr der Maßstab der Wettbewerbsneutralität zugrunde liegen müsse. Das Kriterium der Wettbewerbsneutralität als Gleichheitsmaßstab in bezug auf die Erhebung einer Steuer kann allerdings nur die Funktion haben, potentielle Wettbewerber, also werbende Marktteilnehmer, vor einem durch die Erhebung der Steuer veranlaßten Eingriff in ihre Wettbewerbs lage zu schützen. 337 Auf dieser Grundlage jedoch ist die Anwendung des Maßstabs der Wettbewerbsneutralität im BVerfG v. 10. 11. 1998 a. a. O. (Fn. 173), BVerfGE 99, 216, 232. Es wird verwiesen auf: BVerfG v. 12. 10. 1976 - 1 BvR 2328/73 -, BVerfGE 43, 1, 8 ff. (ohne Verwendung der Formulierung "insbesondere"); BVerfG v. 03. 11. 1982 a. a. o. (Fn. 159), BVerfGE 61, 319, 343 f. (Alleinerziehende); BVerfG v. 22. 02. 1984 a. a. O. (Fn. 159), BVerfGE 66, 214, 222 (Unterhaltsaufwendungen); BVerfG v. 29. 05. 1990 a. a. O. (Fn. 161), BVerfGE 82, 60, 86 (Familienexistenzminimum); BVerfG v. 26. 01. 1994 a. a. o. (Fn. 161), BVerfGE 89, 346, 352 (Berufsausbildungskosten für Kinder). 336 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 124 f.; ders., StuW 1984,297, 305 f.; ders., StuW 1985,319,324; ders., StbKongrRep. 1988,29,37. 337 So auch P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 124. 334 335
16 Löhr
242
C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG
Zusammenhang mit der Umsatzsteuer nur sinnvoll, wenn er auf die von den Steuerträgern (Verbrauchern) verschiedenen steuerpflichtigen Unternehmer angewandt wird. 338 Denn die Endverbraucher als Steuerträger der Umsatzsteuer befinden sich während ihrer durch den Einkommens- bzw. Vermögensverwendungsvorgang vermittelten Marktteilnahme nicht in einer Wettbewerbssituation. Dies voraussetzend, kann das Prinzip der Wettbewerbsneutralität schließlich nicht als Maßstab gleichmäßiger Lastenverteilung dienen, denn die steuerpflichtigen Unternehmer werden durch die Umsatzsteuer auf Grund des Vorsteuerabzugsrechts sowie der Möglichkeit der Steuerüberwälzung nicht finanziell belastet. 339 Das Leistungsfähigkeitsprinzip als LastenausteilungsmaBstab und das Prinzip der Wettbewerbsneutralität betreffen also zwei völlig verschiedene Ebenen eines umsatzsteuerrechtlichen Sachverhaltes. 34o Als LastenausteilungsmaBstab auf der Stufe der Verbraucher kommt somit allein das Leistungsfähigkeitsprinzip in Betracht.
h) Ergebnis
Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist als allgemeiner steuerrechtlicher LastenausteilungsmaBstab auch im Bereich der Umsatzsteuer anwendbar. Einer Klärung bedarf im Anschluß jedoch die Frage, was unter dem "Verbrauch" als dem von der Umsatzsteuer erfaBten Leistungsfähigkeitsindikator genau zu verstehen ist und inwiefern er tatsächlich geeignet ist, steuerliche Leistungsfähigkeit zu indizieren.
3. "Verbrauch" als umsatzsteuerrechtlicher Indikator steuerlicher Leistungsrähigkeit
Wie bereits an früherer Stelle341 dargestellt wurde, ist als Steuergut der Umsatzsteuer der "Verbrauch" anzusehen. Vorherrschend ist ferner die Ansicht, der "Verbrauch" (oder auch: "Konsum") sei ein wichtiger Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit. 342 338 Zutreffend bezog daher auch das BVerfG in seiner Entscheidung zum Brutto-Umsatzsteuersystem den Maßstab der Wettbewerbsneutralität ausschließlich auf die Unternehmer, s. BVerfG v. 20. 12. 1966 a. a. O. (Fn. 153), BVerfGE 21,12,27 ff. 339 s. oben, Teil B.I.2.e)cc) und dd), S. 101 ff., S. 108 ff. 340 Tzpke, SteuRO 11, § 192.42, S. 910. 341 s. oben, Teil B.L3., S. 118 ff. 342 Tzpke, SteuRO II, § 192.3, S. 899 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.2.2, Rz. 95 ff.; ders., Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 124 ff. (Rz. 450 ff.); Vogel/Waldhoff, in: BonnerKomm, GG, Vorbern. z. Art. I04a-115, Rnr. 528; Birk, Leistungsfahigkeitsprinzip, S. 167; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 122; Waiden, Die Umsatzsteuer als
11. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
243
In der neueren steuerrechtswissenschaftlichen Literatur wird diese zuletzt genannte Annahme allerdings selten343 hinterfragt. Dabei ist bei näherer Betrachtung leicht festzustellen, daß die Ableitung einer steuerlich relevanten individuellen IstLeistungsfähigkeit einer Person aus dem Vorliegen eines dieser Person individuell zurechenbaren "Verbrauchs" im Rechtssinne nicht uneingeschränkt plausibel erscheint. 344 Die Eignung des "Verbrauchs" als Leistungsfähigkeitsindikator soll daher im folgenden genauer untersucht werden. Allerdings fehlt im Rahmen dieser Untersuchung bisher eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Begriff des "Verbrauchs" im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Die bislang verwendete Skizzierung des "Verbrauchs" als Einkommensverwendung eines Verbrauchers 345 bedarf daher an dieser Stelle zunächst einer näheren Erläuterung. 346 Dann erst ist weiterhin zu untersuchen, inwiefern die Annahme gerechtfertigt ist, ein "Verbrauch" könne steuerliche Leistungsfähigkeit in bestimmter Höhe indizieren. 347 Schließlich gilt es abschließend herauszuarbeiten, in welcher Form das Umsatzsteuergesetz die individualisierende Erfassung des Leistungsfähigkeitsindikators "Verbrauch" technisch verwirklicht. 348 Die Begriffsbestimmung hinsichtlich des Steuergutes "Verbrauch" der Umsatzsteuer erfordert jedoch zunächst einige methodische Vorüberlegungen (sogleich unter a», um klarzustellen, auf welche Weise die konkreten inhaltlichen Anforderungen an den gesuchten umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriff zu bestimmen sind. a) Zwei Zurechnungsstufen zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit
Unter der Prämisse der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht muß bei der Definition des umsatzsteuerlichen Verbrauchsbegriffs die Tatsache als Ausgangspunkt der Untersuchung dienen, daß der gesuchte Begriff notwendigerweise einen umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsindikator, also einen Maßstab zur gleichmäßigen Erfassung steuerlicher Leistungsfähigkeit der Verbraucher, kennzeichnet. Daraus ergeben sich gewisse inhaltliche Vorgaben für den Verbrauchsbegriff?49 indirekte Verbrauchsteuer, S. 31 f. m.N.; Thiel, Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke, StuW 1996, 192, 197; Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 36. 343 Deutliche Kritik findet sich vornehmlich bei Paul Kirchhof, vgl. statt vieler Äußerungen nur: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 72, 120 ff. 344 Dazu genauer unten, Teil C.n.3.c), S. 266 ff. 345 s. oben, Teil B.I.3.b)bb), S. 121 f. 346 s. unten, Teil C.n.3.b), S. 245 ff., insb. Teil c.n.3.b)bb), S. 251 ff. 347 s. unten, Teil c.n.3.c), S. 266 ff. 348 s. unten, Teil C.I1.3.d), S. 269 ff. 16*
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Darüber hinaus folgt aus dieser Tatsache allerdings zugleich die Notwendigkeit, bei der Ermittlung des Begriffsinhalts eine bestimmte Systematik zu beachten. Dies ergibt sich daraus, daß zur Feststellung der individuellen Leistungsfähigkeit einer Person jeweils zwei gedankliche (Zurechnungs-)Schritte erforderlich sind35o, welche verschiedene Zurechnungsstufen zur Ermittlung der individuellen Leistungsfahigkeit kennzeichnen. Die Definition des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfahigkeitsindikators "Verbrauch" jedoch muß ausschließlich auf einer bestimmten dieser verschiedenen Zurechnungsstufen geschehen. Dies soll im folgenden näher erläutert werden. Steuerliche Leistungsfähigkeit kennzeichnet nach der hier verwendeten Leistungsfähigkeitsdefinition 351 die Fähigkeit einer Person, Steuerleistungen aus dem gespeicherten Einkommen im Verhältnis zur Höhe des disponiblen Einkommens erbringen zu können. Diese Fähigkeit ist indes niemals unmittelbar erkennbar, sondern kann lediglich aus der Existenz bestimmter Indikatoren in der Sphäre einer Person gefolgert werden. Zur Ermittlung individueller Leistungsfähigkeit muß daher einer Person in einem ersten Schritt zunächst ein bestimmter Leistungsfahigkeitsindikator in individuellem Umfang zugerechnet werden. Diese Stufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfahigkeit bewirkt durch die strikte Anknüpfung an die individuellen Verhältnisse jedes Steuerträgers die unter Gleichheitsgesichtspunkten notwendige Differenzierung zwischen verschiedenen Steuerträgern und soll daher im folgenden als .. Individualisierungsstufe " zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit bezeichnet werden. Aus der im Rahmen der Individualisierungsstufe ermittelten Existenz des Leistungsfahigkeitsindikators in der Sphäre einer Person muß sodann in einem zweiten Schritt auf der Grundlage eines vorab definierten Zurechnungsprinzips die konkrete, steuerlich relevante individuelle Leistungsfähigkeit der Person abgeleitet werden. Dies ist ein von der Zurechnung des Leistungsfähigkeitsindikators zur Sphäre einer Person auf der Individualisierungsstufe streng zu unterscheidender zweiter Zurechnungs schritt. Es handelt sich dabei um einen Schritt der Deduktion von der Existenz eines Leistungsfähigkeitsindikators in der Sphäre einer Person auf deren individuelle Leistungsfähigkeit (= Belastbarkeit) gemäß einem zeitlich vor der Individualisierung abstrakt zu definierenden Prinzip. Daher soll die entsprechende zweite Zurechnungs stufe im folgenden als .. Deduktionsstufe" zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfahigkeit bezeichnet werden. Der Deduktionsschritt wiederum folgt zwar im Rahmen der Bestimmung der individuellen Leistungsfahigkeit einer Person aus logischen Gründen dem Zurechnungsschritt auf der Individualisierungsstufe zeitlich nach. Die Deduktionsstufe 349 350 351
Genauer dazu unten, Teil C.II.3.b), S. 245 ff., insb. Teil C.II.3.b)bb), S. 251 ff. Vgl. oben, Teil C.II.2.d), S. 234 ff., insb. S. 235 f. s. oben, Teil C.Il.l.b)aa), S. 215 f.
II. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
245
schließt jedoch darüber hinaus auch Definitionsschritte ein, welche notwendigerweise der Individualisierungsstufe zeitlich vorgehen müssen. Denn sowohl die Individualisierung als auch eine daran anknüpfende Deduktion sind nur dann möglich, wenn zuvor ein Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit in Gestalt eines tatsächlichen Vorganges oder Zustandes definiert wurde, bei dessen Vorhandensein in der Sphäre einer Person abstrakt die Annahme gerechtfertigt erscheint, daß diese Person steuerlich in einer bestimmten Weise leistungsfähig sei. Gleichzeitig setzt der Deduktionsschritt darüber hinaus das Bestehen eines abstrakten Prinzips voraus, welches regelt, in welchem Maße das Vorhandensein eines Leistungsfähigkeitsindikators in einer bestimmten Höhe steuerliche Belastbarkeit signalisiert. Diese für die Durchführung der Deduktion unabdingbaren abstrakten Definitionen beriihren die Individualisierungsstufe nur mittelbar und sind daher ausschließlich der Deduktionsstufe zuzuordnen. Die Bedeutung der Deduktionsstufe offenbart sich somit vor allem in der Definition dieser allgemeinen Zurechnungsregeln für die Ermittlung individueller Leistungsfähigkeit. Dennoch bleibt die Deduktionsstufe für sich betrachtet ohne Bezug zu bestimmten Personen und daher sehr abstrakt. Sie ermöglicht naturgemäß erst durch die Einbeziehung der Ergebnisse der Individualisierungsstufe eine Aussage über die individuelle Leistungsfähigkeit einer Person. Die Bestimmung eines umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriffs, welcher einen Leistungsfähigkeitsindikator als Steuergut abbilden soll, ist auf der Grundlage dieser Differenzierung der Zurechnungsstufen zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit ausschließlich ein die Deduktionsstufe betreffendes Problem. Der Individualisierungsstufe zur Ermittlung (umsatz-)steuerrechtlicher Leistungsfähigkeit sind dagegen vorrangig Fragen der besteuerungstechnischen Erfassung des auf der Deduktionsstufe zu definierenden Verbrauchs im umsatzsteuerrechtlichen Sinne zuzuordnen. Eine wichtige Erkenntnis dieser Differenzierung muß somit die Einsicht sein, daß der Begriffsinhalt des umsatzsteuerlichen Leistungsfähigkeitsindikators "Verbrauch" auf Grund seiner Abstraktheit nicht durch besteuerungstechnische Fragen beeinflußt werden kann.
b) Begriffsbestimmung des" Verbrauchs" auf der Deduktionsstufe zur Ermittlung (umsatz-)steuerlicher Leistungsfähigkeit
Unter dem umsatzsteuerrechtlichen Besteuerungsgut "Verbrauch" wird im allgemeinen in der Literatur352 die Einkommensverwendung privater Verbraucher für 352 Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 48 m.N.; Schaub, Der umsatzsteuerrechtliche Untemehmerbegriff, S. III f., 123 f.; Schmölders, Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 9. Teil, § 5, S. 652; Birk/ Förster; DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 6; Söhn, StuW 1975, I, 2; ders., StuW 1976, I, 7 (anders jedoch später ders., FS f. Pohmer 1999, 218, 226 ff.); Lang, in: Tipkel
246
C. Konkretisierung des G1eichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
den Erwerb von Gütern oder Dienstleistungen zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, also zu Konsumzwecken, verstanden. Es gilt daher zu untersuchen, ob diese Definition den umsatzsteuerlichen Verbrauchsbegriff als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit zutreffend kennzeichnet.
aa) Herkömmliche Begriffsbestimmung: Substitutionstheorie (1) Verborgen hinter der zitierten herrschenden umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsdefinition scheint sich bei einem Teil der Autoren 353 in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur ein Verständnis des Verbrauchsbegriffs erhalten zu haben, welches bereits im wesentlichen durch Johannes Popitz354 geprägt wurde.
Erkennbar wird dies insbesondere daran, daß sich die Auseinandersetzung mit dem Begriff des "Verbrauchs" im umsatzsteuerlichen Sinne in den Darstellungen dieser Autoren üblicherweise darauf beschränkt, die Diskrepanz zwischen dem zitierten 355 herrschenden rechtlichen Verbrauchsbegriff und der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes "Verbrauch" herauszustellen, wonach unter "Verbrauch" ein tatsächlicher Vorgang der Bedarfsdeckung oder Bedürfnisbefriedigung verstanden wird, welcher zur vollständigen Abnutzung, zum Verschleiß oder zum Verzehr von Gütern führt. Erläutert wird gewöhnlich nur, inwiefern und aus welchen Gründen demgegenüber die genannte Definition der rechtswissenschaftlichen Literatur eine in mehrfacher Hinsicht von den tatsächlichen Vorgängen des Verbrauchs abstrahierende Modifikation des umgangssprachlichen Begriffs für steuerrechtliche Zwecke darstellen müsse. Ergebnis derartiger Erörterungen zum umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriff ist dabei vor allem die Erkenntnis, daß Vorgänge tatsächlichen Güterverzehrs zur Ermöglichung steuertechnischer Erfassung des "Verbrauchs" durch die rechtlich erfaßbaren Vorgänge der Einkommensverwendung der Verbraucher zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen bzw. durch die Einfuhr von Verbrauchsgütern zu substituieren seien. Die diesbezügliche Lang, § 3 3., Rz. 32; Tipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 895; ders., StuW 1992, 103, 107, 108; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 19 f.; Stadie, in: Rau 1Dürrwächter 1Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 87; Tehler, Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und 1oder Verbrauchsteuer, S. 37 ff. (38). 353 Zu finden ist dieses, auf die Notwendigkeit eines Substitutionsvorgangs hinweisende Verständnis des Begriffs "Verbrauch" noch bei: Birk/ Förster, DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 5; Söhn, StuW 1975, I, 3; ders., FS f. v. Wallis 1985,439,444 f.; Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 48, 59 ff.; Schmölders, Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 9. Teil, § 3, S. 640. Als Anhänger der Substitutionstheorie müssen weiterhin wohl auch gelten: Söhn, FS Pohmer 1990, 217,228 f.; Streng, StuW 1999, 154, 155 f. unter Verweis auf Söhn a. a. 0.; ders., Zuschüsse und Subventionen im Umsatzsteuerrecht, S. 112 ff., 137 ff.; Beermann, DStJG 11 (1988), 283, 284f. 354 Vor allem: Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § I, S. 183 ff.
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Argumentationskette der Anhänger des überlieferten Verbrauchsbegriffs soll zum besseren Verständnis hier kurz nachgezeichnet werden. (2) Verbrauchsakte im umgangssprachlichen Sinne treten in unbestimmbarer Vielzahl und Vielgestaltigkeit auf. Sie stellen reine Realakte dar, deren Verwirklichung sich mitunter erst über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten läßt. 356 Dies alles läßt tatsächliche Verbrauchsvorgänge in den Augen der Vertreter der überkommenen Ansicht für eine steuertechnische Anknüpfung als untauglich erscheinen, da aus tatsächlichen Gründen die beabsichtigte allgemeine Besteuerung des "Verbrauchs" mittels steuertechnischer Anknüpfung an Verbrauchsakte im umgangssprachlichen Sinne sicher nie umfassend und gleichmäßig zu verwirklichen wäre. 357 Bereits Johannes Popitz358 formulierte daher: "Der Verbrauch selbst, rein äußerlich genommen, ist ein Vorgang, der nicht steuertechnisch erfaßbar ist." Aus diesem Grunde, so die Anhänger des überlieferten Verbrauchsbegriffs, bestehe heute Einigkeit darin, daß der umsatzsteuerrechtliche Verbrauchsbegriff nicht an den (physischen) Verzehr oder die Abnutzung von Waren anknüpfen könne?59 Vielmehr solle zur Definition des Steuergutes der Umsatzsteuer nur ein rechtlicher Verbrauchsbegriff taugen, welcher die tatsächlichen Verbrauchsakte rechtlich faßbar mache, indem er sie durch einen rechtlich greifbaren wirtschaftlichen Begriff oder Vorgang substituiere. 360 Aus dem vermeintlichen Erfordernis, die Realakte steuertechnisch erfassen zu müssen, wird daher nach überkommener Ansicht die Notwendigkeit der Substitution tatsächlicher Verbrauchsvorgänge auch zum Zwekke der Verbrauchsdefinition gefolgert. Als Surrogat tatsächlicher Verbrauchsvorgänge kommen nun prinzipiell verschiedene rechtlich faßbare Wirtschaftsvorgänge in Betracht. 361 Es hat sich allers. oben, S. 245 f. Popitz. Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 183; Schmölders, Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 9. Teil, § 3, S. 640; BirklFörster; DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/ 1985, S. 5. 357 Söhn. StuW 1975, 1,3. 358 Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 183. 359 Popitz. Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 183; Schmölders. Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 9. Teil, § 3, S. 640; Waiden. Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 48; BirklFörster; DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/ 1985, S. 5; Söhn. FS f. v. Wallis 1985,439,444 f. 360 Popitz. Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 183 f.; Schmölders. Das Verbrauch- und Aufwandsteuersystem, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 9. Teil, § 3, S. 640; BirklFörster; DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/ 1985, S. 5,7; Söhn, FS f. v. Wallis 1985,439,444 f.; Waiden. Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 48, 59 ff. 361 s. im einzelnen dazu vor allem Popitz. Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 183 ff., welcher die Anknüpfung an die Bewegung 355
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dings die Überzeugung durchgesetzt, daß eine Substitution durch wirtschaftliche Handlungen des Verbrauchers im Rahmen derjenigen Rechtsverkehrsakte, welche diesem die Waren oder Leistungen unmittelbar zuführen, die für eine allgemeine Verbrauchsteuer wie die Umsatzsteuer praktisch sicherste Anknüpfung gewährleiste. 362 Auch der Gesetzgeber der Umsatzsteuer habe sich seit jeher dafür entschieden, den Verbrauch im tatsächlichen Sinne nur in dem Zeitpunkt zu erfassen, in welchem Einkommen oder Vermögen für den Erwerb von Verbrauchsgütern verwendet wird. 363 Abgestellt wird daher von den Befürwortern des überlieferten Verbrauchsverständnisses aus rechtlicher Sicht auf die Einkommensverwendung des Verbrauchers im Rahmen eines Rechtsaktes, welcher zum Erwerb der Verbrauchsgüter oder Leistungen durch den Verbraucher führt?64 Damit wird der Verbrauch für Zwecke der Besteuerung auf den Zeitpunkt des Versorgungsaktes 365 des Verbrauchers vorverlagert, weil der Erwerb oder die Entnahme von Gütern oder Leistungen als der letzte (verbrauchsnächste) und zudem am sichersten erkennbare Zeitpunkt gilt, zu welchem später verbrauchte (i.S.v. verzehrte) Waren und Leistungen an einem rechtlich erfaßbaren Vorgang teilhaben. 366 Lediglich im Sonderfall der Einfuhr367 von Verbrauchsgütern durch einen Verbraucher könne, so wird argumentiert, die inländische Umsatzsteuer nicht auf den Erwerb des eingeführten Gutes Bezug nehmen, weil dieser im Ausland stattgefunden hat. Hier lasse sich jedoch der Einfuhrakt als rechtlich erfaßbarer Tatbestand ansehen, welcher ebenfalls einem späteren Verbrauch im Inland vorhergehe und somit auch Teil des Versorgungsaktes sei. Problematisch sei nur, daß die Höhe des im Ausland für den Erwerb des Gutes verwendeten Einkommens aus dem Einfuhrakt selbst nicht ersichtlich wird. Die durch den Erwerb im Ausland dokumentierte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit müsse daher anhand typisierter Waren werte (Zollwert, vgl. § 11 Abs. 1 UStG) vermutet werden. (3) Gegen die Substitution tatsächlicher Verbrauchsvorgänge durch einen rechtlich erfaßbaren Akt der Einkommensverwendung ist jedoch - ebenfalls ausgehend vom überlieferten Verbrauchsverständnis - vor allem von Peter Walden 368 eingewandt worden, diese Substitution sei "unbefriedigend", da sie auf interpretationsvon Waren zum Verbrauch, an die Produktion, an juristische Verkehrsakte in Form der Umsätze, die Waren dem Verbrauch entgegenführen, sowie an den Aufwand der konsumierenden Personen untersucht. 362 Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. H, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 183 f.; Birkl Förster, OB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 6. 363 Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. H, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 180, 183 f.; Söhn, StuW 1975, 1,3; ders., FS f. v. Wallis 1985,439,445. 364 BirklFörster, OB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 6; Söhn, StuW 1975, 1,2; ders., StuW 1976, 1,7. 365 s. auch Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 62. 366 Birkl Förster, OB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 6. 367 s. dazu oben, Teil B.1.3.d), S. 126 ff. 368 Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 60 f.
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bedürftige Begriffe wie "Einkommen" zurückgreife und dadurch die Umsatzsteuer als Steuer auf der Mittelverwendungsseite unnötig mit der Seite des Mittelerwerbs in Verbindung bringe. Statt dessen sei der Verbrauch wirtschaftlich eindeutig nur im Rahmen eines wirtschaftlich beobachtbaren "Tausch-"Vorgangs369 zu bestimmen, innerhalb dessen sich der Begriff des "Umsatzes" als "Spiegelbild" des Verbrauchs ergebe. 37o Die im Rahmen eines solchen Tauschvorgangs für die getauschte Leistung 371 hingegebene Leistung repräsentiere sodann den "Verbrauch" im Rechtssinne. 372 Diese Ansicht kann jedoch bereits auf der Grundlage des überkommenen Verbrauchs verständnisses aus verschiedenen Gründen nicht überzeugen. Zunächst ist der Rückgriff auf den Begriff des "Einkommens" im Rahmen der vorgeschlagenen Substitution tatsächlicher Verbrauchsvorgänge durch Akte der Einkommensverwendung zwar möglicherweise erläuterungsbedürftig, aber keineswegs unbefriedigend oder irreführend. Der verwendete Einkommensbegriff ist selbstverständlich nicht mit dem Einkommensbegriff des Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts identisch. Wie aus dem Zusammenhang ~ es geht auch in der Argumentationskette der herkömmlichen Ansicht um den Inhalt des Begriffs "Verbrauch" als Leistungsfähigkeitsindikator - ohne weiteres erkennbar sein sollte, beziehen sich die Ausführungen ersichtlich auf den erheblich weiter gefaßten ökonomischen 373 Einkommensbegriff des Leistungsfähigkeitsprinzips. Weiterhin ist vom Standpunkt der überlieferten Ansicht eine Notwendigkeit nicht ersichtlich, diejenigen Rechtsakte, welche zu einer Versorgung der Verbraucher mit Verbrauchsgütern oder Dienstleistungen führen, unabhängig von ihrem eigentlichen rechtlichen Charakter (z. B. als Kaufvertrag, Werkvertrag oder auch Entnahme) nochmals aus ökonomischer Sicht in einen "Tausch" umzuqualifizieren, um daraus den Umsatz als Spiegelbild der Einkommensverwendung als maßgebliches Surrogat zu schöpfen. Wie das Beispiel des Eigenverbrauchs zeige 74 , gehen mit jedem weiteren Schritt der Abstraktion von den tatsächlichen Vorgängen gewisse Geschehnisse verloren, so daß die Anzahl der Substitutionsschritte - wenn man die Substitution überhaupt für nötig hält - möglichst gering gehalten werden sollte. Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 62 f. Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 61 ff. 371 Gemeint ist die Sach- oder Dienstleistung. 372 Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 64. 373 Zum Einkommensbegriff des Leistungsfähigkeitsprinzips vgl. oben, Teil C.ll.l.b)bb), S. 217 ff. , insb. S. 218. 374 Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 65 ff., 72 ff., muß den Eigenverbrauch, der sich ökonomisch nicht mehr als "Tausch" erklären läßt, von seiner Verbrauchsdefinition ausnehmen. Bei der Substitution des Verbrauchs durch Einkommensverwendungsvorgänge ist dies hingegen nicht nötig, da auch die Selbstversorgung der Inhaber aus einem betrieblichen Vermögen stets als Einkunftsminderung eine (besondere) Form der Einkommensverwendung (entweder als Eigenkapitalschmälerung oder als verdeckte Gewinnausschüttung) darstellt. 369
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Schließlich ist nicht erkennbar, worin der Sinn der Einführung eines Tausch-Vorgangs zwecks Beschreibung des "Umsatzes" als Spiegelbild des "Verbrauchs" liegen soll, wenn letztlich doch eine Anknüpfung des "Verbrauchs" an die während des Tausches hingegebene 375 Leistung befürwortet wird. Dies unterscheidet sich der Sache nach in keiner Weise von der Bezugnahme der herkömmlichen Ansicht auf die Einkommensverwendung, wenn man davon absieht, daß durch die Einführung des Tausch-Erfordernisses der Bereich der rechtlichen Verbrauchsvorgänge unnötig beschränkt wird. Denn es trifft nicht zu, daß der "Verbrauch" im Sinne eines durch einen Einkommensverwendungsvorgang substituierten Realaktes von der tatsächlichen Verwendung erworbener Güter oder Leistungen für nichtwirtschaftliche Zwecke abhängt. 376 Lediglich die Verwendungsabsicht des Erwerbers im Zeitpunkt der Einkommensverwendung ist entscheidend377 ; dies wird indes in gleicher Weise auch von Walden 378 befürwortet. Es ist somit auf der Grundlage der Substitutionstheorie der überkommenen Ansicht unnötig, den rechtlich erfaßbaren Versorgungsakt ökonomisch gesehen in einen Tauschvorgang umzuqualifizieren. (4) Die Einwände Waldens können somit die herrschende umsatzsteuerrechtliche Definition379 des "Verbrauchs" als substituierter Realakt nicht erschüttern. Die herkömmliche Argumentation erscheint daher sehr schlüssig und führt darüber hinaus auch - allerdings auch nur - im Ergebnis zu einer zweckmäßigen umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsdefinition. Gleichwohl kann unter der Prämisse der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht der dargestellte Weg zur Herleitung dieses Verbrauchs begriffs keine Zustimmung finden. Denn die Notwendigkeit zur Substitution besteht nur dann, wenn als umsatzsteuerrechtlicher Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in Wahrheit nicht die Einkommensverwendung eines Verbrauchers, sondern der tatsächliche "Verbrauch" im umgangssprachlichen Sinne, also der Verzehr, der Verschleiß oder die Abnutzung von Gütern, anzusehen wäre. Die oben genannte Verbrauchsdefinition kennzeichnet daher, jedenfalls soweit sich die Befürworter dieses Ansatzes zur Begründung auf die überkommene Substitutionstheorie beziehen, nicht den von diesen Autoren wirklich als Leistungsfähigkeitsindikator angenommenen Vorgang, sondern verschleiert diesen geradezu. Indem die genannten 380 Autoren den "Verbrauch" dennoch als Einkommensverwendungsvorgang definieren, benennen sie damit nicht den nach ihrem Verständnis durch die Umsatzsteuer belasteten Leistungsfähigkeitsindikator, sondern lediglich dessen rechtlich erkennbare und steuertechnisch erfaßbare Projektion. Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 64. A.A. wohl aber Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 64 (mittlerer Absatz). 377 Näher dazu sogleich Teil C.II.3.b)cc), S. 258 ff. 378 Waiden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 63 f. 379 s. oben, S. 245 f. 380 s. die Nachweise in Fn. 353. 375
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Es wird sich jedoch erweisen, daß ein solcher Ansatz, der unter "Verbrauch" als Leistungsfähigkeitsindikator den tatsächlichen Vorgang des Güter- oder Leistungsverzehrs versteht, mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip im hier verwendeten Sinne nicht vereinbar ist. 381 (5) Darüber hinaus ist die Frage der Substitution zwecks steuertechnischer Erfassung des "Verbrauchs" ein ausschließlich auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit anzusiedelndes Problem. Die Ergebnisse steuertechnischer Überlegungen dürften jedoch die auf der Deduktionsstufe notwendige Definition des "Verbrauchs" als Leistungsfähigkeitsindikator und Steuergut der Umsatzsteuer gar nicht beeinflussen. 382 Somit mißachtet die überlieferte Herleitung der Verbrauchsdefinition unter Rückgriff auf den Substitutionsschritt zugleich die Methodik der Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit und taugt auch aus diesem Grunde nicht für eine zeitgemäße Definition des umsatzsteuerlichen Verbrauchs begriffs. Daher ist im folgenden ein umsatzsteuerrechtlicher Verbrauchsbegriff zu entwickeln, welcher mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip im hier verwendeten Sinne vereinbar ist und ausschließlich als Ergebnis der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit gelten kann.
bb) Umsatzsteuerrechtlicher Verbrauchsbegriff als Ableitung aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip Die steuerlich relevante individuelle Ist-Leistungsfähigkeit einer Person soll entsprechend der hier verwendeten Leistungsfähigkeitsdefinition 383 - die Fähigkeit einer Person kennzeichnen, Steuerleistungen aus dem gespeicherten Einkommen im Verhältnis zur Höhe des disponiblen Einkommens erbringen zu können. Das Leistungsfähigkeitsprinzip läßt sich demnach nur durch ein System von Steuern umfassend verwirklichen, deren Zugriffsobjekt das Einkommen 384 in seinen verschiedenen Erscheinungsformen ist. Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit kann daher nur ein Vorgang oder Zustand sein, welcher die Vermutung des Vorhandenseins verfügbaren Einkommens bei einer Person rechtfertigt. (I) Eine derartige Vermutung ist mit Sicherheit berechtigt, wenn eine Person Einkommen erzielt, welches nicht für existenz- bzw. erwerbssichernde Zwecke benötigt wird. Die Einkommenserzielung ist jedoch nicht der für den Bereich der Umsatzsteuer relevante Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit. Denn die Ums. sogleich Teil C.I1.3.b )bb), S. 251 ff. s. oben, Teil C.I1.3.a), S. 243 ff., insb. S. 245. 383 s. oben, Teil C.I1.l.b)aa), S. 215 f. 384 Zum Einkommen als einzigem Besteuerungsobjekt s. oben, Teil C.I1.l.b)bb), S. 217 ff., insb. S. 218. 381
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satzsteuer soll ihrer Natur nach nicht die Einkommenserzielungs-, sondern ausschließlich die Einkommensverwendungsseite besteuern. Insofern wird sie als notwendige Ergänzung zu Einkommen- und Körperschaftsteuer angesehen. 385 (2) Der Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit auf der Einkommensverwendungsseite kann allerdings ausschließlich die Einkommensverwendung an sich sein. Der Akt des tatsächlichen Verbrauchs von Gütern oder Leistungen hingegen spricht für sich genommen nicht für die Vermutung, die verbrauchende Person verfüge über disponibles Einkommen, sei also zahlungsfähig. Denn verbrauchen im tatsächlichen Sinne kann auch eine Person, welche die Verbrauchsgüter z. B. selbst angebaut oder selbst erschaffen hat. Eine solche Person wäre ersichtlich nicht steuerlich leistungsfähig im oben genannten Sinne. Der Akt tatsächlichen Verbrauchs kann indes die Vermutung steuerlicher Leistungsfähigkeit im Sinne von Zahlungsfahigkeit auch nicht widerlegen. Er ist, isoliert betrachtet, in seiner Aussage zur Leistungsfähigkeit des Verbrauchenden indifferent. Die zum Teil in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur bis heute vertretene Substitutionstheorie 386 zur Bestimmung der Bedeutung des Begriffs "Verbrauch" stellt jedoch - verborgen hinter einer irreführenden steuertechnischen Verbrauchsdefinition 387 - in Wahrheit gerade auf die für die Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit bedeutungslosen tatsächlichen Verbrauchsvorgänge als Leistungsfähigkeitsindikatoren ab. Dies mag mit der irreführenden kontinuierlichen Verwendung des Begriffs "Verbrauch" zur Beschreibung des Steuergutes der Umsatzsteuer seit vielen Jahrzehnten zusammenhängen. Der Begriff, welcher bereits in den Arbeiten Popitz' in der Zeit der Erschaffung der ersten deutschen Umsatzsteuergesetze Verwendung fand, war urspriinglich in der Tat in seiner überlieferten Bedeutung im umgangssprachlichen Sinne verstanden worden. 388 Er überdauerte die Jahrzehnte und überlebte sogar den Wechsel des Umsatzsteuersystems. Daß er dabei jedoch im Laufe der Zeit einen beachtlichen Bedeutungswandel erfuhr, scheint den Anhängern der Substitutionstheorie entgangen zu sein. Bei der Schaffung der ersten deutschen Umsatzsteuergesetze wurde der Umsatzsteuer trotz des verfassungsrechtlich verankerten Gebotes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in Art. 134 WRV noch jegliche Bezugnahme auf das Leistungsfahigkeitsprinzip abgesprochen. 389 Zwar gab es auch damals Überlegungen, 385 Zur Besteuerung der Einkommensverwendung neben einer Besteuerung der Einkommenserzielung s. oben, Teil C.l1.2.b), S. 229 ff. 386 s. oben, Teil C.II.3.b)aa), S. 246 ff. 387 Dazu oben, Teil C.1I.3.b)aa)(4), S. 250. 388 s. nur Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 183 ff. 389 Popitz, in: Popitz / Kloß / Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, 1. Kap. 1I1.l., S. 11 f.; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 13. Auf!. 1930, Art. 134 Anm. 2 sowie ders., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Auf!. 1933, Art. 134 Anm. 2 mit Fn. 1; Bühler, in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung (1930), Bd. 2, Art. 134 Anm. II., S. 316.
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die individuelle Leistungsfähigkeit der Verbraucher etwa durch Freistellung existenznotwendiger Güter oder durch Steuervergütungen zu berücksichtigen. 390 Diese Vorschläge wurden jedoch nie verwirklicht, so daß kein Anlaß bestand, die Umsatzsteuer als Leistungsfiihigkeitssteuer zu interpretieren und daher den Verbrauchsbegriff unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten zu beschreiben. Vielmehr genügte die eher steuertechnisch geprägte Diskussion auf der Grundlage eines umgangssprachlichen Verbrauchsbegriffs, welche zur Annahme des Substitutionserfordernisses führte. Inzwischen hat sich jedoch das Bild gewandelt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist als ein fundamentales Prinzip der Steuerrechtsordnung auch im Bereich des Umsatzsteuerrechts anzuwenden. 391 Die daraus folgende Notwendigkeit der Überprüfung überkommener spezifisch umsatzsteuerrechtlicher Termini auf ihre Tauglichkeit für die Anwendung im geltenden Umsatzsteuersystem wird indes von den Befürwortern der Substitutionstheorie in bezug auf den Verbrauchsbegriff nicht erkannt. Selbst in der überlieferten Diskussion schwingt allerdings unterschwellig stets das Argument mit, daß, wer verbrauchen kann, zuvor für den Erwerb des Verbrauchsgutes Einkommen verwendet haben müsse. Die Anhänger der Substitutionstheorie ignorieren jedoch nach wie vor die fundamentale Bedeutung dieser inzidenten Annahme für ihre Verbrauchsdefinition. Sie erkennen nicht, daß unter der Prämisse der Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips allein diese (vermutete) Einkommensverwendung die Vermutung rechtfertigt, die verbrauchende Person sei steuerlich leistungsfähig. Nur dies erscheint folgerichtig, denn nicht der Umstand, daß jemand Güter oder Dienstleistungen verzehrt, sondern ausschließlich die Tatsache, daß jemand "Geld ausgeben" kann, um diese Güter oder Leistungen zu erwerben, indiziert die Vermutung, er müsse auch "Geld haben".392 Darüber hinaus vermeidet schließlich nur die Annahme, der Indikator steuerlicher Leistungsfiihigkeit auf der Einkommensverwendungsseite sei die Einkommensverwendung eines Verbrauchers als solche, daß im Widerspruch zur allgemeinen Systematik der Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit393 bereits bei der Definition des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsindikators Fragen der Besteuerungstechnik Berücksichtigung finden. Dies ist jedoch zwingend 394, denn Fragen der Besteuerungstechnik betreffen ausschließlich das Problem der individuellen Zurechnung eines Leistungsfähigkeitsindikators in einer bestimmten Höhe zu einer Person, mithin ausschließlich die Individualisierungsstufe zur Ermittlung 390 s. vor allem Popitz. in: Popitz I Kloß I Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, 1. Kap. VI. 1., S. 40 ff. 391 s. oben, Teil c.n.2., S. 224 ff. 392 Zu den Einschränkungen s. sogleich Teile c.n.3.b) cc) - ff), S. 258 ff. 393 Zu den zwei Zurechnungsstufen zur Ennittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit s. oben, Teil C.lI.3.a), S. 243 ff. 394 s. oben, Teil c.n.3.a), S. 243 ff. (245) sowie Teil c.n.3.b)aa)(5), S. 251 f.
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steuerlicher Leistungsfähigkeit. Die Definition des Verbrauchsbegriffs hingegen hat auf der Deduktionsstufe zur Ennittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit ohne Einbeziehung steuertechnischer Merkmale der Umsatzsteuer zu geschehen. Die Konsequenz aus den vom Leistungsfähigkeitsbegriff ausgehenden Überlegungen muß somit die Erkenntnis sein, daß der umsatzsteuerrechtliehe Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausschließlich als Akt der Einkommensverwendung zum Erwerb von Verbrauchsgütern oder Dienstleistungen beschrieben werden darf?95 Ein Rückgriff auf tatsächliche Verbrauchsvorgänge ist unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten zur Bestimmung des umsatzsteuerrechtlichen Besteuerungsgutes gar nicht zulässig. Der von Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur bis heute unentwegt dargestellte Substitutionsschritt zur Definition des umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriffs ist also nicht nur entbehrlich, er verschleiert geradezu den wirklichen Leistungsfähigkeitsindikator. (3) Dieser hier entwickelte Verbrauchsbegriff steht nicht im Widerspruch zur 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie 396. Zwar wird das Gegenteil heute vor allem von Hartmut Söhn 397 und - unter Bezugnahme auf die Ausführungen Söhns - von ]ürgen Streni 98 behauptet. Diese Autoren betonen nachdriicklich, die Umsatzsteuer wolle nicht die Einkommensverwendung eines Verbrauchers, sondern allein den "Verbrauch des Verbrauchers" im Sinne tatsächlichen Güter- oder Leistungsverzehrs belasten. Als Besteuerungsgut der Umsatzsteuer könne daher allein "der erworbene Konsumnutzen oder das zur Verfügung stehende Nutzungspotential eines (gekauften) Gegenstandes bzw. der mögliche Einsatz dieses Potentials für Konsumzwecke,,399 gelten. Zur Begriindung dieser Ansicht beziehen sich beide Autoren vor allem auf das Ziel der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie, welches sie in der Belastung eben dieses "Verbrauchs des Verbrauchers" sehen. Dieser Interpretation kann jedoch nicht gefolgt werden.
Vielmehr existiert kein für das deutsche Recht verbindlicher europarechtlicher Verbrauchsbegriff der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie. Zwar muß den genannten Autoren zunächst darin zugestimmt werden, daß sowohl die Auslegung der Materialien zur 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie als auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs allein die Folgerung zulassen, daß die harmonisierte Mehrwertsteuer materiell-rechtlich eine Verbrauchsteuer ist. 4OO Daraus folgt je395 In diesem Sinne: Tipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 895; ders., StuW 1992, 103, 107, 113; ders., FS f. Wacke 1972,211,226 f.; Reiß, DStJG 13 (1990), 3,19 f.; ders., in: Tipke/Lang, § 14 A. 1., Rz. 1; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 85 - 87; Teh[er, Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und/ oder Verbrauchsteuer, S. 37 ff. (38); Lang, in: Tipke/Lang, § 4 C. 1.2.2.2, Rz. 111. 396 ABI. EG Nr. L 145 v. 13.06. 1977. 397 Insbesondere Söhn, FS Pohmer 1990, 217, 228 f. 398 Streng, StuW 1999, 154, 155 f.; ders., Zuschüsse und Subventionen im Umsatzsteuerrecht, S. 112 ff" 137 ff. 399 Söhn, FS Pohmer 1990,217,228. 400 Dazu oben, Teil B.1.4., S. 130 f.
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doch weder, daß die Richtlinie selbst den Begriff des "Verbrauchs" europarechtlich definiert, noch daß es ein gemäß Art. 189 Abs. 3 (neu; Art. 249 Abs. 3) EGV verbindliches Richtlinienziel ist, den "Verbrauch" im Sinne des "Verbrauchs der Verbraucher", also im Sinne tatsächlicher Vorgänge des Güter- oder Leistungsverzehrs, zu belasten. Denn zunächst verwendet die 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie den Begriff des "Verbrauchs" nicht; eine Begriffsdefinition enthält sie daher erst recht nicht. Weiterhin nennt die Richtlinie selbst in ihrer Präambel als wesentliches Ziel die Harmonisierung der Mehrwertsteuer, welches aus Gründen des Haushalts der Gemeinschaften, zur Durchsetzung der Grundfreiheiten, zur Beseitigung von Wettbewerbshemmnissen im gemeinsamen Binnenmarkt, zur Schaffung sogenannter ,,steuerneutralität" der Mehrwertsteuer, zur Beseitigung von Kompetenzkonflikten zwischen den Mitgliedstaaten, zur Vorbereitung eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems mit einheitlichem Steuersatz sowie zur Gewährleistung auch innerstaatlicher Gleichmäßigkeit der Besteuerung notwendig sei. 401 Von der (harmonisierten) Besteuerung des "Verbrauchs der Verbraucher" ist dagegen nicht die Rede. Statt dessen wird deutlich, daß die Regelungen der Richtlinie allein dem Ziel dienen, die bereits vorgefundenen Steuern auf den "Verbrauch" in den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Dies bedeutet aber, daß die Richtlinie den jeweiligen Verbrauchsbegriff der Mitgliedstaaten nur aufnimmt, ihn jedoch nicht durch einen eigenen Verbrauchsbegriff ersetzt. Dazu besteht aus europäischer Sicht auch kein Anlaß. Denn unabhängig davon, ob als "Verbrauch" im Rechtssinne im jeweiligen Mitgliedstaat die Vorgänge tatsächlichen Güter- oder Leistungsverzehrs oder die Einkommensverwendungen der Verbraucher zum Erwerb von Konsumgegenständen verstanden werden, führt die Erhebung einer Mehrwertsteuer stets zur Belastung von Waren und Dienstleistungen. Allein diese Einwirkung auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen ist es jedoch, die aus europäischer Sicht Anlaß zur Harmonisierung der Mehrwertsteuern gibt, wie insbesondere bereits aus der Formulierung des Art. 2 Abs. 1 der 1. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie402 deutlich wird, wo es heißt: "Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen ( ... ) eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.". Auch die Materialien der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie lassen, soweit sie die Umsatzsteuer als "Verbrauchsteuer" charakterisieren 403 , eine andere Deutung nicht zu. Sie setzen ebenfalls den Begriff des "Verbrauchs" jeweils in dessen innerstaatVgl. ABI. EG Nr. L 145, S. I f. Art. 2 Abs. 1 der Ersten Richtlinie des Rates 67/227/ EWG vom 11. 04. 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, ABI. EG 1301/67 v. 14.04.1967, S. 1302/67. 403 s. die Nachweise bei Streng, StuW 1999, 154, 156; Söhn, FS Pohmer 1990,217, 227. S. auch oben, Teil B.I.4., S. 130 f. 401
402
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licher Bedeutung voraus. Durch die 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie wird lediglich die steuertechnische Ausgestaltung derjenigen Steuern der Mitgliedstaaten vereinheitlicht, die durch eine Belastung des "Verbrauchs" im innerstaatlichen Sinne zu einer den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigenden steuerlichen Belastung von Waren und Dienstleistungen führen. Nur diese Interpretation wird zudem der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerecht. Auch der Europäische Gerichtshof kennzeichnet als Ziel der Einführung eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems allein die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, "auf dem ein unverfälschter Wettbewerb herrscht und der ähnliche Merkmale aufweist wie ein Binnenmarkt; hierzu sollen die Unterschiede in der Besteuerung ausgeschaltet werden, die geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handelsverkehr zu behindern. ,,404 Dabei bezieht sich der Europäische Gerichtshof zur Begründung ebenfalls vor allem auf Art. 2 der 1. EGUmsatzsteuer-Richtlinie und betont dementsprechend, die harmonisierte Mehrwertsteuer wolle die Belastung von Gegenständen und Dienstleistungen vereinheitlichen. 405 Ausgehend von diesem Ziel entwickelt der Europäische Gerichtshofsodann eine europarechtliche Charakterisierung der Mehrwertsteuer, die konsequent ausschließlich auf die technische Gestaltung der steuerlichen Belastung von Waren und Dienstleistungen Bezug nimmt, den Begriff des "Verbrauchs" dagegen überhaupt nicht verwendet. Der Europäische Gerichtshof formuliert: "Ob eine Steuer ( ... ) den Charakter einer Umsatzsteuer i.S. von Art. 33 der 6. EG-Richtlinie hat, hängt vor allem davon ab, ob sie das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belastet, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist. ,,406 und "Der Gerichtshof sieht zu diesem Zweck als wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer an: allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält; Erhebung der Steuer auf jeder Produktionsund Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so daß sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird,,407. Aus europäischer Sicht ist also allein entscheidend, daß die Umsatzsteuer den Handel zwischen den Mitgliedstaaten dadurch beeinträchtigt, daß sie den Preis von 404 Ständ. Rspr., s. zuletzt insb. EuGH v. 08. 06. 1999 - Rs. C-338/97, C-344/97, C-390/ 97 (Pelzl u. a.) -, UR 1999,328,329 (Gründe Rz. 14). 405 EuGH v. 08. 06. 1999 a. a. O. (Fn. 404), UR 1999,328,329 (Gründe Rz. 16) m. w. N. 406 EuGH v. 08. 06.1999 a. a. O. (Fn. 404), UR 1999,328,330 (Gründe Rz. 20) m.N. 407 EuGH v. 08. 06. 1999 a. a. O. (Fn. 404), UR 1999,328,330 (Gründe Rz. 21) m.N.
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Waren und Dienstleistungen belastet. Es besteht dagegen kein Anlaß, durch die Richtlinie einen europarechtlichen Verbrauchsbegriff zu definieren. Vielmehr zielt die Harmonisierung der europäischen Mehrwertsteuer allein auf die Lösung bestimmter steuertechnischer Probleme ab, die ausschließlich die Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit betreffen und somit für die Definition des innerstaatlichen Verbrauchsbegriffs auf der Deduktionsstufe umsatzsteuerlicher Leistungsfähigkeit irrelevant sind. 408 Somit ergibt sich auch aus dem Ziel der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie keine für das innerstaatliche Recht verbindliche Definition des Verbrauchsbegriffs. Die Bedeutung des Begriffs ist somit auf der Grundlage des Rechts der Mitgliedstaaten zu ermitteln. Für das deutsche Recht ist daher ein umsatzsteuerlicher Verbrauchsbegriff zu entwickeln, der den besonderen Erfordernissen des innerstaatlichen Verfassungsrechts, also insbesondere dem Leistungsfähigkeitsprinzip, gerecht wird. Dieser Begriff darf allerdings zu den durch die 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie vorgegebenen Grundlagen der Besteuerungstechnik nicht im Widerspruch stehen. Der hier entwickelte Verbrauchsbegriff erfüllt diese Kriterien. Die Definition des "Verbrauchs" im umsatzsteuerrechtlichen Sinne als "konsumtive Einkommensverwendungen" der Verbraucher ist als einzige mit dem steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar und läßt sich ohne Schwierigkeiten mit den in der 6. EGUmsatzsteuer-Richtlinie vorgegebenen besteuerungstechnischen Grundsätzen vereinbaren. (4) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß unter dem "Verbrauch" als Terminus technicus zur Beschreibung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsindikators aus Gründen des Leistungsfähigkeitsprinzips im hier verwendeten Sinne ausschließlich der Vorgang der Einkommensverwendung als solche verstanden werden kann. Der Rückgriff auf tatsächliche Verbrauchsvorgänge im umgangssprachlichen Sinne zur Beschreibung des Besteuerungsgutes der Umsatzsteuer ist hingegen nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar. Die Umsatzsteuer könnte daher auf der Grundlage dieses Verbrauchs begriffs auch als die "allgemeine Einkommensverwendungsteuer" bezeichnet werden. 409 Allerdings ist auch dieser soeben entwickelte umsatzsteuerliche Leistungsfähigkeitsindikator der "Einkommensverwendung" nicht in dem umfassenden Sinne zu verstehen, daß sämtliche Einkommensverwendungen stets steuerliche Leistungsfähigkeit indizieren würden. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet zugleich eine gewisse Einschränkung in der Annahme einer Indikation steuerlicher Leistungsfähigkeit durch einen Einkommensverwendungsvorgang. Diese und weitere Besonderheiten des umsatzsteuerlichen Leistungsfähigkeitsindikators "Einkommensverwendung" sollen im folgenden dargestellt werden. 408 Zu den Zurechnungsstufen zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit s. oben, Teil C.1I.3.a), S. 243 ff., insb. S. 245. 409 s. auch Tipke, SteuRO 11, § 192.3, S. 900; ders., StuW 1992, 103, 107, 109.
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cc) Beschränkung auf die konsumtive Einkommensverwendung von Nichtunternehmern: Subjektives Merkmal des umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriffs (1) Aus der Tatsache, daß der umsatzsteuerrechtliche Verbrauchsbegriff das Steuergut der Umsatzsteuer in Gestalt eines für das Umsatzsteuerrecht tauglichen Indikators wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beschreiben S01l41O, folgt notwendigerweise eine wichtige Beschränkung des soeben allgemein bestimmten Begriffsinhaltes dahingehend, daß der Verbrauchsbegriff ausschließlich die konsumtiven Einkommensverwendungen der Verbraucher umfaßt. Denn es besteht ein bedeutsamer Unterschied zwischen der Einkommensverwendung zu konsumtiven Zwecken und derjenigen zu sonstigen, insbesondere unternehmerischen Zwecken.
Zwar wird bei jedem Güter- oder Leistungserwerb zunächst ein bestimmtes, durch die Einkommensverwendung vermitteltes wirtschaftliches Potential des Erwerbers dokumentiert. Unmittelbar beim Akt des Erwerbs einer Leistung oder eines Gutes lassen sich daher konsumtive und sonstige Einkommensverwendungen in bezug auf die Leistungsfähigkeit des Erwerbers nicht unterscheiden, sofern lediglich der objektive Erwerbsvorgang betrachtet wird. 4I1 Dieser Umstand kann jedoch nicht zu der Annahme führen, die Einkommensverwendung für konsumtive Zwecke sowie diejenige für sonstige, insbesondere unternehmerische Zwecke indizierten in gleichem Umfang steuerliche Leistungsfähigkeit. Vielmehr muß zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit, die durch einen Vorgang der Einkommensverwendung indiziert wird, auch der Zweck des Verwendungsvorganges berücksichtigt werden. Wird nämlich Einkommen durch einen privaten Endverbraucher unmittelbar zu konsumtiven Zwecken verwendet, so vermittelt dieser Vorgang grundsätzlich 412 eine steuerliche Leistungsfähigkeit des Endverbrauchers in Höhe des aufgewendeten Einkommensteiles. Verwendet hingegen ein Unternehmer Einkommen zum Erwerb einer Leistung oder eines Gutes, um diese in eine Wertschöpfung an einem eigenen Gut oder an einer eigenen Leistung einzubringen, handelt es sich bei dieser Einkommensverwendung zum Zwecke einer unternehmerischen Investition, in der Terminologie des Leistungsfähigkeitsprinzips gesprochen, stets um erwerbssichernde Aufwendungen413 , die grundsätzlich steuerlich unbelastet bleiben müssen. Spätestens bei der Veräußerung der eigenen Leistung oder des hergestellten Gutes wird der Unternehmer die wirtschaftliche Belastung des Erwerbs in Höhe des Erwerbspreises an seine Kunden weitergeben. Daher ist die Einkommensverwendung beim Erwerb durch den Unternehmer kein Ausdruck für dessen eigene wirtschaftliche Fähigkeit, sondern lediglich ein Vors. oben, Teil c.n.l.b)bb), S. 217 f. und C.n.3.a), S. 243 ff. Darauf weist zutreffend hin Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 24 f. 412 Zu weiteren Einschränkungen s. sogleich unten, Teil c.n.3.b)dd), S. 262 ff. und c.n.3.b )ff), S. 265 f. 413 Dazu oben, Teil c.n.l.a)bb)(2), S. 210 f. 4\0 411
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gang zum "Wertetransport" in Richtung auf den Verbraucher, sozusagen die für die Produktion notwendige "Vorverauslagung" wirtschaftlicher Werte für den (leistungsfähigen) Kunden. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet daher ein Verständnis des umsatzsteuerrechtlichen Begriffs "Verbrauch", wonach lediglich diejenigen Einkommensverwendungsvorgänge erlaßt werden, welche eine Person unternimmt, die die erworbene Leistung oder das erworbene Gut nicht zu unternehmerischen Zwecken in die Wertschöpfung an einer anderen Leistung bzw. an einem anderen Gut zu investieren beabsichtigt. 414 (2) Oft wird daher das Besteuerungsgut der Umsatzsteuer auch als "Konsum", d. h. im Sinne konsumtiver, nichtunternehmerischer Einkommensverwendungen, umschrieben. 415 Dieser Begriff könnte indes in seiner Beschränkung auf die Einkommensverwendungsvorgänge zu privaten, konsumtiven Zwecken zu eng sein. Denn auch bei den Einkommensverwendungen der öffentlichen Hand im Bereich nichtunternehmerischer Betätigung gehen die erworbenen Güter und Leistungen grundsätzlich mangels eigener wirtschaftlicher (gewinnorientierter) Tätigkeit der öffentlichen Hand416 zunächst nicht in Form einer Wertschöpfung in eine andere Leistung ein. Es könnte daher gerechtfertigt erscheinen, auch diese Erwerbsvorgänge der öffentlichen Hand in das Steuergut "Verbrauch" der Umsatzsteuer einzubeziehen. Dieser Überlegung scheint das geltende Umsatzsteuerrecht zu entsprechen, wonach der öffentlichen Hand im Bereich gewöhnlicher öffentlich-rechtlicher (nichtunternehmerischer) Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 UStG in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie417 die Unternehmereigenschaft418 versagt wird mit der Folge, daß alle Investitionen der öffentlichen So im Ergebnis auch Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 24 f. Vgl. Tipke, SteuRO 11, § 192.23, S. 895; Ruppe, FS f. K. Tipke 1995,457,460; Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 24 f.; ders., FS f. K. Tipke 1995,433,434. 416 Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand umfassend Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, Diss. Darmstadt 1995. Zur neueren Rechtsprechung und zum Verhältnis der innerstaatlichen Regeln zur 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie s. auch Lange, UR 2000,1 ff.; ders., UR 1999, 385 ff. 417 ABl. EG Nr. L 145, S. 3. 418 Nicht nur die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts, sondern bereits die Versagung der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand im Bereich nichtunternehmerischer Betätigung ist aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht nicht systemkonform, soweit auch hoheitliche Tätigkeiten mit Entgeltcharakter aus der Steuerpflicht ausgenommen werden, welche zur Verbraucherversorgung beitragen: Söhn, StuW 1976, 1,8 ff. (10); Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 D. 1., Rz. 105 m.N.; Tipke, SteuRO 11, § 19 3.4, S. 919; Wagner, DStJG 13 (1990), 59, 60 ff.; Tehler, DVR 1986, 162 ff., 178 ff., insb. S. 178 f.; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 179 ff. (insb. 183),271 ff. Hinzu kommen unnötige Abgrenzungsprobleme zwischen den verschiedenen Tätigkeitsbereichen der öffentlichen Hand und Konflikte mit der 6. EG-Richtlinie durch die unpassende Bezugnahme des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf das KStG: Söhn, StuW 1976, 1,8 ff.; Wagner, UR 1993,301,301 f.; Tehler, DVR 1986, 162 ff., 178 ff., insb. S. 163 f.; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 68 ff., 148, 414
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Hand im hoheitlichen Tätigkeitsbereich gemäß § 15 Abs. I UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen und somit umsatzsteuerlich belastet sind. 419 Auch die für juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 4a UStG mögliche Steuervergütung betrifft lediglich nicht abziehbare Vorsteuern für den Bezug von Gegenständen im Inland, welche später außerhalb des Gemeinschaftsgebietes für humanitäre, karitative oder erzieherische Zwecke verwendet werden, vgl. § 4a Abs. I Nm. 4 und 5 UStG. 420 Im wesentlichen bleiben also Erwerbsvorgänge der öffentlichen Hand umsatzsteuerlieh belastet. Lediglich in den Fällen, in denen hoheitliche Leistungen der öffentlichen Hand gegen Entgelt (Gebühr, Beitrag) erbracht werden, kann diese Belastung teilweise (verdeckt) auf Endverbraucher überwälzt werden. Jedoch ist die Belastung der Mittelverwendungen der öffentlichen Hand im hoheitlichen Tätigkeitsbereich aus Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Denn im Bereich hoheitlicher öffentlich-rechtlicher Tätigkeit wird gerade keine freiheitliche privatwirtschaftliehe Betätigung unternommen, an deren Ergebnissen der Staat durch Besteuerung teilhaben könnte. 421 Die Belastung hoheitlicher Tätigkeit durch die Versagung eines Vorsteuerabzugsrechts im geltenden Umsatzsteuerrecht ist daher nicht akzeptabel, weil sie im Widerspruch zu den Prinzipien des Steuerstaates steht. Ein als Leistungsfähigkeitsindikator verstandener "Verbrauch" darf demzufolge die Einkommensverwendungen der öffentlichen Hand nicht einbeziehen. 422 Die Beschränkung des umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriffs auf den gewöhnlich als Konsum bezeichneten Bereich privater Einkommensverwendungen ohne Einbeziehung der Mittelverwendungen der öffentlichen Hand zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ist somit gerechtfertigt. Der "Verbrauch" als umsatzsteuerrechtlicher Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit urnfaßt also nur sämtliche Einkommensverwendungsvorgänge, die ein Verbraucher zum Zwecke privater Bedürfnisbefriedigung vornimmt. 423 (3) An dieser umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsdefinition mag schließlich noch problematisch erscheinen, daß sie die subjektive Verwendungsabsicht des Erwerbers in bezug auf das erworbene Gut bzw. die erworbene Leistung einbeziehen 181 f.; Lange, UR 2000, 1,7 f.; s. auch EuGH v. 17. 10. 1989 - Rs. 231/87 u. 129/88-, EuGHE 1989,3233,3269,3273 ff. 419 So auch Reiß, DStJG 13 (1990), 3, 25. 420 Wenzel, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 4a Anm. 4: Die Steuervergütung ist damit lediglich eine Alternative zur steuerfreien Ausfuhrlieferung. 421 Zur Besteuerung als Teilhabe an freiheitlicher privater Tätigkeit s. oben, Teil C.II.l.a)aa)( 1), S. 204 f. 422 Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 273 f., 280. 423 A.A. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 87: Belastungsgrund der Umsatzsteuer sei unabhängig von Verwendungsabsichten des Erwerbers die bloße Vermögensverwendung. Dies ist inkonsequent, wenn im selben Zusammenhang das Besteuerungsgut der Umsatzsteuer als "Aufwand der Endverbraucher" beschrieben wird, vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 85.
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muß. Diese ist im Rahmen einer Einkommensverwendung zum Zwecke des Güteroder Leistungserwerbs in der Regel nicht äußerlich erkennbar und kann sich darüber hinaus im Laufe der Zeit verändern. Eine Besteuerung in Abhängigkeit von der Verwendungsabsicht erscheint daher sehr unsicher, weil genaugenommen erst im Zeitpunkt des letztendlichen Güter- oder Leistungsgebrauches feststeht, ob ein bestimmter Einkommensverwendungsvorgang steuerwürdig war. Jedoch gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip unter allen Umständen die Differenzierung zwischen konsumtiven und unternehmerischen Einkommensverwendungen. Zur Abgrenzung der Einkommensverwendungsarten steht aber im Zeitpunkt der Einkommensverwendung ausschließlich die Verwendungsabsicht des Erwerbers als Differenzierungskriterium zur Verfügung. Daher ist bei der Definition des Leistungsfähigkeitsindikators "Verbrauch" ein Rückgriff auf dieses subjektive Merkmal unvermeidbar, um überhaupt einen Anhaltspunkt für die Steuerwürdigkeit eines Einkommensverwendungsvorgangs zu haben. Die Möglichkeit der steuertechnischen Erfassung eines durch subjektive Merkmale gekennzeichneten umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsindikators ist dagegen ein Problem ausschließlich der Individualisierungsstufe424 zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit. Im Rahmen der auf der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit vorzunehmenden Definition des "Verbrauchs" sind daher Bedenken gegen die praktische Umsetzung des gefundenen Besteuerungsprinzips irrelevant. 425 Im übrigen läßt sich auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit der Einfluß der Ungewißheiten über die endgültige Verwendung erworbener Güter oder Leistungen mit Hilfe einer entsprechenden steuertechnischen Gestaltung des Umsatzsteuergesetzes tatsächlich erheblich reduzieren und somit die Besteuerung des "Verbrauchs" durchaus praktikabel gestalten. Insbesondere die derzeit praktizierte lückenlose Besteuerung unternehmerischer Lieferungen oder Leistungen in Kombination mit dem Vorsteuerabzug als Korrektur der Steuererhebung auf den Erwerb tatsächlich unternehmerisch verwendeter Güter oder Leistungen gewährleistet die Differenzierung zwischen privaten und unternehmerischen Einkommensverwendungen weitgehend sicher. 426 Die unvermeidliche Einbeziehung subjektiver Elemente in den auf der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit zu findenden steuerrechtlichen Verbrauchsbegriff ist daher auch praktisch hinnehmbar.
424 Zu den Zurechnungsstufen zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit s. oben, Teil C.1I.3.a), S. 243 ff. 425 s. oben, Teil C.II.3.a), S. 245. 426 s. genauer dazu unten, Teil C.1I.3.d)bb), S. 274 ff.
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dd) Beschränkung auf nicht existenzoder erwerbssichernde Konsumaufwendungen Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet die uneingeschränkte steuerliche Freistellung derjenigen Einkomrnensteile, welche ein Steuerträger für existenz- sowie erwerbs sichernde Zwecke benötigt. 427 Diese Freistellung ist indes nicht lediglich z. B. innerhalb der Einkommensteuer zu gewährleisten, sondern muß auf Grund der freiheitsgrundrechtlichen Gewährleistungen, welche dieser Anforderung zugrunde liegen, durch die steuerrechtliche Gesamtrechtsordnung sichergestellt sein. 428 Daher muß sich diese Anforderung des Leistungsfahigkeitsprinzips innerhalb sämtlicher Steuerarten bereits im Rahmen der Definition des spezifischen Leistungsfähigkeitsindikators auf der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfahigkeit auswirken. Für den Inhalt des Begriffs des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsindikators "Verbrauch" bedeutet dies, daß er nur diejenigen konsumtiven Einkommensverwendungen umfassen darf, die nicht zum Erwerb existenz- oder erwerbssichernder Güter oder Leistungen vorgenommen werden. Dieses (negative) Element des umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriffs findet allerdings, wie bereits an früherer429 Stelle beschrieben, im heutigen Umsatzsteuergesetz nur ungenügenden Ausdruck.
ee) "Verbrauch" im Rechtssinne: Erfassung von Verbrauch und Aufwand im tatsächlichen Sinne Weiterhin wird umgangssprachlich, zum Teil aber auch in der Steuerrechtswissenschaft43o , der herkömmliche Begriff des "Verbrauchs" von dem Begriff des "Aufwands" unterschieden. Unter einem Aufwand im Rechtssinne wird dabei üblicherweise die Einkommensverwendung für das Halten eines Gegenstandes oder Tieres sowie zur Aufrechterhaltung eines tatsächlichen oder rechtlichen Zustandes zum Zwecke der persönlichen Lebensführung verstanden. 431 Nach der Rechtsprechung indiziert jedoch auch ein derartiger Aufwand eine steuerlich relevante wirtschaftliche Leistungsfas. oben, Teil C.II.l.a)bb)(2), s. 210 f. s. nur Tipke, SteuRO I, § 8 2., S. 424. 429 s. insb. oben, Teile C.II.2.b), S. 229 ff. und C.II.2.c), S. 233 f. 430 Vgl. nur (für den Bereich der besonderen Verbrauchsteuem) Birkl Förster, DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 3011985, S. 6; Vogel/Walter, BonnerKornrn, GG, Art. 106 Rnr. 231; BVerfG v. 06.12.1983 a. a. O. (Fn. 182), BVerfGE 65,325,345 ff. (Zweitwohnungsteuer). 431 BVerfG v. 06. 12. 1983 a. a. o. (Fn. 182), BVerfGE 65, 325, 345 (Zweitwohnungsteuer); BVerwG v. 07. 03. 1958 - VII C 84.57 -, BVerwGE 6,247,256 ff. (Vergnügungsteuer); BirklFörster, DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/ 1985, S. 6. 427
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higkeit432 , welche derjenigen gleichstehe, die durch einen "Verbrauch" im rechtlichen Sinne ausgedrückt werde. Es stellt sich daher die Frage, ob der umsatzsteuerrechtliche Verbrauchsbegriff diejenigen Einkommensverwendungen, welche zu einem Aufwand im tatsächlichen Sinne führen, entsprechend dieser Unterscheidung ausschließen muß. Für die Notwendigkeit einer rechtlichen Unterscheidung der Begriffe "Verbrauch" und "Aufwand" im dargestellten Sinne könnte dabei sprechen, daß insbesondere Artt. 105 Abs. 2a und 106 Abs. 6 Sätze 1,3 GG ausdriicklich zwischen Aufwandund Verbrauchsteuern differenzieren. 433 Zu bedenken ist jedoch, daß diese Vorschriften ausschließlich kompetenzrechtliche Regelungen in bezug auf bestehende Steuern enthalten, dagegen den materiellrechtlichen Inhalt der einzelnen Steuerarten nicht näher bestimmen. 434 Dariiber hinaus fällt auf, daß Artt. 105 und 106 GG neben den Aufwand- und Verbrauchsteuern jeweils gleichrangig als eigenständigen Steuertyp auch die Umsatzsteuer kennen. 435 Die Umsatzsteuer allerdings wird durch die Verfassung im Rahmen der kompetenzrechtlichen Regeln des Abschnittes über das Finanzwesen weder als Verbrauch- noch als Aufwandsteuer, sondern vielmehr mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer als Verkehrsteuer436 qualifiziert. Der Inhalt des umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriffs, welcher der Definition des Besteuerungsgutes der Umsatzsteuer mit Hilfe eines Leistungsfähigkeitskriteriums dient, kann also von der in der Verfassung getroffenen Unterscheidung zwischen Aufwand- und Verbrauchsteuern nicht beriihrt werden. Vielmehr lassen die grundgesetzlichen Vorschriften lediglich die Schlußfolgerung zu, daß die verfassungsrechtliche Unterscheidung der Verbrauch- und Aufwandsteuern zur Kompetenzabgrenzung ausschließlich für die sogenannten besonderen Aufwand- bzw. Verbrauchsteuern gelten kann. 437 Im Bereich der besonderen Verbrauch- und Aufwandsteuern438 mag eine solche Differenzierung der Steuerarten indes nicht nur für kompetenzrechtliche Zwecke, 432 BVerfG v. 06. 12. 1983 a. a. O. (Fn. 182), BVerfGE 65, 325, 346 ff. (Zweitwohnungsteuer); BVerfG v. 12. 10. 1978 a. a. O. (Fn. 327), BVerfGE 49,343,354 (Kornrnunalabgabengesetz); BVerfG v. 07. 05. 1963 a. a. O. (Fn. 327), BVerfGE 16,64,74 (Einwohnersteuerordnung). 433 So für die Unterscheidung besonderer Verbrauch- und Aufwandsteuern: Birk/ Förster, OB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/ 1985, S. 6; Vogel/Walter, BonnerKornrn, Art. 106 Rnr. 231. 434 V gl. oben, Teil C.lI.2.a), S. 227 ff. 435 Vogel/Walter, in: BonnerKornrn, GG, Art. 105 Rnr. 125 und Art. 106 Rnr. 230 f. 436 Dies ist aus dem vermeintlichen Widerspruch von Art. 106 Abs. I Nr. 2 GG und Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG im Zusammenhang mit Art. 106 Abs. 3 GG zu folgern, welcher nur durch einen Umkehrschluß aus Art. 108 Abs. 1 GG lösbar ist; vgl. dazu nur Stadie, in: Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, UStG, Einf. Anm. 61. 437 Vogel/Walter, in: BonnerKornrn, GG, Art. 105 Rnr. 125 und Art. 106 Rnr. 230 f. 438 Zum Problem der Rechtfertigung der besonderen Aufwand- und Verbrauchsteuern neben der Umsatzsteuer als allgemeiner Steuer auf die Einkornrnensverwendung s. nur Tipke, SteuRO 11, § 21, S. 952 ff. und § 22, S. 1008 ff.; ders., BB 1973, 157, 159 (bzgl. besonderer Verbrauchsteuern).
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sondern darüber hinaus auch im Hinblick auf die materiell-rechtliche Frage der Unterscheidung der Steuern nach dem Steuergut möglich und sinnvoll sein. Denn die besonderen Aufwand- und Verbrauchsteuern erfassen jeweils nur die Einkommensverwendung (nach der Substitutionstheorie wäre hinzuzufügen: als Surrogat) für einen ganz speziellen tatsächlichen Vorgang. 439 Diese Besonderheiten der durch einzelne Einkommensverwendungsvorgänge ermöglichten tatsächlichen Ereignisse lassen sich durchaus für die materiell-rechtliche Abgrenzung der besonderen Verbrauch- und Aufwandsteuern untereinander heranziehen. 44o Bezogen auf den rechtlichen Verbrauchsbegriff der Umsatzsteuer allerdings ist die Unterscheidung von "Aufwand" und "Verbrauch" im Wortsinne eher schädlich. Denn als allgemeine Steuer auf die in der Einkommensverwendung sichtbar werdende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann sie auf die Unterschiede, welche die tatsächlichen Vorgänge kennzeichnen, die durch den zu besteuernden Akt der Einkommensverwendung ermöglicht (nach der Substitutionstheorie: substituiert) werden, keine Rücksicht nehmen. 441 Eine Differenzierung zwischen umsatzsteuerpflichtigen Einkommensverwendungen, welche einen tatsächlichen Verbrauchsvorgang ermöglichen, und gegebenenfalls umsatzsteuerfreien Einkommensverwendungen, welche einen tatsächlichen Aufwand ermöglichen, etwa im Rahmen der Besteuerungstatbestände, würde die Umsatzsteuer ihrer Funktion als allgemeine und gleichmäßige Steuer auf die konsumtive Einkommensverwendung berauben. Solange ein tatsächlicher "Aufwand" oder ein tatsächlicher "Verbrauch" zu konsumtiven Zwecken geschieht, ist die zur Ermöglichung dieses Vorgangs vorgenommene Einkommensverwendung jeweils in gleicher Weise Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit und daher im umsatzsteuerrechtlichen Sinne steuerwürdig. Für die Bestimmung des rechtlichen Inhaltes des umsatzsteuerlichen Verbrauchsbegriffs ist daher lediglich relevant, daß sowohl ein im umgangssprachlichen Sinne verstandener Aufwand als auch ein solcher Verbrauch durch einen Akt der Einkommensverwendung zur privaten Bedürfnisbefriedigung ermöglicht werden kann. Aus Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten wird jeweils die Einkommensverwendungsseite betroffen, so daß insofern keine für die Umsatzsteuer rechtserheblichen Unterschiede zwischen Aufwand und Verbrauch bestehen. 442 Der Begriff des als "Verbrauch", respektive als "Einkommensverwendung" bezeichneten Indikators steuerlicher Leistungsfähigkeit im Umsatzsteuerrecht ist daher insofern weit zu fassen. 443 Er bezieht sämtliche Einkommensverwendungsvor439 BirklFörster, DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 3011985, S. 6 (zu besonderen Verbrauchsteuergesetzen). 440 s. dazu insb. Birkl Förster; DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 6; Vogel/Walter; BonnerKomm, Art. 106 Rnr. 231. 441 Söhn, StuW 1976, 1,7 f. 442 Söhn, StuW 1976, 1,7 f. 443 Söhn, StuW 1976, 1,7 f.; ders., StuW 1975, 1,2 (insb. Fn. 25); Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § I, S. 181 sowie ders.,
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gänge zu konsumtiven Zwecken unabhängig davon ein, ob sie den tatsächlichen Vorgang des Güterverzehrs, des Gebrauchens eines Gegenstandes, des Haltens eines Tieres oder der Aufrechterhaltung eines Zustandes zur Folge haben.
ff) Abgrenzung des Verbrauchs vom Sparen
Der Begriff des Verbrauchs im umsatzsteuerrechtlichen Sinne bedarf weiterhin einer Abgrenzung zu den Einkommensverwendungsvorgängen, die zu Sparzwekken vorgenommen werden. Definiert man den Verbrauch rechtlich schlicht als Vorgang der Mittelverwendung, so ließe sich darunter auch eine Ausgabe fassen, welche nicht dem Erwerb von Gütern oder Leistungen zum sofortigen Verzehr, sondern zum Erwerb von Gütern oder Rechten getätigt wird, die Sparzwecken dienen. Da indes auch gespartes Einkommen früher oder später dem Konsum zur Verfügung gestellt werden wird, könnte bereits in dieser zur Manifestation des Einkommens führenden Ausgabe rechtlich ein Verbrauch gesehen werden. Umgangssprachlich erscheint es demgegenüber kaum erläuterungsbedürftig, daß unter "Verbrauch" etwas anderes zu verstehen ist als unter "Sparen". Denn das Sparen ist nicht im eigentlichen Sinne als Mittelverwendung anzusehen, obwohl unter Umständen auch dafür Mittel hergegeben werden. Denn eine Ausgabe zu Sparzwecken dient anders als eine Ausgabe für den Verzehr oder zur Aufrechterhaltung eines Zustandes in Wirklichkeit der Erhaltung der Mittelsubstanz, weil lediglich eine Einkommensumschichtung stattfindet. Diese Bewertung ist auch aus rechtlicher Sicht maßgeblich. Gespartes Einkommen ist daher rechtlich nicht dem Verbrauch, sondern dem Vermögen zuzurechnen. Einkommensverwendungen zur Vermögensbildung sind somit von Einkommensverwendungen zur unmittelbaren Bedarfs- oder Bedürfnisbefriedigung zu unterscheiden, auch wenn diese Abgrenzung insbesondere im Bereich des Gebrauchsgütererwerbs im Einzelfall fließend sein mag. Das gesparte oder zu Sparzwecken verwendete Einkommen kann indes selbstverständlich ebenfalls wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indizieren. 444 Ob es aus diesem Grunde besteuert werden sollte, ist eine vom Gesetzgeber zu entscheidende Frage. 445 Aufwandbesteuerung im allgemeinen (direkte und indirekte), in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil B., § 1, S. 198 f.; ders., in: Popitz I Kloß I Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, 1. Kap., S. 10. 444 s. oben, Teil C.II.1.b)bb), S. 217 ff. 445 Zu beachten sind jedoch gewisse Grenzen einer Verrnögens(substanz)besteuerung neben der Besteuerung von Einkommenserzie1ung und Einkommensverwendung, vgl. die Nachweise in Fn. 214. Zu Vorschlägen für ein stärker konsumorientiertes Steuersystem unter Einbeziehung gesparten Einkommens vgl. insb. Lang, Besteuerung des Konsums aus gesetzgebungspolitischer Sicht, in: Rose, Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, 291, 326 ff.; ders., StuW 1990, 107, 118 ff.
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Im vorliegenden Zusammenhang bleibt lediglich festzuhalten, daß Einkommensverwendungen zum Zwecke des Sparens nicht als "Verbrauch" bzw. "Einkommensverwendung" i. S. d. umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsindikators angesehen werden können, auch wenn sie einen Konsum zu späterer Zeit sicherstellen sollen. Erst im Zeitpunkt des Entsparens, also der tatsächlichen konsumtiven Verwendung des Vermögens, führen gesparte Einkommensteile zu einem Verbrauch im Sinne des Umsatzsteuerrechts.
gg) Ergebnis Als Fazit ergibt sich somit: In seiner Bedeutung als umsatzsteuerrechtlicher Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit umfaßt der Verbrauchsbegriff sämtliche Einkommensverwendungen privater Verbraucher für den Erwerb von Verbrauchsoder Gebrauchsgütern sowie Dienstleistungen, für die Aufrechterhaltung eines Zustandes oder für das Halten eines Tieres, welche die Verbraucher zum Zwecke unmittelbarer privater Bedürfnisbefriedigung über den existenz- oder erwerbs sichernden Bedarf hinaus vornehmen. Demgegenüber stellen Einkommensverwendungen zu unternehmerischen Zwecken, Mittelverwendungen der öffentlichen Hand im hoheitlichen Tätigkeitsbereich, Einkommensverwendungen zu Sparzwecken, d. h. zur Vermögensbildung, sowie Einkommensverwendungen zur Existenzsicherung und zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit keinen Verbrauch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne dar.
c) Typisierung der Leistungsfähigkeit durch den Indikator" Einkommensverwendung " auf der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit
Die Bedeutung der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit erschöpft sich indes nicht in der Definition des spezifischen Leistungsfähigkeitsindikators. Innerhalb der Deduktionsstufe muß vielmehr zugleich ein Prinzip festgelegt werden, auf dessen Grundlage der Zurechnungsschritt von der Existenz des Leistungsfähigkeitsindikators in der Sphäre einer Person auf deren individuelle Leistungsfähigkeit nachvollziehbar vorgenommen werden kann. 446 Es ist gewissermaßen die Art und Weise der Indikation wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit offenzulegen. Die Ermittlung eines solchen Zurechnungsprinzips erfordert daher insbesondere eine Aussage über die Qualität des für ein Teilgebiet des Steuerrechts entwickelten Indikators im Verhältnis zu anderen innerhalb des Gesamtsteuersystems gebräuchlichen Leistungsfähigkeitsindikatoren. Dies ermöglicht eine Aussage über die Ge446
s. oben, Teil c.n.3.a), S. 243 ff.
n. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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rechtigkeitsqualität des steuerlichen Zugriffs auf den ausgewählten Indikator, woraus wiederum gewisse Anforderungen oder Grenzen der Belastung des ermittelten Indikators abgeleitet werden können. Ebenso könnte sich jedoch als Folgerung ergeben, daß der ausgewählte Indikator angesichts einer gegenüber anderen Indikatoren deutlich schlechteren Indikationsqualität in bezug auf die steuerliche Leistungsfähigkeit innerhalb des Gesamtsteuersystems unter Gleichheitsgesichtspunkten für einen steuerlichen Zugriff gar nicht geeignet ist. Auch für den im Bereich der Umsatzsteuer ausgewählten Indikator "Verbrauch" im Sinne konsumtiver Einkommensverwendung bedarf es im Rahmen der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit der Feststellung der Indikationsqualität in bezug auf die Leistungsfähigkeit, um auf diese Weise die Bedeutung der Umsatzsteuer im Rahmen der Gesamtsteuerrechtsordnung bestimmen zu können. Versteht man den Begriff der steuerlichen Leistungsfähigkeit im hier447 verwendeten Sinne von "individueller Verfügbarkeit disponiblen Einkommens", so ergibt sich, daß die verschiedenen bekannten Leistungsfähigkeitsindikatoren eine jeweils spezifische Indikationsqualität und damit auch eine spezifische Gerechtigkeitsqualität aufweisen. Eine direkte Deduktion steuerlicher Leistungsfähigkeit aus der Existenz des Leistungsfähigkeitsindikators in der Sphäre einer Person ermöglicht der Indikator der Einkommenserzielung. Denn wer Einkommen erwirbt, welches nicht für existenzoder erwerbssichernde Aufwendungen verwendet werden muß448 , ist mindestens449 direkt proportional zur Höhe des erzielten disponiblen Einkommens steuerlich leistungsfähig. Daher läßt sich erzieltes Einkommen in jedem Falle durch Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes auf die Bemessungsgrundlage absolut gleichmäßig steuerlich belasten. Die Besteuerung des Leistungsfähigkeitsindikators der Einkommenserzielung ist daher im Hinblick auf die Gerechtigkeitsqualität des steuerlichen Zugriffs als nahezu ideal anzusehen. Der Deduktionsschritt von der Existenz des Leistungsfahigkeitsindikators "Verbrauch" in der Sphäre einer Person auf deren individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gelingt indes nicht in gleicher Weise überzeugend.
s. oben, Teil C.n.l.b)aa), S. 215 ff. Auch der Indikator der Einkommenserzielung muß selbstverständlich aus Gründen des Leistungsfähigkeitsprinzips bereits auf der Stufe der Definition des Begriffsinhaltes im Rahmen der Deduktionsstufe ähnlich wie der Verbrauchsbegriff (vgl. Teil c.n.3.b)dd), S. 262 f.) dahingehend beschränkt werden, daß er lediglich die Erzielung disponiblen Einkommens umfaßt. 449 Das Leistungsfahigkeitsprinzip schreibt keinen bestimmten Tarifverlauf für die Einkommenserzielungssteuem vor. Daher kann auch eine progressive Besteuerung als mit den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips vereinbar angesehen werden, vgl. nur Tipke, SteuRO n, § 124.8, S. 711 f. sowie § 136., S. 742 f. 447
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Verwendet jemand Einkommen zum Erwerb nicht existenznotwendiger Verbrauchsgüter oder Dienstleistungen, so ist zwar die Folgerung zulässig, er müsse disponibles Einkommen in Höhe des Erwerbspreises besessen haben. Dem Leistungsfähigkeitsindikator "Verbrauch" im Sinne konsumtiver Einkommensverwendungen zur Befriedigung den Grundbedarf übersteigender Bedürfnisse ist also zunächst ebenfalls eine deutliche Indikationswirkung hinsichtlich steuerlicher Leistungsfrihigkeit immanent. Allerdings kann aus der Höhe des innerhalb eines bestimmten Erwerbsvorgangs verwendeten (disponiblen) Einkommens nicht gleichzeitig ein geeigneter Belastungsmaßstab gefolgert werden, welcher in jedem Falle die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verschiedener Steuerträger gewährleistet. Denn die steuerliche Gleichbelastung verschiedener Steuerträger läßt sich nur durch eine nach der Höhe ihres disponiblen Gesamteinkommens differenzierende steuerliche Belastung verwirklichen. Aus einem einzelnen Einkommensverwendungsvorgang kann indes kein Rückschluß auf die Höhe des Gesamteinkommens einer Person gezogen werden. Daher läßt sich weder durch die Anwendung eines einheitlichen Prozentsatzes auf sämtliche Einkommensverwendungen noch durch Anwendung eines nach Art oder Höhe der Einkommensverwendungsvorgänge differenzierenden Belastungsmaßstabs eine bezogen auf das disponible Gesamteinkommen verschiedener Personen tatsächlich gleichmäßige umsatzsteuerliche Belastung herbeiführen. Die Existenz des Leistungsfähigkeitsindikators "Verbrauch" in der Sphäre einer Person läßt also keine direkte Deduktion tatsächlicher steuerlicher Leistungsfähigkeit dieser Person zu. Die Indikationswirkung eines Einkommensverwendungsvorgangs beschränkt sich daher auf eine an der Höhe des verwendeten Einkommens orientierte typisierende Vermutung steuerlicher Leistungsfähigkeit. 45o Die Typisierung liegt dabei in der Annahme, daß die Fähigkeit zur Einkommensverwendung in einer bestimmten Höhe auch die Fähigkeit zur Folge habe, eine Steuerlast in bestimmter Höhe wirtschaftlich zu tragen. Dies wird in vielen Fällen zutreffen, die auferlegte Steuerlast wird in vielen Fällen in einem angemessenen Verhältnis zum disponiblen Gesamteinkommen stehen. Ist jedoch im Einzelfall in der Sphäre einer Person über das verwendete Einkommen hinaus kaum sonstiges disponibles Einkommen vorhanden, wirkt sich die typisierte steuerliche Belastung überproportional und damit ungleich aus. Dennoch wird man die Typisierung durch die Belastung der Einkommensverwendungen zu konsumtiven, über die Deckung des existenznotwendigen Bedarfs hinausgehenden Zwecken grundsätzlich als zulässig ansehen können. 451 Durch diese Typisierung auf der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit verschlechtert sich zwar notwendigerweise die Gerechtigkeitsqualität des 450 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 72, 120 ff.; ders .• Symposium zu Ehren v. Klaus Tipke, s. Bericht v. Balke. StuW 1996, 192, 199; Reiß. DStJG 13 (1990), 3, 20 (Fn. 61); Stadie. in: Rau I Dürrwächterl Flick I Geist, UStG, Einf. Anm. 87. 451 s. auch P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HBStR IV, § 88 Rnr. 121.
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steuerlichen Zugriffs auf die individuelle Leistungsfähigkeit einer Person. Daraus die Unzulässigkeit der Besteuerung der Einkommensverwendungen zu folgern, ginge indes zu weit. Man wird aber festhalten müssen, daß auf Grund der im Leistungsfähigkeitsindikator der Einkommensverwendung angelegten geringeren Gerechtigkeitsqualität der Umsatzsteuer diese im Rahmen des Gesamtsteuersystems generell nur eine Ergänzungsfunktion zu den Steuern auf die Einkommenserzielung einnehmen sollte. 452
d) Probleme der Individualisierungsstufe zur Ermittlung (umsatz- )steuerlicher Leistungsfähigkeit: Besteuerungstechnische Grenzen in der Erfassung konsumtiver Einkommensverwendungen
Nachdem zunächst auf der hier sogenannten Deduktionsstufe453 zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit der "Verbrauch,,454 als umsatzsteuerrechtlicher Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit definiert sowie dessen Indikationsqualität455 untersucht wurde, bleibt nunmehr zu analysieren, auf welche Weise es gelingen kann, auf der hier sogenannten Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit sämtliche konsumtiven Einkommensverwendungen der Verbraucher über den existenz- und erwerbssichernden Bedarf hinaus besteuerungstechnisch zu erfassen und darüber hinaus jedem Verbraucher seinen individuellen "Verbrauch" in einer bestimmten Höhe zuzurechnen. Insbesondere die Individualisierung der Steuerträger der Umsatzsteuer durch Zurechnung eines individuellen Verbrauchs ist unverzichtbar, um eine konkrete Aussage über die individuelle Leistungsfähigkeit eines Verbrauchers treffen zu können, der Einkommen oder Vermögen verwendet hat. Denn erst durch Anwendung des auf der Deduktionsstufe gefundenen Belastungsprinzips auf dieses Ergebnis der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit läßt sich die individuelle Belastbarkeit eines Verbrauchers bestimmen. Die Umsatzsteuer stellt die allgemeine Steuer auf den Leistungsfähigkeitsindikator "Konsumtive Einkommensverwendung" dar. Aus diesem Grunde sollte das Umsatzsteuergesetz derart gestaltet sein, daß es sämtliche konsumtiven Einkommensverwendungen privater Verbraucher, die der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung über den Grundbedarf hinaus dienen, lückenlos erfassen kann. Weiterhin muß die gesetzestechnische Gestaltung eine Individualisierung der Steuerträger der Umsatzsteuer in dem Sinne zulassen, daß jedem Verbraucher die individuell getätigten konsumtiven Einkommensverwendungen als Leistungsfähigkeitsindikatoren exakt zugerechnet werden. V gl. oben, Teil C.1I.2.b), S. 229 ff. Zu den Zurechnungsstufen bei der Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit und deren Bedeutung s. oben, Teil C.II.3.a), S. 243 ff. 454 Zum Verbrauchsbegriff s. oben, Teil C.lI.3.b), S. 245 ff. 455 Zur Indikationsqualität des Indikators "Verbrauch" s. oben, Teil C.1I.3.c), S. 266 ff. 452 453
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C. Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
Der vollständigen Umsetzung dieses Ziels sind jedoch insbesondere aus Praktikabilitätsgründen im Zusammenhang mit dem Gebot gleichmäßiger Besteuerung einige Grenzen gesetzt. Zwar gebietet der allgemeine Gleichheitssatz grundsätzlich eine Differenzierung zwischen rechtlich verschiedenen Sachverhalten oder Personen. Jedoch kann die verwaltungstechnische Durchsetzung sämtlicher in einem Regelungsbereich rechtlich gebotener Differenzierungen in Einzelfällen praktisch unmöglich oder mit einem nicht vertretbaren Aufwand verbunden sein. Würde in derartigen Fällen auf der Durchsetzung der rechtlich gebotenen Differenzierungen bestanden, wäre die gleichmäßige Durchsetzung des Rege1ungsziels insgesamt gefährdet, denn unpraktikable Gesetze lassen sich nicht gleichmäßig anwenden. 456 In seiner praktischen Anwendung kann der allgemeine Gleichheitssatz somit seine wesentliche Gerechtigkeitsfunktion zum Teil nur erfüllen, wenn er Ausnahmen und Typisierungen zuläßt, die die einfache und praktikable Handhabung eines Gesetzes durch die Exekutive sicherstellen. 457 Die rechtsstaatlichen Gebote der Einfachheit und verwaltungsrechtlichen Praktikabilität eines Gesetzes sind daher in gewissem Umfang auch dem Gleichheitssatz immanent. 458 Insbesondere für das Steuerrecht, welches Massenvorgänge von enormer Vielfalt erfassen muß, ergibt sich daher aus dem Rechtsstaatsprinzip zusammen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz die Forderung nach praktikabler und einfacher steuertechnischer Gestaltung der Gesetze. 459 Steuertechnische Gestaltungsmöglichkeiten wie Typisierungen 460 oder Pauschalisierungen, welche zur Vereinfachung der Besteuerung beitragen, sind somit einer umfassend differenzierenden Regelung vorzuziehen, solange sie nicht zu einem wesentlichen Verlust an Besteuerungsgerech456 s. nur Tipke, SteuRO I, § 7 5.92, S. 347 ff., insb. § 7 5.9211, S. 349, § 7 5.92l3, S. 354 ff. 457 Tipke, SteuRO I, § 7 5.92l3, S. 354 ff.; BVerfG v. 07. 12. 1999 - 2 BvR 301/98 -, BVerfGE 101, 297, 309 f. (Häusliches Arbeitszimmer); BVerfG v. 17. 11. 1992 - 1 BvL 81 87 -, BVerfGE 87, 234, 255; BVerfG v. 08. 10. 1991 - 1 BvL 50/86 -, BVerfGE 84, 348", 360; BVerfG v. 08. 02. 1983 - 1 BvL 28/79 -, BVerfGE 63,119,128. 458 s. nur Tipke, SteuRO I, § 7 5.921, S. 348 ff.; BVerfG v. 17. 11. 1992 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 87, 234, 255; BVerfG v. 08. 10. 1991 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 84, 348, 360; BVerfG v. 08. 02. 1983 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 63, 119, 128; BVerfG v. 02. 07. 1969 - 1 BvR 669/64 -, BVerfGE 26, 265, 275 f. 459 s. nur Tipke, SteuRO I, § 7 5.92l3, S. 354; Lang, in: Tipke/Lang, § 8 1., Rz. 12 ff.; P. Kirchhof, StuW 1984,297,306; BVerfG v. 20. 12. 1966 a. a. O. (Fn. 153), BVerfGE 21, 12,27 (Brutto-Umsatzsteuer); BVerfG v. 08. 10. 1991 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 84,348, 359 f.; BVerfG v. 10.04. 1997 - 2 BvL 77/92 -, BVerfGE 96, 1,6; BVerfG v. 07. 12. 1999 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 101,297,309 f. (Häusliches Arbeitszimmer). 460 Zur Zulässigkeit von Typisierungen im Steuerrecht s. insb. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, § 5 S. 139 ff., zum Verhältnis des Art. 3 GG zum Bestimmtheitsgrundsatz im Steuerrecht insb. S. 153 f., 161 ff., 166-168, allgemein zum Verhältnis des Art. 3 GG zum Bestimmtheitsgrundsatz § 4 S. 133l35.
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tigkeit führen. 461 Haben generalisierende, typisierende oder pauschalisierende Regelungen in Einzelfällen unvermeidlich Belastungswirkungen zur Folge, so sind sie vor dem Gleichheitssatz daher nur gerechtfertigt, wenn diese Wirkungen einen verhältnismäßig kleinen Personenkreis betreffen und der Gleichheitsverstoß nicht sehr intensiv ist. 462 Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich nunmehr für die Umsatzsteuer aus dem Praktikabilitätsgebot insbesondere, daß der Verbrauch steuertechnisch nur indirekt463 erfaßt werden kann, daß ausschließlich unternehmerisch vermittelte Einkommensverwendungen besteuert werden können464 und daß auch unternehmerische Investitionen zunächst wie sämtliche Einkommensverwendungen der Verbraucher steuerlich belastet werden müssen465 , wobei die gebotene Entlastung unternehmerischer Investitionen erst durch eine Korrektur mittels des Vorsteuerabzuges erreichbar ist.
aa) Notwendigkeit weitgehend indirekter Besteuerung In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle verwenden Verbraucher ihr Einkommen zum Zwecke der Befriedigung ihres Bedarfs an Verbrauchsgütern oder Dienstleistungen im Rahmen eines zweiseitigen Rechtsgeschäftes (insb. Kaufvertrag, Werkvertrag, Dienstvertrag) mit unternehmerisch tätigen Personen. Das Umsatzsteuergesetz greift daher folgerichtig diese Rechtsgeschäfte auf und knüpft die Steuerpflicht vor allem an entgeltliche "Lieferungen oder sonstige Leistungen" von Unternehmern, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Bei dieser Anknüpfung an ein zweiseitiges Rechtsgeschäft wäre es zwar theoretisch denkbar, den sein Einkommen verwendenden Verbraucher direkt steuerlich zu belasten, indem man die an das Rechtsgeschäft gebundene Steuerpflicht in seiner Person entstehen ließe. 466 Jedoch besteht Konsens darüber, daß sich die steuertechnische Erfassung des Verbrauchs bei dem Verbraucher selbst, etwa durch Verbrauchsteuererklärungen des Verbrauchers und entsprechende Verbrauchsteuerbescheide der Finanzbehörden, praktisch niemals in einer Weise durchführen ließe, die den vielfältigen Erfordernissen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit 461 Tipke, SteuRO I, § 7 5.9213, S. 354, zur Rspr. s. auch § 7 5.9212, S. 349 ff.; BVerfG v. 08. 10. 1991 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 84, 348, 359 f. 462 BVerfG v. 17. 11. 1992 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 87, 234, 255; BVerfG v. 08. 10. 1991 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 84, 348, 360; BVerfG v. 08. 02. 1983 a. a. O. (Fn. 457), BVerfGE 63, 119, 128; BVerfG v. 02. 07. 1969 a. a. O. (Fn. 458), BVerfGE 26, 265,276; BVerfG v. 24. 07.1963 -1 BvL 30/57,11/61-, BVerfGE 17,1,23 f. 463 s. dazu sogleich Teil C.II.3.d)aa). 464 s. dazu unten, Teil C.1I.3.d)cc), S. 279 ff. 465 s. dazu unten, Teil C.1I.3.d)bb), S. 274 ff. 466 Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 180, 184.
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gerecht würde. 467 Es ist bisher keine Methode ersonnen worden, nach der sämtliche Verbraucher kontrollierbar und durchsetzbar zu einer lückenlosen Erklärung ihres Verbrauchs angehalten werden könnten. 468 Darüber hinaus führte die Erfassung des Verbrauchs bei dem Verbraucher selbst zu schweren Eingriffen in dessen Privatsphäre, da eine lückenlose Erklärung sämtlicher konsumtiver Einkommensverwendungen durch den Verbraucher eine umfassende Offenlegung persönlicher Verhältnisse und Neigungen bedeutete. Der Verbraucher selbst ist daher, auch wenn man ihn im Rahmen des zur Einkommensverwendung führenden Rechtsgeschäfts rechtlich erfassen könnte, aus praktischen Griinden nicht die für eine Anknüpfung der Umsatzsteuerpflicht geeignete Person. Daher ist es zur Verwirklichung umfassender und gleicher Besteuerung des "Verbrauchs" geboten, grundsätzlich den liefernden oder leistenden Unternehmern die Steuerpflicht bezogen auf das einzelne Rechtsgeschäft aufzuerlegen. Die den Verbraucher belastende Umsatzsteuer wird somit indirekt erhoben mit der Folge, daß zur endgültigen Belastung der Verbraucher ein Überwälzungsvorgang notwendig wird. 469 Diese indirekte Erhebungstechnik hat den Vorteil, daß nur eine überschaubare Personenanzahl als Steuerpflichtige in Betracht kommt. 47o Die Steuererhebung kann dadurch rationeller geschehen, die Steuerpflichtigen sind außerdem leichter zu kontrollieren. In der Regel sind Unternehmer darüber hinaus geschäftserfahrener als Verbraucher und vielfach ohnehin zur Aufzeichnung ihrer Geschäftsvorfälle verpflichtet, vgl. insbesondere § 238 HGB, was die reibungslose Abwicklung der indirekten Erhebung der Umsatzsteuer vereinfachen mag. Nach geltendem Recht sind aus diesen Griinden grundsätzlich die Unternehmer Steuerschuldner der Umsatzsteuer, vgl. § 13 Abs. 2 Nr. I UStG. Gegen die Zulässigkeit der indirekten Besteuerungstechnik ließe sich einwenden, daß es insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 104a Abs. 2 GG471 unbillig erscheine, die Unternehmer mit den Kosten der eigentlich hoheitlichen Aufgabe der Steuererhebung zu belasten. 472 Es könnte zweifelhaft erscheinen, ob der Staat 467 Söhn, StuW 1975, 1,3; ders., FS f. v. Wallis 1985,439,445; BirklFörster, DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 7; Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 85; Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. H, VI. Abt., 2. Teil A., § 1, S. 180, 183. 468 Söhn, StuW 1975, 1,3; Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. H, VI. Abt., 2. Teil A., § I, S. 180, 183 ff.; Dziadkowski, BB 1982,2096,2096. 469 Zur Überwälzungsproblematik s. oben, Teil B.I.2.e)dd), S. 108 ff. 470 Lang, in: Tipke 1Lang, § 8 1., Rz. 15; Birkl Förster, DB: Beilage Nr. 17 zu Heft 301 1985, S. 7. 471 Gemäß Art. 104a Abs. 2 GG trägt der Bund die Ausgaben, wenn die Länder in seinem Auftrag tätig werden. Nach Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 179, sollte dieser Gedanke auch greifen, wenn Private im Auftrag des Staates tätig werden. 472 Stadie, in: Rau 1Dürrwächterl Flick 1Geist, UStG, Einf. Anm. 179; Trzaskalik, DStJG 12 (1989), 157, 161; Tipke, StuW 1992, 103, 118; ders., SteuRO H, § 194., S. 929 f.; Reiß, FS f. K. Tipke 1995,433,438 m.N.; s. auch EuGH v. 20. 10. 1993 - Rs. C 10/92 -, EuGHE
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allein wegen seines Unvennögens zur Durchsetzung einer direkten Verbraucherbesteuerung dazu berechtigt ist, die Unternehmer für die staatliche Aufgabe der Steuererhebung heranzuziehen. 473 Durch die Inanspruchnahme der Unternehmer zur Steuererhebung werden diese nämlich der Gefahr ausgesetzt, im Falle des Mißlingens der Überwälzung 474 oder eines Irrtums bei der Rechnungserteilung 475 selbst Steuerträger der Umsatzsteuer zu werden, obwohl dies der Belastungskonzeption der Umsatzsteuer widerspricht. Diese Argumente sind bekannt und gewiß in vielerlei Hinsicht bedenkenswert. Jedoch ist das staatliche Interesse an der Ausschöpfung der Steuerquelle "Einkommensverwendung" leicht nachvollziehbar und daher als Akt politischer Willensentscheidung aus rechtlicher Sicht zu respektieren. Aus steuertechnischen Gesichtspunkten ist zudem nochmals zu betonen, daß es eine andere Möglichkeit der sachgerechten Erfassung des Verbrauchs als Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit wohl wirklich nicht gibt. Die Inanspruchnahme der Unternehmer ist der einzige Weg, eine nahezu gleichmäßige und allgemeine Belastung konsumtiver Einkommensverwendungen herbeizuführen. Die Technik indirekter Besteuerung an sich ist daher zur allgemeinen und gleichmäßigen Besteuerung konsumtiver Einkommensverwendungen notwendig. Eine andere Frage ist die, ob den mit der Steuererhebung belasteten Unternehmern für die ihnen auferlegten Risiken und Mühen nicht ein staatlicher Entschädigung- bzw. Aufwandsersatzanspruch zustünde. 476 Dies kann allerdings im vorliegenden Zusammenhang nicht näher untersucht werden. Vielmehr bleibt festzuhalten, daß es aus Gleichmäßigkeitsgesichtspunkten und Praktikabilitätserwägungen grundsätzlich notwendig ist, konsumtive Einkommensverwendungen der Verbraucher als umsatzsteuerrechtliche Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit steuertechnisch in indirekter Fonn zu erfassen. Lediglich in Ausnahmefällen, in denen der Erwerbsvorgang des Verbrauchers nicht durch einen inländischen Unternehmer vermittelt wurde, vgl. § lAbs. 1 Nr. 5 UStG (Einfuhr) sowie § Ib UStG (Innergemeinschaftlicher Erwerb neuer Fahrzeuge), ist eine direkte Besteuerung des Verbrauchers notwendig und möglich. Wird somit in der Mehrzahl der Fälle die Steuerpflicht an einen unternehmerischen Umsatz geknüpft, so darf jedoch nicht verkannt werden, daß dennoch die Mittelverwendung des Verbrauchers das umsatzsteuerliche Leistungsfähigkeitskriterium ist, nicht hingegen die Erzielung von Erlösen durch den Unternehmer auf Grund des Umsatzes. Dementsprechend konsequent dient als Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer in den Fällen der Lieferung oder Leistungen auch das vom Erwerber entsprechend der Vereinbarung aufgewendete Entgelt, vgl. § 10 Abs. 1 1993 I, 5105, 5140 = UR 1994, 116, 116 (Unternehmer als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates"). 473 Zur Diskussion s. insbesondere Trzaskalik, DStlG 12 (1989),157,162 ff., 169. 474 Trzaskalik, DStlG 12 (1989), 157, 169 f. 475 Trzaskalik. DStlG 12 (1989), 157, 174 ff. 18 Löhr
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Satz 1,2 i.Y.m. § 16 Abs. 1 UStG. 477 Hierin zeigt sich wiederum die Auswirkung der Unterscheidung der verschiedenen Zurechnungsstufen zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit. 478 Denn die Definition des Leistungsfähigkeitsindikators "Verbrauch" auf der Deduktionsstufe als konsumtive Einkommensverwendung der Verbraucher über den existenz- und erwerbs sichernden Bedarf hinaus geschieht unabhängig von der Art der steuertechnischen Erfassung dieses Leistungsfähigkeitsindikators auf der Individualisierungsstufe.
bb) Technische Erfassung der konsumtiven Einkommensverwendungen durch Besteuerung unter Ausschluß des Vorsteuerabzugsrechts Die Umsatzsteuer ist also besteuerungstechnisch eine an Rechtsverkehrsakte anknüpfende indirekte Steuer auf konsumtive Einkommensverwendungen der Verbraucher. Oberstes Ziel des Umsatzsteuergesetzes sollte es daher sein, konsumtive Einkommensverwendungen der Verbraucher umfassend zu besteuern, demgegenüber jedoch unternehmerische Investitionen sowie Mittelverwendungen der öffentlichen Hand zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben von einer umsatzsteuerlichen Belastung zu verschonen. 479 Die aus Gründen der Gleichmäßigkeit und Praktikabilität der Besteuerung gewählte Technik indirekter Besteuerung kann daher nur dann zulässig sein, wenn sie die Umsetzung dieser Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips ermöglicht. Die steuertechnische Verwirklichung des Ziels der ausschließlichen Belastung des Verbrauchs im Sinne konsumtiver Einkommensverwendungen erscheint allerdings auf verschiedenen Wegen möglich. (1) Theoretisch vorstellbar wäre eine sachgerechte Erfassung des Verbrauchs zunächst sowohl im Rahmen eines einphasigen Umsatzsteuersystems, innerhalb dessen der steuerliche Zugriff nur auf einer ganz bestimmten, der Einkommensverwendung der Verbraucher möglichst nahen sowie die Überschaubarkeit der Steuersubjekte garantierenden 480 Produktions- oder Handelsstufe einsetzt, als auch durch die steuerliche Erfassung sämtlicher Einkommensverwendungen im Rahmen eines All-Phasen-Umsatzsteuersystems. 481 Jedes dieser Systeme bietet gewisse Vorteile, 476 Trzaskalik, DStJG 12 (1989),157,177 ff., 181 f.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter/Flickl Geist, UStG, Einf. Anm. 179 m.N.; s. auch BVerfG v. 17.02. 1977 - 1 BvR 33/76 -, BVerfGE 44, 103, 104 (Einbehaltung und Abführung der Kirchenlohnsteuer durch Arbeitgeber); BVerfG v. 16.03. 1971 - 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 -, BVerfGE 30, 292, 311 ff., 324 ff. (Bevorratungspflicht für Erdölerzeugnisse). 477 Söhn, StuW 1976, 1,21. 478 s. oben, Teil C.II.3.a), S. 243 ff. 479 s. oben, Teil C.II.3.b)cc), S. 258 ff. 480 Zum Erfordernis der Verbrauchsnähe und zur Forderung der Überschaubarkeit der Steuersubjekte s. auch Birk/ Förster; OB: Beilage Nr. 17 zu Heft 30/1985, S. 7 f.
H. Konkretisierter Inhalt im Umsatzsteuerrecht
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ist jedoch auch mit spezifischen Nachteilen verbunden. Letztlich ist die Entscheidung über die Einführung eines einphasigen oder eines All-Phasen-Umsatzsteuersystems eine politische Entscheidung des Steuergesetzgebers, die aus rechtlicher Sicht hinzunehmen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bekanntlich seit jeher für ein All-Phasen-Umsatzsteuersystem entschieden, so daß die weiteren Untersuchungen von der Technik des sämtliche Produktions- bzw. Handelsstufen umfassenden Konzeptes dieses Umsatzsteuersystems auszugehen haben. (2) Legt man den weiteren Überlegungen die gesetzgeberische Entscheidung für ein All-Phasen-Umsatzsteuersystem zugrunde, so ist weiterhin zu fragen, auf welche Weise die vollständige und ausschließliche Erfassung konsumtiver Einkommensverwendungen innerhalb eines derartigen Systems sichergestellt werden kann. Dabei ist, ausgehend von dem subjektive Merkmale enthaltenden umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegrift82 vorrangig zu entscheiden, ob die umsatzsteuerrechtlichen Tatbestände subjektive Merkmale zur Abgrenzung des Verbrauchs von unternehmerischen Investitionen enthalten sollten. 483 (3) Zunächst könnten die umsatzsteuerrechtlichen Belastungstatbestände die subjektive Verwendungsabsicht des Erwerbers in bezug auf das erworbene Gut oder die erworbene Leistung als dem zum Zeitpunkt der Mittelverwendung einzig existierenden Hinweis auf die Demonstration von Leistungsfähigkeit durch den Verbraucher als Tatbestandsmerkmal aufnehmen. Dann müßten auf jeder Handelsstufe die Einkommensverwendungen der Verbraucher zu konsumtiven Zwecken steuerpflichtig, die Mitte1verwendungen der Unternehmer zu unternehmerischen Zwecken sowie die Mittelverwendungen der öffentlichen Hand zu hoheitlichen Zwecken hingegen steuerfrei gestellt werden. Wie bereits an anderer Stelle484 erwähnt wurde, ist diese Technik jedoch sehr unsicher, unpraktikabel und daher kaum zur Gewährleistung gleichmäßiger Besteuerung geeignet. Denn die steuerpflichtigen Unternehmer, deren Heranziehung für die Erhebung der Umsatzsteuer ohnehin problematisch ist485 , müßten in diesem Fall ihre Kunden zusätzlich nach deren Verwendungsabsicht befragen, um zu entscheiden, ob ein Einkommensverwendungsvorgang steuerpflichtig ist. Die Auferlegung einer derartigen Differenzierungspflicht bedeutete jedoch eine unzumutbare, weil vermeidbare zusätzliche Belastung der Unternehmer. 486 Darüber hinaus 481 Zu den verschiedenen möglichen Ansatzpunkten der Besteuerung ausführlich Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. II, VI. Abt., 2. Teil A., § 3, S. 191 ff.; Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Aufl. 1956), Bd. 11, 7. Teil, § 1, S. 567 f. 482 Zum subjektiven Merkmal des Verbrauchsbegriffs oben, Teil C.1I.3.b)cc), S. 258 ff. 483 Ablehnend Studie, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Einf. Anm. 94. Ausgehend von einem anderen Verständnis des umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriffs (s. Fn. 423) hält Studie die Einbeziehung subjektiver Merkmale für unzulässig. 484 s. oben, Teil C.II.3.b)cc)(3), S. 260 f. 485 s. oben, Teil C.I1.3.d)aa), S. 271 ff. 486 Reiß, FS f. K. Tipke 1995,433,438 m.N.
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wäre es zur Gewährleistung vollständiger und ausschließlicher Besteuerung konsumtiver Einkommensverwendungen notwendig, auf jeder Besteuerungsstufe Divergenzen zwischen der Verbrauchsabsicht im Zeitpunkt der Mittelverwendung und der tatsächlichen Verwendung des Gegenstandes oder der Leistung zu ermitteln und darauf durch entsprechende Korrekturvorschriften zu reagieren. Damit verbunden wären nicht selten umfangreiche behördliche Nachforschungspflichten über die tatsächliche Verwendung erworbener Güter und Leistungen, welche allerdings praktisch schwer durchführbar sein dürften. Zwar besteht die Möglichkeit, etwa Unternehmer zu einer entsprechenden Erklärung tatsächlich konsumtiver Verwendung unbelastet erworbener Güter oder Leistungen zu verpflichten (z. B.: Eigenverbrauchstatbestand). Eine derartige Vorschrift müßte allerdings auf die tatsächliche Verwendung des Gutes oder der Leistung abstellen und wiche daher erheblich von dem vorausgesetzten Konzept des steuertechnischen Systems ab, wonach vor allem subjektive Merkmale Teil der Besteuerungstatbestände sein sollen. Die Einbeziehung der Verbrauchsabsicht des Einkommensverwenders in den umsatzsteuerrechtlichen Belastungstatbestand würde daher zu erheblichen praktischen Belastungen und Unsicherheiten führen. (4) Der Einfluß der Ungewißheiten über die endgültige Verwendung erworbener Güter oder Leistungen läßt sich jedoch reduzieren, wenn auf die Einbeziehung subjektiver Merkmale des rechtlichen Verbrauchsbegriffs in die umsatzsteuerrechtlichen Belastungstatbestände verzichtet wird. Dies ist unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich dennoch eine nahezu lükkenlose Erfassung sämtlicher Verbrauchsvorgänge sicherstellen läßt. Denn unabhängig davon, daß die Einbeziehung subjektiver Merkmale in die Definition des Verbrauchsbegriffs auf der Deduktionsstufe487 zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit zwingend geboten ist488 , kommt es auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit vor allem darauf an, die Anforderungen der Deduktionsstufe besteuerungstechnisch praktikabel umzusetzen. So empfiehlt sich insbesondere das derzeit praktizierte System der All-PhasenNetto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Danach sind grundsätzlich alle Einkommensverwendungsvorgänge jeder Handelsstufe unabhängig von bestimmten Absichten des Erwerbers steuerpflichtig, jedoch bestehen Korrekturvorschriften in Form des Vorsteuerabzugsrechts, durch welche die steuerliche Belastung wieder aufgehoben wird, wenn ein Gut oder eine Leistung tatsächlich zu unternehmerischen Zwecken verwendet wird. Die hierzu denkbare steuertechnische Alternative der All-Phasen-Brutto-Umsatzsteuer, die sämtliche Einkommensverwendungen auf jeder Handelsstufe belastet, ohne daß mit Hilfe des Vorsteuerabzugs eine Korrektur der Belastungen unternehmerischer Mittelverwendungen herbeigeführt wird, ist aus Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten dagegen nicht in gleicher Weise zur ausschließlichen Belastung konsumtiver Einkommensverwendungen geeignet. 487 488
Zu den verschiedenen Zurechnungsstufen s. oben, Teil C.II.3.a), S. 243 ff. s. oben, Teil C.II.3.b)cc)(3), S. 260 f.
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Denn die Entlastung der Mittelverwendungen für unternehmerische Zwecke kann in diesem System nur durch Überwälzungsvorgänge geschehen. Das Gelingen der Überwälzung der Umsatzsteuer wird jedoch mit zunehmender Anzahl der von einem Produkt durchlaufenen Handelsstufen und mit zunehmender Höhe des Steuersatzes durch das Auftreten steuerlicher Kumulationswirkungen immer unwahrscheinlicher.489 Wettbewerbsverzerrungen durch folgerichtig auftretende steuerlich bedingte unternehmerische Konzentrationsprozesse 49o tragen zusätzlich dazu bei, die Überwälzung der kumulierten Umsatzsteuer innerhalb eines derartigen Systems zu verhindern. Wird auf die Einbeziehung subjektiver Merkmale in die umsatz steuerlichen Besteuerungstatbestände verzichtet, muß daher auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit dem System der Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug der Vorzug gegenüber einer All-Phasen-Brutto-Umsatzsteuer gegeben werden. Durch die umfassende Belastung aller Einkommensverwendungsvorgänge sowohl der Nichtunternehmer als auch der Unternehmer erübrigt sich im System der All-Phasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug grundsätzlich die Nachforschung über eine von der ursprünglichen Verwendungsabsicht abweichende tatsächliche Verwendung. Unternehmer, welche erworbene Güter oder Leistungen im Unternehmen verwenden und aus diesem Grunde den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen wollen, müssen aus eigenem Antrieb die voraussichtlich nicht-konsumtive Verwendung des Erworbenen geltend machen. Diese Technik der Besteuerung trägt somit erheblich zur Verwaltungs vereinfachung bei. Zu bedenken ist allerdings, daß durch die All-Phasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug die steuerpflichtigen Unternehmer enorm belastet werden. Denn ihre Mittelverwendungen für Investitionszwecke werden zunächst "auf Verdacht,,491 ebenfalls besteuert, so daß die Unternehmer gezwungen sind, die nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip gebotene Entlastung dieser Mittelverwendungen durch individuelle Geltendmachung eines Anspruchs auf Gewährung eines Vorsteuerabzugsrechts sicherzustellen. Allerdings müßten Unternehmer einen ähnlichen Nachweis auch dann führen, wenn die erstgenannte Besteuerungstechnik der Einbeziehung subjektiver Merkmale des Verbrauchsbegriffs492 gewählt würde. Der Unterschied zum Netto-Umsatzsteuersystem läge nur darin, daß die Unternehmer ihre Unternehmereigenschaft und die Absicht unternehmerischer Verwendung des 489 Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Auf!. 1956), Bd. 11, 7. Teil, § 3, S. 588 f.; Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A, § 2, S. 190 f. 490 Zu den konzentrationsfördernden Wirkungen der Brutto-Umsatzsteuer s. insb. Popitz, Die Umsatzsteuer als Faktor der Betriebs- und Besitzkonzentration, JW 1919,791 ff.; ders., in: Popitz/Kloß/Grabower, UStG 1926, I. Teil: Einleitung, 1. Kap. v., S. 27 ff.; Weiterhin auch Schmölders, Die Umsatzsteuern, in: HBdFinWiss. (2. Auf!. 1956), Bd. 11, 7. Teil, § 3, S. 590 ff.; BVerfG v. 20. 12. 1966 a. a. O. (Fn. 153), BVerfGE 21,12,28 ff. 491 Hardorp, UR 1986, 168, 169. 492 s. oben, Teil C.II.3.d)bb)(3), S. 275 f.
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Gutes danach nicht gegenüber dem Fiskus zur Erlangung des Vorsteuerabzugsrechts geltend machen müßten, sondern zum Zwecke des Ausschlusses ihrer Steuerpflicht überhaupt gegenüber demjenigen Unternehmer, von welchem sie Lieferungen oder Leistungen beziehen. Die Anforderungen an den Nachweis dürften sich indes der Sache nach nicht erheblich unterscheiden. Was jedoch bei dem System vollständiger Besteuerung aller Einkommensverwendungen, verbunden mit der Entlastung unternehmerischer Investitionen durch den Vorsteuerabzug, entfällt, ist die durch den Unternehmer zu treffende Unterscheidung zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Lieferungen oder Leistungen bei der Ausführung eigener unternehmerischer Umsätze in Abhängigkeit von der Verwendungsabsicht des Kunden. Insofern bietet das geltende System daher eine gewisse Erleichterung für die Unternehmer. Darüber hinaus darf aber nicht übersehen werden, daß auch im geltenden System Korrekturen des Vorsteuerabzuges notwendig werden, wenn ein ursprünglich zu unternehmerischen Zwecken erworbenes Gut tatsächlich konsumtiv verwendet wird. Diesbezüglich können die praktischen Schwierigkeiten mit denen verglichen werden, welche bei der Einbeziehung subjektiver Merkmale in die Besteuerungstatbestände entstehen. Im Rahmen des geltenden Systems wirken die auf die tatsächliche Verwendung erworbener Güter oder Leistungen abstellenden Korrekturvorschriften allerdings ihrer Struktur nach systemkonform. (5) Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß unter der Voraussetzung der Wahl eines All-Phasen-Umsatzsteuersystems die Entscheidung für oder gegen die Einbeziehung subjektiver Merkmale des rechtlichen Verbrauchsbegriffs in das steuertechnische Konzept der Verbrauchsbesteuerung jeweils spezifische Unsicherheiten in der Erfassung des Verbrauchs sowie spezielle Mühen für die steuerpflichtigen Unternehmer birgt. Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten erscheinen allerdings beide Konzepte in gleicher Form geeignet, die konsumtiven Einkommensverwendungen der Verbraucher als Leistungsfähigkeitsindikator möglichst umfassend und gleichmäßig zu belasten. Die Wahl der konkreten Steuertechnik ist daher als juristisch nicht nachprüfbare politische Entscheidung anzusehen. Insgesamt kann das geltende umsatzsteuerrechtliche System der All-PhasenNetto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug, welches zunächst sämtliche Einkommensverwendungen belastet und sodann mit Hilfe des Vorsteuerabzugs diejenigen Belastungen korrigiert, die unternehmerische Investitionen betreffen, verwaltungstechnisch sogar wesentlich einfacher zu handhaben sein. Unter der Annahme, daß der steuerliche Leistungsfähigkeitsindikator "Verbrauch" aus Gleichheitsgesichtspunkten und Praktikabilitätsaspekten steuertechnisch indirekt erfaßt werden so1l493, erscheint daher die grundsätzliche Entscheidung des Steuergesetzgebers für ein Netto-Umsatzsteuersystem mit Vorsteuerabzug sachgerecht.
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s. oben, Teil C.II.3.d)aa), S. 271 ff.
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Umsatzsteuertechnisch, d. h. auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung umsatzsteuerlicher Leistungsfähigkeit, wird daher ein "Verbrauch" im rechtlichen Sinne in zulässiger Weise grundsätzlich durch einen Einkommensverwendungsvorgang abgebildet, welcher den Erwerber eines Gutes oder einer Leistung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
cc) Ausschließliche Belastung unternehmerisch vermittelten Verbrauchs Die geltende Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug erfaßt jedoch systembedingt hauptsächlich unternehmerisch vermittelte Einkommensverwendungen der Verbraucher. Bereits an früherer Stelle494 wurde darauf hingewiesen, daß aus diesem Grunde die Annahme, die Umsatzsteuer sei eine Leistungsfähigkeitssteuer, in der Literatur495 kritisiert wird, weil sie auf diese Weise keine umfassende Allgemeinheit der Besteuerung des "Verbrauchs" sicherstellen könne. Diese Kritik ist insofern begründet, als sie zutreffend darauf hinweist, daß das Ziel einer allgemeinen Einkommensverwendungsteuer die Erfassung sämtlicher konsumtiver Einkommensverwendungen sein muß, unabhängig davon, ob diese durch unternehmerische oder nichtunternehmerische Leistungen initiiert werden. 496 Die Inkonsequenz des weitgehenden Verzichts auf die steuerliche Erfassung nichtunternehmerischer Leistungen vor dem Hintergrund des Verbrauchsteuergedankens wurde indes schon bei der Schaffung des UStG 1918 erkannt. 497 Bereits damals wurde jedoch - beruhend auf Erfahrungen mit § 83a des Gesetzes über den Warenumsatzstempel vom 26. Juni 1916498 - darauf hingewiesen, daß die Erfassung VOn Verbrauchsvorgängen, die auf nichtunternehmerischen Leistungen beruhen, nicht praktikabel sei, sofern die dem Verbrauchsvorgang zugrunde liegende privat veranlaßte Vermögensverwendung nicht - wie z. B. bei privaten Versteigerungen499 oder (seit 1932) bei der Einfuhr - nach außen hervortrete. 5OO Dieses Argument gilt noch heute 501 , und auch in der heutigen Rechtsordnung ist anerkannt, daß ein Steuergesetz jedenfalls dann in gewissen Grenzen von seinen Grundprinzipien abweichen darf, wenn die Durchbrechung das Prinzip nicht s. oben, Teil B.1.3.f), S. 129 f. Insbesondere Weij3, UR 1981, 149, 149. 496 Söhn, StuW 1975, 1,4; ders., StuW 1976, 1,7. 497 Begründung zum UStG 1918, RT-Drucks. 1914/1918 Nr. 1461, S. 25 f. 498 Gesetz über einen Warenumsatzstempel vorn 26.06. 1916, RGBI. 1916, S. 639, 643. 499 Vgl. § 1 Abs. 3 UStG 1918, RGBI. 1918 I, 779, 779; vgl. auch Begründung zum UStG 1918, RT-Drucks. 1914/1918 Nr. 1461, S. 26. 500 Begründung zum UStG 1918, RT-Drucks. 1914/1918 Nr. 1461, S. 26; Popitz, Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. 11, VI. Abt., 2. Teil A., § 3 1., S. 191. 501 Söhn, FS f. v. Wallis 1985,439,446 f.; ders., StuW 1976, 1,7; ders., StuW 1975, 1, 4 f.; Reij3, DStJG 13 (1990), 3, 23. 494 495
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grundsätzlich gefährdet, jedoch die vollständige Verwirklichung des Prinzips nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. 502 Da bereits allgemein aus dem Erfordernis gleichmäßiger Besteuerung zusammen mit dem Praktikabilitätsgebot folgt, daß die Umsatzsteuer als Steuer auf die konsumtive Einkommensverwendung grundsätzlich in indirekter Form erhoben werden sollte503 , ergibt sich als Konsequenz daraus auch der weitgehende Verzicht auf die Besteuerung privat vermittelter konsumtiver Einkommensverwendungen. Im Bereich der Einkommensverwendungsbesteuerung ist außerdem festzustellen, daß die überwiegende Mehrzahl der Einkommensverwendungen heute durch eine unternehmerische Leistung initiiert wird. 504 Darüber hinaus ist davon auszugehen, daß ein Verbrauchsgut, welches ein Verbraucher von einem Nichtunternehmer erworben hat, in vielen Fällen zu einem früheren Zeitpunkt bereits durch einen früheren Nutzer auf Grund eines unternehmerisch initiierten und damit umsatzsteuerpflichtigen Erwerbsvorganges angeschafft wurde und daher mit Umsatzsteuer belastet ist. 505 Somit kann die weitgehende Nichtberücksichtigung privater Umsätze durch das Umsatzsteuergesetz heute ohne Gefährdung des Verbrauchsteuerprinzips verfassungsrechtlich hingenommen werden. Aus Praktikabilitätsgesichtspunkten ist es daher zulässig, das Umsatzsteuergesetz technisch so zu gestalten, daß es nahezu ausschließlich unternehmerisch initiierte Einkommensverwendungen der Verbraucher erfaßt.
dd) Steuertechnische Möglichkeiten der Freistellung des Existenzminimums sowie der erwerbssichernden Aufwendungen
In beklagenswertem Zustand befindet sich das geltende Umsatzsteuergesetz indes hinsichtlich der Forderung nach der Sicherstellung der Steuerfreiheit existenzund erwerbssichernder Einkommensverwendungen der Verbraucher. 506 Kaum eine Norm des geltenden Umsatzsteuergesetzes läßt sich als gelungener Ausdruck des Bestrebens zur Verwirklichung dieser Anforderung des Leistungsfähigkeitsprinzips ansehen. Zwar werden einerseits bestimmte existenznotwendige Güter nur mit dem ermäßigten Steuersatz belastet, vgl. § 12 Abs. 2 UStG i.Y.m. der Anlage zum UStG. Dies ist gewiß ein begrüßenswerter (erster) Schritt zur Entlastung des steuerlichen Existenzminimums von der Umsatzsteuer. Jedoch gebietet das Leistungsfähigkeitss. oben, Teil c.n.3.d), S. 269 f. s. oben, Teil C.l1.3.d)aa), S. 271 ff. 504 Reiß. DStJG 13 (1990), 3, 23. 505 s. schon Popitz. Allgemeine Verbrauchsteuer, in: HBdFinWiss. (1927), Bd. n, VI. Abt., 2. Teil A., § 3 1., S. 191. 506 Zur Notwendigkeit der Steuerfreiheit existenz- und erwerbssichemder Aufwendungen s. oben, Teile C.lI.1.a)bb)(2), S. 210 f., C.l1.2.b), S. 229 ff. sowie c.n.3.b)dd), S. 262. 502 503
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prinzip an sich die vollständige Freistellung der existenz- und erwerbs sichernden Einkornrnensverwendungen. Ebenso unzureichend wurde hinsichtlich der Umsetzung der Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips darüber hinaus die Entlastung bestimmter - zum Teil auch existenznotwendiger - Umsätze im Rahmen des § 4 UStG verwirklicht. Denn die begrüßenswerte Absicht der Freistellung bestirnrnter Umsätze von einer umsatzsteuerlichen Belastung wird weitgehend konterkariert durch die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts für den steuerfrei liefernden oder leistenden Unternehmer gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Dies hat regelmäßig zur Folge, daß steuerfrei erwerbende Verbraucher zwar nicht mit einer Umsatzsteuer auf die Wertschöpfung der steuerfreien Handelsstufe belastet werden, jedoch im Wege verdeckter Überwälzung die Umsatzsteuer auf die Wertschöpfungen der Vorstufen der steuerfreien Leistungen tragen müssen. Die geltenden Regelungen bewirken also in keiner Weise die Freistellung existenz- und erwerbssichernder Einkommensverwendungen der Verbraucher. Es mag sein, daß die Abgrenzung zwischen existenznotwendigen und sonstigen Einkornrnensverwendungen im Einzelfall schwierig ist. Jedoch wäre es zulässig, hier ebenso wie im Einkommensteuerrecht gewisse Pauschalisierungen und Typisierungen vorzunehmen, um zumindest das durchschnittliche Existenzminimum tatsächlich umsatzsteuerlich zu entlasten. Schließlich stehen auch brauchbare steuertechnische Verfahren zur Verwirklichung des Gebotes der Freistellung existenzund erwerbssichernder Einkommensverwendungen zur Verfügung, worauf bereits an früherer Stelle507 hingewiesen wurde. So bestünde die Möglichkeit der Freistellung 508 bestirnrnter existentieller Güter und Leistungen von der Besteuerung, wobei jedoch zur vollständigen Entlastung der Verbraucher dem steuerfrei liefernden oder leistenden Unternehmer ein Vorsteuerabzug nicht versagt werden dürfte. Weiterhin wäre denkbar, eine Entlastung derjenigen Verbraucher, die existenz- oder erwerbssichernde Aufwendungen tätigen müssen oder lediglich Einkünfte unterhalb des steuerfreien Existenzminimums erzielen, durch Verbrauchsteuervergütungen509 nach entsprechender Erklärung herbeizuführen. Derzeit wird der unbefriedigende Zustand des Umsatz steuerrechts hinsichtlich der Freistellung existenz- und erwerbs sichernder Aufwendungen zum Teil zwar dadurch aufgefangen, daß die Umsatzsteuer auf derartige Aufwendungen im Rahmen des einkornrnensteuerlichen Existenzminimums 51O, beim Werbungskostenabzug sowie bei der Festlegung der Höhe sozialhilferechtlicher Zuwendungen berücksichtigt wird. Dies mag man innerhalb des Gesamtsteuersystems für ausreichend erachten, jedoch führt bei dieser Methode jede Erhöhung der Umsatzsteuer s. oben, Teil C.II.2.b), insb. S. 231 f. m.N. s. nur Tipke, SteuRO 11, § 193.7, S. 922 ff. 509 s. nur Pahlke, Die Nettoumsatzsteuer als Zentralsteuer, FinArch. Band 26 (1967), 215, 224 f.; Lang, StuW 1990, 107, 126 f.; Tipke, SteuRO 11, § 193.7, S. 926 ff. m.N. 510 Dazu oben, Teil C.II.2.b), S. 231 f., insb. Fn. 284. 507
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sofort zu umfangreichem Anpassungsbedarf bei der Einkommensteuer und im Sozialhilferecht. 511 Sinnvoller wäre daher sicher die Überarbeitung des Umsatzsteuerrechts selbst zwecks Berücksichtigung des steuerlichen Nettoprinzips, wobei indes zu prüfen bliebe, in welcher Form dies europarechtlich zulässig ist.
ee) Ergebnis Das Ziel der umfassenden Besteuerung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfahigkeitsindikators "Konsumtive Einkommensverwendung" läßt sich auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit unter Beachtung des rechts staatlichen und gleichheitsrechtlichen Gebots der verwaltungstechnischen Praktikabilität der Besteuerung nur eingeschränkt verwirklichen. Die sicherste, umfassendste und verwaltungmäßig praktikabelste steuertechnische Erfassung konsumtiver Einkommensverwendungen gewährleistet eine indirekte Besteuerung der Verbraucher. 512 Zu diesem Zweck ist es indes notwendig, sämtlichen liefernden oder leistenden Unternehmern die Aufgabe der Erfassung steuerpflichtiger Einkommensverwendungsvorgänge aufzutragen. 513 Die Technik indirekter Besteuerung bedingt darüber hinaus die Notwendigkeit eines - erfolgreichen - Überwälzungsvorgangs in bezug auf die steuerliche Belastung von den Unternehmern auf die Verbraucher. Die Differenzierung zwischen steuerwürdigen konsumtiven Einkommensverwendungsvorgängen der Verbraucher und übrigen Einkommensverwendungen ist entsprechend dem hier verwendeten umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriff anhand subjektiver Merkmale vorzunehmen. 514 Es ist jedoch aus steuertechnischen Gesichtspunkten nicht zwingend erforderlich, das subjektive Tatbestandsmerkmal des "Verbrauchs" in die umsatzsteuerrechtlichen Belastungstatbestände zu übernehmen. Eine weitaus praktikablere und mindestens ebenso gleichmäßige Belastung des "Verbrauchs" läßt sich auch durch eine auf subjektive Merkmale verzichtende Gestaltung der Belastungstatbestände erreichen. 515 Ausgehend von der Entscheidung des Gesetzgebers für ein All-Phasen-Umsatzsteuersystem ist dabei zur Gewährleistung umfassender und gleichmäßiger steuertechnischer Erfassung des "Verbrauchs" ohne Rückgriff auf das subjektive Merkmal des Verbrauchsbegriffs das geltende steuertechnische System der Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug dem System einer Brutto-Umsatzsteuer vorzuziehen. 516 5ll Dazu auch BVerfG v. 23. 08. 1999 a. a. O. (Fn. 173), NJW 1999, 3478, 3478 = FR 1999,1134,1135 (Umsatzsteuerbelastung von Familien). 512 s. oben, Teil C.II.3.d)aa), S. 271 ff. 513 Zur Kritik an diesem Vorgehen s. oben, Teil C.II.3.d)aa), S. 272 f. 514 Zu subjektiven Merkmalen des Verbrauchsbegriffs oben, Teil C.II.3.b)cc), S. 258 ff. 515 s. oben, Teil C.II.3.d)bb), S. 274 ff. 516 s. oben, Teil C.II.3.d)bb), S. 274 ff.
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Innerhalb des geltenden Systems der All-Phasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug werden schließlich zunächst sämtliche Einkommensverwendungen steuerlich belastet. Erst in einem zweiten Schritt können die Einkommensverwendungen der Unternehmer zu unternehmerischen Zwecken mit Hilfe des Vorsteuerabzugs entlastet werden. Nicht gelöst ist indes die erforderliche Freistellung existenz- und erwerbs sichernder Einkommensverwendungen der Verbraucher von jeglicher umsatzsteuerlicher Belastung. Steuertechnisch betrachtet sollte daher auf der Grundlage des geltenden NettoUmsatzsteuersystems mit Vorsteuerabzug idealerweise immer dann ein "Verbrauch" im Rechtssinne abgebildet werden, wenn eine Person Einkommen oder Vermögen zum Erwerb eines Gutes oder einer Leistung verwendet, ohne bezüglich dieses Vorganges zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein.
4. Fazit
Die Priifung jeder steuerrechtlichen Norm am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG muß auf der Grundlage des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips als sachgerechtem bereichsspezifischem Vergleichsmaßstab geschehen. Für den Bereich des Umsatzsteuerrechts verlangt das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip die gleichmäßige Belastung des "Verbrauchs". Als "Verbrauch" im umsatzsteuerrechtlichen Sinne gilt dabei jede Einkommensverwendung eines Verbrauchers zur unmittelbaren privaten Bedürfnisbefriedigung über den existenz- oder erwerbssichernden Bedarf hinaus. Um dieses Ziel zu erreichen, muß das Umsatzsteuergesetz durch seine technische Gestaltung nicht nur gewährleisten, daß sämtliche konsumtiven Einkommensverwendungen der Verbraucher gleichmäßig belastet werden, sondern daß zugleich sämtliche erwerbssichernden Einkommensverwendungen der Unternehmer entlastet sind. Letzteres sollte im geltenden Umsatzsteuersystem idealerweise geschehen, indem den Unternehmern für erwerbssichernde Einkommensverwendungen ein Vorsteuerabzugsrecht gewährt wird. Ist dies nicht möglich, so muß das Umsatzsteuerrecht jedenfalls das Gelingen der Überwälzung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge auf unternehmerische Investitionen durch die Unternehmer an die Endverbraucher sicherstellen.
D. Prüfung der Vereinbarkeit der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG mit Art. 3 Abs. 1 GG in dessen steuerrechtlicher Konkretisierung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip Die Prüfung der durch § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung des Art. 20 Nr. 9 StMBG I hervorgerufenen verschiedenen Belastungswirkungen2 am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nunmehr ausgehend vom Leistungsfähigkeitsprinzip als steuerrechtlichem Vergleichsmaßstab vorzunehmen. Zu diesem Zweck ist das Leistungsfähigkeitsprinzip im Bereich der Umsatzsteuer dahingehend zu konkretisieren, daß der "Verbrauch" im oben3 genannten Sinne in seiner Funktion als spezifischer Indikator umsatzsteuerlicher Leistungsfähigkeit der vorzunehmenden Gleichheitsprüfung als Belastungsmaßstab zugrunde zu legen ist. Es hat sich herausgestellt, daß die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG unter drei verschiedenen Aspekten zur Entstehung ungleicher Belastungswirkungen führt, deren Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip es zu prüfen gilt. Zunächst hängt die Höhe der umsatz steuerlichen Belastung der Verbraucher auf dem Vermietungsumsatz nachfolgenden Handelsstufen von der Ausübung des umsatzsteuerlichen Optionsrechts durch den dazu berechtigten Vermieter ab. 4 Gleichfalls auf der Ebene der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen führt die Neufassung ferner durch den Ausschluß der Option für Fälle der Vermietung an nicht "ausschließlieh" vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätige Mieter spezifische Bebzw. Entlastungen herbei. 5 Schließlich verursacht die Norm auch in der Ebene der Vermieter eine systemwidrige umsatzsteuerliche Belastung, indem sie das Auftreten optionsschädlicher Nutzungsänderungen ermöglicht. 6
BGBl. 1993 I, 2310, 2339. s. oben, Teil B.III., S. 155 ff. 3 s. oben, Teil C.II.3.b), S. 245 ff. 4 Genauer oben, Teil B.III.2.a), S. 158 ff.; zur Gleichheitsprüfung dieser Wirkung sogleich unten, Teile 0.1. u. 11. 5 Genauer oben, Teil B.III.2.b), S. 164 ff.; zur Gleichheitsprüfung dieser Wirkungen unten, Teile 0.111. und IV., S. 294 ff. und S. 296 ff. 6 Genauer oben, Teil B.III.l., S. 155 ff.; zur Gleichheitsprüfung dieser Wirkung unten, Teile D.V. und VI., ab S. 299. I
2
I. Ungleiche Belastung der Verbraucher durch Optionsausübung
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I. Ungleiche Belastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in Abhängigkeit von der Ausübung des Optionsrechts für Vennietungsumsätze
Die Einrichtung des umsatzsteuerlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze, die an "ausschließlich" vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausgeführt werden, durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. führt zum Auftreten spezifischer Belastungsungleichheiten unter denjenigen Endverbrauchern, die unternehmerische Lieferungen oder Leistungen des betreffenden Mieters beziehen, in Abhängigkeit von der Ausübung des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts durch den Vermieter. 7 Diese Ungleichbehandlung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in Abhängigkeit von der Optionsausübung durch den Vermieter durchbricht das umsatzsteuerliche Grundprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Denn dem System der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer entsprechend sind Endverbraucher grundsätzlich mit der Umsatzsteuer zu belasten, die auf der Grundlage eines zuvor definierten Prinzips8 in Abhängigkeit von der Höhe des "Verbrauchs" zu bemessen ist, welcher den einzelnen Verbrauchern entsprechend ihren persönlichen Verhältnissen individuell zugerechnet9 werden muß. Der jeweils "individuell zuzurechnende umsatzsteuerrechtliche Leistungsfähigkeitsindikator "Verbrauch" umfaßt dabei sämtliche Einkommensverwendungen, die ein Verbraucher zum Zwecke unmittelbarer privater Bedürfnisbefriedigung über den existenz- oder erwerbssichernden Bedarf hinaus für den Erwerb von Verbrauchs- oder Gebrauchsgütern und Dienstleistungen vornimmt. 10 Die Gegenüberstellung der bei den Endverbrauchern entstehenden Belastungen in Abhängigkeit von der Ausübung des Optionsrechts durch einen Vermieter, der an der zur Versorgung der Verbraucher führenden Leistungskette beteiligt ist, basierte auf der Voraussetzung, daß die betreffenden Einkommensverwendungen der Verbraucher in den Fällen ausgeübter und nicht ausgeübter Option ohne Beriicksichtigung der Umsatzsteuer jeweils gleich hoch sind. ll Auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit ist allen betrachteten Endverbrauchern daher jeweils ein "Verbrauch" in gleicher Höhe zuzurechnen.
s. oben, Teil B.III.2.a)aa) und cc), S. 159 ff., S. 163 f. Die Folgerung vom Vorhandensein des Indikators "Verbrauch" in der Sphäre eines Verbrauchers auf dessen steuerliche Belastbarkeit ist Teil der Deduktionsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit. Näher dazu oben, Teil C.II.3.a), S. 243 ff.; zur Indikationsqualität des Indikators "Verbrauch" s. Teil C.II.3.c), S. 266 ff. 9 Die Zurechnung des Leistungsfähigkeitsindikators "Verbrauch" zur Sphäre eines Verbrauchers geschieht auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit, s. oben, Teil C.II.3.a), S. 243 ff. 10 Zum umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsbegriff s. oben, Teil C.II.3.b), S. 245 ff., insb. C.II.3.b)bb), S. 251 ff. 11 s. oben, Teil B.III.2.a), S. 158 ff. 7
8
286
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Unter Gleichheitsgesichtspunkten ist es aus diesem Grunde zwingend, alle diese Verbraucher gleich hoch mit Umsatzsteuern zu belasten. Bedenkt man weiterhin, daß der Vermieter die Entscheidung über die Ausübung des Optionsrechts allein aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen trifft, die ausschließlich Aspekte seiner unternehmerischen Sphäre einbeziehen 12 , so wird erst recht deutlich, daß die Option des Vermieters auf die Höhe des jedem Endverbraucher individuell zuzurechnenden "Verbrauchs" keinen Einfluß haben darf. Denn die Fähigkeit eines Verbrauchers, Einkommensverwendungen zum Zwecke privater Bedürfnisbefriedigung vorzunehmen, bleibt durch Umstände oder Vorgänge in der Sphäre des Vermieters unberührt. Den durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. ungleich behandelten Verbrauchern nachfolgender Handelsstufen ist demnach unabhängig von der Optionsausübung durch den Vermieter der Leistungsfähigkeitsindikator "Verbrauch" jeweils in gleicher Höhe individuell zuzurechnen. Durch die Gewährung eines im Belieben des Vermieters stehenden Optionsrechts für Vermietungsumsätze, die an "ausschließlich" vorsteuerabzugsberechtigte Mieter ausgeführt werden, ist daher die Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatz steuerrecht nicht sichergestellt. 13 Denn die geschaffene Abhängigkeit der umsatzsteuerlichen Belastung der Endverbraucher von einem Drittverhalten verhindert die auf der Individualisierungsstufe zur Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit gebotene strikte Anlehnung an die individuellen Verhältnisse der Steuerträger. § 9 Abs. 2 UStG n.F. verstößt somit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG, soweit die Norm den Vermietern unternehmerisch genutzter Grundstücke noch immer ein Optionsrecht gewährt, und bedarf daher der Rechtfertigung.
11. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen in Abhängigkeit von der Optionsausübung 1. Rechtfertigungsanforderungen
a) Entsprechend der bereits an früherer Stelle 14 dargestellten Anforderungen an die Rechtfertigung gleichheitswidriger Ungleichbehandlungen ist hier nach einem sachgerechten bereichsspezifischen Grund solcher Art und solchen Gewichts zu suchen, daß die zu einem Systembruch hinsichtlich des Verbrauchsteuerprinzips führende Ungleichbehandlung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen durch Teichmann, StuW 1975, 189, 197. Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 G.4. Rz. 138; Söhn, StuW 1976, 1,20 (für umsatzsteuerrechtliche üptionsrechte allgemein); Teichmann, StuW 1975, 189, 197. 14 s. oben, Teil C.1.3., S. 187 ff., insb. C.I.3.b)cc)(3), S. 197 ff. 12
13
11. Rechtfertigung der optionsabhängigen Ungleichbehandlung der Verbraucher
287
§ 9 UStG dahinter zuriicktreten muß. Denn die Rechtfertigungspriifung ist der vorzugswürdigen Prüfungsmethode des Zweiten Senats 15 des Bundesveifassungsgerichts folgend nach einem einheitlichen Abwägungskonzept bezogen auf die Sachgerechtigkeit der Differenzierung vorzunehmen, dessen Extrempunkte einerseits das Willkürverbot 16 sowie andererseits die sogenannte "Neue Formel,"7 bilden. 18
Im Rahmen dieser Sachangemessenheitspriifung nähert sich das Maß der Rechtfertigungsanforderungen in Abhängigkeit von der Intensität der Wirkungen der Differenzierung jeweils dem einen oder anderen Extrempunkt an. Eine strenge Verhältnismäßigkeitspriifung unter Anwendung der "Neuen Formel" ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Ersten Senats 19 des Bundesveifassungsgerichts vor allem angezeigt, wenn sich das gewählte Differenzierungskriterium den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Differenzierungsverboten annähert, wenn die Art der vorgenommenen Differenzierung Freiheitsgrundrechte beeinträchtigt oder wenn die Möglichkeit der betroffenen Personen zur Beeinflussung der Verwirklichung des Differenzierungskriteriums gering ist. 2o b) Zwar könnte die Anwendbarkeit der Wertungen des Ersten Senats innerhalb des hier verwendeten Priifungskonzeptes des Zweiten Senats in diesem Fall zweifelhaft sein. Denn der Erste Senat des Bundesveifassungsgerichts bezieht seine ständige Rechtsprechung 21 , in welcher er eine um so strengere Rechtfertigung einer Differenzierung verlangt, je weniger die Betroffenen die Verwirklichung des Differenzierungskriteriums durch eigenes Verhalten beeinflussen können, ausschließlich auf verhaltensbezogene Differenzierungskriterien. Dabei läßt die zitierte Formel des Ersten Senats nicht unmittelbar erkennen, ob sie auch den hier gegebenen Fall einer Differenzierung nach dem Verhalten eines Dritten als Anwendungsfall erlaßt. Man mag zwar geneigt sein anzunehmen, es entspreche dem Sinn dieser Formel, die Rechtfertigungsanforderungen erst recht besonders hoch anzusiedeln, wenn die Verwirklichung des Differenzierungsmerkmales gänzlich außerhalb der Einflußsphäre der Betroffenen liegt. Das hier in Betracht kommende Dritt15 Zur Abgrenzung von Willkürverbot und neuer Fonnel durch den Zweiten Senat s. oben, Teil C.I.3.b)cc)(2), S. 195 f. 16 Zum Willkürverbot oben, Teil C.I.3.b)aa), S. 189 ff. 17 Zur "Neuen Fonnel" oben, Teil C.I.3.b)bb), S. 191 ff. 18 s. oben, Teil C.I.3.b)cc)(3), S. 197 f. 19 Zur Abgrenzung von Willkürverbot und neuer Fonnel durch den Ersten Senat s. oben, Teil C.I.3.b)cc)(l), S. 194 f. 20 s. oben, Teil C.1.3.b)cc)(3), S. 197 f. 21 BVerfG v. 26. 01. 1993 - 1 BvL 38, 40, 43/92 -, BVerfGE 88, 87, 96: "Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird."; BVerfG v. 08. 06. 1993 - 1 BvL 20/85 -, BVerfGE 89,15,22; BVerfG v. 08. 04. 1997 - 1 BvR 48/94 -, BVerfGE 95, 267, 316 - alle Entscheidungen unter Verweis auf BVerfG v. 07. 10. 1980 - 1 BvL 50, 89179, 1 BvR 240179 -, BVerfGE 55, 72, 89.
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
verhalten - die Optionsausübung durch den Vermieter - könnte aber ebensogut, aus der Sicht der ungleich behandelten Verbraucher betrachtet, nach dem Konzept des Ersten Senats lediglich als sachverhaltsbezogene Differenzierung gelten, so daß es auf die Möglichkeit zur Einflußnahme der Betroffenen auf die Verwirklichung der Differenzierungskriterien nicht ankäme. Allerdings sind diese Erwägungen im Ergebnis unerheblich, da die Qualität des Differenzierungsmerkmals "Ausübung der Option durch den Vermieter" hier irrelevant ist. Denn der Rechtfertigungsmaßstab soll im Rahmen dieser Untersuchung entsprechend dem Ansatz des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vielmehr unabhängig von der Art der Differenzierungskriterien (personen-, sachverhalts- oder verhaltensbezogen) bestimmt werden. 22 Entscheidend ist daher allein die Intensität der Differenzierungswirkungen. Diesbezüglich gilt jedoch, daß jede Differenzierung, die an Verhaltensweisen eines Dritten anknüpft, welche der Betroffene nicht zu beeinflussen vermag, als so schwerwiegend gelten muß, daß sie eine strikte Erhöhung der Rechtfertigungsanforderungen bewirkt. c) Bei der Bestimmung der Rechtfertigungsanforderungen für gleichheitswidrige Ungleichbehandlungen, die durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. hervorgerufen werden, erlangt somit auf Grund spezifischer Besonderheiten des § 9 Abs. 2 UStG das letztgenannte Merkmal zur Erhöhung der Rechtfertigungsanforderungen besondere Bedeutung. Denn einige 23 der durch diese Norm verursachten ungleich wirkenden Belastungen entstehen gerade dadurch, daß eine mit den von der ungleichen Belastung betroffenen Personen nicht identische Person einseitig eine Handlung vornimmt, welche die Ungleichbehandlung auslöst, ohne daß die betroffenen Personen eine Möglichkeit zur Einflußnahme haben. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts muß dieser Umstand zu einer deutlichen Erhöhung der Rechtfertigungsanforderungen führen. Im Falle der an dieser Stelle zu untersuchenden gleichheitswidrigen Ungleichbelastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen hängt die Höhe der steuerlichen Belastung der Verbraucher von der Ausübung des Optionsrechtes durch die an der zur Versorgung der Verbraucher führenden Leistungskette beteiligten Vermieter ab. Die Ausübung des Optionsrechts durch die Vermieter liegt dabei vollständig außerhalb des Einflußbereiches der Verbraucher. Damit verursacht die umsatzsteuerrechtliehe Differenzierung hier eine so wesentliche Ungleichbehandlung, daß unter Gerechtigkeitsaspekten eine zur strikten Anwendung der "Neuen Formel" führende Erhöhung der Rechtfertigungsanforderungen innerhalb des Abwägungskonzepts des Zweiten Senats zwingend geboten ist. Die Erhöhung der Rechtfertigungsanforderungen wiederum ist dadurch zu erreichen, daß zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ein solcher sachgerechter s. oben, Teil C.1.3.b)cc)(3), S. 197 f. Vgl. die auf der Ebene der Vermieter nach einer (einseitigen) optionsschädlichen Nutzungsänderung eintretende Ungleichbehandlung, unten Teile D.Y., S. 299 ff. und D.VI.I., S. 305 f. 22 23
11. 'Rechtfertigung der optionsabhängigen Ungleichbehandlung der Verbraucher
289
und sachbereichsspezifischer Grund gefordert wird, der nach seiner Art und seinem Gewicht die Ungleichbehandlung im Rahmen der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung deutlich überwiegt. Die den Gleichheitsverstoß begründende Feststellung, daß die Höhe der den Endverbraucher treffenden steuerlichen Belastungswirkung allein von einem Verhalten des Vermieters in bezug auf die Ausübung der Option abhängt, welches der Verbraucher nicht zu beeinflussen vermag, führt somit gleichzeitig zu einer deutlichen Verschärfung der Anforderungen an eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.
2. Keine Rechtfertigung durch einen wettbewerbsbezogenen Lenkungszweck
Auf der Grundlage des zweistufigen 24 Prüfungsmodells für die Verfassungsmäßigkeitsprüfung steuerrechtlicher Normen, welches auf Dieter Birk zurückgeht, kommt als Rechtfertigungsgrund für ungleiche Belastungswirkungen einer steuerrechtlichen Norm vor allem ein übergeordneter Lenkungszweck in Betracht. 25 Ein derartiger Lenkungszweck muß jedoch verfassungsrechtliches Gewicht haben, gerade auf das Auftreten bestimmter Gestaltungswirkungen abzielen und in der zu prüfenden Norm verkörpert sein (objektiver Zweck)?6 Durch die Schaffung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze gemäß § 9 UStG durch das UStG 1967 27 beabsichtigte der Gesetzgeber, den Vermietern unternehmerisch genutzter Grundstücke, deren Umsätze - wie auch sämtliche anderen Vermietungsumsätze - gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG 196728 grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit waren, die Möglichkeit einzuräumen, die bei der Vermietung an Unternehmer "infolge der Befreiung eintretende Kumulativwirkung,,29 zu vermeiden, da dies für die Vermieter "im Wettbewerb von Vorteil sein,,3o könne. Ein wesentliches subjektives Lenkungsziel des Gesetzgebers für die Schaffung des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze war demnach die wettbewerbs bezogene Privilegierung einer bestimmten Vermietergruppe.
s. oben, Teil B.II.2., S. 150 ff., insb. S. 151 f. Zur Möglichkeit der Rechtfertigung eines Gleichheitsverstoßes der Belastungswirkungen einer steuerrechtlichen Norm durch einen Lenkungszweck s. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 236 ff.; ders., Steuerrecht I, § 7 11.2., Rz. 21. 26 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 240. 27 BGBI. 1967 I, 545, 550. 28 BGBI. 1967 1,545,547. 29 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses v. 17. 03. 1967, zu BT-Drucks. V 11581, S. 12 (Einzelbegründung zu § 4 Nr. 12 UStG 1967). 30 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses v. 17. 03. 1967, zu BT-Drucks. V 11581, S. 13 (Einzelbegründung zu § 9 UStG 1967). 24
25
19 Löhr
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Da die Ausübung der Option durch einen berechtigten Vermieter auch auf der Grundlage der heutigen Gesetzesfassung tatsächlich zu einem Wettbewerbsvorteil des betreffenden Vermieters führt 31 , läßt sich dieser wettbewerbsbezogene Privilegierungszweck weiterhin als objektiver Lenkungszweck des § 9 UStG heutiger Fassung ansehen. Im Vergleich zum ursprünglichen Normzweck jedoch, welcher die Privilegierung sämtlicher Vermieter, die an Unternehmer vermieteten, einschloß, muß der objektive Lenkungszweck heute auf das Ziel zur wettbewerbsbezogenen Privilegierung derjenigen Vermieter, die ihre Vermietungsleistung an "ausschließlich" vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausführen, beschränkt werden. Zu prüfen ist demnach, ob dieser eingeschränkte objektive Lenkungszweck die Durchbrechung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips durch die optionsabhängige Ungleichbehandlung der Verbraucher nachfolgender Hande1sstufen im Rahmen einer strengen32 Verhältnismäßigkeitsabwägung zwischen Lenkungszweck und Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips deutlich überwiegt.
a) Geeignetheit eines Optionsrechts
Die Gewährung eines Optionsrechts müßte zunächst ein geeignetes Mittel zur Verwirklichung des wettbewerbsbezogenen Privilegierungsziels sein. Gegen die grundsätzliche Eignung eines Optionsrechts zur Verwirklichung des Privilegierungsziels spricht nicht, daß die Gewährung eines im Belieben der Begünstigten stehenden Optionsrechts prinzipiell keine strikte Wettbewerbsgleichheit zwischen den zu privilegierenden Wettbewerbern schafft, weil anzunehmen ist, daß - aus welchen Gründen auch immer - nicht sämtliche privilegierungswürdigen Unternehmer von der Option Gebrauch machen werden. Der Steuergesetzgeber muß zwar gerade im Umsatzsteuerrecht die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung und somit die Wettbewerbsgleichheit zwischen sämtlichen steuerpflichtigen Unternehmern gesetzlich absichern. 33 Im Bereich einer als solche gekennzeichneten Privilegierung jedoch ist die gesetzliche Sicherstellung der gruppenhomogenen bevorteilenden Behandlung nicht in strikter Weise nötig. Solange nur sämtliche Steuerpflichtige, die der zu privilegierenden Personengruppe angehören, die uneingeschränkte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der wettbewerbsbezogenen Privilegierung haben, ist auch die Gewährung eines steuerlichen Optionsrechts grundsätzlich zur Verwirklichung des Privilegierungsziels geeignet. Da diese zuletzt genannte Anforderung durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. erfüllt wird, ist die Einräumung eines Optionsrechts für Verrnietungsumsätze, die an vorsteuerabzugsberechtigte Mieter ausgeführt werden, zur Verwirklichung eines Lenkungs31 32
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Dazu oben, Teil A.I.2.b)bb), S. 49 f. Zur Höhe der Rechtfertigungsanforderungen s. zuvor Teil 0.11.1., S. 286 ff. s. nur TIpke, SteuRO 11, § 194., S. 929 f.
11. Rechtfertigung der optionsabhängigen Ungleichbehandlung der Verbraucher
291
ziels, welches die wettbewerbsbezogene Privilegierung der optionsberechtigten Vermieter bewirken soll, geeignet. In gleicher Weise zur Verwirklichung des Privilegierungsziels geeignet wäre jedoch auch eine Regelung, welche die Umsätze aus der Vermietung an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer im Gegensatz zu allen sonstigen Vermietungsumsätzen stets steuerpflichtig stellte.
b) Erforderlichkeit eines Optionsrechts
Ein Optionsrecht für Vermietungsumsätze, die an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausgeführt werden, kann weiterhin als erforderlich zur Verwirklichung des vermieterbezogenen Privilegierungszwecks angesehen werden. Zwar existiert, wie soeben dargestellt, eine gleich geeignete Regelungsalternative zur Einführung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze, die an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausgeführt werden. Allerdings läßt sich diese Alternative - also die Einführung genereller Steuerpflicht für die genannten Vermietungsumsätze - aus der Sicht der zu privilegierenden Vermieter wohl nicht als milderes Mittel ansehen.
c) Angemessenheit eines Options rechts
Die zur Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips führende Ungleichbehandlung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen ist indes nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Lenkungszweck zur wettbewerbsbezogenen Privilegierung options berechtigter Vermieter im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Abwägung als sachbereichsspezifischer Grund solcher Art und von solchem Gewicht darstellt, daß er den Gleichheitsverstoß deutlich 34 überwiegt. Dabei ist zunächst festzustellen, daß einem wettbewerbsbezogenen Privilegierungszweck an sich kein verfassungsrechtliches Gewicht beizumessen ist. Allein eine solche Privilegierung, mit der zugleich bestimmte wirtschaftsverfassungsrechtliche 35 Ziele verfolgt würden, käme als tauglicher Rechtfertigungsgrund in Betracht. Auf eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Notwendigkeit dieser Privilegierung wird allerdings seitens des Gesetzgebers nicht verwiesen. Es ist auch sonst kein Grund erkennbar, der die wettbewerbsbezogene Privilegierung optionsberechtigter Vermieter gegenüber anderen Vermietergruppen geboten erscheinen läßt.
Zur Höhe der Rechtfertigungsanforderungen s. zuvor Teil D.ll.l., S. 286 ff. Zu wirtschaftsverfassungsrechtlichen Lenkungszwecken als Rechtfertigungsgründe eines Verstoßes steuerlicher Be1astungswirkungen gegen das Leistungsflihigkeitsprinzip s. insb. Birk. Leistungsflihigkeitsprinzip, S. 245 ff. 34 35
19*
292
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Darüber hinaus ist der Lenkungszweck zur Privilegierung der optionsberechtigten Vermieter dem Leistungsfähigkeitsprinzip bereits in seiner abstrakten Wertigkeit deutlich unterlegen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist das grundlegende verfassungsrechtliche Lastenausteilungsprinzip 36 des Steuerrechts und somit gleichzeitig auch systemtragendes Prinzip des Umsatzsteuerrechts 37 • Als dem Leistungsfähigkeitsprinzip gleichrangig gelten kann im Umsatzsteuerrecht allenfalls das Gebot der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung hinsichtlich der Unternehmer in deren Eigenschaft als Steuerschuldner, welches ebenfalls ein aus Art. 3 Abs. I GG folgendes Gerechtigkeitsprinzip darstellt. 38 Dagegen ist die Gewährung umsatzsteuerrechtlich bedingter Wettbewerbsvorteile zugunsten bestiminter Unternehmer eine Durchbrechung des Prinzips der Wettbewerbsneutralität und bedürfte auch aus diesem Grunde einer besonderen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Demzufolge gebührt dem durch die Norm des § 9 UStG durchbrochenen Leistungsfähigkeitsprinzip hier wertungsmäßig der Vorrang vor dem wettbewerbsbezogenen Privilegierungszweck. Der angenommene Lenkungszweck vermag die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips infolge der Ungleichbelastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen somit nicht zu rechtfertigen.
3. Keine Rechtfertigung durch Ermöglichung systemkonsequenter umsatzsteuerrechtlicher Behandlung der Unternehmer
Die Durchbrechung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips durch die optionsabhängige Ungleichbelastung der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen kann weiterhin auch nicht dadurch abgemildert oder gar gerechtfertigt werden, daß die Ausübung des Optionsrechts gemäß § 9 UStG zur Verwirklichung einer systemkonsequenten umsatzsteuerlichen Behandlung der optierenden Vermieter beiträgt. Denn die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf der Stufe nachfolgender Verbraucher wird schon abstrakt betrachtet nicht dadurch akzeptabel, daß, wenn dies den optionsberechtigten Unternehmern behagt, mittels Option eine anderweitige Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf der Stufe dieser Unternehmer korrigiert werden kann. Darüber hinaus ist § 9 Abs. 2 UStG n.F. als steuerliches Wahlrecht noch nicht einmal geeignet, die systemkonsequente umsatzsteuerliche Behandlung sämtlicher Vermieter tatsächlich sicherzustellen. s. oben, Teil C.1I.1.b), S. 215 ff. s. oben, Teil C.II.2., S. 224 ff. 38 Zurn Prinzip der Wettbewerbsneutralität der Urnsatzsteuer als Forderung aus dern allgerneinen Gleichheitssatz: BVerfG v. 20. 12. 1966 - 1 BvR 320/57, 70/63 -, BVerfGE 21, 12, 28 ff.; Tipke, SteuRO 11, § 194., S. 929 f. 36
37
11. Rechtfertigung der optionsabhängigen Ungleichbehandlung der Verbraucher
293
Wie bereits an früherer Stelle dargestellt wurde 39 , wird das umsatzsteuerrechtliche Grundprinzip des Vorsteuerabzugs durch § 15 Abs. 2 UStG in verfassungswidriger Weise durchbrochen. Dieser Systemverstoß betrifft grundsätzlich auch Verrnietungsumsätze, die gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG umsatzsteuerbefreit sind. 4o Nach der Ausübung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze gemäß § 9 UStG durch einen berechtigten Vermieter wird nun zwar dieser Gleichheitsverstoß des § 15 Abs. 2 UStG im Einzelfall korrigiert, denn das umsatzsteuerrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet gerade eine derartige umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Vermieters, wie sie diesem nach Ausübung der Option zuteil wird. 41 Jedoch gibt § 9 UStG dem Vermieter ein Wahlrecht und stellt daher die Verwirklichung der Systemkonsequenz auf der Stufe der Vermieter ins Belieben der optionsberechtigten Vermieter selbst. Dies verhindert aber gerade die konsequente Durchsetzung von Systemgerechtigkeit. 42 Denn eine vollständig systemgerechte umsatzsteuerliche Behandlung der Vermieter in deren Eigenschaft als umsatzsteuerliche Unternehmer wäre nur dann gewährleistet, wenn ihnen stets ein Vorsteuerabzugsrecht zustünde. Demzufolge taugt § 9 UStG nicht zur konsequenten systemgerechten Beseitigung der durch § 15 Abs. 2 UStG verursachten Ung1eichbehandlung. Indem § 9 Abs. 2 UStG die Herstellung von Systemkonsequenz ins Belieben der optionsberechtigten Unternehmer stellt, verletzt die Norm vielmehr selbst die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein Steuergesetz als belastendes Eingriffsgesetz, welches in besonderem Maße der rechtsstaatlichen 43 Forderung nach Rechtssicherheit in Form von Vorhersehbarkeit, Meßbarkeit und Bestimmtheit der steuerlichen Belastung genügen muß. Die Eignung des § 9 UStG zur Beseitigung des durch § 15 Abs. 2 UStG hervorgerufenen Systembruchs im Einzelfall kann daher im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Abwägung zwischen dem Verstoß des § 9 UStG auf der Stufe der Endverbraucher und der systemausgleichenden Wirkung des § 9 UStG nicht als Grund solcher Art und von solchem Gewicht gelten, daß die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips deutlich dahinter zurücktritt.
s. oben, Teil B.I.2.e)cc)(2), S. 102 ff. s. dazu oben, Teil A.I.2.a), S. 44 ff. 41 Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Vermieter nach Ausübung der Option s. oben, Teil A.I.2.b), S. 46 ff. 42 Teichmann, Der Verlust des Vorsteuerabzugs im steuerfreien Bereich der Mehrwertsteuer, S. 114 f. - bezogen auf sämtliche Optionsrechte. 43 Zu den einzelnen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips (Forderung nach Rechtssicherheit) s. nur: Stern, in: Stern, Staatsrecht I, § 20 IV.4., S. 829 ff., insb. S. 839: "Bei belastenden Gesetzen ist das Bestimmtheitsgebot in Richtung auf Voraussehbarkeit, Meßbarkeit und Berechenbarkeit aus den Grundgedanken des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gesteigert"; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rnr. 122 ff., insb. 129. 39
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG 4. Ergebnis
Die in Abhängigkeit von der Ausübung des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts durch einen Vermieter entstehende ungleiche Belastung der Verbraucher, die auf nachfolgenden Handelsstufen Lieferungen oder Leistungen "ausschließlich" vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätiger Mieter entgegennehmen, ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. 44 Die Durchbrechung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips in Gestalt des Verbrauchsteuerprinzips, welche die Norm des § 9 UStG verursacht, indem sie die Entstehung dieser ungleichen Belastungswirkungen hervorruft, stellt daher eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG dar. § 9 Abs. 2 UStG n.P. ist somit aus diesem Grunde verfassungswidrig.
IH. Fixierung gleichheitswidriger Be- bzw. Entlastungswirkungen bei bestimmten Verbrauchern nachfolgender Handelsstufen durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG führt in der Sphäre der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen schließlich zum Auftreten weiterer, sowohl positiver als auch negativer Belastungswirkungen, indem sie bestimmte, bislang durch Ausübung des Optionsrechts durch die an der zur Versorgung der Verbraucher führenden Leistungskette beteiligten Vermieter vermeidbare Belastungssituationen einiger Verbraucher gesetzlich fixiert. 45 Das Auftreten dieser Wirkungen verursacht eine ungleiche Behandlung der betroffenen Verbraucher im Vergleich zu Verbrauchern, deren Belastung auch weiterhin durch eine Option der Vermieter beeinflußt werden kann.
1. Vergleichsmaßstab
Als Vergleichsmaßstab für die festzustellende Ungleichbehandlung dienen die Leistungsketten, in denen nach der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG das Optionsrecht der Vermieter noch besteht. Auszugehen ist daher davon, daß Verbraucher, die Waren oder Dienstleistungen von "ausschließlich,,46 vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern (Mietern) beziehen, in Abhängigkeit von der Ausübung der Op44 Ebenso: Reiß, in: Tipke/Lang, § 14 G.4. Rz. 138; ders., UR 1993,213,216 (bezogen auf den Fall der Vennietung an steuerfrei liefernde Unternehmer, für den nur bis zum Inkrafttreten des StMBG die Option noch zulässig war); Söhn, StuW 1976, 1,20 (für umsatzsteuerrechtliche Optionsrechte allgemein, ohne konkreten Bezug zu § 9 UStG); Teichmann, StuW 1975, 189, 197. 45 s. oben, Teil B.III.2.b), S. 164 f. 46 Zur Reduktion der "Ausschließlichkeitsklausel" bei Anwendung von Abschn. 148a Abs. 3 UStR 2000 s. oben, Teil A.I.l.b)dd), S. 39 f.
111. Fixierung gleichheits widriger Be- bzw. Entlastungswirkungen
295
tion durch den Vermieter verschieden belastet werden. Optiert der Vermieter, so tragen die Verbraucher nachfolgender Handelsstufen die Umsatzsteuer auf die Summe der vermietungsbezogenen Vorumsätze zu deren Nettobetrag sowie den von Vermieter und Mieter geschaffenen Mehrwerten. 47 Optiert der Vermieter dagegen nicht zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes, erhöht sich dieser Betrag noch um die Umsatzsteuer auf die vom Vermieter in Anspruch genommenen Vorumsätze (beim Vermieter nicht abziehbare Vorsteuerbeträge) und um den Kumulationsbetrag der Umsatzsteuer, der sich aus der Erhebung der Umsatzsteuer bei der Lieferung oder Leistung des Mieters an den Verbraucher auf die überwälzten Vorsteuerbeträge ergibt. 48
2. Privilegierung bestimmter Verbraucher
Demgegenüber führt die Aufhebung des umsatzsteuerlichen Optionsrechts für Umsätze aus der Vermietung an nicht "ausschließlich" vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer dazu, daß Verbraucher auf nachfolgenden Verbrauchsstufen in denjenigen Leistungsketten, in denen als Mieter ein vollständig nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer oder ein teilweise vorsteuerabzugsberechtigt tätiger Unternehmer, dessen Anteil vorsteuerabzugsschädlicher Umsätze an seinem Gesamtumsatz 5 % übersteigt und der zugleich an den konkreten Verbraucher einen steuerfreien Umsatz ausführt, beteiligt ist, nunmehr stets den geringsten Umsatzsteuerbetrag im Verhältnis zu allen Verbrauchern überhaupt tragen müssen, die Waren oder Dienstleistungen von einem Unternehmer beziehen, welcher zugleich Mieter innerhalb der zur Versorgung der Verbraucher führenden Leistungskette ist. Denn diese (privilegierten) Verbraucher werden jetzt stets ausschließlich mit der Umsatzsteuer auf die vom Vermieter erworbenen vermietungsbezogenen Vorumsätze belastet. 49
3. Benachteiligung bestimmter Verbraucher
In den Leistungsketten schließlich, in denen der beteiligte Mieter vorsteuerabzugsschädliche Umsätze in Höhe von mehr als 5 % gemessen an seinem Gesamtumsatz ausführt und zugleich im konkreten Fall an den Verbraucher steuerpflichtig liefert oder leistet, führt die Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG durch die Versagung des Optionsrechts des Vermieters zu einer erkennbaren Schlechterstellung der betroffenen Verbraucher im Verhältnis zu allen übrigen Verbrauchern in den betrachteten Leistungsketten. Denn die umsatzsteuerliche Belastung der Verbraucher umfaßt in diesen Fällen nunmehr stets die Steuer auf die Summe aus den vermietungs47 48 49
Dazu oben, Teil B.III.2.a)aa), S. 159 f. Dazu oben, Teil B.III.2.a)aa), S. 159 f. Genauer oben, Teil B.III.2.a)bb) und ce), S. 161 f., S. 163 f.
296
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
bezogenen Vorumsätzen zu deren Nettobetrag und den von Vermieter und Mieter geschaffenen Mehrwerten, die bei dem Vermieter nicht abzugsfähigen Vorsteuerbeträge auf vermietungsbezogene Vorumsätze sowie den Kumulationsbetrag der Umsatzsteuer auf diese Vorsteuerbeträge. 50 Die Verbraucher tragen hier also künftig unausweichlich die höchstmögliche der innerhalb aller denkbaren Leistungsketten auftretenden Belastungen. Sie werden somit durch die gesetzliche Regelung gegenüber sämtlichen anderen Verbrauchern benachteiligt.
4. Ergebnis
Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG führt damit sowohl zu einer deutlichen Privilegierung als auch zu einer erheblichen Benachteiligung bestimmter Verbraucher, die innerhalb einer Leistungskette Waren oder Dienstleistungen von einem nicht "ausschließlich" vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer erwerben, welcher zugleich Mieter seines unternehmerisch genutzten Grundstücks ist. Diese privilegierende bzw. benachteiligende Ungleichbehandlung bestimmter Verbraucher widerspricht dem allgemeinen Gleichheitssatz in dessen steuerlicher Ausprägung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip. Denn der Vergleich der Belastungen der Verbraucher in den verschiedenen Leistungsketten beruhte wiederum auf der Prämisse, daß sämtliche Verbraucher Einkommensverwendungen vornehmen, deren Höhe ohne Berücksichtigung der sich aus dem Umsatzsteuerrecht ergebenden Preisauswirkungen identisch iSt. 51 Den verschiedenen Verbrauchern sollte also jeweils der Leistungsfähigkeitsindikator "Verbrauch" in gleicher Höhe individuell zugerechnet werden können.
IV. Rechtfertigung der Fixierung gleichheitswidriger Be- bzw. Entlastungswirkungen bei bestimmten Verbrauchern durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG Die soeben festgestellte systemwidrige Ungleichbehandlung durch die Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. auf der Stufe nachfolgender Verbraucher läßt sich indes rechtfertigen, soweit die Neufassung der Norm ungleiche Belastungswirkungen in Gestalt einer Privilegierung bestimmter Verbraucher hervorruft. Soweit hingegen das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip in Gestalt des umsatzsteuerrechtlichen Verbrauchsteuerprinzips durchbrochen wird, indem Verbraucher durch den Fortfall des üptionsrechts bestimmter Vermieter benachteiligt
50 s. oben, Teil B.III.2.a)cc), S. 163 f. i.Y.m. Teil B.III.2.a)aa), S. 159 ff. (Fallgruppe: steuerpflichtiger Umsatz des gemischt tätigen Mieters ohne Ausübung der Option durch den Vermieter). 51 s. oben, Teil B.III.2.a), S. 159 ff.
IV. Rechtfertigung der Fixierung von Be- bzw. Entlastungswirkungen
297
werden, scheidet eine Rechtfertigung aus. § 9 Abs. 2 UStG n.F. entfaltet daher insoweit verfassungswidrige Belastungswirkungen.
1. Rechtfertigung der privilegierenden Ungleichbehandlung
Wie gezeigtS2 , werden Verbraucher, die steuerfreie Lieferungen oder Leistungen von unternehmerisch tätigen Mietern entgegennehmen, die im Rahmen ihres Unternehmens vorsteuerabzugsschädliche Umsätze im Umfang von mehr als 5 % gemessen an ihrem Gesamtumsatz ausführen, durch die Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG im Vergleich zu sämtlichen anderen Verbrauchern, die Lieferungen oder Leistungen von Unternehmern entgegennehmen, die gleichfalls nur Mieter ihrer Geschäftsräume sind, umsatzsteuerlich entlastet. Diese systemwidrige Privilegierung bestimmter Verbraucher läßt sich jedoch in der Regel durch überragende Lenkungsziele rechtfertigen. Denn nach der Beseitigung des Optionsrechts für Verrnietungsumsätze, die an ganz oder teilweise vorsteuerabzugsschädlich tätige Unternehmer ausgeführt werden, profitieren die betreffenden Verbraucher nachfolgender Handelsstufen lediglich uneingeschränkt von der Steuerbefreiung der Umsätze des Mieters durch § 4 UStG. Dies ist aber gerade das Ziel der Mehrzahl der Steuerbefreiungsnormen des § 4 UStG, denn diese Vorschriften sind Ausdruck vielfältiger wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischer Lenkungszwecke, die sämtlich eine umsatzsteuerliche Entlastung der Verbraucher geboten erscheinen lassen. Die dabei in Betracht kommenden Lenkungszwecke sind Ausdruck des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips und können daher die Durchbrechung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfahigkeitsprinzips überwiegen. Welchen Umfang eine Entlastung der Verbraucher haben sollte, die auf Grund politischer Lenkungsziele geboten erscheint, ist zugleich ebenfalls eine politische Entscheidung. Daher kann eine Rechtfertigung der dargestellten Privilegierung der Verbraucher nicht wegen des ungewöhnlichen Umfangs der Entlastung abgelehnt werden.
2. Keine Rechtfertigung der benachteiligenden Ungleichbehandlung
Demgegenüber kommt eine Rechtfertigung der benachteiligenden Ungleichbehandiung S3 derjenigen Verbraucher, die steuerpflichtige Lieferungen oder Leistungen von unternehmerisch tätigen Mietern entgegennehmen, die vorsteuerabzugsschädliche Umsätze im Umfang von mehr als 5 % gemessen an ihrem Gesamtumsatz ausführen, nicht in Betracht. 52 53
s. soeben Teil D.III.2., S. 295. Zur Benachteiligung der betreffenden Verbraucher s. Teil D.III.3., S. 295.
298
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Zur Rechtfertigung der festgestellten Ung1eichbehandlung bedürfte es eines sachgerechten, bereichsspezifischen Differenzierungsgrundes solcher Art und solchen Gewichts, daß die durch die Ungleichbehandlung verursachte Durchbrechung des Verbrauchsteuerprinzips dahinter zuriicktreten muß. Unabhängig von dem anzulegenden Maß der Rechtfertigungsanforderungen 54 innerhalb der vorzunehmenden Sachangemessenheitspriifung kommt dabei als Rechtfertigungsgrund für diesen Gleichheitsverstoß einer steuerrechtlichen Regelung vor allem ein übergeordneter Lenkungszweck 55 in Gestalt eines objektiven Lenkungszweckes von Verfassungsrang56 in Betracht. Ein derartiger Differenzierungsgrund ist hier indes nicht ersichtlich. So läßt insbesondere die Gesetzesbegriindung57 zur Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG nicht erkennen, daß der Gesetzgeber des StMBG die Möglichkeit der Sch1echterstellung einiger Verbraucher durch den Entzug des Optionsrechts bestimmter Vermieter überhaupt in Betracht gezogen hat. Auch objektive Griinde für eine solche SchlechtersteIlung lassen sich nicht finden. Zwar nehmen die Verbraucher in den hier betrachteten Leistungsketten steuerpflichtige Lieferungen oder Leistungen der Mieter entgegen, so daß - anders als im Falle der ungleich privilegierten Verbraucher - eine gewisse, unter Umständen auch höhere umsatzsteuerliche Belastung der betreffenden Verbraucher legitim erscheinen mag. Warum deren Belastung jedoch auf das innerhalb aller zu untersuchenden Leistungsketten höchstmögliche Maß fixiert bleiben muß, ist nicht plausibel. Denn die Art der sonstigen Umsätze, die der Mieter im Rahmen seines Unternehmens ausführt, ist kein Kriterium, welches die umsatz steuerliche Leistungsfähigkeit der Verbraucher in irgendeiner Weise beeinflußt. Demzufolge darf die Höhe der umsatzsteuerlichen Belastung der Verbraucher ohne weitere bedeutende - hier jedoch nicht erkennbare - Griinde nicht davon abhängen, in welchem Verhältnis die zum Vorsteuerabzug berechtigenden und die vorsteuerabzugsschädlichen Umsätze des Mieters zueinander stehen.
3. Ergebnis
Die Aufhebung des umsatzsteuerlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze, die an nicht ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt tätige Unternehmer ausgeführt werden, durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG führt grundsätzlich insoweit zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG in dessen steu54 Zur Bestimmung der Rechtfertigungsanforderungen s. oben, Teil C.I.3., S. 187 ff., insb. Teil C.1.3.b)cc)(3), S. 197 f. 55 Birk, Leistungsfahigkeitsprinzip, S. 236 ff.; s. oben, Teil B.II.2., S. 150 ff., insb. S. 152 ff. 56 Birk, Leistungsfahigkeitsprinzip, S. 240. 57 BT-Drucks. 12/5630, S. 87.
V. Ungleichbehandlung durch optionsschädliche Nutzungsänderungen
299
erlicher Konkretisierung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip, als Verbraucher ungleich höher umsatz steuerlich belastet zu werden, die steuerpflichtige Lieferungen oder Leistungen von Mietern entgegennehmen, welche in ihrem Unternehmen zugleich vorsteuerabzugsschädliche Umsätze im Umfang von über 5 % gemessen an ihrem Gesamtumsatz ausführen. Die Neufassung der Norm ist daher in Bezug auf die durch sie verursachte benachteiligende Ungleichbehandlung bestimmter Verbraucher verfassungswidrig. Hingegen kann die infolge der Neuregelung eintretende Privilegierung von Verbrauchern, die steuerfreie Lieferungen oder Leistungen von derartigen Unternehmern empfangen, regelmäßig durch einen in § 4 UStG zum Ausdruck kommenden, das Leistungsfähigkeitsprinzip überwiegenden sozial staatlichen Lenkungszweck gerechtfertigt werden.
V. Ungleichbehandlung der Vermieter durch Ermöglichung optionsschädlicher Nutzungsänderungen
Wie bereits gezeigt58 , läßt § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung des Art. 20 Nr. 9 StMBG das Auftreten optionsschädlicher Nutzungsänderungen zu. Infolge einer optionsschädlichen Nutzungsänderung entstehen in der Sphäre eines betroffenen Vermieters erhebliche steuerliche Belastungswirkungen. 59 Darin könnte gleichfalls eine Durchbrechung des umsatzsteuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips liegen.
1. Systemfremde Belastung des Vermieters infolge optionsschädlicher Nutzungsänderung
Nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung eines Mieters treffen den Vermieter erhebliche Belastungswirkungen durch die nach § 15a UStG entstehende Pflicht zur zeitanteiligen Berichtigung bereits abgezogener Vorsteuern sowie durch den künftigen Verlust des Vorsteuerabzugsrechts für den Zeitraum, in welchem das Mietverhältnis nach der optionsschädlichen Nutzungsänderung gewollt oder ungewollt aufrechterhalten wird. 60 Diese Belastungswirkungen sind hier unabhängig davon als verfassungsrechtlich relevante Wirkungen des § 9 Abs. 2 UStG in der Sphäre des Vermieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung zu begutachten, ob dem Vermieter infolge des Eintritts dieser Wirkungen ein zivilrechtlieher Ausgleichsanspruch gegen seinen Mieter entsteht. 61
58 59
60 6\
s. oben, Teil A.II., S. 51 ff. Dazu oben, Teil B.III.!., S. ISS ff. s. oben, Teile A.II., S. 51 ff. sowie B.III.!., S. ISS ff. Dazu oben, Teil B.II!.!., S. ISS ff.
300
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Das Leistungsfähigkeitsprinzip fordert indes, daß einen Vennieter in dessen Funktion als umsatzsteuerrechtlichem Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG überhaupt keine steuerlichen Belastungswirkungen treffen. Denn sämtliche Einkommensverwendungen der Unternehmer zu unternehmerischen Zwecken müssen als erwerbssichernde Aufwendungen umsatzsteuerlich unbelastet bleiben, da sie nicht Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit sind. 62 Daher bedeutet das Entstehen steuerlicher Belastungswirkungen in der Sphäre des Vennieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung einen Systembruch des Umsatzsteuerrechts und somit einen Verstoß gegen das Verbrauchsteuerprinzip. Wie zu zeigen sein wird 63 , handelt es sich bei der nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung eintretenden systemfremden Belastung eines betroffenen Vermieters um eine solche, die nicht bereits allein durch die ohnehin bestehende und im Rahmen dieser Untersuchung hingenommene Systemverletzung des § 15 Abs. 2 UStG verursacht wird. § 9 Abs. 2 UStG n.F. bewirkt somit möglicherweise auch durch die Schaffung der Möglichkeit zur optionsschädlichen Nutzungsänderung einen eigenständigen Verfassungsverstoß. Allerdings wäre ein derartiger Systembruch dann ausgeschlossen, wenn die optionsschädliche Nutzungsänderung eines Mieters die Situation in der Sphäre des betroffenen Vennieters derart veränderte, daß dessen vermietungsbezogene Einkommensverwendungen nunmehr Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind. Zu untersuchen ist daher im folgenden, ob die Art der Nutzung der Mietsache durch den Mieter derartige Auswirkungen auf die steuerliche Leistungsfähigkeit des Vennieters entfalten kann.
2. Art der Nutzung der Mietsache durch den Mieter oder Endnutzer kein Indiz wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Vermieters
Legte man die steuertechnische Behandlung eines Vermieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit dieses Vennieters zugrunde, so müßte man annehmen, der Vermieter demonstriere nunmehr - bei der Anwendung des § 15a UStG sogar rückwirkend - durch die Vornahme vennietungsbezogener Einkommensverwendungen steuerliche Leistungsfähigkeit, weil ihm für diese Umsätze kein Vorsteuerabzugsrecht mehr zusteht. Denn steuertechnisch sollte der Leistungsfähigkeitsindikator "Verbrauch" im Sinne der hier verwendeten Verbrauchsdefinition 64 im geltenden System der All-PhasenNetto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug idealerweise stets dadurch abgebildet werden, daß eine Person die im Preis einer Ware oder Dienstleistung enthaltene Umsatzsteuer zahlt, ohne selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. 65 62 63
64
s. oben, Teil c.n.3.b )cc)(I), S. 258 ff. s. unten, Teil D.Y.3., S. 302 f. Zur Verbrauchsdefinition oben, Teil C.II.3.b), S. 245 ff.
V. Ungleichbehandlung durch optionsschädliche Nutzungsänderungen
301
Auf die steuertechnische Behandlung des Vermieters durch das geltende Umsatzsteuergesetz kann es indes zur Ermittlung von dessen steuerlicher Leistungsfähigkeit nicht ankommen, denn die steuertechnische Gestaltung hat lediglich den Zweck, tatsächliche Verhältnisse möglichst zutreffend abzubilden. Keinesfalls werden durch eine bestimmte steuertechnische Behandlung hingegen tatsächliche Verhältnisse definiert. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob ein Vermieter infolge einer optionsschädlichen Nutzungsänderung im umsatzsteuerlichen Sinne leistungsfähig wird, ist vielmehr allein, ob sich die Qualität der von dem Verlust des Vorsteuerabzugsrechts betroffenen Einkommensverwendungen des Vermieters, also die Qualität der vermietungsbezogenen Vorumsätze, in Abhängigkeit von der Art der tatsächlichen Nutzung der Mieträume durch den Mieter oder den Nutzer der Endstufe ändert. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn unabhängig von der Ausübung und darüber hinaus auch unabhängig vom Fortbestehen der Option gemäß § 9 UStG verwendet der Vermieter im Rahmen vermietungsbezogener Vorumsätze sein Einkommen stets zu dem Zweck, seine Vermietungsleistung zu ermöglichen oder fortzuführen. Weder die Person des Mieters oder Endnutzers noch deren spezifische Art der Nutzung des Mietgrundstücks beeinflußt diese Absicht des Vermieters bei der Einkommensverwendung. Auch eine optionsschädliche Nutzungsänderung ist daher für die Absicht des Vermieters, erworbene Güter oder Leistungen in das Mietobjekt zu investieren, irrelevant. Besonders deutlich wird dies an den nach der Nutzungsänderung gemäß § ISa UStG zu berichtigenden Vorsteuerbeträgen. Die Investition der später von der Berichtigungspflicht betroffenen Leistungen oder Güter in das Mietobjekt kann der Vermieter gar nicht mehr rückgängig machen, die frühere Einkommensverwendung beim Erwerb dieser Güter oder Leistungen bleibt in jedem Falle eine unternehmerische Investition. Demnach bleiben die Einkommensverwendungen des Vermieters im Rahmen vermietungsbezogener Vorumsätze auch nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung stets erwerbssichernde Aufwendungen. Als solche sind sie jedoch nicht Ausdruck einer umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeit des Vermieters, weil diesen Einkommensverwendungen das subjektive Merkmal66 des umsatzsteuerlichen Leistungsfähigkeitsindikators "Verbrauch" fehlt. Die Art der tatsächlichen Nutzung des Mietgrundstücks durch den Mieter ist also kein Kriterium, welches die umsatzsteuerliche Leistungsfähigkeit eines Vermieters beeinflußt. Das Entstehen steuerlicher Belastungswirkungen in der Sphäre des Vermieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung stellt somit einen Systembruch im Umsatzsteuerrecht dar.
65 66
s. oben, Teil C.II.3.d)bb), S. 274 ff. Zum subjektiven Merkmal des Verbrauchsbegriffs oben, Teil C.II.3.b)cc), S. 258 ff.
302
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
3. Keine Vergleichbarkeit der Belastungswirkungen nach optionsschädlicher Nutzungsänderung mit der Belastungssituation ohne Ausübung der Option
Die nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung eines unternehmerisch tätigen Mieters eintretende Belastungswirkung in der Sphäre des betroffenen Vermieters beruht schließlich nicht lediglich auf dem bereits durch § 15 Abs. 2 UStG verursachten Verfassungsverstoß. Vielmehr schafft § 9 Abs. 2 UStG n.F. durch die Ermöglichung optionsschädlicher Nutzungsänderungen die Voraussetzung für eine darüber hinausgehende Durchbrechung des Verbrauchsteuerprinzips. Man könnte zwar zunächst daran denken anzunehmen, der Vermieter werde nach dem Fortfall der Optionsmöglichkeit infolge der Nutzungsänderung wirtschaftlich lediglich so gestellt, wie er ohne Ausübung der Option, also in seiner umsatzsteuertechnischen "Normalsituation" als Steuerschuldner, ohnehin stünde. Ware dies der Fall, so konkretisierte sich nach einer options schädlichen Nutzungsänderung in der Person des Vermieters tatsächlich lediglich wiederum der durch § 15 Abs. 2 UStG verursachte Verfassungsverstoß. Da im Rahmen dieser Untersuchung jedoch der durch § 15 Abs. 2 UStG bewirkte Systembruch hingenommen werden so1l67, ließe sich in diesem Fall keine weitere eigenständige Verletzung des Gleichheitssatzes durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. feststellen. Die Annahme, der Vermieter werde nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung lediglich in gleicher Weise umsatzsteuerlich belastet wie ohne Ausübung seines Optionsrechts, ist jedoch unzutreffend. Denn es läßt sich beobachten, daß die nach einer options schädlichen Nutzungsänderung bei dem betroffenen Vermieter eintretenden Belastungen weitaus höher sind als in einem vergleichbaren Sachverhalt, für den die Option gar nicht erst ausgeübt wurde. Wegen der (unechten) Befreiung des Vermietungsumsatzes gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG und des damit verbundenen Vorsteuerabzugsverbots gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG trägt der Vermieter, der ein bestehendes Optionsrecht nicht ausübt, wirtschaftlich nur die Vorsteuerbeträge auf erwerbssichernde Vorumsätze wie ein Steuerträger, deren verdeckte Überwälzung im Mietzins ihm nicht gelingt. Geht man davon aus, daß die Überwälzung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge auf Grund der "Ausschaltungsgefahr,,68 vor allem dann scheitern kann, wenn der Mieter seinerseits vorsteuerabzugsberechtigt ist, so ist demnach die steuerliche Belastung des "normal" besteuerten Vermieters tendenziell dann am höchsten, wenn er die Chance hat, sie durch Ausübung des Optionsrechts gemäß § 9 UStG vollständig zu vermeiden. 69 Kalkuliert aber der Vermieter auf Grund der Entscheidung, nicht zur Regelbesteuerung des Vermietungsumsatzes zu optieren, den Mietzins von vornherein unter Beriicksichtigung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge auf ver67
68 69
s. oben, Teil A.1.2.b)bb), S. 49 f., Teil B.III.2., S. 157 ff. Zur Ausschaltungsgefahr oben, Teil A.I.2.a)bb), S. 45. Zur Vermeidung wirtschaftlicher Belastung mittels Option s. oben, Teil A.I.2.b), S. 46 ff.
V. Ungleichbehandlung durch optionsschädliche Nutzungsänderungen
303
mietungsbezogene Vorumsätze, hat er zumindest eine Chance, das Auftreten einer bleibenden steuerlichen Belastung mit diesen Vorsteuern durch (verdeckte) Überwälzung zu vermeiden. Hatte der Vermieter dagegen zunächst gemäß § 9 UStG zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes optiert, so ist davon auszugehen, daß er den Mietzins unter der Annahme seiner Vorsteuerabzugsberechtigung hinsichtlich vermietungsbezogener Vorumsätze kalkuliert hat. Eine verdeckte Überwälzung derartiger Vorsteuerbeträge dürfte er demnach nicht als notwendig erachtet und daher nicht versucht haben. Entfällt in dieser Situation jedoch das Optionsrecht nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters, trifft den Vermieter eine Belastung, die sowohl die (gegebenenfalls) gemäß § ISa UStG zu berichtigenden Vorsteuerbeträge auf bereits in Anspruch genommene vermietungsbezogene Vorumsätze als auch alle weiteren Vorsteuern auf künftig - während der Dauer des Mietverhältnisses mit dem die optionsschädliche Nutzungsänderung herbeiführenden Mieter - beanspruchte vermietungsbezogene Vorumsätze umfaßt. Diese Belastung ist unabhängig davon als verfassungsrechtlich relevante steuerliche Belastungswirkung einer optionsschädlichen Nutzungsänderung zu Lasten des Vermieters anzusehen, ob dem Vermieter gegen seinen Mieter gerade wegen des Eintritts dieser Folgen ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch zusteht. 7o Es zeigt sich somit deutlich, daß der Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung erheblich stärker belastet wird, als wenn er sein Optionsrecht gemäß § 9 UStG von vornherein nicht ausgeübt hätte. Die nach einer options schädlichen Nutzungsänderung bei einem Vermieter eintretenden Belastungswirkungen sind daher in der Regel bedeutend höher als diejenigen Belastungswirkungen, die einen optionsberechtigten Vermieter treffen, welcher von vornherein auf die Ausübung des Optionsrechts verzichtet hat. Soweit also einem Vermieter im Falle des Verzichts auf die Ausübung des Optionsrechts die verdeckte Überwälzung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge auf vermietungsbezogene Vorumsätze auf den Mieter hätte gelingen können, wirkt dessen Option bei gleichzeitiger Kalkulation des Mietzinses unter der Annahme eigener Vorsteuerabzugsberechtigung gefahrerhöhend in bezug auf den Eintritt steuerlicher Belastungswirkungen nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung durch den Mieter.
4. Ungleich behandlung rechtlich gleicher Personen und Sachverhalte
Aus diesen Überlegungen folgt schließlich, daß das systemwidrige Auftreten umsatzsteuerlicher Belastungen in der Sphäre eines Vermieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung zur Ungleichbehandlung von Personengruppen 70
Dazu oben, Teil B.III.l., S. 155 ff.
304
D. Prüfung der Be1astungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
und Sachverhalten führt, deren Gleichbehandlung das umsatzsteuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet. a) Vergleicht man zunächst unter der Voraussetzung, daß die Option gemäß § 9 UStG jeweils ausgeübt wurde, einen Vermieter, dessen Mieter in dem Mietobjekt zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze ausführt, mit einem Vermieter, dessen Mieter in den Mieträumen anders als zum Optionszeitpunkt nicht mehr ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze ausführt, so ist festzustellen, daß diese Vermieter umsatzsteuerlich verschieden behandelt werden, obwohl sie in bezug auf ihre steuerliche Leistungsfähigkeit rechtlich als "gleich" anzusehen sind. Denn derjenige Vermieter, dessen Mieter die Mieträume später optionsschädlich nutzt, wird nunmehr umsatzsteuerlich belastet, obwohl durch die options schädliche Nutzungsänderung keine diese Belastung rechtfertigende umsatzsteuerliche Leistungsfähigkeit in dessen Person entsteht. Es entsteht in folge der optionsschädlichen Nutzungsänderung daher eine Ungleichbehandlung rechtlich als "gleich" anzusehender Personen. b) Darüber hinaus läßt sich auch allein in der Sphäre nur eines optionsberechtigten Vermieters feststellen, daß derselbe Vermieter vor und nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung seines Mieters in Abhängigkeit von der Art der Nutzung der Mietsache durch den Mieter in zwei rechtlich auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips als gleich anzusehenden Belastungssituationen umsatzsteuerlich ungleich behandelt wird. Die Fiktion steuerlicher Leistungsfähigkeit eines Vermieters durch die steuertechnische Behandlung des Vermieters nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung führt also zusätzlich zur Ungleichbehandlung zweier rechtlich gleicher Sachverhalte. Die Abhängigkeit der umsatzsteuerlichen Behandlung des Vermieters von der Art der Tätigkeit seines unternehmerisch tätigen Mieters gemäß § 9 Abs. 2 UStG n.F. führt also in doppelter Hinsicht, nämlich sowohl in bezug auf verschiedene Personen als auch in bezug auf verschiedene Sachverhalte, zu einer Durchbrechung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips.
5. Ergebnis
§ 9 Abs. 2 UStG in seiner Fassung durch Art. 20 Nr. 9 StMBG führt durch die Anknüpfung der Optionsvoraussetzungen an die Art der tatsächlichen Nutzung der Mietsache durch einen unternehmerisch tätigen Mieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung des Mieters zum Auftreten umsatzsteuerlicher Belastungswirkungen in der Person des optionsberechtigten Vermieters, die den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips widersprechen.
Einerseits wird der betroffene Vermieter im Vergleich zu anderen Vermietern, die ebenfalls an vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätige Mieter vermieten, steuerrechtlich ungleich behandelt, obwohl sämtliche Vermieter aus rechtli-
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
305
cher Sicht unter Heranziehung des Vergleichsmaßstabs "Verbrauch" als Indikator umsatzsteuerrechtlicher Leistungsfähigkeit als "gleich" zu gelten haben. Andererseits führt die Norm darüber hinaus auch zu einer sachverhaltsbezogenen differenzierenden steuerlichen Behandlung desselben Vermieters in Abhängigkeit von der Tätigkeit seines Mieters in den Mieträumen, ohne daß die Art der Nutzung der Mietsache durch den Mieter einen Einfluß auf die steuerliche Leistungsfähigkeit des Vermieters hat. Daher durchbricht § 9 Abs. 2 UStG n.F. auch dadurch, daß er das Auftreten optionsschädlicher Nutzungsänderungen ermöglicht, den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in dessen steuerrechtlicher Konkretisierung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist indes nur dann gegeben, wenn die durch § 9 Abs. 2 UStG hervorgerufenen Ungleichbehandlungen in der Sphäre der Vermieter von Unternehmensgrundstücken nicht gerechtfertigt werden können?1
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen der Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung Indem § 9 Abs. 2 UStG n.F. das Auftreten optionsschädlicher Nutzungsänderungen ermöglicht, verursacht die Norm in doppelter Hinsicht eine systemwidrige Ungleichbehandlung betroffener Vermieter. 72 Die betroffenen Vermieter werden trotz gleichbleibender Funktion als umsatzsteuerrechtliehe Unternehmer einerseits nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung ihrer Mieter mit einer erhöhten, nicht verdeckt überwälzbaren finanziellen Folge belastet und dadurch im Verhältnis zu anderen Vermietern, die gleichfalls an ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt tätige Mieter vermietet hatten, ungleich behandelt. Andererseits schafft § 9 Abs. 2 UStG n.F. auf diese Weise eine Abhängigkeit der Optionsmöglichkeit der Vermieter von der Art der unternehmerischen Nutzung des Mietobjektes durch die Mieter und damit eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung. Zu untersuchen ist im folgenden, ob für diese Ungleichbehandlungen ein Rechtfertigungsgrund existiert.
1. Rechtfertigungsanforderungen
Auf der Grundlage des vorzugswürdigen 73 Prüfungskonzeptes des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Rechtfertigungsprüfung als einheitliche Prüfung der Sachangemessenheit einer Differenzierung vorzunehmen 71 Zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlungen sogleich Teil D.VI. s. soeben Teil D.Y., S. 299 ff. 73 Zur Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Prüfungskonzepten der verschiedenen Senate des Bundesverfassungsgerichts s. oben, Teil C.I.3.b)cc)(3), S. 197 f. 72
20 Löhr
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
ist74 , folgt auch für die festgestellte vermieterbezogene steuerliche Ungleichbehandlung das Erfordernis einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Anwendung der "Neuen Formel". Denn die Differenzierung des § 9 Abs. 2 UStG nach der Art der Nutzung der Mietsache durch den Mieter betrifft die Vermieter einerseits in deren Freiheitsgrundrecht aus Art. 12 GG?5 Darüber hinaus beläßt die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG den betroffenen Vermietern keinen wirksamen Einfluß auf die Verwirklichung des in der Art der tatsächlichen Nutzung der Mietsache durch den Mieter zu sehenden gesetzlichen Differenzierungskriteriums. Die durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. geschaffene Abhängigkeit der Entstehung steuerlicher Belastungswirkungen vom Verhalten einer von der Person des Belasteten verschiedenen Person erhöht demzufolge 76 auch in diesem Fall die Rechtfertigungsanforderungen der Gleichheitsprüfung. Auf Grund dieser besonderen Wirkungen der Differenzierung des § 9 Abs. 2 UStG ist somit im Rahmen der Prüfung der Sachangemessenheit eines Rechtfertigungsgrundes ein besonders strenger Verhältnismäßigkeitsmaßstab anzulegen. Als Rechtfertigungsgrund für die aufgezeigten Ungleichbehandlungen taugt daher nur ein sachgerechter und sachbereichsspezifischer Grund, der nach seiner Art und seinem Gewicht die Ungleichbehandlung im Rahmen der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung deutlich überwiegt. Im übrigen müßte auch der Erste SenaP7 des Bundesverfassungsgerichts ausgehend von seinem Konzept abgestufter Kontrolldichte in Abhängigkeit von der Art der Differenzierung wegen dieser besonderen Qualität der Belastungswirkungen hier eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung auf der Grundlage der sogenannten "Neuen Formel" vornehmen. Somit ist in jedem Falle eine strenge Prüfung der Sachangemessenheit möglicher Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung verschiedener Vermieter durch § 9 Abs. 2 UStG im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsabwägung angezeigt.
2. Keine Rechtfertigung durch den Gestaltungszweck "Umgehungsschutz"
Ein wesentlicher, sich auch in einer Gestaltungs- und Lenkungswirkung 78 in Form der Umgehungsschutzwirkung 79 des § 9 Abs. 2 UStG manifestierender GeZum Konzept des Zweiten Senats s. oben, Teil C.I.3.b)cc)(2), S. 195 ff. Dazu unten, Teil E.III.I., S. 351 ff. 76 Zur Erhöhung der Rechtfertigungsanforderungen an die verbraucherbezogene Ungleichbehandlung aus dem gleichen Grunde (Unmöglichkeit der Einflußnahme der Betroffenen auf die Verwirklichung des Differenzierungskriteriums) s. oben, Teil D.II.I., S. 286 ff. 77 Zur Abgrenzung von Willkürverbot und neuer Formel durch den Ersten Senat s. oben, Teil C.I.3.b)cc)(1), S. 194 ff. 78 Zu den Gestaltungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. allgemein s. oben, Teil B.IY., S. 167 ff. 74
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VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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staltungszweck80 der Norm ist der Umgehungsschutzzweck. Die Beschränkung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze auf die Umsätze an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer soll dazu führen, diejenigen Umgehungsgestaltungen der Praxis, die zur Erlangung des Vorsteuerabzugsrechts gemäß § 15 UStG mit Hilfe der Option nach § 9 UStG entwickelt worden waren, künftig von der Inanspruchnahme des Optionsrechts auszuschließen. Es ist daher zu prüfen, ob dieser Zweck als objektiver Normzweck mit verfassungsrechtlichem Gewicht8 ! anzusehen ist und somit als Rechtfertigungsgrund eingreifen kann. Es ist jedoch an dieser Stelle zunächst nochmals 82 an folgendes zu erinnern: Im Rahmen dieser Untersuchung sollen die seit langem erkannte Verletzung des umsatzsteuerrechtlichen Systemgedankens durch § 15 Abs. 2 UStG hingenommen und lediglich die über diesen bereits bestehenden Systembruch hinausgehenden Wirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.E einer genaueren Analyse unterzogen werden. Ließe man diese Prämisse nämlich hier außer Acht, so schiede eine Rechtfertigung der durch § 9 Abs. 2 UStG n.E verursachten Verletzung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips durch den Umgehungsschutzzweck schon von vornherein aus. Denn genaugenommen wäre dann bereits der Umgehungs schutzzweck selbst als verfassungswidrig anzusehen, weil die (verfassungswidrige) Norm des § 15 Abs. 2 UStG, deren Umgehung durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG verhindert werden soll, prinzipiell keinen Umgehungsschutz verdiente. a) Umgehungsschutz als objektiver Zweck Der Gesetzgeber des StMBG betrachtete ausweislieh der Gesetzesbegründung83 ungeachtet möglicher Bedenken84 sämtliche Vorschaltmodelle 85 als Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsformen. Ein wesentliches Ziel der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG war daher der Ausschluß der Vermieter im Rahmen der sog. Vorschaltmodelle von der Erlangung des Vorsteuerabzugs durch Option. 86 Dieser Umgehungsschutzzweck kann als möglicher Rechtfertigungsgrund der festgestellten gleichheitswidrigen Ungleichbehandlung selbst dann herangezogen werden, wenn Zur Umgehungsschutzwirkung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. s. oben, Teil B.lV.2., S. 168 ff. Zum Gestaltungszweck des Umgehungsschutzes s. oben, Teil B.II.l.a)aa), S. 138 ff. 8! Zu den Anforderungen an einen Lenkungszweck als Rechtfertigungsgrund für einen Verstoß steuerlicher Belastungswirkungen gegen das Leistungsfarugkeitsprinzip s. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 240. 82 s. oben, Teil A.I.2.a)bb), S. 44 f., Teil A.I.2.b)bb), S. 49 f., Teil B.III.2., S. 157 ff. 83 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (li. Sp.). 84 Zu den Bedenken in den Fällen vorgeschalteter Ehegatten s. Reiß, UR 1993, 213 ff. 85 Zum Begriff der Vorschaltmodelle s. oben, Teil B.lV.2., S. 168 f.; genauer unten, Teil D.VI.2.c)aa)(2), S. 311 ff. 86 Begriindung zur Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG, BT-Drucks. 12/5630, S. 87; vgl. oben, Teil B.II.l.a)aa), S. 138 ff. 79
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
man annehmen wollte, er diene im Ergebnis lediglich der Sicherstellung des bei der Neuregelung zugleich erkennbar gewordenen Fiskalzwecks. 87 Denn unabhängig von seiner Wertigkeit im Verhältnis zu den anläßlich der Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG gleichfalls (kumulativ) berücksichtigten Zwecken ist der Umgehungsschutzzweck als eigenständiger Gestaltungszweck anzusehen. Der subjektive Zweck des Gesetzgebers konkretisiert sich weiterhin in einer Umgehungsschutzwirkung 88 , ist also erkennbar auch der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG immanent. Der Umgehungsschutzzweck muß daher als objektiver Normzweck gelten. Als tauglicher Rechtfertigungsgrund für die gleichheitswidrige Ungleichbehandlung durch die Neuregelung gilt der Umgehungsschutzzweck indes nur dann, wenn er einen sachbereichsspezifischen Grund von solcher Art und solchem Gewicht darstellt, daß er die durch § 9 Abs. 2 UStG bewirkten Belastungsungleichheiten, die das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbrechen, deutlich überwiegt. Zu prüfen ist daher, ob die gewählte gesetzliche Gestaltung geeignet und erforderlich 89 zur Verwirklichung des Umgehungsschutzziels der Ausschaltung der Vorschaltmodelle ist und ob darüber hinaus eine Güterabwägung90 zwischen dem Umgehungs schutzzweck und dem verletzten Leistungsfähigkeitsprinzip einen deutlichen Vorrang des Umgehungsschutzziels vor dem Gleichheitssatz ergibt (Zweck-Mittel-Relation).
b) Geeignetheit der Neuregelung zur Ausschaltung der Vorschaltmodelle
Die Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG vermag sämtliche Vorschaltmodelle zuverlässig vom Anwendungsbereich des üptionsrechts auszuschalten. 91 Die Norm ist demnach zur Erreichung des Umgehungsschutzzwecks geeignet.
87 Zur subjektiven Zweckkumulation bei der Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG s. oben, Teil B.II.1.a)aa), S. 137 ff. 88 Zur Umgehungsschutzwirkung oben, Teil B.IY.2., S. 168 f. 89 Erforderlich ist eine das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbrechende steuerrechtliche Lenkungsnorm, wenn die Durchsetzung des legitimen Lenkungsziels nicht in Form einer "verteilungsgerechten Regelungsaltemative" gelingen kann, s. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 241. 90 Zur Abwägung von Lenkungszwecken gegen die Verwirklichung von Belastungsprinzipien s. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 244 ff. 91 s. die Beschreibung der Umgehungsschutzwirkung oben, Teil B.Iy'2., S. 168 f.
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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c) Erforderlichkeit der Neuregelung zur Ausschaltung der Vorschaltmodelle
An der Erforderlichkeit der Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG in ihrer konkreten Fassung bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Denn es könnte ein "milderes Mittel" zur Ausschaltung der Vorschaltmodelle in Form einer verteilungsgerechten Regelungsalternative92 existieren. Dies müßte eine Regelung sein, welche bei gleicher Eignung zur Gewährleistung der Umgehungssicherheit des § 15 Abs. 2 UStG das Auftreten gleichheitswidriger Belastungswirkungen zu Lasten der außerhalb eines Vorschaltmodells stehenden Vermieter vermeidet. Im Rahmen der folgenden Untersuchung soll gezeigt werden, daß eine solche verteilungsgerechte Regelungsalternative besteht. Wie zu zeigen sein wird, könnte es sich dabei sowohl um eine detaillierte Regelung 93 , welche diejenigen Spezifika der Vorschaltrnodelle tatbestandlich in § 9 Abs. 2 UStG aufnimmt, die diese von gewöhnlichen Mietverhältnissen und früheren Umgehungsformen in Gestalt der Zwischenvermietungsmodelle unterscheiden, als auch um eine allgemein formulierte (offene) Umgehungsschutzklausel94 handeln.
aa) Spezifizierende verteilungs gerechte Regelungsalternative Bei der Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG wurden zum Zweck der Ausschaltung der Vorschaltmodelle lediglich die bereits früher95 zum Schutz des § 15 Abs. 2 UStG vor Umgehungen durch Zwischenvermietungsmodelle geschaffenen Einschränkungen des üptionsrechts erweitert. Dies geschah, indem die Gemeinsamkeiten der Zwischenvermietungsmodelle und der Vorschaltmodelle als einschränkende Tatbestandsmerkmale in § 9 Abs. 2 UStG aufgegriffen wurden. Die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Umgehungs modelle sind allerdings auf Grund der in Wahrheit nur geringen Ähnlichkeit dieser Gestaltungen sehr abstrakt. 96 Nur aus diesem Grund ist es möglich, daß nunmehr neben den Vermietern der Zwischenvermietungs- und Vorschaltmodelle auch andere, nicht im Rahmen von Umgehungsgestaltungen handelnde Vermieter von den Folgen der Einschränkung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. betroffen werden.
Zum Begriff s. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 241. Dazu sogleich Teil D.V1.2.c)aa), S. 309 ff. 94 Dazu unten, Teil D.V1.2.c)bb), S. 319 ff. 95 Durch Art. 36 Nr. 2 des 2. Haushaitsstrukturgesetzes 1981 (Zweites Gesetz zur Verbesserung der Haushaitsstruktur vom 22. 12. 1981, BGBI. 1981 I, 1523, 1553: Optionsrechtsausschluß bei Wohnnutzung) sowie durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 (Steuerbereinigungsgesetz 1985 v. 14. 12. 1984, BGBI. 1984 I, 1493, 1506: Optionsrechtsausschluß bei sonstiger nichtunternehmerischer Nutzung). 96 Vgl. unten (3), S. 314 ff. 92
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Eine verteilungsgerechte Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG läßt sich daher vor allem durch tatbestandliehe Anknüpfung an die strukturellen Besonderheiten der Vorschaltmodelle gegenüber Zwischenvermietungsmodellen und sonstigen Mietverhältnissen mit vorsteuerabzugsschädlich tätigen Unternehmern als Mieter erreichen. Dies soll im folgenden durch einen Vergleich der Vorschaltmodelle mit den Zwischenvermietungsmodellen näher erläutert werden. ( 1) Zwischenvermietungsmodelle
Als sogenannte Zwischenvermietungsmodelle wurden zivilrechtliche Gestaltungen folgender, hier typisiert dargestellter Struktur bezeichnet97 : Bei der Errichtung eines Gebäudes zum Zwecke der Vermietung hat ein Grundstückseigentümer hohe Vorsteuerbeträge im Rahmen der Grundstückserwerbs- und Baukosten getragen. Um seine Vermietungsleistung entgegen § 4 Nr. 121it. a UStG steuerpflichtig ausführen und dadurch gemäß § 15 Abs. 1 UStG den Vorsteuerabzug auf die Erwerbs- und Baukosten erlangen zu können, optiert er gemäß § 9 UStG zur Besteuerung des Vermietungsumsatzes. Das Optionsrecht besteht jedoch nicht, wenn das Gebäude unmittelbar an einen Mieter zu Wohnzwecken oder zur sonstigen nichtunternehmerischen Nutzung vermietet wird, da die betreffenden Mieter nicht die für die Optionsausübung nach § 9 Abs. 1 UStG nötige Unternehmereigenschaft besitzen. Vermietete der Eigentümer das Gebäude dagegen unmittelbar an einen gewerblich tätigen Zwischenvermieter, welcher es wiederum zu Wohn- oder sonstigen nichtunternehmerischen Zwecken an die Endnutzer vermietete, konnte der Vermieter vor der Einschränkung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze in den Jahren 1981 98 und 198499 die Option dennoch geltend machen. Denn mit der Unternehmereigenschaft des Zwischenvermieters lagen deren Voraussetzungen vor. In vielen Fällen geschah die Einschaltung einer Zwischenvermietungsstufe daher nicht aus zivilrechtlicher oder organisatorischer Notwendigkeit, sondern allein zum Zwecke der Erlangung des Vorsteuerabzugs, welcher dem Eigentümer bei direkter Vermietung an den betreffenden Mieter versagt worden wäre. Dies war Anlaß für eine umfangreiche finanzgerichtliche Rechtsprechung. Diese sanktionierte Zwischenvermietungsmodelle, in denen kein außersteuerrechtlicher Grund für die Einschaltung des Zwischenvermieters bestand!OO, als Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich mit § 42 AO. JO! 97 s. auch die Erläuterungen und Beispiele bei Widmann, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 9 Rz. 104 ff.; Heidner, in: Bunjes/Geist, § 9 Anm. 8, Rnr. 15 f. 98 Art. 36 Nr. 2 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes v. 22. 12. 1981, BGBI. 1981 I, 1523, 1553. 99 Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes v. 14. 12. 1984, BGBI. 1984 I, 1493, 1506. !OO Nachdem die Rechtsprechung das Fehlen eines außersteuerrechtlichen Grundes für die konkrete Gestaltung zunächst als positive Voraussetzung für die Anwendung des § 42 AO
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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Diese Fonn der Umgehungsgestaltungen hat der Gesetzgeber später mit den Änderungen des § 9 UStG durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz 1981 102 für die Endnutzung zu Wohnzwecken 103 sowie durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 104 für die Endnutzung zu sonstigen nichtunternehmerischen Zwecken l05 ausgeschaltet. Das Optionsrecht wurde dabei von der konkreten Endnutzung des Gebäudes durch den Mieter zu anderen als Wohn- oder sonstigen nichtunternehmerischen Zwecken abhängig gemacht. (2) Vorschaltmodelle
Anlaß für die erneute Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG war das Auftreten der Vorschaltmodelle als neuartige Umgehungsgestaltungen. 106 Diese stellen jedoch, sofern man sie allesamt als Fälle des Mißbrauchs rechtlicher Gestaltungsfonnen ansehen will 107 , eine gegenüber den Zwischenvetmietungsmodellen in entscheidender Weise andere Fonn der versuchten Umgeverstanden hatte, ging sie später (jedoch erst nach den gesetzlichen Einschränkungen des Optionsrechts für Vennietungsumsätze) von einer grundsätzlichen Mißbrauchsvermutung im Falle der Zwischenvennietung aus, welche vom Vennieter durch den Vortrag außersteuerrechtlicher Gründe zu widerlegen war, s.: BFH v. 04. 08. 1987 - V B 16/87 -, BFHE 150, 478,482 = BStBl. 198711,756,758; BFH v. 19. 10. 1987 - V B 109/86 -, BStBI. 198811, 96,96 f.; BFH v. 14.05. 1992 - V R 12/88 -, BFHE 168,468,470 f. = BStBI. 199211,931, 932. 101 s. die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise bei Widmann, in: P1ückebaum/ Malitzky, UStG, § 9 Rz. 104 ff., insb. Rz. 12511. 102 Art. 36 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur v. 22. 12. 1981, BGBI. 1981 I, 1523, 1553. § 9 UStG Ld.F. des 2. HStruktG 1981 hatte folgenden Wortlaut: .. § 9 Verzicht auf Steuerbefreiungen: Der Unternehmer kann einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 8 Buchstabe abis g, Nr. 9 Buchstabe a, Nr. 12, 13 oder 19 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Das gilt bei der Vennietung oder Verpachtung eines Grundstücks nur, soweit der Unternehmer nachweist, daß das Grundstück nicht Wohnzwecken dient oder zu dienen bestimmt ist." 103 Voraussetzung der Versagung der Option bei Vennietung zu Wohnzwecken ist, daß das Gebäude unabhängig vom Baubeginn nach dem 31. 12. 1984 fertiggestellt (Art. 36 Nr. 6 des 2. HStruktG 1981, BGBI. 1981 I, 1523, 1553) oder, sofern mit seiner Errichtung vor dem 01. 06. 1984 begonnen wurde, nach dem 31. 03. 1985 fertiggestellt wurde (Art. 17 Nr. 11 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGBI. 1984 I, 1493, 1506). 104 BGBI. 1984 I, 1493, 1506. Zum Wortlaut des § 9 i.d.F. d. Steuerbereinigungsgesetzes 1985 s. oben, Teil B., Fn. 418. 105 Voraussetzung der Versagung der Option bei Vennietung zu sonstigen nichtunternehmerischen Zwecken ist, daß mit der Errichtung des Gebäudes nach dem 31. 05. 1984 begonnen wurde, oder daß ein Gebäude, mit dessen Errichtung vor dem 01. 06. 1984 begonnen wurde, nach dem 31. 12. 1985 fertiggestellt wurde (Art. 17 Nr. 11 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGBI. 1984 I, 1493, 1506). 106 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (li. Sp.). 107 Zur Kritik an der Anwendung des § 42 AO in den Fällen der "vorgeschalteten Ehegatten" s. insb. Reiß, UR 1993,213 ff.
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
hung des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit Hilfe des § 9 UStG dar. In der Praxis sind vor allem zwei Gestaltungsformen aufgetreten, welche als Vorschaltmodelle 108 bezeichnet werden. (a) "Vorgeschaltete" Ehegatten Einerseits handelt es sich um Fälle "vorgeschalteter" einkommensschwacher Ehegatten mit folgender Struktur lO9 : Ein nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer - in der Mehrzahl der von der Finanzrechtsprechung entschiedenen Fälle 110 handelte es sich um einen selbständigen Arzt oder Zahnarzt - benötigt ein Grundstück zur unternehmerischen Nutzung. Obwohl er die nötigen finanziellen Mittel für den Erwerb oder die Errichtung eines geeigneten Objekts besitzt, veranlaßt er den Erwerb oder die Errichtung desselben durch seinen Ehegatten, welcher selbst jedoch kein zur Finanzierung ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen besitzt. Das Objekt wird sodann durch den "vorgeschalteten" Ehegatten zur unternehmerischen Nutzung an den Unternehmer-Ehegatten vermietet. Da jedoch typischerweise ein nicht kostendeckender Mietzins vereinbart wirdill, kann der einkommensschwache VermieterEhegatte die Kosten des Erwerbs oder der Errichtung des Mietobjekts weder aus den Mieteinnahmen noch aus sonstigem eigenen Einkommen oder Vermögen dekken und ist zur Finanzierung in wesentlichem Umfang auf Zuwendungen des Mieter-Ehegatten angewiesen. Vor der Änderung des § 9 UStG durch das StMBG konnte der Vermieter-Ehegatte bei dieser Gestaltung allerdings zur Besteuerung des Mietumsatzes optieren und somit gegebenenfalls anfallende Vorsteuern auf Erwerbs- oder Baukosten abziehen. Die letztlich durch den Unternehmer-Ehegatten zu finanzierenden Erwerbs- oder Baukosten waren daher erheblich geringer als im Falle des Erwerbs oder der Herstellung des Gebäudes im Unternehmen selbst. Die Rechtsprechung würdigte diese Gestaltung als Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsformen im Sinne des § 42 AO, wenn der Vermieter-Ehegatte im geschilderten Sinne bedürftig war. 112 Diese Beurteilung begegnet jedoch im Hinblick auf s. oben, Teil B.lV.2., S. 168 ff. Zu den Fallgestaltungen bei "vorgeschalteten Ehegatten" s. die Rechtsprechung in Fn. 112 sowie Reiß. UR 1993, 213, 213; Pflüger, UR 1993, 191, 191; Heidner, in: Bunjes/ Geist, UStG, § 9 Anrn. 7 a), Rnr. 12 und Anrn. 18 b), Rnr. 31. 110 BFH v. 16.01. 1992 - V R 1/91 -, BFHE 167,215 ff. = BStB!. 199211,541 ff.; BFH v. 10. 09. 1992 - V R 104/91 -, BFHE 169, 258 ff. = BStBl. 1993 11, 253 ff.; BFH v. 22. 10. 1992 - V R 33/90 -, BFHE 169,555 ff. = BStBl. 199311,210 ff.; BFH v. 10. 12. 1992 - V R 90/92 -, BFH/NV 1994,200 ff.; BFH v. 28. 01. 1993 - V R 46/90 -, BFH/NV 1994,62 f.; BFH v. 09. 12. 1993 - V R 96/91 -, BFH/NV 1995,460 f.; BFH v. 07. 09. 1995 - V R 52/94 -, BFH/NV 1996,443 f.; BFH v. 14. 12. 1995 - V R 12/95 -, BFHE 179, 472 ff. = BStBl. 199611,252 ff. 111 Dazu auch Reiß, UR 1993, 213, 217. 112 BFH v. 16.01. 1992 a. a. O. (Fn. 110), BFHE 167,215,217 ff. = BStBl. 199211,541, 542 f.; BFH v. 10.09. 1992 a. a. O. (Fn. 110), BFHE 169,258,261 f. = BStB!. 199311,253, 108 109
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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Art. 6 Abs. 1 GG erheblichen Bedenken. 1I3 Für Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist diesen Bedenken indes nicht weiter nachzugehen. (b) Sparkassenmodell Als weitere Form der Vorschaltmodelle ist das sogenannte "Sparkassenmodell" zu nennen. Dabei handelt es sich um zivilrechtliche Gestaltungen, in denen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer wie insbesondere Banken, Sparkassen, Versicherungen, Träger von Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten und Bildungseinrichtungen" 4 , ein Gebäude zur Eigennutzung herstellen (lassen), indem sie eine selbständige Vorschaltgesellschaft l15 gründen, welche das Gebäude erwirbt oder errichtet und unter Ausübung der Option gemäß § 9 UStG an die Unternehmer (zurück)vermietet. 116 Die vorgeschaltete Gesellschaft wird von den abzugs schädlich tätigen Unternehmern beherrscht und von diesen im Regelfall mit einem nur geringen Eigenkapital ausgestattet. 117 Zur Finanzierung des Erwerbs oder der Herstellung von Grundstück und Gebäude durch die Vorschaltgesellschaft gewähren die beherrschenden Unternehmer der Gesellschaft sodann einen hohen zinslosen Gesellschafterkredit. 118 Der Vorteil des Sparkassenmodells lag für den finanzierenden Unternehmer vor allem darin, daß es diesem möglich war, durch 254 f.; BFH v. 22. 10. 1992 a. a. O. (Fn. 110), BFHE 169,555,557 f. =BStB!. 199311,210, 211 f.; BFH v. 10. 12. 1992 a. a. O. (Fn. 110), BFH/NV 1994, 200, 201 f.; BFH v. 28.01. 1993 a. a. O. (Fn. 110), BFH/NV 1994,62,63; BFH v. 09.12. 1993 a. a. O. (Fn. 110), BFH/NV 1995,460,460 f.; BFH v. 04. 05. 1994 - XI R 67/93 -, BFHE 175, 139, 141 f. = BStB!. 199411, 829, 829 f. (Erwerb eines Kfz zum Zwecke der Vermietung an den Ehegatten durch die bedürftige Ehefrau eines nichtselbständigen Speditionskaufmannes); BFH v. 18.01. 1995 - XI R 21 /94 -, BFH/NV 1995,930,931 (Kein Gestaltungsmißbrauch bei Vermietung einer Massagepraxis an den Ehegatten bei Finanzierung der Gebäudeerrichtung aus vom Ehegatten geschenkten Vermögen); BFH v. 26. 01. 1995 - V R 75/93 -, BFH/NV 1995, 931, 932 (Kein Gestaltungsmißbrauch bei Vermietung an Steuerberater-Ehegatten); BFH v. 07. 09. 1995 a. a. O. (Fn. 110), BFH/NV 1996,443,443 f.; BFH v. 14. 12. 1995 a. a. O. (Fn. 110), BFHE 179,472,475 f. =BStB!. 199611,252,253. l13 Reiß, UR 1993,213,217 f.; a.A. BFH v. 16.01. 1992 a. a. O. (Fn. 110), BFHE 167, 215,221 =BStB!. 199211,541,543. 114 Vg!. auch BT-Drucks. 12/5630, S. 87. 115 Meist in der Rechtsform einer Personengesellschaft. 116 Salzberger; UR 1994, 453, 453; Heidner; in: Bunjes/Geist, UStG, § 9 Anm. 18 b), Rnr. 32 f.; Rischke, DStR 1994, 1073, 1073; Aisenbrey/Eck, DStR 1993, 1904; Nieskens, BB 1994,256,261; Pflüger; UR 1993,191,192. ll7 Salzberger; UR 1994, 453, 453; Heidner; in: Bunjes/Geist, UStG, § 9 Anm. 18 b), Rnr. 32 f. 118 Salzberger; UR 1994, 453, 453; Heidner; in: Bunjes/Geist, UStG, § 9 Anm. 18 b), Rnr. 32 f.; V. Schmidt, UR 1995,212,213; vg!. auch die Sachverhalte in BFH v. 18. 12. 1996 - XI R 12/96 -, BFHE 182, 395, 396 = BStB!. 1997 11, 374, 374; FG des Saarlandes v. 05.11. 1993 - 1 V 202/93 -, EFG 1994,322,322 = UR 1994,405,405 f.
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
die Inanspruchnahme des Optionsrechts durch die Vorschaltgesellschaft den Abzug von Vorsteuerbeträgen auf Bau- und Erwerbskosten in einer Höhe zu erreichen, die den Betrag der während des Berichtigungszeitraums des § 15a UStG auf den Mietumsatz abzuführenden Umsatzsteuer deutlich übersteigt. 1l9 Die Rechtsprechung hat die in den zuvor dargestellten Fällen der "vorgeschalteten Ehegatten" entwickelten Grundsätze zur Anwendung des § 42 AO zum Teil 120 auf das Sparkassenmodell übertragen. 121 (3) Vergleich heider Umgehungsmodelle
Den Zwischenvermietungsfällen und den verschiedenen Formen der Vorschaltmodelle ist gemeinsam, daß mit Hilfe der Einschaltung einer aus zivilrechtlichen Gesichtspunkten unnützen zusätzlichen Vor- bzw. Zwischenstufe in die beabsichtigte Gestaltung eine Option nach § 9 UStG ermöglicht wird. Damit soll der Abzug von Vorsteuerbeträgen erreicht werden, welche bei effektiver zivilrechtlicher Gestaltung nicht abzugsfähig wären. Dariiber hinaus ist sowohl in den Zwischenvermietungsfällen als auch bei den Vorschaltmodellen der Endnutzer des Gebäudes, also z. B. der Wohnungsnutzer, der Arzt-Ehegatte oder das Kreditinstitut, jeweils eine nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Person. Diese Gemeinsamkeiten waren vermutlich der Anlaß für die konkrete Gestaltung des § 9 Abs. 2 UStG in seiner Fassung durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG. Übersehen wurde indes, daß die uneingeschränkte Versagung des Optionsrechts in sämtlichen Fällen, in denen der Mieter ein - auch nur teilweise - nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist, auf Grund der Abstraktheit dieses Ausschlußkriteriums weit über das Ziel der Ausschaltung von Vorschaltmodellen hinausgeht. 122 Denn durch die Anknüpfung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. an die Art der tatsächlichen Nutzung der Mietsache durch den Mieter sind bei Anwendung dieses Kriteriums notwendigerweise zugleich Mietverhältnisse vom Ausschluß des Optionsrechts betroffen, die mit den zu verhindernden Vorschaltmodellen nichts gemein haben.
119 Dazu BMF v. 29. 05. 1992, IV A 2 - S 7300-63/92, BStBl. 1992 I, 378, 379 unter Tz. 4; Aisenbrey / Eck, DStR 1993, 1904; Meyer-Scharenberg, DStR 1993, 1733. 120 Zunächst wurde eine Lösung dieser Fälle mittels Heranziehung der Mindestbemessungsgrundlage gesucht, s. FG des Saarlandes v. 05. 11. 1993 a. a. O. (Fn. 118), EFG 1994, 322,323 = UR 1994,405,405 f.; BFH v. 18. 12. 1996 a. a. O. (Fn. 118), BFHE 182,395, 398 ff. =BStBl. 1997 H, 374, 376; s. auch Reiß, UR 1993,213,217. 121 BFH v. 18. 12. 1996 a. a. O. (Fn. 118), BFHE 182,395,401 f. = BStBl. 1997 H, 374, 376 f., unter Verweis auf Salzberger; UR 1994, 453, 458. S. auch Heidner, in: Bunjes / Geist, UStG, § 9 Anm. 18 b), Rnr. 33 und Anm. 18 c), Rnr. 34. 122 s. nur die Beispiele bei Rischke, DStR 1994, 1073, 1073 ff.; Nieskens, BB 1994,256, 261; V. Schmidt, UR 1995, 212, 213; sowie die Ausführungen oben, Teil A.1.1.b)aa)(2), S. 31 ff. mit Beispielen.
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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Es existieren jedoch charakteristische Besonderheiten der Vorschaltmodelle im Vergleich zu sonstigen Mietverhältnissen mit nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern einerseits und zu Zwischenvermietungsmodellen andererseits. An diese hätte der Gesetzgeber zur Ausschaltung der Vorschaltmodelle anknüpfen können, ohne sonstige Fälle der Vennietung an Unternehmer zu erfassen. Die verschiedenen Umgehungs modelle weisen zunächst eine jeweils spezifische Qualität in der Ursache der Umgehungsgestaltung auf. Mit Hilfe eines Zwischenvermietungsmodells suchte der Vermieter die Vorsteuerabzugsschädlichkeit der Tätigkeit eines, abgesehen vom (Unter-)Vermietungsverhältnis, nicht mit ihm in Beziehung stehenden Endnutzers zu umgehen. Dagegen ist im Rahmen eines Vorschaltmodells der spätere Mieter bestrebt, die Folgen der Vorsteuerabzugsschädlichkeit seiner eigenen Tätigkeit zu venneiden. Während weiterhin bei den Zwischenvermietungsmodellen Vermieter und späterer Endnutzer in der Regel sowohl gesellschaftsrechtlich, personell als auch finanziell nicht miteinander in Beziehung standen, besteht in den Vorschaltmodellen eine charakteristische, durch den Mieter veranlaßte sachliche und persönliche oder gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen den Mietparteien, die zum Fehlen eines typischen Interessengegensatzes 123 innerhalb des Mietverhältnisses führt. 124 Das Fehlen des Interessenkonfliktes zwischen Mieter und Vermieter wirkt sich dabei insbesondere in der Höhe des Mietzinses aus. Diese wird regelmäßig so gering bemessen, daß sie einem Drittvergleich nicht standhält. Auf Grund der engen Verflechtung werden Mieter und Vennieter eines Vorschaltmodells schließlich gemeinsam in Verfolgung eines Umgehungsplans tätig, der darauf angelegt ist, dem Mieter die wirtschaftlichen Vorteile des Vorsteuerabzugs zu sichern. Bereits der Erwerb des Grundstücks und die Errichtung des Gebäudes geschehen im Rahmen eines Vorschaltmodells auf Veranlassung und für Zwecke des Mieters. Die Einschaltung eines Ehegatten oder einer Vorschaltgesellschaft als Bauträger und "Zwischenvermieter" entfaltet Wirkungen wie ein "Insichgeschäft" des Mieters, da für die Investition überwiegend dessen Kapital verwendet wird. Wirtschaftlich betrachtet ersetzt die Vorschaltung eines Dritten lediglich den Eigenerwerb des Mieters. Der innerhalb der Vorschaltmodelle fehlende Interessenkonflikt zwischen Mieter und Vennieter ist dagegen den Zwischenvennietungsmodellen grundsätzlich auf sämtlichen Vermietungsstufen noch eigen. Auch alle sonstigen, nicht als Vorschaltmodell anzusehenden Mietverträge mit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmern weisen diesen Interessenkonflikt regelmäßig auf. Mit Hilfe dieser Merkmale sind also sowohl Zwischenvermietungsmodelle als auch sonstige Mietverhältnisse mit nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern von den Vorschaltmodellen sicher zu unterscheiden. 123 Zum Fehlen des Interessenkonfliktes zwischen Mieter und Vermieter s. auch BFH v. 16.01. 1992 - V R 1/91 -, BFHE 167,215,221 =BStH!. 199211,541,543. 124 V. Schmidt, UR 1995,212,213.
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Darüber hinaus besteht ein weiterer umsatzsteuerrechtlich bedeutsamer Unterschied zwischen den Personen der Endnutzer in beiden Umgehungsmodellen, welcher durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG verdeckt wird. In den Vorschaltmodellen ist der Mieter auf der Endstufe stets ein nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer. Dieser kann die Art seiner Nutzung der Mieträume innerhalb relativ großer Spielräume ohne Verlust seiner Unternehmereigenschaft, jedoch mit Auswirkungen auf sein Vorsteuerabzugsrecht, verändern. Nicht unternehmerisch tätige Mieter in Zwischenvermietungmodellen haben dagegen keine damit vergleichbare Möglichkeit. Wird also der Ausschluß des Optionsrechts an das ohnehin zu abstrakte Merkmal des Fehlens der Vorsteuerabzugsberechtigung des Mieters geknüpft, wird für die Vermietung an unternehmerisch tätige Mieter zusätzlich die Gefahr optionsrechtswirksamer Nutzungsänderungen provoziert. Die Anknüpfung der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch das StMBG an das Fehlen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Endnutzers, also an ein sehr abstraktes gemeinsames Merkmal der Vorschalt- und Zwischenverrnietungsmodelle, ist daher für Zwecke des Umgehungsschutzes in mehrfacher Hinsicht verfehlt. (4) Spezifizierende Regelungsalternativt;
Eine verteilungsgerechte Umgehungsschutznorm in Form einer spezifizierenden Regelung müßte, anders als § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung durch Art. 20 Nr. 9 StMBG, in ihrem Tatbestand statt der Gemeinsamkeiten also die strukturellen Unterschiede der Gestaltungsform "Vorschaltmodell" im Verhältnis zu den Zwischenvermietungsmodellen aufgreifen. Als strukturelle Besonderheiten der Vorschaltmodelle müssen, wie zuvor geschildert, folgende Merkmale gelten. Abstrakt betrachtet beruht ein Vorschaltmodell auf einem Umgehungsplan des späteren Mieters, welcher allerdings mangels eines Interessengegensatzes zwischen Mieter und Vermieter von beiden Mietparteien getragen wird. Dieser Plan zielt darauf ab, dem Mieter die wirtschaftlichen Vorteile des Vorsteuerabzugs beim Erwerb oder bei der Herstellung eines Gebäudes zu verschaffen. Der Erfolg der gewählten Gestaltung ist dabei zwar von selbständigen Handlungen des Vermieters abhängig. Die faktische Herrschaft über die Verhältnisse, welche zur Verwirklichung des Umgehungsplanes notwendig sind, verbleibt jedoch beim späteren Mieter. Derart abstrakte Merkmale wie das Bestehen eines Umgehungsplans und die Herrschaft über bestimmte Verhältnisse sind indes sehr unbestimmt und daher als Tatbestandsmerkmale einer spezifizierenden Umgehungsschutznorm nicht geeignet. Sinnvoller wäre es daher, die von der Rechtsprechung 125 herausgearbeiteten Indizien dieser allgemeinen Merkmale tatbestandlieh aufzugreifen. Diesbezüglich ist 125
s. Fn. 112 und Fn. 118.
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festzustellen, daß vor allem zwei typische Merkmale die Existenz eines VorschaltmodelIs kennzeichnen. Dies ist zum einen eine besondere persönliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen Mieter und Vermieter, die auf einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder der Beherrschung der Vorschaltgesellschaft durch den Mieter beruht. Zum anderen besteht eine signifikante finanzielle Abhängigkeit des Vermieters vom Mieter bei der Finanzierung des Erwerbs oder der Errichtung des Mietobjektes. Diese Komponenten weisen deutliche Parallelen zu den aus der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung l26 bekannten Merkmalen der sachlichen und personellen Verflechtung in Form der "Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen,,127 sowie des "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens,,128 auf. In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung könnten daher unter Beachtung der spezifischen Besonderheiten der Vorschaltmodelle Formulierungen für die Tatbestandsbildung zur Verhinderung der Vorschaltmodelle gefunden werden, welche bereits einen festgefügten Sinngehalt aufweisen und somit die spätere Auslegung erleichtern könnten. Das aus der Betriebsaufspaltung bekannte Merkmal der "Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen" müßte in den Vorschaltmodellen sachbereichsbezogen lediglich durch das Kriterium "finanzielle Abhängigkeit des Vermieters vom Mieter beim Erwerb oder der Errichtung des Mietobjekts" konkretisiert werden. 129 Das zweite aus der Betriebsaufspaltung bekannte Kriterium des "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens" bedürfte zur Anwendung im Bereich der Vorschaltmodelle allgemein nur einer sachbereichsbezogenen Interpretation dahingehend, daß der "Betätigungswille" eine deutliche Tendenz der Beteiligten zur Gestaltung gerade umsatzsteuerlicher Rechtsfolgen erkennen lassen muß. Denn die Rechtsprechung sieht insbesondere die Einschaltung von Vorschaltgesellschaften aus außersteuerlichen Gründen l30 nicht als Umgehung an. 131 126 Zur Betriebsaufspaltung s. nur L. Schmidt, in: Schmidt, EStG, § 15 Anm. 140 ff. (Rz. 800 ff.); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 22 X., S. 862 ff. 127 L. Schmidt, in: Schmidt, EStG, § 15 Anm. 143 (Rz. 808 ff.) m.N.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 22 X.3.a), S. 872 ff. m.N. 128 L. Schmidt, in: Schmidt, EStG, § 15 Anm. 144 f. (Rz. 820 ff.) m.N.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 22 X.3.b), S. 874 ff.; ständ. Rspr., grundlegend BFH v. 08. 11. 1971 - GrS 2/71 -, BFHE 103, 440, 443 f. = BStB!. 1972 11, 63, 64 f. 129 Die schenkweise Überlassung des Kapitals dürfte nach der Rechtsprechung zu den Arzt-Ehegatten jedoch nicht unter dieses Merkmal subsumiert werden, vg!. BFH v. 18.01. 1995 - XI R 21194-, BFH/NV 1995,930,931; BFH v. 04. 05.1994- XI R 67/93-, BFHE175, 139, 141 = BStB!. 199411, 829, 830; BFH v. 22. 10. 1992 a. a. O. (Fn. 110), BFHE 169, 555, 557 = BStB!. 1993 11, 210, 211; BFH v. 10. 09. 1992 a. a. O. (Fn. 110), BFHE 169,258,261 =BStB!. 199311,253,255; kritisch dagegen Reiß, UR 1993,213,214 ff. 130 So insbesondere die Auslagerung von Grundeigentum aus Kreditinstituten wegen § 12 Abs. 1 KWG i.d.F. der Neubekanntmachung v. 22. 01. 1996, BGB!. 1996 I, 64, 76: "Die Anlagen eines Kreditinstituts in Grundstücken, Gebäuden, ( ... ) dürfen, nach den Buchwerten berechnet, zusammen das haftende Eigenkapital nicht übersteigen." Die Vorschrift wurde
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Mit diesem Inhalt ließe sich das Merkmal sodann mit seiner aus der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung bekannten Bedeutung nahezu analog auf die Beschreibung der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung von Mieter und Vorschaltgesellschaft in den Sparkassenmodellen übertragen. Denn hier läßt sich mit Kriterien wie "Beteiligungsidentität" oder "Beherrschungsidentität" meist eine zutreffende Beurteilung der Qualität der personellen Verflechtung dieser typisch konzernrechtlichen Strukturen vornehmen. Die Vorschaltfälle der Arzt-Ehegatten wären jedoch demgegenüber durch das Merkmal des "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens" in einer aus der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung übernommenen Bedeutung nicht erfaßbar. Denn das Bundesveifassungsgericht hat es in konsequenter Fortsetzung friiherer Rechtsprechung zu anderen Umgehungsgestaltungen zwischen Ehegatten 132 in Fällen der Betriebsaufspaltung in einem Urteil vom 12. März 1985 133 als Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG angesehen, wenn das Fehlen eines Interessengegensatzes allein aus dem Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft gefolgert wird. Seitdem wird das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft auch im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesjinanzhojs134 zur Betriebsaufspaltung nur beim Hinzutreten besonderer Umstände als Indiz für gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen angesehen. Wollte der Steuergesetzgeber, der Rechtsprechung 135 zu den Vorschaltmodellen folgend, demgegenüber in den Fällen der "vorgeschalteten" Ehegatten dennoch allein das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft ohne weitere Hinweise auf das Fehlen eines Interessengegensatzes als Indiz für einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen anerkennen, so kollidierte selbst eine diesbezügliche gesetzliche Regelung mit Art. 6 Abs. 1 GG. 136 Festzuhalten ist somit, daß es spezielle Merkmale gibt, auf Grund derer die nach Ansicht des Gesetzgebers von der Option auszunehmenden Vorschaltmodelle von indes in bezug auf die Begrenzung von Anlagevermögen durch Art. I Nr. 19 des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harrnonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997, BGB!. 1997 I, 2518, 2534, aufgehoben. 131 Zu § 12 KWG (i.d.F. der Neubekanntmachung v. 22. 01. 1996, BGB!. 1996 I, 64, 76) als außersteuerrechtlichem Grund: BFH v. 18. 12. 1996 a. a. O. (Fn. 118), BFHE 182,395, 402 f. =BStB!. 199711,374,377; FG des Saarlandes v. 05. 11. 1993 a. a. O. (Fn. 118), EFG 1994, 322, 322 =UR 1994, 405, 405. 132 BVerfG v. 24. 01. 1962 - I BvL 32/57 -, BVerfGE 13,290,316 f. (Ehegatten-Arbeitsverhältnisse); BVerfG v. 22. 07. 1970 - I BvR 285/66, 445/67, 192/69 -, BVerfGE 29, 104,116 f. (Pensionszusagen unter Ehegatten). Vg!. auch P. Kirchhof StuW 1984,297,307. 133 BVerfG v. 12.03.1985 -I BvR 571/81, 494/82, 47/83 -, BVerfGE 69,188,202 ff. 134 BFH v. 27. 11. 1985 - IR 115/85 -, BFHE 145,221,224 ff. = BStB!. 198611,362, 363 f.; BFH v. 18.02.1986 - VIII R 125/85 -, BFHE 146,266,269 f. =BStB!. 198611,611, 613; BFH v. 24. 07. 1986 - IV R 98, 99/85 -, BFHE 147,256,259 = BStB!. 198611,913, 915; BFH v. 15. 10. 1998 - IV R 20/98 -, BFHE 187,260,262 f. =BStB!. 199911,445,446. 135 Ständ. Rspr., s. nur BFH v. 16. 01. 1992 a. a. O. (Fn. 110), BFHE 167, 215, 221 = BStB!. 199211,541,543. 136 Reiß. UR 1993,213,217 f.
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sonstigen Gestaltungen eindeutig abgrenzbar sind. Diese Merkmale lassen sich weiterhin in spezifizierenden Tatbeständen erfassen. Auf diese Weise könnten die Vorschaltmodelle sicher von der umsatzsteuerrechtlichen Option ausgeschlossen werden, ohne daß Mietverhältnisse mit nicht in vollem Umfang vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mietern außerhalb der Vorschaltmodelle beriihrt würden. Dieser Standpunkt soll hier abschließend durch ein Formulierungsbeispiel für eine verteilungsgerechte Regelungsalternative in Form einer spezifizierenden Umgehungsschutzklausel auf der Grundlage der soeben dargestellten Differenzierungsmerkmale verdeutlicht werden. Formulierungsvorschlag für eine spezifizierende verteilungsgerechte Regelungsalternative des § 9 137 UStG: Der Verzicht auf Steuerbefreiung nach Absatz 1 ist bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchstabe a) ebenfalls unzulässig, wenn 1. der Mietumsatz durch einen Unternehmer (Vermieter) auf Veranlassung eines anderen, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmers (Mieter) an letzteren ausgeführt wird; 2. der Mieter auf Grund einer beherrschenden Stellung, welche insbesondere durch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Person des Vermieters oder beim Hinzutreten besonderer Umstände durch ein persönliches Näheverhältnis zum Vermieter vermittelt werden kann, gegenüber dem Vermieter zur Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen innerhalb des Mietverhältnisses imstande ist; und 3. der Vermieter bei dem Erwerb oder bei der Errichtung des Mietobjektes von finanziellen Zuwendungen des Mieters abhängig ist.
bb) Verteilungsgerechte Regelungsalternative als offene Umgehungsschutzklause1 Hielte der Gesetzgeber eine spezifizierende Regelungsalternative im dargestellten Sinne nicht für zweckmäßig, hätte er statt dessen auch eine offene Umgehungsschutzklausei formulieren können. Dabei würden zur Beschreibung des Tatbestands nicht die spezifischen Merkmale der Umgehungsgestaltungen im einzelnen erfaßt, sondern weitgehend lediglich auslegungsbedürftige allgemeinere Formulierungen (unbestimmte Rechtsbegriffe) verwendet. Die Aufgabe zur Ausformung einzelner Umgehungstatbestände würde in diesem Fall bewußt der Rechtsprechung übertragen. Eine offene Umgehungsschutzklausel sollte allerdings trotz aller "Offenheit" erkennen lassen, auf 137 Etwa als § 9 Abs. 2 Satz 3 UStG oder § 9 Abs. 3 UStG, sofern man von § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG a.F., d. h. in der Fassung durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 (BGB!. 1984 I, 1493, 1506) ausgeht; andernfalls wäre § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG entsprechend anzupassen.
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die Verhinderung welcher konkreten Fallgestaltungen sie abzielt, da sie andernfalls mit Blick auf § 42 AO überflüssig wäre. Eine Möglichkeit zur Schaffung einer offenen Umgehungsschutzklausel hätte auch im Falle der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG zu Umgehungsschutzzwecken bestanden. Je nach dem vom Gesetzgeber gewünschten Abstraktionsgrad der Umgehungsschutzwirkung könnte eine zur Sicherung des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor Umgehungen durch Vorschaltmodelle dienende offene Umgehungsschutzklausel dabei entweder innerhalb des § 9 UStG oder ebensogut bei § 15 UStG eingreifen. Für beide Ansatzpunkte sei daher hier ein Formulierungsvorschlag für eine offene Umgehungsschutzklausel angeboten. Formulierungsvorschlag für eine offene Umgehungsschutzklausel innerhalb des § 15 (etwa § 15 Abs. 3a) UStG: Der Vorsteuerabzug ist ebenfalls ausgeschlossen für die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen, die ein grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer auf Veranlassung eines anderen Unternehmers, weIcher gemäß § 15 Abs. 2 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, zur Ausführung von Umsätzen an diesen anderen Unternehmer verwendet, wenn die Vorschaltung des grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmers als unangemessene Rechtsgestaltung zur Erlangung der wirtschaftlichen Vorteile des Vorsteuerabzugs durch den veranlassenden Unternehmer anzusehen ist.
Formulierungsvorschlag für eine offene Umgehungsschutzklausel innerhalb des § 9 (etwa § 9 Abs. 2 Satz 3 oder § 9 Abs. 3) UStG: Der Verzicht auf Steuerbefreiung nach Absatz I ist bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchstabe a) ebenfalls unzulässig, wenn die Leistung durch einen Unternehmer auf Veranlassung eines anderen, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmers an diesen anderen Unternehmer ausgeführt wird und die Vorschaltung des optionsberechtigten Unternehmers als unangemessene Rechtsgestaltung zur Erlangung der wirtschaftlichen Vorteile des Vorsteuerabzugs durch den veranlassenden Unternehmer anzusehen ist.
Diese oder vergleichbare Formeln können sowohl bereits bekannte, als auch zukünftig entstehende Vorschaltmodelle trotz der Auslegungsbedürftigkeit einzelner Tatbestandsmerkmale ("unangemessene Rechtsgestaltung") sicher verhindern. Denn es ist davon auszugehen, daß die Auslegung einer derartigen Norm durch die Rechtsprechung dem umsatzsteuerlichen System und der Intention des Gesetzgebers entsprechend vorgenommen werden würde. Weiterhin würde eine derartige Formulierung verhindern, daß Mietverhältnisse mit nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern als Mietern, die nicht als Vorschaltmodelle gelten können, vom Optionsrechtsausschluß betroffen werden.
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Schließlich können ebenfalls keine ungleichen Belastungswirkungen bei verschiedenen Vermietern entstehen, da das Bestehen des Optionsrechts eines Vennieters von Unternehmens grundstücken nach den genannten Fonneln nicht von der Art der unternehmerischen Nutzung der Mietsache durch den Mieter abhängt. cc) Fazit Zur Durchsetzung des Umgehungsschutzzwecks im Hinblick auf die Vorschaltmodelle gibt es demnach verschiedene Regelungsalternativen, die das Auftreten ungleicher Belastungswirkungen bei Vermietern außerhalb der Vorschaltmodelle venneiden würden. Die mit § 9 Abs. 2 UStG n.F. geschaffene Nonn ist daher zur Erreichung des Umgehungsschutzzwecks nicht erforderlich. Der Lenkungszweck des Umgehungsschutzes kann somit die durch die Neuregelung hervorgerufenen gleichheits widrigen Ungleichbehandlungen auf der Stufe der Vermieter nicht rechtfertigen. d) Angemessenheit der Neuregelung zur Ausschaltung von Vorschaltmodellen
Nachdem die Tauglichkeit des Umgehungsschutzziels als Rechtfertigungsgrund für die durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG bewirkten ungleichen Belastungswirkungen in der Sphäre der von einer options schädlichen Nutzungsänderung betroffenen Vermieter bereits an der Erforderlichkeit der Neuregelung zur Erreichung des Umgehungsschutzziels scheitert, sei lediglich ergänzend angemerkt, daß die Regelung für den Zweck des Umgehungsschutzes dariiber hinaus auch nicht als angemessen angesehen werden kann. Denn es bestehen durchgreifende Zweifel daran, daß der Umgehungsschutzzweck innerhalb einer Zweck-MittelRelation die am Maßstab der Leistungsfähigkeit begriindete gleichheits widrige Ungleichbehandlung zuriicktreten lassen kann. Bereits abstrakt betrachtet überwiegt das Leistungsfähigkeitsprinzip wertungsmäßig den Umgehungsschutzgedanken. Zwar dienen beide Prinzipien letztlich der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes. Das Leistungsfähigkeitsprinzip indessen ist eine sachbereichsspezifische Konkretisierung desselben in Fonn eines steuerrechtlichen Gleichheitsmaßstabs l38 , wohingegen das Umgehungsschutzziel lediglich die Aufgabe der Verwirklichung der Gleichbehandlung bestimmter, erst auf der Grundlage eines spezifischen Gleichheitsmaßstabs als gleich erkannter Personen oder Sachverhalte zu erfüllen hat. Gleichheitssystematisch betrachtet ist der Umgehungsschutzgedanke somit lediglich ein Sicherungsprinzip auch des Leistungsfähigkeitsprinzips und muß daher grundsätzlich im Einklang mit diesem verwirklicht werden. 138
s. oben, Teil c.n.1.b), S. 215 ff.
21 Löhr
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Demnach ist der Umgehungsschutzzweck kein Lenkungszweck, der die durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. verursachten Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips deutlich überwiegt. Die Norm ist demnach zur Erreichung des Umgehungsschutzziels nicht nur nicht erforderlich, sondern darüber hinaus auch nicht angemessen. e) Ergebnis § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG führt nach optionsschädlichen Nutzungsänderungen unternehmerisch tätiger Mieter zum Auftreten ungleicher Belastungswirkungen bei Vennietern. Diese Ungleichbehandlung kann nicht auf Grund eines vom Gesetzgeber verfolgten Umgehungsschutzzwecks in Gestalt der Absicht, § 15 Abs. 2 UStG vor Umgehungen durch Vorschaltmodelle zu schützen, gerechtfertigt werden. Denn zum Zwecke des Umgehungsschutzes ist die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG weder erforderlich noch angemessen. Insbesondere hätte die gesetzliche Ausschaltung der Vorschaltmodelle durch verschiedene andere Formulierungen erreicht werden können, die keine gleichheitswidrigen Belastungswirkungen der Vennieter in Abhängigkeit von der Art der Nutzung der Mietsache hervorrufen (verteilungsgerechte Regelungsalternativen). 139
Allerdings bleibt anzumerken, daß selbst derartige verteilungs gerechte Regelungsalternativen zur Ausschaltung der Vorschaltmodelle eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch § 9 UStG nur in bezug auf die ungleichen Belastungswirkungen vermeiden könnten, welche die Vennieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung treffen. Den darüber hinaus durch das Optionsrecht verursachten Gleichheitsverstoß in Form ungleicher Belastungswirkungen in der Sphäre der Verbraucher nachfolgender Handelsstufen 140 könnten auch diese "verteilungsgerechten Alternativregelungen" nicht beseitigen.
3. Keine Rechtfertigung durch den Lenkungszweck der Gleichstellung
Der Gesetzgeber des StMBG begründete die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG weiterhin maßgeblich damit, daß die Regelung "zur Gleichstellung aller Unternehmer, die wegen der Erzielung steuerfreier Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind,,141, dienen solle. Der Gesetzgeber verfolgte also vorgeblich auch einen Gleichstellungszweck, obwohl er eine sich in steuerlichen Belastungswirkungen konkretisierende Ungleichbehandlung rechtlich gleicher Personengruppen (Vennieter) verursachte. Dieser Lenkungszweck könnte als Rechtfertigungsgrund 139 s. dazu oben, Teile D.VI.2.c)aa), S. 309 ff., insb. D.VI.2.c)aa)(4), S. 316 ff., sowie D.VI.2.c)bb), S. 319 ff. 140 s. oben, Teile D.I., S. 285 ff. und D.III., S. 294 ff. 141 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (re. Sp.).
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für die Durchbrechung des umsatzsteuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips eingreifen. Es ist daher zunächst festzustellen, auf welche Personen sich dieser Gleichstellungszweck bezieht und ob der auf diese Weise konkretisierte Gleichstellungszweck in der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG jeweils zugleich objektiv zum Ausdruck kommt. Ist dies der Fall, so ist schließlich zu untersuchen, ob § 9 Abs. 2 UStG n.F. zur Verwirklichung des jeweiligen Gleichstellungsziels geeignet und erforderlich ist und ob der Durchsetzung dieses Ziels im Rahmen einer strengen Verhältnismäßigkeitsabwägung jeweils der Vorrang vor der Verwirklichung des umsatzsteuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips gebührt.
a) Adressaten des Gleichstellungszwecks
Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen alle "Unternehmer, die wegen der Erzielung steuerfreier Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind,d42, durch die Neuregelung gleichgestellt werden. Um welche Unternehmer es sich dabei handeln soll, wird jedoch nicht ausdrücklich erklärt. Auch der Kontext der Gesetzesbegründung läßt mehrere Interpretationen hinsichtlich des Adressatenkreises des Gleichstellungszwecks zu. Daher ist einerseits denkbar, daß die Neuregelung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Gleichstellung der Vermieter bewirken soll, welche von der Erweiterung des Optionsrechtsausschlusses betroffen werden. Andererseits ist jedoch nicht auszuschließen, daß der Gesetzgeber statt dessen die Gleichstellung derjenigen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Mieter, deren Vermietern durch die Neuregelung das Optionsrecht entzogen wird, untereinander oder im Verhältnis zu anderen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern beabsichtigte. Diese Ambivalenz der Gesetzesbegründung bedeutet indes nicht zwingend, daß sämtliche in Betracht kommenden Zweckrichtungen des vom Gesetzgeber angeführten Gleichstellungszwecks als Rechtfertigungsgründe zu prüfen sind. Denn eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung durch steuerliche Belastungswirkungen kann nicht durch subjektive Lenkungszwecke der gesetzgebenden Organe, sondern ausschließlich durch objektive (verobjektivierte) Lenkungszwecke gerechtfertigt werden. 143 Prüfungsrelevant ist aus diesem Grunde hier nur ein solcher Gleichstellungszweck, der sowohl von einer entsprechenden Lenkungsabsicht der gesetzgebenden Organe getragen als auch durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG derart verkörpert wird, daß er als objektiver Normzweck angesehen werden kann. Die Verobjektivierung eines Gleichstellungszwecks läßt sich dabei am deutlichsten daran messen, ob er sich zugleich in einer Gleichstellungswirkung des § 9 Abs. 2 UStG konkretisiert. 142 143
21*
BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (re. Sp.). Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 240 (Fn. 15).
324
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Da bereits an früherer Stelle l44 untersucht wurde, welche Gleichstellungswirkungen § 9 Abs. 2 UStG n.F. verursacht, kann insoweit hier auf diese Analyse Bezug genommen werden. Die nachfolgende Prüfung kann daher auf die Untersuchung derjenigen denkbaren Zweckrichtungen des Gleichstellungszwecks beschränkt werden, welche sich in den oben beschriebenen Gleichstellungswirkungen zwischen verschiedenen Unternehmern konkretisiert haben.
b) Gleichstellungszweck bezogen auf abzugsschädlich tätige Unternehmer innerhalb und außerhalb von Vorschaltmodellen bei Immobilieninvestitionen
Der vom Gesetzgeber erklärte Gleichstellungszweck l45 steht zunächst in engem Zusammenhang mit dem Umgehungsschutzzweck zum Ausschluß der Vorschaltmodelle vom Vorsteuerabzug, welcher auch ein objektiver Normzweck der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG ist. l46 Es ist daher naheliegend anzunehmen, daß die Neuregelung gerade der wettbewerbsbezogenen Gleichstellung aller vorsteuerabzugsschädlich tätigen Unternehmer dienen soll, welche, unabhängig von der rechtlichen Einkleidung ihrer Investition, ökonomisch betrachtet den Erwerb oder die Errichtung eines im eigenen Unternehmen benötigten Betriebsgebäudes finanziert haben. Ein derartiger Lenkungszweck korrespondiert mit der umsatzsteuerrechtlichen Gleichstellungswirkung, die zwischen den Mietern im Rahmen eines Vorschaltmodells und denjenigen abzugsschädlich tätigen Unternehmer festzustellen ist, welche ein benötigtes Betriebsgebäude selbst erworben oder errichtet haben. 147 Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG wäre somit geeignet zur Durchsetzung dieses - objektiven - Lenkungsziels. Allerdings hätte ein so verstandener Gleichstellungszweck ebenso wie der Umgehungsschutzzweck durch eine "mildere" Regelung in Gestalt einer verteilungsgerechten Regelungsalternative l48 erreicht werden können. Es fehlt daher die Erforderlichkeit der getroffenen Neuregelung für die Durchsetzung eines Lenkungszweck!), welcher als Intention zur Gleichstellung nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer innerhalb und außerhalb der Vorschaltmodelle bei der Vornahme von Immobilieninvestitionen interpretiert wird. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung durch einen derartigen Gleichstellungszweck scheidet daher aus. 144 Zum Auftreten von Gleichstellungswirkungen als Lenkungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. s. oben, Teil B.lV.3., S. 170 ff. 145 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (re. Sp.). 146 Zum Umgehungsschutzzweck als objektivem Normzweck s. oben, Teil D.VI.2.a), S. 307 f. 147 Genauer oben, Teil B.lV.3.a), S. 171 ff. 148 s. oben, Teile D.VI.2.c)aa)(4), S. 316 ff. und D.VI.2.c)bb), S. 319 ff.
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
325
c) Vermieterbezogener Gleichstellungszweck
Weiterhin erscheint es möglich, den lenkenden Gleichstellungszweck auf die Unternehmergruppe der Vermieter zu beziehen.
aa) Einbeziehung sämtlicher Vermieter in den Gleichstellungszweck Ein vermieterbezogener Gleichstellungszweck könnte auf der Grundlage der vom Gesetzgeber geäußerten subjektiven Absicht zur Gleichstellung "aller Unternehmer, die wegen der Erzielung steuerfreier Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind,,149 wörtlich verstanden dahingehend interpretiert werden, es sollten tatsächlich sämtliche Vermieter umsatzsteuerrechtlich gleichgestellt werden. Ein derartiges Verständnis läßt sich jedoch keinesfalls als objektiver Normzweck des § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG ansehen. Denn die Neuregelung konkretisiert sich nur teilweise in einer Gleichstellungswirkung hinsichtlich einiger Vermieter, führt jedoch gleichzeitig zu einer neuartigen Differenzierung zwischen anderen Vermietergruppen. Umsatzsteuerlieh gleichgestellt werden lediglich die Vermieter, deren Mieter Nichtunternehmer sind, mit den Vermietern abzugsschädlich unternehmerisch tätiger Mieter. 15o Die Vermieter vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer werden hingegen im Vergleich zu sämtlichen anderen Vermietergruppen differenzierend 151 behandelt. Der Norm des § 9 Abs. 2 UStG n.F. liegt daher kein objektiver Lenkungszweck zur umsatzsteuerrechtlichen Gleichstellung sämtlicher Vermieter zugrunde.
bb) Beschränkung des Gleichstellungszwecks auf Vermieter abzugsschädlich unternehmerisch tätiger Mieter und Vermieter von Nichtunternehmern Man könnte daher erwägen, die verlautbarte Intention des Gesetzgebers zur Gleichstellung vorsteuerabzugsschädlich tätiger Unternehmer als vermieterbezogenen Gleichstellungszweck lediglich auf diejenigen Vermietergruppen zu beziehen, die tatsächlich von der entsprechenden Gleichstellungswirkung der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG erfaßt werden. Wie bereits an friiherer Stelle l52 gezeigt, sind dies Vermieter, deren Grundstücke auf der Endstufe von Nichtunternehmern und zumindest teilweise abzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mietern genutzt werden.
149 150 151 152
BT-Drucks. 1215630, S. 87 (re. Sp.). Zu dieser Gleichstellungswirkung s. oben, Teil B.lV.3.b), S. 172 f. Zu dieser Differenzierungswirkung s. oben, Teil B.lV.4.a), S. 175 f. s. oben, Teil B.lY.3.b), S. 172 f.
326
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Eine derartige Beschränkung des subjektiv verstandenen Gleichstellungszwecks mag zunächst auf Grund der Weite der bisher stets zitierten Formulierung der Gesetzesbegründung ("zur Gleichstellung aller Unternehmer, die wegen der Erzielung steuerfreier Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind,,153) unzulässig wirken. Jedoch läßt sich diese Formulierung aus dem Gesamtzusammenhang der amtlichen Begründung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. teleologisch auch dahingehend interpretieren, daß der vermieterbezogene Gleichstellungszweck vielmehr lediglich als "Intention zur Gleichstellung aller Vermieter, deren Grundstücke auf der Endstufe nicht ausschließlich zur Ausführung solcher Umsätze verwendet werden, welche zum Vorsteuerabzug berechtigen", zu verstehen sei. Denn die amtliche Begründung zu § 9 Abs. 2 UStG n.F. weist innerhalb des teleologisch mit dem allgemein formulierten Gleichstellungszweck zusammenhängenden Kontextes zugleich immer wieder auf die vermeintliche Notwendigkeit zur Vermeidung von Gestaltungsformen hin, durch die der Vorsteuerabzug "erlangt" werden könne, obwohl "auf der Endstufe ( ... ) der Vorsteuerabzug ausgeschlossen,,154 sei. Stellt man einen teleologischen Zusammenhang zwischen diesem Ziel und dem vermieterbezogenen Gleichstellungszweck her, so ließe sich der Gesetzesbegründung auch der genannte eingeschränkte vermieterbezogene Gleichstellungszweck als Regelungsziel entnehmen. Beide Absichten des Gesetzgebers lassen sich nämlich gerade durch eine Regelung wie § 9 Abs. 2 UStG n.F. zugleich verwirklichen, die in allen Fällen der Beteiligung eines Mieters auf der Endstufe, welcher das Mietobjekt nicht zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze nutzt, die Gleichbehandlung der Vermieter durch eine generelle (gleichmäßige) Versagung des Optionsrechts bewirkt. Die teleologische Interpretation des vermieterbezogenen Gleichstellungszwecks als "Intention zur Gleichstellung aller Vermieter, deren Grundstücke auf der Endstufe nicht zur Ausführung solcher Umsätze verwendet werden, welche ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigen", erscheint daher zumindest vertretbar. Nur auf der Grundlage dieser teleologischen Interpretation des subjektiven Gleichstellungszwecks decken sich schließlich Normwirkung und subjektiver Normzweck, so daß ausschließlich ein derart auf die genannten Vermietergruppen beschränkter Lenkungszweck als vermieterbezogener objektiver Gleichstellungszweck gelten kann. (1) Geeignetheit der Neuregelung
Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG ist zur Durchsetzung eines derart verstandenen Gleichstellungszwecks geeignet, da infolge der Regelung eine Gleichstellungswirkung bezüglich aller Vermieter eingetreten ist, deren Mieter das Mietgrundstück auf der Endstufe auch vorsteuerabzugsschädlich nutzen. 155 BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (re. Sp.). BT-Drucks. 12/5630, S. 87 (insb. li. Sp.). 155 s. oben, Teil B.Iy'3.b), S. 172 f. 153
154
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
327
(2) Erforderlichkeit der Neuregelung
Interpretiert man den vermieterbezogenen Gleichstellungszweck wie vorgeschlagen als Intention zur Gleichstellung aller Vermieter, deren Grundstücke auf der Endstufe nicht ausschließlich zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, so ist fraglich, ob die Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG zur Erreichung dieses Ziels auch erforderlich ist. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn ein gleich geeignetes Mittel zur Durchsetzung des Gleichstellungsziels existiert, welches jedoch die Entstehung ungleicher steuerlicher Belastungswirkungen vermeidet. Um die umsatzsteuerliche Gleichstellung aller Vermieter zu erreichen, deren Grundstücke auf der Endstufe abzugsschädlich verwendet werden, bestehen theoretisch zwei Möglichkeiten. Das Optionsrecht könnte einerseits, wie durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. geschehen, den verschiedenen Vermietern einheitlich versagt werden. Andererseits stünden die betroffenen Vermietergruppen auch dann umsatzsteuerrechtlieh gleich, wenn das Optionsrecht allen gleichmäßig gewährt würde. Das hier angenommene Gleichstellungsziel hätte somit alternativ auch durch eine Regelung erreicht werden können, welche für Vermieter von Nichtunternehmern gleichfalls ein Optionsrecht schafft. Eine derartige Regelung wäre in gleicher Weise zur Durchsetzung des vorausgesetzten Gleichstellungszwecks geeignet. Fraglich ist allerdings, ob sie zugleich "milder" wäre als die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG, ob sie also im Gegensatz zu § 9 Abs. 2 UStG n.F. das Entstehen ungleicher Be1astungswirkungen vermeiden kann. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, daß eine Alternativregelung, die auch den Vermietern von Nichtunternehmern ein Optionsrecht gewährt, diejenigen ungleichen Belastungswirkungen, die durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. auf der Ebene der Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung verursacht werden, tatsächlich vermeiden könnte. Denn ein optionsschädlicher Nutzungswechsel der Mieter wäre unmöglich, wenn sämtliche Vermieter unabhängig von der Art der Tätigkeit ihrer Mieter auf der Endstufe optionsberechtigt wären. Ein wirklich "milderes Mittel" im Gegensatz zu § 9 Abs. 2 UStG n.F. wäre eine derartige Regelung aber dennoch nicht. Denn sie führte durch Gewährung des Optionsrechts zwangsläufig zu ungleichen Belastungswirkungen bei Verbrauchern auf dem Vermietungsumsatz nachfolgenden Verbrauchsstufen in Abhängigkeit von der Optionsrechtsausübung der Vermieter. 156 Die Belastungsungleichheit würde also durch diese alternative Methode der Gleichstellung von der Ebene der Vermieter lediglich auf die Ebene der Verbraucher verschoben. Es ist daher kein Vorrang der einen vor der anderen Alternative zur Durchsetzung des hier vorausgesetzten Gleichstellungszwecks zu erkennen.
156
Dazu oben, Teile 0.1., S. 285 ff., 0.111., S. 294 ff. und B.l11.2., S. 157 ff.
328
D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
§ 9 Abs. 2 UStG n.F. ist somit als erforderlich zur Durchsetzung eines Gleichstellungszwecks anzusehen, welcher als Intention zur Gleichstellung aller Vermieter, deren Mieter auf der Endstufe nicht ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt tätig sind, interpretiert wird.
(3) Angemessenheit der Neuregelung § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG müßte schließlich auch eine angemessene Regelung zur Verwirklichung des angenommenen Lenkungszwecks darstellen. Zu untersuchen ist daher, ob der eingeschränkte vermieterbezogene Gleichstellungszweck einen sachgerechten bereichsspezifischen Grund solcher Art und von solchem Gewicht darstellt, daß der durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. verursachte Bruch des Verbrauchsteuerprinzips deutlich dahinter zurücktreten muß. 157
(a) Ein steuerlicher Lenkungszweck kann die Durchbrechung eines sachgerechten Lastenausteilungsmaßstabs im Rahmen eines verfassungsrechtlichen Abwägungsvorgangs zunächst jedoch nur überwiegen, wenn er von der Verfassung nicht lediglich toleriert, sondern darüber hinaus erkennbar gefördert wird. 158 Der Lenkungszweck muß also einer normierten verfassungsrechtlichen, insbesondere wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundwertung oder einem sonstigen, erkennbar verfassungsrechtlich geschützten Wert des Gemeinwohls immanent sein. 159 Ein Gleichstellungszweck als solcher ist demnach im Rahmen der notwendigen Abwägung von Mittel und Zweck der Neuregelung kein aussagekräftiger Wertungsgesichtspunkt. Denn die Absicht der Gleichstellung verschiedener Personengruppen ist niemals Selbstzweck. Um eine begründete Abwägung zwischen dem hier angenommenen Gleichstellungszweck und der bei dessen Umsetzung durch § 9 Abs. 2 UStG bewirkten Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips vornehmen zu können, ist also zu ermitteln, welche Wertungsgesichtspunkte hinter einem als "Intention zur Gleichstellung aller Vermieter, deren Mieter auf der Endstufe nicht ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt sind", verstandenen Gleichstellungszweck stehen könnten. Sofern man diesen Gleichstellungszweck indes als Lenkungszweck begreift, darf der Absicht zur Gleichstellung keine Tendenz zur Schaffung von Belastungsgleichheit unterstellt werden. Denn andernfalls wäre der Gleichstellungszweck Ausdruck eines vom Gesetzgeber in bewußter Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip gewählten andersartigen Lastenausteilungsmaßstabs. Dieser ermög157 Zu den Anforderungen an einen Rechtfertigungsgrund allg.: Teil C.I.3., S. 187 ff., insb. C.I.3.b)cc)(3), S. 197 ff.; speziell für Ungleichbehandlungen durch § 9 Abs. 2 UStG: Teil D.II.1., S. 286 ff. sowie Teil D.VI.1., S. 305 f. 158 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 244 ff. 159 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 244 ff.; Rüfner, in: BonnerKomm, GG, Art. 3 Abs. 1 Rnr. 109.
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
329
licht zwar gegebenenfalls als solcher ebenfalls eine Rechtfertigung der Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips, wenn er auf andere, vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichende Weise die lastenausteilenden Verfassungsnormen umsetzen kann. 16O Die Rechtfertigung der Abweichung steuerlicher Belastungswirkungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip durch überragende Lenkungszwecke und die Rechtfertigung dieser Abweichung durch eine vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichende Lastenentscheidung des Gesetzgebers betreffen jedoch verschiedene Wertungsebenen und sind daher strikt voneinander zu trennen. 161 (b) Motive für einen Gleichstellungszweck der hier angenommenen Art, die nicht auf die Herbeiführung einer bestimmten Belastungswirkung abzielen, sind indes schwer zu finden. Insbesondere die in der knappen Gesetzesbegründung zu Art. 20 Nr. 9 des StMBG I62 veröffentlichten Erläuterungen des Gesetzgebers sind diesbezüglich sehr mißverständlich. Bezieht man nämlich den Gleichstellungszweck, wie hier vorausgesetzt, nur auf bestimmte Vermietergruppen, so entsteht bei wörtlichem Verständnis der Gesetzesbegründung der Eindruck, der Gesetzgeber wolle dieses Gleichstellungsziel verwirklichen, um die von der Gleichstellung durch die Versagung des Optionsrechts betroffenen Vermieter zwecks "Vermeidung von erheblichen Steuerausfällen,,163 gleichmäßig steuerlich zu belasten. Eine derartige Wertung wäre jedoch gerade Ausdruck eines Belastungszwecks, so daß die Erwägungen nicht als Grundlage eines lenkenden Gleichstellungszwecks taugen. Darüber hinaus zeugte dieses Motiv von einem grundsätzlichen Mißverständnis des Wirkungsprinzips der Umsatzsteuer als Leistungsfähigkeitssteuer. Denn es würde verkannt, daß Vermieter als umsatzsteuerrechtliche Unternehmer auch dann grundsätzlich nicht steuerlich belastet werden, wenn ihnen ein Optionsrecht und somit die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug versagt wird, da für sie grundsätzlich die Möglichkeit zur (offenen oder verdeckten) Überwälzung steuerlicher Belastungen besteht. Diejenigen gesetzgeberischen Erwägungen, welche zur Beschränkung des hier vorausgesetzten Gleichstellungszwecks auf Vermieter, deren Mieter auf der Endstufe nicht ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt sind, herangezogenen wurden, sind somit als Wertungsgrundlage eines lenkenden Gleichstellungszwecks untauglich. l64 160 Zur Möglichkeit der Rechtfertigung einer Durchbrechung des Leistungsfahigkeitsprinzips mittels einer vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichenden Lastenentscheidung des Gesetzgebers, die ebenfalls mit den lastenausteilenden Verfassungsnormen vereinbar ist, s. insb. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 238 LY.m. S. 164. 161 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 238 f. Zur Prüfung eines Gleichstellungszwecks als vom Leistungsfahigkeitsprinzip abweichenden Lastenausteilungsmaßstabs s. unten, Teil D.VI.4., S. 333 ff. 162 Zur Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG: BGB!. 1993 I, 2310, 2339; Zur Begründung: BT-Drucks. 12/5630, S. 87. 163 BT-Drucks. 12/5630, S. 87.
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
(c) Demzufolge könnte sich der angenommene lenkende Gleichstellungszweck bestenfalls auf die Absicht zu einer rein formalen (steuertechnischen) Gleichstellung der verschiedenen Vermietergruppen stützen. Hinter dem Zweck zu formaler Gleichstellung bestimmter Personengruppen könnte die Absicht zur Verwaltungsvereinfachung oder zur Erhöhung der Akzeptanz der Steuererhebung stehen. Eine formale Gleichstellung erscheint angezeigt, wenn die betreffenden Personen - wie die hier betrachteten Vermietergruppen - lediglich steuertechnisch verschieden behandelt werden, obwohl sie materiell-steuerlich gleich belastet sind. Allerdings sind derart formale Gesichtspunkte der Besteuerung schon hinsichtlich ihrer abstrakten Wertigkeit den materiellen Besteuerungsprinzipien unterlegen. Sie lassen sich grundsätzlich nicht als verfassungsrechtlich verankerte Gründe solcher Art und von solchem Gewicht ansehen, daß sie eine Durchbrechung der materiellen Besteuerungsprinzipien zurücktreten lassen könnten. Darüber hinaus sollte gerade die formale Gleichstellung bestimmter Personen durch Regelungen umgesetzt werden, die der dem Gesetz zugrundeliegenden Systematik zur Geltung verhelfen. Für die hier betrachteten Vermietergruppen bedeutete dies auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips, daß deren formale Gleichstellung ihre umsatzsteuerrechtliehe Unternehmereigenschaft stärker verdeutlichen sollte, indem ihnen der Struktur des Umsatzsteuergesetzes entsprechend der Vorsteuerabzug gewährt würde. Die Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG bewirkt jedoch das Gegenteil dessen, da sie den betroffenen Vermietern mit der Versagung des Optionsrechts jegliche Chance nimmt, formal systemgerecht wie ein Unternehmer behandelt zu werden. Es bestand also offenbar kein Interesse des Gesetzgebers an einer dem System des Umsatzsteuerrechts gerecht werdenden Gleichstellung der Vermietergruppen, was darauf schließen läßt, daß der formale Gleichstellungszweck hier insgesamt nicht von überragender Bedeutung ist. Schließlich erscheint außerdem auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips die Auswahl der wegen materieller Belastungsgleichheit formal gleichzustellenden Vermietergruppen willkürlich. Denn auf Grund des Überwälzungsprinzips sind sämtliche Vermieter, also auch die Vermieter vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer, grundsätzlich gleich belastet. Demnach wären formal sämtliche Vermietergruppen gleichzustellen. Man kann somit folgern, daß die unterstellte Absicht zu formaler steuertechnischer Gleichbehandlung der betroffenen Vermieter nicht von so außerordentlicher Bedeutung ist, daß die materiellen Besteuerungsgrundsätze ausnahmsweise dahinter zurücktreten müssen. Eine die formale Gleichbehandlung bezweckende Norm hätte daher die Belastungsgleichheit zwischen den betroffenen Vermietergruppen wahren müssen. (d) Ein Gleichstellungszweck, der als Intention zur Gleichstellung aller Vermieter interpretiert würde, deren Grundstücke von Mietern der Endstufe nicht aus164 Zur Prüfung der Tauglichkeit des als Lastenausteilungsmaßstab verstandenen Gleichstellungszwecks zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung s. unten, Teil D.VI.4., S. 333 ff.
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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schließlich zur Ausführung solcher Umsätze verwendet werden, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, taugt somit ebenfalls nicht zur Rechtfertigung der durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. auf der Stufe optionsberechtigter Vermieter hervorgerufenen Belastungsungleichheiten.
d) Mieterbezogener Gleichstellungszweck
Nachdem ein vermieterbezogener lenkender Gleichstellungszweck in jeglicher erdenklichen Form keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der gleichheitswidrigen Ungleichbehandlung des § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG ermöglichen kann, bleibt abschließend zu untersuchen, ob eine Rechtfertigung zu finden ist, wenn der vom Gesetzgeber verlautbarte Gleichstellungszweck auf abzugsschädlich unternehmerisch tätige Mieter bezogen wird. Allerdings entsteht eine Gleichstellungswirkung in der Sphäre der abzugsschädlich unternehmerisch tätigen Mieter lediglich in bezug auf diese Mieter untereinander. 165 Mangels Eignung andersartiger mieterbezogener Gleichstellungszwecke kann daher allenfalls in einer verobjektivierten gesetzgeberischen Intention, die dieser Gleichstellungswirkung entspricht, ein tauglicher Rechtfertigungsgrund gefunden werden. Zur Rechtfertigung der vermieterbezogenen ungleichen Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG n.F. könnte somit nur ein mieterbezogener Gleichstellungszweck in Betracht kommen, der als Absicht zur Gleichstellung abzugsschädlich unternehrnerisch tätiger Mieter untereinander verstanden wird. Geht man von einem derartigen objektiven Gleichstellungszweck aus, so könnte dieser vor allem auf dem Motiv zur Beseitigung solcher Steuerwirkungen beruhen, die den Wettbewerb zwischen den betroffenen Mietern beeinträchtigen. Denn auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 166 konnten in Abhängigkeit von der Ausübung des Optionsrechts durch die Vermieter Wettbewerbsverzerrungen zwischen nicht vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mietern untereinander entstehen. 167 Der angenommene Gleichstellungszweck mit dem Ziel der Beseitigung gesetzlich ermöglichter Wettbewerbsbeeinträchtigungen zwischen nicht vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätigen Mietern erscheint daher als legitimer Lenkungszweck. Die Beseitigung gesetzlich verursachter Einwirkungen in den Wettbewerb zwischen verschiedenen Marktteilnehmern läßt sich vor dem Hintergrund der bestehenden Wirtschaftsverfassung, welche auf Grund freiheitsgrundrechtlicher Garantien und der bisherigen Praxis der Gesetzgebung durch das Bestehen eines weitgehend staatlich unbeeinflußten freien Marktes gekennzeichnet ist l68 , darüber hin165 166
167
s. oben, Teil B.lV.3.c) und d), S. 173 ff. BOB!. 1984 I, 1493, 1506. s. oben, Teil B.lY.3.d), S. 173 f.
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
aus als eine verfassungsrechtlich gebotene wirtschaftspolitische Leitaufgabe l69 des Gesetzgebers ansehen. Dennoch läßt sich im Rahmen einer Abwägung zwischen Mittel und Zweck der Neurege1ung des § 9 Abs. 2 UStG nicht feststellen, daß die Durchsetzung des wettbewerbsbezogenen Gleichstellungszie1s einen deutlichen Vorrang vor der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips genießt. Denn die wettbewerbsbezogene Gleichstellung aller Mieter, welche als Unternehmer nicht ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze ausführen, könnte gleichfalls erreicht werden, wenn sämtlichen Vermietern in deren Eigenschaft als umsatzsteuerrechtliche Unternehmer stets das Vorsteuerabzugsrecht gewährt würde und gleichzeitig alle Vermietungsumsätze unter Abschaffung des Optionsrechts einheitlich steuerpflichtig oder steuerfrei gestellt würden. Auf diese Weise wäre die Gleichstellung der betreffenden Mieter im Rahmen des Gesamtsystems der Umsatzsteuer in systemgerechter, das Leistungsfähigkeitsprinzip wahrender und somit vorzugswürdiger Weise erreichbar. Eine solche systemgerechte Lösung ist indes nicht allein durch eine Änderung des § 9 UStG zu erreichen, sondern erforderte vielfältige Korrekturen des Umsatzsteuergesetzes insgesamt. Daher können diese Überlegungen wohl nicht bereits zur Ablehnung der Erforderlichkeit der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG im Hinblick auf das betrachtete wettbewerbsbezogene Gleichstellungsziel führen. Im Rahmen der wertenden Abwägung auf der Angemessenheitsstufe der Rechtfertigungsprüfung allerdings kann unter Berücksichtigung dieser Einwände keinesfalls ein deutliches Überwiegen des wettbewerbsbezogenen Gleichstellungszwecks vor dem Leistungsfähigkeitsprinzip festgestellt werden. Demnach kann auch ein mieterbezogener lenkender Gleichstellungszweck die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf der Stufe optionsberechtigter Vermieter nicht rechtfertigen, welche § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG herbeiführt.
e) Ergebnis Lenkungszwecke in Gestalt von Gleichstellungszwecken jeglicher Art vermögen den durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. herbeigeführten Gleichheitsverstoß durch das Auftreten ungleicher steuerlicher Belastungswirkungen in der Sphäre optionsberechtigter Vermieter nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung der Mieter nicht zu rechtfertigen. 168 s. nur: BVerfG v. 01. 03. 1979 - 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78 -, BVerfGE 50, 290, 336 ff. (Paritätische Mitbestimmung); R. Schmidt, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft, HBStR III, § 83, insb. Rnr. 8 ff., 12 ff., 22 ff. 169 Zu wirtschaftsrechtlichen Leitaufgaben der Verfassung als rechtfertigende Lenkungsziele s. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 245 ff.
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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4. Keine Rechtfertigung durch einen vom Leistungsflihigkeitsprinzip abweichenden Lastenausteilungsmaßstab
Verstößt eine steuerrechtliche Norm gegen das als Lastenausteilungsmaßstab dienende Leistungsfähigkeitsprinzip, so kann dieser Verstoß nicht ausschließlich durch vom Gesetzgeber beabsichtigte Lenkungszwecke gerechtfertigt werden. Die Abweichung der Norm vom Leistungsfähigkeitsprinzip kann vielmehr auch darin begründet liegen, daß der Gesetzgeber aus Gleichheitserwägungen gerade eine abweichende Lastenverteilung für sachgerecht hält. Ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip ist daher auch dann gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber eine bewußt hiervon abweichende, jedoch dennoch die lastenausteilenden Verfassungsnormen in Gestalt des allgemeinen Gleichheitssatzes wahrende Belastungsentscheidung trifft. 170 Wie bereits angedeutet 171 , könnte die Gesetzesbegründung 172 zu § 9 Abs. 2 UStG Ld.F. durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG dahingehend verstanden werden, daß auch dieser Norm eine vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichende Belastungsentscheidung des Gesetzgebers in der besonderen Form eines lastenausteilenden Gleichstellungszwecks zugrunde liegt.
a) Vermieterbezogener Lastenausteilungszweck Zunächst könnte man annehmen, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG eine vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichende Gleichstellung verschiedener Vermietergruppen im Hinblick auf deren steuerliche Belastungen beabsichtigt, indem er bestimmten Vermietern das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht und somit gleichzeitig das Recht zum Vorsteuerabzug entzogen hat. 173 Allerdings ist wegen der Möglichkeit verdeckter Überwälzung 174 davon auszugehen, daß Vermieter als umsatzsteuerrechtliche Unternehmer selbst dann nicht wie ein Steuerträger umsatzsteuerrechtlich belastet werden, wenn ihnen kein Vorsteuerabzugsrecht zusteht, da sie auch nicht abziehbare Vorsteuern verdeckt im Rahmen des Mietzinses überwälzen werden. Die wirtschaftliche Notwendigkeit zur verdeckten Überwälzung nicht abziehbarer Vorsteuern beeinträchtigt zwar möglicherweise ihre Wettbewerbsposition, verursacht jedoch grundsätzlich keine steuerlichen Belastungswirkungen. Vermieter sämtlicher Mietergruppen standen 170 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 238 i.Y.m. S. 164; vgJ. auch oben, Teil D.VI.3.c) bb)(3)(a), S. 328 f. 171 s. oben, Teil D.VI.3.c)bb)(3)(b), S. 329 f. 172 BT-Drucks. 12/5630, S. 87. 173 VgJ. oben, Teil D.VI.3.c)bb)(3)(b), S. 329 f. 174 Dazu oben, Teil B.1.2.e)cc)(2)(c), S. 104 f.
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
daher bereits vor der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG im Hinblick auf die sie betreffenden Belastungswirkungen grundsätzlich gleich. Eine neuartige lastenausteilende Gleichstellung konnte demnach durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. nicht geschaffen werden. Die Neufassung ist somit zur Erreichung eines vermieterbezogenen Lastenausteilungszwecks nicht geeignet, so daß eine Rechtfertigung des Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip insofern ausscheidet. b) Mieterbezogener Lastenausteilungszweck Ein etwas differenzierteres Bild ergibt sich jedoch unter der Annahme, der Gesetzgeber habe die Neuregelung auf der Grundlage eines mieterbezogenen lastenausteilenden Gleichstellungszwecks gestaltet. Verfolgt man nämlich die Entwicklung des § 9 Abs. 2 UStG n.F. zurück bis zu den erstmaligen Vorschlägen zur Beschränkung des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze in den Beratungen zum UStG 1980 175 , welche jedoch erst durch Art. 36 Nr. 2 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes 1981 176 verwirklicht wurden, so lassen die jeweiligen Begründungen der verschiedenen Änderungsvorschläge und Einschränkungen der Norm erkennen, daß sich bis 1985 eine bestimmte Belastungsverteilungsvorstellung der Gesetzgeber entwickelte, auf Grund deren die bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommenen Einschränkungen des Optionsrechts für Vermietungsumsätze folgerichtig erschienen. 177 Sämtliche zur Durchsetzung dieser Belastungsvorstellung bis 1985, d. h. bis einschließlich der durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 178 vorgenommenen Einschränkungen der Option für Vermieter führten stets zur unmittelbaren Entstehung beabsichtigter steuerlicher Be1astungsfolgen sowie zu steuerlichen Mehreinnahmen. Daher ist zu vermuten, daß auch der Gesetzgeber des StMBG I79 offenbar glaubte, durch die von ihm vorgenommene, auf den ersten Blick mit früheren Änderungen strukturgleiche weitere Einschränkung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze an dieses Prinzip anzuknüpfen. Wie sich jedoch zeigen wird, hat der Gesetzgeber des StMBG die Grenzen des früher gefundenen Grundsatzes bei der erneuten Änderung des § 9 Abs. 2 UStG 175 Zu den nicht im UStG 1980 v. 26. 11. 1979 (BGBI. 1979 1,1953, 1961) verwirklichten Änderungsvorschlägen s. BT-Drucks. 8/1779, S. 38. 176 Zweites Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur v. 22. 12. 1981, BGBI. 1981 I, 1523 ff., Art. 36 Nr. 2 s. S. 15S3. 177 Dazu sogleich aa). 178 Steuerbereinigungsgesetz 1985 v. 14. 12. 1984, BGBI. 1984 1,1493 ff., Art. 17 Nr. 5 s. S.1506. 179 Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz - StMBG) v. 21. 12. 1993, BGBI. 1993 I, 2310 ff.
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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überschritten, so daß der Neufassung folglich keine zu deutlichen staatlichen Mehreinnahmen führende mieterbezogene Belastungswirkung mehr zukommt. 180 Eine Rechtfertigung der durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. hervorgerufenen Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch einen vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichenden, aber dennoch den Gleichheitssatz wahrenden mieterbezogenen Lastenausteilungszweck scheidet demnach im Ergebnis aus.
aa) Vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichender mieterbezogener Lastenausteilungsgrundsatz bis 1985 Die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 2 UStG heutiger Fassung beginnt in den Beratungen zum UStG 1980. 181 Hier wurde erstmals darüber diskutiert, ob die bis dahin unbeschränkte Option für Vermietungsumsätze an Unternehmer dadurch zu beschränken sei, daß die Ausübung der Option an einen vom Vermieter zu führenden Nachweis gebunden wird, daß das Grundstück nicht Wohnzwecken dient oder zu dienen bestimmt ist. 182 Dies erschien zunächst erforderlich, um insbesondere für die Fälle der zwischenzeitlich entstandenen Zwischenvermietungsmodelle 183 zu verhindern, "daß bei der Vermietung von Wohnungen die Steuerpflicht zur Erlangung des Vorsteuerabzugs mißbräuchlich gewählt wird,,184. Der genannte Vorschlag der Bundesregierung zur Einschränkung des Optionsrechts in den Beratungen zum UStG 1980 wurde jedoch entsprechend einer gegenteiligen Empfehlung des Finanzausschusses des Bundestages 185 im UStG 1980 nicht umgesetzt. 186 Zur Begründung wird diesbezüglich vorrangig auf die Interessen der Wohnungsbauwirtschaft verwiesen 187 , woraus indes deutlich wird, daß die Einführung eines Optionsrechts für Vermietungsumsätze an sich zu diesem Zeitpunkt noch als eine eher Genauer unten, Teil D.VI.4.b)bb), S. 339 ff. Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze v. 26. 11. 1979, BGB!. 1979 I, 1953, 1961. Amtliche Begründung s. BT-Drucks. 8/1779, S. 38. 182 BT-Drucks. 8/1779, S. 38. 183 Zu den verschiedenen Zwischenvermietungsmodellen s. oben, Teil D.YI.2.c)aa)(I), S. 310 ff. 184 BT-Drucks. 8/1779, S. 38 (Ii. Sp.). 185 BT-Drucks. 8/2827, insb. S. 66. 186 s. § 9 UStG i.d.F. des UStG 1980, BGB!. 1979 1,1953, 1961: ,,§ 9 Verzicht auf Steuerbefreiungen: Der Unternehmer kann einenUmsatz, der nach § 4 Nr. 8 Buchstabe abis g, Nr. 9 Buchstabe a, Nr. 12, 13 oder 19 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird." 187 BT-Drucks. 8/2827, Bericht der Abgeordneten Kühbacher und Dr. Meyer zu Bentrup, Allgemeines 111., S. 66: "Die Einschränkung des Optionsrechts ;im Bereich des Wohnungsbaues bereitet der Bauwirtschaft Sorgen wegen der Kontinuität ihrer Entwicklung.", sowie Allgemeines IV., S. 66 zu § 9: "Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau spricht sich für ein Festhalten an der geltenden Möglichkeit, auch bei wohnungswirtschaftlicher Verwendung von Gebäuden auf die Steuerfreiheit zu verzichten, wegen der Vorsteuerentlastungswirkung dieser Option aus." 180 181
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
vermieterbezogene Privilegierung dahingehend erschien, daß die Gewährung der Vorsteuerabzugsberechtigung für den Vermieter eine wettbewerbsbezogene Entlastung darstelle. Durch Art. 36 Nr. 2 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes 1981 188 wurde jedoch bereits zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des UStG 1980 189 die zuvor abgelehnte Änderung des § 9 UStG realisiert. Das Optionsrecht eines Vermieters durfte nach § 9 Satz 2 UStG i.d.F. durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz 1981 nur noch ausgeübt werden, soweit der Vermieter nachwies, "daß das Grundstück nicht Wohnzwecken dient oder zu dienen bestimmt ist.,d9o Dies wurde vor allem mit der Absicht begründet, Besteuerungsungleichheiten unter Verwirklichung eines im Umsatzsteuergesetz vorgeblich zum Ausdruck kommenden "Grundsatzes" zu beseitigen, nach welchem "die Vermietung von Wohnungen von der Umsatzsteuer befreit sein soll, daß aber dafür die auf den Leistungen der Bauunternehmer usw. ruhende Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen oder vom Finanzamt erstattet werden darf.,,191 Zugleich versprach man sich durch die Änderung des § 9 UStG deutliche Steuermehreinnahmen. 192 Obwohl auch hier zum Teil wettbewerbs bezogene Überlegungen bezüglich der Bauwirtschaft eine Rolle spielten, läßt diese Begründung zugleich erkennen, daß bereits der Gesetzgeber des 2. Haushaltsstrukturgesetzes 1981 die Vorstellung hatte, die Versagung der Option für die Vermietung von Wohnungen führe in ihrer Konsequenz zu einer sich in staatlichen Mehreinnahmen manifestierenden Belastung der Wohnungsmieter, welche von der üblichen Belastung anderer Umsatzsteuerträger abweicht. Denn es mußte klar sein, daß Wohnungsmieter unter den geschaffenen Bedingungen zwar nicht wie sonstige Steuerträger mit der Umsatzsteuer auf den Mietzins, statt dessen jedoch mit den verdeckt im Mietzins überwälzten, beim Vermieter nicht abziehbaren Vorsteuern auf vermietungsbezogene Vorumsätze belastet werden. BGB!. 1981 I, 1523, 1553. Das UStG 1980 trat vorbehaltlich gewisser Übergangsregelungen (§ 27 UStG 1980, BGB!. 1979 I, 1972) zum I. I. 1980 in Kraft (s. Art. 16 des Gesetzes zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze v. 26. 11. 1979, BGB!. 1979 I, 1978); das 2. HStruktG 1981 vorbehaltlich der § 9 Satz 2 UStG betreffenden Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 4 UStG i.d.F. des Art. 36 Nr. 6 des 2. HStruktG 1981 (BGB!. 1981 I, 1553) zum I. I. 1982 (s. Art. 41 Abs. 1 des 2. HStruktG v. 22. 12. 1981, BGB!. 1981 I, 1559). 190 BGB!. 1981 I, 1523, 1553. Zum genauen Wortlaut der Norm s. oben, Fn. 102. 191 BT-Drucks. 9/843, S. 11 =BR-Drucks. 364/81, S. 9. 192 BT-Drucks. 9/843, Begründung B. Finanzielle Auswirkungen, Tabellarische Übersicht, Zeile 7 (S. 8 f.): Gerechnet wurde für 1984 mit Haushaltsentlastungen i.H.v. insgesamt 450 Mio. DM, für 1985 i.H.v. insgesamt 600 Mio. DM, wobei im Rahmen des Entwurfs vom Inkrafttreten des neuen § 9 Satz 2 UStG ab dem I. I. 1984 ausgegangen wurde (Art. 2 Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft v. 4. 9. 1981, BT-Drucks. 9/843, S. 7). 188
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VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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Diese in der Begründung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes anklingende besondere Lastenverteilungsvorstellung wird sodann während der Beratungen zum Steuerbereinigungsgesetz 1985 weiterentwickelt und in der späteren Gesetzesbegründung sogar explizit formuliert. 193 Man ging nunmehr davon aus, einen "Grundsatz,,194 des' Umsatzsteuerrechts umsetzen zu müssen, wonach bei jeglicher nichtunternehmerischer Nutzung eines Grundstücks auf der Endstufe die Mieter mit der Vorsteuer auf die vermietungsbezogenen Vorumsätze belastet bleiben, mithin von der Umsatzsteuer auf den in der Vermietungsstufe geschaffenen Mehrwert befreit werden sollen. Durch die Einschränkungen des Optionsrechts für Vermietungsumsätze im 2. Haushaltsstrukturgesetz 1981 war die Durchsetzung eines derartigen Grundsatzes jedoch lediglich hinsichtlich privater Nutzung zu Wohnzwecken auf der Endstufe bewirkt worden, wobei übersehen wurde, daß insbesondere auch die Nutzung durch die öffentliche Hand auf der Endstufe keine unternehmerische Nutzung ist, so daß der Ausschluß des Vorsteuerabzugsrechts für den Vermieter auch in diesem Falle eingreifen müßte. In der Praxis waren daher sogenannte Steuersparmodelle der öffentlichen Hand entstanden, die es ermöglichten, z. B. beim Bau öffentlicher Gebäude die Gewährung des Vorsteuerabzugsrechts zu erreichen. 195 Um auch diese vermeintlichen Umgehungen zu verhindern, wurde § 9 Abs. 2 UStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 dahingehend geändert, daß die Option in den Fällen der benannten Grundstücksumsätze, also auch bei der Vermietung bzw. Verpachtung von Grundstücken, nur zulässig ist, "soweit der Unternehmer nachweist, daß das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist,,196. Die Erweiterung des Optionsrechtsausschlusses auf die Vermietung zu sonstigen nichtunternehmerischen Zwecken in § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 197 wird daher wie folgt begründet: "Nach dem Grundgedanken des Umsatzsteuerrechts soll jedoch bei Umsätzen auf der Endstufe, zu denen nicht nur die Umsätze an private Verbraucher, sondern auch die Umsätze an die öffentliche Hand gehören, die Vorsteuerbelastung erhalten bleiben. Dies ist erforderlich, um eine gleichmäßige Umsatzsteuerbelastung aller Umsätze auf der Endstufe zu gewährleisten." 198 Setzt man voraus, daß der Gesetzgeber BT-Drucks. 10/1636, S. 72. Von einem "Grundsatz" war bereits in den Beratungen zum 2. Haushaltsstrukturgesetz 1981 die Rede (vgl. den Text zu Fn. 191), damals jedoch in der Gesetzesbegründung nur bezogen auf die "Vermietung von Wohnungen" (BT-Drucks. 9/843, S. 11); Schelnberger, UR 1987,249,250. 195 Begründung zu Art. 19 Nr. 4 des Entwurfs eines Steuerbereinigungsgesetzes 1985 (§ 9 UStG), BT-Drucks. 10/1636, S. 72; Schlienkamp, UR 1985,49, 53 (unter II.7.c) ); ScheInberger, UR 1987,249,250. 196 § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. durch Art. 17 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGBI. 1984 I, 1493, 1506. 197 BGBI. 1984 I, 1493, 1506. 198 BT-Drucks. 10/1636, S. 72. 193
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22 Löhr
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diese Ausführungen dem System der Umsatzsteuer entsprechend auf die jeweiligen Mieter der Wohnungen und der in sonstiger Weise nichtunternehmerisch genutzten Gebäude bezieht, ließe sich die vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichende Belastungsvorstellung des Gesetzgebers kaum präziser formulieren. Man kann daher davon ausgehen, daß den verschiedenen früheren Änderungen des heutigen § 9 Abs. 2 UStG eine Vorstellung des Gesetzgebers von Belastungsgleichheit zwischen Grundstücksmietern zugrunde lag, die vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht. Denn auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips wären nichtunternehmerisch tätige Mieter als Endverbraucher in ihrer Eigenschaft als Steuerträger stets mit der Umsatzsteuer auf den Mietzins zu belasten, welchen der Vermieter als umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer ausgehend von seiner Vorsteuerabzugsberechtigung auf der Grundlage der Nettobeträge der vermietungsbezogenen Vorumsätze kalkuliert hat. Demgegenüber verfolgte der Gesetzgeber bis zum Steuerbereinigungsgesetz 1985 das von diesen Grundsätzen abweichende Ziel, nichtunternehmerisch tätige Mieter der Endstufe stets mit den verdeckt im Mietzins überwälzten Vorsteuern auf vermietungsbezogene Vorumsätze zu belasten 199, was eine Belastung in abweichender Höhe bedeutet. Die bis Ende 1984 vorgenommenen Einschränkungen des umsatzsteuerrechtlichen Optionsrechts für Vermietungsumsätze verursachten darüber hinaus tatsächlich eine den aufgezeigten Lastenverteilungsvorstellungen des Gesetzgebers adäquate Belastungswirkung bei betroffenen Mietern der Endstufe sowie entsprechende Auswirkungen auf die Umsatzsteuereinnahmen des Staates. Denn dem Staat verblieben bereits nach einem Erwerb vermietungsbezogener Güter oder Dienstleistungen durch den Vermieter diejenigen nicht abziehbaren Vorsteuern als Einnahmen, welche die nichtunternehmerisch tätigen Mieter später infolge verdeckter Überwälzung als wirtschaftliche Belastung trugen. Durch die einheitliche Versagung des Optionsrechts stellten die früheren Optionsrechtseinschränkungen somit eine den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprechende - allerdings vom umsatzsteuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip abweichende - Besteuerungsgleichheit zwischen nicht unternehmerisch tätigen Mietern der Endstufe als Steuerträger her. Die geschilderten Lastenverteilungsvorstellungen des Steuergesetzgebers könnten daher eine bewußte Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellen, welche jedoch den allgemeinen Gleichheitssatz durch Herbeiführung einer andersartigen Belastungsgleichheit zwischen Mietern der Endstufe dennoch wahrt. Nimmt man dies an, so stellte das geschilderte Belastungsprinzip ebenso wie das Leistungsfähigkeitsprinzip einen umsatzsteuerrechtlichen Vergleichsmaßstab der verfassungsrechtlichen Gleichheitsprüfung dar. 2OO Demzufolge kann jedoch auch dieses Prinzip die Steuergleichheit nur dann umfassend verwirklichen, wenn es
199 BT-Drucks. 10/1636, S. 72; s. auch: Schlienkamp. UR 1985, 49, 53; Widmann. in: Plückebaum / Malitzky, UStG, § 9 Rz. 94 a.E.
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den allgemeinen Anforderungen der Sachbereichsspezifik und der Sachgerechtigkeit genügt, welche an früherer Stelle201 allgemein für steuerrechtliehe Vergleichsmaßstäbe entwickelt wurden. Diesbezüglich bestehen allerdings Bedenken insbesondere an der Eignung des dargestellten Maßstabs zur Bezugnahme auf lediglich solche Einkommensteile des belasteten Mieters, welche Ergebnisse aus dessen eigener freiheitlicher wirtschaftlicher Betätigung sind?02 Denn durch die Belastung des Mieters mit den beim Vermieter nicht abziehbaren Vorsteuern wird die Belastung nur indirekt nach dem Einkommensverwendungspotential des Mieters bemessen, sondern knüpft an Entscheidungen des Vermieters zum Erwerb bestimmter Güter oder Leistungen zum Zwecke der Ausführung des Vermietungsumsatzes an. Ob das dargestellte Konzept des Gesetzgebers damit den allgemeinen Anforderungen der Sachbereichsspezifik und Sachgerechtigkeit genügen kann, bliebe näher zu untersuchen. Indes kann hier auf eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage verzichtet werden, da § 9 Abs. 2 UStG n.P. selbst dieses, möglicherweise die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips rechtfertigende Prinzip überschreitet, wie sogleich gezeigt werden soll.
bb) Überschreitung des bis 1985 entstandenen Grundsatzes durch § 9 Abs. 2 UStG n.P. Durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG203 wird das soeben dargestellte, bis 1985 bei Einschränkungen des Optionsrechts für Vermietungsumsätze durch den Umsatzsteuergesetzgeber angewandte Belastungsprinzip zur umsatzsteuerrechtlichen Gleichstellung der Mieter auf der Endstufe nur scheinbar systemgerecht weiterentwickelt?04 Begreift man nämlich den hier vorausgesetzten mieterbezogenen lastenausteilenden Gleichstellungszweck des Gesetzgebers in der dargestellten Form, so ist festzustellen, daß eine diesem Zweck entsprechende Wirkung mit der vorgenommenen Erweiterung des Optionsrechtsausschlusses auf die Vermietung an nicht ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigt unternehmerisch tätige Mieter gar nicht verwirklicht werden kann. Denn die durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG 200 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip als steuerrechtlichem Vergleichsmaßstab s. genauer oben, Teil C.U.l.b), S. 215 ff., und Teil C.U.2., S. 224 ff. 201 s. dazu oben, Teil C.ILl.a), S. 203 ff. 202 Zu diesem Erfordernis s. oben, Teil C.U.l.a)aa), S. 203 ff. 203 BGBI. 1993 I, 2310, 2339. 204 V. Schmidt, UR 1995, 212, 213; Rischke, DStR 1994, 1073, 1074. Sinngemäß auch: Nieskens, BB 1994,256,261; Gast, DB 1994, 1208, 1209. Von einer systemgerechten Folgeänderung des § 9 Abs. 2 UStG spricht indes Widmann, in: Plückebaum/Malitzky, UStG, § 9 Rz. 137/2.
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bewirkte Gleichstellung der betroffenen unternehmerisch tätigen Mieter kann sich nicht, wie zuvor in den Fällen der nicht unternehmerisch tätigen Mieter, in einer diese Mieter treffenden adäquaten Belastungswirkung konkretisieren. Dies folgt daraus, daß unternehmerisch tätige Mieter zwar ebenfalls das Mietgrundstück selbst nutzen, dabei jedoch nicht als Verbraucher handeln, sondern im Rahmen der Ausführung eigener unternehmerischer Leistungen die im Mietzins enthaltene Vorsteuerbelastung an ihre Kunden überwälzen. Es wurde demnach verkannt, daß der betreffende Mietumsatz kein Endstufenumsatz im Sinne der herkömmlichen Be1astungsvorstellung des Gesetzgebers ist. Darüber hinaus wäre auch die Annahme unzulässig, der Gesetzgeber habe das überkommene Belastungskonzept dahingehend erweitert, daß er die Entstehung fiskalischer Einnahmen in Höhe der auf vermietungsbezogene Vorumsätze entfallenden Vorsteuerbeträge immer schon dann im Zeitpunkt der Einkommensverwendungen des Vermieters für gerechtfertigt hält, wenn der Mieter nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ohne daß es darauf ankommen solle, wer später die mit diesen Einnahmen korrespondierende Belastungswirkung trägt. Denn der Gesetzgeber des StMBG hat seine an der überlieferten Belastungsvorstellung orientierte Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG allein auf die Absicht, nicht ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer zu belasten, begrenzt. 205 Das den Einschränkungen des Optionsrechts für Verrnietungsumsätze bis zur Änderung des § 9 Abs. 2 UStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 zugrunde liegende Belastungskonzept des Gesetzgebers wird demnach durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG nicht mehr konsequent als ein vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichendes Lastenverteilungsprinzip umgesetzt. Unabhängig davon, ob das dargestellte Belastungsprinzip den Anforderungen an einen sachbereichsspezifischen umsatzsteuerrechtlichen Vergleichsmaßstab genügt und somit als bewußt vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichender Lastenausteilungsmaßstab eine Durchbrechung desselben rechtfertigen kann, kommt daher ein mieterbezogener Lastenausteilungszweck des Gesetzgebers des StMBG nicht als Rechtfertigungsgrund der durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. hervorgerufenen verrnieterbezogenen Gleichheitsverstöße in Betracht.
5. Keine Rechtfertigung durch Vereinfachungszwecke
Steuerrechtliche Normen enthalten typischerweise Regelungen für Massenvorgänge des täglichen Lebens. Um die verwaltungsrechtliche Praktikabilität und die Akzeptanz des Steuerrechts in der Bevölkerung zu gewährleisten, besteht daher insbesondere bei der Schaffung steuerrechtlicher Regelungen ein verstärktes Bedürfnis zur Vereinfachung und Typisierung. 206 205 BT-Drucks. 12/5630, S. 87: "Zur Gleichstellung aller Unternehmer, die wegen der Erzielung steuerfreier Umsätze vorn Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind".
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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§ 9 Abs. 2 UStG n.F. knüpft zum Ausschluß des Optionsrechts für Vermieter in Umgehungsgestaltungen allein an das Merkmal des Fehlens einer Vorsteuerabzugsberechtigung des Mieters an. Dies ist eine sehr vereinfachende Bezugnahme auf ein gemeinsames 207 Merkmal verschiedener Umgehungsmodelle in Gestalt der Vorschaltmodelle und der Zwischenvermietungsmodelle, deren Ausschluß vom Optionsrecht der Gesetzgeber vorrangig beabsichtigte. Der Gesetzgeber könnte daher diese Anknüpfung bewußt aus Praktikabilitäts- und Vereinfachungszwecken unter Inkaufnahme von Belastungsungleichheiten gewählt haben. Demnach könnten Vereinfachungszwecke als Rechtfertigungsgrund der durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG entstandenen Belastungsungleichheiten bei Vermietern nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung unternehmerisch tätiger Mieter in Betracht kommen.
Gegen die Annahme einer Rechtfertigung der geschaffenen Regelung durch Vereinfachungszwecke oder Praktikabilitätsüberlegungen spricht jedoch bereits, daß derartige Erwägungen in der Gesetzesbegriindung zu § 9 Abs. 2 UStG n.F. nicht vorgetragen werden. Dies läßt vermuten, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Verwirklichung des Umgehungsschutzziels mittels verteilungsgerechter, aber komplizierterer Alternativregelungen nicht erkannte. Demnach traf er die Entscheidung zur Schaffung des § 9 Abs. 2 UStG in der derzeitigen Fassung nicht erkennbar aus Vereinfachungszwecken. Dariiber hinaus taugen vereinfachende Regelungen nur dann als Rechtfertigungsgrund eines Gleichheitsverstoßes, wenn sie unter Verwirklichung einer deutlichen Steuervereinfachung lediglich zu einem geringfügigen Verlust der Besteuerungs- oder Systemgerechtigkeit führen. 208 Die Neuregelung des § 9 Abs. 2 UStG bewirkt jedoch einen wesentlichen Verstoß gegen das Erfordernis der Steuergerechtigkeit und eine wesentliche Durchbrechung der Systemgerechtigkeit des Umsatzsteuergesetzes. Denn einerseits haben die bei den Vermietern nach einer optionsschädlichen Nutzungsänderung unternehmerisch tätiger Mieter auftretenden Belastungswirkungen erhebliches Gewicht. Andererseits entsteht infolge der Neuregelung zugleich eine weitere Durchbrechung des Verbrauchsteuerprinzips, indem Verbraucher auf den einem Vermietungsumsatz nachfolgenden Verbrauchsstufen in Abhängigkeit von der Optionsausübung des an der zur Versorgung der Verbraucher führenden Leistungskette beteiligten Vermieters ungleich belastet werden. 209
206 s. nur: 1ipke, SteuRO I, § 7 5.921, S. 348 ff., insb. § 7 5.9213, S. 354 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 8 1., Rz. 12 ff.; Jachmann, StuW 1998, 193 ff.; vgl. auch oben, Teil C.I1.3.d), S. 269 f. 207 Dazu oben, Teil D.VI.2.c)aa)(3), S. 314 ff. 208 1ipke, SteuRO I, § 7 5.9212, S. 351; BVerfG v. 08.10.1991-1 BvL 50/86-, BVerfGE 84, 348, 359 f. 209 Dazu oben, Teil D.I., S. 285 f.
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D. Prüfung der Belastungswirkungen des § 9 Abs. 2 UStG an Art. 3 GG
Eine Rechtfertigung der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch einen Vereinfachungszweck scheidet somit in jedem Falle aus.
6. Keine Rechtfertigung durch soziale Zwecke (insb. Mieterschutz)
Bereits durch § 4 Nr. 121it. a UStG 19672\0 wurden Vermietungsumsätze grundsätzlich von der Umsatzbesteuerung freigestellt, "um Mieterhöhungen bei Wohnungen möglichst zu vermeiden,,211. Die Einführung des Optionsrechts für Vermietungsumsätze durch § 9 UStG 1967212 sollte dieses Ziel der grundsätzlichen Freistellung des Vermietungsumsatzes nicht durchkreuzen, sondern den optierenden Vermietern lediglich die Möglichkeit eröffnen, einen Wettbewerbsvorteil bei der Vermietung an Unternehmer zu erlangen. 213 Diese ursprünglichen Erwägungen des Gesetzgebers könnten den Gedanken nahelegen, daß auch die durch Art. 20 Nr. 9 des StMBG bewirkte Einschränkung der Option für Vermietungsumsätze aus Mieterschutzgründen vorgenommen wurde, um durch Versagung der Option mit der Folge der Steuerfreiheit des Umsatzes ebenfalls bestimmte Mieterhöhungen auszuschließen. Bei näherer Überlegung verbietet sich ein derartiger Rechtfertigungsversuch jedoch nicht nur durch die Tatsache, daß der Gesetzgeber des StMBG erkennbar keine Mieterschutzerwägungen anstellte, sondern darüber hinaus aus zwei weiteren Gründen. Zunächst führt, wie bereits mehrfach dargestellt wurde, die Befreiung der Vermietungsleistung von der Umsatzsteuer gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG wegen des damit verbundenen Verbots des Vorsteuerabzugs nicht wirklich zu einer vollständigen Entlastung der Wohnungsmieter. Die umsatzsteuerrechtliche Entlastung der Wohnungsmieter kann heute auch nicht mehr als Zweck der besonderen Behandlung der Vermietungsumsätze angesehen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die Nutzung eines Grundstücks zu Wohn- oder anderen nichtunternehmerischen Zwecken auf der Endstufe statt mit der Umsatzsteuer auf die Vermietungsleistung mit den vom Vermieter entrichteten vermietungsbezogenen Vorsteuern belasten will (Modifikation des Leistungsfähigkeitsprinzips).214 Ein Mieterschutzaspekt ist darin nicht zu erkennen. Darüber hinaus können Mieterschutzerwägungen jeglicher Art jedenfalls dann nicht gelten, wenn der Vermieter - wie in § 9 Abs. 2 UStG n.F. vorausgesetzt BGB!. 1967 I, 545, 547. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses v. 17. 03. 1967, zu BT-Drucks. V /1581, S. 12 (Einze1begründung zu § 4 Nr. 12). 212 Umsatzsteuergesetz v. 29. 05. 1967, BGB!. 1967 I, 545, 550. 213 Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses v. 17.03. 1967, zu BT-Drucks. V 11581, S. 13 (Einzelbegrundung zu § 9). 214 s. oben, Teil D.VI.4.b)aa), S. 335 ff. 210 211
VI. Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen durch Nutzungsänderungen
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seine Leistung an einen unternehmerisch tätigen Mieter ausführt. In einem solchen Fall ist mangels Schutzbedürftigkeit der betreffenden Mieter stets eine dem umsatzsteuerrechtlichen System entsprechende Behandlung der Vermietungsleistung angezeigt. Die Versagung des Optionsrechts für Vermietungsleistungen an Unternehmer durch § 9 Abs. 2 UStG n.F. ist demnach ein Schritt in die falsche Richtung - die Vermietungsleistung müßte vielmehr bei systemkonformer Behandlung ohne Einschränkungen steuerpflichtig sein. Daher ist auch durch soziale Erwägungen, wie insbesondere Mieterschutzgründe, keine Rechtfertigung der vermieterbezogenen gleichheitswidrigen Ungleichbehandlung möglich, welche die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG hervorruft.
7. Keine Rechtfertigung durch rlSkalische Zwecke
Eine bedeutende Rolle spielten bei der Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG schließlich auch fiskalische Erwägungen des Gesetzgebers. Obwohl diese Vorstellungen, anders als noch bei früheren 215 Einschränkungen des Optionsrechts für Vermietungsumsätze, nicht zahlenmäßig konkretisiert wurden, erhoffte sich der Gesetzgeber von der Änderung dennoch die "Vermeidung von erheblichen Steuerausf