Das Strafrechtssystem der USA: Eine Untersuchung zur Strafgewalt im föderativen Staat [1 ed.] 9783428531691, 9783428131693

Das US-amerikanische Strafrecht erfreut sich einer stetig wachsenden Beachtung und übt inzwischen einen herausragenden E

112 50 834KB

German Pages 229 Year 2010

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Das Strafrechtssystem der USA: Eine Untersuchung zur Strafgewalt im föderativen Staat [1 ed.]
 9783428531691, 9783428131693

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht Band 5

Das Strafrechtssystem der USA Eine Untersuchung zur Strafgewalt im föderativen Staat

Von

Tobias Reinbacher

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS REINBACHER

Das Strafrechtssystem der USA

Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht Herausgegeben von RiLG Prof. Dr. Kai Ambos

Band 5

Das Strafrechtssystem der USA Eine Untersuchung zur Strafgewalt im föderativen Staat

Von

Tobias Reinbacher

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Diese Arbeit wurde mit Unterstützung eines Stipendiums im Rahmen des Post-Doc-Programms des DAAD ermöglicht.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1867-5271 ISBN 978-3-428-13169-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Hinter mir liegt ein sehr ereignisreiches und interessantes Jahr. Dass es nun seinen Abschluss mit der Veröffentlichung der vorliegenden Schrift findet, ist auch dem freundlichen Beistand anderer geschuldet, denen ich in diesem Vorwort danken möchte. Zuvorderst danke ich meinem Lehrer, Herrn Prof. Dr. Bernd Heinrich. Er hat mich in allen Belangen unterstützt, fachlich wie außer-fachlich, und mich letztlich auch zur Abfassung dieser Monographie ermutigt. Dank gebührt ferner Herrn Prof. Dr. Kai Ambos für die Aufnahme dieses Buches in die Reihe IES sowie für seine wertvollen Anregungen. Ein herzlicher Dank gilt selbstverständlich auch den Personen und Institutionen, welche meinen fünfmonatigen Forschungsaufenthalt an der Harvard Law School in Cambridge, Massachusetts, USA, möglich gemacht und begleitet haben. Da ist zunächst der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), der mich mit einem großzügigen Post-Doc-Stipendium sowie wertvollen Kontakten ausgestattet hat. Des Weiteren danke ich meinem Supervisor, Herrn Prof. Daniel J. Meltzer von der Harvard Law School, dessen Hinweise wesentlich zum Verständnis des US-amerikanischen Systems beigetragen haben. Ich danke auch der Harvard Law School selbst für die freundliche Aufnahme und die regelmäßige Veranstaltung des Kolloquiums der Visiting Researchers inklusive der Möglichkeit der Vorstellung meines Forschungsprojektes. Für den fachlichen Austausch und seine wichtigen Ratschläge bedanke ich mich ferner bei Herrn Prof. Dr. Florian Jeßberger, für das Korrekturlesen bei Frau Kristina Frick und Frau Dr. Ines Peterson. Für ihre große Unterstützung danke ich außerdem meinen Eltern. Ganz besonders danke ich schließlich nochmals meiner Freundin Kristina, die nicht nur die unerfreuliche Arbeit des Korrekturlesens auf sich genommen, sondern mich durch ihren Humor und ihre Ideenvielfalt stets inspiriert und bereichert hat. Ihr widme ich dieses Werk. Berlin, im März 2009

Tobias Reinbacher

Inhaltsverzeichnis Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts und Anmerkungen zur Zitierweise . .

17

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

1. Kapitel

1

Überblick und Begriffsbestimmungen

28

2. Kapitel

2

Konstitutioneller Hintergrund A. Die Entstehung des US-amerikanischen Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34

I.

Unabhängigkeitserklärung, amerikanische Revolution und revolutionärer Krieg

34

II.

Die Konföderationsartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

III. Der Verfassungskonvent und der Streit um die Ratifizierung der Verfassung . . . .

39

B. Gewaltenteilung und Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution . .

43

I.

Horizontale Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

II.

Vertikale Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

III. Die Kompetenzverteilung der U. S. Constitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

IV. Die verfassungsmäßige Zuständigkeit für das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

C. Ausweitung der Macht des Bundes durch extensive Auslegung der Verfassung . . . . . .

56

I.

Der erste Congress und die Anfänge des Bundesstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

II.

Gerichtlicher Nationalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

III. Zunehmende Zentralisierung des Rechts und wachsende Bedeutung der Handelsklausel zwischen Bürgerkrieg und Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

IV. Roosevelts „New Deal“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

V.

Das moderne Verständnis des Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

1. Politischer Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. Renaissance föderativer Elemente im U. S. Supreme Court? . . . . . . . . . . . . . .

72

3. USA PATRIOT Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

Inhaltsverzeichnis

8

D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

I.

Ausschließliche und konkurrierende Bundeskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

II.

Vorrang des einfachen Bundesrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

1. Ausdrücklicher Ausschluss bundesstaatlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . .

77

2. Konflikt von Bundes- und einzelstaatlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

3. Übernahme eines Kriminalitätsfeldes durch den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

III. Vorrang der Bundesverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

3. Kapitel

3

Das Strafrecht des Bundes

86

A. Das System der zentralen Strafrechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

I.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

II.

Die Teilbereiche des Bundesstrafrechts im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

1. Territorien des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

a) Allgemeine strafrechtliche Bestimmungen des Bundes für seine Territorien

93

b) Adaption der Bestimmungen der Bundesstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

2. Hohe See, Luftraum und transnationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

3. Straftaten zum Schutz direkter Bundesinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

4. Straftaten zum Schutz indirekter Bundesinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

a) Die Handelsklausel als Basis des Strafrechts des Bundes . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Schutz von Kanälen, Personen und Sachen im zwischenstaatlichen Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Zuständigkeit für Steuern und Postwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. Verwaltungsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 D. Die Organisation der Strafverfolgung und Strafvollstreckung des Bundes . . . . . . . . . . 115 I.

Aufbau und instanzielle Zuständigkeit der Bundesgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

II.

Staatsanwaltschaft, Bundespolizei und weitere mit Aufgaben der Strafrechtspflege betraute Bundesbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

III. Strafverfolgungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 IV. Örtliche Gerichtszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

4

Inhaltsverzeichnis

9

4. Kapitel

5

Das Strafrecht der Bundesstaaten

123

A. Das System der dezentralen Strafrechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 B. Model Penal Code und Uniform Law Commission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 C. Beispiele signifikanter Unterschiede im materiellen Strafrecht der Bundesstaaten . . . 127 I.

Todesstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

II.

Schwangerschaftsabbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

III. Strafbestimmungen zum Schutze der Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 IV. Felony-Murder Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 V.

Betäubungsmittelkriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

VI. Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 VII. Bedeutung der Auslegung durch die Gerichte und des staatsanwaltlichen Ermessens 140 D. Das Strafrecht der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 E. Die Organisation der Strafverfolgung innerhalb der Bundesstaaten . . . . . . . . . . . . . . . 144 I.

Aufbau und Zuständigkeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden 144

II.

Strafanwendungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

III. Örtliche Gerichtszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I.

Nacheile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

II.

Sonstige extra-territoriale Festnahmen und Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

III. Auslieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 IV. Horizontale Doppelbestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Der Grundsatz „ne bis in idem“ im internationalen Rechtsraum . . . . . . . . . . . 160 2. Das Doppelbestrafungsverbot der U. S. Constitution und die Doktrin der dualen Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 V.

Gegenseitige Anerkennung von Strafurteilen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

6

5. Kapitel

Das Strafrechtssystem in der Praxis: Interaktion der vertikalen Ebenen

165

A. Das System der dualen Strafrechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 B. Umfang und Bedeutung der Strafverfolgung des Bundes im Gesamtsystem . . . . . . . . 168 C. Die Entscheidung über die Strafverfolgung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Inhaltsverzeichnis

10 I.

Ermessen der Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

II.

Schwerpunkte der Strafverfolgung des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

III. Determinierende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. Forum Shopping und Übergabe von Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 D. Vertikale Doppelbestrafung zwischen Bund und Bundesstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I.

Separate Souveränität des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

II.

Lösungsansätze in der US-amerikanischen Praxis und Rechtswissenschaft . . . . . 181 1. Gesetzlicher Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Petit Policy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Vorschläge in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte um die Rolle des Bundesstrafrechts . . . . . . . . . . 185 I.

Ausgewählte Problembereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Symbolisches Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Negative Effekte auf das Justizsystem des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Föderatives System und Limitierung der verfassungsmäßigen Kompetenzen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Doppelbestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5. Selektive Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 6. Kooperation und Wettbewerb der Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

II.

Versuche einer Systematisierung der Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

6. Kapitel

7

Schlussbetrachtung

200

A. Erkenntnisse aus den Grundannahmen des US-amerikanischen Strafrechtssystems . . 201 B. Gedanken zur Übertragbarkeit des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A.2d

ABA Abs. Akron L. Rev. Alt. Am. Crim. L. Rev. Am. J. of Crim. Justice Am. U. L. Rev. Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. Ark. L. Rev. Art. AT Aufl. Bd. BGBl. BGH BGHSt Brookl. J. Int’l L. Buff. Crim. L. Rev. B. U. L. Rev. BVerfG BVerfGE bzgl.

Atlantic Reporter (Second Series), Urteilssammlung der Gerichte der Bundesstaaten, zitiert nach Band und Jahrgang American Bar Association, US-amerikanischer Anwaltsverein Absatz Akron Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Alternative American Criminal Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang American Journal of Criminal Justice, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang American University Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Annals of the American Academy of Political & Social Science Arkansas Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Artikel Allgemeiner Teil Auflage Band Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, zitiert nach Band Brooklyn Journal of International Law, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Buffalo Criminal Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Boston University Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, zitiert nach Band bezüglich

12

Abkürzungsverzeichnis

bzw.

beziehungsweise

Cal. Health & Saf. Code

California Health & Safety Code, Gesundheitsgesetze des Bundesstaates California

Calif. L. Rev.

California Law Review Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

Cal. Pen. Code

California Penal Code, Strafgesetzbuch des Bundesstaates California

CD Cal.

Central District of California, Gerichtsbezirk der Bundesgerichte

ch.

chapter, dt.: Kapitel

Cir.

Circuit, Gerichtsbezirk

cl.

clause, dt.: Satz

CNN

Cable News Network, Fernsehsender

Colum. Hum. Rts. L. Rev.

Columbia Human Rights Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

Colum. L. Rev.

Columbia Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

Cong. Rec.

Congressional Records, Parlamentsmaterialien

Cornell J. of Law & Pub. Pol’y Cornell Journal of Law & Public Policy, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang D. C.

District of Columbia, Regierungsbezirk des Bundes

D. C. Code

District of Columbia Code, Gesetzessammlung des District of Columbia

D. E. A.

Drug Enforcement Administration, Drogenkontrollbehörde des Bundes

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

dies.

dieselbe

dt.

deutsch

ebd.

ebenda

E. D. N. Y.

Eastern District of New York, Gerichtsbezirk der Bundesgerichte

EG

Europäische Gemeinschaft

et al.

et altera, dt.: und andere

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

f., ff.

folgende

F.2d

Federal Reports (Second Series), Urteilssammlung der unteren Bundesgerichte, zitiert nach Band und Jahrgang

Abkürzungsverzeichnis F.3d

Fl. Fn. Fordham Urb. L. J. FS F. Supp.

GG GS GVG Harv. L. Rev. Hastings L. J. h. M. Hrsg., hrsg. IPBPR JURA JZ Ky. L. J. Law & Contemp. Probs. LK MA. Gen. L. m. Anm. Mass. Md. Minn. MINN. STAT. MPC MüKo m. w. N. NAAUSA

13

Federal Reports (Third Series), Urteilssammlung der unteren Bundesgerichte, zitiert nach Band und Jahrgang Florida Fußnote Fordham Urban Law Journal Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Festschrift Federal Supplement, Urteilssammlung der unteren Bundesgerichte, zitiert nach Band und Jahrgang Grundgesetz Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz Harvard Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Hastings Law Journal, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang herrschende Meinung Herausgeber, herausgegeben Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Juristische Ausbildung, Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang Juristenzeitung Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang Kentucky Law Journal, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Law & Contemporary Problems, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Leipziger Kommentar Massachusetts General Laws Gesetzessammlung des Bundesstaates Massachusetts mit Anmerkung Massachusetts Maryland Minnesota Minnesota Statutes, Gesetzessammlung des Bundesstaates Minnesota Model Penal Code, Musterstrafgesetzbuch Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen National Association of Assistant United States Attorneys, Staatsanwaltsvereinigung

14 N. C. L. Rev. N. E.2d

n. F. N. J. N. J. Stat. NK No. Notre Dame L. Rev. Nr. NStZ N. W.2d

Nw. U. L. Rev. N. Y. N. Y. Crim. Proc. N. Y. L. Sch. L. Rev. N. Y. Pen. Law N. Y. S.2d

N. Y. U. L. Rev. Ohio St. J. Crim. L. Ohio St. L. J. Pace L. Rev. R. I. RI Bar Jnl. RICO Statute R. I. Gen. Laws

Abkürzungsverzeichnis North Carolina Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Northeastern Reporter (Second Series), Urteilssammlung der Gerichte der Bundesstaaten, zitiert nach Band und Jahrgang neue Fassung New Jersey New Jersey Statutes, Gesetzessammlung des Bundesstaates New Jersey Nomos Kommentar Nummer Notre Dame Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht, zitiert nach Jahrgang Northwestern Reporter (Second Series), Urteilssammlung der Gerichte der Bundesstaaten, zitiert nach Band und Jahrgang Northwestern University Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang New York New York Criminal Procedure, Strafprozessgesetz des Bundesstaates New York New York Law School Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang New York Penal Law, Strafgesetzbuch des Bundesstaates New York New York Supplement (Second Series), Urteilssammlung der Gerichte des Bundesstaates New York, zitiert nach Band und Jahrgang New York University Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Ohio State Journal of Criminal Law, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Ohio State Law Journal, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Pace Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Rhode Island Rhode Island Bar Journal, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Racketeering Influenced and Corrupt Organizations Statute Rhode Island General Laws, Gesetzessammlung des Bundesstaates Rhode Island

Abkürzungsverzeichnis

15

Rn. Rs.

Randnummer Rechtssache

Rutgers L. J.

Rutgers Law Journal, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

S.

Seite

S. D. N. Y.

Southern District of New York, Gerichtsbezirk der Bundesgerichte

SDÜ

Schengener Durchführungsübereinkommen

sec.

Section, Paragraph

Secretary of Admin. & Fin.

Secretary of Administration & Finance, Minister für Verwaltung und Finanzen

So.2d

Southern Reports (Second Series), Urteilssammlung der Gerichte der Bundesstaaten, zitiert nach Band und Jahrgang

sog.

so genannte/r

Stat.

Statute

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

St. Thomas L. Rev.

St. Thomas Law Review Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

StV

Strafverteidiger, Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang

subd.

Subdivision, Unterabschnitt

Suffolk U. L. Rev.

Suffolk University Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

Sw.3d

Southwestern Reporter (Third Series), Urteilssammlung der Gerichte der Bundesstaaten, zitiert nach Band und Jahrgang

Sw. U. L. Rev.

Southwestern University Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

Syracuse L. Rev.

Syracuse Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

Tenn. L. Rev.

Tennessee Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

Tex.

Texas

u. a.

unter anderem

U. Balt. L. Rev.

University of Baltimore Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

U. Colo. L. Rev.

University of Colorado Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang

U. Pa. J. Const. L.

University of Pennsylvania Journal of Constitutional Law, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang United States, aber auch: United States Reports, Sammlung der Entscheidungen des U. S. Supreme Courts

U. S.

16 USA USAM USA PATRIOT Act U. S. C. U. S. Const. u. U. v. v. a. Vand. L. Rev. VAWA vgl. Vorbem W. D. Tex. Yale L. J. z. B. ZIS ZStW

Abkürzungsverzeichnis United States of America United States Attorneys’ Manual, Dienstvorschriften der Staatsanwaltschaften des Bundes Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act United States Code, Gesetzbuch des Bundes United States Constitution, Verfassung der Vereinigten Staaten unter Umständen versus, dt.: gegen vor allem Vanderbilt Law Review, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang Violence Against Women Act vergleiche Vorbemerkung Western District of Texas, Gerichtsbezirk der Bundesgerichte Yale Law Journal, Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang zum Beispiel Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, zitiert nach Jahrgang Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, zitiert nach Band und Jahrgang

Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts und Anmerkungen zur Zitierweise Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts Eingangs seien einige kurze Ausführungen zu den Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts und hinsichtlich ihrer Verwendung in dieser Abhandlung gestattet. Denn obgleich auch das US-amerikanische Strafrecht heute im Wesentlichen kodifiziert ist, haben Rechtsprechung und Literatur hier doch eine etwas andere Bedeutung als in Deutschland. Zudem wird für die Nachweise der US-amerikanischen Urteile, Gesetzesbestimmungen und Literaturbeiträge in dieser Abhandlung die in den Vereinigten Staaten gebräuchliche Zitierweise verwandt, sodass eine kurze Erklärung für den deutschen Leser erforderlich erscheint.

1. Gesetzesbestimmungen Das US-amerikanische Recht steht in der Tradition des britischen common law. Dieses setzte sich – im Gegensatz etwa zum kontinentaleuropäischen Recht – zumindest in seiner klassischen Form aus Überlieferungen, Traditionen und gewohnheitsrechtlichen Anschauungen zusammen, war weitgehend nicht kodifiziert und beruhte wesentlich auch auf Präzedenzfällen, d. h. richterlichem Fallrecht.1 Auch im US-amerikanischen Rechtsraum wächst allerdings die Bedeutung des kodifizierten Rechts stetig. Insbesondere auf der Ebene des Bundes sind Gesetzesbestimmungen Voraussetzung der Strafbarkeit.2 Hier ist zuvorderst die USamerikanische Verfassung (U. S. Constitution) zu nennen, welche einige für das Strafrecht relevante Regelungen enthält, in U. S. Const. Art. III § 3 z. B. sogar eine Definition des Hochverrats gegen die Vereinigten Staaten. Die materiellen Strafbestimmungen des Bundes finden sich im Übrigen vornehmlich im United States Code (U. S. C.), insbesondere in dessen 18. Titel. Dieser enthält auch strafprozessuale Regelungen. Seit Veröffentlichung des Model Penal Code, eines Musterstrafgesetzes für die Vereinigten Staaten, entworfen und herausgegeben vom American Law Institute im Jahr 1962,3 haben inzwischen auch die Bundesstaaten weite Teile ihres Rechts, und damit auch des Strafrechts, in Gesetzen formuliert. Gleichwohl kommt dem 1

Siehe zum common law ausführlich Fletcher/Sheppard, S. 15 ff. Vgl. dazu Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 505 (1985); Dubber, Einführung, S. 13; Frase/ Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 373 (2002); ausführlich dazu unten 2. Kapitel C. I. 3 Ausführlich dazu unten 4. Kapitel B. 2

18

Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts

common law auf der Ebene der Bundesstaaten weiterhin ein größeres Gewicht zu.4 Hinsichtlich der Verwendung von Gesetzesquellen in dieser Abhandlung ist zu bemerken, dass neben dem Bundesrecht, welchem das 3. Kapitel gewidmet ist, insbesondere im 4. Kapitel vielfach Strafbestimmungen der Bundesstaaten angeführt werden. Hierbei erfolgte die Auswahl nach verschiedenen Kriterien. Zum einen ist es das Ziel der Ausführungen des 4. Kapitels, wesentliche Unterschiede im Recht der Bundesstaaten aufzuzeigen, sodass Extrempositionen benannt werden. Dies können durchaus einmal auch kleinere und „weniger bedeutsame“ Rechtsordnungen sein. So wird etwa beim Schwangerschaftsabbruch oder den Straftaten gegen Moral und Anstand die Rechtslage im von der Glaubensgemeinschaft der Mormonen besonders geprägten Bundsstaat Utah angeführt. Geht es um die Darstellung allgemeiner Probleme, so wurde in der Regel das Recht der Bundesstaaten California, New York oder Texas gewählt, da diese einerseits zu den großen Flächenstaaten zählen, u. a. deshalb auch einen wesentlichen Einfluss auf das Recht der Bundesstaaten insgesamt beanspruchen können und andererseits unterschiedliche gesellschaftliche Positionen und Strömungen repräsentieren. Zudem bildet das Recht der Bundesstaaten New York und California auch insofern wiederum Extrempole, als der zuerst genannte Bundesstaat den Model Penal Code nahezu vollständig, der zuletzt genannte nahezu gar nicht umgesetzt hat. Zusätzlich wurde häufig auch auf das Recht des Bundesstaates Massachusetts eingegangen, da dieser zum einen den Ort meines Forschungsstandpunktes bildete und zum anderen als besonders liberal gilt. Die Zitierung der Gesetzesbestimmungen orientiert sich an der US-amerikanischen Vorgehensweise. Es werden zunächst die Nummer des Bandes, sodann der Name des Gesetzes und erst dann der konkrete Paragraph bzw. Absatz etc. genannt. Typisches Beispiel des Zitates einer Bestimmung nach Bundesrecht wäre: 18 U. S. C. § 32 (a) (1).

Die Bundesstaaten haben ihre Strafgesetzbücher recht unterschiedlich benannt und auch die Schreib- und Zitierweise variiert hier teilweise deutlich. In Massachusetts sind Strafbestimmungen Teil der „General Laws“ (kurz: Gen. L.), in New York der „New York Penal Laws“. Üblich ist es, hier zunächst den Namen des Bundesstaates und des Gesetzes, oftmals beide in abgekürzter Form (z. B. MA. Gen. L.), und erst danach den konkreten Abschnitt (z. B. chapter, kurz: ch.) und Paragraphen des Statuts anzuführen. Es bestehen jedoch große Unterschiede in der Gliederung, der Bezeichnung der Abschnitte und der Nummerierung der Statuten. Teilweise werden Kapitel, Abschnitt und Paragraph zusammengefasst

4 Vgl. dazu Re, 15 St. Thomas L. Rev. 265, 267 ff. (2002): Die USA sind weiterhin ein common law system; ferner Weik, S. 4.

Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts

19

und hinter dem Paragraphenzeichen genannt (z. B. § 76-7-104). Hier einige Beispiele für die Zitierung bundesstaatlicher Gesetze: Massachusetts: MA. Gen. L. ch. 272, § 18; New York: N. Y. Pen. Law § 125.25 (3).

2. Gerichtsentscheidungen Das Fallrecht (case law) ist im Recht der Vereinigten Staaten weiterhin von großer Wichtigkeit.5 Dies ist allerdings bei näherer Betrachtung auch in Deutschland nicht anders. Die Unterschiede zwischen Staaten, welche in der Tradition des common law stehen, und solchen, die dem kontinentaleuropäischen Rechtsraum zugehörig sind, nivellieren sich in jüngerer Zeit. Hier ist nicht der Ort zu einer ausführlichen Untersuchung der Systemverschiedenheiten.6 Einige wenige Besonderheiten des US-amerikanischen Rechts lassen sich aber doch anführen. Zwar sind die Straftaten hier inzwischen auf Bundesebene und weitgehend auch im bundesstaatlichen Bereich ebenfalls kodifiziert. Dennoch lebt das common law aber in verschiedener Form fort. Erstens sind die Kodifikationen der Bundesstaaten, unabhängig davon, ob sie auf dem MPC beruhen oder nicht, weitgehend nur Festschreibungen der zuvor schon bestehenden Ansichten des common law. Zweitens sind auf der Ebene der Bundesstaaten durchaus immer noch einzelne Bereiche des Strafrechts der Rechtsprechung überlassen. Hier existieren weiterhin einige Delikte, deren Voraussetzungen nicht gesetzlich festgehalten sind und daher einzig dem common law entnommen werden.7 Drittens ist die Bindungswirkung von Entscheidungen höherer Gerichte als Präzedenzfall zu beachten.8 Viertens kommt insgesamt in den Vereinigten Staaten den Gerichten als Interpretatoren des Rechts9 im Verhältnis etwa zur Literatur ein entscheidend größeres Gewicht zu. Letztere bildet nur eine „sekundäre Autorität“ zur Auslegung des Rechts.10 Während meiner Zeit an der Harvard Law School gewann ich den Eindruck, dass sich dieses Verhältnis z. B. auch in der Lehre ausdrückt. Die Studierenden lernten im Wesentlichen Fälle inklusive der Fallnamen und taten dies unter Verwendung so genannter Fallbücher (casebooks). Diese Fallbücher geben den Originaltext der jeweiligen Entscheidung ganz oder in Auszügen wieder und enthalten 5

Vgl. dazu etwa Hay, Rn. 19 ff.; Re, 15 St. Thomas L. Rev. 265, 268 (2002); Schmid, S. 24 ff. 6 Vgl. dazu etwa Fletcher/Sheppard, S. 15 ff.; Hay, Rn. 17, und Wössner, S. 25, sprechen von einem „gemischten System“. 7 Dubber, Einführung, S. 7 ff.; Schmid, S. 26; vgl. dazu ausführlich unten 4. Kapitel C. 8 Vgl. dazu Fletcher/Sheppard, S. 80. 9 Vgl. dazu Re, 15 St. Thomas L. Rev. 265, 267 ff. (2002). 10 Fletcher/Sheppard, S. 38.

Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts

20

nur wenige kommentierende Anmerkungen. Sie dominierten den Lernalltag wesentlich gegenüber klassischen Lehrbüchern.11 Auch diese Abhandlung kommt daher nicht umhin, auf eine Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen zu rekurrieren. Schließlich lässt sich festhalten, dass auch im Strafrecht die Verhandlung als Parteienprozess begriffen wird. Daher werden z. B. im Namen der Entscheidung stets die Streitparteien genannt. Im Bundesstrafrecht sind Ankläger die United States, in den Bundesstaaten entweder State oder Commonwealth. Insbesondere in den hier sehr häufig zitierten Urteilen des U. S. Supreme Courts können als Beschwerdeführer oder -gegner die United States, einzelne Bundesstaaten, Exekutivorgane wie Minister oder gar der Präsident der Vereinigten Staaten beteiligt sein. Zitiert werden Entscheidungen durch Nennung der Parteien, wobei zwischen diesen ein „v.“ für versus steht. Sodann werden aufgeführt: Nummer des Bandes, Name der Entscheidungssammlung, Anfangsseite, konkrete Seite (nach einem Komma) und schließlich in Klammern das Jahr der Entscheidung. Wichtigste Entscheidungssammlung im Verfassungsrecht sind die United States Reports (kurz U. S.), welche nur Urteile des U. S. Supreme Courts enthalten. Der US-amerikanische Jurist erkennt bereits an der Nennung dieser Entscheidungssammlung, dass es sich um ein Urteil des Verfassungsgerichts handeln muss, sodass das entscheidende Gericht gar keine ausdrückliche Erwähnung mehr findet. Ähnlich verhält es sich mit den Entscheidungssammlungen der ordentlichen Gerichte. In dieser Abhandlung wurde die Zitierweise der deutschen insoweit etwas angepasst, dass jeweils zunächst auch das Gericht aufgeführt wird, da schwerlich eine solche Kenntnis vorausgesetzt werden kann. Typisches Beispiel wäre folgendes Zitat: U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 557 (1995).

3. Literatur Die soeben skizzierte, etwas marginale Rolle der strafrechtlichen Wissenschaft in den Vereinigten Staaten wird teilweise stark bedauert.12 Andere attestieren der US-amerikanischen Literatur inzwischen einen wachsenden Einfluss.13 Festzuhalten bleibt, dass die wesentlichen Kehrtwenden der Rechtsprechung nicht unbedingt durch den wissenschaftlichen Diskurs bestimmt wurden, sondern durch politische Kursänderungen, Zusammensetzung der obersten Gerichte oder gar aus deren Mitte heraus. Abweichende Meinungen der unterlegenen Richter (Dissent) 11

Vgl. auch Fletcher/Sheppard, S. 38; Schmid, S. 26. Vgl. Dubber, 4 Buff. Crim. L. Rev. 53, 60 (2000), und Fletcher, 1 Buff. Crim. L. Rev. 275, 278 (1998), welche die Abwesenheit einer Strafrechtswissenschaft auch auf die weitgehende Akzeptanz des Model Penal Codes zurückführen. 13 Weik, S. 5. 12

Rechtsquellen des US-amerikanischen Rechts

21

werden z. B. bei Entscheidungen des U. S. Supreme Courts häufig angefügt und läuten nicht selten ein Umdenken des Gerichts ein.14 Dennoch ist die Anzahl der Zeitschriften, welche u. a. von den Law Schools herausgegeben werden, beachtlich. In dieser Abhandlung wurde versucht, auch Literaturbeiträgen in angemessenem Umfang Beachtung zu schenken. Auch bei Angaben der in Zeitschriften veröffentlichten Literaturbeiträge weicht die US-amerikanische Zitierweise etwas von der in Deutschland bekannten ab. So werden nach Benennung des Verfassers zunächst die Nummer der Ausgabe der Zeitschrift, danach die Zeitschrift, die Anfangsseite, die konkrete Seite und schließlich in Klammern das Erscheinungsjahr aufgeführt. Unüblich ist die Verwendung einer Abkürzung für die folgenden Seiten, es wird vielmehr stets der genaue Bereich genannt. Hier wurden die Zitierweise für diese Abhandlung modifiziert und die Kürzel „f.“ bzw. „ff.“ verwendet. Typisches Beispiel wäre folgendes Zitat: Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 753 (2005).

14

Vgl. auch Schmid, S. 27.

Einleitung Einleitung Diese Abhandlung, zunächst vorgesehen als Teil einer größeren Untersuchung zur Einordnung des Strafrechts in Mehrebenensystemen, widmet sich nun ausschließlich der Darstellung und Analyse des US-amerikanischen Strafrechtssystems, mit dem Ziel, dem deutschen Leser, und dabei sicher vorrangig dem deutschen Strafrechtler, Grundlagen von Aufbau und verfassungsmäßiger Kompetenzverteilung, von theoretischem Gerüst und praktischen Implikationen, von Vorteilen und Problemen einer Strafrechtsordnung zu vermitteln, welche durch das besondere US-amerikanische Verständnis des föderativen Bundesstaates ihr Gepräge erhalten hat und auch weiter erhält. Einleitende Anmerkungen erscheinen bei einem solchen Unterfangen in verschiedener Hinsicht angezeigt. Zunächst ist der Titel der Arbeit erklärungsbedürftig. Denn innerhalb des Rechtsraumes der Vereinigten Staaten ist nicht nur „ein Strafrechtssystem“ anzufinden, sondern eine Vielzahl mitunter sogar recht unterschiedlicher Rechtsordnungen, welche teilweise parallel operieren, sich teilweise aber auch überlagern. Kaum lässt sich also von dem US-amerikanischen Strafrecht sprechen.1 Der Grundstein für diese Pluralität der Strafrechtsordnungen wurde bereits durch die US-amerikanische Verfassung aus dem Jahr 1787 gelegt, nach welcher das Strafrecht, ebenso wie überhaupt die Mehrzahl der zu regelnden Materien, zunächst einmal in den Kompetenzbereich der Bundesstaaten fällt. Folge ist, dass im Bereich des Strafrechts jeder Bundesstaat über ein eigenes materielles Recht, ein eigenes Prozessrecht und ein eigenes Strafvollzugsrecht sowie über eigene Behörden und Gerichte verfügt. Da aber auch dem Bund konstitutionelle Befugnisse zur Regelung diverser Einzelfragen eingeräumt sind, wobei zu deren Durchsetzung auch das Mittel des Strafrechts ergriffen werden darf, ist auch der Congress inzwischen ausschweifend legislatorisch tätig geworden, sodass auch die Bundesebene über eine sehr ausführliche und eigenständige Strafrechtsordnung verfügt, in welcher wiederum eigene Behörden und Gerichte das materielle Recht vollziehen. Wird zu den 50 Bundesstaaten ferner der Regierungsbezirk, der District of Columbia, hinzugenommen, welcher zwar kein Bundesstaat ist, gleichwohl aber, der Zuständigkeitsebene des Bundes zugehörig, wiederum eigene strafrechtliche Regelungen erlassen hat, so ließe sich exakter tatsächlich von den 52 Strafrechtssystemen der Vereinigten Staaten sprechen. Teilweise wird dem US-Strafrecht als Gesamtgebilde zudem sogar jede Systemhaftigkeit abgesprochen, da es eben ge1

Vgl. nur Schmid, S. 23; Wössner, S. 23.

Einleitung

24

rade nicht das Maß an Koordination und Gesamtplanung aufweise, welches gewöhnlich mit dem Begriff „System“ verbunden werde.2 Dennoch ist es gerade Ziel dieser Abhandlung, die verfassungsmäßige Kompetenzverteilung ebenso wie die praktische Interaktion der Ebenen sowie die damit verbundenen Schwierigkeiten zu erläutern, sodass der Blick sich insofern auf das „Gesamtsystem“ richtet. Die somit auf ihre geschichtlichen Hintergründe wie heutige Ausprägung betrachtete Grundordnung der Strafgewalt, wie sie von der US-Verfassung vorgegeben wird, lässt sich meines Erachtens als „System“ im Sinne der Begriffe „Modell“, „Konzeption“, „Organisation“ oder eben „Ordnung“ begreifen, auch wenn sie sich aufgrund der aus der Tradition des common law heraus immer noch exponierten Stellung der Rechtsprechung und der damit verbundenen Einzelfallbetrachtung einer streng dogmatischen und nach allgemeingültigen Prinzipien suchenden Sichtweise teilweise etwas versperren mag. Außer Betracht bleiben in dieser Untersuchung jedoch mindestens zwei weitere Strafrechtsordnungen der Vereinigten Staaten. Zum einen die Rechtsordnung der „Native Americans“, d. h. das Strafrecht der in Reservaten lebenden Urbevölkerung Nordamerikas, zum anderen das gerade in jüngerer Zeit verstärkt in den Fokus geratene Militärstrafrechtssystem. Beide Felder operieren wiederum mit eigener Gerichtsbarkeit unabhängig von den zuvor genannten. So sehr sie eine eingehende Analyse rechtfertigen mögen, soll dieses Unterfangen doch anderen Werken überlassen bleiben. Denn das besondere Augenmerk dieser Abhandlung gilt einer Untersuchung der Einordnung strafrechtlicher Kompetenzen in einem föderativen Staat bzw. einem konstitutionellen Staatsgebilde mit mehreren Ebenen der Gesetzgebung.3 Des Weiteren könnte der Haupttitel auch inhaltlich zunächst ein anderes Untersuchungsfeld suggerieren als das eigentlich gemeinte. Der Untertitel dieser Arbeit soll daher der Erläuterung dienen, dass nicht das materielle Recht Gegenstand dieser Untersuchung ist, sondern die Einordnung des US-amerikanischen Strafrechts, d. h. strafrechtlicher Kompetenz, in das föderative Gefüge der konstitutionellen Ordnung der Vereinigten Staaten. Dabei mag die Frage aufgeworfen werden, welchen potenziellen Nutzen die deutsche respektive die europäische Strafrechtswissenschaft aus einer solchen Studie ziehen kann. Ich trage mich mit der Hoffnung, dass der besondere Wert einer solchen Untersuchung darin liegen könnte, dass durch den Vergleich mit einer anderen, international sehr bedeutsamen Rechtsordnung, welche auch dem föderativen Staatsgebilde in Deutschland als Vorbild diente4 – nicht zuletzt war die US-amerikanische Verfassung Gegenstand der Debatten um eine konstitutionelle 2

Vgl. Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371 (2002). Ebenso bleiben die Territorien der USA ohne Status als Bundesstaat wie etwa Puerto Rico, Virgin Islands, Samoa, Guam und Northern Mariana Islands weitgehend unberücksichtigt. 4 Zum Einfluss auf die Verfassung der Schweiz Schmid, S. 5. 3

Einleitung

25

Ordnung des Norddeutschen Bundes und des deutschen Reiches5 – ein Beitrag einerseits zum Diskurs um die Einordnung des Strafrechts in eine zu schaffende Verfassungsordnung im geeinten Europa,6 andererseits aber auch zur Beantwortung der Frage nach Wegen zur Bewältigung grenzüberschreitender Kriminalität geleistet werden kann. Beide Punkte sind interdependent, zählen zu den besonderen Herausforderungen der modernen, zumal der europäischen Strafrechtswissenschaft7 und werden diese zweifelsohne noch einige Zeit beschäftigen. Dass Kriminalität an national- oder gar innerstaatlichen Grenzen nicht Halt macht, ist kein neues Phänomen, es gewinnt aber durch die Technisierung und Mobilität der modernen Gesellschaft stetig an Bedeutung. Ferner liegt es auf der Hand, dass überregionale Kriminalitätsbekämpfungsstrategien in verschiedenen Delinquenzfeldern notwendig werden. Eine Republik, welche sich aus Bundesstaaten zusammensetzt, hat dieser Problematik bereits im Rahmen ihrer eigenen Verfassungsordnung Rechnung zu tragen. Sie kann Kriminalität als lokales oder als gesamtstaatliches Problem begreifen, eine Kooperation zwischen dezentral organisierten Organen der Gesetzgebung und Strafverfolgung oder eine zentrale Allokation der Zuständigkeit oder aber den Weg der Kombination dieser Lösungsstrategien wählen. Das verfassungsmäßige System der Kompetenzverteilung im Hinblick auf das Strafrecht in der Bundesrepublik Deutschland ist bei genauer Betrachtung rätselhaft, da es zwar eine konkurrierende Gesetzgebung von Bund und Ländern anordnet, faktisch aber durch das StGB eine Zentralisierung des materiellen Rechts eingetreten ist, da es außerdem zwar eine Landeszuständigkeit der Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte vorsieht, diese aber (auch) Bundesrecht vollziehen und einem obersten Bundesgericht nachgeordnet sind. Andererseits hat die Föderalismusreform des Jahres 2005 auch das Strafrecht im weiteren Sinne erfasst und dabei immerhin im Teilbereich Strafvollzug die Vorzeichen zu Gunsten der Länder verschoben. Die US-amerikanische Verfassungsordnung wählt hingegen einen gänzlich anderen Weg. Strafgewalt wird hier sowohl dezentral als auch zentral ausgeübt. Dabei obliegt die regionale Verbrechensbekämpfung den Bundesstaaten, während das zentrale Bundesstrafrecht – zumindest vom Prinzip her – gesamtstaatliche Interessen und Rechtsgüter, Personen und Sachmittel schützen sowie bei grenzüberschreitender Kriminalität eingreifen soll. Trotz einiger Gemeinsamkeiten des US-amerikanischen mit dem deutschen Staatsaufbau, wie etwa der föderativen Struktur des Gesamtstaates, bietet das Strafrechtssystem der Vereinigten Staaten doch wesentliche Unterschiede im Hinblick auf die Verteilung der Strafgewalt, 5 Vgl. nur die Rede von Schwarze im konstituierenden Norddeutschen Reichstag zur Verfassung des Norddeutschen Bundes in: von Holtzendorff/Bezold, S. 382. 6 Vgl. etwa die Ausführungen von Sieber, JZ 1997, 369, 372 f.; ders., ZStW 103 (1991), 957, 960. 7 Vgl. nur Sieber, ZStW 119 (2007), 1, 9; ders., JZ 1997, 369.

Einleitung

26

welche eine (vergleichende) Analyse lohnenswert erscheinen lassen. Der Blick auf die fremde Rechtsordnung mag damit nicht nur Alternativwege aufzeigen, sondern, wie es einem Vergleich mit anderen Anschauungen eigen ist, auch das eigene System, hier also zuvorderst das deutsche, in ein neues Licht geraten lassen. Diese Abhandlung wird zunächst mit einem knappen Überblick über das Strafrechtssystem der Vereinigten Staaten im Hinblick auf dessen dezentrale und zentrale Verteilung der Strafgewalt beginnen.8 Anschließend erfolgt eine Darstellung des konstitutionellen Hintergrundes, welche zunächst einige geschichtliche Erklärungen versucht,9 sodann das Grundmodell des Kompetenzgefüges der US-amerikanischen Verfassung von 1787 erläutert,10 den weiteren Verlauf der Entwicklung der parallelen Strafgewalt und dabei insbesondere der Ausweitung der Jurisdiktion des Bundes aufzeigt11 und schließlich das (heutige) Verständnis des Verhältnisses von Bundes- und bundesstaatlichem (Straf-)Recht skizziert.12 Im dritten Teil wird die Strafrechtsordnung des Bundes näher beleuchtet.13 Der vierte Teil widmet sich ausführlich den Rechtsordnungen der Bundesstaaten, wobei zunächst das System der dezentralen Strafrechtspflege dargestellt wird.14 Darauf folgend werden sowohl Harmonisierungstendenzen15 als auch signifikante Unterschiede16 im Strafrecht der Bundesstaaten aufgezeigt. Die nächsten Abschnitte haben das kommunale Strafrecht17 sowie die Organisation der Strafverfolgung auf der Ebene der Einzelstaaten18 zum Gegenstand. Ein weiterer Teil widmet sich den Problemen der Bundesstaaten bei grenzüberschreitender Delinquenz.19 Das darauf folgende Kapitel behandelt die Interaktion der parallelen Rechtsordnungen. Hier wird zunächst das System der konkurrierenden Strafgewalt nach US-amerikanischem Verständnis dargelegt.20 Sodann werden Umfang und Bedeutung des Bundesrechts innerhalb des Gesamtsystems aufgezeigt.21 Es wird zudem erklärt, auf welche Weise im Einzelfall die Entscheidung getroffen wird, welche Ebene die Strafverfolgung tatsächlich betreibt.22 Ein weiterer Teil widmet sich der 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Unten 1. Kapitel. Unten 2. Kapitel A. Unten 2. Kapitel B. Unten 2. Kapitel C. Unten 2. Kapitel D. Unten 3. Kapitel. Unten 4. Kapitel A. Unten 4. Kapitel B. Unten 4. Kapitel C. Unten 4. Kapitel D. Unten 4. Kapitel E. Unten 4. Kapitel F. Unten 5. Kapitel A. Unten 5. Kapitel B. Unten 5. Kapitel C.

Einleitung

27

Problematik der doppelten Bestrafung und Verfolgung durch die verschiedenen Strafgewalten.23 Schließlich wird die Debatte in der US-amerikanischen Literatur um das Strafrechtssystem der Vereinigten Staaten dargestellt.24 Den Abschluss der Arbeit bildet eine Schlussbetrachtung, in welcher die Erkenntnisse und Schlüsse des Verfassers aufgezeigt25 sowie einige Überlegungen zur Modellhaftigkeit des US-amerikanischen Systems angestellt werden.26

23 24 25 26

Unten 5. Kapitel D. Unten 5. Kapitel E. Unten 6. Kapitel A. Unten 6. Kapitel B.

1. Kapitel

1

Überblick und Begriffsbestimmungen 1. Kap.: Überblick und Begriffsbestimmungen Das Strafrechtssystem der Vereinigten Staaten entspringt dem US-amerikanischen Konzept eines dualen Föderalismus, welchem – nach dem Verständnis des U. S. Supreme Courts – auch eine „duale Souveränität“ des Bundes und der Einzelstaaten im Hinblick auf den Erlass und Vollzug von Strafnormen eigen ist.1 Die Zuständigkeit im Bereich des Strafrechts ist zwischen Bund und Bundesstaaten aufgeteilt. Beide unterhalten jeweils ein eigenes, autarkes, vom anderen Part unabhängiges System der Strafrechtspflege im Rahmen des jeweiligen Kompetenzbereichs. In dieser Abhandlung wird der Begriff des Strafrechts im weiteren Sinne2 zu Grunde gelegt. Gegenstand der Erörterungen bleibt zwar zuvorderst das materielle Strafrecht, es spielen daneben aber auch Fragen des Strafverfahrens- und des Strafvollzugsrechts eine Rolle. Im Hinblick auf das materielle Strafrecht ist zudem zu bemerken, dass das US-amerikanische Strafrecht eine Reihe von unterschiedlichen Deliktskategorien kennt.3 Die Einteilung der Straftaten in Deliktskategorien im US-amerikanischen Recht deckt sich kaum mit dem deutschen Verständnis. Zwar wird auch hier zwischen Verbrechen (felonies) und Vergehen (misdemeanors) unterschieden.4 Darüber hinaus werden beide Kategorien aber in vielen Bundesstaaten noch weiter in Klassen oder Grade unterteilt. Der Bundesstaat New York kennt sogar sechs Verbrechens- und zwei Vergehensklassen.5 Traditionell existiert aber jedenfalls eine dritte Kategorie geringfügiger Vergehen, welche u. a. als violations oder petty misdemeanors bezeichnet und in vielen Bundesstaaten nicht als „crimes“, also nicht als Straftaten im eigentlichen, engeren Sinne, angesehen werden.6 Sie werden gewöhnlich mit einem Bußgeld geahndet.

1 Vgl. etwa U. S. Supreme Court, Heath v. Alabama, 474 U.S. 82, 88 (1985): „The States are no less sovereign with respect to each other than they are with respect to the Federal Government. Their powers to undertake criminal prosecutions derive from separate and independent sources of power and authority originally belonging to them before admission to the Union“; dieses Souveränitätsverständnis wird auch im Rahmen dieser Arbeit verwandt; zur dualen Souveränität sogleich noch ausführlicher im 2. Kapitel. 2 Vgl. dazu Jescheck/Weigend, § 3 II. 3 Vgl. nur Dubber, Einführung, S. 6 f.; siehe dazu auch unten 4. Kapitel D. 4 Hay, Rn. 682; Honig, ZStW 75 (1963), 63, 66 (in Bezug auf den MPC); Schmid, S. 174 ff. 5 Vgl. Dubber, Einführung, S. 4 f. 6 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 373 f. (2002).

1. Kap.: Überblick und Begriffsbestimmungen

29

Diese Delikte könnten zumindest teilweise den deutschen Ordnungswidrigkeiten vergleichbar sein, jedenfalls solange und soweit keine Gefängnisstrafe verhängt wird. Gleichwohl werden sie aber, ohne dass eine präzise Einordnung erfolgen soll, hier ebenso Berücksichtigung finden. Die strafrechtliche Kompetenz des Bundes respektive der Bundesstaaten für ein bestimmtes Feld umfasst alle drei Gewalten, d. h. sowohl die Befugnis zum Erlass hoheitlicher strafrechtlicher Regeln als auch die Zuständigkeit zur strafverfahrensmäßigen und prozessualen Durchsetzung derselben. Der Begriff jurisdiction umschreibt nach angloamerikanischem Verständnis sowohl Rechtssetzungskompetenz als auch Gerichts- und Verfolgungszuständigkeit.7 Die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte richtet sich nach den erlassenen materiellrechtlichen Vorschriften. Die Bundesgerichte vollziehen vom Grundsatz her nur Bundesrecht, Gerichte der Bundesstaaten das Recht ihres eigenen Gliedstaates. Gesetzgebungskompetenz und gerichtliche Jurisdiktion sind also untrennbar verbunden und im Wesentlichen deckungsgleich. Im Bereich des Bundes erlässt etwa der Congress die Vorschriften des Bundesstrafrechts, Staatsanwaltschaft und Polizei des Bundes verfolgen Straftaten, welchen ein Verstoß gegen das Bundesrecht zu Grunde liegt, und bringen sie, nach Ermittlung eines hinreichenden Tatverdachts, zur Anklage vor einem Bundesgericht. Durch Bundesgerichte ausgesprochene Gefängnisstrafen, werden in Bundesgefängnissen vollstreckt. Als wichtigste Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörde des Bundes sei an dieser Stelle nur das Federal Bureau of Investigation (F. B. I.) genannt. Strafvorschriften des Bundes sowie ihre Durchsetzung durch Strafverfolgungsbehörden und Gerichte bilden zusammen den Bereich des Bundesstrafrechts (Federal Criminal Law). Dem Prinzip dualer Staatsmacht folgend, ist aber auch das Strafrechtssystem der Bundesstaaten in gleicher Weise ausgestaltet wie das soeben skizzierte Bundessystem. Auch jeder Bundesstaat verabschiedet eigene Strafvorschriften, unterhält seine eigene Staatsanwaltschaft und Polizei sowie eigene Gerichte. Diese verurteilen indes wiederum nur nach dem Recht ihres Bundesstaates. Die Ebenen Bund und Bundesstaaten operieren im Bereich der Strafrechtssetzung und Strafverfolgung somit voneinander getrennt, gleich zwei parallel verlaufenden Strängen oder nebeneinander angeordneten Ebenen. Der Bund soll dabei vom Grundsatz her nur die nationale Interessen berührenden Sachverhalte regeln, die Bundesstaaten hingegen alle lokalen Bereiche. Eine Überschneidung der Ebenen ergibt sich allerdings z. B. daraus, dass die Bundesgerichte, insbe-

7 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 263; vgl. auch – wenngleich für das internationale Recht – die Ausführungen im Restatement (Third) of Foreign Relations Law § 401 (1987) des American Law Institutes, welche zwischen jurisdiction to prescribe, jurisdiction to advocate und jurisdiction to enforce unterscheiden; vgl. dazu auch Ambos, § 1 Rn. 4, Fn. 6; LK-Werle/ Jeßberger, Vor § 3 Rn. 5; siehe auch unten 3. Kapitel B. II.

30

1. Kap.: Überblick und Begriffsbestimmungen

sondere der U. S. Supreme Court, die Verletzung der Bundesverfassung überprüfen können.8 Die Bundesstaaten verstehen sich als eigenständige und souveräne Staatskörper. Als solche sind sie mit der Polizeimacht (police power) ausgestattet, das Zusammenleben ihrer Bürger auf der lokalen Ebene, ihre eigene Hausgemeinschaft, zu regeln sowie für die Wohlfahrt der Bürger zu sorgen,9 wobei sie grundsätzlich alle geeigneten Maßnahmen ergreifen und zur Ordnung der örtlichen Gemeinschaft auch strafen dürfen. Auch die Kommunen spielen im Zusammenhang mit der Verwaltung der lokalen Gemeinschaft eine große Rolle. Daher können auch sie Strafvorschriften erlassen.10 Gleichwohl bilden sie nach dem Verständnis der USamerikanischen Verfassung keine „dritte Ebene“ strafrechtlicher Gesetzgebung, sondern üben nur eine verfassungsrechtliche Kompetenz der Bundesstaaten aus.11 Die Unabhängigkeit der einzelnen Ebenen hat zur Folge, dass sowohl Rechtssetzung als auch Strafverfolgung häufig ohne Berücksichtigung der anderen Ebene operieren, was in vielen Fällen zur Überlagerung einerseits des materiellen Rechts, andererseits aber auch zu einer parallelen oder sukzessiven mehrfachen Strafverfolgung oder gar Sanktionierung führen kann. Die Strafverfolgung durch einen der beiden Staatskörper – Bund oder Bundesstaat – präkludiert zumindest konstitutionell, d. h. aus dem Blickwinkel der US-amerikanischen Verfassung, keineswegs die Strafverfolgung durch eine andere Ebene oder durch einen anderen Souverän gleicher Ebene. Das Verbot der Doppelbestrafung in Zusatzartikel V der US-Verfassung gilt nach ständiger Rechtsprechung des U. S. Supreme Courts nur im Rahmen eines souveränen Staatsteils, nicht aber für das Verhältnis Bund-Bundesstaat oder zweier Bundesstaaten untereinander (so genannte Theorie von der dualen Souveränität, „dual sovereignty doctrine“).12 Da die Kommunen aber staatsrechtlich nur Teile des Staatskörpers des jeweiligen Bundesstaates sind, hat das Verbot der Doppelbestrafung zumindest diesbezüglich eine innerstaatliche Geltung. Da dem US-amerikanischen Rechtssystem ein Legalitätsprinzip deutschen Verständnisses fremd ist,13 haben die Strafverfolgungsbehörden die Entscheidungsgewalt darüber, ob sie in einem konkreten Fall tätig werden wollen oder es für angemessen halten, die Strafverfolgung einer anderen Ebene zu überlassen. Sie sind 8 Vgl. etwa U. S. Supreme Court, Mapp v. Ohio, 367 U. S. 643 (1961); Robinson v. California, 370 U. S. 660 (1962); Schmid, S. 21; zum Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht siehe ausführlich unten 2. Kapitel D.; zur Befugnis der Bundesgerichte zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit auch des Rechts der Bundesstaaten siehe unten 2. Kapitel B. I. 9 Dubber, Einführung, S. 5; ders., Police Power, S. 81 ff. 10 Ausführlich dazu Logan, 62 Ohio L. J. 1409 (2001), sowie unten 4. Kapitel D. 11 Dazu unten 4. Kapitel D. 12 Vgl. die wegweisende Entscheidung Heath v. Alabama, 474 U. S. 82 (1985), des U. S. Supreme Courts; siehe dazu außerdem noch ausführlich unten 2. Kapitel B. II. und 5. Kapitel D. 13 Dubber, Einführung, S. 9; Stuckenberg, S. 10; Weik, S. 15; siehe dazu außerdem noch unten 5. Kapitel C. I.

1. Kap.: Überblick und Begriffsbestimmungen

31

weder dazu verpflichtet noch daran gehindert, Maßnahmen einzuleiten und zu vollziehen, sofern ihr materielles Recht die Strafbarkeit des in Frage stehenden Verhaltens vorsieht. Die Entscheidung für eine Strafverfolgung liegt in dem sehr weitgehenden Ermessen der Staatsanwaltschaft.14 Die Hauptlast der Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten tragen die Bundesstaaten, und dies sowohl konzeptionell nach dem Verständnis der US-Verfassung15 als auch faktisch. So wurden nach geschätzten Angaben des US-Justizministeriums (Department of Justice) im Jahr 2004 1.078.920 Strafsachen betreffend Verbrechen (felonies)16 vor den Gerichten der Bundesstaaten (State Courts) zur Anklage gebracht und dort verhandelt.17 Dem stehen 71.022 im Jahr 2004 vor den Bundesgerichten (U. S. District Courts) neu eröffnete oder (noch) anhängige Strafsachen (criminal cases) gegenüber.18 Hierbei gilt es zu beachten, dass die Zuständigkeit der U. S. District Courts grundsätzlich Verbrechen und Vergehen (misdemeanors) umfasst, sodass die zuletzt angeführte Statistik sich, im Gegensatz zur zuerst genannten, auf beide Formen von Straftaten bezieht. Auf der Bundesebene machen Verbrechen aber den Großteil der verfolgten und verhandelten Strafsachen aus,19 denn die Bundesbehörden konzentrieren sich, insbesondere auch auf Grund ihrer beschränkten Ressourcen, primär auf die Verfolgung schwerer oder symbolträchtiger Straftaten.20 Allein die Tatsache, dass dem Department of Justice keine genauen Zahlen über das Ausmaß der Strafverfolgung auf der Ebene der Bundesstaaten zur Verfügung stehen und es daher mit geschätzten Werten operieren muss, mag als Beleg für die Trennung der Ebenen und die Eigenständigkeit der Gliedstaaten dienen. Zudem sind von den Bundesstaaten übermittelte Daten unterschiedlichen Maßstäben unterworfen, was einerseits die Bereitwilligkeit und Genauigkeit der Angaben betrifft, andererseits aber auch einer differierenden Zählweise (z. B. Auflistung von Verbrechen und Vergehen oder nur von Verbrechen; Auflistung nach Angeklagten 14

Dazu ausführlich unten 5. Kapitel C. I. Dazu sogleich mehr unter 2. Kapitel B. III. 16 Die Statistik bezieht sich auf felonies und beinhaltet daher keine misdemeanors oder sonstige Deliktskategorien. 17 U. S. Department of Justice, Bureau of Justice statistics, Tabelle 1.1: Estimated Number of felony convictions in State courts, 2004; abrufbar im Internet unter http://www.ojp.usdoj.gov/ bjs/pub/html/scscf04/tables/scs04101tab.htm; zuletzt abgerufen am 16.02.2009. 18 Im Jahr 2006 waren es 66.680 Verfahren; sämtliche Zahlen stammen aus: U. S. Department of Justice, Sourcebook of Criminal Justice Statistics, Tabelle 5.8.2006: Criminal cases commenced, terminated, and pending, and judgeships authorized in U. S. District Courts; abrufbar im Internet unter: http://www.albany.edu/sourcebook/pdf/t582006.pdf; zuletzt abgerufen am 16.02.2009. 19 Im Jahr 2005 betrug der Anteil der Verbrechen bei anhängigen Verfahren an Bundesgerichten 85 %; errechnet aus der detaillierteren Übersicht in: U. S. Department of Justice, Sourcebook of Criminal Justice Statistics, Tabelle 5.8.2006: Criminal cases filed, terminated, and pending in U. S. District Courts; abrufbar im Internet unter: http://www.albany.edu/sourcebook/ pdf/t5112006.pdf; zuletzt abgerufen am 16.02.2009. 20 Näher dazu unten 5. Kapitel C. II. 15

32

1. Kap.: Überblick und Begriffsbestimmungen

oder nach Strafsachen) oder dem gänzlich uneinheitlichen Gerichtsaufbau geschuldet ist,21 und dadurch die Erstellung eines Gesamtwertes deutlich beeinträchtigt. Auch wenn es sich angesichts der teilweise großen Unterschiede im Hinblick auf die Einwohnerzahl, aber auch der in Bezug auf die Kriminalitätsbelastung und -bekämpfung fehlenden Vergleichbarkeit der einzelnen Bundesstaaten verbietet, überschlagsmäßig einen Durchschnittswert hinsichtlich der Anzahl der verhandelten Strafsachen in jedem einzelnen Bundesstaat zu bilden, so lässt sich doch induzieren, dass der Wert der von Bundesgerichten verhandelten Verbrechen insgesamt dem mancher kleinerer Einzelstaaten entsprechen dürfte. Eine genauere Recherche belegt dies.22 Anders liegt der Fall indes erwartungsgemäß in Bundesstaaten wie Texas, die ein weitaus größeres Kriminalitäts- und Strafverfolgungsvolumen aufweisen. Hier liegt der Wert der Strafverfahren noch deutlich über dem des Bundes.23 Die Anzahl der vor Bundesgerichten zur Anklage gebrachten Fällen stieg seit Beginn des Berichtszeitraumes 1982 bis auf wenige Schwankungen Jahr für Jahr kontinuierlich, seit 1994 auch ohne jegliche Ausschläge in die entgegengesetzte Richtung, und erreichte im Jahr 2004 ihren bislang höchsten Wert in der Geschichte der Strafverfolgung der Vereinigten Staaten. Seither ist sie wieder etwas rückläufig.24 Eine Schätzung des Department of Justice hinsichtlich der durch 21

Abrams/Beale, S. 14. So verzeichnet etwa der Bundesstaat Maine für das Jahr 2005 59.960 neu eröffnete Verfahren vor den District Courts und 12.347 vor dem Superior Court, welcher für die Jury-Verfahren und damit für die schwereren Straftaten zuständig ist; die Zahlen stammen aus dem Jahresbericht des Maine Judicial Branch, abrufbar unter: www.courts.state.me.us/maine_courts/ annual_reports/annualreport/Annualreport2005/annualrptsumm05.pdf; zuletzt abgerufen am 16.02.2009. 23 So weist der Bundesstaat Texas für das Ende des Jahres 2004 221.034 anhängige Verfahren vor den District Courts auf, welche für felonies zuständig sind; im Jahr 2005 stieg diese Zahl auf 228.915; will man sich hier also wiederum – unter Ausklammerung der Kleinkriminalität – auf die Verbrechen beziehen, so liegen diese Zahlen dennoch weit über dem Wert der vor Bundesgerichten anhängigen Verfahren; die Zahlen stammen aus der Summary of Reported Activity der Gerichte in Texas, abrufbar unter: http://www.courts.state.tx.us/pubs/AR2005/toc. htm; zuletzt abgerufen am 16.02.2009; interessant ist auch der – allerdings etwas ältere – Vergleich, welcher sich bei Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681, 685 (1992), findet: Hiernach wurden im Jahr 1990 im Bundesstaat New York 80.000 felonies vor dessen Gerichten, aber nur ca. 49.000 felonies auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten vor Bundesgerichten verhandelt. 24 Während die Zahl der nach Bundesrecht verfolgten und vor die Bundesgerichte gebrachten Straftaten seit 1982 kontinuierlich und stetig gestiegen ist – von einem kleinen Einbruch in den Jahren 1992 und 1993 abgesehen – geht sie seit dem Jahr 2004, welches den vorläufigen absoluten Höhepunkt der Strafverfolgung auf Bundesebene darstellt, wieder etwas zurück; so wurden im Jahr 2005 69.575 und im Jahr 2006 66.680 Strafverfahren vor Bundesgerichten verzeichnet; diese Summe beinhaltet neu eröffnete, noch anhängige und zum Abschluss gebrachte Strafsachen; die Zahlen sind wiederum entnommen aus: U. S. Department of Justice, Sourcebook of Criminal Justice Statistics, Tabelle 5.8.2006: Criminal cases commenced, terminated, and pending, and judgeships authorized in U. S. District Courts; abrufbar im Internet unter: http://www.albany.edu/sourcebook/pdf/t582006.pdf; zuletzt abgerufen am 16.02.2009; vgl. auch Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 45 f. (1996). 22

1. Kap.: Überblick und Begriffsbestimmungen

33

die Gerichte der Bundesstaaten insgesamt verhandelten Strafsachen für die Jahre nach dem Berichtsjahr 2004 stand zur Zeit der Abfassung dieses Manuskripts noch aus. Zu verzeichnen ist ferner ein signifikanter Anstieg strafrechtlicher Vorschriften des Bundes in den letzten Jahrzehnten. Die Zahl der Straftaten nach Bundesrecht oder auch nur der Statute, welche Straftatbestände enthalten, lässt sich wiederum nicht genau beziffern. Ein einheitliches, d. h. allumfassendes, Strafgesetzbuch des Bundes gibt es nicht; die Straftatbestände sind vielmehr über die 50 Untertitel des Gesetzbuches der Vereinigten Staaten (United States Code, kurz: U. S. C.) verteilt, welcher selbst ca. 27.000 bedruckte Seiten umfasst. Inzwischen wird von ca. 4.000 nach Bundesrecht verfolgbaren Straftaten ausgegangen.25 Die Mehrzahl findet sich im 18. Titel des U. S. C., der auch die Überschrift „Crimes and Criminal Procedure“ trägt. Mit dieser numerischen Ausweitung des Federal Criminal Law geht naturgemäß auch eine inhaltliche Ausbreitung der von diesem materiell erfassten Delinquenzbereiche einher. Bezog es sich in seinen Anfängen noch ausschließlich auf Straftaten von oder zu Lasten von Bundesangestellten oder des Bundesvermögens, so tangiert es inzwischen nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens und erstreckt sich z. B. auf Raub und räuberische Erpressung, Sexual- und Körperverletzungsdelikte oder den Drogenhandel. Es betrifft damit heute viele Delinquenzformen, die, wie insbesondere die lokale Straßenkriminalität, traditionell dem Strafrecht der Bundesstaaten vorbehalten waren.26 Dies bringt viele praktische, aber insbesondere auch rechtliche Probleme mit sich, welche unten27 noch ausführlich zu erörtern sind.

25

Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 753 (2005). Vgl. nur ABA Report, S. 5 ff.; Beale, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 694 (2002); dies., 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 40 (1996); zum Strafrecht des Bundes ausführlich unten im 3. Kapitel. 27 Siehe unten 5. Kapitel E. 26

2. Kapitel

2

Konstitutioneller Hintergrund 2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund Das Strafrechtssystem der Vereinigten Staaten – bzw. das Vorhandensein von zwei parallelen Strafrechtssystemen und 52 verschiedenen Rechtsordnungen – ist Ausdruck der föderalen Struktur der US-amerikanischen Verfassung (U. S. Constitution). Es lässt sich nicht ausreichend erfassen, ohne dass die geschichtlichen Hintergründe sowie eine Erläuterung der Struktur und Grundprinzipien des Föderalismus der Vereinigten Staaten vorangestellt werden.

A. Die Entstehung des US-amerikanischen Föderalismus A. Die Entstehung des US-amerikanischen Föderalismus

Die Komplexität geschichtlicher Ereignisse im Allgemeinen und der Vorgeschichte und Entwicklung des föderativen Systems in den Vereinigten Staaten im Besonderen soll hier nicht verkannt werden. Auch ist Simplifizierung der Geschehnisse nicht Ziel dieser Anmerkungen, sondern vielmehr die Akzentuierung einiger für diese Untersuchung und aus Sicht des US-amerikanischen Föderalismus bedeutsamer Aspekte. Ihnen gilt hier die besondere Aufmerksamkeit, ohne dass verschwiegen werden kann, dass sie nur einen Teilausschnitt der Historie und Beweggründe der Entstehung des föderalen Systems in den Vereinigten Staaten bilden.

I. Unabhängigkeitserklärung, amerikanische Revolution und revolutionärer Krieg Die Verfassung der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1787 ist das Ergebnis eines mehr als zwanzig Jahre andauernden Prozesses der Entwicklung und Ausformulierung konstitutioneller Ideen, des Feldversuches und der erbitterten Debatte um die richtige Form der Regierung für einen neu entstehenden, eigenständigen und vom ursprünglichen Mutterland Großbritannien unabhängigen Staat auf dem Gebiet der ehemaligen britischen Kolonien in der Neuen Welt, der seinen Anfang in der Mitte der 1760er Jahre nahm. Zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1776 hatten die meisten der Kolonien in Amerika bereits über einhundert Jahre Bestand und waren, offiziell zwar weiterhin der britischen Krone unterstellt, bereits weitgehend selbst verwaltet,1 was sich möglicherweise einerseits auf die große 1 Dubber, Police Power, S. 83; Gerston, S. 19 f.; Ketcham, in: ders., S. 1; Middlekauff, S. 30, 53; Ver Steeg/Hofstadter, in: dies., S. 61 ff.

A. Die Entstehung des US-amerikanischen Föderalismus

35

räumliche Distanz zum Mutterland, andererseits aber auch auf die in den dreizehn Kolonien auf dem amerikanischen Festland eingerichteten Regierungsstrukturen zurückführen lässt.2 Diese bestanden im Wesentlichen in lokalen Selbstverwaltungen.3 Mangels einer gemeinsamen Regierung oder auch nur einer gemeinsamen Hauptstadt auf dem Boden und für den Bereich der Kolonien hatten deren Bewohner gelernt, dass Lösungen bestehender Probleme in ihrer jeweiligen Provinzhauptstadt, nicht aber in einer zentralen Einrichtung, etwa im entfernten London, zu suchen waren. Beachtung muss in diesem Zusammenhang auch die durchaus unterschiedliche Zusammensetzung der Bevölkerung in den Kolonien bzw. späteren Bundesstaaten finden. War dies der Boden, welcher die revolutionären Gedanken gedeihen ließ, so ist der unmittelbare Auslöser der Revolution und der Unabhängigkeitserklärung jedoch in Problemen mit der Krone bzw. dem britischen Parlament zu suchen, welchen durchaus staatsphilosophischer Charakter zugeschrieben werden kann. Großbritannien suchte seine wachsenden Staats- und Kriegskosten vermehrt durch die Besteuerung der Kolonien auszugleichen. Insbesondere das Steuermarkengesetz (Stamp Act) des Jahres 1765 gilt heute als einer der Auslöser der Revolution in Amerika. Die darauf folgende so genannte Stamp Act Crisis lässt sich nicht nur damit begründen, dass die Kolonien sich durch die Besteuerung ausgebeutet fühlten. Die Kolonisten empörten sich v. a. darüber, dass ein Parlament sie besteuerte, in welchem sie nicht vertreten waren.4 Zwar lagen zwischen der Stamp Act Crisis und der Unabhängigkeitserklärung noch elf Jahre. Diese waren jedoch reich an Diskussionen, politik-theoretischen und staatsphilosophischen Schriften und Zeitungsartikeln, welche sich der Frage widmeten, wie ein Staatsgebilde am besten zu regieren und wie dabei v. a. der Wille des Volkes – auch konstitutionell – bestmöglich zu repräsentieren wäre.5 2 Vgl. Middlekauff, S. 30 f.; diese Organisation war wiederum von den Autoritäten des britischen Königreiches eingerichtet worden und spiegelt damit wiederum dessen Auffassung vom Staatsaufbau wieder; vgl. McLaughlin, in: Smith, S. 26 ff., der sogar so weit geht, das British Empire zur Mitte des 18. Jahrhunderts als faktisch existierenden föderalen Staat zu bezeichnen. 3 McLaughlin, in: Smith, S. 28: „internal police“; vgl. auch von Mehren/Murray, S. 104; Wood, S. 154 ff. 4 Dieser Einwand ist bedeutsam für das Verständnis der Revolutionäre von Repräsentation und Regierung; vgl. dazu die Declarations of the Stamp Act Congress, in: Drake/Nelson, S. 23 f.; ferner Gerston, S. 20; Middlekauff, S. 74 ff.; Ver Steeg/Hofstadter, in: dies., S. 400 f.; nach Auffassung von McLaughlin, in: Smith, S. 30, ging es dabei um die staatstheoretische Frage, ob die Kolonien als Teilebene innerhalb des existierenden Systems des British Empires das Recht besaßen, ihre Finanzen selbst zu verwalten, damit durchaus also ein den Staatsaufbau und das Verhältnis der Ebenen betreffendes Problem; interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Albany Plan, welcher im Jahr 1754 auf dem Albany Congress in Albany, New York, von Benjamin Franklin vorgeschlagen wurde, von der Krone aber abgelehnt wurde; dieser sah eine Union der Kolonien unter Herrschaft der britischen Krone vor, wobei dieser Union einige Kompetenzen zustehen sollten, darunter auch die Besteuerung der eigenen Bevölkerung. 5 Gerston, S. 21 ff.; Ketcham, in: ders., S. 1; Middlekauff, S. 124 ff.

36

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

Der steigende Unbill über die Monarchie Großbritanniens kulminierte zwischenzeitlich in der Boston Tea Party,6 führte in der Folge aber insbesondere zur Einberufung des ersten Continental Congress’ im September 1774 in Philadelphia, welchem Delegierte aus nahezu allen dreizehn Kolonien des Kontinents beiwohnten und dessen Ziel die Herausarbeitung einer adäquaten Antwort auf die als ungerecht empfundenen britischen Repressalien war.7 Zwar offenbarte dieser noch große Differenzen, die den unterschiedlichen, teils gegenläufigen Interessen der einzelnen Kolonien entsprangen, brachte jedoch schließlich eine Erklärung der Rechte der Kolonien8 hervor und begründete die Durchsetzung dieser Rechte durch Handelsblockaden seitens der Kolonien gegenüber dem Königreich sowie die Gründung einer amerikanischen Miliz. Großbritannien reagierte auf die Proklamation mit militärischen Mitteln. Bereits der zweite Continental Congress, welcher, wiederum in Philadelphia, im Jahr 1775 eilig einberufen wurde, sah sich gezwungen, gegenüber der Welt den Waffengang und damit die Revolution der Kolonien zu rechtfertigen.9 Kurze Zeit später befanden sich Großbritannien und seine Kolonien in Amerika im revolutionären Krieg. Der Continental Congress, dessen Ziel zu Anfang nur die Verteidigung der Rechte der Kolonien war, bewegte sich in einer Vielzahl von Debatten schließlich, durch die unversöhnliche Haltung Großbritanniens bedingt, das in den amerikanischen Delegierten nur Rebellen sah und die Kolonien mit einer Handelsblockade belegte, in Richtung Unabhängigkeit. Erster Schritt hierzu war die Etablierung von Regierungen in den einzelnen Kolonien, welche dadurch zu Staaten werden sollten. Was folgte waren Verfassungsentwürfe in jedem einzelnen der neuen Bundesstaaten, der erste in New Hampshire im Januar 1776.10 Damit wurde der Weg frei für die am 4. Juli 1776 verabschiedete Unabhängigkeitserklärung (Declaration of Independence). Bereits deren Präambel ist aufschlussreich hinsichtlich der hinter dieser Erklärung stehenden Überzeugungen: 6 Als Protest gegen den „Tea Act“, durch welchen einem bestimmten Unternehmen ein Handelsmonopol für Tee in den Kolonien zugesprochen wurde, enterten am 16.12.1773 empörte Kolonisten in Boston das erste dort eintreffende Schiff mit einer Ladung Tee und versenkten diese im Meer; vgl. dazu Middlekauff, S. 226 ff.; Ver Steeg/Hofstadter, in: dies., S. 402. 7 Es ging insbesondere darum, eine politische Opposition zu den sog. „Intolerable Acts“, einer Ansammlung von Gesetzen des britischen Parlaments, in welchen die Kolonien weiter besteuert wurden, zu bilden und zu begründen; hierbei sollen v. a. auch die Ideen von John Locke eine entscheidende Rolle gespielt haben; vgl. First Continental Congress: Declaration, in: Ver Steeg/Hofstadter, S. 422 ff.; ferner Gerston, S. 22 f.; Middlekauff, S. 240 ff.; Ver Steeg/ Hofstadter, in: dies., S. 402. 8 First Continental Congress: Declaration of the Rights of the Colonies, in: Ver Steeg/Hofstadter, S. 422 ff. 9 Siehe Continental Congress: Declaration of the Causes and Necessities of Taking up Arms, in: Ver Steeg/Hofstadter, S. 444 ff.; ferner Middlekauff, S. 319; Ver Steeg/Hofstadter, in: dies., S. 403. 10 Ketcham, in: ders., S. 3; Wood, S. 133.

A. Die Entstehung des US-amerikanischen Föderalismus

37

We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the Pursuit of Happiness […] that to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just power from the consent of the governed, […] it is the Right of the People to alter or to abolish it, and to institute a new Government […].

Hier offenbart sich der Einfluss zeitgenössischer Theoretiker wie John Locke, nach dessen Auffassung sich die Legitimität der Regierung aus dem Vertrag zwischen Regierung und Regierten herleitet und das Volk die Regierung bei Verstößen gegen diesen Vertrag stürzen darf. Diese Vertragsrechte sahen die Amerikaner durch den britischen König gebrochen. Zudem wird erklärt, dass das Individuum mit unabänderlichen Rechten ausgestattet ist, zu welchen Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit zu zählen sind. Interessant ist weiterhin die Schlusserklärung, welche die Wandlung der Kolonien zu freien Staaten manifestiert: We […] the Representatives of the United States of America […] in the Name, and by Authority of the good People of these Colonies […] declare, That these Colonies are Free and Independent States.11

II. Die Konföderationsartikel Der in der Präambel der Unabhängigkeitserklärung angelegte Zwiespalt zwischen den unabänderlichen Rechten des Einzelnen auf der einen und der Einsetzung einer Regierung auf der anderen Seite, die den Willen des Volkes repräsentiert, selbst wenn sie sich anschickt, Freiheitsrechte zu beschränken, galt es den neuen Republikanern durch eine Verfassungsordnung aufzulösen.12 Die Jahre zwischen der Unabhängigkeitserklärung und der Verabschiedung der US-amerikanischen Verfassung im Jahr 1787 brachten eine bedeutende Experimentierphase in staatsrechtlicher Hinsicht. Die Bundesstaaten, welche bereits 1776 begonnen hatten, sich eigene Verfassungen zu geben, erprobten diese in der Folge auch in praktischer Hinsicht. Einen wichtigen Schritt in Richtung eines nationalen Gesamtstaates stellten zudem die Konföderationsartikel (Articles of Confederation oder kurz: Articles) dar, welche im Jahr 1781 von sämtlichen Staaten des neu geschaffenen Bundes ratifiziert wurden und die erste Verfassung der Vereinigten Staaten bildeten. Auf Grund der Auflehnung gegen die britische Monarchie, von welcher sich die Kolonien gerade erst gelöst und in welcher die Revolutionäre ihre Rechte nicht ausreichend vertreten gesehen hatten, waren sämtliche Verfassungsentwürfe von dem Wunsch getragen, dem Willen des Volkes möglichst intensiven Ausdruck zu 11

Vgl. ferner zu den vorherrschenden Staatstheorien im revolutionären Amerika Wood, S. 46 ff. 12 Vgl. Ketcham, in: ders., S. 5.

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

38

verleihen. In den Parlamenten der Bundesstaaten sowie im Continental Congress, welcher die Konföderationsartikel entwarf, herrschte die Furcht vor einer zu starken zentralen Regierung.13 Gegenüber der Monarchie war im politischen Denken im Amerika des 18. Jahrhunderts die Republik das bevorzugte Modell der Staatsräson. Der Republik ist nach Verständnis Madisons14 das Prinzip der Repräsentation des Volkes eigen, im Gegensatz zur reinen Demokratie, welche nur in kleinen selbstverwalteten Kommunen bestehen kann, deren Bürger sich versammeln und die Probleme gemeinsam und direkt lösen. Nur stellte sich die Frage, wie eine wirksame Kontrolle zum Schutz vor zu starker Machtkonzentration installiert werden sollte, denn im Gegensatz zu den Staaten Europas verfügte die junge Nation nicht über historisch gewachsene Strukturen mit ihnen inhärenten Kräften und Gegenkräften bzw. solchen Institutionen wie Krone, Adel oder starke und politisch einflussreiche Kirche, denen sich ein parlamentarisches Gegengewicht bilden ließ.15 Ein wirksames Mittel schien die Dezentralisierung, später dann die Allokation der Macht auf verschiedenen Regierungsebenen.16 Die Articles, in aller Eile inmitten des Unabhängigkeitskrieges geschaffen, sicherten in erster Linie die Souveränität der einzelnen Bundesstaaten und erklärten, dass diese nun in ein Bündnis der Freundschaft einträten. Es heißt dort in Art. II: Each state retains its sovereignty, freedom and independence, and every power, jurisdiction, and right, which is not by this Confederation expressly delegated to the United States, in Congress assembled.

Damit wurde klargestellt, dass alle Souveränität, Zuständigkeit und Macht, bei den Bundesstaaten lag, es sei denn der Bund, d. h. der Congress, war ausdrücklich ermächtigt. Die Zuständigkeiten, welche dem Congress durch Art. IX übertragen wurden, waren sehr lückenhaft. Sie beinhalteten etwa die Zuständigkeit, Krieg und Frieden im Namen der Vereinigten Staaten zu erklären, Streitigkeiten zwischen den Einzelstaaten zu schlichten oder eigene Münzen zu prägen. Wichtiger aber ist es, sich zu vergegenwärtigen, welche substanziellen Elemente modernen Staatswesens dem Bund gerade nicht zustanden: Er konnte weder Steuern erheben noch Regelungen im Hinblick auf den Handel erlassen, ihm fehlte jede Exekutivgewalt und er verfügte auch nicht über ein eigenes Gerichtssystem. Ferner setzte jede Änderung der 13

Gerston, S. 24; Ketcham, in: ders., S. 3; Sutton, S. 3, 25. Madison, Federalist No. 10. 15 Ketcham, in: ders., S. 7. 16 Den Verfassern der Articles ging es noch nicht um Föderalismus und die Verteilung der Macht auf verschiedenen Regierungsebenen. Diese Theorien sollten sich erst im Laufe der Diskussion um die Amerikanische Verfassung entwickeln. Die Articles sind vielmehr geprägt von dem Willen eine schnelle Union herbeizuführen, um den Krieg gegen Großbritannien wirksam bestreiten zu können. Vgl. dazu Sutton, S. 25. 14

A. Die Entstehung des US-amerikanischen Föderalismus

39

Articles Einstimmigkeit der Bundesstaaten voraus, Art. XIII. Der Congress als einziges legislatives Organ der Konföderation setzte sich aus Vertretern der einzelnen Mitgliedstaaten zusammen und war nicht vom Volk direkt gewählt, sodass keine direkte Verbindung zwischen dem Organ der Konföderation und dem Volk bestand. Nicht das Volk, sondern die Bundesstaaten waren hier vertreten. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Confederation ein Bund vollständig unabhängiger und souveräner Staaten war.

III. Der Verfassungskonvent und der Streit um die Ratifizierung der Verfassung Im Jahr 1783 wurde durch den Friedensvertrag zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten die Unabhängigkeit endgültig bestätigt. Die Articles waren jedoch schon bald vehementer Kritik ausgesetzt. Es stellte sich heraus, dass die Einzelstaaten oftmals nur eigene Interessen verfolgten und Angehörige oder Unternehmen anderer Bundesstaaten diskriminierten.17 Die Articles wurden als inadäquat und die Macht des Bundes als viel zu schwach empfunden, um überhaupt wirkungsvoll zu regieren,18 sodass die junge Konföderation wieder zu zerbrechen drohte.19 Bereits 1787 wurde ein weiterer Konvent in Philadelphia (später bezeichnet als Constitutional Convention) einberufen, dessen Ziel eine Abänderung und Verbesserung der Articles war, welcher stattdessen aber mit dem Entwurf der Verfassung der Vereinigten Staaten (Constitution of the United States of America oder kurz: U. S. Constitution) abschloss. In den Debatten um die Formulierung der Verfassung, insbesondere aber um ihre spätere Ratifizierung in den Bundesstaaten, standen sich zwei politische Gruppierungen gegenüber, deren Auffassungen kaum gegensätzlicher hätten sein können: die Federalists, welche für eine stärkere nationale Regierung eintraten, und die Anti-Federalists, welche eine Ausweitung nationaler Kompetenzen ablehnten und eine möglichst dezentrale Organisation befürworteten. Die Bezeichnung der zuerst genannten Partei als Federalists (Föderalisten) mag dabei etwas irreführend klingen, denn ihr Hauptanliegen war 17 Insbesondere die Abwesenheit einer Zuständigkeit des Congress’ zur Regelung des Handels zwischen den Staaten wurde als Hauptübel empfunden, da beispielsweise Waren aus anderen Bundesstaaten mit Zöllen belegt wurden; vgl. Chemerinsky, S. 9; Gerston, S. 26. 18 Gerston, S. 24 f.; Ketcham, in: ders., S. 9 ff.; Middlekauff, S. 603 ff.; Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 9 ff.; Sutton, S. 26; Wood, S. 393 ff., 471; so insbesondere auch Hamilton, Federalist No. 1, No. 15–22, und die Rede von Randolph in der Constitutional Convention, in: Madison, Notes, S. 29 f. 19 Als bedeutsam in diesem Zusammenhang wird auch Shays’ Rebellion eingeschätzt, ein Aufstand von Bauern in Massachusetts gegen die hohen Steuern, welcher als Beleg für innere Unruhen und ein steigendes Gefühl der inneren Unsicherheit angeführt wird; vgl. Ketcham, in: ders., S. 10; Middlekauff, S. 621; Wood, S. 465; auch Hamilton, Federalist No. 6, erwähnt die Unruhen in Massachusetts als Folge der Schwäche der Articles.

40

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

die Stärkung der übergeordneten zentralen Regierung (federal government) gegenüber den Bundesstaaten und eine engere Föderation als die in den Articles angelegte Konföderation und nicht die Ausweitung der föderalen Elemente im Gesamtstaat.20 Beide Gruppen sahen sich der Tradition der amerikanischen Revolution verbunden, beider Ziel war die Verhinderung von Tyrannei und die Verteidigung der Freiheit der Bürger, nur herrschte Dissens darüber, wie dieses Vorhaben am besten zu verwirklichen sei.21 Uneinig war man sich dabei auch darüber, was der Wortlaut der Unabhängigkeitserklärung genau besagte: Unabhängigkeit der Kolonien, die dadurch zu Staaten geworden waren, von Großbritannien oder auch Unabhängigkeit voneinander. Wenngleich die Federalists letztlich die Oberhand gewannen, stellt die U. S. Constitution einen Kompromiss zwischen diesen Strömungen dar. Nachdem die Delegierten der Constitutional Convention sich auf eine Version geeinigt hatten, wurde sie den Bundesstaaten zur jeweiligen Ratifizierung übergeben. In der Phase bis zur endgültigen Annahme des Entwurfs veröffentlichten beide Lager eine Vielzahl von Schriften, v. a. im Bundesstaat New York, um dessen Delegierte zur Zustimmung bzw. Ablehnung zu bewegen. Insbesondere die Beiträge der Federalists, zunächst als politische Essays unter dem Pseudonym Publius in Zeitungen im Bundesstaat New York, später in gebundener Form als The Federalist erschienen und verfasst von Hamilton, Madison und Jay, gelten heute als bedeutendster Ausdruck der Hintergründe und Motive der Väter der US-amerikanischen Verfassung.22 Die Anti-Federalists antworteten ihrerseits mit Schriften in Zeitungen in den Bundesstaaten New York, Massachusetts und Pennsylvania, deren bekannteste unter den Pseudonymen „Brutus“, „John DeWitt“ oder „The Federalist Farmer“ veröffentlicht wurden und deren Autoren teilweise bis heute nicht bekannt sind. Den Federalists war es vor allem darum zu tun, ihre Hauptangst zu bewältigen, die Furcht vor dem Zerfall der Union und der Ausweitung der Konkurrenzen und Uneinigkeiten zwischen den Bundesstaaten, welche unweigerlich in eine Situation ähnlich derjenigen auf dem europäischen Kontinent münden und damit 20 Hamilton, in: Madison, Notes, S. 134, 152, plädierte in der Constitutional Convention sogar dafür, den Staatscharakter der Bundesstaaten zu beseitigen und ihnen nur noch eine untergeordnete Zuständigkeit zu belassen. 21 Wood, S. 475 ff., beschreibt beide Gruppen näher und weist auf große soziale Unterschiede hin. Während die Federalists reich an Mitteln und mit gesellschaftlichem Einfluss ausgestattet waren, fehlte es den Anti-Federalists an diesen Eigenschaften; sie waren fast ausschließlich lokalen Interessen verbunden und ohne politische Verbindungen; somit sei der Erfolg der Federalists letztlich ein Sieg der Aristokratie. 22 Die Zusammenkünfte der Constitutional Convention waren geheim, offizielle Mitschriften existieren daher nicht. Allerdings hat James Madison seine Aufzeichnungen von den Debatten, welche teilweise recht ausführliche Zusammenfassungen der einzelnen Redebeiträge enthalten, veröffentlicht.

A. Die Entstehung des US-amerikanischen Föderalismus

41

letztlich auch in Kriegen enden würde. Die Confederation hatte sich als unzulänglich erwiesen, die Schwäche der Zentralregierung dazu geführt, dass die Bundesstaaten die Resolutionen des Bundes ignoriert und lokale Interessenpolitik betrieben hatten. Die Lösung lag für die Federalists in der Stärkung des Congress’. Der Bund sollte über eine eigene Legislative, Exekutive und Judikative verfügen und damit über ausreichende Macht, seine Gesetze auch selbst durchsetzen zu können.23 Die Union sollte für Stabilität nach innen und dabei auch für eine Stärkung der Wirtschaft sowie für Sicherheit nach außen sorgen.24 Madison25 erklärte, dass Fraktionsbildung und Zersplitterung sowie Tyrannei eines Willens auf Kosten eines anderen sich gerade in einer Republik mit großem Territorium besser vermeiden ließen, denn hier sei es auf Grund der vielen unterschiedlichen Interessen schwieriger für Interessen- und Splittergruppen, anderen ihren Willen aufzuzwingen. Die Anti-Federalists hatten sich dagegen aus der Vorgeschichte und den Motiven der Revolution eine tief verwurzelte Furcht vor Zentralismus bewahrt, insbesondere wenn es sich um eine Zentralregierung handeln sollte, welche auch örtlich weit entfernt von den Bürgern zumindest vieler der zugehörigen Bundesstaaten angesiedelt werden sollte. Die Unabhängigkeit von Großbritannien war schließlich gleichzeitig eine Revolution gegen die Monarchie gewesen. Warum sollten sie also der Etablierung eines neuen Imperiums zustimmen, welches nach ihrem Dafürhalten letztlich wiederum nach Ausdehnung seiner Macht streben und sich dadurch zwangsläufig von seinen Bürgern und den gerade errungenen Strukturen der Volksherrschaft entfernen würde?26 Das Gebiet der Vereinigten Staaten erschien zu groß, um noch für eine demokratische Regierungsform geeignet zu sein, Heil bringend und den bestmöglichen Schutz der bürgerlichen Freiheit verheißend hingegen die lokale Regierung, jedenfalls auf Ebene der Bundesstaaten. Tyrannei ließe sich nur auf möglichst kleiner Ebene mit möglichst starker Wiedergabe des Volkswillens vermeiden.27

23 Wichtig waren hier insbesondere die Möglichkeit des Vetos gegenüber Gesetzen der Bundesstaaten, vgl. Hamilton, Federalist No. 73, sowie die Aufstellung einer eigenen Armee, vgl. Hamilton, Federalist No. 16, 29. 24 Innere Sicherheit gegen Revolten: Hamilton, Federalist No. 9; Stärkung des Handels: Hamilton, Federalist No. 11–13; Sicherheit nach außen: Jay, Federalist No. 2–5. 25 Madison, Federalist No. 10, 14; vgl. zu dieser Frage auch Boorstin, in: Smith, S. 192 ff. 26 Siehe die Rede von Henry vom 5. Juni 1788 vor dem Ratifikations-Konvent in Virginia, in: Ketcham, S. 207. Und tatsächlich klingt z. B. bei Madison, Federalist No. 10, so etwas wie der Wille zur Expansion an. 27 Vgl. „John DeWitt“, Essay I (1787), in: Ketcham, S. 190 ff. Diesbezüglich bestand auch Streit über die zutreffende Interpretation der Schriften von Montesquieu. Nach Auffassung von Hamilton, Federalist No. 9, standen dessen Thesen vom Ausdruck des Volkswillens in der Demokratie keineswegs dem Zusammenschluss der kleineren Regierungsebenen in einem größeren Bund entgegen; „Brutus“, Essay I (1787), in: Ketcham, S. 275 f., berief sich stattdessen auf die Aussage Montesquieus, es sei natürlich für eine Republik, nur ein kleines Territorium zu umfassen.

42

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

Aufgabe der Federalists war es nun, solche und ähnliche Bedenken28 zu zerstreuen und nachzuweisen, dass die neue Verfassung zwar die Zentralregierung entscheidend stärken, gleichzeitig aber den Bundesstaaten ausreichende Souveränität belassen und sie hinreichend gegen eine Vereinnahmung durch den Bund schützen würde.29 Ergebnis ist das System eines dualen Föderalismus mit zwei getrennten Sphären. Madison30 glaubte, dass weniger die Bundesstaaten eine Vereinnahmung durch den Bund zu fürchten hätten als umgekehrt, denn die Bürger der Einzelstaaten seien in erster Linie ihrer eigenen Regierung verbunden. Auch enthalte die Verfassung genügend „checks and balances“,31 um eine zu große Machtkonzentration zu vermeiden. Insbesondere liege die Besonderheit der US-amerikanischen Republik im föderativen System der Vereinigten Staaten, denn durch die Regierung und Parlamente der Bundesstaaten sei eine weitere Ebene vorgesehen, durch welche eine doppelte Sicherheit für die Bürger implantiert werde.32 Die beiden parallel operierenden Staats- und Regierungsebenen seien dabei in die Lage versetzt, sich gegenseitig zu kontrollieren.33 Das föderale System und seine vertikale Gewaltenteilung dienen demnach einer weiteren Parzellierung der Macht. Der am 17. September 1787 beschlossene Entwurf der U. S. Constitution wurde in den einzelnen Bundesstaaten in weiteren Konventen beraten und sukzessive ratifiziert.34 Damit sie endgültig in Kraft treten konnte, war die Ratifizierung durch neun Bundesstaaten notwendig (U. S. Const. Art. VII). Mit der Ratifikation in New Hampshire am 21. Juni 1788 wurde dieses Ziel erreicht.35 Die Präambel stellt 28 Als wichtigste Bedenken und Hauptkritikpunkte an der U. S. Constitution aus Sicht der Anti-Federalists lassen sich z. B. festhalten: das Fehlen eines Grundrechtskatalogs, die undemokratische Struktur (undemokratisch im Sinne einer möglichst direkten und reinen Berücksichtigung des Volkswillens), Angst vor Zentralismus – insgesamt eine Furcht vor einer Beschränkung der Freiheit der Bürger und der Bundesstaaten; vgl. etwa die Reden von Henry vom 5. und 7. Juni 1788 vor dem Ratifikations-Konvent in Virginia, in: Ketcham, S. 199 ff.; „John DeWitt“, Essay II (1787), in: Ketcham, S. 195 f. 29 Wilson erklärte in der Debatte in der Constitutional Convention, in: Madison, Notes, S. 90: „Federal liberty is to the states, what civil liberty is to private individuals“ und brachte damit die Wichtigkeit der Wahrung der Rechte und Freiheit der Bundesstaaten auch aus Sicht der Federalists zum Ausdruck. 30 Madison, Federalist No. 45 und 46; diese Ansicht äußerte er auch schon in der Constitutional Convention, in: ders., Notes, S. 88, 142; ähnlich auch Hamilton, Federalist No. 17. 31 Zu dieser Terminologie Chemerinsky, S. 1; Gerston, S. 26, 38; Stone/Seidman/Sunstein/ Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 24; Wood, S. 547 ff. 32 Madison, Federalist No. 51. 33 Madison, Federalist No. 51. 34 Die Ratifizierung kam allerdings oftmals nur mit äußerst knapper Mehrheit zustande. Im Bundesstaat New York etwa, um welchen die Federalists und Anti-Federalists besonders gestritten und dessen Bevölkerung sie in zahlreichen Zeitungsartikeln, wie den Federalist Papers, zu überzeugen versucht hatten, ratifizierte sie nur mit einem Abstimmungsergebnis von 30:27, also einer Mehrheit von nur drei Stimmen; vgl. Chemerinsky, S. 11 f.; Ketcham, in: ders., S. 14; Middlekauff, S. 679 ff. 35 Vgl. nur Ketcham, in: ders., S. 14.

B. Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution

43

klar, dass das Volk der Vereinigten Staaten sich diese Verfassung gegeben hat,36 während die Articles noch ein Vertrag zwischen Staaten waren.37 Hierdurch entstand die notwendige Verbindung zwischen dem Staatsvolk und seinen Organen. Zudem enthält sie eine Aufzählung der Zielvorgaben und Gründe, die zu ihrer Verabschiedung geführt hatten, darunter insbesondere die Intention, eine bessere, und das hieß eben auch engere, Union der Bundesstaaten zu schaffen. Im Jahr 1791 wurden der US-Verfassung zehn Zusatzartikel (Amendments) hinzugefügt, die letztlich zur Ratifikation der Verfassung auch im letzten Bundesstaat Rhode Island führten. Sie enthielten endlich den bereits zuvor vielfach geforderten Grundrechtskatalog und waren noch einmal der Sicherung der persönlichen Freiheit gegen zu große Staatsmacht gewidmet. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere die Zusatzartikel V und VI, die Straf- bzw. Strafprozessrecht betreffende Regelungen38 wie etwa das Verbot der Doppelbestrafung39 enthalten, sowie Zusatzartikel X, welcher erklärt, dass alle dem Congress nicht übertragene Macht bei den Bundesstaaten respektive dem Volk verbleibt. In der Folge entfachte Zusatzartikel X eine große Debatte im US-amerikanischen Verfassungsrecht darüber, ob es sich hierbei nur um eine Klarstellung handelt oder ob er selbst ein verfassungsmäßiges gerichtlich durchsetzbares Recht der Bundesstaaten beinhaltet.40

B. Gewaltenteilung und Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution B. Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution

Das durch die U. S. Constitution installierte Staatssystem sieht verschiedene Sicherungsmechanismen vor, um eine zu große Machtkonzentration – insbesondere auf Bundesebene – zu verhindern. Wichtigstes Instrument ist die Gewaltenteilung, vertikal in mehrere Regierungsebenen und horizontal in Legislative, Exekutive und Judikative. 36 Präambel der U. S. Constitution: We, the People of the United States, in Order to form a more perfect Union, establish Justice, insure domestic Tranquility, provide for the common defence, promote the general Welfare, and secure the Blessings of Liberty to ourselves and our Posterity, do ordain and establish this Constitution for the United States of America. Die Auffassung, dass das Volk der Vereinigten Staaten als Souverän sich diese Verfassung selbst gegeben hat und nicht etwa die Bundesstaaten nur ein entsprechendes völkerrechtliches Abkommen geschlossen haben, wird auch vom U. S. Supreme Court immer wieder betont; vgl. nur U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 402 ff. (1819); vgl. ferner Chemerinsky, S. 238 f.; Wood, S. 532 ff. 37 Vgl. die Rede von Mason in der Constitutional Convention, in: Madison, Notes, S. 75: In den Articles repräsentiere der Congress die Staaten, nicht das Volk. Folglich fehlt eine entsprechende Aussage in der Präambel der Articles, durch welche das Volk als für die Konföderationsartikel verantwortlich ausgewiesen wäre. 38 Vgl. zum durch die Zusatzartikel IV, V und VI gewährten Grundrechtsschutz im Strafprozess Honig, Beweisverbote, S. 25 ff. 39 Dazu noch ausführlich unten 5. Kapitel D. 40 Vgl. nur Chemerinsky, S. 312 ff.; Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1176 ff. (1995).

44

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

I. Horizontale Gewaltenteilung Die horizontale Trennung in drei Gewalten ist auf beiden Staatsebenen, d. h. sowohl innerhalb der Sphäre des Bundes als auch der Bundesstaaten, zu finden. Die U. S. Constitution enthält ihrerseits nur Regelungen zum Bereich des Bundes. U. S. Const. Art. I betrifft die Legislative, U. S. Const. Art. II die Exekutive und U. S. Const. Art. III enthält Regelungen zum Gerichtssystem des Bundes, wenngleich er selbst nur den U. S. Supreme Court einführt. Für die Ebene der Bundesstaaten sind diese selbst zuständig und haben sich auch eigene Verfassungen gegeben. Die Bundesverfassung garantiert in U. S. Const. Art. IV § 4 aber immerhin jedem Bundesstaat eine republikanische Staatsform. Die Legislative des Bundes,41 der Congress, ist in zwei Kammern oder Häuser aufgeteilt (bicameral system), den Senat (Senate) und das Repräsentantenhaus (House of Representatives), in welchen jeweils die Bundesstaaten vertreten werden (proportional im Repräsentantenhaus, mit jeweils zwei Senatoren im Senat), wobei nach der ersten Regelung der Verfassung die Mitglieder des Senats von den Bundesstaaten bestimmt, diejenigen des Repräsentantenhauses hingegen direkt vom Volk gewählt wurden. Im Gegensatz zu den Articles bestand dadurch nun also eine direkte Verbindung zwischen Staatsvolk und zumindest einem Teil des Congress’, sodass klar gestellt war, dass die Vereinigten Staaten nun eine Nation und nicht mehr eine nur lose Konföderation einzelner, souveräner Staaten darstellten. Die Bundesstaaten behielten im Senat die Möglichkeit, die Senatoren selbst zu bestimmen. Diese Regelung wurde allerdings später im Jahr 1917 durch den Zusatzartikel XVII abgeändert. Seitdem werden auch die Senatoren direkt gewählt, eine entscheidende Änderung der vertikalen Gewaltenteilung und Verschiebung der Machtverhältnisse zu Gunsten des Bundes.42 Denn seitdem steht die Besetzung des Senats nicht mehr zur Disposition der Parlamente der Bundesstaaten, sodass ihnen ein gewichtiges Machtinstrument entzogen wurde. Im Hinblick auf die Judikative etabliert die US-Verfassung in U. S. Const. Art. III § 1 zunächst nur den U. S. Supreme Court, gleichzeitig in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 9 aber auch das Recht des Congress’, untere Bundesgerichte einzurichten. Bereits in der Constitutional Convention war die Notwendigkeit von Bundesgerichten debattiert worden. Madison zweifelte daran, dass die Gerichte der einzelnen Bundesstaaten geeignete Instanz zur Verteidigung und Durchsetzung der Bundesinteressen seien.43 Die Regelung in U. S. Const. Art. III § 1 ist wiederum Ausdruck eines Kompromisses, denn nicht die Verfassung setzte die unteren Bundesgerichte ein, sondern die Entscheidung darüber sollte dem Congress überlassen bleiben. 41

Vgl. dazu ausführlicher Hay, Rn. 43 ff. Vgl. die Ausführungen von Verfassungsrichter Souter im Votum der unterlegenen Richter (Dissent), in: U. S. Supreme Court, United States v. Morrison, 529 U. S. 598, 650 (2000). 43 Madison, in: ders., Notes, S. 143. 42

B. Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution

45

Madison hatte hingegen bereits durch die Verfassung untere Bundesgerichte einführen wollen.44 Bereits der erste Congress schuf im Jahr 1789 den Instanzenzug des Bundes, welcher seitdem fester Bestandteil des Rechtssystems der Vereinigten Staaten ist.45 Dieser enthält neben der Strafgerichtsbarkeit, welcher der Fokus dieser Abhandlung gilt, z. B. auch Zivilgerichte. Die Zuständigkeiten der Bundesgerichtsbarkeit werden in U. S. Const. Art. III § 2 näher umschrieben. Hiernach werden dort u. a. sämtliche Fälle betreffend die U. S. Constitution oder das Recht des Bundes sowie Streitigkeiten verhandelt, in welchen entweder der Bund oder zwei verschiedene Bundesstaaten oder ein Bundesstaat und der Bürger eines anderen Bundesstaates als Partei beteiligt sind. Zwar wurde durch die Verfassung zunächst nur der U. S. Supreme Court eingerichtet. Die genannten Zuständigkeiten kommen aber gleichermaßen den unteren Bundesgerichten zu, sodass – anders als etwa im deutschen Recht – auch die unteren Instanzen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen überprüfen können. Nach heutiger Gerichtspraxis wird eine originäre Zuständigkeit des U. S. Supreme Courts nur noch für den Bereich der Streitigkeiten zwischen zwei Bundesstaaten angenommen.46 Interessanterweise verleiht die US-amerikanische Verfassung unmittelbar eigentlich gar keine Kompetenz zur Verwerfung des Rechts des Bundes oder der Einzelstaaten oder zur Erklärung der Verfassungswidrigkeit von Exekutivakten wegen eines Verstoßes gegen Bestimmungen der U. S. Constitution. Gleichwohl ist seit der Entscheidung Marbury v. Madison,47 auf welche unten48 noch näher einzugehen sein wird, anerkannt, dass der U. S. Supreme Court sowohl Bundes- als auch bundesstaatliches Recht sowie Verwaltungshandeln beider Staatsteile überprüfen und an der Bundesverfassung messen kann. Hinsichtlich der Exekutive gelten vergleichbare Grundsätze. Das Prinzip der dualen Souveränität fundiert nicht nur auf einer getrennten Legislative, sondern auch auf getrennten Regierungsebenen. Durch U. S. Const. Art. II § 1 cl. 1 ist die exekutive Gewalt im Bund auf den US-Präsidenten übertragen.49 Er ist insbesondere Oberbefehlshaber des Heeres50 und hat im Übrigen u. a. gemäß U. S. 44

Vgl. Calabresi, 78 N. Y. U. L. Rev. 1293, 1294 f. (2003). Dazu Calabresi, 78 N. Y. U. L. Rev. 1293, 1295 (2003); Chemerinsky, S. 35 f.; von Mehren/ Murray, S. 107. 46 Chemerinsky, S. 37. 47 U. S. Supreme Court, Marbury v. Madison, 5 U. S. 137 (1803). 48 Unten 2. Kapitel C. 49 Es ist allerdings umstritten, ob es sich um eine unitarisch strukturierte Exekutive handelt, bei welcher alle Gewalt und die Kompetenz zur Verwaltung sämtlichen Bundesrechts auf den US-Präsidenten übertragen wurde, oder ob dem US-Präsidenten eben zwar einige in U. S. Const. Art. II genannte Verwaltungskompetenzen zufallen, die Ausübung der Verwaltung im Übrigen aber dem Congress obliegt; vgl. zu dieser Debatte ausführlich Calabresi/Prakash, 104 Yale L. J. 546 (1994). 50 Gerade diese Funktion ist unter der Präsidentschaft von George W. Bush vermehrt in die Diskussion geraten, insbesondere wenn und soweit es um die Behandlung mutmaßlicher Terroristen als „Kriegsgefangene“ ging. Durch die sog. „Joint Resolution“ des Congress’ sind die 45

46

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

Const. Art. II § 3 dafür zu sorgen, dass die Gesetze des Bundes gewissenhaft vollzogen werden. Bereits die Ära unter der Präsidentschaft von George Washington zeigte, dass der US-Präsident die exekutive Tätigkeit nicht alleine ausüben konnte. Daher wurde das ihn beratende Kabinett eingerichtet, zu welchem inzwischen 15 Ministerien gehören. U. S. Const. Art. II § 2 erwähnt zudem die Existenz von Abteilungen (Departments) der Exekutive. Wie der Congress verfügt auch die Exekutive nur über in der Verfassung explizit genannte oder jedenfalls aus derselben abgeleitete Kompetenzen, so etwa die durch Bundesgesetz übertragenen Zuständigkeiten.51 Die Leiter einer bestimmten Regierungsbehörde repräsentieren den Präsidenten der Vereinigten Staaten.52 Diese Delegation der Exekutivgewalt ist u. a. in den 3 U. S. C. §§ 301 ff. geregelt. Teil der Exekutive sind auch Staatsanwaltschaft und Polizei. Schon durch den Judiciary Act des Jahres 1789 wurde der Attorney General, der Leiter der Bundesstaatsanwaltschaft etabliert, welcher seit der Gründung des Bundesjustizministeriums im Jahr 1870 in dieses integriert ist.

II. Vertikale Gewaltenteilung Charakteristisch für das US-amerikanische System ist die Trennung von zwei Regierungsebenen innerhalb desselben Staatskörpers, welche simultan und parallel mit eigenen Gesetzen, Behörden und Gerichten operieren. Die Existenz der Gerichte und der Exekutivbehörden der Gliedstaaten ist nach dem Verständnis des US-amerikanischen Verfassungsrechts eine Selbstverständlichkeit. Die BundesKompetenzen des US-Präsidenten als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 erheblich ausgeweitet worden. Insbesondere darf er alle notwendigen und angemessenen Maßnahmen ergreifen, um künftige Terrorakte zu verhindern. Darauf gestützt hat der damalige USPräsident George W. Bush diverse Präsidentenbefehle (Presidential Orders) erlassen, durch welche u. a. Terroristen als Kriegsgefangene dem Kriegs- und Militärrecht und damit auch besonderen Militärtribunalen unterstellt wurden; vgl. dazu Book/Geneuss, ZIS 2008, 325; Hay, Rn. 50; Heinrich, ZStW 121 (2009), 94, 108 ff.; Owens, in: Owens/Dumbrell, S. 25 ff. Das Militärstrafrecht als weiteres Strafrechtssystem (inklusive eigener Gerichtsbarkeit) innerhalb der Vereinigten Staaten verdient, wie bereits eingangs in der Einleitung ausgeführt, besondere Aufmerksamkeit, welche aber anderen Arbeiten überlassen bleiben muss. Die besondere Ausdehnung präsidialer Macht im Zuge der Terrorbekämpfung, welche u. a. auch unter dem Aspekt der Gewaltenteilung bedeutsam ist, stellt ein wichtiges Untersuchungsfeld des USamerikanischen Verfassungsrechts dar. Zudem musste der U. S. Supreme Court das Verhältnis des Militärstrafrechts und der Militärtribunale zur US-Verfassung sowie dem ordentlichen Gerichtsweg mehrfach untersuchen und bestimmen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Häftlingslager Guantánamo Bay tauchte u. a. die Frage auf, ob die Inhaftierten ihre Haft vor einem ordentlichen Gericht überprüfen lassen konnten; vgl. z. B. U. S. Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 U. S. _ (2008); dazu Book/Geneuss, ZIS 2008, 325. 51 U. S. District Court for the District of Columbia, Youngstown Sheet & Tube Co. v. Sawyer, 103 F. Supp. 569, 574 (1952). 52 U. S. Supreme Court, Wilcox v. Jackson, 38 U. S. 498, 513 (1839): „The President speaks and acts through the heads of the several departments.“

B. Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution

47

staaten sind eigenständige Souveräne, die ihre Angelegenheiten selbst regeln. Neuerung der U. S. Constitution gegenüber den Articles ist die Einrichtung von Bundesbehörden und Bundesgerichten mit dem Ziel, dem Bundesrecht Geltung zu verschaffen. Der Einsatz der Behörden der Bundesstaaten als Mittel zur Durchsetzung von Bundesrecht – eine Ausprägung etwa auch des föderativen Systems der Bundesrepublik Deutschland – war in den Articles erprobt und letztlich als ineffizient erachtet worden.53 Es galt zudem als eine der entscheidenden Schwächen der Konföderation, dass der Bund über keinerlei Exekutivgewalt verfügte. Der U. S. Supreme Court vertritt insbesondere im Zusammenhang mit der Problematik des Doppelbestrafungsverbots in Zusatzartikel V die Theorie der dualen Souveränität („dual sovereignty doctrine“):54 Bund und Bundesstaaten sind zwei eigenständige Souveräne.55 Gleichwohl genießen gemäß U. S. Const. Art. IV § 2 cl. 1 innerhalb der Union die Bürger jedes Bundesstaates in jedem der anderen Gliedstaaten die gleichen Rechte wie dessen Bürger (Grundsatz der Inländerbehandlung); bereits die Articles of Confederation hatten in Art. IV eine ähnliche Regelung vorgesehen, wenngleich mit blumigerer Sprache und unter Aufzählung einzelner Rechte, u. a. dem Recht auf Freizügigkeit. Es wird indes davon ausgegangen, dass diese einzelnen Rechte nun von der weiteren Formulierung in der U. S. Constitution umfasst werden. In jüngerer Zeit hatte sich der U. S. Supreme Court in der Entscheidung Printz v. United States56 mit der Frage zu befassen, ob der Bund sich (auch) der Behörden der Bundesstaaten zur Durchsetzung seiner Gesetze bedienen darf, und kam im Rahmen seiner Ausführungen auch zu einer Auseinandersetzung mit den Systemen Deutschlands, der Schweiz und der Europäischen Union. Im Fall ging es um ein Bundesgesetz zur Bekämpfung von Gewaltverbrechen mit Handfeuerwaffen (Brady Handgun Violence Prevention Act), in welchem u. a. vorgesehen war, dass die jeweiligen Behörden der Bundesstaaten den persönlichen Hintergrund der potenziellen Käufer solcher Waffen zu untersuchen hatten. Die U. S. Constitution enthält neben der Aufzählung der Bundeskompetenzen keinen Hinweis darauf, ob der Bund zum Vollzug seiner Gesetze einzelstaatliche Behörden einsetzen darf. Das Gericht hielt eine solche Anweisung der Behörden der Bundesstaaten jedoch

53 Vgl. etwa Hamilton, Federalist No. 15; zur Diskussion in der Constitutional Convention siehe Wood, S. 524 ff. 54 U. S. Supreme Court, Moore v. People, 55 U. S. 14, 20 (1852): „Every citizen of the United States is also a citizen of a state or territory. He may be said to owe allegiance to two sovereigns, and may be liable to punishment for an infraction of the laws of either.“ United States v. Lanza, 260 U. S. 377, 382 (1922): „We have here two sovereignties, deriving power from different sources, capable of dealing with the same subjectmatter within the same territory.“ Vgl. ferner U. S. Supreme Court, Abbate v. United States, 359 U. S. 187, 192 ff. (1959); Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121, 131 (1959); zur dualen Souveränität ferner ausführlich Berger, S. 48 ff. 55 Näher zur „dual sovereignty doctrine“ noch unten 4. Kapitel F. IV. 2. und 5. Kapitel D. 56 U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898 (1997).

48

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

für verfassungswidrig. Die strikte Trennung der beiden Ebenen sei eine der strukturellen Mechanismen der Verfassung zur Verteidigung der Freiheit.57 Die im Votum der unterlegenen Richter geäußerte abweichende Auffassung (Dissent) hielt es hingegen für möglich, dass der Bund in den Fällen, in welchen er im Rahmen seiner Zuständigkeit tätig werden dürfe, auch die Behörden der Bundesstaaten anweisen könne.58 Verfassungsrichter Breyer59 verwies dabei auf die föderativen Systeme der Schweiz und Deutschlands und auf die Europäische Union, wo jeweils Behörden der Länder (auch) das Bundesrecht vollzögen. Die Mehrheit des Gerichts lehnte solche Vergleiche strikt ab. Der US-amerikanische Föderalismus sei eben grundverschieden von diesen europäischen Systemen.60 Eine Anweisung der Bundesstaaten, z. B. auch durch Richtlinien, sei ein verfassungswidriger Eingriff in deren Souveränität. Die U. S. Constitution gebe dem Bund in bestimmten Fällen Macht über die Bürger, nicht aber über die Bundesstaaten.61 Dabei darf durchaus daran gezweifelt werden, ob die Pflicht zum Vollzug von Bundesgesetzen bzw. eine Anweisung durch Richtlinien zum Erlass bestimmter Vorschriften, wie dies zurzeit in der – supranationalen – Europäischen Gemeinschaft vorgesehen ist, einen größeren Eingriff in die Souveränität der Länder darstellt als die stetige Ausweitung von Bundeskompetenzen und die damit einhergehende Übernahme von Bereichen – z. B. auch strafrechtlicher Verfahren – durch den Bund und dessen auf dem Gebiet der Bundesstaaten operierende Behörden.62 Dennoch sind Situationen denkbar, in welchen Gerichte des Bundes (auch) strafrechtliche Bestimmungen eines Bundesstaates anwenden.63 So kann etwa eine Anklage vom Gericht eines Bundesstaates an ein Bundesgericht verwiesen und dort verhandelt werden, wenn der Angeklagte die Tat in Ausübung eines Amtes 57

U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898, 921 (1997). Justice Stevens et al. (Dissent), in: U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898, 939 ff. (1997). 59 Justice Breyer (Dissent), in: U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898, 976 (1997). 60 U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898, 921 (1997): „We think such comparative analysis inappropriate to the task of interpreting a Constitution […] The fact is that our federalism is not Europe’s.“ 61 U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898, 920 (1997); siehe auch U. S. Supreme Court, New York v. United States, 505 U. S. 144, 166 (1992). 62 Ähnlich auch Verfassungsrichter Breyer, in: U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898, 977 (1997), der darauf hinweist, dass stattdessen nun Bundesbehörden zur Waffenkontrolle – auf dem Gebiet der Bundesstaaten – eingerichtet werden müssten; siehe zu Problemen der Ausweitung der Bundeskompetenzen im Strafrecht noch unten 5. Kapitel E.; vgl. ferner unten 6. Kapitel B. zum Vergleich mit dem europäischen Verständnis. 63 Die Frage der Anwendbarkeit des Rechts der anderen Ebene sowohl vor den Bundes- als auch vor den bundesstaatlichen Gerichten ist eine sehr komplexe Frage, die hier nicht vertieft werden kann. In dieser Arbeit geht es vielmehr um die Darstellung der allgemeinen Regel; vgl. zu weiteren Konstellationen auch Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 405 ff. (2008). 58

B. Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution

49

nach Bundesrecht verübt hat und ein entsprechendes Bundesgesetz diese Verlegung (removal) vorsieht.64 Das Gericht beurteilt den Tatvorwurf in diesem Fall nach dem Recht des Bundesstaates. Zu einer Anwendung des Rechts der Bundesstaaten kann es ferner kommen, wenn eine Strafnorm des Bundes ausdrücklich auf das Recht eines der Gliedstaaten Bezug nimmt. So ist etwa nach dem RICO Statute, 18 U. S. C. §§ 1961 ff.,65 die Strafverfolgung einer Organisation möglich, wenn sie Mittel für Investitionen nutzt, welche aus einer in 18 U. S. C. § 1961 bezeichneten Straftat stammen; hier sind auch acht Straftaten nach einzelstaatlichem Recht, z. B. Mord oder Raub, genannt; zur Beurteilung der Strafbarkeit nach Bundesrecht muss daher u. U. auch das Recht des Bundesstaates einer impliziten Prüfung unterzogen werden. Des Weiteren ließe sich auch der Fall anführen, dass der Congress, wie teilweise praktiziert,66 für seine Territorien das Recht des Bundesstaates, in welchem sie sich befinden, für anwendbar erklärt. Zwar kommt auch in dieser Konstellation das einzelstaatliche Recht mittelbar im Prozess zur Geltung. Verfassungsrechtlich handelt es sich aber um eine Anwendung von Bundesrecht. Für den umgekehrten Fall der Anwendung von Strafvorschriften des Bundes durch Gerichte der Bundesstaaten lässt sich zunächst festhalten, dass gemäß U. S. Const. Art. VI cl. 2 die U. S. Constitution selbst sowie alle Bundesgesetze das oberste Recht der Vereinigten Staaten ausmachen.67 Hieraus folgt beispielsweise, dass auch Gerichte der Gliedstaaten die US-Verfassung beachten müssen. Unter Umständen müssen State Courts aber sogar nach Bundesrecht entscheiden. So entstand über ein Statut des Bundes, welches explizit eine konkurrierende Zuständigkeit von Bundes- und einzelstaatlichen Gerichten für eine Klage wegen Wuchers und damit die Anwendung einer Bundesvorschrift, die das Einklagen des dreifachen Betrages des Wuchergewinns vorsah, einrichtete, eine Kontroverse zwischen dem obersten Gericht des Bundesstaates Rhode Island und dem U. S. Supreme Court.68 Während der zuerst genannte State Supreme Court die Anwen-

64

U. S. Supreme Court, Tennessee v. Davis, 100 U. S. 257 (1879): D. war wegen Mordes in Tennessee angeklagt, welchen er in Ausübung seines Amtes als Bundessteuerbeamter begangen hatte; er beantragte erfolgreich die Verlegung der Verhandlung vor den U. S. District Court und berief sich dort auf Notwehr nach Bundesrecht; das damalige Bundesgesetz, § 643 der Revised Statutes of the United States, sah genau diese Verlegung eines Verfahrens vor Gerichten der Bundesstaaten an Bundesgerichte bei Steuerbeamten vor und das Gericht diese Regelung wiederum als verfassungsgemäß an; U. S. Const. Art. III § 2 weist den Bundesgerichten sämtliche Fälle zu, welche die Bundesverfassung oder das Recht des Bundes betreffen; vgl. zu dieser Entscheidung auch Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1011 ff. (1995); Fallon/Meltzer/Shapiro, S. 429 ff.; Warren, 38 Harv. L. Rev. 545, 592 ff. (1925). 65 Siehe zum RICO Statute noch unten 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 66 Siehe dazu unten 3. Kapitel B. II. 1. b). 67 Zum Verhältnis von einzelstaatlichem Recht und Bundesverfassung siehe noch unten 2. Kapitel D. III. 68 U. S. Supreme Court, Testa v. Katt, 330 U. S. 386 (1947).

50

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

dung der „Strafnorm“69 eines anderen Souveräns für unzulässig hielt, beurteilte der U. S. Supreme Court die Lage anders.

III. Die Kompetenzverteilung der U. S. Constitution Besonderes Mittel zur Einschränkung der Autorität des Bundes war die Begrenzung seiner Kompetenzen auf wenige, einzeln aufgezählte Bereiche (enumeration of powers). Die Zuständigkeit des Congress’ sollte hierbei nur die Felder umfassen, welche die Republik als Ganzes betreffen und von den Bundesstaaten einzeln nicht ausreichend geregelt werden können, während alle anderen, lokale Probleme beinhaltenden Bereiche den Bundesstaaten überlassen bleiben sollten.70 Dem Bund stehen daher ausschließlich die in der U. S. Constitution aufgelisteten Kompetenzen zur Verfügung. Die Bundesstaaten haben hingegen umfassende Macht, alle einem souveränen Staat zustehenden Vorschriften zu erlassen, um das Zusammenleben der Bürger zu regeln, solange nicht die Verfassung der Vereinigten Staaten entgegensteht. Diese unbeschränkte Kompetenz wird im US-amerikanischen Verfassungsrecht als Polizeimacht (police power) bezeichnet.71 Diese ist nicht zu verwechseln mit dem Polizeirecht im deutschen Sinne, sondern als ureigenes Recht zu verstehen, den eigenen Haushalt zu ordnen, also letztlich zu regieren.72 Dem Bund kommt eine solche umfassende Polizeimacht – mit Ausnahme seiner eigenen Territorien – nicht zu.73 Nach den Worten Jeffersons74 sollten die Bundesstaaten die „wahren Arenen des Regierens“ sein. Chief Justice Marshall, Verfassungsrichter am U. S. Supreme Court bezeichnete die Polizeimacht der Bundesstaaten als „die gewaltige 69

Zwar handelte es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit, der State Supreme Court schrieb der Vorschrift indes den Charakter einer Strafnorm zu, da sie den dreifachen Wuchergewinn als Strafe vorsehe; der U. S. Supreme Court, Testa v. Katt, 330 U. S. 386, 389 (1947), ließ die Eigenschaft der Norm offen. 70 Dazu Hamilton, Federalist No. 17, und No. 32: „The states would clearly retain all the rights of sovereignty which they before had, and which are not […] exclusively delegated to the United States“; Madison, Federalist No. 14, und insbesondere No. 45: „The powers delegated by the proposed Constitution to the federal government are few and defined. Those which are to remain in the State governments are numerous and indefinite.“ 71 Diese Bezeichnung wurde – offenbar erstmalig – offiziell von Chief Justice Marshall in der Entscheidung U. S. Supreme Court, Brown v. Maryland, 25 U. S. 419, 443 (1827), verwendet; vgl. ferner Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 509 (1985); Chemerinsky, S. 234; Dubber, Police Power, S. 81 ff.; ausführlicher zum Strafrecht der Bundesstaaten noch unten das 4. Kapitel. 72 Dubber, Police Power, S. 82; ders., Einführung, S. 5: Polizei sei im Sinne von Wohlfahrt zu verstehen. 73 Vgl. Dubber, Einführung, S. 5; vgl. aber auch Bumgarner, S. 5 ff.: Die U. S. Constitution verleihe zwar bestimmte „federal police powers“, aber jedenfalls keine „general police power“; vgl. zur Polizeimacht des Bundes in seinen Territorien sowie in den Reservaten unten 3. Kapitel B. II. 1. 74 „The real arenas (of) government and society“; zitiert in: Gerston, S. 29.

B. Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution

51

Masse der Gesetzgebungsbefugnisse, welche alle Materien innerhalb des Territoriums der Bundesstaaten erfasse, die nicht auf den Bund übertragen wurden.“75 Im Jahr 1791 wurde diese vertikale Gewaltenteilung im Zusatzartikel X weiter spezifiziert, welcher feststellt, dass die dem Congress nicht durch die Verfassung übertragenen Rechte bei den Bundesstaaten bzw. dem Volk verbleiben.76 Der U. S. Supreme Court hat in der Folge mehrmals betont, es gelte bei der genauen Bestimmung der aufgeführten Zuständigkeiten des Congress’ die Unterscheidung zu wahren, welche Bereiche „wirklich national und welche wirklich lokal“ seien77 und sich daher stets auch um die Abgrenzung der umfassenden police powers der Bundesstaaten von den aufgelisteten nationalen Spezialzuständigkeiten bemüht. Ein Vorschlag im so genannten Virginia Plan, welcher auf der Constitutional Convention vorgebracht worden war, hatte vorgesehen, dem Congress pauschal per Verfassung die Zuständigkeit in all jenen Bereichen zuzuweisen, in welchen die Bundesstaaten als getrennte Einheiten zu einer ausreichenden Regelung nicht fähig seien bzw. in welchen die Harmonie innerhalb der Vereinigten Staaten durch eine individuelle Gesetzgebung auf einzelstaatlicher Ebene gestört würde.78 Eine solch vage Formulierung wurde aber zu Gunsten der expliziten Auflistung der Bundeskompetenzen verworfen, insbesondere auch zum Schutze der Bundesstaaten.79 Die Aufzählung der legislativen Kompetenzen des Bundes findet sich insbesondere in Artikel I Absatz 8 der U. S. Constitution (U. S. Const. Art. I § 8) und beinhaltet u. a. insbesondere80 die Zuständigkeit, – Steuern, Zölle, Abgaben und Akzisen aufzuerlegen und einzuziehen, um für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen, für die Landesverteidigung und das allgemeine Wohl der Vereinigten Staaten zu sorgen […] (Satz 1, englisch: clause oder kurz cl. 1), 75 Marshall, in: U. S. Supreme Court, Gibbons v. Ogden, 22 U. S. 1, 203 (1824): „that immense mass of legislation, which embraces every thing within the territory of a State, not surrendered to the general government.“ 76 Hamilton, Federalist No. 84, war der Meinung, dass gar die Einfügung eines Grundrechtskatalogs gänzlich überflüssig sei, da das Volk ohnehin über alle Rechte verfüge, die nicht explizit auf den Congress übertragen worden seien. Die Anti-Federalists sahen im Fehlen der Grundrechte hingegen einen der Hauptfehler der U. S. Constitution; vgl. „John DeWitt“, Essay II (1787), in: Ketcham, S. 195 f. 77 So die wiederkehrende Formulierung: „distinction between what is truly national and what is truly local“; vgl. etwa U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 567 f. (1995); ähnlich in N. L. R. B. v. Jones & Laughlin Steel Corp., 301 U. S. 1, 29 (1937). 78 Vgl. Nr. 6 des Virginia Plans, präsentiert von Randolph in der Constitutional Convention am 29. Mai 1787, in: Madison, Notes, S. 30 ff. 79 Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 164. 80 Aufgezählt wurden hier nur die in der Folge im Hinblick auf das Strafrecht wichtigen Bundeskompetenzen; im Anhang findet sich die vollständige Verfassungsbestimmung abgedruckt.

52

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

– den Handel mit fremden Ländern, zwischen den Einzelstaaten und mit den Indianerstämmen zu regeln (cl. 3, die sog. Handelsklausel), – Strafbestimmungen für die Fälschung von Staatsobligationen und gültigen Zahlungsmitteln der Vereinigten Staaten zu erlassen (cl. 6), – Postämter und Poststraßen einzurichten (cl. 7), – dem U. S. Supreme Court nachgeordnete Gerichte zu bilden (cl. 9), – Seeräuberei und andere Kapitalverbrechen auf hoher See sowie Verletzungen des Völkerrechts begrifflich zu bestimmen und zu ahnden (cl. 10), – die ausschließliche und uneingeschränkte Gesetzgebung für jenes Gebiet […] auszuüben, das durch Abtretung seitens einzelner Bundesstaaten und Annahme seitens des Congress’ zum Sitz der Regierung der Vereinigten Staaten ausersehen wird, und gleiche Hoheitsrechte in allen Gebieten auszuüben, die zwecks Errichtung von Befestigungen, Magazinen, Arsenalen, Werften und anderen notwendigen Bauwerken mit Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaft desjenigen Bundesstaates, in dem diese angelegt werden sollen, angekauft werden (cl. 17), sowie – alle zur Ausübung der vorstehenden Befugnisse […] notwendigen und zweckdienlichen Gesetze (all Laws […] necessary and proper) zu erlassen (cl. 18).81 Besondere Bedeutung innerhalb dieses Kataloges kommt dabei dem dritten Satz in U. S. Const. Art. I § 8 zu, der Handelsklausel (commerce clause). Diese Handelsklausel dient unmittelbar dem Zweck, Protektionismus hinsichtlich der eigenen Wirtschaft seitens der einzelnen Bundesstaaten und daraus resultierende Hindernisse für den zwischenstaatlichen Handel innerhalb der Vereinigten Staaten abzubauen. Hier wurden besonders große Probleme unter Geltung der Articles of Confederation ausgemacht.82 Die verfassungsmäßige Kompetenz des Bundes für den Bereich des Handels zwischen den einzelnen Bundesstaaten sowie diesbezügliche Bundesregelungen sollten die wirtschaftliche Einheit der Nation gewährleisten. Des Weiteren war der zuletzt in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 aufgeführte Satz (necessary and proper clause)83 entscheidend für die spätere extensive Erweite81 Vgl. den englischen Originaltext im Anhang; eine deutsche Übersetzung wurde herausgegeben von der US-amerikanischen Botschaft in Deutschland; sie ist auch im Internet abrufbar unter http://usa.usembassy.de/etexts/gov/gov-constitutiond.pdf; zuletzt abgerufen am 16.08.2009. 82 Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel A. III. 83 Zur Terminologie Berger, S. 87; Bumgarner, S. 6; Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 196 (1999); Hay, Rn. 49; Messonnier, 29 Akron L. Rev. 549, 554 (1996); Re, 15 St. Thomas L. Rev. 265, 270 (2002); Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 72; Sutton, S. 5; zur darauf gestützten Strafrechtskompetenz Abrams/Beale, S. 19 f.; Beale, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 694 (2002); Welling/Beale/Bucy, S. 2. – Schmid, S. 20, verwendet die Bezeichnung „coefficient clause“.

B. Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution

53

rung der Bundestätigkeit. Da dort die recht unbestimmte Kompetenz des Bundes enthalten ist, alle zur Ausübung der vorstehenden Befugnisse notwendigen und zweckdienlichen Gesetze (all Laws […] necessary and proper) zu erlassen, welche zudem durch Congress und Bundesgerichte höchst weit interpretiert wird, wird dieser Satz auch als „elastic clause“ bezeichnet.84 Unter den Begriff der notwendigen und zweckdienlichen Maßnahmen fallen nach inzwischen allgemeiner Auffassung auch solche des Strafrechts.85 Handelsklausel und necessary and proper clause bilden im Verbund die Grundlage der heutigen Gesetzgebungstätigkeit des Bundes in vielen Bereichen, auch im Strafrecht.86

IV. Die verfassungsmäßige Zuständigkeit für das Strafrecht Wer in der U. S. Constitution explizite strafrechtliche Zuständigkeiten sucht, wird kaum fündig. Eine generelle Kompetenzzuweisung an den Bund im Hinblick auf das Strafrecht – im Sinne etwa der zumindest konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes in Deutschland gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG – ist der US-amerikanischen Verfassung fremd. Der Bund besitzt kein allgemeines Recht zum Erlass von Strafvorschriften oder gar eines US-amerikanischen Strafgesetzbuches.87 Auch sonst lässt sich der Verfassung im Hinblick auf das Strafrecht nur wenig entnehmen. Das Strafrecht bildet keine Ausnahme vom Gesamtkonzept des föderativen Systems der Vereinigten Staaten. Es ist daher zunächst einmal Sache der Bundesstaaten, die insbesondere auf Grund ihrer generellen Polizeimacht tätig werden. Die Polizeimacht der Bundesstaaten als unabhängige Souveräne bedarf nach dem

84

Gerston, S. 41. U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 416–417 (1819); dazu noch genauer sogleich unter 2. Kapitel B. IV. 86 Es erscheint eine kurze Erwähnung notwendig, dass diese Abhandlung sich ausschließlich auf das Strafrecht konzentriert; gleichwohl gelten viele der hier getroffenen Aussagen z. B. auch für das Bürgerliche Recht. So lassen sich der Verfassung auch zivilrechtliche Kompetenzen des Bundes entnehmen. Das duale System als besondere Prägung des US-amerikanischen Föderalismus ist keine Eigenart des Strafrechts, sondern zieht sich vielmehr durch sämtliche Bereiche der Staatstätigkeit. So sind im Rahmen der Gerichtsbarkeit des Bundes beispielsweise auch Zivilgerichte integriert. Ebenso wie im Strafrecht verfügen sowohl die Bundesstaaten als auch der Bund zudem über ein eigenständiges materielles Zivilrecht, wobei der Anwendungsbereich sich ähnlich wie im Strafrecht bestimmt. 87 Dennoch wird der 18. Titel des U. S. Codes heute als Strafgesetzbuch des Bundes bezeichnet und enthält einen Allgemeinen Teil sowie viele Straftatbestände im Besonderen Teil. Gleichwohl stützt sich der Bund hier einerseits nicht auf eine allgemeine Zuständigkeit, sondern auf seine Kompetenz für Einzelbereiche, und andererseits ist dieses Gesetz auch nur für die Sonderbereiche der Bundeszuständigkeit anwendbar; siehe zum Strafrecht des Bundes unten das 3. Kapitel. 85

54

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

Verständnis der US-amerikanischen Verfassung keiner weiteren Begründung;88 erklärungsbedürftig ist vielmehr die Existenz des Bundesstrafrechts. Diese Erklärung ist in der US-Verfassung zu suchen und zwar in den soeben angeführten89 allgemeinen Zuständigkeiten des Bundes. Aus U. S. Const. Art. I § 8 lassen sich allerdings nur die folgenden ausdrücklichen Zuständigkeiten des Bundes entnehmen: Münzfälschung (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 6) und Straftaten gegen das Völkerrecht und auf hoher See (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 10). Zu beachten ist ferner U. S. Const. Art. III, welcher Bestimmungen zur Judikative betrifft. In U. S. Const. Art. III § 3 cl. 1 wird der Hochverrat gegen die Vereinigten Staaten geregelt und sogar definiert. Nach U. S. Const. Art. III § 3 cl. 2 hat der Congress dabei das Recht, die Strafe für den Hochverrat festzulegen. Somit bildet der Hochverrat eine dritte Kategorie expliziter Zuständigkeit des Bundes für das Strafrecht. Bedeutsam ist außerdem die Regelung in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 17 (federal enclave clause), denn hiernach hat der Bund die ausschließliche Zuständigkeit für seine Territorien und Enklaven – so etwa für die Nationalparks oder den Regierungsbezirk (District of Columbia) –, welche wiederum auch das Strafrecht umfasst. In der Einleitung zu dieser Abhandlung wurde allerdings bereits angedeutet, dass das Bundesstrafrecht – ebenso wie das Bundesrecht im Allgemeinen – sich dennoch im Laufe der Jahre eminent ausgebreitet hat und inzwischen auch auf dem Hoheitsgebiet der Bundesstaaten in nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens vorgedrungen ist und auch quantitativ kaum hinter den Kodifizierungen der Einzelstaaten zurückbleibt, was im Übrigen auch für die anderen Rechtsgebiete gilt. Den Erlass der (strafrechtlichen) Vorschriften stützt der Congress dabei auf seine in U. S. Const. Art. I § 8 aufgezählten allgemeinen Kompetenzen, wie etwa die Handelsklausel, U. S. Const. Art. I § 8 cl. 3, in Verbindung mit der Befugnis aus U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 (necessary and proper clause). Beide verfassungsmäßigen Kompetenzen sind also regelmäßig zusammen zu lesen.90 Unter U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 fallen neben sonstigen Regelungen jeglicher Art auch solche des Strafrechts. Bereits der erste Congress erließ im Jahr 1790 ein Gesetz zur Bestrafung von Taten gegen die Vereinigten Staaten, worin z. B. der Mord auf einem Gebiet im Rahmen der Bundeszuständigkeit im Sinne des U. S. Const. Art. I § 8 cl. 17 bestraft werden konnte,91 wenngleich die US-Verfas88 Vgl. U. S. Supreme Court, Heath v. Alabama, 474 U. S. 82, 89–90 (1985): „Each (state) has the power, inherent in any sovereign, independently to determine what shall be an offense against its authority and to punish such offenses, and in doing so each is exercising its own sovereignty.“ United States v. Morrison, 529 U. S. 598, 618 (2000): „The regulation and punishment of intrastate violence that is not directed at the instrumentalities, channels, or goods involved in interstate commerce has always been the province of the states.“ 89 Oben 2. Kapitel B. III. 90 Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 196 (1999). 91 An Act for the Punishment of Certain Crimes Against the United States, ch. 9, § 3, 1 Stat. 112 (1790).

B. Verteilung der Kompetenzen im System der U. S. Constitution

55

sung keine ausdrückliche Kompetenz zum Erlass von Strafrechtsnormen im Hinblick auf den Mord vorsieht. Hierdurch tritt die Auffassung des Congress’, dass U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 stets auch strafrechtliche Sanktionen im Zusammenhang mit der Ausübung der konstitutionellen Kompetenzen rechtfertigt, deutlich hervor. Für die Territorien des Bundes ergibt sich das Recht Straftaten zu bestimmen92 aber schon daraus, dass der Bund auf seinem eigenen Staatsgebiet – wie die Bundesstaaten in ihren Staatsgebieten – auch die allgemeine Polizeimacht ausübt.93 Quasi als obiter dictum führte aber auch der U. S. Supreme Court in der Entscheidung McCulloch v. Maryland94 im Jahr 1819 exemplarisch an, dass strafrechtliche Maßnahmen grundsätzlich auch in allen anderen Bereichen der Bundeszuständigkeit darauf gestützt werden können, dass der Congress notwendige und zweckdienliche Gesetze erlassen kann, um seine verfassungsmäßigen Befugnisse auszuüben. Besonders wichtig ist dabei die Herleitung der Möglichkeit, strafrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, als notwendige Folge der Souveränität eines Staatskörpers. Das Gericht führte aus, dass das Recht zu strafen zur Souveränität gehöre und stets angewandt werden dürfe, wenn in einem bestimmten Bereich dem Souverän eine verfassungsmäßige Zuständigkeit zukomme. Die Macht zu strafen sei dem jeweiligen konstitutionellen Recht immanent.95 Damit bestätigte diese Entscheidung eine bis dahin noch eher zaghafte Praxis des Bundes, Strafvorschriften zu erlassen. Sie betonte noch einmal explizit, dass Bund und Bundesstaaten in ihrem jeweiligen Bereich vollständig souverän sind. Ist also einmal festgelegt, dass eine bestimmte Materie vom Bund geregelt werden darf, so kann er auf diesem Gebiet wie ein Zentralstaat handeln, so als seien die Gliedstaaten gar nicht existent, und sich deshalb auch ohne weiteres des Strafrechts bedienen. Der U. S. Supreme Court muss seitdem auch in den Fällen, in welchen er die Verfassungsmäßigkeit eines Strafgesetzes zu überprüfen und sich dabei mit auf den Föderalismus bezogenen Einwänden auseinanderzusetzen hat, nur untersuchen, ob der Sachverhalt grundsätzlich in den Kompetenzbereich des Bundes fällt; der Einsatz strafrechtlicher Mittel ist dann – zumindest aus Sicht der föderalen Struktur der Verfassung – unproblematisch. Der Erlass von Strafrechtsnormen

92

Beale, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 694 (2002); Welling/Beale/Bucy, S. 2. Chemerinsky, S. 234. 94 U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 416 f. (1819). Das Strafrecht wird hier allerdings nur als Beispiel für die Autorität des Bundes, welche sich aus U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 (necessary and proper clause) herleitet, angeführt; eigentlich ging es hier um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einrichtung der Bundesbank. 95 U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 418 (1819): „The good sense of the public has pronounced without hesitation that the power of punishment appertains to sovereignty, and may be exercised, whenever the sovereign has a right to act, as incidental to his Constitutional powers. It is a means for carrying into execution all sovereign powers, and may be used although not indispensably necessary. It is a right incidental to the power, and conducive to its beneficial exercise.“ 93

56

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

etwa auf Grund von U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 (necessary and proper clause) ist daher inzwischen unbestrittene Praxis.96 Wichtigster Bezugspunkt für die moderne Strafgesetzgebung des Congress’ sind die Zuständigkeit für die Besteuerung (taxing power), U. S. Const. Art. I § 8 cl. 1, die Einrichtung von Postämtern (postal power), U. S. Const. Art. I § 8 cl. 7, sowie insbesondere die Kompetenz, den Handel zwischen den Bundesstaaten zu regeln (commerce power), U. S. Const. Art. I § 8 cl. 3, jeweils in Verbindung mit U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 (necessary and proper clause).97 Besteht eine verfassungsmäßige Kompetenz des Bundes zum Erlass strafrechtlicher Bestimmungen, so beinhaltet diese jeweils auch die Bundeszuständigkeit zur Verfolgung der in den Bundesvorschriften geregelten Straftaten.98

C. Ausweitung der Macht des Bundes durch extensive Auslegung der Verfassung C. Ausweitung der Macht des Bundes

Im föderativen System der Vereinigten Staaten ist die Macht auf zwei unabhängige Souveräne innerhalb desselben Staatskörpers verteilt. Im Gegensatz zu den Articles sollte durch die U. S. Constitution die Stellung des Bundes entscheidend gestärkt werden. Bis heute ungeklärt ist aber, wie groß Macht und Einfluss des Bundes in der täglichen Anwendung der Verfassung nun tatsächlich sein sollen oder dürfen. Festzuhalten bleibt, dass das von den Gründungsvätern der USamerikanischen Verfassung anvisierte System der umfassenden Macht der Bundesstaaten bei nur äußerst beschränkter Kompetenz des Bundes in besonderen nationalen Sachverhalten keineswegs mehr der heutigen Praxis entspricht. Vielmehr scheint inzwischen kaum ein Bereich mehr außerhalb der Reichweite der Gesetzgebung des Congress’ zu liegen.99 Dies gilt im Grundsätzlichen, im Speziellen aber auch für den hier interessierenden Bereich des Strafrechts.100 Da das Strafrecht letztlich nur ein Mittel zur Ausübung der verfassungsmäßigen Befugnisse des Congress’ bildet, ist sein Schicksal untrennbar mit der Gesamtentwicklung des föderalen Systems der Vereinigten Staaten und der Bewertung der Bundeskompetenzen im Allgemeinen verbunden. 96 Van Alstyne, 26 Am. Crim. L. Rev. 1740, 1744 ff. (1989), erörtert die Möglichkeit einer anderen, streng am Wortlaut der U. S. Constitution orientierten Sicht, dass nur in den drei explizit genannten Fällen (Geldfälschung, Piraterie und Hochverrat) eine Strafrechtskompetenz bestünde, verwirft diese aber selbst (ebd., S. 1752 ff.). Dennoch äußert er sich kritisch zu der praktisch keinen Grenzen unterworfenen Strafgesetzgebung des Bundes. 97 Abrams/Beale, S. 20; LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 270; Messonnier, 29 Akron L. Rev. 549, 554 (1996); Welling/Beale/Bucy, S. 4; zur Handelsklausel als „primary basis“ des Bundesstrafrechts Bumgarner, S. 13 ff. 98 Bumgarner, S. 6. 99 Vgl. auch Gerston, S. 36. 100 Siehe zur Bandbreite des modernen Bundesstrafrechts noch unten das 3. Kapitel.

C. Ausweitung der Macht des Bundes

57

Die Ausweitung des Bundesstrafrechts steht in engem Zusammenhang mit der Veränderung der Rolle des Bundes im föderativen System der Vereinigten Staaten und vollzog sich parallel zur generellen Expansion des Bundesrechts, was auch deshalb einleuchtend ist, weil viele der vom Bund zur Durchsetzung politischer Ziele und zur Förderung der Wohlfahrt der Bevölkerung erlassenen Vorschriften sogleich auch mit strafrechtlichen Sanktionen versehen sind.101 Bevor im Anschluss das heutige Strafrecht des Bundes im Detail behandelt werden kann, sind an dieser Stelle daher noch einige Anmerkungen zur Entwicklung des Föderalismus anzubringen, welche insbesondere der Auslegung der wichtigsten Kompetenzen des Bundes gewidmet sind. Seit der Entscheidung Marbury v. Madison102 aus dem Jahr 1803 wird die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Exekutivakten des Bundes – und dabei insbesondere auch die Frage, ob der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeit handelt – durch den U. S. Supreme Court überprüft.103 Der U. S. Supreme Court wies sich die Rolle als entscheidende Instanz zur Auslegung der US-Verfassung in dieser Entscheidung selbst zu, die U. S. Constitution enthält keine explizite Ermächtigung.104 Das höchste Gericht trat, ebenso wie der Congress, in der Folge zumeist für eine sehr extensive Auslegung der Zuständigkeitsbereiche des Bundes ein und hatte damit einen entscheidenden Einfluss auf die zunehmende Ausweitung des Bundesrechts. In bestimmten Perioden der US-amerikanischen Verfassungsgeschichte, speziell zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und dem Jahr 1937, verfolgte er aber, bedingt durch seine Besetzung und die politische Lage, auch eine eher restriktive Linie zu Gunsten der Rechte der Bundesstaaten. Die Geschichte der Entwicklung des Föderalismus ist stets gleichsam auch eine solche der Wechselwirkung zwischen Congress und höchstem Gericht und der Auslegung der US-Verfassung.

I. Der erste Congress und die Anfänge des Bundesstrafrechts Bemerkenswert ist, dass die Federalists selbst bereits kurze Zeit nach ihrem Sieg und der Annahme der U. S. Constitution uneins waren über deren Interpretation im Hinblick auf die enumerativ genannten Zuständigkeiten des Congress’. Hamilton105 101 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 270, Fn. 10; Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64, 66 (1948). 102 U. S. Supreme Court, Marbury v. Madison, 5 U. S. 137, 177 (1803); vgl. dazu Fletcher/ Sheppard, S. 132 ff. 103 Streitig ist im US-amerikanischen Verfassungsrecht aber zweierlei: a) der Umfang der Interpretationsbefugnisse des Gerichts: Darf der U. S. Supreme Court auch in der Verfassung nicht genannte Rechte anerkennen? b) ist der U. S. Supreme Court die höchste und maßgebliche Institution zur Interpretation der Verfassung oder sind Legislative und Exekutive gleichberechtigt? Vgl. zu diesen Streitpunkten Chemerinsky, S. 17 ff., 28 ff. 104 Siehe bereits oben 2. Kapitel B. I. 105 Hamilton in seinem Schreiben an US-Präsident George Washington, in: Washington Papers, S. 427.

58

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

brachte bereits 1791 im Zusammenhang mit der Einrichtung der ersten Bundesbank seine Ansicht zum Ausdruck, die U. S. Constitution enthalte nicht nur expressis verbis festgelegte Kompetenzen des Congress’, sondern auch „implied powers“. Durch die Aufzählung in der U. S. Constitution seien die Bereiche der Zuständigkeiten zwischen Congress und den Bundesstaaten festgelegt; innerhalb dieser Bereiche sei die Souveränität aber vollständig. Madison und Jefferson waren hingegen der Auffassung, dass der Congress in strikter Interpretation der U. S. Constitution nur über die aufgeführten Zuständigkeiten verfügt und daher z. B. auch zur Errichtung der Bundesbank eine Verfassungsänderung in Form eines Zusatzartikels notwendig wäre.106 Der erste Congress erließ jedoch das entsprechende Gesetz. Einen wichtigen Einfluss hatte ferner die Entstehung der Parteien. Diese Entwicklung war insofern problematisch aus Sicht des Föderalismus, als sie dazu führte, dass es in den Häusern des Congress’ rasch nicht mehr darum ging, Interessen der Bundesstaaten zu vertreten, sondern vielfach um länderübergreifende Parteipolitik. Ein wichtiges Beispiel sowohl für diesen Paradigmenwechsel als auch für die Entstehung des Bundesstrafrechts bilden die Gesetze gegen die Volksverhetzung (Sedition Acts) aus dem Jahr 1798, welche von den zu dieser Zeit mehrheitlich im Congress vertretenen Federalists erlassen wurden und sich gegen die Kritik in der Presse an der Frankreich-Politik durch die Oppositionspartei, die Republicans,107 richteten und auch Kriminalstrafen enthielten. Besonders bedeutsam ist hierbei die Argumentation der Federalists: Der Congress habe das Recht, Gesetze zu erlassen, um sich selbst zu verteidigen. Zu diesem Zwecke nahmen sie Rekurs auf das britische (Gewohnheits-)Recht (common law), welches strafrechtliche Sanktionen gegen alle Verbrechen zu Lasten der Regierung vorsah. Die Zuständigkeit der Bundesgerichte umfasse auch das common law. Es handele sich schließlich bei den erlassenen Vorschriften auch um notwendige und zweckdienliche Gesetze.108 Die Republicans hingegen beriefen sich neben der Pressefreiheit, geschützt durch Zusatzartikel I, insbesondere auf Föderalismus-Erwägungen: Die Bundesgerichte könnten nur in den Bereichen entscheiden, in welchen der Congress explizit auf Grund seiner Kompetenzen Gesetze erlassen habe; die Kompetenzen des Congress’ müssten auf die aufgezählten Bereiche beschränkt bleiben, in Betracht komme einzig die Bestimmung in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 (necessary and proper clause), welche aber ebenfalls keine generelle und völlig unbestimmte Macht verleihe, was gerade auch durch Zusatzartikel X zum Ausdruck komme.109 106 So etwa Jefferson, in: Jefferson Papers, S. 275 ff.; vgl. ferner Cox, S. 74; Stone/Seidman/ Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 70 f.; Sutton, S. 50 f. 107 Nicht zu verwechseln mit der heutigen Partei der Republikaner; heute sehen sich eher die Demokraten in der Tradition dieser frühen Republicans; vgl. Cox, S. 46. 108 So etwa Otis in der Debatte im Congress, in: Sutton; S. 58 ff. 109 Gallatin in der Debatte im Congress, in: Sutton, S. 63 ff.; vgl. auch die Virginia Resolutions von Madison, in: Sutton, S. 71 ff.

C. Ausweitung der Macht des Bundes

59

Das Gesetz hatte von vornherein nur eine beschränkte Laufzeit und ab 1801 keine Geltung mehr.110 Eine Friedensmission des US-Präsidenten Adams verhinderte den Krieg mit Frankreich, führte zur Beilegung des Konflikts und brachte damit auch die innenpolitische Krise zu einem Ende.111 Diese markiert aber immerhin eine frühe und gefährliche extensive Verwendung der Autorität des Congress’. Die Frage der Zuständigkeit für das common law wurde später vom U. S. Supreme Court geklärt: Die Bundesgerichte können nur auf Grund bestehender Gesetze entscheiden, sodass auf Bundesebene im Strafrecht der Satz nulla poena sine lege gilt.112 In diesen Anfangsjahren der Republik spielte das Strafrecht des Bundes im Übrigen noch eine sehr bescheidene Rolle. Erste Regelungen schuf der erste Congress im Jahr 1790 mit dem „Act for the Punishment of Certain Crimes Against the United States“. Hierin waren ausschließlich solche Bereiche erfasst, in welchen direkte Interessen des Bundes oder Gebiete außerhalb der Zuständigkeit der Bundesstaaten betroffen waren. So waren z. B. der Mord in einer Bundesenklave oder die Piraterie auf hoher See normiert. Des Weiteren enthielt das Gesetz Straftaten gegenüber Bundeseinrichtungen, wie etwa die Fälschung von Bundesdokumenten, die Falschaussage vor Bundesgerichten oder die Bestechung von Bundesrichtern.113 Hierbei ging es um zwei legitime Ansatzpunkte: die „Selbstverteidigung“114 des Bundes gegen Angriffe auf seine Institutionen und die Übernahme von Strafgewalt in den Bereichen, in welchen die Bundesstaaten nicht tätig werden konnten. Im Übrigen waren die Einzelstaaten für die Kriminalitätsbekämpfung zuständig. Diese „Arbeitsteilung“ entsprach der Konzeption der US-Verfassung und dem damaligen Verständnis der limitierten Spezialkompetenz des Bundes.115 Kriminalität war grundsätzlich eine lokale Angelegenheit116 und nicht von gesamtstaat110

Seine Verfassungsmäßigkeit wurde daher nie vom U. S. Supreme Court überprüft; Jefferson, als neuer US-Präsident, entschädigte indes alle nach den Sedition Acts bestraften Personen; mehr als 150 Jahre später ließ sich der U.S Supreme Court in Reminiszenz noch einmal darauf ein und stellte zumindest implizit fest, dass von der Verfassungswidrigkeit auszugehen sei, New York Times Co. v. Sullivan, 376 U. S. 254, 274 ff. (1964). 111 Sutton, in: ders., S. 55. 112 U. S. Supreme Court, United States v. Hudson & Goodwin, 11 U. S. 32 (1812); vgl. auch Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 505 (1985); Dubber, Einführung, S. 13; Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 373 (2002). 113 Siehe zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Bundesstrafrechts Beale, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 694 (2002); dies., 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 40 ff. (1996); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1137 ff. (1995); Messonnier, 29 Akron L. Rev. 549, 555 ff. (1996); Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 1993 ff. (2008); Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64 (1948); Welling/Beale/Bucy, S. 2. 114 Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64, 66 (1948): „Federal self-defensive criminal jurisdiction“. 115 Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1138 (1995); vgl. zum Strafrecht des Bundes noch ausführlich unten das 3. Kapitel. 116 Vgl. Brickey, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 27, 28 (1996); Kadish, 46 Hastings L. J. 1247, 1248 (1995); Wössner, S. 21.

60

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

lichem nationalen Belang, Bundesinteressen waren nur dann betroffen, wenn die Straftat in einer Bundesenklave begangen wurde, auf welche sich die Jurisdiktion der Bundesstaaten nicht erstreckte bzw. in welcher der Bund selbst als Gebietsherr die lokalen Interessen wahrnahm.

II. Gerichtlicher Nationalismus Wenn aber bereits die erste Legislaturperiode zaghafte Zentralisierungstendenzen gezeigt hatte und dabei auch dem Strafrecht eine erste tragende Rolle zugekommen war, so erfolgten unter der Ägide des mächtigen Verfassungsgerichts zu Anfang des 19. Jahrhunderts weitere Schritte in diese Richtung. Die auf die Präsidentschaft von Adams folgenden Jahre waren besonders geprägt durch eine stark zentralistische Sicht des U. S. Supreme Courts unter Vorsitz des Verfassungsrichters Marshall (1801–1835), in welchem der scheidende US-Präsident kurz vor Ende seiner Amtszeit noch den Einfluss der Federalists zu sichern versucht hatte,117 und gingen als Epoche des gerichtlichen Nationalismus (Judicial Nationalism)118 in die Geschichte ein. Insbesondere die bereits erwähnte Entscheidung McCulloch v. Maryland119 des „Marshall-Courts“ aus dem Jahr 1819 setzte einen Meilenstein in die konstitutionelle Landschaft. Sie betraf die Einrichtung der zweiten Bundesbank.120 Der U. S. Supreme Court gab dem Congress Recht und griff dabei die Argumentation Hamiltons und dessen Annahme von implied powers des Bundes auf. Auch das Verfassungsgericht hielt die Einrichtung einer Bundesbank für zulässig, obgleich sie in der US-Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt wird. Während die Articles in Art. II noch die Formulierung enthalten hatten, dass den Bundesstaaten alle Rechte und Zuständigkeiten verbleiben, welche nicht ausdrücklich dem 117 So war Marshall im Januar 1801 vorsitzender Verfassungsrichter geworden und die Anzahl der Richter im höchsten Gericht auf fünf reduziert worden. Gleichzeitig suchte Adams auch andere Bundesgerichte ausschließlich mit Federalists zu besetzen. Die „Mitternachts-Ernennung“ (siehe statt Vieler Sutton, in: ders., S. 81) der Richter nur wenige Stunden vor Amtsübergabe schlug indes teilweise fehl, denn der neue US-Präsident Jefferson weigerte sich, den Richtern die Ernennungsurkunden auszuhändigen, welche von der vorherigen Regierung nicht mehr rechtzeitig zugestellt werden konnten. Der U. S. Supreme Court hielt die Ernennungen in der Entscheidung Marbury v. Madison, 5 U. S. 137 (1803), zwar für zulässig, sich selbst aber für unzuständig für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, welche den US-Präsidenten zur Übergabe anweisen sollte, da Art. III der U. S. Constitution eine solche Kompetenz des U. S. Supreme Courts nicht hergebe, und wies die Klage ab; vgl. ausführlich Chemerinsky, S. 39 ff. 118 Sutton, in: ders., S. 8, 77 ff. 119 U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316 (1819); vgl. dazu Fletcher/ Sheppard, S. 150 ff. 120 Die erste Bank war zunächst nur befristet errichtet worden und 1811 weggefallen; 1815 wurde die zweite Bank eingerichtet, deren Verfassungsmäßigkeit wiederum bestritten wurde, dieses Mal allerdings von Seiten der Bundesstaaten; vgl. Chemerinsky, S. 236 ff.; Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 71.

C. Ausweitung der Macht des Bundes

61

Congress übertragen wurden, fehlt der U. S. Constitution eine solche Aussage. Auch Zusatzartikel X enthält gerade nicht das Adverb ausdrücklich. Daraus schloss der U. S. Supreme Court, dass eine explizite Aufzählung der entsprechenden Zuständigkeit des Bundes nach der Konstruktion der U. S. Constitution nicht erforderlich sei.121 Die Kompetenzen des Bundes seien weit auszulegen; der Congress dürfe daher auch solche Regelungen treffen, die nicht explizit genannt, aber notwendig sind, um die ihm zugewiesenen Bereiche zu regeln. Da das Gericht somit auch auf U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 (necessary and proper clause) rekurrierte, bleibt unklar, ob der Congress nach seiner Auffassung letztlich über implied powers, also Kompetenzen, die über die explizit aufgeführten hinausgehen, verfügt oder nur über das Recht, die notwendigen und zweckdienlichen Methoden anzuwenden.122 U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 erfuhr in dieser Entscheidung durch den Marshall Court dabei eine äußerst weite Interpretation. Der Ausdruck necessary sei nicht im Sinne von unbedingt erforderlich (absolute physical necessity), also als die Autorität des Bundes begrenzend, zu verstehen, sondern bedeute eher zweckdienlich (useful).123 Schließlich traf das Gericht aber noch eine weitere wichtige Feststellung: Die U. S. Constitution sei gemäß U. S. Const. Art. VI cl. 2 das höchste Recht des Landes, entgegenstehendes Recht der Bundesstaaten oder entgegenstehende Entscheidungen der Gerichte der Bundesstaaten seien unwirksam.124 Daher sei der Bund zwar grundsätzlich auf bestimmte Handlungsbereiche beschränkt, innerhalb dieser aber sei das Recht des Bundes wiederum das vorherrschende höchste Recht.125 Entgegenstehendes Recht der Bundesstaaten kann daher – durch die Bundesgerichte (!) – für unwirksam erklärt werden.126 Besonders wichtig für die Kompetenz des Bundes ist die in der Entscheidung Gibbons v. Ogden127 im Jahr 1824 unter dem Vorsitz von Verfassungsrichter Marshall erstmalig vorgenommene extensive Auslegung der Handelsklausel, U. S. Const. Art. I § 8 cl. 3. Der Congress habe das ausschließliche Recht, den Handel zwischen den Bundesstaaten zu regeln.128 Dieser umfasse neben Kauf und Ver121

U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 406–407 (1819). Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 73. 123 U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 413 (1819); die offizielle deutsche Übersetzung der U. S. Constitution der US-amerikanischen Botschaft in Deutschland verwendet das Wort zweckdienlich hingegen als Übersetzung des Wortes proper, denn es heißt dort „alle […] notwendigen und zweckdienlichen Gesetze“; vgl. http://usa.usembassy.de/ etexts/gov/gov-constitutiond.pdf; zuletzt abgerufen am 16.02.2009. 124 U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 436 (1819). 125 U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 405 (1819). 126 Zum Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht siehe noch ausführlich unten 2. Kapitel D.; zur Befugnis der Bundesgerichte zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit auch des Rechts der Bundesstaaten siehe bereits oben 2. Kapitel B. I. 127 U. S. Supreme Court, Gibbons v. Ogden, 22 U. S. 1 (1824). 128 Bis zu dieser Entscheidung war nicht klar gewesen, ob es sich um einen Bereich ausschließlicher Gesetzgebung des Bundes handelte. 122

62

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

kauf auch den Transport von Waren, wenn die Grenzen der einzelnen Bundesstaaten überschritten werden. Nicht erfasst sei einzig die rein interne wirtschaftliche Tätigkeit.129 Die Karriere der Handelsklausel als wichtigstes Instrument des Bundes hatte nun endgültig begonnen. Sie sollte in der Zukunft auch für das Strafrecht entscheidende Bedeutung erlangen, wenngleich dieses bis zum Ende des Bürgerkrieges weiterhin eine höchst bescheidene Rolle behielt. Bemerkenswert ist, dass seinerzeit vehement um die impliziten Kompetenzen des Bundes zur Verteidigung seiner eigenen Mittel, Angestellten und Einrichtungen gestritten wurde. Heute hat das Bundesrecht hingegen gerade im Bereich des Schutzes indirekter Interessen weite Teile des einzelstaatlichen Strafrechts dupliziert – eine Entwicklung, die zur Zeit des Ersten Congress’ keineswegs zu antizipieren war und selbst von den überzeugten Nationalisten und Zentralisten kaum vertreten worden wäre. Bezeichnend mag es sein, dass gerade Chief Justice Marshall den Begriff der Polizeimacht, als Bereich allgemeiner und unantastbarer Kompetenz der Bundesstaaten, entscheidend prägte.130

III. Zunehmende Zentralisierung des Rechts und wachsende Bedeutung der Handelsklausel zwischen Bürgerkrieg und Jahrhundertwende Die Mitte des 19. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch steigende Spannungen zwischen den südlichen und den nördlichen Staaten. Auch dabei spielte die Frage um die Machtverteilung zwischen Bundesstaaten und Bund eine entscheidende Rolle. So war die Debatte um die Sklaverei gleichsam eine solche um den Föderalismus.131 Besteuerung durch den Bund sowie dessen Verbot der Ausweitung der Sklaverei führten schließlich zum nord-amerikanischen Bürgerkrieg (Civil War) der Jahre 1861–1865, in welchem die Südstaaten ihre Rechte gegen eine zu starke und einflussreiche Zentralmacht glaubten verteidigen zu müssen. Den Unionisten hingegen bewies der Bürgerkrieg, dass die Macht des Bundes effizient zum Guten der Nation genutzt werden konnte. Bundesgesetze waren in der Restaurationsphase nach dem Ende des Civil War insbesondere Mittel zur Durchsetzung der Bürgerrechte der nun befreiten AfroAmerikaner, welche insbesondere auch in den Zusatzartikeln XIII (Abschaffung 129 U. S. Supreme Court, Gibbons v. Ogden, 22 U. S. 1, 195 (1824); vgl. zu dieser Entscheidung auch Berger, S. 124 ff., 133 ff.; Bumgarner, S. 16 ff.; Chemerinsky, S. 243 ff.; McGimsey, 90 Calif. L. Rev. 1675, 1687 ff. (2002); Re, 15 St. Thomas L. Rev. 265, 273 ff. (2002); Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 172 f.; Virelli/Leibowitz, 3 U. Pa. J. Const. L. 926, 927 ff. (2001); von Mehren/Murray, S. 109 ff. 130 U. S. Supreme Court, Brown v. Maryland, 25 U. S. 419, 443 (1827); siehe bereits oben 2. Kapitel B. III. 131 Vgl. etwa die Debatten im Congress zwischen Vize-Präsident Calhoun als Wortführer des Südens und Senator Seward für den Norden, in: Drake/Nelson, S. 114 ff.

C. Ausweitung der Macht des Bundes

63

der Sklaverei, ratifiziert 1865), XIV (gleicher Schutz durch das Gesetz, ratifiziert 1868) und XV (gleiches Wahlrecht, ratifiziert 1870) normiert wurden. Gesetzliche Regelungen auf Bundesebene erschienen gerade deshalb als notwendig, weil es um die politische Beseitigung der Rassentrennung und Sklaverei ging, welche einheitlich für das ganze Gebiet der Vereinigten Staaten gelten sollte, man sich aber auf ihre vorbehaltlose Umsetzung durch die Bundesstaaten gerade nicht ohne weiteres verlassen konnte. Daher wird die „Civil Rights legislation“ als entscheidende Weichenstellung für den neuen zentralisierten Kurs des Rechts in den Vereinigten Staaten ausgemacht.132 Wiederum musste der Congress sich hierbei allerdings auf die Handelsklausel verlassen, nachdem im Jahr 1883 der U. S. Supreme Court in den berühmten „Civil Rights Cases“133 entschieden hatte, dass die Zusatzartikel XIII und XIV und die jeweils darin vorgesehene Kompetenz des Bundes zur gesetzlichen Durchsetzung der Bürgerrechte (Congress shall have power to enforce this article by appropriate legislation) sich nur auf das Verhältnis zu den Bundesstaaten beziehe. So konnte etwa der Erlass von Strafvorschriften zur Bestrafung von Rassendiskriminierung nicht auf diese Zusatzartikel gestützt werden. Ein – bis heute verfolgter – Ansatz ist es daher, Anti-Diskriminierungsgesetze auf die Erwägung zu stützen, dass die Ungleichbehandlung der Rassen einen nachhaltigen Einfluss auf den zwischenstaatlichen Handel hat.134 Bedenkt man ferner, dass die Wirtschaft zunehmend vernetzter wurde, so findet sich darin ein weiterer entscheidender Grund für die steigende Bereitschaft des Bundes zur Ausübung der ihm insbesondere durch die Handelsklausel übertragenen Kompetenzen.135 Der nord-amerikanische Bürgerkrieg markiert einen Wendepunkt im Hinblick auf die Gesetzgebungstätigkeit des Bundes. Waren deren Anfänge bis zu diesem Zeitpunkt noch bescheiden, so ist nach dem Ende des Bürgerkrieges ein stetiger, teils rasanter Anstieg der vom Bund erlassenen Vorschriften zu beobachten. Innenund außenpolitische Spannungen, zunehmende Verzahnung der Wirtschaft und des zwischenstaatlichen Handels sowie politische Grundsatzentscheidungen bildeten Auslöser und Grundlage einer weit reichenden und expansiven Tätigkeit des Congress’, welcher die ihm zugewiesenen Kompetenzen nun äußerst weit inter132 Vgl. Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 514 (1985); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1139 ff. (1995); vgl. ferner Baker, B. U. L. Rev. 1191 (2000), zu modernen Ausprägungen in Form sog. „hate crimes“. 133 U. S. Supreme Court, Civil Rights Cases, 109 U. S. 3 (1883); es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung von fünf ähnlich gelagerten Fällen zu einer Rechtssache; vgl. zu den Civil Rights Cases auch Fletcher/Sheppard, S. 173 ff., 201 ff.; Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/ Karlan, Constitutional Law, S. 210 f., 1584 ff. 134 Vgl. insbesondere die Entscheidungen aus den 1960er Jahren: U. S. Supreme Court, Heart of Atlanta Motel v. United States, 379 U. S. 241 (1964); Katzenbach v. McClung, 379 U. S. 294 (1964). 135 Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 186.

64

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

pretierte und durch nationale Regelungen wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Reformen gegen oftmals konservative und unwillige Bundesstaaten, insbesondere aus dem Süden des Landes, in Gang setzte. Diese Entwicklung ist gleichermaßen für das Strafrecht zu konstatieren.136 Bis zum Ende des Bürgerkrieges hatte das Bundesstrafrecht sich auf die bereits beschriebenen Bereiche beschränkt und ausschließlich Angriffe auf direkte Bundesinteressen oder Straftaten innerhalb seiner Territorien sanktioniert. Im Übrigen galt das Strafrecht als Aufgabe der örtlichen Gerichtsbarkeit und Materie der Polizeimacht der Bundesstaaten. Die zunehmende Mobilität der Bevölkerung und damit auch der Delinquenten führte dazu, dass die Bundesstaaten, deren Jurisdiktion sich auf ihr eigenes Staatsgebiet beschränkte, den Problemen nicht mehr ausreichend gewachsen und Regelungen und Strafverfolgung auf einer anderen übergeordneten Ebene erforderlich erschienen.137 Das Bundesstrafrecht wurde im Wesentlichen als notwendig erachtet, da die Strafverfolgungsbehörden der Einzelstaaten an ihre territorialen Grenzen stießen, vor welchen die Straftäter jedenfalls nicht Halt machten.138 Durch das Überschreiten der Grenze konnten die Delinquenten sich buchstäblich ihrer Verfolgung entziehen.139 Die territoriale Begrenztheit der Jurisdiktionen mag das aufkommende Bedürfnis nach einer länderübergreifenden Möglichkeit der Strafverfolgung erhellen. Die Reaktion auf die zunehmende Mobilität der Straftäter bestand in einer Stärkung und Ausdehnung des Strafrechts des Bundes. Seine Rechtfertigung aus Gründen der Ineffizienz der Strafverfolgung durch die Bundesstaaten und seine Funktion als Instrument zur Unterstützung ihrer Verbrechensbekämpfung mittels eines zentral gesteuerten Strafverfolgungssystems bilden auch heute noch Hintergrund und entscheidende Begründung für den Erlass bundesrechtlicher Vorschriften. Als wichtige Strafbestimmungen des Bundes in dieser Epoche lassen sich nennen: das Mail Fraud Statute (1875), welches der Betrugsbekämpfung diente, dabei aber als eines der ersten Gesetze in den Bereich der Bundesstaaten eindrang und (noch) auf die Kompetenz für das Postwesen gestützt wurde, sodann der Federal Lottery Act (1895), der den zwischenstaatlichen Transport von Lotterie-Scheinen unter Androhung von Kriminalstrafe verbot, der Mann Act (1910), welcher den Transport einer Frau über eine zwischenstaatliche Grenze zu Zwecken der Prostitution unter Strafe stellte, oder der Dyer Act (1919), der den Transport von ge136 Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 513 ff. (1985); Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 41 (1996); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1140 ff. (1995); Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs 64, 65 (1948). 137 Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 41 (1996); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1141 ff. (1995); Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 1994 (2008); Wössner, S. 21. 138 Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1140 ff. (1995); Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs 64, 74 (1948). 139 Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1143 (1995); dies., 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 27, 29 (1996); unten, 4. Kapitel F., wird noch ausführlich auf das Problem grenzüberschreitender Kriminalität und der Auslieferung zwischen den Bundesstaaten eingegangen.

C. Ausweitung der Macht des Bundes

65

stohlenen Fahrzeugen über eine Bundesstaatengrenze sanktionierte, sämtlich unter Berufung auf die Handelsklausel erlassen. Entscheidend für das Schicksal nahezu jeder Bundesvorschrift war wiederum die Auslegung der Bundeskompetenzen durch den U. S. Supreme Court. Die Handelsklausel bildete die mit Abstand wichtigste, wenn auch nicht ausschließliche Grundlage der Bundesgesetzgebung in nahezu allen Bereichen des öffentlichen Rechts, des Zivil- und des Strafrechts und daher auch den Gegenstand der großen Mehrheit der Entscheidungen des U. S. Supreme Courts. Die Weite des Rechts des Bundes ist daher nahezu gleichzusetzen mit der Weite der Handelsklausel. Das Gericht hatte sich in seinen Entscheidungen zur Handelsklausel regelmäßig mit auf Föderalismus-Erwägungen gestützten Gegenargumenten auseinanderzusetzen. Dabei galt es v. a. bei der Interpretation des Wortlauts der Handelsklausel wesentliche Fragen zu beantworten: Reicht der Handel zwischen den Bundesstaaten auch in sämtliche Bereiche des täglichen Lebens? Wie stark muss der Bezug einer bestimmten Materie zum zwischenstaatlichen Handel sein, damit sie in den Bereich der Bundeszuständigkeit fällt? Der U. S. Supreme Court entwickelte im Hinblick auf die Handelsklausel verschiedene Ansätze zur Abgrenzung von Bundes- und einzelstaatlicher Kompetenz und damit zur Bestimmung der Verfassungsmäßigkeit eines auf Grund der Handelsklausel erlassenen Gesetzes.140 Eine Methode stellt auf rein formale Kriterien ab – wie z. B. das Überscheiten einer Staatengrenze – und überprüft ein Bundesgesetz nach dem Vorhandensein eines solchen, die Zuständigkeit begründenden Kriteriums. In einer anderen eher materiellen Vorgehensweise wird der tatsächliche Charakter der betreffenden Aktivität untersucht (realistic approach). Als Beispiel eines formalen Ansatzes sei hier der berühmt gewordene Lotterie-Fall (Lottery Case)141 genannt, in welchem die Verfassungsmäßigkeit des Federal Lottery Act in Frage stand. Der U. S. Supreme Court erhielt das Statut aufrecht, denn er sah im Überscheiten der Binnengrenzen der Bundesstaaten eine ausreichende Legitimation für ein auf die Handelsklausel gestütztes Bundesgesetz. Der Federal Lottery Act ist daher auch eines der frühesten Beispiele der Bundesstrafgesetzgebung auf Basis der Handelsklausel. Das Dissens-Votum von vier Richtern kritisierte hingegen, dass ein Lotterieschein nicht alleine dadurch zu einem Artikel des Handels werde, weil er zwischen Bundesstaaten transportiert werde.142 Problematisch war, dass den Bundesstaaten die Polizeimacht zusteht, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, wozu neben Gesundheit, Ordnung und Wohlstand auch die Moral der Bürger gehört. Daher ging es darum, commerce power des Bundes und police power der Bundesstaaten abzugrenzen. Die Ent-

140

Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 186. U. S. Supreme Court, Champion v. Ames, 188 U. S. 321 (1903). 142 U. S. Supreme Court, Champion v. Ames, 188 U. S. 321, 366 (1903); vgl. dazu auch Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1170 (1995); Re, 15 St. Thomas L. Rev. 265, 278 ff. (2002). 141

66

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

scheidung im Lotteriefall legte den Grundstein für die Strafrechtsgesetzgebung des Bundes.143 Eine materielle Herangehensweise verfolgte der U. S. Supreme Court etwa im Fall Hammer v. Dagenhart.144 Der Congress hatte ein Gesetz gegen Kinderarbeit erlassen, durch welches der Transport von Waren im zwischenstaatlichen Handel verboten war, wenn diese Artikel durch Kinderarbeit hergestellt worden waren. Der U. S. Supreme Court stellte fest, dass zwar nach formalen Kriterien ein hinreichender Bezug zur Handelsklausel bestünde, nicht aber materiell. Denn der Bereich der Herstellung von Waren betreffe nicht den Handel mit denselben. Die Produktion geschehe einzig auf dem Gebiet des Bundesstaates und sei ihrem Charakter nach eine rein lokale Angelegenheit.145 Die Kontrolle der Arbeitsbedingungen sei Teil der Befugnisse der Bundesstaaten, beruhend auf ihrer Polizeimacht.146 Beide Entscheidungen fallen zeitlich in die Epoche zwischen Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert und Ende des Ersten Weltkriegs, in welcher der U. S. Supreme Court mit konservativen Richtern besetzt war und für die Freiheit der Wirtschaft von staatlichen Regulierungen und damit stets auch für die Rechte der Bundesstaaten eintrat, weniger aber für Bürgerrechte, gesunde Arbeitsbedingungen, Mindestlohn oder das Verbot von Kinderarbeit.147 Ging es hingegen wie im Lotteriefall um die Wahrung der Moral der Bürger, bereitete das Einschreiten des Bundes ihm offenbar weniger Probleme. Diese Zeit ist aus verfassungsrechtlicher Sicht besonders interessant, da hier zum ersten Mal viele Bundesgesetze durch den U. S. Supreme Court aufgehoben wurden.148

IV. Roosevelts „New Deal“ Eine entscheidende Veränderung und neue Sicht des Verhältnisses von Bund und Bundesstaaten brachte die Präsidentschaft von Franklin D. Roosevelt (1933–1945). Im Zeichen der Wirtschaftskrise der 1920er Jahre entschied sich der Congress für die Einleitung von einschneidenden Maßnahmen zur Rettung der Wirtschaft durch Ausweitung der Einflussnahme des Bundes. Die Reformen trugen den Namen „New Deal“.149 Dabei ging es u. a. auch um die Etablierung gewisser Mindeststandards von Lohn und Sicherheit bei der Arbeit oder die Einrichtung von 143

Abrams/Beale, S. 21; siehe zum Strafrecht des Bundes noch genauer unten das 3. Kapitel. U. S. Supreme Court, Hammer v. Dagenhart, 247 U. S. 251 (1918). 145 U. S. Supreme Court, Hammer v. Dagenhart, 247 U. S. 251, 276 (1918): „purely local in character“. 146 U. S. Supreme Court, Hammer v. Dagenhart, 247 U. S. 251, 274 (1918). 147 Vgl. dazu Chemerinsky, S. 247 ff. 148 Chemerinsky, S. 247. 149 Vgl. dazu Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 41 (1996); Chemerinsky, S. 252 ff.; Cox, S. 145 ff.; Drake/Nelson, in: dies., S. 173 ff.; Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 1995 (2008); Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 192 ff.; Sutton, in: ders., 187 ff.; von Mehren/Murray, S. 114 f. 144

C. Ausweitung der Macht des Bundes

67

Gewerkschaften, was bei den konservativen Gegnern die Furcht vor einem aufkeimenden Sozialismus im Congress schürte. Der U. S. Supreme Court verwehrte sich zu Beginn der 1930er Jahre noch gegen die Reformen, welche eine starke Ausweitung der Kompetenzen des Bundes mit dem Ziel der Rettung der Wirtschaft beinhalteten, und erklärte sie für verfassungswidrig. Dabei stützte das Gericht sich regelmäßig auf eine restriktive Auslegung der Bundeskompetenzen, insbesondere der Handelsklausel und der Zuständigkeit für Steuern und Ausgaben, oder auf die Rechte der Bundesstaaten aus Zusatzartikel X.150 Es entstand ein regelrechter Konflikt zwischen Regierung und höchstem Gericht. Als Franklin D. Roosevelt drohte, die gesamte Struktur des U. S. Supreme Courts zu reformieren und diesen mit jüngeren Richtern zu besetzen, änderte sich die Einstellung des Gerichts.151 Es verwarf in der Entscheidung NLRB v. Jones & Laughlin Steel Corp.152 im Jahr 1937 die eigenen in der Vergangenheit liegenden Restriktionen und ließ in der Folge nun eine äußerst weite Interpretation der Handelsklausel an ihre Stelle treten. Insbesondere wurde die Unterscheidung zwischen Herstellung und Handel aufgegeben. Ferner war seither auch ein indirekter Bezug zum zwischenstaatlichen Handel ausreichend. Der Congress konnte seitdem sämtliche Aktivitäten regulieren, die eine Auswirkung auf den innerstaatlichen Handel aufweisen, eine insbesondere auch im Strafrecht häufig genutzte Grundlage der Gesetzgebung.153 Ein Congress-Ausschuss stellte im Jahr 1937 lapidar fest, dass die Kriminalität ein weit verbreitetes Problem sei, dessen die Bundesstaaten alleine nicht Herr werden könnten.154 Das Bundesstrafrecht sollte daher nun zur Unterstützung der Bundesstaaten zum Zuge kommen. Zwischen 1937 und 1995 wurde kein einziges Bundesgesetz, welches auf die Handelsklausel gestützt wurde, mehr für verfassungswidrig erklärt.155 150

So etwa U. S. Supreme Court, A. L. A. Schechter Poultry Corp. v. United States, 295 U. S. 495 (1935); Carter v. Carter Coal Co., 298 U. S. 238 (1936), jeweils durch restriktive Auslegung der Handelsklausel und unter Berufung darauf, dass lokale Produktion bzw. lokaler Verkauf von Gütern nicht Teil des zwischenstaatlichen Handels seien. Die Bewertung des 10. Zusatzartikels ist im US-amerikanischen Verfassungsrecht ebenfalls großen Schwankungen unterworfen. Nach einer Ansicht verleiht er den Bundesstaaten ein originäres verfassungsmäßiges Recht; nach der Gegenauffassung ist er als bloße Klarstellung zu werten, dass dem Congress nur bestimmte Kompetenzen zustehen, sodass die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nicht auf den 10. Zusatzartikel gestützt werden kann. Während die zuletzt genannte Meinung in den Anfangsjahren vorherrschte, schwenkte der U. S. Supreme Court zu Anfang des 20. Jahrhunderts zur Gegenansicht um und verwarf Bundesgesetze unter Berufung auf das Recht der Bundesstaaten aus dem 10. Zusatzartikel. Diese Meinung gab er nach 1937 wieder auf. Seit den 1990er Jahren scheint die Betonung der Rechte der Bundesstaaten wieder eine Renaissance zu erleben. Vgl. dazu ausführlich Chemerinsky, S. 312 ff. 151 Chemerinsky, S. 255 f.; Sutton, in: ders., S. 193. 152 U. S. Supreme Court, N. L. R. B. v. Jones & Laughlin Steel Corp., 301 U. S. 1 (1937); vgl. dazu auch Cox, S. 156 ff.; Virelli/Leibowitz, 3 U. Pa. J. Const. L. 926, 944 ff. (2001). 153 Siehe dazu noch unten 3. Kapitel B. II. 4. a). 154 Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 42 (1996). 155 Chemerinsky, S. 234, 243, 264; Welling/Beale/Bucy, S. 8.

68

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

Häufig zitiert ist insbesondere die Entscheidung Wickard v. Filburn aus dem Jahr 1942.156 Der Congress hatte bestimmte Quoten für die Weizenproduktion festgelegt, um die nationale Landwirtschaft zu regulieren. Der Kleinbauer Filburn, der ausschließlich für den eigenen Bedarf produzierte, überschritt diese Quote und wurde zu einem hohen Bußgeld verurteilt. Der U. S. Supreme Court führte aus, dass die Tätigkeit zwar ausschließlich lokal sei und auch weder Bestandteil des Handels noch selbst besonders bedeutsam, dennoch aber durch die Zusammenrechnung der Produktion sämtlicher Kleinbauern insgesamt ein substanzieller Effekt auf den zwischenstaatlichen Handel entstehe. Dieses so genannte „Aggregationsprinzip“157 wurde in der Folge wiederholt auch für das Strafrecht fruchtbar gemacht: Viele kleine Überfälle auf kleine lokale Lebensmittelläden können einen bedeutenden Einfluss auf die Gesamtwirtschaft haben und damit ein Gesetz des Bundes und eine Strafverfolgung durch dessen Behörden rechtfertigen.158 Auch andere Befugnisse erlebten eine ähnliche Karriere wie die Handelsklausel. Als für die Gesetzgebung des Bundes allgemein bedeutsam lässt sich hier u. a. noch die Zuständigkeit für Steuern und Ausgaben nennen. Wiederum ist Ausgangspunkt der Interpretation der Kompetenz für Steuern und Ausgaben eine Meinungsverschiedenheit zwischen Madison und Hamilton in den Anfangsjahren der Republik. Während Madison davon ausging, der Bund dürfe Steuern nur für die ihm enumerativ zugewiesenen Bereiche erheben, berief sich Hamilton auf den Wortlaut des U. S. Const. Art. I § 8 cl. 1, in welchem es heißt: Der Congress hat das Recht, Steuern […] aufzuerlegen und einzuziehen, um für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen, für die Landesverteidigung und das allgemeine Wohl der Vereinigten Staaten zu sorgen.159 Nach Auffassung Hamiltons kann der Congress daher also in jeder erdenklichen Weise und mit jedem Ziel besteuern, solange dies dem Wohl der Vereinigten Staaten dient.160 Der U. S. Supreme Court teilte diese Meinung.161 Auch in Bezug auf eine auf der Macht zur Besteuerung basierende Gesetzgebung ist ein stetiger Anstieg von Bestimmungen, etwa auch des Strafrechts,162 zu verzeichnen, wenngleich etwas antizyklisch zu den auf die Handelsklausel gestützten Gesetzen. Denn vor der äußerst weiten Auslegung derselben durch die 156

U. S. Supreme Court, Wickard v. Filburn, 317 U. S. 111 (1942). U. S. Supreme Court, Wickard v. Filburn, 317 U. S. 111, 125 (1942); vgl. zu dieser Terminologie Abrams/Beale, S. 42; Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 225. 158 Vgl. Abrams/Beale, S. 42; ausführlich unten 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 159 U. S. Const. Art. I § 8 cl. 1: The Congress shall have power to lay and collect taxes, duties, imposts and excises, to pay the debts and provide for the common defense and general welfare of the United States. 160 Vgl. dazu Chemerinsky, S. 274. 161 U. S. Supreme Court, United States v. Butler, 297 U. S. 1 (1936). 162 Dazu näher unten 3. Kapitel B. II. 4. b). 157

C. Ausweitung der Macht des Bundes

69

Gerichte seit 1937 war es v. a. die Kompetenz für die Steuern, welche als Basis für Strafvorschriften fungierte. So hatte etwa nach den Anti-Drogen-Gesetzen des Bundes aus dem Jahr 1914 derjenige, der mit Drogen handelt, diese zu melden und zu versteuern, und konnte ansonsten bestraft werden.163 Gleich den Auseinandersetzungen um die Kompetenz für den Handel stritten U. S. Supreme Court und Regierung um Franklin D. Roosevelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch vehement um die Steuerkompetenz. Ein Beispiel bildet wiederum die Kinderarbeit, welche die Bundesregierung unbedingt eliminieren wollte. Nachdem der Congress mit dem Versuch gescheitert war, mittels der Handelsklausel den Verkehr der durch Kinderhand hergestellten Produkte zu verhindern, suchte er dieses Ziel durch eine hohe Besteuerung dieser Erzeugnisse zu erreichen. Wiederum versagte ihm der U. S. Supreme Court seine Unterstützung und erklärte entsprechende Steuergesetze wegen eines Verstoßes gegen Zusatzartikel X – und damit gegen die Rechte der Bundesstaaten – für verfassungswidrig.164 Zur Begründung wurde auf eine Unterscheidung zwischen zulässigen Steuern mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Staatseinkommen und unzulässigen Steuern mit dem Ziel der Regulierung und Sanktionierung von Verhaltensweisen abgestellt. Auch hier brachte das Jahr 1937 die Wende, denn in der Entscheidung Sonzinsky v. United States165 wurde diese Differenzierung verworfen. Ähnliches lässt sich über die Kompetenz für die Staatsausgaben berichten. Auch hier gilt etwa die Auffassung, dass der Bund sämtliche Ausgaben tätigen darf, die dem Wohl der Bürger der Vereinigten Staaten dienen und darüber hinaus auch alle Gesetze erlassen kann, welche diese Kompetenz absichern. Als strafrechtliche Maßnahmen im Hinblick auf die Kompetenz für Ausgaben sind etwa die Strafvorschriften zum Schutze von Bundesmitteln zu nennen.166 In der Zeit des New Deal erreichte die Ausweitung des Bundesstrafrechts insgesamt eine neue Dimension. Eine exorbitante Zahl an Vorschriften betraf nun Verhaltensweisen, welche zuvor traditionell nur von den Bundesstaaten geregelt worden waren. Zwar sollte das Bundesstrafrecht weiterhin nur Bereiche von nationalem Interesse zum Gegenstand haben, es änderte sich aber die Wahrnehmung derselben, denn vielen Delinquenzbereichen wurde nun nicht mehr eine rein lokale, sondern vielmehr eine gesamtstaatliche Bedeutung beigemessen. Dies mag auch der bereits angestellte Hinweis auf das Aggregationsprinzip anschaulich verdeutlichen.167 Zudem rückte spätestens seit den 1920er Jahren, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Prohibition, verstärkt ein Kriminalitätsfeld in den Blickpunkt, 163

Welling/Beale/Bucy, S. 18 f.; näher dazu unten 3. Kapitel B. II. 4. b). U. S. Supreme Court, Bailey v. Drexel Furniture Co., 259 U. S. 20 (1922). 165 U. S. Supreme Court, Sonzinsky v. United States, 300 U. S. 506 (1937); vgl. dazu Chemerinsky, S. 277 f. 166 Näher dazu unten 3. Kapitel B. II. 3. 167 Dazu noch ausführlich unten 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 164

70

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

dessen Bekämpfung zunehmend als überregionale, nationale Aufgabe begriffen wurde und auch heute noch einen ganz bedeutenden Anteil der Strafverfolgungsanstrengungen des Bundes für sich beansprucht: das Organisierte Verbrechen.168 Nicht nur operierten die Mitglieder einer solchen kriminellen Organisation vielfach über die Grenzen der Bundesstaaten hinaus, sondern es wurden nicht selten lokale Würdenträger und Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden durch Geldzahlungen korrumpiert.

V. Das moderne Verständnis des Föderalismus 1. Politischer Föderalismus Die Verlagerung des Schwerpunktes vom Konzept der Dominanz der Bundesstaaten zu einem heute viel stärker national geprägten Föderalismus ist der extensiven Auslegung der Bundeskompetenzen zuzuschreiben. Bemerkenswert bleibt, dass der Bund seine Gesetzgebung stets auf die enumerativ genannten Zuständigkeiten stützen muss und sich dabei – auch im Strafrecht – zumeist der Handelsklausel bedient, es ihm aber gleichwohl oftmals gar nicht um die Regulierung wirtschaftlicher Fragen geht, sondern vielmehr um solche der Moral und der bürgerlichen Freiheiten und Rechte,169 letztlich also Bereiche, welche eigentlich der Polizeimacht der Bundesstaaten170 zuzuordnen sind. Der U. S. Supreme Court hielt explizit fest, dass die gleichzeitige Motivation zur Bekämpfung moralischer Verfehlungen nichts an der Verfassungsmäßigkeit solcher Vorschriften ändere.171 Auch in der Zeit nach Roosevelts New Deal wurde die Handelsklausel im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Gleichberechtigung von Rassen und Geschlechtern gegen den Widerstand der konservativen Bundesstaaten benutzt, Probleme der gesellschaftlichen Veränderung waren damit stets auch verbunden mit Erörterungen des föderalen Systems der Vereinigten Staaten. Der Einsatz 168 Vgl. ausführlich zur Rolle des Organisierten Verbrechens im Bundesstrafrecht Baker, 16 Rutgers L. J. 495 (1985); vgl. auch Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 42 (1996); außerdem noch unten 5. Kapitel C. II. zu den Schwerpunkten der Strafverfolgung des Bundes. 169 Insbesondere die besonders liberale Zeit unter dem Vorsitz von Verfassungsrichter Warren ging als Epoche der vehementen Verteidigung von Gleichheit und Freiheit der Bürger durch den U. S. Supreme Court in die Geschichte ein. Auch im Bereich des Strafprozessrechts tat sich der „Warren Court“ hervor und weitete die Garantien des Grundrechtskatalogs der U. S. Constitution auch auf Prozesse auf Ebene der Bundesstaaten aus; vgl. Cox, S. 177 ff.; Herrmann, JZ 1985, 602, 603. 170 Dazu noch ausführlicher unten 4. Kapitel A. 171 U. S. Supreme Court, Heart of Atlanta Motel v. United States, 379 U. S. 241, 257 (1964): „That Congress was legislating against moral wrongs in many of these areas rendered its enactments no less valid.“

C. Ausweitung der Macht des Bundes

71

der Handelsklausel etwa zur Durchsetzung der Bürgerrechte in den Anti-Diskriminierungsgesetzen (Civil Rights Acts) der 1960er Jahre sei exemplarisch angeführt.172 Der U. S. Supreme Court billigte dieses Vorgehen und erachtete es als ein schwerwiegendes Hindernis des zwischenstaatlichen Handels, wenn ein Motel oder ein Restaurant die Bedienung von Afro-Amerikanern verweigerte.173 Auch strafrechtliche Vorschriften zur Sanktionierung von Rassendiskriminierungen lassen sich anführen, wie etwa 18 U. S. C. § 241 (Conspiracy against rights) und 18 U. S. C. § 242 (Deprivation of rights under color of law).174 In der Folge gerieten aber zunehmend andere Kriminalitätsfelder in den Fokus der Bundesgesetzgebung. Gestützt auf die Handelsklausel erließ der Congress in den 1970er Jahren einige Strafgesetze, denen heute eine tragende Rolle im Rahmen der Strafverfolgung des Bundes zukommt. Als besonders wichtige und umfassende Bundesstrafgesetze der 1970er Jahre sind etwa die Anti-Drogengesetze im CSA (Controlled Substances Act) sowie das RICO Statute (Racketeering Influenced and Corrupt Organizations Statute)175 zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zu nennen.176 Insbesondere das zuletzt genannte Statut, welches die Verwendung von Mitteln, die aus strafbaren Handlungen stammen, kriminalisiert, ist sehr weit formuliert und erfasst als Ausgangstat nahezu jede Straftat nach Bundes- oder einzelstaatlichem Recht. Es wird längst nicht nur zur Verfolgung des Organisierten Verbrechens eingesetzt, sondern auch bei rein lokalen Straftaten.177 Ihm liegt ferner ein äußerst weites Verständnis der Handelsklausel zu Grunde.178 Die Bundesgerichte zeigten sich seit dem New Deal kaum noch willens, der extrem extensiven Auslegung der Handelsklausel Schranken aufzuerlegen. Das Grundprinzip der Enumeration und damit der Beschränkung der Zuständigkeiten des Bundes auf nur wenige, speziell nationale Sachverhalte entspricht heute kaum noch der Realität der Gesetzgebung und Staatsgewalt des Bundes in den Vereinigten Staaten. Van Alstyne179 konstatiert daher einen Wechsel vom konstitutionellen zum politischen Föderalismus, in welchem nicht mehr die Verfassung, sondern der Congress selbst durch politische Entscheidungen bestimme, wie weit seine Kompetenzen reichen.

172

Oben 2. Kapitel C. III. U. S. Supreme Court, Heart of Atlanta Motel v. United States, 379 U. S. 241, 260–262 (1964); Katzenbach v. McClung, 379 U. S. 294, 305 (1964). 174 Vgl. zu den Criminal Civil Rights Statutes ausführlich Abrams/Beale, S. 636 ff. 175 Vgl. zum RICO Statute bereits oben 2. Kapitel B. II. sowie ausführlich unten 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 176 Dazu Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 1997 ff. (2008). 177 Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 1999 (2008). 178 Näher dazu unten 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 179 Van Alstyne, 26 Am. Crim. L. Rev. 1740 (1989). 173

72

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

2. Renaissance föderativer Elemente im U. S. Supreme Court? Im Jahr 1995 gebot der U. S. Supreme Court allerdings in seinem berühmt gewordenen Urteil in der Strafsache United States v. Lopez,180 welches als bedeutendste Entscheidung im Zusammenhang mit Fragen des Föderalismus seit der Zeit des New Deal gelten darf, der ausschweifenden Interpretation der Handelsklausel durch den Congress nach fast 60 Jahren erstmalig doch wieder Einhalt. Der Gun-Free School Zones Act des Bundes aus dem Jahr 1990 stellte den Waffenbesitz in Schulen unter Strafe. Der U. S. Supreme Court verwarf das Gesetz als verfassungswidrig, da es weder einen formellen Bezug zum zwischenstaatlichen Handel enthielt noch materiell überhaupt als Regelung einer kommerziellen Tätigkeit bezeichnet werden könne. Hier zeigt sich, dass im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz, welches die Zuständigkeit im Hinblick auf das Strafrecht explizit verteilt, die Strafrechtskompetenz im US-amerikanischen System einer Einzelfallentscheidung bedarf, welche stets auch anhand der Prämissen des Föderalismus zu fällen ist. Da der U. S. Supreme Court auch in einem weiteren – nicht strafrechtlichen – Urteil181 ein Bundesgesetz wegen Überschreitung der Kompetenzen des Congress’ unter Berufung auf durch das föderale System bedingte Grenzen der Bundestätigkeit verwarf und im Übrigen auch die seit der Zeit des New Deal aufgegebene Theorie von den durch Zusatzartikel X zum Ausdruck gebrachten Rechten der Bundesstaaten wiederbelebte,182 könnte dies eine echte Kehrtwende des Gerichts zurück zu einer einschränkenden Interpretation der verfassungsmäßigen Kompetenzen des Bundes bedeuten.183 Im Zusammenhang mit dem Strafrecht scheint der Trend indes nicht in diese Richtung zu gehen, denn vor den ordentlichen Strafgerichten des Bundes haben auch nach dem Fall United States v. Lopez Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit von Strafgesetzen wegen Überschreitung der Kompetenz aus der Handelsklausel regelmäßig kaum Gehör gefunden184 und auch der U. S. Supreme Court hat 180

U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549 (1995); ausführlich dazu noch unten 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 181 U. S. Supreme Court, United States v. Morrison, 529 U. S. 598 (2000); ausführlich dazu noch unten 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 182 So zumindest in vier Entscheidungen, u. a. in der bereits in anderem Zusammenhang angeführten Sache Printz v. United States, 521 U. S. 898 (1997); vgl. ferner Chemerinsky, S. 322 ff.; Gerston, S. 59 ff. 183 So etwa die Prognosen von Chemerinsky, S. 322 ff., und Gerston, S. 59 ff. 184 Abrams/Beale, S. 42; Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 575 (2004); so hielt etwa der U. S. Court of Appeals (5th Cir.), United States v. Bailey, 115 F.3d 1222 (1997), 18 U. S. C. § 228 für verfassungsgemäß, welcher die vorsätzliche Verletzung einer Pflicht zur Zahlung von Unterhalt für ein Kind zu einer Straftat nach Bundesrecht macht, wenn das Kind in einem anderen Bundesstaat lebt als der Unterhaltsverpflichtete, und auf die Handelsklausel gestützt wurde; die Vorinstanz, U. S. District Court for the Western District of Texas, United States v. Bailey, 902 F. Supp. 727, 728 (1995), hatte allerdings entschieden, das Gesetz sei verfassungswidrig, da

C. Ausweitung der Macht des Bundes

73

inzwischen wieder gegenläufig entschieden und eine Strafverfolgung des rein lokalen Anbaus von Marihuana zum Eigengebrauch durch den Bund unter Hinweis auf die Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel zugelassen.185

3. USA PATRIOT Act Der Congress lässt in jüngerer Zeit keineswegs Zurückhaltung und Selbstmäßigung im Hinblick auf den Erlass bundesrechtlicher Strafnormen erkennen. Unter den vielen Kodifizierungen sei hier der USA PATRIOT Act186 vom 26. Oktober 2001 hervorgehoben. Er erging als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 mit dem Ziel einer verstärkten und verbesserten Terrorismusbekämpfung durch Bundesbehörden und beinhaltet eine erstaunliche Vielfalt unterschiedlicher materieller Regelungen, die in vielfacher Hinsicht auch das Strafrecht betreffen. Auch die Kürze der Zeitspanne zwischen den Anschlägen und dem Gesetzeserlass ist bemerkenswert. Die zehn Titel des Gesetzes enthalten Bestimmungen im Hinblick auf – die Finanzierung und Ausstattung der mit der Terrorismusbekämpfung betrauten Behörden (Title I: Enhancing Domestic Security Against Terrorism), – weitgehende Überwachungsbefugnisse (Title II: Enhanced Surveillance Procedures), – internationale Geldwäsche (Title III: International Money Laundering Abatement and Anti-Terrorist Financing Act), – den Schutz der Staatsgrenze (Title IV: Protecting the Border), – die Beseitigung von Hindernissen bei der Terrorismusbekämpfung, welche insbesondere auch die Ausweitung der Zuständigkeit des Secret Service und die Kooperation mit sonstigen Bundesbehörden beinhaltet (Title V: Removing Obstacles to Investigating Terrorism), – die Unterstützung von Opfern (Title VI: Providing for Victims of Terrorism, Public Safety Officers, and Their Families), das Familienrecht Sache der Bundesstaaten sei. Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass – im Gegensatz zum deutschen Recht – auch untere Bundesgerichte die Vereinbarkeit von Gesetzen mit der US-Verfassung überprüfen können, vgl. dazu Barendt, S. 17, sowie bereits oben 2. Kapitel B. I. 185 U. S. Supreme Court, Gonzalez v. Raich, 545 U. S. 1 (2005); näher dazu noch unten 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 186 Die Bezeichnung USA PATRIOT Act ist die Kurzform für „Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act“; bereits dieser Titel beschreibt anschaulich die Zielsetzung; vgl. zum USA PATRIOT Act auch Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 412 ff. (2008); Bumgarner, S. 142 ff.; der komplette Text findet sich im Internet unter http://epic.org/privacy/terrorism/hr3162.html; zuletzt abgerufen am 16.02.2009.

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

74

– den verstärkten Informationsaustausch zwischen Behörden des Bundes und der Bundesstaaten (Title VII: Increased Information Sharing for Critical Infrastructure Protection), – die Ausweitung des materiellen Bundesstrafrechts (Title VIII: Strengthening the Criminal Laws Against Terrorism), – die Geheimdienste (Title IX: Improved Intelligence) sowie – einige weitere Verfahrensregelungen (Title X: Miscellaneous). Begleitend wurden die Bundesbehörden auch personell verstärkt und umstrukturiert.187 Verstärkt wird aber auch auf die Kooperation von Bundes- und einzelstaatlichen Behörden in Joint Task Forces188 gesetzt. Teilweise wird bereits vermutet, die Terrorismusbekämpfung könne das Verhältnis von Bund und Bundesstaaten und damit das föderative System der Vereinigten Staaten nachhaltig verändern.189

D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht

Oben190 wurde festgestellt, dass die Bundesstaaten auf Grund ihrer Polizeimacht vom Grundsatz her sämtliche Bereiche des Staatswesens regeln können, es sei denn die jeweiligen Vorschriften verstoßen gegen die U. S. Constitution oder die Verfassung des Bundesstaates selbst. Anders ist dies für den Bund, dessen Kompetenzen grundsätzlich nur beschränkt sind. Zu klären bleibt aber die Frage, in welchem Verhältnis Bundes- und einzelstaatliches Recht zueinander stehen bzw. ob dem jeweiligen Rechtskreis durch Existenz und Zuständigkeit der anderen Ebene Grenzen gesetzt sind. Insbesondere geht es darum, wann das Recht eines Gliedstaates durch das Bundesrecht ausgeschlossen sein kann. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei der in U. S. Const. Art. VI cl. 2 enthaltenen Vorrangklausel (supremacy clause) zu, nach welcher die US-Verfassung und das Recht des Bundes das oberste Recht der Vereinigten Staaten darstellen (Supreme Law of the Land). Hieraus folgt, dass das Recht des Bundes dem Recht der Bundesstaaten grundsätzlich vorgeht und dass einzelstaatliches Recht, welches dem Bundesrecht entgegensteht, ungültig ist, ähnlich der Regelung in Art. 31 GG. Der Ausschluss des Rechts der Bundesstaaten durch bestehendes oder gar nur hypothetisches Bundesrecht gehört zu den wichtigsten und schwierigsten Bereichen des US-amerikanischen Föderalismus. An dieser Stelle sollen hier nur kurz einige verfassungsmäßige Grundlagen des Ausschlusses des einzelstaatlichen Rechts durch Bundesrecht ausgeführt werden.

187 188 189 190

Siehe dazu noch unten 5. Kapitel C. II. Dazu noch unten 5. Kapitel A. So etwa Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 398 (2008). Oben 2. Kapitel B. IV.

D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht

75

I. Ausschließliche und konkurrierende Bundeskompetenzen Ein Ausschluss des Rechts der Bundesstaaten ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Bund in einem bestimmten Bereich ausschließlich zuständig ist bzw. die U. S. Constitution ausdrücklich erklärt, dass die Bundesstaaten eine bestimmte Materie nicht regeln dürfen. Auch das US-amerikanische Recht kennt begrifflich ausschließliche und konkurrierende Zuständigkeiten.191 Der US-Verfassung sind dabei nur wenige exklusive Kompetenzen des Bundes zu entnehmen. Zu nennen ist hier etwa die Münzprägung: U. S. Const. Art. I § 8 cl. 5 weist dem Congress das Recht zur Münzprägung zu; U. S. Const. Art. I § 10 cl. 1 legt ausdrücklich fest, dass die Bundesstaaten keine Münzen prägen dürfen.192 Hier besteht also eine ausschließliche Bundeszuständigkeit. Der U. S. Supreme Court ging indes zu Anfang davon aus, dass die Zuständigkeit des Bundes in den wenigen, ihm enumerativ zugewiesenen Bereichen grundsätzlich ausschließlich sei, obgleich diese Interpretation dem Wortlaut der U. S. Constitution nicht unmittelbar zu entnehmen ist. Nach dieser Auffassung hatten die Bundesstaaten z. B. (auch) kein Recht, Vorschriften im Hinblick auf den zwischenstaatlichen Handel zu erlassen, denn ihre Gesetzgebung war in den Bereichen, in welchen der Bund zur Handlung ermächtigt ist, grundsätzlich ausgeschlossen. Schon bald erwies sich diese Herangehensweise aber als unpraktisch, da die Bundesstaaten hiernach nicht einmal dann handeln konnten, wenn der Congress selbst untätig geblieben war, sofern nur ein Bereich wie der zwischenstaatliche Handel durch das entsprechende Gesetz des Einzelstaates tangiert war.193 Im Laufe der Zeit hat das Verfassungsgericht daher zunächst die Theorie von der ausschließlichen Zuständigkeit verschiedenen Einschränkungen unterworfen. So kam es nach einer Methode darauf an, welchen Zweck das konkrete Gesetz verfolgte. Ging es um die Regelung des zwischenstaatlichen Handels, so war grundsätzlich der Bund zuständig, gleichwohl konnten die Bundesstaaten aber – u. U. sogar identische – Vorschriften erlassen, wenn diese Bestimmungen eine andere Zielsetzung verfolgten und nur der Ausübung der generellen Polizeimacht dienten.194 Andere Ansätze stellten entweder auf einen direkten oder indirekten Einfluss auf den zwischenstaatlichen Handel195 oder auf die Natur der geregel191 Nicht aber eine Rahmenkompetenz, wie sie z. B. früher im deutschen GG vorgesehen war, denn diese würde dem Konzept der (dualen) Souveränität der U. S. Constitution zuwiderlaufen. 192 Ob auf Grund der äußerst weiten Interpretation der Bundeskompetenzen heute überhaupt noch ein Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Gliedstaaten existiert, in welchen der Bund konstitutionell nicht eingreifen darf, erscheint zumindest zweifelhaft; vgl. Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 169. 193 Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 230. 194 U. S. Supreme Court, Gibbons v. Ogden, 22 U. S. 1, 203–204 (1824). 195 Vgl. z. B. U. S. Supreme Court, DiSanto v. Pennsylvania, 273 U. S. 34 (1927). Die Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Bezug zum zwischenstaatlichen Handel war insbesondere auch bedeutsam für die Reichweite der Kompetenz des Bundes, denn nach dieser

76

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

ten Materie196 als entweder primär nationale oder lokale Interessen betreffend ab.197 Inzwischen wurde die Theorie von der exklusiven Zuständigkeit des Bundes aufgegeben bzw. die genannten Ansätze sind in der modernen Staatstheorie nur noch rudimentär vorhanden.198 Stattdessen herrscht heute die Sicht vor, dass in den Feldern, welche die US-Verfassung dem Bund nicht explizit ausschließlich zuweist, sowohl der Congress als auch die einzelstaatlichen Parlamente Gesetze erlassen dürfen, d. h. das bundesstaatliche Recht ist nicht a priori unwirksam, nur weil (auch) der Bund handeln darf. Es besteht in diesen dem Bund nicht exklusiv zugewiesenen Feldern vielmehr eine so genannte konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit von Bund und Bundesstaaten (concurrent power). Dieser Begriff ist jedoch anders als die in Art. 72 Abs. 1 GG in der deutschen Verfassung vorgesehene konkurrierende Zuständigkeit zu verstehen. Der Erlass von Bundesgesetzen setzt das einzelstaatliche Recht nicht automatisch außer Kraft, sondern nur ausnahmsweise, wie etwa dann, wenn der Bund dies ausdrücklich festlegt oder die einzelstaatlichen Gesetze in Konflikt zum Bundesrecht geraten. Der Terminus concurrent power ist daher eher als gleichzeitige oder parallele, denn als konkurrierende Kompetenz deutschen Verständnisses zu interpretieren bzw. zu übersetzen. Die Zuständigkeiten bestehen also in der Regel nebeneinander.199 Der Ausschluss des Rechts der Gliedstaaten ist aus diesem Grunde heute eine Frage des Einzelfalls. Es lassen sich diesbezüglich zwei Bereiche trennen:200 Entweder der Congress (1) ist in dem in Frage stehenden Bereich noch gar nicht tätig geworden oder (2) er hat bereits ein entsprechendes Gesetz erlassen. In ersterem Fall kann das Recht der Bundesstaaten wegen eines Verstoßes gegen die Bundesverfassung außer Geltung gesetzt werden, es ist dann also direkt an den Bestimmungen der U. S. Constitution zu messen. Im zweiten Fall ist es mit dem einfachen Bundesrecht abzuwägen, welches in Ausübung der verfassungsmäßigen Bundeskompetenzen ergangen ist und mit welchem das einzelstaatliche Recht nicht in Kollision geraten darf.

Theorie durfte der Bund insgesamt nur solche Regelungen treffen, welche einen direkten Bezug zum zwischenstaatlichen Handel aufwiesen, während der Bereich indirekter Relation Domäne der Bundesstaaten blieb. Diese Auffassung wurde im Zuge des „New Deal Federalism“ im Jahr 1937 ausdrücklich aufgegeben; vgl. dazu oben 2. Kapitel C. IV. 196 U. S. Supreme Court, Cooley v. Board of Port Wardens, 53 U. S. 299 (1852). 197 Zu diesen Theorien Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 230 f. 198 Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 231. 199 Stuckenberg, S. 37; Welling/Beale/Bucy, S. 5. 200 Chemerinsky, S. 393; Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 232 ff.

D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht

77

II. Vorrang des einfachen Bundesrechts Interessanter für die Beurteilung des Strafrechtssystems der Vereinigten Staaten erscheint der zweite Fall, denn hier ist das Verhältnis zwischen dem Strafrecht des Bundes und dem Strafrecht der Bundesstaaten angesprochen. Hat der Congress ein (Straf-)Gesetz erlassen, so können das Recht und/oder die Strafverfolgung seitens der Bundesstaaten durch diese Bundesvorschrift ausgeschlossen sein.

1. Ausdrücklicher Ausschluss bundesstaatlicher Regelungen Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der Congress in der Vorschrift ausdrücklich festlegt, dass einzelstaatliches Recht außer Kraft gesetzt werden soll.201 Als Beispiel kann hier der Airline Deregulation Act des Jahres 1978 dienen, dessen damalige Vorschrift 49 U. S. C. § 1305 (a) (1) folgende Bestimmung enthielt: No State […] shall enact or enforce any law, rule, regulation, standard, or other provision having the force and effect of law relating to rates, routes, or services of any air carrier.

Aber selbst wenn das Gesetz eine solch ausdrückliche Exklusivitätsregelung enthält, kann fraglich sein, wie weit diese reicht, denn die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Bundesgesetzes sind häufig auslegungsbedürftig. So musste etwa der U. S. Supreme Court202 zuerst klären, was unter dem Merkmal „rates“ im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen war, um festzustellen, ob ein entsprechendes einzelstaatliches Gesetz ausgeschlossen war. Von diesem ihm verfassungsrechtlich wegen U. S. Const. Art. VI zustehenden Recht des ausdrücklichen Ausschlusses des Rechts der Bundesstaaten macht der Congress aber fast keinen Gebrauch, sondern er überlässt stattdessen die Klärung der Frage, ob das Recht der Gliedstaaten neben den Bundesbestimmungen (weiter) gelten soll, regelmäßig den Gerichten. Im Strafrecht finden sich explizite Ausschlüsse des bundesstaatlichen Rechts schon deshalb nahezu gar nicht, weil das Netz der Strafbestimmungen möglichst undurchlässig gestrickt sein soll. Wurde das einzelstaatliche Recht in der Bundesbestimmung nicht ausdrücklich ausgeschlossen, so müssen die Frage der Wirksamkeit entsprechender Regelungen bzw. eines impliziten Ausschlusses des Rechts der Bundesstaaten im Einzelfall aus dem Gesamtzusammenhang von Umfang und Intention des Gesetzes ermittelt werden. Hier lassen sich mindestens zwei Bereiche benennen.203 Zum einen 201

Abrams/Beale, S. 832 f.; Chemerinsky, S. 393. U. S. Supreme Court, Morales v. Trans-World Airlines, Inc., 504 U. S. 374 (1992). 203 Chemerinsky, S. 394 ff., zählt drei Bereiche auf. Neben den hier genannten Feldern müsse das einzelstaatliche Recht auch dann zurücktreten, wenn es eine Gefahr für die Erreichung bestimmter Ziele des Bundes darstellen würde. Er führt weiter aus, dass diese Bereiche sich durchaus überschneiden können. 202

78

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

steht die Wirksamkeit des Rechts der Bundesstaaten in Frage, wenn es in einen Widerspruch zum Bundesrecht gerät (conflict preemption). Zum anderen kommt ein Ausschluss des bundesstaatlichen Rechts dann in Betracht, wenn ein bestimmtes Feld vom Bund vollständig besetzt wird (field preemption).

2. Konflikt von Bundes- und einzelstaatlichem Recht Ein Ausschluss des Rechts der Bundesstaaten wegen eines Widerspruchs zum Bundesrecht wird von den Gerichten insbesondere dann angenommen, wenn es für den Bürger schlichtweg unmöglich ist, die Auflagen des Rechts des Bundes und des jeweiligen Bundesstaates gleichzeitig zu erfüllen, wenn also eine Gesetzestreue praktisch unmöglich wird.204 Ein solcher Zwiespalt entsteht wiederum zuvorderst im die Gesamtwirtschaft regulierenden Bereich, wenn etwa der Bund auf Grund der Handelsklausel die Bedingungen in bestimmten Wirtschaftssparten beeinflussen möchte, um günstigere gesamtstaatliche Verhältnisse zu schaffen. Ziel der U. S. Constitution war die Formung einer engeren Union, in welcher insbesondere die Barrieren des zwischenstaatlichen Handels beseitigt werden sollten. Der zwischenstaatliche Handel ist ein nationales Interesse. Daher ist dem Bund die Kompetenz durch U. S. Const. Art. I § 8 cl. 3 übertragen worden.205 Er kann festlegen, welche Schritte erforderlich und welche Bereiche aus gesamtstaatlicher Sicht besonders bedeutsam sind. Die einzelnen Bundesstaaten dürfen diese Entscheidungen und Maßnahmen des Bundes nicht torpedieren, ihre Gesetze dürfen nicht in Widerspruch mit den vom Congress erlassenen Gesetzen geraten. Wann in diesem Zusammenhang aber eine wirkliche Konfliktlage besteht, kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein. So bedeutet die Festlegung bestimmter bundesrechtlicher Standards – z. B. im Wirtschafts-, aber auch im Umweltschutzbereich – nicht unbedingt, dass die Bundesstaaten nicht andere, unter Umständen strengere Kriterien festlegen könnten, sofern davon auszugehen ist, dass der Bund nur Mindestnormen setzen wollte.206 So verlangte in einem Fall etwa das Recht des Bundesstaates California für den Handel mit Avocados einen Mindestölgehalt von 8 %, das Bundesrecht hingegen einen niedrigeren Wert. Der U. S. Supreme Court207 entschied, dass es sich hierbei nur um einen Mindeststandard des Bundes handele, der Bundesstaat also durchaus strengere Maßstäbe setzen dürfe. Das Recht von California musste daher nicht wegen eines Konflikts mit dem Bundesrecht zurücktreten. 204 U. S. Supreme Court, Florida Lime & Avocado Growers, Inc. v. Paul, 373 U. S. 132, 142–143 (1963): „physical impossibility“. 205 Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel B. III. 206 U. S. Supreme Court, Florida Lime & Avocado Growers, Inc. v. Paul, 373 U. S. 132 (1963). 207 U. S. Supreme Court, Florida Lime & Avocado Growers, Inc. v. Paul, 373 U. S. 132 (1963).

D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht

79

Im Strafrecht wird ein Konflikt zwischen Bundes- und einzelstaatlichem Recht regelmäßig nicht angenommen.208 Der Grund liegt darin, dass der Congress einen Ausschluss der Strafbestimmungen der Bundesstaaten gar nicht intendiert. Es gilt im Strafrecht stattdessen vielmehr eine starke Vermutung zu Gunsten der Wirksamkeit des einzelstaatlichen Rechts und gegen einen Ausschluss durch das Bundesrecht,209 welche inzwischen auch im U. S. Supreme Court Beachtung findet.210 Vorherrschend ist das Verständnis, dass das Strafrecht des Bundes, sofern es nicht seine Territorien oder die Verteidigung unmittelbarer Bundesinteressen betrifft, nur als Ergänzung und Unterstützung des einzelstaatlichen Rechts gedacht ist211 und dieses daher gerade nicht ausschließen soll, weder wegen eines Konflikts noch wegen einer vollständigen Belegung eines Kriminalitätsfeldes durch den Bund. Der Großteil der bundesrechtlichen Strafvorschriften betrifft heute tatsächlich Verhaltensweisen, die weitestgehend auch von den Bundesstaaten unter Strafe gestellt sind. Dies dürfte inzwischen auch für die von der Bundesverfassung besonders geschützten Bürgerrechte gelten.212 Folge ist eine sehr weit gehende Überlagerung der beiden Rechtskreise, da dieselbe Tat durch Strafnormen des Bundes und der Bundesstaaten sanktioniert sein kann. Strafnormen des Bundes und der Einzelstaaten verfolgen dabei in der Regel unterschiedliche Ziele, so etwa den Schutz des zwischenstaatlichen Handels in ersterem, den Schutz des örtlichen Zusammenlebens in letzterem Fall. Bund und Bundesstaaten dürfen daher regelmäßig parallel legislativ und operativ tätig werden. So ist etwa auch der Mord am Präsidenten der Vereinigten Staaten eine nach Bundes- und einzelstaatlichem Recht verfolgbare Straftat.213 Hier mag zwar jeweils das Rechtsgut Leben geschützt sein. Gleichwohl lässt sich sagen, dass sowohl Interessen des Bundes als auch des Tatortstaates in besonderem Maße tangiert sind. Denn es handelt sich einmal um eine Straftat gegen ein Bundesorgan, 208 LaFave, Substantial Criminal Law I, S. 258 m. w. N. aus der Rechtsprechung; Welling/ Beale/Bucy, S. 5; anders ist es aber offenbar im Zivilrecht; vgl. dazu Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1552 ff. (2002). 209 Abrams/Beale, S. 834. 210 Vgl. die Ausführungen von Verfassungsrichter Stevens, in: U. S. Supreme Court, Jones v. United States, 529 U. S. 848, 859 (2000): „[…] well-established presumption against federal pre-emption of state law“. 211 Vgl. insbesondere Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64, 73 (1948): „auxiliary federal criminal law“; ferner Abrams/Beale, S. 834; Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 500 (1985); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1170 (1995); Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1554 (2002); vgl. auch U. S. Court of Appeals (5th Cir.), United States v. Marek, 238 F.3d 310, 323 (2001), der die Motive des Gesetzgebers zum murder-for-hire-statute, 18 U. S. § 1958, wie folgt wiedergibt: „Federal investigation and prosecution should be no more than an option to be used in appropriate cases to assist state and local authorities“; dazu auch noch unten 3. Kapitel A. und 5. Kapitel A. 212 Vgl. Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1035 (1995). 213 Vgl. dazu Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1035 (1995), sowie unten 3. Kapitel A.

80

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

dessen Schutz der Bund selbst betreibt, zum anderen aber um ein schweres Verbrechen auf dem Gebiet des jeweiligen Bundesstaates, in welchem es verübt wurde, und fällt daher unter dessen Polizeimacht. Die dadurch entstehende Parallelität der Rechtskreise, welche unten214 noch ausführlich diskutiert wird, kann auch beinhalten, dass einzelne Bestimmungen des Bundes- und des einzelstaatlichen Rechts ein unterschiedliches Strafmaß für die Tat vorsehen. Hier drängt sich die Frage auf, ob nicht auf Grund der divergierenden Strafzumessung ein Konflikt zwischen den Rechtsordnungen besteht, welcher dazu führt, dass das Recht des Bundesstaates zurücktreten muss. Hierzu äußerte sich der U. S. Supreme Court in der Entscheidung Jones v. United States.215 In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Angeklagte einen Molotow-Cocktail in ein vom privaten Eigentümer bewohntes Einfamilienhaus geworfen und dieses dabei durch den Brand schwer beschädigt. Das Recht des Tatortstaates Indiana sah für die Brandstiftung bei Wohnhäusern eine Höchststrafe von zehn Jahren vor. Der Angeklagte stand allerdings vor einem Bundesgericht und war daher damit konfrontiert, dass nach Bundesrecht gemäß 18 U. S. C. § 844 (i) eine wesentlich schärfere Freiheitsstrafe (von bis zu 40 Jahren) verhängt werden konnte. Tatsächlich verurteilte ihn das Bundesgericht zu 35 Jahren Haft. Der U. S. Supreme Court entschied hingegen, dass das Bundesgesetz sich nur auf solche Wohnhäuser bezöge, welche im bzw. für den zwischenstaatlichen Handel benutzt werden, denn in der Vorschrift wurde das Tatobjekt beschränkt auf ein Gebäude oder Privatgrundstück, das im zwischenstaatlichen Handel genutzt wird („any building […] or personal property used in interstate […] commerce“). Die Bundesbestimmung fand somit auf ein Wohnhaus, das von dessen Privateigentümer zu nicht-kommerziellen Zwecken bewohnt wird, keine Anwendung. Verfassungsrichter Stevens216 betonte die besondere Beziehung zwischen der allgemein anerkannten Vermutung gegen einen Ausschluss des einzelstaatlichen Rechts durch Bundesbestimmungen und der hier angestellten einschränkenden Interpretation der Vorschrift. Werde eine extensive Auslegung zur Anwendung gebracht, so könne der Congress mit der politischen Entscheidung für eine bestimmte Strafe in diesem Bereich anders lautende politische Entscheidungen der Bundesstaaten faktisch ersetzen.217 In der Literatur218 wurde daraufhin die Frage aufgeworfen, ob diese Aussage so zu interpretieren sei, dass das Recht des Bundesstaates andernfalls außer Geltung 214

Vgl. unten das 5. Kapitel. U. S. Supreme Court, Jones v. United States, 529 U. S. 848 (2000). 216 Verfassungsrichter Stevens im zustimmenden Votum, in: U. S. Supreme Court, Jones v. United States, 529 U. S. 848, 859–860 (2000). 217 Verfassungsrichter Stevens im zustimmenden Votum, in: U. S. Supreme Court, Jones v United States, 529 U. S. 848, 859–860 (2000). 218 Abrams/Beale, S. 834. 215

D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht

81

gesetzt worden wäre, was auf Grund der Fülle an Abweichungen im Strafmaß zwischen Bundes- und einzelstaatlichem Recht verwunderlich anmuten müsste. Möglicherweise meinte Verfassungsrichter Stevens aber auch nur, dass die politische Entscheidung des Bundesstaates durch das Strafverfahren des Bundes mit anderem Ausgang umgangen werden könne und dachte dabei nicht an einen Ausschluss des Rechts des Bundesstaates. Denn immerhin erkannte er selbst eine Vermutung hinsichtlich der Wirksamkeit an. Das Zurücktreten des einzelstaatlichen Rechts war auch hier vermutlich nicht Intention des Bundesgesetzgebers. Insbesondere ist aber aus der Abwesenheit einer bundesrechtlichen Strafvorschrift keineswegs auf eine Unwirksamkeit des Rechts der Bundesstaaten zu schließen. Das Bundesrecht muss schon seiner Natur nach lückenhaft sein, da keine umfassende und allgemeine Befugnis zum Erlass eines Strafgesetzbuches besteht. Somit mag ein Verhalten bundesrechtlich „erlaubt“ sein, da keine entsprechende Strafvorschrift erlassen wurde, sehr wohl aber einer Sanktion seitens der Gliedstaaten ausgesetzt sein. Ein Ausschluss wegen eines Konflikts mit dem Bundesrecht (conflict preemption) lässt sich hieraus nicht herleiten. Das reine Nicht-Tätigwerden des Bundes wird allgemein nicht als bewusste politische Entscheidung interpretiert, welche auch implizieren würde, dass auch das Strafrecht der Bundesstaaten entsprechend zu modifizieren wäre. Etwas anderes ließe sich höchstens erwägen, wenn das Bundesrecht einen speziellen Rechtfertigungs-, Entschuldigungs- oder Strafaufhebungsgrund vorsähe, also ein Verhalten explizit als straflos bezeichnen würde, während das Recht eines Bundesstaates eine Strafnorm und keine entsprechenden Erlaubnissätze oder Exkulpationsmöglichkeiten enthielte. Selbst dann müsste aber die unterschiedliche Intention der Bestimmungen und die grundsätzliche Autonomie der Bundesstaaten bei der Ausübung ihrer Polizeimacht beachtet werden. Auch der umgekehrte Fall, in welchem eine einzelstaatliche Rechtsordnung ein Verhalten nicht unter Strafe stellt, welches aber vom Bund sanktioniert ist, führt grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit der Gesetze dieses Bundesstaates. Vielmehr „ergänzt“ der Bund hier das Recht des Einzelstaates und schließt eine diesbezügliche Lücke, indem er die Strafverfolgung durch seine eigenen Organe eröffnet. Generell wird aus den Regelungen des Bundes im Bereich des Strafrechts deshalb nicht die Pflicht der Bundesstaaten entnommen, eine gleich lautende Regelung in ihrem Strafrecht zu etablieren. Vielmehr handelt es sich um vollständig getrennt zu beurteilende Rechtsordnungen, die vom Grundsatz her unabhängig operieren und sich ergänzen sollen, um so eine möglichst umfassende Strafverfolgung zu gewährleisten. Die hier aufgeworfenen Überlegungen sind theoretischer Art und spielen in der Praxis des US-amerikanischen Strafrechtssystems keine Rolle. Bundesgesetze werden von Judikatur und Rechtswissenschaft regelmäßig nicht so interpretiert, dass sie von den Bundesstaaten den Erlass einer eigenen Vorschrift erfordern oder deren Erlass verbieten. Durch neue Bundesgesetze wird also nicht das Recht der

82

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

Bundesstaaten beseitigt, sondern vielmehr eine parallel operierende, „ergänzende“ Strafrechtsordnung geschaffen.219

3. Übernahme eines Kriminalitätsfeldes durch den Bund Im Bereich der vollständigen Belegung eines bestimmten Delinquenzbereichs durch den Bund (field preemption) wird das einzelstaatliche Recht nach ständiger Rechtsprechung anhand eines dreifachen Tests220 dann als präkludiert angesehen, wenn – entweder die bundesrechtliche Regelung so umfassend ist, dass sie keinen Raum mehr für Bestimmungen der Gliedstaaten lässt oder – in dem betroffenen Feld das Bundesinteresse so hochgradig überwiegend ist, dass es sich letztlich um einen rein nationalen Belang und nicht um ein örtlich zu regelndes Problem handelt oder – das einzelstaatliche Recht oder seine Ausführung in diesem Feld in einen Konflikt mit der Durchsetzung des Bundesrechts gerieten. Wiederum sind nur wenige Fälle aus dem Gebiet des Strafrechts bekannt, in welchen der U. S. Supreme Court davon ausging, dass eine bundesstaatliche Strafbestimmung ungültig sei, weil der Bund ein bestimmtes Kriminalitätsfeld vollständig okkupiert habe. Ein Beispiel bietet jedoch die Rechtssache Pennsylvania v. Nelson.221 Hier entschied das höchste Gericht, dass das aus dem Jahr 1940 stammende Bundesgesetz gegen Hochverrat, 18 U. S. C. § 2385,222 die Strafvorschrift 219 Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 44 (1996); Litman/Greenberg, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72, 73 f. (1996); siehe dazu auch noch unten 3. Kapitel A. 220 U. S. Supreme Court, Pennsylvania v. Nelson, 350 U. S. 497, 502–506 (1956); Abrams/Beale, S. 833; Chemerinsky, S. 393 ff. 221 U. S. Supreme Court, Pennsylvania v. Nelson, 350 U. S. 497 (1956). 222 Die Vorschrift richtet sich (in ihrer aktuellen Fassung) gegen solche Personen, die dem Sturz der Regierung der Vereinigten Staaten oder eines Bundesstaates dadurch Vorschub leisten, dass sie z. B. eine Pflicht oder Notwendigkeit zu einer solchen Handlung befürworten, unterstützen, anweisen oder unterrichten oder entsprechende propagandistische Schriftstücke solchen Inhalts herstellen oder in Umlauf bringen oder zu diesem Zwecke eine Vereinigung o.ä. gründen und sieht eine Kriminalstrafe von nicht mehr als 20 Jahren vor. 18 U. S. C. § 2385: Whoever, with intent to cause the overthrow or destruction of any such government, prints, publishes, edits, issues, circulates, sells, distributes, or publicly displays any written or printed matter advocating, advising, or teaching the duty, necessity, desirability, or propriety of overthrowing or destroying any government in the United States by force or violence, or attempts to do so; or Whoever organizes or helps or attempts to organize any society, group, or assembly of persons who teach, advocate, or encourage the overthrow or destruction of any such government by force or violence; or becomes or is a member of, or affiliates with, any such society, group, or assembly of persons, knowing the purposes thereof […] Shall be fined under this title or imprisoned not more than twenty years.

D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht

83

des Bundesstaates Pennsylvania, welche dieselbe Tat, nämlich den Hochverrat gegen die Vereinigten Staaten (!), zum Gegenstand hatte, außer Geltung setzte. Das Gericht brachte hierbei den soeben angeführten dreifachen Test zur Anwendung und das einzelstaatliche Gesetz deshalb zu Fall, weil es alle drei Punkte als erfüllt ansah. Der Congress habe erstens den Bereich umfassend geregelt, da auch der Hochverrat gegen Regierungen der Bundesstaaten erfasst sei. Zweitens habe der Congress ein umfassendes Programm zur Strafverfolgung eingeleitet; der Hochverrat sei gerade keine bloß lokale Angelegenheit; das Interesse des Bundes sei hier daher besonders dominant. Drittens müsse die Strafverfolgung hier einheitlich erfolgen; ein separiertes und eigenständiges Vorgehen der Bundesstaaten sei dabei sogar schädlich.223 Der U. S. Supreme Court hat sich seit dieser Entscheidung nicht mehr zu einem Ausschluss des einzelstaatlichen Strafrechts durch das Bundesstrafrecht geäußert. In der US-amerikanischen Literatur wird ihm aber keine besonders breite und weit gehende Bedeutung zugeschrieben, sondern vielmehr die bereits benannte Vermutung hinsichtlich einer Wirksamkeit des Rechts der Gliedstaaten betont. Der Congress stellt teilweise sogar expressis verbis fest, dass er einen Bereich gerade nicht vollständig übernehmen will. So heißt es in 21 U. S. C. § 903, einer Bestimmung des 21. Titels des Bundesgesetzbuches, welcher sich auf Betäubungsmittel bezieht, dass die Vorschriften dieses Kapitels nicht so zu interpretieren seien, dass der Bund das Feld alleine belegen wolle.224 Auch der U. S. Supreme Court beeilte sich in der soeben angeführten Entscheidung Pennsylvania v. Nelson darauf hinzuweisen, dass die Bundesstaaten ihre Gesetze gegen den Hochverrat (gegenüber den Vereinigten Staaten) zukünftig jedenfalls dann durchsetzen könnten, wenn das Feld einmal nicht mehr vollständig vom Bund ausgefüllt werde. Ferner sei es den Bundesstaaten grundsätzlich unbenommen, ein Strafverfahren einzuleiten, wenn dasselbe Verhalten gleichzeitig ein Bundesgesetz und eine einzelstaatliche Vorschrift verletze.225 So hatte derselbe Gerichtshof in einem anderen Verfahren nahezu 100 Jahre zuvor bereits festgestellt, dass die Münzfälschung zwar gemäß U. S. Const. Art. I § 8 cl. 6 – exklusiv – nach Bundesrecht zu ahnden sei, gleichwohl die Bundesstaaten auf Grund ihrer Polizeimacht denselben Täter aber auch wegen eines Betruges zu Lasten des Empfängers des Falschgeldes verfolgen könnten.226 223

U. S. Supreme Court, Pennsylvania v. Nelson, 350 U. S. 497, 502–506 (1956). 21 U. S. C. § 903: No provision of this subchapter shall be construed as indicating an intent on the part of the Congress to occupy the field in which that provision operates, including criminal penalties, to the exclusion of any State law on the same subject matter which would otherwise be within the authority of the State, unless there is a positive conflict between that provision of this subchapter and that State law so that the two cannot consistently stand together. 225 U. S. Supreme Court, Pennsylvania v. Nelson, 350 U. S. 497, 500 (1956). 226 U. S. Supreme Court, Fox v. State of Ohio, 46 U. S. 410, 432–435 (1847). 224

84

2. Kap.: Konstitutioneller Hintergrund

III. Vorrang der Bundesverfassung Die U. S. Constitution bindet nicht nur die Bundesgesetzgebung, sondern ist auch von den Bundesstaaten zu beachten. Bundesverfassung und Bundesgesetze bilden nach U. S. Const. Art. VI cl. 2 das höchste Recht der Vereinigten Staaten (Supreme Law of the Land). Der U. S. Supreme Court ist daher nicht nur oberstes Bundesgericht, sondern übt auch die Zuständigkeit zur Überprüfung des einzelstaatlichen Rechts aus, welches er an den Maßstäben der Bundesverfassung misst. Sowohl im Allgemeinen als auch in dem hier besonders betrachteten Bereich des Strafrechts laufen Gesetze der Gliedstaaten wiederum primär dann Gefahr, in einen Konflikt mit dem Bundesrecht zu geraten, wenn ihre Regelungen sich zu weit in den empfindlichen Bereich des zwischenstaatlichen Handels vorwagen. Die wirtschaftliche Einheit der Vereinigten Staaten und die Abschaffung von Hindernissen im Warenverkehr zwischen den Bundesstaaten ist ein vornehmliches Ziel der U. S. Constitution. Daher kann nach den Grundsätzen des U. S. Supreme Courts in Fällen, in denen (noch) keine Bundesregelung vorliegt, das einzelstaatliche Recht im Einzelfall unwirksam sein, wenn es den zwischenstaatlichen Handel unbotmäßig behindert.227 Dieses Prinzip einer negativen Auswirkung der Bundeszuständigkeit zur Regulierung des zwischenstaatlichen Handels trotz Nichtausübung dieser Kompetenz wird als ruhende oder negative Handelsklausel (dormant/negative commerce clause) bezeichnet.228 Die Unwirksamkeit des Rechts der Bundesstaaten folgt mangels einfachgesetzlicher Regelungen des Bundes hier unmittelbar aus der Handelsklausel, d. h. aus der Behinderung des zwischenstaatlichen Handels. Sie ist aber wiederum nicht die Regel, sondern es gilt, wie bereits dargestellt,229 das grundsätzliche Konzept einer konkurrierenden Kompetenz von Bund und Bundesstaaten. Einzelstaatliches Recht ist nur dann unwirksam, wenn es eine übermäßige Behinderung des zwischenstaatlichen Handels darstellt.230 Hier mag sogleich ein Beispiel aus dem Strafrecht Illustrationshilfe leisten. Ein Gesetz des Bundesstaates Pennsylvania verbot jegliche Beteiligung am Handel mit Lotteriescheinen aus anderen Staaten unter Androhung von Kriminalstrafe. Ein Unternehmen, welches gleichwohl ein solches Gewerbe unterhielt, ließ die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überprüfen, da hierdurch der zwischenstaatliche Handel beeinträchtigt sei, sodass die (ruhende) Handelsklausel der Wirksamkeit entgegenstehe. Zunächst gab das untere Bundesgericht den Klägern Recht, da es eine Privilegierung der Lotteriescheine aus Pennsylvania und damit der eigenen Staatsbürger ausmachte. In der zweiten Instanz unterlagen sie jedoch, denn inzwischen hatte der Congress das Bundesrecht geändert und ebendieses Verhalten mit 227 228 229 230

Siehe z. B. U. S. Supreme Court, Pike v. Bruce Church, Inc., 397 U. S. 137, 142 (1970). Chemerinsky, S. 391, 419 ff.; Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 202 (1999). 2. Kapitel D. II. 1. Chemerinsky, S. 391, 419 ff.; Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 202 ff. (1999).

D. Das Verhältnis von Bundes- und einzelstaatlichem Recht

85

Kriminalstrafe belegt. 18 U. S. C. § 1301 hatte zuvor nur den zwischenstaatlichen Handel mit Lotteriescheinen in körperlicher Form bestraft. Diese Strafbestimmung hatte die Kläger indes nicht betroffen, da sie die Lotteriescheine nicht nach Pennsylvania verbrachten, sondern sie in anderen Bundesstaaten für ihre Kunden ankauften und diesen nur eine Quittung übermittelten. Nun wurde auch die Übermittlung jeglicher Informationen zum Zwecke des Handels mit Lotteriescheinen aus einem anderen Bundesstaat unter Strafe gestellt. Neben der Anwendung der ruhenden Handelsklausel ist weiterhin beachtlich, dass das Gericht sich auch damit auseinander setzte, ob durch das neu geschaffene Bundesgesetz das ältere Recht des Bundesstaates außer Geltung gesetzt würde. Auch dies wurde abgelehnt, da weder ausdrücklich noch implizit ein Wille des Congress’ zu einem Ausschluss erkennbar sei. Es bestehe kein Konflikt zwischen den Regelungen und der Bund habe auch das Feld nicht vollends ausfüllen wollen. Das Recht des Bundesstaates könne daher neben dem Bundesrecht bestehen bleiben.231

231 U. S. Court of Appeals (3rd Cir.), Pic-A-State Pa, Inc. v. Commonwealth of Pennsylvania, 42 F.3d 175 (1994).

3. Kapitel

3

Das Strafrecht des Bundes 3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

A. Das System der zentralen Strafrechtspflege A. Das System der zentralen Strafrechtspflege

Zwar sind nur die Bundesstaaten vom Grundsatz her für den Erlass allgemeiner Strafgesetze zuständig, nur sie sind aus Sicht des US-amerikanischen Verfassungsrechts auf Grund ihrer Polizeimacht berechtigt, in umfassenden Strafgesetzbüchern allgemeine Straftaten wie Mord oder Raub zu definieren und in ihrem jeweiligen Gebiet unter Strafe zu stellen.1 Dennoch reicht das Strafrecht des Bundes heute weit in das tägliche Leben in den Vereinigten Staaten hinein. Kaum ein Bereich scheint dem Zugriff des Congress’ und damit auch der Strafverfolgungsorgane des Bundes entzogen, eine Bundeszuständigkeit (neben derjenigen der Bundesstaaten) nicht mehr Ausnahme, sondern die Regel zu sein.2 Strafverfolgung wird in den Vereinigten Staaten faktisch in vielen Kriminalitätsfeldern sowohl zentral als auch dezentral ausgeübt. Daher ließe sich das angloamerikanische System insofern als interlokale Strafrechtsordnung bezeichnen, denn durch diesen Terminus wird allgemein zum Ausdruck gebracht, dass innerhalb eines Staatsgebildes unterschiedliche, parallel operierende Strafrechtsordnungen existieren.3 Es ist jedoch noch einmal festzuhalten, dass die zuständigen Gerichte des Bundes respektive der Bundesstaaten vom Grundsatz her jeweils nur ihr eigenes Recht zur Anwendung bringen.4 Der Bund kann nur dann tätig werden, wenn sich ein Bezug zu seinen, ihm verfassungsmäßig – explizit oder implizit – zugestandenen Kompetenzen herstellen lässt.5 Anders ausgedrückt: Der Congress darf kein allgemein gültiges US1

Zum Strafrecht der Bundesstaaten siehe noch unten das 4. Kapitel. Jeffries/Gleeson, 46 Hastings L. J. 1095, 1098 (1995). 3 Seine Aufgabe ist insbesondere die Auflösung innerstaatlicher Jurisdiktionskonflikte; vgl. dazu Ambos, § 1 Rn. 43 ff.; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 93; NK-Lemke, Vor §§ 3–7 Rn. 71. 4 Nach den Grundsätzen des interlokalen Strafrechts muss das Recht des Tatorts von jedem zuständigen Gericht des Gesamtstaates angewandt werden, vgl. Ambos, § 1 Rn. 48; MüKoAmbos, Vor §§ 3–7 Rn. 97; NK-Lemke, Vor §§ 3–7 Rn. 77; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 56. Die Gerichte der Bundesstaaten wenden ohnehin nur ihr eigenes Recht an; sie sind in der Regel aber auch nur dann zuständig, wenn der Tatort auf ihrem Gebiet liegt; siehe dazu unten 4. Kapitel E. II.; die Bundesgerichte als „Gerichte des Gesamtstaates“ beurteilen die Sachverhalte nach Bundesrecht. Gleichwohl sind auch sie Tatortgerichte, weil in jedem Bundesstaat auch U. S. District Courts eingerichtet sind. 5 Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 502 (1985); Beale, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 694 (2002); LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 264; siehe zu den verfassungsmäßigen Grundlagen bereits oben 2. Kapitel B. III. und IV. 2

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

87

amerikanisches StGB erlassen, sondern nur Strafvorschriften im Zusammenhang mit bestimmten Bereichen. Er kann daher z. B. nicht allgemein den Mord für das Gebiet der Vereinigten Staaten definieren und eine Strafe festlegen, wohl aber den Mord am US-Präsidenten oder den Mord in einem Nationalpark.6 Es erscheint zudem nicht überflüssig, sich an dieser Stelle noch einmal zu vergegenwärtigen, dass die Zuständigkeit des Bundes nur in seltenen Fällen exklusiv ist – wie etwa in seinen Territorien.7 Im besonders umfangreichen Feld des Schutzes indirekter Bundesinteressen innerhalb der Bundesstaaten soll das Bundesstrafrecht hingegen häufig nur eine Ergänzung zur allgemeinen Strafrechtssetzungs- und Strafverfolgungskompetenz der Bundesstaaten bilden.8 Diese Erkenntnis sollte für die nun folgenden Ausführungen zu den Anwendungsbereichen des Bundesstrafrechts stets präsent gehalten werden.

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

I. Überblick Die meisten Strafvorschriften des Bundes sind im 18. Titel des Bundesgesetzbuches zu finden (18 United States Code, kurz: 18 U. S. C.), welcher auch mit „Crimes and Criminal Procedure“ überschrieben ist. Dieser 18. Titel bildet eine Art Strafgesetzbuch des Bundes und enthält im 1. Kapitel (18 U. S. C. §§ 1–24) einen Allgemeinen Teil und im Übrigen eine alphabetisch angeordnete Sammlung der wichtigsten Strafbestimmungen in einem Besonderen Teil, jeweils aber mit Bezug zu einer besonderen Bundeszuständigkeit. Daher steht 18 U. S. C. der fehlenden Befugnis des Congress’ zum Erlass eines allgemeinen Strafgesetzbuches auch nur scheinbar entgegen. Daneben sind Strafvorschriften auch in vielen anderen Titeln des U. S. C. im Sachzusammenhang mit der jeweiligen Materie geregelt, vergleichbar dem deutschen Nebenstrafrecht. In U. S. Const. Art. III § 3 cl. 1 enthält schließlich, wie bereits gesehen, sogar die U. S. Constitution materiell-strafrechtliche Regelungen, da dort der Hochverrat definiert wird. Das Strafrecht des Bundes lässt sich – im Hinblick auf dessen Bezug zu nationalen Interessen und verfassungsmäßigen Kompetenzen – in folgende Teilbereiche untergliedern:9 6 Siehe zur territorialen Zuständigkeit des Bundes für die Nationalparks sogleich unten 3. Kapitel B. II. 1.; zur Verteidigung direkter Interessen und von Angestellten des Bundes siehe unten 3. Kapitel B. II. 3. 7 Siehe bereits oben 2. Kapitel D. I. 8 Vgl. insbesondere Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64, 73 (1948); siehe dazu im Übrigen bereits oben 2. Kapitel D. II. 1. sowie unten 5. Kapitel A. 9 Ähnliche Unterscheidung etwa bei Abrams/Beale, S. 20; Beale, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 694 (2002); LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 269 ff.; Welling/Beale/Bucy, S. 2.

88

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

– Straftaten auf dem Territorium des Bundes, – Straftaten auf hoher See und in der Luft sowie aus dem Bereich transnationaler Kriminalität und des Völkerrechts, – Straftaten, welche direkte Interessen des Bundes betreffen, so etwa wenn Personen oder Sachmittel des Bundes involviert sind oder der Bund als solches direkt bedroht ist, sowie – Straftaten, welche nur indirekte Interessen des Bundes betreffen, aber einen Bezug zu den verfassungsmäßigen Kompetenzen aufweisen. In diesen Teilbereichen besteht einerseits eine verfassungsrechtlich begründbare und legitimierte Gesetzgebungskompetenz des Bundes sowie andererseits darauf aufbauend eine Jurisdiktion der Bundesgerichte und nationalen Strafverfolgungsbehörden. Sind direkte Interessen des Bundes betroffen, so ergibt sich die Kompetenz des Bundes teilweise bereits unmittelbar aus der Bundesverfassung, denn hier ist der Bereich angesprochen, welchen die Väter der U. S. Constitution grundsätzlich als die Domäne des Bundes ansahen. Der Bund sollte nur diejenigen Felder regeln können, in welchen nationale Interessen oder Institutionen des Bundes selbst berührt sind. So enthält die US-Verfassung, wie bereits gesehen,10 die ausdrückliche Kompetenz des Bundes zur Ahndung der Münzfälschung (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 6), der Straftaten gegen das Völkerrecht und auf hoher See (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 10) und des Hochverrats (U. S. Const. Art. III § 3). In den übrigen Fällen, in welchen die U. S. Constitution keine explizite Zuständigkeit vorsieht, leitet der Bund seine Kompetenz für das Strafrecht aus anderen Zuständigkeiten, wie etwa für den zwischenstaatlichen Handel (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 3) oder die Steuern (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 1), ab, jeweils in Verbindung mit dem Recht, alle notwendigen und zweckdienlichen Maßnahmen zur Regelung seiner Zuständigkeitsbereiche zu ergreifen (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18). Für die Bereiche, in welchen direkte Bundesinteressen oder das Staatsgebiet des Bundes eine Rolle spielen, ist diese Vorgehensweise seit Aufnahme der Tätigkeit des ersten Congress’ anerkannt, denn dieser erließ bereits Vorschriften zur Bestrafung etwa des Mordes oder des Diebstahls in seinen Territorien und stützte sich dabei auf die Zuständigkeit für sein Staatsgebiet, U. S. Const. Art. I § 8 cl. 17, und die Annexkompetenz in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 (necessary and proper clause).11 Der Einsatz des Strafrechts zur Durchsetzung der verfassungsrechtlichen Befugnisse wird seitdem nicht in Zweifel gezogen.12

10

Oben 2. Kapitel B. IV. Beale, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 694 (2002); Welling/Beale/Bucy, S. 2; siehe auch bereits oben 2. Kapitel B. IV. 12 Vgl. nur U. S. Supreme Court, Logan v. United States, 144 U. S. 263, 283 (1892): „No one doubts the power of Congress to provide for the punishment of all crimes within one of the states of the Union.“ 11

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

89

Erst nach dem Bürgerkrieg und insbesondere nach den Weltkriegen begann der Bund seine Aktivitäten auch auf solche Gebiete auszuweiten, welche traditionell stets nur von den Bundesstaaten geregelt worden waren und auch keine direkten Interessen des Bundes betrafen, sondern Sachverhalte des gewöhnlichen örtlichen Zusammenlebens. Dieses Betätigungsfeld ist das aus verfassungsrechtlicher und staatstheoretischer Sicht interessantere und ist auch bis heute noch nicht vollständig geklärt. Gerade hier entstehen die entscheidenden Problemfelder im Zusammenhang mit Fragen des Föderalismus und der zivilen Rechte und Freiheiten. Denn hier überlagern sich materielles Recht und Zuständigkeit der Strafverfolgungsorgane, hier besteht die Gefahr einer mehrfachen Strafverfolgung und hier steht die Vorhersehbarkeit der Strafverfolgung auf besondere Weise in Frage. Auf die Schwierigkeiten des Zusammenspiels der parallelen Strafrechtsordnungen in der Praxis wird unten13 noch in einem gesonderten Kapitel ausführlich einzugehen sein.

II. Die Teilbereiche des Bundesstrafrechts im Einzelnen Bei näherer Betrachtung des Kompetenzgefüges im US-amerikanischen Strafrecht, welches durch die U. S. Constitution etabliert wurde, begegnet man durchaus Grundsätzen, welche aus dem internationalen, völkerrechtlichen Rechtsverständnis14 bekannt sind. So bildet etwa der Territorialitätsgrundsatz als international anerkanntes Fundament der Ausübung hoheitlicher Befugnisse der Nationalstaaten15 auch die Basis des Strafrechts des Bundes respektive der Bundesstaaten innerhalb des Systems strafrechtlicher Zuständigkeiten in den Vereinigten Staaten.16 Es ist Ausdruck der Souveränität eines Staates, dass er die Strafgewalt innerhalb seines Territoriums ausüben darf. Des Weiteren kommt durch die Zuständigkeit für Schiffe und Luftfahrzeuge etwa das Flaggenprinzip17 zum Ausdruck. Die Jurisdiktion für extraterritoriale und 13

Ausführlich zu den Problemen des Strafrechtssystems in der Praxis unten das 5. Kapitel. Gemeint sind die legitimierenden völkerrechtlichen Prinzipien und Anknüpfungspunkte für das transnationale Strafanwendungsrecht der Nationalstaaten; vgl. dazu z. B. Ambos, § 2 Rn. 6 ff.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 216 ff.; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 25 ff.; Satzger, § 4. 15 Vgl. dazu Ambos, § 3 Rn. 4, insbesondere mit dem Hinweis auf dessen Anerkennung auch im angloamerikanischen Rechtsraum; vgl. zum US-amerikanischen Verständnis auch Restatement (Third) of Foreign Relations Law § 401 (1987) des American Law Institutes; vgl. zum Territorialitätsprinzip im internationalen sowie im deutschen Recht ferner Heinrich, AT I, Rn. 63 ff.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 222 f.; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 25 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 64 ff. 16 Schmid, S. 179. 17 Vgl. zum Flaggenprinzip nach internationalem Verständnis und im deutschen Recht Ambos, § 3 Rn. 25 ff.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 224, § 4 Rn. 6; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 34, § 4 Rn. 1; NK-Lemke, Vor §§ 3–7 Rn. 10; Satzger, § 4 Rn. 6, § 5 Rn. 56 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 67; vgl. zur US-amerikanischen Zuständigkeit für Straftaten in Flugzeugen und den diesbezüglichen Implikationen und Theorien des internationalen Rechts Enroth, 18 Brookl. J. Int’l L. 225, 233 ff. (1992). 14

90

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

transnationale Verbrechen, deren Verfolgung im Interesse der Staatengemeinschaft liegt, findet sich im Universalitäts- oder Weltrechtsprinzip18 wieder. Klassisches Beispiel bildet hier die Bekämpfung der Piraterie.19 Das (Staats-)Schutzprinzip20 ist angesprochen, wenn der Bund etwa seine Institutionen, Angestellten, Mittel und letztlich „den Staat“ als solches in Form einer Art Notwehrrecht schützen darf.21 Der Bund verfolgt daher auch Straftaten wie den Hochverrat gegen den Bestand oder die konstitutionelle Ordnung der Vereinigten Staaten. Ist der Hochverrat gegen die Integrität oder Verfassung eines Bundesstaates gerichtet, so liegt die Strafgewalt hingegen bei den Parlamenten, Gerichten und Institutionen desselben. Es ließe sich daher sagen, dass die Bundesstaaten sowohl untereinander als auch im Verhältnis zum Bund in einer ähnlichen Beziehung stehen wie Nationalstaaten. Freilich ist diese Parallelität in verschiedener Hinsicht zu relativieren. Denn die Beziehung der Bundesstaaten untereinander respektive zur Strafgewalt des Bundes ist durch ihren föderativen Zusammenschluss viel enger als bei unabhängigen Nationalstaaten, da beide Ebenen Teile eines Gesamtstaates sind. Daher sind US-Amerikaner zum einen nicht nur Staatsangehörige der Vereinigten Staaten, sondern auch Bürger des Bundesstaates, in welchem sie leben. Auf diese Weise ließe sich etwa ein (aktiver) Personalitätsgrundsatz,22 welcher an die Staatsangehörigkeit des Täters anknüpft, in doppelter Hinsicht konstruieren. Zum anderen kann ein Angriff auf die Staatsgewalt des Bundes, etwa in Form des Hochverrats gegen dessen Verfassungsordnung, sich sehr wohl gleichzeitig auch (mittelbar) als Eingriff in die staatliche Integrität des Bundesstaates darstellen. Aus diesem Grunde käme auch eine auf den Schutzgrundsatz gestützte Ausübung strafrechtlicher Hoheitsbefugnisse durch die Einzelstaaten in Betracht. Der U. S. Supreme Court ließ die strafrechtliche Zuständigkeit der Bundesstaaten für den Hochverrat, wie oben23 dargestellt, daher auch nur deshalb hinter der Strafgewalt des Bundes zurücktreten, weil dieser das Feld durch sein weit greifendes Verfolgungssystem derzeit okkupiert habe, nicht aber weil hier nicht grundsätzlich ein legitimierender Ansatzpunkt für eine Jurisdiktion der Bundesstaaten bestanden hätte. Die soeben skizzierten im internationalen Bewusstsein vorherrschenden Grundannahmen wiesen auch bei der Kompetenzverteilung der U. S. Constitution den Weg. Es ist allerdings eine bewusste Entscheidung jedes Nationalstaates selbst, 18 Vgl. dazu Ambos, § 3 Rn. 91 ff.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 237 ff.; NK-Lemke, Vor §§ 3–7 Rn. 13; Wessels/Beulke, Rn. 70. 19 Ambos, § 3 Rn. 93. 20 Vgl. dazu Ambos, § 3 Rn. 68 ff.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 225 ff.; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 40; NK-Lemke, Vor §§ 3–7 Rn. 12; Wessels/Beulke, Rn. 69. 21 Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64, 66 (1948): „Federal self-defensive criminal jurisdiction“; siehe bereits oben 2. Kapitel C. I. 22 Zur Terminologie und Ausprägung nach internationalem Verständnis und im deutschen Recht Ambos, § 3 Rn. 37 ff.; Heinrich, AT I, Rn. 67; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 232 ff.; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 35 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 68. 23 Oben 2. Kapitel D. II. 3.

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

91

inwieweit er von diesen international anerkannten Prämissen Gebrauch machen möchte. Im deutschen Recht wird diese Frage durch das in den §§ 3 ff. StGB festgelegte Strafanwendungsrecht geklärt. Hier sei allerdings vor zu schneller Parallelenbildung zwischen deutschem und angloamerikanischem Recht gewarnt. Das Strafanwendungsrecht deutscher Prägung ist Teil des materiellen Rechts, genauer: eine Frage der materiellen Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf einen bestimmten Sachverhalt. Im US-amerikanischen Rechtsraum wird die Bestimmung der jeweiligen Jurisdiktion hingegen regelmäßig partiell auch als strafverfahrensrechtliche Materie betrachtet und in den Prozessordnungen geregelt.24 Der Begriff jurisdiction umfasst nach angloamerikanischem Verständnis eben nicht nur das Recht zum Erlass strafrechtlicher Regelungen, sondern auch das Recht zur Durchsetzung derselben.25 Die Frage, welcher Teil des Staatskörpers seine Jurisdiktion ausüben darf, zielt hier daher eher darauf ab, wessen Behörden die Strafverfolgung durchführen dürfen, also auf die Strafverfolgungszuständigkeit.26 Auch in Deutschland führt das Fehlen der Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB bekanntlich zur Annahme eines Verfahrenshindernisses.27 Bei den folgenden Ausführungen geht es daher nicht nur um legislative Kompetenz, sondern um Jurisdiktion, welche auch die Zuständigkeit der Bundesbehörden und Gerichte für die Strafverfolgung mit umfasst. Die Auslegung einer bestimmten Vorschrift des Bundes durch die Gerichte kann jedenfalls auch dazu führen, dass das Bundesrecht für nicht anwendbar und die Bundesbehörden daher für unzuständig erklärt werden.

1. Territorien des Bundes Laut U. S. Const. Art. I § 8 cl. 17 übt der Bund die ausschließliche Zuständigkeit in seinen Territorien aus. Das Territorialitätsprinzip bildet auch im US-amerikanischen Recht die primäre Grundlage der Zuständigkeit für das Strafrecht.28 Dies gilt nicht nur für die geographisch getrennten Einheiten der Bundesstaaten, sondern selbstverständlich auch für das Staatsgebiet des Bundes. Tatsächlich verfügt der Bund über ein eigenes Territorium. Dieses umfasst zunächst den Regierungsbezirk (District of Columbia) mit der Hauptstadt Washing24

Vgl. Ambos, § 1 Rn. 4; LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 263. LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 263; vgl. auch – wenngleich für das internationale Recht – die Ausführungen im Restatement (Third) of Foreign Relations Law § 401 (1987) des American Law Institutes, welche zwischen jurisdiction to prescribe, jurisdiction to advocate und jurisdiction to enforce unterscheiden; vgl. dazu auch Ambos, § 1 Rn. 4 Fn. 6; siehe bereits oben 1. Kapitel. 26 Dazu noch unten 3. Kapitel D. III. 27 Ambos, § 1 Rn. 4. 28 LaFave/Israel/King/Kerr, S. 830; siehe bereits oben 3. Kapitel B. II. 25

92

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

ton, D. C., daneben aber u. a. auch Nationalparks und Reservate, Kasernen und Stützpunkte des Militärs sowie Gebäude des Bundes auf Grundstücken, die er eigens dazu von den Bundesstaaten erworben hat, so etwa solche, die Bundesgerichte oder die Post beherbergen. Eine nähere Bestimmung der Ländereien, Räume und Gebäude der territorialen Zuständigkeit des Bundes enthält 18 U. S. C. § 7. Diese Gebiete liegen zwar regelmäßig innerhalb des Staatsgebietes eines der Bundesstaaten, bilden aber eine Enklave des Bundes und sind ausschließlich dessen Recht unterworfen. In U. S. Const. Art I § 8 cl. 17 heißt es, dass der Bund das Recht hat, „die ausschließliche und uneingeschränkte Gesetzgebung für jenes Gebiet […] auszuüben, das durch Abtretung seitens einzelner Staaten und Annahme seitens des Congress’ zum Sitz der Regierung der Vereinigten Staaten ausersehen wird, und die gleichen Hoheitsrechte in allen Gebieten auszuüben, die zwecks Errichtung von Befestigungen, Magazinen, Arsenalen, Werften und anderen notwendigen Bauwerken mit Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaft desjenigen Bundesstaates, in dem diese angelegt werden sollen, angekauft werden“.29 Zu beachten ist, dass der U. S. Supreme Court diese Bestimmung in doppelter Hinsicht offen interpretiert. Zum einen ist dort zwar der Zweck des Ankaufs eines Gebietes genau benannt, gleichwohl sieht das oberste Gericht auch einen Erwerb von Grundstücken zu anderen Zielen inklusive der Zession der Zuständigkeiten mit Zustimmung des Bundesstaates als zulässig an.30 Räumt der jeweilige Bundesstaat dem Bund im Kaufvertrag exklusive Kompetenzen über das Gebiet ein, so darf der Bund diese ausüben, selbst wenn es dabei um ganz andere als die in der U. S. Constitution genannten Zwecke geht. Zum anderen kommt es eben hinsichtlich der Übertragung der Zuständigkeit auf den Vertrag zwischen Bund und Bundesstaat an, sodass es auch durchaus möglich ist, dass Letzterer sich in demselben bestimmte Kompetenzen vorbehält.31 Das bedeutet, dass selbst in diesem dem Bund durch die US-Verfassung ausnahmsweise exklusiv zugewiesenen Bereich durch Vertrag eine konkurrierende Zuständigkeit mit dem jeweiligen Bundesstaat möglich ist. Hat der Bund die exklusive Zuständigkeit für ein Territorium erworben, so gilt das Strafrecht des Bundesstaates, in welchem es gelegen ist, nicht mehr. Folglich muss der Congress 29 Die Übersetzung entspricht im Wesentlichen der auf der Website der US-amerikanischen Botschaft bereitgehaltenen; abrufbar im Internet unter: http://usa.usembassy.de/etexts/gov/govconstitutiond.pdf; zuletzt abgerufen am 16.02.2009; der Originaltext lautet: The Congress shall have power […] (17) To exercise exclusive Legislation in all Cases whatsoever, over such District (not exceeding ten Miles square) as may, by Cession of particular States, and the acceptance of Congress, become the Seat of the Government of the United States, and to exercise like Authority over all Places purchased by the Consent of the Legislature of the State in which the Same shall be, for the Erection of Forts, Magazines, Arsenals, dock-Yards, and other needful Buildings. 30 U. S. Supreme Court, Collins v. Yosemite Park & Curry Co., 304 U. S. 518, 529–530 (1938). 31 U. S. Supreme Court, James v. Dravo Contracting Co., 302 U. S. 134, 148–149 (1937).

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

93

in diesen Gebieten eigenes Strafrecht schaffen. Hierzu bedient er sich zwei verschiedener Wege: dem Erlass originärer Strafgesetze oder der Inkorporation von einzelstaatlichem Recht.

a) Allgemeine strafrechtliche Bestimmungen des Bundes für seine Territorien Da es sich bei sämtlichen Bundesterritorien um ein eigenständiges Staatsgebiet handelt, steht dem Bund hier regelmäßig – wie den Bundesstaaten in ihrem Gebiet – die vollständige Staatsgewalt, d. h. die Polizeimacht, zu.32 Folglich könnte er für diesen Sektor ein eigenes abschließendes und umfassendes Strafgesetzbuch erlassen.33 Gleichwohl hat er diesen Weg selten bzw. nur lückenhaft beschritten. So wurde zunächst immerhin für den District of Columbia ein eigenständiges Strafgesetzbuch in Kraft gesetzt, Titel 22 D. C. Code. Dies ist insofern nicht weiter verwunderlich, als der Regierungsbezirk insgesamt wie ein eigenständiger Bundesstaat behandelt wird. Für die übrigen Bereiche seiner territorialen Zuständigkeit hat der Congress es nur teilweise unternommen, Straftaten selbst zu bestimmen und den Strafrahmen festzulegen. Als wichtigste Vorschriften sind hier die §§ 1111 ff. des 18. Titels des Gesetzbuches des Bundes zu nennen. 18 U. S. C. § 1111 (a) definiert etwa allgemein den Mord und unterteilt ihn in zwei Grade. Auf Mord ersten Grades steht nach 18 U. S. C. § 1111 (b) die Todesstrafe. Weitere allgemeine Bestimmungen finden sich etwa für den Totschlag in 18 U. S. C. § 1112, für die Entführung in 18 U. S. C. § 1201, für den Raub in 18 U. S. C. § 2111 oder für die Brandstiftung in 18 U. S. C. § 81.34 Diese Vorschriften enthalten aber jeweils selbst die – verfassungsrechtlich notwendige – Beschränkung auf die Bundesgebiete. So beginnt etwa der Wortlaut von 18 U. S. C. § 81 mit der Wendung: „Wer im Rahmen der […] territorialen Zuständigkeit des Bundes vorsätzlich […] ein Gebäude […] in Brand setzt […]“.35 Dieselbe Formulierung findet sich z. B. in 18 U. S. C. § 2111 für den Raub und bezüglich des Mordes in 18 U. S. C. § 1111 (b). 18 U. S. C. § 7 legt als Bestandteil des Allgemeinen Teils den Bereich der territorialen Zuständigkeit per Legaldefinition fest. Die Vorschrift wurde im Zuge der Ereignisse des 11. September 2001 im Rahmen der Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung durch den USA PATRIOT Act auf eine Zuständigkeit des Bundes in 32 Beale, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 694, 695 (2002); LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 272. 33 U. S. Supreme Court, United States v. Sharpnack, 355 U. S. 286, 293 (1958). 34 Zu weiteren allgemein definierten Straftaten des Bundes vgl. LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 273. 35 18 U. S. C. § 81: Whoever, within the special maritime and territorial jurisdiction of the United States, willfully and maliciously sets fire to or burns any building […].

94

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

den US-amerikanischen Botschaften, Konsulaten und Missionen im Ausland erweitert.36 b) Adaption der Bestimmungen der Bundesstaaten Ein weiterer grundverschiedener Ansatz besteht in einer – wie beispielsweise durch den Assimilative Crimes Act des Jahres 1948 in 18 U. S. C. § 13 erfolgten – Übernahme von einzelstaatlichem Recht. Diese Vorschrift bestimmt, dass in den Territorien des Bundes das Strafrecht des jeweiligen Bundesstaates, in welchem die Enklave gelegen ist, anzuwenden ist, sofern keine bundesrechtliche Regelung besteht.37 Bezug genommen wird dabei jeweils auf das Recht, welches im Tatzeitpunkt in Kraft war. Dies hat zur Folge, dass das einzelstaatliche Recht durch die Adaption zu Bundesrecht wird. Bundesbehörden und Bundesgerichte wenden somit also weiterhin und wie stets nur Bundesrecht an. 18 U. S. C. § 13 ließe sich als echte Blankettnorm bezeichnen, denn die jeweilige Strafbestimmung ist einem anderen Gesetz, genauer: sogar dem Rechtssystem eines anderen Staates (!), zu entnehmen. Dies ist zudem insofern bemerkenswert, als es sich um eine dynamische Inkorporation handelt, da die Bestimmungen in ihrer jeweiligen Fassung und Form übernommen werden. Der U. S. Supreme Court hielt den Assimilative Crimes Act gleichwohl für verfassungsgemäß und erteilte Einwänden, die etwa darauf abstellten, dass der Congress hier seine konstitutionelle Gesetzgebungszuständigkeit nicht ausübe, sondern auf einen anderen Souverän übertrage, eine Absage.38 Tatsächlich ist nicht ersichtlich, warum es sich bei der Anordnung der Geltung des materiellen Strafrechts einer anderen Rechtsordnung nicht um die Ausübung staatlicher Strafgewalt handeln sollte. Die Lage ist immerhin nicht anders, als wäre der Wortlaut der jeweiligen Bestimmung wörtlich abgeschrieben worden. Zudem bleibt es eine konkrete Entscheidung des nationalen Parlaments, dass eben diese Bestimmungen anzuwenden sind, welche jederzeit reversibel ist. Aus rechtsstaatlicher Sicht bleibt ein solches Vorgehen jedoch im Hinblick auf die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit vom Grundsatz her eher kritisch zu betrachten.39 36

Siehe zum USA PATRIOT Act bereits oben 2. Kapitel C. V. 3. 18 U. S. C. § 13 (a): Whoever within or upon any of the places now existing or hereafter reserved or acquired as provided in section 7 of this title, or on, above, or below any portion of the territorial sea of the United States not within the jurisdiction of any State, Commonwealth, territory, possession, or district is guilty of any act or omission which, although not made punishable by any enactment of Congress, would be punishable if committed or omitted within the jurisdiction of the State, Territory, Possession, or District in which such place is situated, by the laws thereof in force at the time of such act or omission, shall be guilty of a like offense and subject to a like punishment. 38 U. S. Supreme Court, United States v. Sharpnack, 355 U. S. 286, 293–294 (1958). 39 Der Bestimmtheitsgrundsatz (void for vagueness principle) als Ausprägung des Legalitätsprinzips hat auch im US-amerikanischen Recht Bedeutung, auch wenn – zumindest auf der Ebene der Bundesstaaten – auch weiterhin manche Straftaten auf dem common law basieren; vgl. zum Bestimmtheitsgrundsatz im angloamerikanischen Recht Dubber, Einführung, S. 15. 37

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

95

Auch außerhalb der Vereinigten Staaten ist die ausdrückliche Erklärung der Anwendbarkeit ausländischen Strafrechts nicht völlig unbekannt. So bestimmte etwa bis vor kurzem Art. 5 Abs. 1 S. 2 a. F. des schweizerischen StGB, dass vor Gerichten der Schweiz (!) das Strafrecht des Begehungsstaates anzuwenden war, sofern im Ausland eine Tat gegenüber einem Schweizer verübt wurde, die Tat am Tatort strafbar war, der Täter nicht ausgeliefert werden konnte oder der Schweiz ausgeliefert wurde und das ausländische Strafrecht das für den Täter mildere war.40

2. Hohe See, Luftraum und transnationales Recht Nach U. S. Const. Art. I § 8 cl. 10 hat der Congress die Kompetenz, Seeräuberei und andere Kapitalverbrechen auf hoher See sowie Verletzungen des Völkerrechts begrifflich zu bestimmen und zu ahnden. Kurz gesagt ist der Bund für diejenigen Straftaten zuständig, die im transnationalen Bereich außerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten bzw. jedenfalls außerhalb der Grenzen eines der Bundesstaaten begangen werden, gleichzeitig aber eine Verbindung zu Bürgern, Sachen oder Interessen der Vereinigten Staaten bzw. zu international schützenswerten Rechtsgütern aufweisen. Extra-territoriale Jurisdiktion kommt daher primär dem Bund zu.41 Die Zuständigkeit für Schiffe der Vereinigten Staaten auf hoher See (maritime jurisdiction) gehört zu den wenigen in der U. S. Constitution explizit aufgeführten Strafrechtskompetenzen des Bundes. Sie ist Folge der territorialen Zuständigkeit des Congress’,42 genauer: des Flaggenprinzips,43 das auch im deutschen Recht in § 4 StGB verankert ist. Die Zuständigkeit nach dem Flaggenprinzip erlangt insofern eine besonders aktuelle Bedeutung als der Congress sie inzwischen auch 40

Vgl. Ambos, § 1 Rn. 5, Fn. 11; Satzger, § 3 Rn. 3. Zu Fällen extra-territorialer Zuständigkeit eines Bundesstaates siehe unten 4. Kapitel E. II. 42 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 274: Die maritime jurisdiction sei abgeleitet aus dem Territorialitätsprinzip. Interessant ist diesbezüglich die im Urteil des U. S. District Courts for the Eastern District of New York, United States v. Cordova, 89 F. Supp. 298, 303, Fn. 2 (1950), genannte Theorie, nach welcher ein Schiff (oder Flugzeug) im Eigentum der Vereinigten Staaten selbst zu einer territorialen Enklave werde; vgl. auch LaFave/Israel/King/ Kerr, S. 831 Fn. 6. 43 Vgl. LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 281; das Flaggenprinzip wird aus dem Territorialitätsprinzip abgeleitet; für die Zuständigkeit im Hinblick auf die Luftfahrt werden noch weitere Prinzipien angeführt: die registration theory, welche als Spielart des Flaggenprinzips auf den Ort der Registrierung eines Flugzeugs abstellt; nach einer zweiten Theorie ist grds. der Staat für die Bestrafung zuständig, in dessen Luftraum die Tat geschieht; die place of landing theory sieht den Zielort des Fluges als maßgebend an; vgl. Enroth, 18 Brookl. J. Int’l L. 225, 231 f. (1992); allgemein zu den völkerrechtlich anerkannten Anknüpfungspunkten für das Strafanwendungsrecht der Nationalstaaten Ambos, § 3; LK-Werle/Jeßberger, § 3 Rn. 216 ff.; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 25 ff.; Satzger, § 4 Rn. 3 ff. 41

96

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

auf den Luftraum ausgedehnt hat. Wiederum bedient der Bund sich hier der Strategie, dass Straftaten zwar allgemein definiert, gleichzeitig aber durch besonderen Bezug nur für einen bestimmten Bereich, hier der maritimen Zuständigkeit, für anwendbar erklärt werden, so etwa in den bereits oben44 für die Territorien des Bundes genannten Vorschriften. Der Bezug lautet dort nämlich regelmäßig: „im Rahmen der maritimen oder territorialen Zuständigkeit.“ 18 U. S. C. § 7 bestimmt den Umfang dieses Bereichs des Bundesstrafrechts insgesamt und allgemein. Die Vorschrift fand bereits oben45 im Zusammenhang mit der territorialen Zuständigkeit des Bundes Erwähnung. Nach 18 U. S. C. § 7 (5) umfasst die Zuständigkeit des Bundes auch Flugzeuge, welche im Eigentum der Vereinigten Staaten stehen und sich im Flug über dem Ozean oder über einem sonstigen Gewässer, welches innerhalb der maritimen Zuständigkeit des Congress’ und außerhalb derjenigen eines Bundesstaates liegt, befinden.46 18 U. S. C. § 32 stellt etwa das Zerstören eines Flugzeugs unter Strafe.47 Neben dem 18. Titel enthalten auch die §§ 46501 ff. des 49. Titels des U. S. C. Bestimmungen im Rahmen der speziellen Zuständigkeit für die Luftfahrt (special aircraft jurisdiction). Darunter finden sich auch Strafvorschriften, wie etwa die Flugzeugentführung in 49 U. S. C. § 46502. Daneben sind in den Strafgesetzen des Bundes, aber auch einiger Bundesstaaten, verschiedene Vorschriften in Bezug auf Straftaten im Ausland zu finden. Für diese Untersuchung kann die völkerrechtliche Berechtigung eines Staates zur Strafverfolgung einer Tat außerhalb seiner Landesgrenzen im Wesentlichen unbeachtet bleiben. Diesbezüglich ist nur festzuhalten, dass innerhalb des US-amerikanischen Strafrechtssystems der Bund jedenfalls für Straftaten im extra-territorialen Bereich zuständig sein kann, wenngleich die verfassungsmäßige Grundlage hier mitunter als etwas unklar gelten darf.48 Diesbezüglich kann für das Völkerstrafrecht direkt auf U. S. Const. Art. I § 8 cl. 10 zurückgegriffen werden. Im Übrigen werden U. S. Const. Art. I § 8 cl. 3 (Handel mit fremden Nationen) oder U. S. Const. Art. II § 2 (generelle Zuständigkeit der Exekutive des Bundes für Beziehungen zum Ausland) herangezogen, 44

Oben 3. Kapitel B. II. 1. a). Siehe bereits oben 3. Kapitel B. II. 1. a). 46 Diese Erweiterung war notwendig geworden, da sich die maritime Zuständigkeit des Bundes nach der Vorgängervorschrift des 18 U. S. C. § 7 nur auf Schiffe und Straftaten auf hoher See bezogen und der U. S. District Court for the Eastern District of New York, United States v. Cordova, 89 F. Supp. 298, 303, Fn. 2 (1950), festgestellt hatte, dass Flugzeuge keine „Schiffe“ seien und „Straftaten auf hoher See“ nicht den Luftraum „über der hohen See“ umfassten und daher eine Bestrafung des Angeklagten nach Bundesrecht ausschied. 47 Die Vorschrift beschränkt ihren Anwendungsbereich in 18 U. S. C. § 32 (a) (1) selbst auf die Bereiche der special aircraft jurisdiction des Bundes oder auf Flüge im zwischenstaatlichen Handel. 48 So zumindest für eine auf das Personalitätsprinzip gestützte Bundeszuständigkeit LaFave, Substantive Criminal Law, S. 285. 45

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

97

um z. B. auch eine Zuständigkeit nach dem (aktiven) Personalitätsprinzip zu begründen.49 Die Bestimmung der konkreten Anwendbarkeit der Normen auf einen Sachverhalt50 ist im US-amerikanischen Recht gleichwohl eine Frage der Einzelfallentscheidung durch die Gerichte. Allein aus den international anerkannten Grundsätzen des Strafanwendungsrechts darf hier nicht auf die extra-territoriale Wirkung eines Strafgesetzes geschlossen werden, vielmehr müssen die Gerichte jeweils feststellen, ob eine bestimmte Vorschrift auch außerhalb der Landesgrenzen anwendbar ist.51 Manchen Bestimmungen ist dies bereits direkt zu entnehmen, wie etwa bei der Strafbarkeit im Hinblick auf Herstellung, Handel, Besitz etc. von biologischen Waffen gemäß 18 U. S. C. § 175 (a), in dessen Satz 2 explizit festgehalten ist, dass bezüglich dieser Straftat eine extra-territoriale Zuständigkeit des Bundes besteht.

3. Straftaten zum Schutz direkter Bundesinteressen Außer in seinen Territorien besitzt der Bund keine allgemeine Strafsetzungsbefugnis. Das US-amerikanische Verfassungssystem räumt ihm aber strafrechtliche Gesetzgebungskompetenzen in Einzelbereichen ein. Schon seit den frühesten Anfängen der Republik war anerkannt, dass der Bund Strafvorschriften zum Schutz seiner unmittelbaren Interessen erlassen darf.52 Dass ein Staat berechtigt ist, sein Strafrecht neben dem Territorialitätsprinzip auch auf das Schutzprinzip zu stützen, ist ein allgemein auch international anerkanntes Prinzip.53 Es kommt an verschiedenen Stellen auch bereits in der U. S. Constitution zum Ausdruck und ist letztlich logische Konsequenz der dualen Souveränität. Zu den direkten Interessen des Bundes gehören insbesondere der Staat und seine Einrichtungen und Symbole, Personen im Dienste des Bundes sowie die finanziellen Bundesmittel. U. S. Const. Art. III § 3 cl. 1 definiert selbst den Hochverrat gegen die Vereinigten Staaten. Er ist ferner geregelt in 18 U. S. C. §§ 2382 ff. In diesen Zusammenhang fallen auch die Vorschriften über die Spionage, 18 U. S. C. §§ 793 (a) ff., oder, in jüngerer Zeit besonders wichtig, die Vorbereitung eines Angriffskrieges und der Terrorismus gegen die Vereinigten Staaten, 18 U. S. C. §§ 2332 (a) ff. Ferner lässt sich hier die Verunglimpfung der Symbole des Bundes nennen, 18 U. S. C. §§ 700 ff. Nur die Zuständigkeit für den Hochverrat ist direkt der US-Verfassung zu entnehmen, die übrigen Vorschriften stützen sich auf die in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18

49

LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 285. Siehe dazu noch unten 3. Kapitel D. III. 51 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 281 f.; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 834 f. 52 Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel C. I. 53 Siehe die Ausführungen zu den völkerrechtlichen Anknüpfungspunkten oben 3. Kapitel B. II. 50

98

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

(necessary and proper clause) vorgesehene Kompetenz zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte des Bundes.54 Als zweite explizite Kompetenzzuweisung an den Congress enthält U. S. Const. Art. I § 8 cl. 6 die Münzfälschung. Da die US-Verfassung in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 5 das Recht zur Münzprägung bzw. zum Drucken von Geldscheinen ausschließlich dem Bund zuweist, ist seine Zuständigkeit für die Strafverfolgung, U. S. Const. Art. I § 8 cl. 6, für diesen Bereich selbstverständlich. Bestimmungen hinsichtlich der Fälschung von Geld und Staatsobligationen sind in den 18 U. S. C. §§ 331 ff. und 18 U. S. C. §§ 470 ff. zu finden. Dort ist u. a. auch die Fälschung von Briefmarken geregelt, 18 U. S. C. § 503, was wiederum Konsequenz der Bundeszuständigkeit für das Postwesen ist, U. S. Const. Art. I § 7. Auch wenn Angestellte oder Organe des Bundes Opfer einer Straftat werden, besteht ein legitimes Interesse des Bundes, diese Taten zu regeln und zu verfolgen. Hierunter fällt z. B. der Mord am US-Präsidenten, 18 U. S. C. § 1751 (a), an Mitgliedern des Congress’ oder Bundesrichtern, 18 U. S. C. § 351 (a), oder an sonstigen Bundesangestellten, 18 U. S. C. § 1114. Die Vorschriften der 18 U. S. C. § 1751 (b) und 18 U. S. C. § 351 (b) enthalten ferner Bestimmungen hinsichtlich der Entführung der jeweils in Absatz (a) genannten Personen. Eine solche Regelung findet sich auch für das Kidnapping weiterer Bundesangestellter in 18 U. S. C. § 1201 (a) (5). 18 U. S. C. § 871 regelt die Erpressung und Bedrohung des US-Präsidenten. In diesen Bereich fallen auch die Straftaten im Zusammenhang mit der Behinderung der Bundesjustiz, 18 U. S. C. §§ 1501 ff. Darin enthalten ist u. a. beispielsweise die generelle Beeinflussung von Gerichtspersonen, 18 U. S. C. § 1503, oder Diebstahl und Fälschung von Prozessakten, 18 U. S. C. § 1506. Bestimmungen zum Meineid finden sich in den 18 U. S. C. §§ 1621 ff. Die Bestechung von Bundesbeamten ist allgemein in den 18 U. S. C. §§ 201 ff. geregelt. Bereits der erste Congress hatte im Jahr 1790 Strafvorschriften zur Ahndung von Taten zu Lasten der Bundesjustiz erlassen und sich hierbei konstitutionell auf die Zuständigkeit für den Aufbau der Bundesgerichte, U. S. Const. Art. III, gestützt.55 Schließlich sind auch dann direkte Interessen des Bundes involviert, wenn die Straftaten dessen Finanzmittel betreffen. Wiederum war schon der erste Congress im Hinblick auf den Diebstahl von Eigentum des Bundesheeres tätig geworden, basierend auf seiner Kompetenz für die Bundesstreitkräfte.56 Heute sind diesbezüglich insbesondere die Vorschriften bezüglich des Raubes, 18 U. S. C. § 2112, sowie des Diebstahls und der Unterschlagung, 18 U. S. C. §§ 641 ff., von Bundes54 Siehe zu der aus U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18 (necessary and proper clause) folgenden Strafgesetzgebung bereits oben 2. Kapitel B. IV. 55 An Act for the Punishment of Certain Crimes Against the United States, ch. 9, §§ 18, 21, 22, 1 Stat. 112 (1790); vgl. Welling/Beale/Bucy, S. 2; siehe auch oben 2. Kapitel C. I. 56 An Act for the Punishment of Certain Crimes Against the United States, ch. 9, § 16, 1 Stat. 112 (1790); vgl. Welling/Beale/Bucy, S. 2.

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

99

mitteln relevant. Hierbei kann der Congress auf seine Kompetenz für die Staatsausgaben zurückgreifen. Auch der Bankraub in Bezug auf solche Banken, die Mitglied des Zentralbanksystems der Vereinigten Staaten (Federal Reserve System) sind, fällt in den Zuständigkeitsbereich der Strafverfolgung des Bundes, 18 U. S. C. § 2113. In Absatz (a) wird der Bankraub definiert, in Absatz (f) der Anwendungsbereich aber per Legaldefinition des Terminus „Bank“ auf die Banken des Federal Reserve Systems oder solche Banken, die dem Recht des Bundes unterstehen bzw. bundesrechtlich durch die Federal Deposit Insurance Corporation versichert sind, beschränkt. Gleiches gilt z. B. auch für Unterschlagungen durch Bankangestellte. 18 U. S. C. § 656 beschränkt die Bundeszuständigkeit diesbezüglich wiederum auf die genannten Institutionen.

4. Straftaten zum Schutz indirekter Bundesinteressen Der bis hierhin beschriebene Bereich des Bundesstrafrechts – Zuständigkeit für Territorien des Bundes und seine eigenen Personal- und Sachmittel – ist ohne weiteres mit der föderalen Grundstruktur der Vereinigten Staaten in Einklang zu bringen und entspricht zweifellos der Vorstellung der Väter der US-amerikanischen Verfassung. Als mit Roosevelts New Deal57 aber eine signifikante Nationalisierung des föderalen Systems der Vereinigten Staaten einsetzte, machte diese Entwicklung sich bald auch im Strafrecht bemerkbar. Das Strafrecht des Bundes wurde im Bereich des Schutzes indirekter Bundesinteressen als Unterstützung für die Kriminalitätsbekämpfung der Einzelstaaten angesehen, welchen auf Grund der territorialen Beschränkungen ihrer Behörden nicht mehr zugetraut wurde, dem zunehmend länderübergreifenden Verbrechen noch ausreichend gewachsen zu sein.58 Es ist dies der Bereich des Bundesstrafrechts, der als Unterstützung und Ergänzung des Strafrechts der Bundesstaaten fungieren sollte bzw. soll.59 Er ist jedoch so angewachsen, dass es heute weniger fraglich erscheint, ob der Bund einen bestimmten Bereich regeln darf, als vielmehr, ob er es ausnahmsweise nicht darf. Auch bezüglich des Erlasses von Strafnormen, welche weder die Territorien des Bundes betreffen noch den Schutz seiner direkten Interessen zum Gegenstand haben, muss der Congress sich auf verfassungsmäßige Kompetenzen stützen. Im Strafrecht greift er dabei in der Regel auf drei wichtige Zuständigkeiten zurück: die Kompetenz für den zwischenstaatlichen Handel, Art. I § 8 cl. 3, für die Steuern, Art. I § 8 cl. 1, und für das Postwesen, Art. I § 8 cl. 7. Auch wenn daneben im Einzelfall auch andere Kompetenzen eine Rolle spielen können, werden die Ausführungen sich daher auch auf diese Bereiche konzentrieren. 57

Siehe dazu oben 2. Kapitel C. IV. Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 500 (1985); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1140 ff. (1995); Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs 64, 74 (1948); siehe bereits oben 2. Kapitel C. III. 59 Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel D. II. 2. 58

100

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

a) Die Handelsklausel als Basis des Strafrechts des Bundes Die Bedeutung der Handelsklausel für das Recht des Bundes im Allgemeinen und das Strafrecht im Besonderen wurde bereits an mehreren Stellen hervorgehoben, kann aber nicht oft genug betont werden. Sie bildet den wichtigsten verfassungsmäßigen Anknüpfungspunkt des Bundesstrafrechts im Bereich des Schutzes indirekter Interessen. Bei auf die Handelsklausel gestützten Strafvorschriften stehen die Regulierung der Gesamtwirtschaft der Vereinigten Staaten und insbesondere die Beseitigung von Hindernissen im zwischenstaatlichen Handel, im Vordergrund. Von der Zielsetzung, auch tatsächlich die Wirtschaft regulierend tätig zu sein, haben sich indes viele moderne Statuten erstaunlich weit entfernt. Tatsächlich handelt es sich gewöhnlich nicht um Kriminalsanktionen für Verstöße gegen allgemeine Vorschriften zur Festlegung ökonomischer Standards, sodass die Strafnormen quasi ein Annex zu einer auf die Handelsklausel gestützten Wirtschafts-Regulierung bilden würden, sondern um reines und selbstständiges Kriminalstrafrecht, welches nur einen mehr oder weniger starken Bezug zum zwischenstaatlichen Handel aufweisen muss.60 Der U. S. Supreme Court61 erkennt grundsätzlich drei Kategorien an, in welchen der Congress auf Basis der Handelsklausel tätig werden darf: – zum Schutz der zwischenstaatlichen Handelswege (channels of interstate commerce), – zum Schutz der Personen, die im zwischenstaatlichen Handel reisen sowie der Sachen, die im zwischenstaatlichen Handel transportiert oder als Transportmittel benutzt werden und schließlich – zur Regulierung der Aktivitäten, die eine besondere Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel entfalten. Hierbei beinhaltet wiederum die dritte, äußerst unklare Sparte die größten Schwierigkeiten. Neben die traditionellen Betätigungsfelder zwischenstaatlicher Wirtschaft treten in jüngerer Zeit so moderne Plattformen kommerziellen Handelns wie etwa das Internet. Auch diesbezüglich beansprucht der Bund seine aus der Handelsklausel hergeleitete Kompetenz, wobei alle drei soeben genannten Kategorien herangezogen werden.62 Die Materie der Internetdelinquenz wird regelmäßig im Zusam60

Vgl. Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 538 (1985), der kritisiert, der Bereich zwischen regulatory offenses und crimes werde durch die auf die Handelsklausel gestützten allgemeinen Strafvorschriften des Bundes verwischt; vgl. auch Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1169 (1995). 61 U. S. Supreme Court, Perez v. United States, 402 U. S. 146, 150 (1971); United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 558 f. (1995); Gonzalez v. Raich, 545 U. S. 1, 18 (2005); vgl. dazu auch Abrams/Beale, S. 20; Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 197 (1999). 62 Dazu ausführlich Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 198 ff. (1999).

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

101

menhang mit der Computerkriminalität geregelt. Als Gründe für ein Engagement des Bundes bei Cybercrimes werden angeführt:63 – die zwischenstaatliche, d. h. überörtliche, oder gar transnationale Natur der Computerkriminalität, insbesondere der Internetdelikte, sowie – die effizientere Verfolgung solcher Straftaten durch Behörden des Bundes.

aa) Schutz von Kanälen, Personen und Sachen im zwischenstaatlichen Handel Die ersten beiden Gruppen des auf die Handelsklausel gestützten Bundesstrafrechts – Schutz der Kanäle, Personen und Sachen als Bestandteile des zwischenstaatlichen Handels – lassen sich unproblematisch zusammenfassen. Sie bildeten die Grundlage der ersten Schritte des Bundes auf dem immer breiteren Weg der Nationalisierung des Strafrechts auf Basis der Handelsklausel.64 Um den Schutz der Handelswege vor der Benutzung zu unmoralischen Zwecken ging es im Federal Lottery Act des Jahres 1895 sowie in der bereits oben65 angeführten Entscheidung betreffend das Verbot des Handels mit Lotteriescheinen.66 Auf die Problematik, dass hier eigentlich eher die Polizeimacht der Bundesstaaten betreffende Moralfragen denn der zwischenstaatliche Handel geregelt werden, wurde bereits hingewiesen.67 In den Anfängen war jeweils das Überschreiten der Binnengrenzen zwischen einzelnen Bundesstaaten Ausschlag gebendes Element für die Bundesgesetzgebung und die Strafverfolgung durch Bundesbehörden. Im Jahr 1910 etwa wurde der Mann Act68 erlassen, durch welchen es nach Bundesrecht strafbar und verfolgbar war, am Transport einer Frau im zwischenstaatlichen Handel zu unmoralischen Zwecken, wie etwa der Prostitution, mitzuwirken.69 Seit den 1930er Jahren ist der notwendige Zusammenhang mit dem zwischenstaatlichen Transport stetig lockerer geworden. Inzwischen ist es ausreichend, dass etwa das Tatobjekt oder das Tatmittel vor der Tat Bestandteil des zwischenstaatlichen Handels waren. So ist gemäß 18 U. S. C. § 2119 der Raub eines Kraftfahrzeuges strafbar nach Bundesrecht, wenn dieses Fahrzeug zuvor im zwischenstaatlichen oder internationalen Handel transportiert oder verschifft wurde.

63

Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 207 (1999). Abrams/Beale, S. 21. 65 Oben 2. Kapitel C. III. 66 U. S. Supreme Court, Champion v. Ames, 188 U. S. 321 (1903). 67 Oben 2. Kapitel C. V. 1. 68 36 Stat. at L. 325, Ch. 395. 69 Der U. S. Supreme Court, Hoke v. United States, 227 U. S. 308 (1913), bestätigte die Verfassungsmäßigkeit einer diesbezüglichen Strafverfolgung durch den Bund; vgl. dazu Abrams/ Beale, S. 21. 64

102

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

Noch weiter geht die moderne Strafgesetzgebung des Bundes, wenn, wie etwa in 18 U. S. C. § 1952 (a),70 sogar die Benutzung von Einrichtungen des zwischenstaatlichen Handels („any facility in interstate […] commerce“) ein hinreichendes Fundament der Strafverfolgung durch den Bund bildet, worunter sämtliche Transport-, aber auch Kommunikationsmittel fallen, 18 U. S. C. § 1958 (b) (2). Nach der Vorschrift des 18 U. S. C. § 1958 (Murder-for-hire Statute)71 macht sich etwa derjenige nach Bundesrecht strafbar, der einen anderen zur Ermordung eines Dritten anstiftet und zu diesem Zwecke entweder eine Fahrt oder aber auch nur einen Telefonanruf (!) in einen anderen Bundesstaat unternimmt und damit ein Transport- oder Kommunikationsmittel des zwischenstaatlichen Handels verwendet.72 Gerichtlich geklärt werden musste diesbezüglich allerdings, ob das Statut nicht sogar noch weiter geht und mit der Formulierung „Wer eine Einrichtung im zwischenstaatlichen Handel benutzt“ („Whoever […] uses […] any facility in interstate […] commerce“), welche sich beispielsweise auch in 18 U. S. C. § 1958 findet, auch solche Einrichtungen erfasst sind, die zwar grundsätzlich grenzüberschreitend operieren, aber im konkreten Fall nur rein örtlich genutzt werden, sodass die Bundesbehörden auch in diesem Falle zur Verfolgung zuständig wären. Hier musste also entschieden werden, ob nur solche Tathergänge gemeint sind, in welchen tatsächlich die Grenzen eines Bundesstaates überwunden werden. Der U. S. Court of Appeals verneinte dies in der Sache United States v. Marek73 und interpretierte die Norm wiederum sehr weit. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte die Angeklagte einen Mörder engagiert, um die 70 18 U. S. C. § 1952 (a): Whoever travels in interstate or foreign commerce or uses the mail or any facility in interstate or foreign commerce, with intent to – (1) distribute the proceeds of any unlawful activity; or (2) commit any crime of violence to further any unlawful activity; or (3) otherwise promote, manage, establish, carry on, or facilitate the promotion, management, establishment, or carrying on, of any unlawful activity, and thereafter performs or attempts to perform (A) an act described in paragraph (1) or (3) shall be fined under this title, imprisoned not more than 5 years, or both; or (B) an act described in paragraph (2) shall be fined under this title, imprisoned for not more than 20 years, or both, and if death results shall be imprisoned for any term of years or for life. 71 18 U. S. C. § 1958 (a): Whoever travels in or causes another (including the intended victim) to travel in interstate or foreign commerce, or uses or causes another (including the intended victim) to use the mail or any facility of interstate or foreign commerce, with intent that a murder be committed in violation of the laws of any State or the United States as consideration for the receipt of, or as consideration for a promise or agreement to pay, anything of pecuniary value, or who conspires to do so, shall be fined under this title or imprisoned for not more than ten years, or both; and if personal injury results, shall be fined under this title or imprisoned for not more than twenty years, or both; and if death results, shall be punished by death or life imprisonment, or shall be fined not more than $250,000, or both. 72 Vgl. dazu auch Abrams/Beale, S. 22; Welling/Beale/Bucy, S. 6. 73 U. S. Court of Appeals (5th. Cir.), United States v. Marek, 238 F.3d 310 (2001).

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

103

Liebhaberin ihres Ehemannes zu beseitigen. Die Überweisung des „Lohns“ in Höhe von 500 $ wurde in Houston, Texas, eingeleitet und das Geld in Harlingen, Texas, in Empfang genommen. Der Geldtransfer blieb demnach auf den Bundesstaat Texas beschränkt, das Bankhaus Western Union, bei welchem die Transaktion durchgeführt wurde, ist hingegen ein durchaus überörtlich, zwischenstaatlich und grenzüberschreitend tätiges Unternehmen. Der U. S. Court of Appeals kam zu einer Verurteilung der Angeklagten nach 18 U. S. C. § 1958. In der Phrase „Wer eine Einrichtung im zwischenstaatlichen Handel benutzt“ („Whoever […] uses […] any facility in interstate […] commerce“) beziehe sich der Teil „im zwischenstaatlichen Handel“ („in interstate […] commerce“) auf das Substantiv „Einrichtung“ („facility“) und nicht auf das Verb „nutzen“ („uses“). Die Gesetzesformulierung „Einrichtung im zwischenstaatlichen Handel“ („facility in […] interstate commerce“) sei als Synonym zu „Einrichtung des zwischenstaatlichen Handels“ („interstate commerce facility“) zu interpretieren, sodass grundsätzlich nur erforderlich sei, dass die benutzte Einrichtung generell im zwischenstaatlichen Handel tätig sei.74 Mit dieser Argumentation wurde auch bei Telefonen und Geldautomaten eine Verfolgungszuständigkeit der Bundesbehörden angenommen, selbst wenn ein konkret grenzüberschreitender Sachverhalt nicht vorlag.75 Auch das Internet wurde, selbst bei einer E-Mail-Korrespondenz innerhalb desselben Bundesstaates, als Bestandteil des zwischenstaatlichen Handels angesehen.76 Bei einer solch extensiven Interpretation des erforderlichen Bezugs zum zwischenstaatlichen Handel auf der einen und der zunehmenden Technisierung der Kommunikation und des Verbrechens auf der anderen Seite, dürfte die stetige Expansion des Bundesstrafrechts und der Jurisdiktion der Bundesbehörden und Bundesgerichte kaum verwundern.

bb) Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel Als weitere Basis für seine Zuständigkeit verlässt sich der Congress zudem auf einen noch unklareren Bezug zu seiner Handelskompetenz. Ausreichend ist nach diesem Ansatz, dass die Straftat eine Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel aufweist. Diese Grundlage der Bundesgesetzgebung ist seit der Entscheidung N. L. R. B. v. Jones & Laughlin Steel Corp.77 aus dem Jahr 1937 anerkannt. Oftmals wird diese Verbindung bereits in die Strafvorschrift integriert, so etwa bei 74

U. S. Court of Appeals (5th. Cir.), United States v. Marek, 238 F.3d 310, 316 (2001). Vgl. U. S. Court of Appeals (5th. Cir.), United States v. Marek, 238 F.3d 310, 318–319 (2001); U. S. Court of Appeals (6th. Cir.), United States v. Weathers, 169 F.3d 336, 341 (1999): „It is well established that telephones, even when used intrastate, constitute instrumentalities of interstate commerce“. 76 Dazu Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 198 ff. (1999). 77 U. S. Supreme Court, N. L. R. B. v. Jones & Laughlin Steel Corp., 301 U. S. 1 (1937); vgl. dazu bereits oben 2. Kapitel C. IV. 75

104

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

der durch den Hobbs Act, 18 U. S. C. § 1951,78 aufgenommenen Formulierung: „Wer in irgendeiner Art und Weise und in irgendeinem Ausmaß den Handel durch Raub oder Erpressung behindert oder beeinflusst […], wird bestraft“.79 Bemerkenswert ist dabei zudem die Legaldefinition des „Handels“ in 18 U. S. C. § 1951 (b) (3). Hiernach ist unter Handel im Sinne der Vorschrift nur ein solcher innerhalb des Regierungsbezirks, innerhalb der Bundesterritorien, der zwischenstaatliche Handel sowie jeder sonstige Handel, der unter die Bundeszuständigkeit fällt, zu verstehen.80 Die Vorschrift fasst damit gleichsam nahezu alles soeben zur Bundesstrafgesetzgebung Gesagte plastisch zusammen, bildet dabei aber keinesfalls einen Einzelfall, sondern ein schönes Beispiel für ein oftmals praktiziertes Vorgehen des Congress’ beim Erlass von Strafvorschriften. Die Aufnahme des Bezugs zur Kompetenz des Bundes als so genanntes Zuständigkeitselement (jurisdictional element) in die Vorschrift liefert eine auch durch die Gerichte überprüfbare Basis der Strafverfolgung des Bundes.81 Weitere Beispiele für die Aufnahme eines Effekts auf den zwischenstaatlichen Handel in einer Norm lassen sich mühelos finden. Besondere Beachtung findet in der Praxis der Strafverfolgung durch den Bund das RICO Statute (Racketeering Influenced and Corrupt Organizations Statute), 18 U. S. C. §§ 1961 ff., zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Nach 18 U. S. C. § 1962 ist es strafbar, Geld, das aus einer Katalogtat im Sinne des 18 U. S. C. § 1961 (racketeering activity) stammt, in ein Unternehmen zu investieren, welches am zwischenstaatlichen Handel teilnimmt oder dessen Aktivitäten einen Einfluss auf denselben haben.82 78 Die erste Version dieser Vorschrift wurde bereits im Jahr 1934 erlassen, 48 Stat. 979, ch. 569, § 2. Vgl. zur wechselvollen Geschichte der Norm U. S. Supreme Court, United States v. Culbert, 435 U. S. 371 (1978). 79 18 U. S. C. § 1951 (a): Whoever in any way or degree obstructs, delays, or affects commerce or the movement of any article or commodity in commerce, by robbery or extortion or attempts or conspires so to do, or commits or threatens physical violence to any person or property in furtherance of a plan or purpose to do anything in violation of this section shall be fined under this title or imprisoned not more than twenty years, or both. 80 18 U. S. C. § 1951 (b) (3): The term „commerce“ means commerce within the District of Columbia, or any Territory or Possession of the United States; all commerce between any point in a State, Territory, Possession, or the District of Columbia and any point outside thereof; all commerce between points within the same State through any place outside such State; and all other commerce over which the United States has jurisdiction. 81 Interessant zur Behandlung von Irrtümern über die Tatsachen, die zur Annahme eines solchen Elements und damit einer Bundeszuständigkeit führen, Fletcher, Rethinking, S. 714 f. Solche Irrtümer sollen irrelevant sein, da es sich nur um ein „jurisdictional element“, also ein nicht die Strafbarkeit, sondern die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden bestimmendes Merkmal handelt. Daher erscheint die Bezeichnung als Tatbestandsmerkmal hier etwas ungenau. 82 18 U. S. C. § 1962: (a) It shall be unlawful for any person who has received any income derived, directly or indirectly, from a pattern of racketeering activity or through collection of an unlawful debt in which such person has participated as a principal within the meaning of section 2, title 18, United States Code, to use or invest, directly or indirectly, any part of such income, or the proceeds of such income, in acquisition of any interest in, or the establishment

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

105

Nicht nur der Congress hat von seinen aufgezählten Kompetenzen extensiven Gebrauch gemacht. Entscheidende Bedeutung für die enorme Ausweitung des Bundesrechts hatte stets insbesondere auch die weite Auslegung der Vorschriften durch Strafverfolgungsorgane und Gerichte seit der Zeit des New Deals. Dies lässt sich gut anhand der Interpretation des Merkmals „Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel“ exemplifizieren. Die Gerichte verfolgten hierbei verschiedene Ansätze, wobei jeweils nur ein geringfügiger Einfluss auf den zwischenstaatlichen Handel ausreichend war (sog. „de minimis effect“).83 Nach einer Theorie ist ein hinreichender Einfluss der Tat auf den zwischenstaatlichen Handel bereits dann anzunehmen, wenn das Opfer durch die Tat der Mittel beraubt wird, welche es sonst für Transaktionen im zwischenstaatlichen Handel eingesetzt hätte, ausreichend ist also quasi ein lediglich potenzieller Einfluss auf die wirtschaftlichen Aktivitäten etwa eines Unternehmens, das üblicherweise im zwischenstaatlichen Handel operiert.84 Ein anderer Ansatz rekurriert auf die oben angesprochene Befugnis, Gesetze im Hinblick auf im zwischenstaatlichen Handel transportierte Sachen zu erlassen, und nimmt eine hinreichende Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel dann an, wenn die Tat die Benutzung eines Objekts verhindert, welches aus einem anderen Bundesstaat importiert wurde.85 Verwendung findet ferner häufig das bereits oben86 angesprochene und seit der Entscheidung Wickard v. Filburn87 anerkannte Aggregationsprinzip:88 Der Congress kann auch rein lokale Aktivitäten regulieren, wenn sich aus der Addition der or operation of, any enterprise which is engaged in, or the activities of which affect, interstate or foreign commerce. A purchase of securities on the open market for purposes of investment, and without the intention of controlling or participating in the control of the issuer, or of assisting another to do so, shall not be unlawful under this subsection if the securities of the issuer held by the purchaser, the members of his immediate family, and his or their accomplices in any pattern or racketeering activity or the collection of an unlawful debt after such purchase do not amount in the aggregate to one percent of the outstanding securities of any one class, and do not confer, either in law or in fact, the power to elect one or more directors of the issuer; ausführlich zu Anwendung und Auslegung des RICO Statutes Abrams/Beale, S. 476 ff.; Blumenstein, 62 Vand. L. Rev. 211 (2009); Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 605 f. (2004); Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991 (2008); zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität durch den Bund Baker, 16 Rutgers L. J. 495 (1985); zu den Vorteilen einer Strafverfolgung des Bundes, welche durch das RICO Statute gewährt werden Glazer, 26 Fordham Urb. L. J. 573, 599 ff. (1999). 83 Abrams/Beale, S. 25 f.; Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 575 (2004); Brickey, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 27, 29 (1996). 84 So etwa U. S. Court of Appeals (7th Cir.), United States v. DeMet, 486 F.2d 816 (1973). In diesem Fall hatte ein Polizeibeamter Schutzgeld vom Inhaber einer Cocktail Lounge erpresst, welcher seine Getränke teilweise auch aus anderen Bundesstaaten bezog. Die Bestrafung des Täters nach dem bereits erwähnten Hobbs Act, 18 U. S. C. § 1951, wurde vom Gericht für zulässig erachtet. 85 U. S. Court of Appeals (9th Cir.), Battaglia v. United States, 383 F.2d 303, 304 (1967). 86 Oben 2. Kapitel C. IV. 87 U. S. Supreme Court, Wickard v. Filburn, 317 U. S. 111 (125) (1942). 88 Vgl. zu dieser Terminologie Abrams/Beale, S. 42; Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 225.

106

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

jeweiligen Effekte eine Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel herleiten lässt. Ging es in der New Deal Phase des Jahres 1942 noch um Auswirkungen der lokalen Weizenproduktion auf die Gesamtwirtschaft, so wird seitdem auch im Strafrecht auf das Aggregationsprinzip zurückgegriffen, um bei rein lokalen Straftaten, welche vom Prinzip der verfassungsmäßigen Kompetenzverteilung eigentlich in den Bereich der Bundesstaaten (oder Kommunen) fallen sollen, einen Zugriff des Bundes zu rechtfertigen, so etwa bei Raubüberfällen auf Läden des lokalen Einzelhandels.89 Noch einen Schritt weiter geht schließlich der „Class of Activities Approach“90 des Congress’, welcher auch von den Bundesgerichten gebilligt wird. Hiernach kann sogar darauf verzichtet werden, den Bezug zum Handel ausdrücklich im Gesetz aufzuführen, wenn einer bestimmten Tätigkeit per se ein bedeutsamer Einfluss auf den zwischenstaatlichen Handel zugeschrieben wird. Die erste Vorschrift, die diesen Ansatz verfolgte, war das Verbraucherkreditschutzgesetz des Jahres 1964, welches in den 18 U. S. C. §§ 891 ff. auch Strafvorschriften vorsieht. Nach 18 U. S. C. § 892 ist der Kreditwucher unter Verwendung erpresserischer Mittel – insbesondere im Hinblick auf die Eintreibung von Schulden – strafbar, ohne dass darin ein Bezug zum zwischenstaatlichen Handel Erwähnung findet. Im Jahr 1971 hielt der U. S. Supreme Court im Fall Perez v. United States91 sowohl das legislative Vorgehen des Congress’ als auch die Strafverfolgung eines „Kredithais“ (loanshark) durch Bundesbehörden für zulässig. Zwar sei die Vergabe von Verbraucherkrediten grundsätzlich eine regionale Angelegenheit, es sei aber anerkannt, dass der Bund auch rein lokale Tätigkeiten regeln könne, wenn diese eine hinreichende Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel aufwiesen.92 Dies sei hier anzunehmen, denn die Transaktionen im Zusammenhang mit dem Wesen des Geldverleihs bildeten eine wichtige Einnahmequelle des Organisierten Verbrechens, dessen Tätigkeit insgesamt eine überregionale sei.93 Dem Erlass der Vorschriften waren Debatten im Congress vorangegangen, in welchen u. a. von den Gegnern vorgebracht wurde, dass nun ein großer Schritt hin zu einer allgemeinen Polizeimacht des Bundes vollzogen würde, gänzlich im 89

U. S. Court of Appeals (11th Cir.), United States v. Guerra, 164 F.3d 1358, 1361 (1999). Hier ging es um eine räuberische Erpressung in einer Tankstelle, die ihr Benzin aus einem anderen Bundesstaat bezog, bei welcher der Täter 300 $ erbeutete. Das Gericht hielt eine Strafverfolgung durch Bundesbehörden für zulässig und berief sich dabei sowohl auf das Aggregationsprinzip als auch darauf, dass das Opfer der Mittel für den zwischenstaatlichen Handel beraubt worden sei, da nicht nur 300 $ verloren gingen, sondern die Tankstelle im Übrigen auch für zwei Stunden schließen musste. 90 Abrams/Beale, S. 26 ff.; Welling/Beale/Bucy, S. 7 f. 91 U. S. Supreme Court, Perez v. United States, 402 U. S. 146 (1971); vgl. dazu auch Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 530 (1985). 92 U. S. Supreme Court, Perez v. United States, 402 U. S. 146, 151 (1971), unter Berufung auf die bereits mehrfach angeführte Entscheidung Wickard v. Filburn, 317 U. S. 111 (1942). 93 U. S. Supreme Court, Perez v. United States, 402 U. S. 146, 154 ff. (1971).

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

107

Gegensatz zu den Grundprinzipien der US-Verfassung.94 Das Gesetz wurde gleichwohl verabschiedet und durch das höchste Gericht gebilligt. Der Ansatz wurde zudem in zwei weiteren Gesetzen aus dem Jahr 1970 zur Anwendung gebracht, zum einen in den 21 U. S. C. §§ 801 ff. im Hinblick auf den Drogenhandel95 und in 18 U. S. C. § 1955 in Bezug auf das illegale Glücksspiel. In beiden Fällen ist eine Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel kein explizit im Gesetz genanntes Merkmal – und daher auch im Prozess nicht konkret nachzuweisen (!) – sondern wird quasi abstrakt und unwiderlegbar vermutet. Eine mögliche Kehrtwende der Rechtsprechung im Hinblick auf das extensive Vorgehen des Congress’ könnte indes die Entscheidung im Fall United States v. Lopez96 vermuten lassen. Das Urteil betrifft das Strafrecht, stellt gleichzeitig aber auch die bedeutendste Entscheidung im Hinblick auf Fragen des Föderalismus der Vereinigten Staaten seit langen Jahren dar. Durch den Gun-Free School Zones Act des Jahres 1990 wurde in der alten Fassung des 18 U. S. C. § 922 (q) (1) (a) der Besitz einer Schusswaffe auf dem Gelände einer Schule unter Strafe gestellt. Das Gericht überprüfte das Statut anhand der drei anerkannten Kategorien im Zusammenhang mit der Befugnis des Bundes zur Regelung des Handels.97 Hier gehe es weder um den Schutz der Handelswege noch um den Transport von Personen oder Sachen im zwischenstaatlichen Handel.98 Einschlägig sei also höchstens die dritte Kategorie. Im Rahmen der dritten Kategorie sei jedoch ein besonderer, substanzieller Einfluss auf den zwischenstaatlichen Handel erforderlich.99 Das Bundesgesetz wurde diesbezüglich aus vier Grunderwägungen heraus als verfassungswidrig angesehen.100 Die in Frage stehende Handlung des Besitzes einer Schusswaffe im Bereich einer Schule sei erstens gar keine ökonomische Tätigkeit.101 Zweitens enthalte die Vorschrift nicht das jurisdictional element der 94

So der Congress-Abgeordnete Eckhardt aus Texas, 114 Cong. Rec. 1610: „Should it become law, the amendment would take a long stride by the Federal Government toward occupying the field of general criminal law and toward exercising a general Federal police power; and it would permit prosecution in Federal as well as State courts of a typically State offense.“ Eine Darstellung der Debatte im Congress findet sich in U. S. Supreme Court, Perez v. United States, 402 U. S. 146, 149 (1971). 95 Vgl. dazu Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1172 f. (1995). 96 U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549 (1995); vgl. dazu Abrams/ Beale, S. 30 ff.; Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 576 ff. (2004); Chemerinsky, S. 265 ff.; Dral/Phillips, 68 Tenn. L. Rev. 605, 607 ff. (2001); Dubber, Einführung, S. 5 f.; McGimsey, 90 Calif. L. Rev. 1675 (2002); Re, 15 St. Thomas L. Rev. 265, 283 ff. (2002); Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 1999 ff. (2008); Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 211 ff.; Virelli/Leibowitz, 3 U. Pa. J. Const. L. 926, 949 ff. (2001); von Mehren/Murray, S. 115 f.; Welling/Beale/Bucy, S. 10 ff.; siehe auch oben 2. Kapitel C. V. 2. 97 Siehe zu diesen Kategorien oben 3. Kapitel B. II. 4. a). 98 U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 559 (1995). 99 U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 559 (1995). 100 Diese vier Argumentationsstränge fasste der U. S. Supreme Court, United States v. Morrison, 529 U. S. 598, 610–613 (2000), selbst noch einmal zusammen. 101 U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 561 (1995).

108

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel, welches immerhin durch eine Subsumtion im Einzelfall einen solchen Bezug überprüfbar machen würde.102 Auch die Motive des Gesetzes lieferten drittens keine ausreichende Begründung für die Annahme einer substanziellen Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel.103 Viertens hatte das Gericht sich schließlich noch mit den im Prozess vorgebrachten Argumenten der Bundesregierung auseinanderzusetzen. Diese berief sich im Wesentlichen auf zwei Aspekte.104 Gewalttaten in Schulen hätten negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, einerseits durch die involvierten Versicherungen und andererseits dadurch, dass der Lernprozess in der Schule so nachhaltig gestört würde, dass die Schüler letztlich eine schlechtere Ausbildung genössen. Dadurch sei insgesamt ein ausreichend substanzieller Effekt auf den Handel anzunehmen. Das Gericht verwarf diese Erwägungen. Leiste man ihnen Folge, so seien keinerlei Grenzen der Zuständigkeit des Bundes mehr zu erkennen, nicht einmal in Bereichen, die – wie etwa die Schulpolitik – unbestritten allein in die Kompetenz der Bundesstaaten fallen.105 Der Zusammenhang zwischen dem Tragen einer Waffe in der Schule und einem Einfluss auf den zwischenstaatlichen Handel erschien damit zu schwach. Die Entscheidung im Fall United States v. Lopez hat für viel Aufruhr in der USamerikanischen Rechtswissenschaft geführt und eine lebhafte Diskussion in Gang gesetzt.106 Vieles bleibt weiterhin unklar. Ist ein substanzieller Effekt immer erforderlich oder nur, wenn das jurisdictional element der Auswirkung auf den Handel im Statut fehlt? Kann ein solches Merkmal stets die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes retten?107 Immerhin lässt sich in enger Lesart dem Lopez-Urteil unmittelbar nur entnehmen, dass weder Gesetzestext noch Motive des Gesetzgebers einen hinreichenden Bezug zum zwischenstaatlichen Handel erkennen ließen. Der Congress reformierte jedenfalls eilig das fragliche Statut. In 18 U. S. C. § 922 (q) (2) (a) heißt es jetzt: „Es ist strafbar, wissentlich eine Schusswaffe, welche im zwischenstaatlichen Handel transportiert wurde oder eine sonstige Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel aufweist […] auf einem Gelände in Besitz zu haben, das, wie der Betreffende weiß oder wissen muss, zu einer Schule gehört.“108 Zudem wurden dem Statut ausführliche Befunde („Findings“) 102

U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 561–562 (1995). U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 562–563 (1995). 104 U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 564 (1995). 105 U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 564 (1995). 106 Vgl. die ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Interpretationen des Urteils bzw. der Handelskompetenz bei Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2009 ff. (2008). 107 McGimsey, 90 Calif. L. Rev. 1675, 1704 (2002); zu diesen Problemen insgesamt Abrams/ Beale, S. 42. 108 18 U. S. C. § 922 (q) (2) (a): It shall be unlawful for any individual knowingly to possess a firearm that has moved in or that otherwise affects interstate or foreign commerce at a place that the individual knows, or has reasonable cause to believe, is a school zone. 103

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

109

des Congress’ beigefügt, welche die Auswirkungen des Waffenbesitzes auf den Handel belegen sollen. In der US-amerikanischen Literatur wird eine zu enge Lesart des Urteils kritisiert und die gerichtliche Feststellung der substanziellen Auswirkung der Tat auf den zwischenstaatlichen Handel in jedem konkreten Einzelfall gefordert.109 Des Weiteren wird die Frage aufgeworfen, ob die Ausführungen des U. S. Supreme Courts so zu verstehen seien, dass die strafrechtlich relevante Tätigkeit, also die Tat selbst, ökonomischer Natur sein oder nur im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Betätigung stehen muss.110 Genügt es also auch nach der Entscheidung im Fall United States v. Lopez noch, einen Raub in einem Einzelhandelsgeschäft, welches am zwischenstaatlichen Handel teilnimmt, zu verüben, oder muss es sich um eine per se handelsbezogene Straftat handeln? Wäre dies der Fall, so ließe sich weiter folgern, dass Straftaten, die wie beispielsweise der Raub, obgleich Vermögensstraftat, eben grundsätzlich keine kommerzielle Aktivität im Sinne eines Bezuges zum zwischenstaatlichen Handel darstellen, einer Anwendung des Aggregationsprinzips gar nicht zugänglich wären.111 Teilweise wird aber auch die Verengung der dritten Kategorie auf ökonomische Tätigkeiten kritisiert und gefordert, auch nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten als von der Handelsklausel erfasst anzusehen, sofern sie immerhin eine substanzielle Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel aufweisen.112 Zudem muss geklärt werden, welche Bereiche überhaupt unter den Terminus der wirtschaftlichen Tätigkeit zu subsumieren sind.113 Schließlich fragt sich, ob es dem Gericht nicht v. a. um eine Aufteilung der Verbrechensbekämpfung in lokale und nationale Interessensbereiche ging.114 Sofern eine sinnvolle Trennlinie u. a. anhand einer Rückbesinnung auf die Intention der verfassungsmäßigen Kompetenz des Bundes in U. S. Const Art. I § 8 cl. 3 erarbeitet werden soll, wäre jedenfalls zu berücksichtigen, dass dort die Regulie109 Vgl. etwa Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 578, 582 (2004); im Hinblick auf die Anwendung des RICO Statutes auf nicht-ökonomisch tätige Banden für das Erfordernis einer substanziellen Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel Blumenstein, 62 Vand. L. Rev. 211, 229 ff. (2009). 110 Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 578 f. (2004); in U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 567 (1995), hieß es: „The possession of a gun in a local school zone is in no sense an economic activity.“ 111 Vgl. die Diskussion bei Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 594 f. (2004), der aber selbst zu dem Ergebnis gelangt, jede Straftat könne in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sofern sie den zwischenstaatlichen Handel behindert, ebd., 595. 112 Vgl. zu diesem Vorschlag und weiteren Kritikpunkten Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1573 ff. (2002) m. w. N.; ferner Dral/Phillips, 68 Tenn. L. Rev. 605, 618 ff. (2001); in diese Richtung auch Virelli/Leibowitz, 3 U. Pa. J. Const. L. 926, 951 ff. (2001), in Bezug auf die Civil Rights Legislation des Congress’. 113 Zur diese Frage betreffenden Debatte vgl. Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2010 ff. (2008); für eine sehr enge Auslegung des Begriffes etwa Barnett, 55 Ark. L. Rev. 847 (2003), unter Verweis auf frühe Interpretationen des 18. Jahrhunderts. 114 Kritisch auch zu dieser Unterteilung Dral/Phillips, 68 Tenn. L. Rev. 605, 625 ff. (2001).

110

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

rung des zwischenstaatlichen Handels und der Abbau von Hindernissen im Vordergrund stehen sollen. Auch bei strafrechtlichen Vorschriften erschiene es dann konsequent, dass Teile der Literatur115 für eine Zuständigkeit des Bundes immerhin eine direkte Auswirkung der Tat auf den zwischenstaatlichen Handel fordern. Nicht unbedingt die Tathandlung, wohl aber die Tat insgesamt, muss danach einen substanziellen Effekt auf die Gesamtwirtschaft haben. Dieser wird aber dann weniger nachvollziehbar, wenn er sich ausschließlich darauf gründet, dass eine Waffe oder ein zur Tatausführung verwandter oder bei der Tat entwendeter Gegenstand irgendwann einmal im zwischenstaatlichen Verkehr gehandelt wurden. Dies mag allerdings dann anders sein, wenn z. B. die Kontrolle von Waffen inklusive des Besitzes als gesamtstaatliches Interesse vom Congress grundsätzlich reguliert werden soll. Dies erscheint insbesondere dann möglich, wenn es sich etwa um Waffen handelt, die per se Teil eines nationalen, verbrecherischen Handelsnetzes sind, welches insgesamt vom Bund kontrolliert bzw. bekämpft werden soll, weil die Überwachung im gesamtstaatlichen Interesse liegt oder von den einzelnen Bundesstaaten nicht ausreichend geleistet werden kann, wie etwa bei Kriegswaffen etc.116 – Regelungen über den Besitz einfacher Schusswaffen obliegen hingegen den Bundesstaaten. In diesem Fall wären die Strafbestimmungen des Bundes quasi Annex einer regulatorischen Bestimmung und dienten letztlich deren Durchsetzung.117 Im Vordergrund stünde dann jedenfalls die Regulierung des Marktes bzw. die Freihaltung desselben von bestimmten Waren, nicht der Erlass reinen Kriminalstrafrechts, es dominierte die Verfolgung eines nationalen Interesses, nicht eines rein lokalen Belangs. Auch vor unteren Bundesgerichten fand in der Zeit nach der Lopez-Entscheidung anfangs durchaus eine Argumentation der Verteidigung Gehör, welche die Bundeskompetenz im Hinblick auf die Strafverfolgung in ähnlich gelagerten Fällen anzweifelte. Inzwischen scheint aber eine Tendenz zu einer engen Auslegung des Urteils vorzuherrschen. Insbesondere wird etwa das Aggregationsprinzip für den Nachweis eines substanziellen Effekts auf den zwischenstaatlichen Handel weiterhin angewandt.118 Der U. S. Supreme Court hatte seither selbst zwei weitere wichtige Fälle in Bezug auf Föderalismus und Bundeskompetenz zu entscheiden. In der Rechtssache

115

Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 600 (2004). Vgl. Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 600 f. (2004); Low, S. 161. 117 Siehe zur Abgrenzung der regulatorischen Sanktion vom reinen Kriminalstrafrecht bereits oben 3. Kapitel B. II. 4. a). 118 Vgl. U. S. Court of Appeals (11th Cir.), United States v. Guerra, 164 F.3d 1358, 1361 (1999); die beiden Entscheidungen des U. S. Court of Appeals (5th Cir.), United States v. Hickman, 179 F.3d 230 (1999), und United States v. McFarland, 311 F.3d 376 (2002), betrafen jeweils den Raub/die räuberische Erpressung in regionalen Gemischtwarenläden; vgl. dazu Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 592 ff. (2004). 116

B. Anwendungsbereiche des Strafrechts des Bundes

111

United States v. Morrison119 ging es um ein zivilrechtliches Schadensersatzverfahren wegen einer Vergewaltigung. Das Gericht hielt den Violence Against Women Act (VAWA), 42 U. S. § 13981, welcher die Möglichkeit der zivilrechtlichen Entschädigung nach Bundesrecht bei sexueller Gewalt vorsah, aus den gleichen Erwägungen wie in der Entscheidung United States v. Lopez für verfassungswidrig. Auch hier fehlte das Merkmal der Auswirkung auf den Handel im Wortlaut des zivilrechtlichen Teils des Statuts und dem Sexualdelikt grundsätzlich der Charakter einer ökonomischen Tätigkeit. Es sei darauf hingewiesen, dass die dazu gehörigen Kriminalstatuten, wie etwa 18 U. S. C. § 2261,120 den Bezug zum zwischenstaatlichen Handel aufweisen und daher auch als verfassungsgemäß angesehen wurden.121 In der Sache Gonzalez v. Raich122 hielt der U. S. Supreme Court hingegen unter Berufung auf den Class of Activities Approach die Gesetze des Bundes betreffend den Drogenmissbrauch, 21 U. S. C. §§ 801 ff., aufrecht, obgleich dadurch auch der Anbau von Marihuana im eigenen Garten und zum ausschließlich eigenen, medizinischen Gebrauch unter Strafe gestellt wurde. Dies war insofern pikant als Anbau und Verwendung von Marihuana zu medizinischen Zwecken im Bundesstaat California, in welchem der Tatort lag, gemäß Cal. Health & Saf. Code § 11362.5 erlaubt sind.123 Eine Kollision von Bundes- und einzelstaatlichem Recht, welche 119 U. S. Supreme Court, United States v. Morrison, 529 U. S. 598 (2000); vgl. dazu Abrams/ Beale, S. 35 ff.; Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 579 ff. (2004); Chemerinsky, S. 267 ff.; Dral/ Phillips, 68 Tenn. L. Rev. 605, 610 ff. (2001); Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2001 ff. (2008); Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 222 ff.; kritisch Virelli/Leibowitz, 3 U. Pa. J. Const. L. 926, 956 ff. (2001), im Hinblick darauf, dass es sich beim VAWA um ein Civil Rights Statute handele, welches für die Bundesgesetzgebung besonders wichtig sei; vgl. ferner Baker, B. U. L. Rev. 1191, 1192 ff. (2000), hinsichtlich der Frage der Übertragbarkeit des Urteils auf durch (Rassen-)Hass motivierte Verbrechen („hate crimes“); siehe auch oben 2. Kapitel C. V. 2. 120 18 U. S. C. § 2261 (Interstate domestic violence): (a) A person who travels in interstate […] commerce […] with the intent to kill, injure, harass, or intimidate a spouse, intimate partner, or dating partner, and who, in the course of or as a result of such travel, commits or attempts to commit a crime of violence against that spouse, intimate partner, or dating partner, shall be punished as provided in subsection (b). 121 U. S. Supreme Court, United States v. Morrison, 529 U. S. 598 (2000); vgl. dazu auch Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1552 (2002). 122 U. S. Supreme Court, Gonzalez v. Raich, 545 U. S. 1 (2005); vgl. dazu Abrams/Beale, S. 38 ff.; Chemerinsky, S. 271 f.; Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2003 ff. (2008); Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 225; dies., Supplement, S. 19 f.; siehe dazu auch oben 2. Kapitel C. V. 2. 123 Wiederum wurde auf die bereits mehrfach angeführte Entscheidung U. S. Supreme Court, Wickard v. Filburn, 317 U. S. 111 (1942), Rekurs genommen; für Marihuana gebe es einen zwischenstaatlichen Markt, sodass der Congress auch ein rein innerstaatliches Verhalten regeln könne, wenn immerhin die Gefahr bestehe, es könne sich auf den zwischenstaatlichen Handel auswirken, Gonzalez v. Raich, 545 U. S. 1, 18 f. (2005). Es ist indes noch anzumerken, dass in diesem Prozess nicht die Wirksamkeit der US-Drogengesetze insgesamt angezweifelt wurde, sondern nur im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit auf zu Hause angebautes Marihuana zu medizinischen Zwecken. Der U. S. Supreme Court hielt sie aber insgesamt für verfassungsgemäß.

112

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

etwa zu einer Verdrängung des Rechts von California führen könnte, ist entsprechend den oben124 getroffenen Feststellungen wiederum nicht angenommen worden. Die Strafbarkeit nach Bundesrecht zieht keine Pflicht der Bundesstaaten nach sich, eine identische Rechtslage zu schaffen. In einem anderen Fall, dem bereits oben125 erwähnten Urteil in der Sache Jones v. United States,126 interpretierte der höchste Gerichtshof eine Bundesbestimmung so eng, dass sich keine verfassungsmäßigen Schwierigkeiten stellen konnten. In der Strafvorschrift 18 U. S. C. § 844 (i)127 des Bundes, welche die Brandstiftung an „Gebäuden oder privatem Eigentum, welches im zwischenstaatlichen Handel genutzt wird“ („any building […] or personal property used in interstate […] commerce“) zum Gegenstand hat, wurde dem Merkmal „genutzt“ („used“) entscheidende Bedeutung beigemessen. Dass das in Brand gesetzte Gebäude bei einer Bundes-Anstalt gegen Feuer versichert war, genügte demnach nicht.128

b) Zuständigkeit für Steuern und Postwesen Strafvorschriften zum Schutz indirekter Bundesinteressen werden zwar mehrheitlich mit der Handelskompetenz begründet, daneben aber durchaus auch auf andere Zuständigkeiten des Bundes gestützt. Nicht alle können hier genannt werden. Zwei besonders bedeutsame Vorgehensweisen des Congress’ beim Erlass von Strafnormen sollen aber nicht unerwähnt bleiben. Bereits in der frühen Entscheidung im Fall McCulloch v. Maryland129 des Jahres 1819 brachte der U. S. Supreme Court als quasi selbstverständlich die Ansicht zum Ausdruck, die in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 7 festgelegte Kompetenz des Congress’, Postämter und Postwege einzurichten, umfasse auch das Recht, Strafvorschriften etwa bezüglich des Diebstahls von Briefsendungen zu erlassen. Eine ebensolche Bestimmung erließ bereits der erste Congress im Jahr 1792.130 Heute kann etwa das Mail Fraud Statute, 18 U. S. C. § 1341, als eine der wichtigsten Strafbestimmungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung so genannter White 124

Oben 2. Kapitel D. II. 2. Oben 2. Kapitel D. II. 2. 126 U. S. Supreme Court, Jones v. United States, 529 U. S. 848 (2000); vgl. dazu Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 583 ff. (2004); Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2002 f. (2008). 127 18 U. S. C. § 844 (i): Whoever maliciously damages or destroys, or attempts to damage or destroy, by means of fire or an explosive, any building, vehicle, or other real or personal property used in interstate or foreign commerce or in any activity affecting interstate or foreign commerce shall be imprisoned for not less than 5 years and not more than 20 years, fined under this title, or both […]. 128 Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel D. II. 2. 129 U. S. Supreme Court, McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316, 417 (1819); vgl. dazu auch Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 519 ff. (1985). 130 An Act to Establish the Post Office and the Post Roads, ch. 7, §§ 16–17, 1 Stat. 232 (1792); vgl. dazu Welling/Beale/Bucy, S. 16. 125

C. Verwaltungsstrafrecht

113

Collar Crimes gelten.131 Der Vorgänger des Mail Fraud Statutes trat bereits im Jahr 1872 in Kraft. Es stellt den Betrug unter Verwendung der Postwege unter Strafe. Auch die Zuständigkeit für die Steuern, U. S. Const. Art. I § 8 cl. 1, spielte zumindest vor dem Durchbruch der Handelsklausel als wesentliches Instrument der Strafgesetzgebung des Bundes eine gewichtige Rolle. Insbesondere die Anti-Drogengesetze inklusive der dort normierten Strafbestimmungen basierten auf der Steuerkompetenz des Congress’.132 Inzwischen beruft sich der Bund diesbezüglich aber auf die Handelskompetenz. Die 21 U. S. C. §§ 801 ff., welche Straftaten im Hinblick auf Besitz und Handel mit Drogen beinhalten, bilden ein bedeutsames Beispiel für den Class of Activities Approach: Sie sind auf die Kompetenz für den Handel gestützt, enthalten aber keinen Bezug zu derselben als jurisdictional element.

C. Verwaltungsstrafrecht C. Verwaltungsstrafrecht

Nicht nur der Congress erlässt strafrechtliche Normen des Bundes. Spricht man über das Bundesstrafrecht, so darf nicht vergessen werden, dass auch administrative Behörden eine nicht unbedeutende Rolle bei der Formulierung materiellen Strafrechts spielen.133 Die unter Mitwirkung der Verwaltung ergangenen materiellen Strafnormen werden als administrative crimes bezeichnet.134 In der einfachsten Form des Verwaltungsstrafrechts legt der Congress in einem Statut fest, dass eine bestimmte Behörde Standards und Regelungen für einen Einzelbereich, z. B. im Rahmen des Umweltschutzes, normieren darf und dass Verstöße gegen dieselben eine Kriminalstrafe nach sich ziehen. Diese Vorgehensweise ist auch dem deutschen Recht nicht gänzlich unbekannt, da auch hier der Erlass ausfüllungsbedürftiger Normen und die Verwaltungsrechtsakzessorietät des Strafrechts vom Grundsatz her zulässig sind.135 Somit ließen sich die administrative crimes als weiteres Feld des Bundesstrafrechts bezeichnen, welches zu den bereits angeführten Bereichen136 hinzutritt: Das Strafrecht des Bundes kommt nicht nur dann zur Anwendung, wenn Territorien, Mittel und Personal des Bundes oder besondere gesamtstaatliche Probleme involviert sind, sondern auch bei Verstößen gegen Normen der Bundesverwaltung. Gleichwohl müssen die Ermächtigung der Verwaltung und die grundsätz131

Abrams/Beale, S. 160. Siehe bereits oben 2. Kapitel C. IV. 133 Dubber, Einführung, S. 3; LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 173 ff. 134 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 174. 135 Vgl. BVerfGE 23, 113 – Blankettstrafrecht; 75, 329 – Bundes-Immissionsschutzgesetz; zu ausfüllungsbedürftigen Blankettnormen Schönke/Schröder-Eser, Vorbem § 1 Rn. 3; zur Verwaltungsrechtsakzessorietät von Strafgesetzen Fischer, Vor § 324 Rn. 4a ff. 136 Siehe oben 3. Kapitel B. I. 132

114

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

liche Festlegung der Strafsanktion durch den Congress sich selbst wiederum aus einer verfassungsmäßigen Zuständigkeit herleiten, denn andernfalls käme ein solches Vorgehen einer Kompetenz-Kompetenz gleich, welche dem Bund nicht zusteht. Der U. S. Supreme Court hat die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Vorgehens jedenfalls dann bejaht, wenn der Congress Strafbedürftigkeit und Strafsanktion selbst festlegt. So hatte in dem der Entscheidung United States v. Grimaud137 zu Grunde liegenden Fall ein um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert in Kraft getretenes Bundesgesetz zum Schutze der Wälder und Naturschutzgebiete, welche der Strafgewalt des Bundes unterstanden, dem Landwirtschaftsminister (Secretary of Agriculture) die Kompetenz übertragen, materielle verwaltungsrechtliche Regelungen zu erlassen, um der Intention des Gesetzes Geltung zu verschaffen. Dasselbe Statut sah eine Kriminalstrafe für Verstöße gegen die künftigen Bestimmungen des Ministeriums vor. Argumenten gegen die Verfassungsmäßigkeit dieses Statuts, welche sich auf die Gewaltenteilung und die in U. S. Const. Art. I § 1 ausschließlich dem Congress übertragene legislative Kompetenz beriefen, erteilte das Gericht eine Absage. Die Strafnorm sei letztlich durch den Congress und nicht durch die Verwaltung geschaffen worden.138 Somit ließe sich sagen, dass die Legislative immerhin die Strafbarkeit generell festlegen muss, während der Verwaltung die inhaltliche Ausgestaltung der materiellen Strafbarkeitsvoraussetzungen überlassen werden kann. In den 1930er Jahren war diese Praxis noch insofern einer Einschränkung unterworfen worden, als der Congress der Verwaltung Richtlinien („sufficient standards“139) zur inhaltlichen Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen vorgeben musste.140 Zu dieser Zeit hatten die Bundesgerichte sich, wie oben141 ausgeführt, bekanntlich insgesamt noch einer zu starken Zentralisierung des Rechts und zu großen Ausweitung der Bundessphäre verwehrt. Damit einhergehend standen sie erst recht der Übertragung legislativer Bundeskompetenzen auf die Verwaltung ablehnend gegenüber. Auch hier haben sich die Anforderungen der Rechtsprechung aber im Laufe der Zeit bemerkenswert reduziert. Nach jüngeren Entscheidungen der Bundesgerichte genügt es z. B. wenn die Legislative nur eine generelle Richtung (general policy) vorgibt.142 137 U. S. Supreme Court, United States v. Grimaud, 220 U. S. 506 (1911); vgl. LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 174 f. 138 U. S. Supreme Court, United States v. Grimaud, 220 U. S. 506, 507 (1911): „Where the penalty for violations of regulations to be made by an executive officer is prescribed by statute, the violation is not made a crime by such officer, but by Congress, and Congress, and not such officer, fixes the penalty […].“ 139 U. S. Supreme Court, A. L. A. Schechter Poultry Corp. v. United States, 295 U. S. 495 (1935). 140 Vgl. LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 175 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 141 Oben 2. Kapitel C. IV. 142 U. S. Court of Appeals (10th Cir.), United States v. Barron, 594 F.2d 1345, 1352 (1979).

D. Die Organisation der Strafverfolgung und Strafvollstreckung des Bundes

115

Als verfassungswidrig wird es allerdings angesehen, wenn der Verwaltung entweder die Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Kriminalstrafe für den Verstoß gegen ein Statut vorzusehen ist, oder die Bestimmung der individuellen Schuld überlassen wird.143 Es ist darauf hinzuweisen, dass sich auch auf der Ebene der Bundesstaaten administrative crimes finden lassen. Ein interessantes Beispiel beinhaltet das nach Auffassung des Supreme Court of Minnesota144 zulässige Vorgehen der Legislative des Bundesstaates Minnesota, welche in einem Statut145 nur grundsätzlich festgelegt hat, dass der Besitz von Drogen strafbar ist, zur Bestimmung der verbotenen Substanzen gleichzeitig aber auf die Liste verweist, welche von einer Bundes-Verwaltungsbehörde geführt wird.146 Diese dynamische Inkorporation ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Nicht nur wird die legislative Kompetenz, welche sich aus der Polizeimacht des Bundesstaates herleitet, partiell auf eine Verwaltungsbehörde übertragen, sondern es handelt sich zudem noch um die Behörde eines anderen Souveräns.147

D. Die Organisation der Strafverfolgung und Strafvollstreckung des Bundes D. Die Organisation der Strafverfolgung und Strafvollstreckung des Bundes

I. Aufbau und instanzielle Zuständigkeit der Bundesgerichte U. S. Const. Art. III widmet sich der dritten Gewalt des Bundes, der Judikative. Die Vorschrift selbst etabliert nur den U. S. Supreme Court als höchstes Gericht des Bundes. Die Zuständigkeit erstreckt sich gemäß U. S. Const. Art. III § 2 cl. 1 auf alle Fälle, die entweder die U. S. Constitution selbst oder das Recht des Bundes zum Gegenstand haben, Minister oder Botschafter der Vereinigten Staaten betreffen oder die maritime Zuständigkeit, des Weiteren Streitigkeiten, in welchen die USA selbst Partei sind oder solche zwischen zwei Bundesstaaten oder zwischen Bürgern zweier Bundesstaaten sowie zwischen einem Bundesstaat oder dessen Bürgern mit ausländischen Staaten oder Bürgern. U. S. Const. Art. III § 1 gibt aber ferner dem Congress das Recht, untere Bundesgerichte einzurichten und deren Zuständigkeitsbereiche festzulegen. Dies tat bereits der erste Congress durch den Judiciary Act des Jahres 1789.148 Später wurden die Zuständigkeiten der Bundesgerichte erweitert und spezifiziert. 143

LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 178 f. Supreme Court of Minnesota, State v. King, 257 N. W.2d 693, 697 (1977). 145 MINN. STAT. § 15.02, subd. 12, aus dem Jahr 1973. 146 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 176. 147 Zur Zulässigkeit dynamischer Inkorporationen des Rechts eines anderen Souveräns auf der Bundesebene siehe bereits oben 3. Kapitel B. II. 1. b). 148 The Judiciary Act of 1789, ch. 20, sec. 35, 1 Stat. 73, 92–93 (1789). 144

116

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

Das heutige Gerichtssystem des Bundes besteht aus drei Instanzen.149 Die unterste Ebene bilden die U. S. District Courts. In jedem Bundesstaat sowie außerdem im District of Columbia und in Puerto Rico besteht mindestens ein U. S. District Court des Bundes, insgesamt sind 94 solcher Gerichte über das Gebiet der Vereinigten Staaten verteilt, d. h. die Bundesstaaten sind teilweise im Hinblick auf die Gerichtszuständigkeit in mehrere Unterbezirke (districts) gegliedert; in besonders großen Bundesstaaten wie etwa Texas oder California, bestehen sogar vier districts. Die U. S. District Courts sind in sämtlichen Strafsachen als erste Instanz zuständig. In der Regel hat hier ein Einzelrichter den Vorsitz, in vielen Fällen wird die Entscheidung aber von Geschworenen (Trial Jury) gefällt.150 Die Zuständigkeit für die zweite Instanz, in welcher regelmäßig nur über Rechtsfragen verhandelt wird, liegt bei den U. S. Courts of Appeals. Hier sind jeweils mehrere der erstinstanzlichen Landkreise zu einem größeren Gerichtsbezirk (circuit) zusammengelegt. In den Vereinigten Staaten bestehen insgesamt 12 circuits und daher auch 12 U. S. Courts of Appeals. 11 dieser Gerichtsbezirke liegen in den Staatsgebieten der Bundesstaaten, den 12. bildet der District of Columbia. Diese Revisionsgerichte setzen sich aus drei Berufsrichtern zusammen. Höchstes Gericht des Bundes ist der bereits durch die U. S. Constitution eingeführte U. S. Supreme Court, dessen Entscheidungen die US-Verfassung oder wichtige Fragen des Bundesrechts betreffen. Er besteht aus dem Vorsitzenden (Chief Justice) und acht beisitzenden Richtern.

II. Staatsanwaltschaft, Bundespolizei und weitere mit Aufgaben der Strafrechtspflege betraute Bundesbehörden Der Judiciary Act des Jahres 1789151 schuf die Position des Generalbundesanwalts der Vereinigten Staaten (Attorney General of the United States).152 Der Attorney General ist das oberste Strafverfolgungsorgan und steht seit der Einrich149 Siehe dazu Von Mehren/Murray, S. 118 ff.; Schmid, S. 46 f.; vgl. auch die Website der USGerichte, abrufbar unter http://www.uscourts.gov/understand03/content_3_0.html; zuletzt abgerufen am 16.02.2009. 150 Das Recht auf eine Jury ist in U. S. Const. Art. III § 2 cl. 3 und in Zusatzartikel VI festgehalten. Es gilt indes nur für solche Straftaten mit einer Straferwartung von mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe; ansonsten entscheidet der Einzelrichter; darüber hinaus kann auf den Geschworenenprozess auch zu Gunsten des Prozesses vor einem Einzelrichter verzichtet werden; zum Geschworenenprozess im Strafrecht Dressler, S. 4; Fletcher/Sheppard, S. 243 ff.; von Mehren/Murray, S. 200 ff.; Schmid, S. 50 ff. Im Übrigen werden die Einzelheiten und Spezifika des US-amerikanischen Strafprozesses hier nicht weiter untersucht; diesbezüglich sei auf andere Abhandlungen verwiesen, so etwa auf Hay, Rn. 704 ff., oder Schmid, S. 35 ff.; vgl. ferner Weigend, ZStW 94 (1982), 200. 151 The Judiciary Act of 1789, ch. 20, sec. 35, 1 Stat. 73, 92–93 (1789). 152 Nähere Informationen auf der Website des US-Justizministeriums, abrufbar unter http:// www.usdoj.gov/02organizations; zuletzt abgerufen am 16.02.2009; siehe dazu auch Bumgarner, S. 30 ff.

D. Die Organisation der Strafverfolgung und Strafvollstreckung des Bundes

117

tung des US-Justizministeriums (Department of Justice) im Jahre 1870 auch an der Spitze desselben, welchem u. a. auch die Bundespolizei (F. B. I.) oder die Drogenkontrollbehörde (Drug Enforcement Administration, kurz: D. E. A.)153 unterstehen. Daneben wird die Strafverfolgung in jedem der districts durch einen Bundesstaatsanwalt (United States Attorney) geleitet, insgesamt sind dies 93 U. S. Attorneys, da die Gerichtsbezirke Guam und Northern Mariana Islands sich einen Staatsanwalt teilen.154 Diese werden wiederum unterstützt durch Assistant U. S. Attorneys,155 welche den Großteil der täglichen Dezernats-Arbeit bewältigen. Im Jahr 1999 waren in den Vereinigten Staaten insgesamt 4.773 Assistant U. S. Attorneys beschäftigt.156 Seit 1861 ist der Attorney General zwar anweisungsbefugt gegenüber den ihm unterstellten Staatsanwälten in den Bezirken, in der Praxis sind diese jedoch kaum beschränkt in ihrer Autorität und bezüglich der Ausübung ihres staatsanwaltlichen Ermessens.157 Dies hat seinen Grund im historischen Verständnis der Strafverfolgung als lokale Aufgabe. Diese Sicht prägt nicht nur die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten, sondern wirkt auch innerhalb des Strafrechtssystems des Bundes. Die Hauptverantwortlichkeit für die Strafverfolgung auf Bundesebene teilen sich die Criminal Division des US-Justizministeriums und die Büros der U. S. Attorneys.158 Auch die Organisation der Strafverfolgung und Strafrechtspflege des Bundes ist vergleichsweise dezentralisiert. 1996 nahmen 27 größere und institutionell getrennte Behörden Aufgaben der Ermittlung, Verfolgung und Vollstreckung von Straftaten wahr,159 deren Zuständigkeitsbereiche sich wiederum oftmals überschneiden. Ähnlich wie im Verhältnis von Bund und Bundesstaaten ist auch zwi-

153

Vgl. zur D. E. A. und ihrer Rolle bei der Drogenbekämpfung Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1150 ff. (1995); Bumgarner, S. 76 ff. 154 Nähere Informationen auf der Website des US-Justizministeriums, abrufbar unter http:// www.usdoj.gov/usao; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 155 Vgl. 28 U. S. C. § 542; weitere Informationen zu den Assistant U. S. Attorneys finden sich auf der Website der National Association of Assistant United States Attorneys (NAAUSA), www.naausa.org; zuletzt abgerufen am 17.02.2009; vgl. ferner Schmid, S. 39. 156 Abrams/Beale, S. 11; Livingston, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1253, 1254 (2002). 157 Goldstein, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1242 (2002); Livingston, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1253, 1254 (2002); vgl. auch Jeffries/Gleeson, 46 Hastings L. J. 1095, 1099 (1995); zum staatsanwaltlichen Ermessen siehe noch ausführlich unten 5. Kapitel C. I. 158 Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 45 (1996); vgl. zur Praxis der Arbeit der U. S. Attorneys auch Glazer, 26 Fordham Urb. L. J. 573 (1999). 159 Richman, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 698, 699 (2002). Abrams/Beale, S. 7, und Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 41 (1996), sprechen sogar von mehr als 50 verschiedenen Behörden, welche der Durchsetzung des Bundesstrafrechts dienen; vgl. auch Schmid, S. 36 ff., der immerhin 25 Behörden nennt; Bumgarner, S. 95 ff., S. 191 ff., Appendix C, zählt zudem 58 Inspektionsbehörden (Offices of Inspector General) auf, welche innerhalb der verschiedenen Bundesbehörden installiert wurden und diese kontrollieren und dabei auch strafrechtlich relevante Untersuchungen durchführen.

118

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

schen den einzelnen Behörden des Bundes eine reibungslose Zusammenarbeit nicht immer gewährleistet.160 Als von der Anzahl der Mitarbeiter her stärkste und gleichzeitig bedeutsamste Ämter sind hier etwa die Einwanderungsbehörde (Immigration and Naturalization Service), die Straftaten im Zusammenhang mit dem illegalen Aufenthalt ermittelt, das Federal Bureau of Prisons, welchem die Strafvollstreckung in den Bundesgefängnissen obliegt, die Zollbehörde (U. S. Customs Service), welche den Schmuggel von Waren untersucht, und schließlich das F. B. I. zu nennen, welches seit seiner Einrichtung im Jahr 1908 für die Aufklärung der meisten Taten im Zusammenhang mit dem Bundesrecht zuständig ist.161 Als älteste Behörde gilt der U. S. Marshals Service.162 Er lässt sich als Polizei der Bundesgerichte („enforcement arm of the federal courts“163) beschreiben und wurde bereits im Jahr 1789 eingerichtet. U. S. Marshals operieren in allen 94 Gerichtsbezirken. Ihre Zuständigkeiten waren in den Anfängen sehr umfangreich,164 sind teilweise inzwischen aber von anderen Behörden übernommen worden. Die Aufgaben der U. S. Marshals umfassen heute u. a. den Schutz der Gerichtspersonen, die Ergreifung von Straftätern auf der Flucht vor der Justiz, den Transport der Häftlinge oder auch die Einziehung von Gegenständen.165 Auch die U. S. Marshals unterstehen seit dem Jahr 1870 dem Department of Justice. Viele Behörden sind jedoch auch unabhängig, wie etwa der Geheimdienst (Secret Service) oder die Postinspektoren, welche etwa zuständig sind für den Betrug unter Verwendung der Post.166 Die Vielzahl verschiedener Behörden mag wiederum als Ausdruck der traditionellen Skepsis gegenüber einer Konzentration von Macht, etwa in Form einer zentralen Bundespolizeibehörde, zu verstehen sein.167 Die mit Aufgaben der Strafrechtspflege betrauten Behörden sind dabei auch strukturell recht unterschiedlich organisiert.168 160

Vgl. Glazer, 26 Fordham Urb. L. J. 573, 584 ff. (1999). Abrams/Beale, S. 7 ff.; Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 44 (1996); Richman, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 698, 699 (2002). 162 Vgl. die Website des U. S. Marshals Services, abrufbar unter http://www.usmarshals.gov/ index.html; zuletzt abgerufen am 17.02.2009; vgl. dazu auch Bumgarner, S. 29 ff., 70 ff. 163 So die Selbstauskunft im Fact Sheet des U. S. Marshals Services, abrufbar unter http:// www.usmarshals.gov/duties/factsheets/index.html; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 164 Vgl. zur Historie Bumgarner, S. 29 ff., sowie die Informationen des U. S. Marshals Services, abrufbar unter http://www.usmarshals.gov/history/index.html; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 165 Vgl. die Selbstauskunft im Fact Sheet des U. S. Marshals Services, abrufbar unter http:// www.usmarshals.gov/duties/factsheets/index.html; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 166 Der Secret Service ist ebenso wie der Customs Service nun dem Department of Homeland Security unterstellt; vgl. Abrams/Beale, S. 7 ff.; zum Secret Service vgl. ferner Bumgarner, S. 92 ff. 167 Richman, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 698, 701 (2002). 168 Dies kann auch Probleme bei der Kooperation der Bundesbehörden hervorrufen; vgl. dazu Bumgarner, S. 154 ff. 161

D. Die Organisation der Strafverfolgung und Strafvollstreckung des Bundes

119

Entstehung und Geschichte der einzelnen Behörden sind eng verwoben mit der Entwicklung der Kriminalität, aber auch des Strafrechts des Bundes. Neue Kriminalitätsfelder schufen Probleme der Verfolgung und damit auch dazugehörige Behörden. Das F. B. I. etwa wurde erst 1908 durch Exekutivakt des US-Präsidenten Theodore Roosevelt eingerichtet und hatte in seinen Anfängen nur 20 fest angestellte Mitarbeiter.169 Seine Kompetenzen sowie die Zahl der Beamten wurden im Laufe der Jahre stetig erweitert. Heute beschäftigt das F. B. I. 31.676 Personen.170 Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehören die Bekämpfung von Terrorismus, Spionage, Computerkriminalität, Korruption, Organisiertem Verbrechen, Wirtschaftskriminalität sowie besonders schwerer Gewaltkriminalität.171

III. Strafverfolgungszuständigkeit Alleine die oben172 angeführte Feststellung, dass gewisse Traditionen des internationalen Rechtsraumes auch das Verständnis der U. S. Constitution prägen und den Vereinigten Staaten als Nationalstaatsgebilde z. B. hiernach selbstverständlich die Zuständigkeit für ihre Territorien zukommt, gereicht einerseits nicht zur Klärung der Jurisdiktion innerhalb des US-amerikanischen Strafrechtssystems – denn hier kommt es vielmehr zu einer weiteren Aufteilung zwischen Bund und Bundesstaaten – und gibt andererseits auch keine Hinweise darauf, wann eine Straftat überhaupt als innerhalb eines gewissen Territoriums begangen gilt. Erstere Erwägung wurde bereits ausreichend behandelt. Nach der US-amerikanischen Staatstheorie und dem Verständnis des Föderalismus sind – zumindest vom Grundsatz her – die Bundesstaaten für ihre Territorien verantwortlich, der Bund für sein Hoheitsgebiet sowie für den länderübergreifenden und den transnationalen Bereich.173 Der zweite Punkt könnte aber durchaus unter dem Begriff eines US-amerikanischen „Strafanwendungsrechts“ erörtert werden. Es ist eine durch das Bundesrecht selbst bzw. die Bundesgerichte zu klärende Frage, auf welche Sachverhalte sich das Recht des Bundes erstreckt bzw. ob ein Sachverhalt auch im konkreten Fall unter das jeweilige Strafgesetz fällt.174 Aus konstitutioneller Sicht kann der 169 Brandl, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 686, 687 (2002); Richman, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 698, 700 (2002); zur Geschichte des F. B. I. siehe auch Bumgarner, S. 51 ff. 170 So im Dezember 2008 laut Website des F. B. I., abrufbar unter http://www.fbi.gov/ quickfacts.htm; zuletzt abgerufen am 17.02.2009; siehe zur Struktur des F. B. I. ferner Brandl, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 686, 692 (2002). 171 Vgl. die Website des F. B. I., abrufbar unter http://www.fbi.gov/quickfacts.htm; zuletzt abgerufen am 17.02.2009; siehe zu den Schwerpunkten der Tätigkeit des F. B. I. ferner Brandl, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 686, 692 f. (2002); Bumgarner, S. 65. 172 Oben 3. Kapitel B. II. 173 Siehe zu den völkerrechtlichen Grundlagen der Kompetenz bereits oben 3. Kapitel B. II. 174 Für die entsprechende Interpretation der Strafvorschriften spielen dann wiederum die Prinzipien des internationalen Rechts eine Rolle; vgl. Welling/Beale/Bucy, S. 23 ff.

120

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

Bund zwar Strafgesetze für seine Territorien erlassen und Straftaten verfolgen, die in diesen Gebieten begangen wurden. Dabei muss aber festgelegt werden, wann eine Straftat als innerhalb dieses Territoriums begangen anzusehen ist und damit vom Recht und der Jurisdiktion des Bundes im Sinne der Verfolgungszuständigkeit erfasst ist. Für die Abgrenzung der Jurisdiktionsbereiche galt nach den Grundsätzen des common law zunächst, dass eine Straftat nur einen Tatort (situs) haben kann (single-situs concept). Nach dem (hier wiederum so genannten) Territorialitätsprinzip175 war dabei derjenige Staatskörper zuständig, auf dessen Hoheitsgebiet dieser Tatort liegt, was besonders problematisch sein kann, wenn mehrere Teilhandlungen zum Erfolg führen bzw. wenn der Ort der Handlung, des Schadenseintritts und des Erfolgs auseinander fallen.176 Zur Bestimmung des Tatorts war bei Distanzdelikten nach dem Verständnis des common law zudem nur der Ort Ausschlag gebend, an welchem das Tatmittel das Opfer erreicht, also z. B. nicht der Ort an dem der Tod eintritt, sondern derjenige, an welchem die tödliche Kugel das Opfer trifft.177 Danach wäre der Bund z. B. nur dann zuständig, wenn der Täter auf das Opfer schießt und dieses sich in dem Moment, in welchem es von der tödlichen Kugel getroffen wird, auf Hoheitsgebiet des Bundes, etwa auf einem US-amerikanischen Schiff oder in einem Postamt etc., befunden hat, nicht aber, wenn der Täter vom Territorium des Bundes aus auf sein Opfer schießt und dieses an einem Ort außerhalb seines Hoheitsgebietes getroffen wird.178 Zu beachten ist, dass der Congress durchaus von diesen Prinzipien des common law – sowohl nach den international anerkannten Grundsätzen als auch nach der U. S. Constitution – abweichen und den Anwendungsbereich seiner Vorschriften erweitern könnte, dies aber nur selten getan hat, sodass die traditionelle Sicht in vielen Feldern weiterhin vorherrscht.179 Diese Grundsätze werden aber durch zwei Erweiterungen ergänzt. Zum einen ist die Existenz von Dauerdelikten, wie etwa Freiheitsberaubung und Entführung, anerkannt, bei welchen tatsächlich mehrere Tatorte in verschiedenen Zuständigkeitsbereichen anzunehmen sein können.180 Zum anderen wird inzwischen auch eine so genannte „effects doctrine“181 angewandt, nach welcher die Zuständigkeit 175 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 277, verwendet daneben die Bezeichnung „subjective territorial principle“, welche hier etwas irreführend sein könnte, da offenbar auf objektive Kriterien – das objektive Gelegensein des Tatorts – abgestellt wird. 176 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 277 f.; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 833. 177 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 277 f.; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 833. 178 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 278; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 833. 179 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 278; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 833. 180 LaFave/Israel/King/Kerr, S. 693. 181 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 278 f., verwendet hierfür nun wiederum auch die Bezeichnung „objective territorial principle“, welche ebenfalls missverständlich sein könnte, da hier nun (auch) subjektive Kriterien – die Intention des Täters – Ausschlag gebend sein sollen.

D. Die Organisation der Strafverfolgung und Strafvollstreckung des Bundes

121

des Bundes etwa auch dann besteht, wenn der Ort der Handlung zwar außerhalb seines Hoheitsgebietes lag, es gleichwohl aber Intention des Täters war, dass die Tat besondere Auswirkungen in dessen Hoheitsgebiet entfaltet.182 Im Übrigen erstreckt sich die Zuständigkeit des Bundes aber auch auf viele Bereiche außerhalb seines Hoheitsgebietes, d. h. auf das Gebiet der Bundesstaaten oder den internationalen Raum. Insofern ließe sich sagen, dass die Strafverfolgungsbehörden des Bundes im Vergleich zu denen der Bundesstaaten eine relativ weit reichende örtliche Zuständigkeit haben, denn das F. B. I. operiert beispielsweise auf dem gesamten Staatsgebiet der Vereinigten Staaten, inhaltlich jedoch beschränkt auf die nach Bundesrecht verfolgbaren Straftaten.183 Das Territorialitätsprinzip hat daher ein größeres Gewicht für die Abgrenzung der Zuständigkeit der Bundesstaaten. Denn zum einen ist die Bedeutung der Straftaten in den Hoheitsgebieten des Bundes im Vergleich zur Masse der Straftaten nach Bundes- oder einzelstaatlichem Recht innerhalb der Territorien der Bundesstaaten eher gering und zum anderen ist es für einen Straftäter weniger erheblich, welches Bundesgericht ihn verfolgt, da jeweils dasselbe Bundesrecht angewandt wird, während die Unterschiede zwischen den Strafrechtsordnungen der Bundesstaaten und insbesondere der Straferwartungen teilweise signifikant sind.184

IV. Örtliche Gerichtszuständigkeit Während es bei der Bestimmung der Verfolgungszuständigkeit (jurisdiction) um die Zuordnung zur richtigen Ebene geht, legt auf der anderen Seite das Strafprozessrecht fest, welcher Gerichtsbezirk für einen bestimmten Sachverhalt örtlich zuständig ist. Dabei ist der genaue Ort (venue) der Strafverfolgung und des Prozesses angesprochen.185 Auch für die Zuweisung der örtlichen strafprozessualen Zuständigkeit an die einzelnen Gerichte und Staatsanwaltschaften, also bei der Festlegung des Ortes der Strafverfolgung, gelten sehr ähnliche Erwägungen. Nach dem Verständnis des common law findet im Strafprozessrecht die Formel der Tatbegehung (crime-committed formula) Anwendung, nach welcher ein Staatsgebiet in Bezirke aufzuteilen und ein Strafverfahren in dem Bezirk durchzuführen ist, in welchem die Tat begangen wurde.186 Diese Formel ist oftmals in der Verfassung, im Übrigen aber jedenfalls in den Strafprozessordnungen der Bundes182 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 278 ff.; vgl. den Fall vor dem U. S. Court of Appeals (9th Cir.), United States v. Hill, 279 F.3d 731 (2002), in welchem die Angeklagte ihren Ehemann in Mexiko versteckte, damit er seinen Zahlungsverpflichtungen in den Vereinigten Staaten entgehen konnte; nach der „effects doctrine“ waren die Bundesgerichte zuständig. 183 Vgl. Bumgarner, S. 2, zur allgemeinen Wahrnehmung des F. B. I. als Behörde mit der am weitesten gehenden Zuständigkeit. 184 Siehe zu Unterschieden im Strafrecht der Bundesstaaten noch unten das 4. Kapitel. 185 Zur Unterscheidung von jurisdiction und venue siehe LaFave/Israel/King/Kerr, S. 692 ff. 186 LaFave/Israel/King/Kerr, S. 708 ff.

122

3. Kap.: Das Strafrecht des Bundes

staaten festgehalten.187 So ist denn auch das Staatsgebiet der Vereinigten Staaten in doppelter Hinsicht in Gerichtsbezirke unterteilt. Auf Bundesebene sind dies die districts, auf einzelstaatlicher Ebene in der Regel die counties. Nach 18 U. S. C. § 3231 sind nach dem Strafprozessrecht des Bundes die U. S. District Courts grundsätzlich für alle Straftaten nach Bundesrecht zuständig. Die Bestimmung des richtigen Gerichts ist auf Bundesebene den Federal Rules of Criminal Procedure zu entnehmen. Regel Nr. 18 legt fest, dass die Strafverfolgung in dem Bezirk vorzunehmen ist, in welchem die Tat verübt wurde. Bei Dauerdelikten sind die Behörden sämtlicher Gerichtsbezirke zuständig, in welchen die Tat begonnen, fortgesetzt oder beendet wurde, 18 U. S. C. § 3237 (a). Viele Delikte nach Bundesrecht knüpfen an einen Bezug zum zwischenstaatlichen Handel an und ermöglichen dadurch eine zumindest theoretische örtliche Zuständigkeit der Strafverfolgungsorgane mehrerer Bezirke.188 Zudem wird teilweise eine Spezialgerichtsbarkeit für bestimmte Delikte festgelegt. Für Straftaten auf hoher See oder an sonstigen Orten außerhalb der Vereinigten Staaten erklärt beispielsweise 18 U. S. C. § 3238 die Behörden desjenigen districts für zuständig, in welchem der Beschuldigte festgenommen wird oder in welchen er zuerst verbracht wird.

187 188

LaFave/Israel/King/Kerr, S. 710. LaFave/Israel/King/Kerr, S. 723 ff.

4. Kapitel

4

Das Strafrecht der Bundesstaaten 4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

A. Das System der dezentralen Strafrechtspflege A. Das System der dezentralen Strafrechtspflege

Aus Sicht der U. S. Constitution haben die Bundesstaaten den Charakter eigenständiger Souveräne. Ihnen soll nach dem Verständnis der Väter der US-Verfassung die wesentliche legislative, exekutive und judikative Kompetenz zustehen, während der Bund nur über die in der U. S. Constitution aufgelisteten Kompetenzen verfügt. Die Einzelstaaten haben völlig unbestritten die Polizeimacht innerhalb ihres Staatsgebietes.1 Zu diesem Recht der Bundesstaaten, ihre eigenen Angelegenheiten und den Schutz der persönlichen Freiheiten und Rechte der Bürger in ihrem Staatsgebiet zu regeln, gehören auch Gesundheit, Sicherheit, Ordnung, Wohlstand sowie Fragen der Moral und Ethik, eben alles, was das Zusammenleben in einem Gemeinwesen ausmacht,2 und in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch die Befugnis, wenn notwendig, zu strafen. Der U. S. Supreme Court nennt dies das historische Recht und die historische Pflicht der Bundesstaaten, in ihren Gebieten Ordnung und Frieden aufrecht zu erhalten.3 Die Bundesstaaten tragen die Hauptverantwortlichkeit, Straftaten zu bestimmen und zu verfolgen,4 so wie sie auch vom Grundprinzip der U. S. Constitution her wichtigster Akteur der Gesetzgebung sein sollen. Daher verfügt jeder Bundesstaat auch über ein eigenständiges, in einem Strafgesetzbuch (Penal Code) kodifiziertes Strafrechtssystem. Strafrecht und Strafverfolgung sind vom Grundsatz des US-amerikanischen Verfassungsgefüges her dezentral und lokal organisiert. Dass die einzelnen Strafrechtsordnungen dabei teilweise große Unterschiede aufweisen, ist nach US-amerikanischem Verfassungsverständnis nicht nur hinzunehmende Folge der Souveränität der Bundesstaaten, sondern sogar erwünschter 1 Vgl. nur Chemerinsky, S. 234; Dressler, S. 38; Dubber, Einführung, S. 5; ders., Police Power, S. 81 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 269, 294; siehe bereits oben 1. Kapitel sowie 2. Kapitel B. III. 2 Ausführlich zur Polizeimacht der Bundesstaaten in Abgrenzung zu den Kompetenzen des Bundes Dubber, Police Power, S. 86 ff.; speziell für Massachusetts Nolan/Sartorio, S. 11, mit dem Hinweis darauf, dass Gesetze, die auf die Polizeimacht der Bundesstaaten gestützt sind, dann auch (1) ein damit verbundenes Ziel verfolgen müssen und dabei (2) auch vernünftig eingeschätzt werden muss, ob das Ziel erreicht werden kann. 3 U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121, 137 (1959). 4 U. S. Supreme Court, Abbate v. United States, 359 U. S. 187, 195 (1959); vgl. auch Van Alstyne, 26 Am. Crim. L. Rev. 1740, 1742 (1989).

124

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Effekt des föderalen Systems. Zu den besonderen Vorteilen und Errungenschaften des modernen Föderalismus zählt neben den klassischen Zielen der Verhinderung von Tyrannei und zu großer Machtkonzentration sowie Stärkung der Demokratie durch höhere Einflussmöglichkeiten der Bürger in kleinerem, überschaubarerem Rahmen, insbesondere auch die Flexibilität bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme.5 Zudem mögen in verschiedenen Gegenden des Landes andere Probleme auftreten bzw. sich andere Lösungen anbieten.6 Verfassungsrichter Kennedy führte im Fall United States v. Lopez aus,7 es sei zwar höchst zweifelhaft, dass irgendein Staat oder irgendeine vernunftbegabte Person es für eine gute Idee halte, Schülern die Erlaubnis zu erteilen, Waffen mit in die Schule zu nehmen, gleichwohl bestünde aber ein Dissens darüber, wie dieses Ziel zu erreichen bzw. wie auf Verstöße zu regieren sei. Die Bundesstaaten könnten gleichsam als „Laboratorien“ dienen, in welchen sich unterschiedliche Strategien erproben lassen.8 Noch deutlicher mag dies in einem anderen Bereich, nämlich im Betäubungsmittelstrafrecht, zu Tage treten. Es mag hier durchaus ein Konsens darüber bestehen, dass der Drogenmissbrauch ein zu bekämpfendes gesellschaftliches Problem darstellt. Die Palette der Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen Drogenhandels kann aber von besonders harschen Strafen für Konsumenten bis hin zur Entkriminalisierung reichen. Die Werte- und Moralvorstellungen differieren innerhalb der Bundesstaaten teilweise gewaltig. Lokale Couleur in gesellschaftspolitischen Fragen war nicht nur Auslöser des nordamerikanischen Bürgerkrieges, sondern ist auch heute noch Kennzeichen der unterschiedlichen Strafrechtsordnungen der Bundesstaaten. Sie wird durchaus auch als besonderer Wert wahrgenommen, den es mittels des föderalen Systems zu wahren gilt.9 Sind die Bundesstaaten somit zwar grundsätzlich völlig frei in ihrer strafrechtlichen Gesetzgebung, so gilt dies dennoch mit der Einschränkung, dass ihr Recht nicht gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen oder in Konflikt mit einfachem Bundesrecht geraten darf.10 Nachdem der U. S. Supreme Court unter Vorsitz des Verfassungsrichters Warren festgestellt hatte, dass auch das Straf- und Strafprozessrecht der Gliedstaaten an der U. S. Constitution zu messen ist,11 nahm das höchste Gericht teilweise einen wesentlichen Einfluss auf die Praxis der Bundesstaaten. 5

Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 165 ff. Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 165 ff. 7 U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 581 (1995). 8 U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 581 (1995); vgl. auch den Ausdruck „fifty labs federalism“ bei Markel, 4 Ohio St. J. Crim. L. 573, 581 (2007). 9 Schließlich können die Bürger somit auch wählen, in welchem Staat, mit welchen Werten sie leben möchten; vgl. McGimsey, 90 Calif. L. Rev. 1675, 1683 ff. (2002); Stone/Seidman/ Sunstein/Tushnet/Karlan, Constitutional Law, S. 165 f.; zur Vielfalt der politischen Kultur innerhalb der Vereinigten Staaten siehe auch Gerston, S. 117 ff. 10 Siehe zur Vorrangklausel (supremacy clause) bereits oben 2. Kapitel D. 11 Vgl. etwa U. S. Supreme Court, Mapp v. Ohio, 367 U. S. 643 (1961); Robinson v. California, 370 U. S. 660 (1962). 6

B. Model Penal Code und Uniform Law Commission

125

B. Model Penal Code und Uniform Law Commission B. Model Penal Code und Uniform Law Commission

Eine Erörterung des Strafrechts der Bundesstaaten muss im Übrigen zunächst mit der Erwähnung des Modellstrafgesetzbuches (Model Penal Code, kurz: MPC) beginnen, welches vom American Law Institute, welchem Richter, Rechtsanwälte und Hochschullehrer angehören, in den 1950er Jahren entworfen und dessen finale Version im Jahr 1962 offiziell veröffentlicht wurde.12 Der MPC ist nach den Worten Dubbers13 so etwas wie der kleinste „gemeinsame Nenner“ des US-amerikanischen Strafrechts. Denn die Strafgesetzbücher von nahezu 40 Bundesstaaten wurden nach Veröffentlichung des Modellstrafgesetzbuches neu gefasst oder reformiert und nach dessen Vorbild umstrukturiert, wenngleich kein einziger Bundesstaat den MPC vollständig übernommen hat und manche ihn sogar völlig ignoriert haben.14 Gleichzeitig bildet das Musterstrafgesetzbuch auch die Grundlage der Interpretation bestehender Vorschriften in vielen Gerichtsentscheidungen selbst in Bundesstaaten, welche, wie etwa California, ihre Strafgesetze nicht anhand des MPC gestaltet haben.15 Denn die Gesetzesvorschriften des MPC sind selbst sehr ausführlich formuliert, enthalten eine Vielzahl von Definitionen und geben daher viele der bis dahin nur überlieferten Ansichten des common law wieder. Er ist nicht nur Gesetzbuch, sondern auch eine Zusammenfassung der wichtigsten Grundsätze des US-amerikanischen Strafrechts.16 Zudem hat das American Law Institute inzwischen auch einen siebenbändigen Kommentar zum MPC veröffentlicht.17 Der 12 Eine deutsche Übersetzung aus dem Jahr 1965 findet sich bei Honig, MPC, eine Erklärung und Analyse des Aufbaus des MPC und der Vorschriften des Allgemeinen Teils bei Honig, ZStW 75 (1963), 63; grundlegend zu Ursprüngen und Intentionen des MPC Dubber, Einführung, S. 2 ff.; ders., MPC, S. 7 ff.; Kadish, 19 Rutgers L. J. 521 (1988); McClain/Kahan, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 412, 422 ff. (2002); Wechsler, 65 Harvard L. Rev. 1097 (1952); vgl. aber auch Dubber, 4 Buff. Crim. L. Rev. 53 (2000), zur Notwendigkeit eines neuen Model Penal Codes, dessen strafrechtspolitische Grundannahmen aus der Nachkriegszeit im Hinblick auf den Umgang mit den Tätern heute weitgehend durch Aspekte der Vergeltung und eine rationale Strafrechtspolitik durch die verschiedenen Szenarien des „Krieges gegen das Verbrechen“ ersetzt worden seien. Eine Rekonstruktion der Grundlagen sowie der Bedeutung des MPC für die Strafgesetzgebung der Vereinigten Staaten sei daher erforderlich; vgl. auch die kritischen Anmerkungen von Dubber, 91 J. Crim. L. & Criminology 829 (2001), betreffend die Politik des „Wegsperrens“ im Zuge des „War on Crime“; vgl. zur Frage der Notwendigkeit eines europäischen Modellstragesetzbuches Sieber, JZ 1997, 369; ders., GS Schlüchter, 2002, S. 107, 115 f.; kritisch Weigend, ZStW 105 (1993), 774, 790 ff. 13 Dubber, Einführung, S. 16. 14 Dressler, S. 33; Dubber, Einführung, S. 16; Low, 19 Rutgers L. J. 539 (1988); McClain/ Kahan, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 412, 424 (2002); Weigend, ZStW 105 (1993), 774, 791. 15 Dressler, S. 3; Dubber, Einführung, S. 17; Herrmann, JZ 1985, 602, 603. 16 Dubber, 4 Buff. Crim. L. Rev. 53, 60 (2001): „It was as much a criminal law treatise as it was a criminal law code“. 17 Sowohl der Text des MPC als auch die Kommentare sind über die Website des American Law Institute erhältlich unter www.ali.org.

126

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

MPC bildet heute Basis der meisten strafrechtlichen Lehrbücher. Auch die Mehrzahl der juristischen Fakultäten der Vereinigten Staaten legt ihren Lehrveranstaltungen im Strafrecht ausschließlich den MPC zu Grunde.18 Hauptgrund für die Ausarbeitung eines Musterstrafgesetzbuches war der missliche Zustand der Strafgesetze der Einzelstaaten und des Bundes. Viele Vorschriften der Bundesstaaten basierten im Wesentlichen auf Vorstellungen des common law, beschränkten sich oftmals darauf, das Verbrechen und einen Strafrahmen zu benennen, während die Ausfüllung des Tatbestandes dem Richterrecht entnommen und überlassen wurde.19 Es erschien den Verfassern des MPC insbesondere bedeutsam, das common law, soll heißen: das Gewohnheits- und Richterrecht, zurückzudrängen und die Strafgesetzgebung der Legislative zuzuweisen. Zum anderen sollte Ordnung in die in mehr als 150 Jahren unstrukturiert erlassenen Strafvorschriften gebracht werden. Als besondere Errungenschaft des MPC gilt die Entwicklung eines Allgemeinen Teils.20 Es ist wichtig hier darauf hinzuweisen, dass sein Ziel nicht die Vereinheitlichung des Rechts innerhalb der Vereinigten Staaten war.21 Er sollte vielmehr ein Vorschlag sein, wie ein amerikanisches Strafgesetzbuch besser gestaltet werden könnte und enthält zu diesem Zwecke eine umfassende Kodifikation der Strafnormen, allgemeinen Regeln der Strafbarkeit sowie der Rechtfertigungs- und Exkulpationsgründe, Sanktionen etc., welche den Verfassern vernünftig erschienen. Obgleich es Vorschläge unterbreiten soll, enthält das Mustergesetz lediglich die Lösung, welche die Mitglieder des American Law Institutes für vorzugswürdig erachteten. Jeweils waren und sind also Alternativen denkbar, deren Formulierung indes nicht Aufgabe des MPC sein sollte. Neben dem MPC des American Law Institutes müssen die Bemühungen einer weiteren Institution Erwähnung finden. Die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws22 setzt sich für die Uniformität des Rechts der Bundesstaaten in bestimmten Bereichen ein. Die über 300 Kommissionsmitglieder stammen 18 Kadish, 19 Rutgers L. J. 521 (1988); vgl. aber auch die Hinweise von Dubber, 4 Buff. Crim. L. Rev. 53, 60 (2000), und Fletcher, 1 Buff. Crim. L. Rev. 275, 278 (1998), der MPC habe bemerkenswert wenige kritische Kommentare hervorgerufen und letztlich sogar verhindert, dass sich in der US-amerikanischen Strafrechtswissenschaft und Literatur so etwas wie eine Kultur strafrechtlicher Abhandlungen, Aufsätze und Kommentare entwickeln konnte; nach Weik, S. 5, hat er hingegen die „wissenschaftliche Diskussion […] nachhaltig stimuliert“. 19 Wechsler, 65 Harvard L. Rev. 1097, 1098 ff. (1952); vgl. auch Kadish, 19 Rutgers L. J. 521, 537 (1988); zum weiterhin bestehenden Einfluss des common law im Recht der Bundesstaaten s. auch Schmid, S. 25 ff. 20 Weik, S. 89; vgl. zu den Vorschriften des allgemeinen Teils des MPC Honig, ZStW 75 (1963), 63. 21 McClain/Kahan, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 412, 424 (2002); Weigend, ZStW 105 (1993), 774, 791; Wössner, S. 25; vgl. aber Honig, ZStW 75 (1963), 63, 64. 22 Siehe deren Website unter www.nccusl.org; zuletzt abgerufen am 17.02.2009; vgl. auch Hay, Rn. 18; Schmid, S. 31.

C. Signifikante Unterschiede im Strafrecht der Bundesstaaten

127

aus sämtlichen Bundesstaaten, ihre Berufung wird – teilweise auch gesetzlich – von den Einzelstaaten selbst festgelegt. Seit dem Jahr 1892 untersucht sie, in welchen Feldern ihr eine einheitliche Rechtslage in allen Bundesstaaten erforderlich erscheint und unterbreitet konkrete Vorschläge für eine Regelung, so genannte „Uniform Acts“. Gleichwohl bleibt die Umsetzung selbstverständlich den Bundesstaaten überlassen. Außerdem wird eine Einheitlichkeit der Rechtsordnungen eben – im Strafrecht wie in anderen Rechtsbereichen – nur in bestimmten Ausnahmefällen erstrebenswert sein.23

C. Beispiele signifikanter Unterschiede im materiellen Strafrecht der Bundesstaaten C. Signifikante Unterschiede im Strafrecht der Bundesstaaten

Hier kann kein umfassender Vergleich der Strafrechtsordnungen der Bundesstaaten geleistet werden, denn die Vielfalt der Strafgesetzbücher dürfte sich trotz Existenz des MPC weiterhin wenig von der etwa innerhalb der Europäischen Union anzutreffenden Palette strafrechtlicher Regelungen unterscheiden. Dies betrifft die Entscheidung über die Strafwürdigkeit eines Verhaltens und Voraussetzungen des Tatbestandes ebenso wie das Strafmaß, Vorschriften des Besonderen Teils ebenso wie solche des Allgemeinen Teils, materielles Recht ebenso wie das Prozessrecht.24 In einer interessanten komparativen Untersuchung aus dem Jahr 2000 analysierten und evaluierten die Verfasser die Strafgesetzbücher der Bundesstaaten und unterzogen sie anhand eines Punktesystems einer abschließenden Bewertung.25 Als Kriterien für die Einstufung eines Strafgesetzbuches wurden dabei insbesondere folgende Faktoren angeführt: möglichst umfassende Kodifizierung zum Zwecke möglichst hoher Bestimmtheit des Rechts26 (Unterpunkte waren dabei: möglichst weit gehende Kodifizierung des strafbaren Verhaltens, möglichst viele Definitionen der Tatbestandsmerkmale und möglichst umfassende Aufnahme allgemeiner Bestimmungen wie etwa von Rechtfertigungsgründen, jeweils mit dem Ziel des Ausschlusses des Gewohnheitsrechts des common law), klare Strukturierung und 23

Eine Übersicht über sämtliche Uniform Acts der Vereinigten Staaten findet sich im Internet unter www.lawsource.com/also/usa.cgi?usm; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 24 Vgl. auch zu der durchaus unterschiedlich gehandhabten Frage der Registrierung von Straftätern Markel, 4 Ohio St. J. Crim. L. 573 (2007). 25 Robinson/Cahill/Mohammad, 95 Nw. U. L. Rev. 1 (2000). 26 Auch im US-amerikanischen Recht gilt der Bestimmtheitsgrundsatz; so entschied zumindest der U. S. Supreme Court, Giaccio v. Pennsylvania, 382 U. S. 399, 402 f. (1966); City of Chicago v. Morales, 527 U. S. 41, 56 (1999), dass ein Verstoß gegen die Grundsätze des rechtsstaatlichen Verfahrens und rechtlichen Gehörs (due process) aus den Zusatzartikeln V und XIV vorliegt, wenn ein Gesetz zu vage ist und nicht über hinreichende Standards verfügt, sodass der Bürger nicht wissen kann, wann er sich strafbar macht, und nicht gegen willkürliche und diskriminierende Verfolgung geschützt ist; vgl. auch Dubber, Einführung, S. 15.

128

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Verständlichkeit des Gesetzestextes sowie nachvollziehbare Kriterien in Bezug auf Verantwortlichkeit und Strafmaß.27 Diese Anforderungen dienen sämtlich der Effizienz des Gesetzes, insbesondere auch durch Stärkung des Normverständnisses des Bürgers. Hier zeigt sich, dass trotz des Musters des MPC das common law in einigen Bundesstaaten durchaus noch eine Rolle spielt. Seine Bedeutung war jedoch vor Veröffentlichung des MPC weitaus größer. Das US-amerikanische Strafrecht basiert auf dem common law Englands, die Existenz des richterlichen Gewohnheitsrechts war daher seit seinen Anfängen selbstverständlich. Noch bis in die 1960er Jahre waren die Weiterentwicklung des bestehenden und die Findung neuen Rechts durch die Richter durchaus gebräuchlich.28 Es gehörte zu den besonderen Zielen und Errungenschaften des MPC, das Richterrecht weitgehend zu beseitigen. Während viele Bundesstaaten die Vorschrift MPC § 1.05 (1) übernommen haben, in welcher der Grundsatz nulla poena sine lege kodifiziert ist, lässt sich anderen Strafgesetzbüchern aber auch weiterhin kein solcher Ausschluss des Gewohnheitsrechts entnehmen.29 Der Bundesstaat Rhode Island lässt Straftaten nach dem common law in seiner Vorschrift R. I. Gen. Laws § 11-1-1 (2008) sogar ausdrücklich zu. Dort heißt es: Jede Handlung oder Unterlassung, welche eine Straftat nach dem common law darstellt und für welche keine Strafe in diesem Strafgesetzbuch vorgesehen ist, kann als Straftat nach dem common law verfolgt werden.30 Rhode Island belegte folgerichtig in besagter Studie in der Disziplin der möglichst hohen Bestimmtheit des Rechts auch den vorletzten Platz.31 Neben dem Fortbestehen gewohnheitsrechtlicher Regelungen lassen sich auch im kodifizierten Recht viele Abweichungen ausmachen, deren genaue Untersuchung speziellen Abhandlungen überlassen bleiben muss. Im Folgenden soll kurz auf einige besonders hervorstechende Unterschiede hingewiesen werden.

27

Robinson/Cahill/Mohammad, 95 Nw. U. L. Rev. 1, 6 ff. (2000). Vgl. Dubber, Einführung, S. 7 ff. 29 Vgl. Robinson/Cahill/Mohammad, 95 Nw. U. L. Rev. 1, 25 (2000). 30 R. I. Gen. Laws § 11-1-1: Every act and omission which is an offense at common law, and for which no punishment is prescribed by the general laws, may be prosecuted and punished as an offense at common law. 31 Vgl. Robinson/Cahill/Mohammad, 95 Nw. U. L. Rev. 1, 24 (2000). Schlechter bewertet wurde nur West Virginia, da bei der Einstufung neben dem Ausschluss des common law (das Strafgesetzbuch von West Virginia enthält diesbezüglich keine Aussage) auch weitere Kriterien wie Definitionen der Tatbestandsmerkmale und möglichst umfassende Aufnahme allgemeiner Bestimmungen berücksichtigt wurden. 28

C. Signifikante Unterschiede im Strafrecht der Bundesstaaten

129

I. Todesstrafe Das erste Beispiel sei dem Sanktionsrecht entnommen. Die Todesstrafe bildet das bekannteste und daher hier auch zuvorderst behandelte Beispiel für die Diversität des Strafrechts der Bundesstaaten. Die Rechtsordnungen der Bundesstaaten geben diesbezüglich ein äußerst uneinheitliches Bild ab. Unterschiede bestehen zum einen darin, ob die Todesstrafe überhaupt als mögliche Sanktion akzeptiert und in den Strafgesetzbüchern vorgesehen ist, zum anderen welche Delikte dafür in Frage kommen und schließlich hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen der Tatbestände oder der bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Faktoren. Gleichzeitig manifestiert sich an der Frage der Todesstrafe auch die durchaus unterschiedliche politische Kultur des Landes, insbesondere zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den südlichen und den nördlichen Bundesstaaten. Im Jahr 2008 sahen 37 Bundesstaaten die Todesstrafe in ihren Strafgesetzbüchern vor, nur 13 hatten sie komplett beseitigt, darunter vier der fünf Staaten Neu-Englands;32 der fünfte, New Hampshire, hatte im Jahr 2000 ebenfalls versucht, die Todesstrafe abzuschaffen, war dabei aber am Veto des Gouverneurs gescheitert.33 Auch die übrigen Bundesstaaten ohne Todesstrafe befinden sich sämtlich im Norden der Vereinigten Staaten. Im Gegensatz dazu wird die Todesstrafe besonders intensiv nur in zehn Bundesstaaten umgesetzt, von welchen acht im Süden der Republik liegen; die Spitze bildet Texas mit mehr als einem Drittel der in den vergangenen Jahren insgesamt auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten vollstreckten Todesstrafen.34 Im Jahr 2008 wurden insgesamt 37 Todesurteile vollstreckt, die Mehrzahl wiederum in Texas.35 Bis in die 1970er Jahre war die Entscheidung über Akzeptanz und Anwendung der Todesstrafe ausschließliche Sache der Bundesstaaten. Deren Rechtsordnungen unterschieden sich daher auch wesentlich in den Deliktsvoraussetzungen oder in Verfahrensfragen. In der Entscheidung Furman v. Georgia36 erklärte dann aber im Jahr 1972 der U. S. Supreme Court die Statuten von 39 Bundesstaaten, welche die Todesstrafe beinhalteten, und damit das seinerzeit bestehende US-amerikanische System der Todesstrafe, im Hinblick auf das Verbot ungewöhnlicher und grausamer 32 Bedan, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 125, 127 (2002); Gerston, S. 121 f.; Steiker, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 119 (2002); vgl. auch die Übersicht von Amnesty International, abrufbar im Internet unter: http://www.amnestyusa.org/death-penalty/death-penalty-instates/page.do?id=1101153; zuletzt abgerufen am 06.03.2009. 33 Kadish/Schulhofer/Steiker, S. 468; Steiker, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 119, 124 (2002). 34 Gerston, S. 121 f.; Kadish/Schulhofer/Steiker, S. 468. 35 Statistiken von Amnesty International abrufbar im Internet unter: http://www.amnestyusa. org/death-penalty/death-penalty-facts/executions-by-year/page.do?id=1011591&yr=2008; zuletzt abgerufen am 06.03.2009. 36 U. S. Supreme Court, Furman v. Georgia, 408 U. S. 238 (1972); dazu Herrmann, JZ 1985, 602, 605; Schmid, S. 162 ff.; Steiker, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 119, 121 (2002).

130

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Strafen in Zusatzartikel VIII für verfassungswidrig,37 wenngleich die Begründungen der diesen Spruch tragenden Richter durchaus variierten. Für die Mehrheit lag das Hauptproblem im Fehlen nachvollziehbarer Kriterien für die Ausübung des Ermessens durch die Jury, sodass die Anwendung zufällig, wenn nicht sogar diskriminierend erfolgte.38 Im Anschluss an das Urteil führten 38 Bundesstaaten die Todesstrafe wieder ein. Der U. S. Supreme Court39 untersuchte im Jahr 1976 fünf der reformierten Statuten und hielt wiederum zwei für nicht mit der US-Verfassung vereinbar, da sie keinen Ermessensspielraum, sondern bei bestimmten Verbrechen obligatorisch die Todesstrafe vorsahen. Die anderen Gesetze wurden aufrechterhalten, da sie hinreichende Kriterien für die Ausübung des Ermessens hinsichtlich der Anordnung von Todesstrafe oder einer Haftstrafe enthielten. Der Mord ist die am häufigsten mit dem Tode bestrafte Straftat in den Rechtsordnungen der Bundesstaaten. Wenngleich innerhalb des gesamten Staatsgebietes der Vereinigten Staaten Konsens darüber herrscht, dass der Mord ein streng zu bestrafendes Unrecht darstellt, so differieren die Strafgesetze der Bundesstaaten dennoch erheblich in den materiellen Voraussetzungen des Mordes. Teilweise wird er im Tatbestand in zwei oder sogar noch weitere Grade eingeteilt,40 teilweise findet sich auch gar keine nähere Definition, sodass für die Subsumtion auf das common law zurückgegriffen werden muss.41 Auch ist der Mord nicht die einzige Straftat, welche mit der Todesstrafe geahndet werden kann, auch andere schwere Verbrechen kommen in Betracht.42 Auch diesbezüglich hat der U. S. Supreme Court die Gesetzgebung nachhaltig beeinflusst. Die Bundesstaaten waren zunächst völlig frei in der Frage, welche Delikte mit dem Tode bestraft werden können und hatten auch durchaus verschiedene Regelungen getroffen. 1977 erklärte der höchste Gerichtshof aber Statuten, welche die Todesstrafe für Vergewaltigung und Kidnapping vorsahen, für 37 Zur Befugnis des U. S. Supreme Courts zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit auch des einzelstaatlichen Rechts siehe bereits oben 2. Kapitel B. I. 38 So etwa Verfassungsrichter Douglas, ebd., S. 245 ff., und Verfassungsrichter Stewart, ebd., S. 309 ff., unter Verweis auf die willkürliche bzw. selektive Anwendung der Todesstrafe insbesondere gegenüber Minderheiten; die Verfassungsrichter Brennan, ebd., 286 ff., und Marshall, ebd., S. 345 ff., hielten die Todesstrafe sogar grundsätzlich für eine grausame Strafe. 39 U. S. Supreme Court, Roberts v. Louisiana, 248 U. S. 325 (1976); Woodson v. North Carolina, 428 U. S. 280 (1976); dazu Herrmann, JZ 1985, 602, 605; Steiker, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 119, 121 (2002). 40 So z. B. California: Cal. Pen. Code § 189; New York: N. Y. Pen. Law § 125.25 (murder in the second degree) und N. Y. Pen. Law § 125.27 (murder in the first degree); Texas unterscheidet zwischen murder, Texas Pen. Code § 19.02, und capital murder, Texas Pen. Code § 19.03; zur Erklärung der Kategorien vgl. auch Fletcher, Rethinking, S. 352 ff. 41 Vgl. ausführlich Dressler, S. 545 ff.; Kadish/Schulhofer/Steiker, S. 373 ff., mit Beispielen verschiedener Penal Codes. 42 In Texas etwa die Capital Felonies, vgl. Texas Pen. Code § 12.31.

C. Signifikante Unterschiede im Strafrecht der Bundesstaaten

131

ungültig.43 Dennoch ist die Todesstrafe auch heute noch für verschiedene andere Delikte in den Strafgesetzbüchern mancher Bundesstaaten vorgesehen, wie z. B. für Hochverrat,44 so etwa in California gemäß Cal. Pen. Code § 37 (a). Von den 37 Bundesstaaten, welche die Todesstrafe anwenden, erlauben nur 20 auch die Tötung solcher Täter, die bei Tatbegehung minderjährig waren.45 Im Jahr 2005 entschied jedoch der U. S. Supreme Court46 überraschend, dass Zusatzartikel VIII der U. S. Constitution eine solche Anwendung der Todesstrafe für Minderjährige verbietet.

II. Schwangerschaftsabbruch Im Besonderen Teil der Strafgesetzbücher der Bundesstaaten lassen sich ferner sowohl hinsichtlich der als strafwürdig angesehenen Verhaltensweisen als auch bezüglich der Tatbestandsvoraussetzungen der Delikte zahlreiche Divergenzen finden. Ein Bereich spaltet die Nation aber im Hinblick auf die öffentliche Meinung ganz besonders: die Akzeptanz von Schwangerschaftsabbrüchen. Eine Meinungsumfrage des Jahres 2005,47 welche u. a. vom Sender CNN durchgeführt wurde, zeigte, dass die Ansichten diesbezüglich zwischen einzelnen Bundesstaaten kaum konträrer sein könnten. So bekannten sich, um sogleich die Extreme zu benennen, etwa in dem ländlich und durch die Glaubensgemeinschaft der Mormonen geprägten Bundesstaat Utah rund 61 % der Befragten als Gegner der rechtlichen Zulässigkeit eines Schwangerschaftsabbruches, während in Vermont oder Massachusetts, beides Bundesstaaten aus Neu-England, 70 bzw. 68 % eine solche Möglichkeit begrüßten. Die Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen ist daneben auch in rechtlicher Hinsicht aus mehreren Gründen von Interesse. Hier offenbart sich erneut eine bedeutsame Einflussnahme des U. S. Supreme Courts auf das Strafrecht der Bundesstaaten.48 Die Regelungen auf einzelstaatlicher Ebene offerieren ferner die ganze Bandbreite möglicher Restriktionen und Kontrollmechanismen. Des 43

U. S. Supreme Court, Coker v. Georgia, 433 U. S. 584 (1977); Eberheart v. Georgia, 433 U. S. 917 (1977); dazu Bedan, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 125, 127 (2002); Steiker, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 119, 123 (2002). 44 Bedan, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 125, 127 (2002); Steiker, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 119 (2002); in Bezug auf den Hochverrat gegen die Vereinigten Staaten dürfte aber der oben (2. Kapitel D. II. 3.) angesprochene Ausschluss durch das Bundesrecht (field preemption) greifen. 45 Texas sieht z. B. davon ab; vgl. Texas Pen. Code § 8.07 (c): No person may, in any case, be punished by death for an offense committed while the person was younger than 18 years. 46 U. S. Supreme Court, Roper v. Simmons, 543 U. S. 551 (2005); vgl. auch Hay, Rn. 702a. 47 Die Ergebnisse sind abgedruckt bei Gerston, S. 123 f. 48 Zur Befugnis des U. S. Supreme Courts zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit auch des einzelstaatlichen Rechts siehe bereits oben 2. Kapitel B. I.

132

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Weiteren markierte wiederum der MPC das Territorium. Ähnlich wie bereits hinsichtlich der Todesstrafe ausgeführt,49 erfreuten sich die Bundesstaaten in diesem Punkt bis in die 1970er Jahre hinein uneingeschränkter Eigenständigkeit. Zwar waren seit Mitte des 19. Jahrhunderts Schwangerschaftsabbrüche traditionell mit Kriminalstrafe belegt, gegen Ende der 1950er Jahre mehrten sich aber Stimmen, die eine Lockerung befürworteten.50 Das American Law Institute schenkte den Einwänden Aufmerksamkeit und schlug in MPC § 230.3 eine Ausnahme von der Bestrafung im Sinne einer Rechtfertigung vor, wenn ein Arzt den Abbruch vornimmt, da er davon ausgeht, dass eine Fortsetzung der Schwangerschaft die körperliche oder seelische Integrität der Schwangeren gefährden würde oder das Kind mit schweren körperlichen oder geistigen Schäden zur Welt käme oder dass die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung, aus Inzest oder einer anderen Straftat herrührte. In der Folge reformierten insgesamt 19 Bundesstaaten ihr Strafrecht im Hinblick auf das Verbot der Abtreibung und orientierten sich dabei teils vollständig, teils nur partiell am Rechtfertigungsmodell des MPC.51 Den Wendepunkt brachte wiederum der U. S. Supreme Court. In den Rechtssachen Roe v. Wade52 und Doe v. Bolton53 verwarf er im Jahr 1973 Strafgesetze der Bundesstaaten Texas und Georgia und hob das konstitutionelle Persönlichkeitsrecht der Schwangeren auf Privatsphäre und freie Entscheidung über ihren eigenen Körper hervor. Er unterteilte die Schwangerschaft in drei Phasen und wies die Regelungsbefugnis der Einzelstaaten in abgestufte Schranken.54 In den ersten drei Monaten muss die Entscheidung gänzlich der Schwangeren bzw. dem sie behandelnden Arzt überlassen bleiben; im zweiten Trimester darf der Bundesstaat Regelungen für den Schwangerschaftsabbruch treffen, welche einen vernünftigen Bezug zur Gesundheit der Mutter haben müssen; lediglich in den letzten drei Monaten dürfen die Bundesstaaten die Abtreibung weitgehend regulieren und sogar verbieten und unter Strafe stellen, sofern sie das legitime Interesse des Schutzes des ungeborenen Lebens verfolgen und Ausnahmen zum Schutz der Gesundheit der Schwangeren vorsehen. Seit dem Jahr 1973 haben gut zwei Drittel der Bundesstaaten ihr Recht diesen Maßgaben angepasst. Das Recht der Schwangerschaftsabbrüche ist wesentlich vom höchsten Gericht geprägt, welches in der Folge selbst noch mehrmals schwankte. Nachdem es die soeben angeführten Entscheidungen der 1970er Jahre in der Sache Webster v. Re49

Zur Todesstrafe vgl. oben 4. Kapitel C. I. Wise, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 1, 4 (2002). 51 Wise, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 1, 5 (2002). 52 U. S. Supreme Court, Roe v. Wade, 410 U. S. 113 (1973); vgl. dazu auch Avila, 38 Suffolk U. L. Rev. 511, 524 f. (2005). 53 U. S. Supreme Court, Doe v. Bolton, 410 U. S. 179 (1973). 54 U. S. Supreme Court, Roe v. Wade, 410 U. S. 113, 164 f. (1973); siehe dazu auch Herrmann, JZ 1985, 602, 605; Wise, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 1, 5 (2002). 50

C. Signifikante Unterschiede im Strafrecht der Bundesstaaten

133

productive Health Services55 im Jahr 1989 selbst fast wieder verworfen hätte, bekräftigte es sie kurz darauf im Fall Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Casey56 erneut, allerdings mit der Einschränkung, dass die Bundesstaaten sowohl aus Sorge um die Gesundheit der Mutter als auch um das ungeborene Leben einschränkende Regelungen treffen dürfen, solange sie keine unbotmäßige Behinderung darstellen. Die Bundesstaaten haben sich innerhalb dieses Handlungsspielraumes sehr kreativ gezeigt und in ihren Rechtsordnungen recht unterschiedliche Methoden und Grade der Restriktion des Schwangerschaftsabbruchs etabliert. Diese reichen vom Verbot der Abtreibung innerhalb des letzten Trimesters (mit Ausnahmen zum Mutterschutz) bis zu Erfordernissen der elterlichen Zustimmung bei Minderjährigen, bestimmten Wartezeiten bis der Abbruch vorgenommen werden darf oder obligatorischen Beratungsgesprächen.57 Wichtig sind auch Bestimmungen hinsichtlich der Informationen, über welche eine Schwangere verfügen muss, um eine wirksame Einwilligung in den Schwangerschaftsabbruch erteilen zu können.58 Der Bundesstaat Utah hatte die Entscheidung im Fall Webster zum Anlass genommen, sogleich ein Gesetz zu erlassen, welches die Abtreibung nur noch zum Schutze der Gesundheit der Mutter oder bei Vergewaltigung oder Inzest zuließ, Utah Code § 76-7-302. Das höchste Gericht hatte bislang noch keine Gelegenheit, sich zu diesem Gesetz zu äußern, hatte aber in der Sache Casey ein ähnliches Statut aus Louisiana verworfen. 55

U. S. Supreme Court, Webster v. Reproductive Health Services, 492 U. S. 490 (1989). U. S. Supreme Court, Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Casey, 505 U. S. 833 (1992). 57 Wise, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 1, 5 f. (2002); in California bestimmt Cal. Pen. Code § 187, dass auch die Abtreibung als Mord gewertet wird, es sei denn, dass die in Cal. Health & Saf. Code §§ 123400 ff. normierten Ausnahmen greifen; dort sind z. B. ausführliche Bestimmungen im Hinblick auf das Verfahren bei Minderjährigen enthalten; vgl. für Massachusetts MA. Gen. L. ch. 112 § 12I-S. Manche Bundesstaaten, wie etwa auch Massachusetts, haben ihre Strafstatuten trotz der Auffassung des U. S. Supreme Courts unverändert gelassen, siehe MA. Gen. L. ch. 272, § 19, welches aus dem Jahr 1845 stammt; dieses Statut ist verfassungswidrig und daher nicht durchsetzbar; dazu auch Nolan/Sartorio, S. 295 f. 58 Für Massachusetts ausführlich Avila, 38 Suffolk U. L. Rev. 511 (2005). Nach MA. Gen. L. ch. 112 § 12S ist die schriftliche Zustimmung der Schwangeren auf einem bestimmten Formblatt erforderlich; dieser Vordruck soll wiederum genau festgelegte Informationen enthalten, nämlich eine Beschreibung des Entwicklungsstadiums des ungeborenen Kindes, die genauen Maßnahmen des Abtreibungsvorganges und die damit verbundenen Gefahren, die Alternativen zu einem Abbruch der Schwangerschaft sowie die Feststellung, dass die Entscheidung gegen einen Abbruch gleichwohl nicht zu einer Verweigerung staatlicher Unterstützung führt. Wiederum gerät diese Vorschrift aber in Konflikt mit der Rechtsprechung, in diesem Fall mit der Auffassung des Massachusetts Supreme Judicial Court, Moe v. Secretary of Admin. & Fin., 417 N. E.2d 387, 398–400 (1981), nach welcher der Staat zur Neutralität verpflichtet ist und die Entscheidung der Schwangeren nicht beeinflussen darf. Daher weicht die Praxis von der im Gesetz vorgesehenen Form ab. Die auszufüllenden Zustimmungserklärungen bedienen sich stattdessen einer wesentlich zurückhaltenderen Sprache und enthalten beispielsweise keinerlei Hinweise auf das Stadium des Embryos; vgl. Avila, ebd., 542 f. 56

134

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

III. Strafbestimmungen zum Schutze der Moral Der Schwangerschaftsabbruch ist in Massachusetts in Kapitel 272 des Gesetzbuches zu finden, welches mit „Straftaten wider die Unbescholtenheit, die Moral, den Anstand und die gute Ordnung“59 überschrieben ist. Er rangiert als § 19 unter insgesamt über 100 Vorschriften zum Schutze des Anstands. Hierunter fallen zwar auch Delikte wie Kinderpornographie, §§ 29A ff., oder Inzest, § 17. Gleichwohl zeigt die Masse der Vorschriften, dass der Gesetzgeber seine Polizeimacht zum Schutze von Moral und Ethik besonders ernst nimmt.60 Daher soll als drittes Beispiel signifikanter Unterschiede hier das Feld der Wahrung des Anstands durch die Bundesstaaten angesprochen werden, welches ursprünglich einen der wichtigsten Betätigungsbereiche des Strafrechts in den Vereinigten Staaten ausmachte.61 Viele Gebiete der Vereinigten Staaten sind sehr unterschiedlichen sozialen und religiösen Prägungen unterworfen. Dies äußert sich selten so deutlich wie beim Schutze der öffentlichen Moral. Auch hier treten bei 50 verschiedenen Rechtsordnungen viele Unterschiede auf, von welchen hier aber nur wenige zur Sprache kommen können. Den Großteil der Straftaten gegen die Moral bilden die Sexualstraftaten (sex offenses), deren Problematik u. a. darin liegt, dass es sich oftmals um die Sanktionierung eines einverständlichen Verhaltens zweier Personen handelt. In einigen Bundesstaaten findet sich etwa noch eine Strafbarkeit wegen Ehebruchs (adultery),62 während viele andere diese abgeschafft oder niemals erlassen haben.63 Unterschiede bestehen dann etwa darin, ob nur die verheiratete Person oder beide Beteiligten bestraft werden können.64 Manche Bundesstaaten gehen aber noch weiter und sehen, wie z. B. der Utah Code § 76-7-104, sogar eine Bestrafung für jeglichen außerehelichen Geschlechtsverkehr wegen Unzucht (fornication) vor. Ist dies der Fall, so variieren die Tatbe59

MA. Gen. L. ch. 272: Crimes Against Chastity, Morality, Decency and Good Order. Dies ist besonders typischer Bestandteil der Polizeimacht. Daher sollte auch anzunehmen sein, dass dieses Feld vom Bund eher weniger okkupiert wird, da sich nur selten ein Bezug etwa zu wirtschaftlicher Tätigkeit herstellen lässt – mit Ausnahme selbstverständlich des District of Columbia, in welchem der Bund die Polizeimacht ausübt. Tatsächlich finden sich aber auch hier einige Titel im U. S. Code, die Ähnliches zum Gegenstand haben, so etwa im 18. Titel die Kapitel 71 (Obscenity), 109A (Sexual Abuse), 110 (Sexual Exploitation and Other Abuse of Children) sowie 117 (Transportation for Illegal Sexual Activity and Related Crimes). 61 Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 751 (2005). 62 Vgl. etwa Massachusetts: MA. Gen. L. ch. 272, § 19; New York: N. Y. Pen. Law § 255.17; Utah: Utah Code § 76-7-103. 63 Boyce/Dripps/Perkins, S. 398; Silbaugh, 4 Encyclopedia of Crime & Justice 1465, 1467 (2002). 64 Silbaugh, 4 Encyclopedia of Crime & Justice 1465, 1468 (2002). Interessant ist es zu bemerken, dass in Minnesota der Ehebruch nur strafbar ist, wenn es sich um eine verheiratete Frau handelte, MINN. STAT. § 609.36. 60

C. Signifikante Unterschiede im Strafrecht der Bundesstaaten

135

standsvoraussetzungen. Während teilweise immerhin ein offenes und wiederholtes Verhalten erforderlich ist, reduziert sich in anderen Rechtsordnungen die Strafbarkeit auf den bloßen, sogar einmaligen Geschlechtsverkehr.65 Zudem finden sich entscheidende Abweichungen hinsichtlich des Alters, ab welchem eine minderjährige Person ihr Einverständnis in den Geschlechtsverkehr erteilen kann. In immerhin 13 Bundesstaaten ist dies erst ab 18 Jahren möglich, in den übrigen ab 16 bzw. 17 Jahren.66 Ähnliches gilt für die Bestrafung der Verführung mittels eines Versprechens der Ehe (seduction)67 oder das öffentliche Sichtbarmachen von Brust oder Geschlechtsteilen als Unzüchtigkeit (lewdness), welche nicht immer klassischer Exhibitionismus sein muss, sondern in manchen Rechtsordnungen, wie etwa explizit im Utah Code § 76-9-702 festgehalten, durchaus auch im öffentlichen Urinieren bestehen kann. Der Begriff lewdness ist teilweise nur äußerst unbestimmt aufgenommen. So heißt es in Massachusetts in MA. Gen. L. ch. 272, § 16: Ein Mann oder eine Frau […] der/die einer offenen und groben Unzüchtigkeit oder eines lasziven Benehmens schuldig ist, wird bestraft.68 Hier besteht also weiterhin ein bedeutsames Einfallstor des Richterrechts, welches dieses Tatbestandsmerkmal erst ausfüllen muss. In den Bereich der Sexualverbrechen gehört ferner u. a. auch die Vergewaltigung (rape). Dort besteht ein wichtiger Unterschied in der Frage, ob der eheliche Bereich von der Strafbarkeit ausgenommen ist, wie dies nach der aus dem Jahr 1736 stammenden marital immunity rule Praxis des common law war.69 Das einzelstaatliche Recht ist hier im Fluss, im Jahr 2003 hatten immerhin 24 Bundesstaaten die Immunität der Ehegatten aufgehoben.70 Es erscheint schließlich fast unnötig anzumerken, dass auch die Strafrahmen hinsichtlich der genannten Delikte teilweise wesentlich variieren.

65

So etwa Minnesota: MINN. STAT. § 609.34; Utah: Utah Code § 76-7-104; in Massachusetts, MA. Gen. L. ch. 272, § 18, heißt es hingegen nur: Wer Unzucht begeht, wird bestraft (Whoever commits fornication shall be punished by imprisonment for not more than three months or by a fine of not more than thirty dollars.). Der Begriff der Unzucht ist durch die Gerichte zu bestimmen. 66 Siehe die Grafik bei Phipps, 4 Encyclopedia of Crime & Justice 1461, 1464 (2002). 67 Dazu Boyce/Dripps/Perkins, S. 399. 68 MA. Gen. L. ch. 272, § 16: A man or woman, married or unmarried, who is guilty of open and gross lewdness and lascivious behavior, shall be punished by imprisonment in the state prison for not more than three years or in jail for not more than two years or by a fine of not more than three hundred dollars. 69 Dazu Dressler, S. 639 ff.; vgl. z. B. noch die Gesetzeslage in California: Cal. Pen. Code § 261 (a): Rape is an act of sexual intercourse accomplished with a person not the spouse of the perpetrator […]. 70 Dressler, S. 641.

136

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

IV. Felony-Murder Rule Im einzelstaatlichen Recht hat ferner die aus dem common law überlieferte „felony-murder rule“ sehr unterschiedliche Ausprägungen erhalten.71 Fletcher72 vermutet hier sogar den Bereich, in welchem der MPC den geringsten Einfluss auf das bundesstaatliche Recht verbuchen konnte, denn nicht ein einziger Bundesstaat hat den Vorschlag des MPC übernommen. In ihrer ursprünglichen im common law geltenden Form ist nach dieser Doktrin jede Tötung, welche im Rahmen der Begehung eines Verbrechens (felony) verursacht wird, als Mord (murder) zu behandeln. Dem deutschen Leser mag hier sogleich der Vergleich mit den erfolgsqualifizierten Delikten des StGB in den Sinn kommen. Der wesentliche Unterschied liegt aber in der Einordnung einer solchen – unter Umständen auch fahrlässig verursachten Tötung73 – als Mord.74 Bedeutsam ist ferner, dass das deutsche Recht Erfolgsqualifikationen nur in wenigen Fällen normiert, die felony-murder rule hingegen in ihrer Reinform für sämtliche Verbrechen gilt. Zudem sind vom Grundsatz her objektive Zurechnungskriterien, wie sie im deutschen Recht anerkannt sind,75 nicht unbedingt erforderlich.76 Aus dem englischen Strafrecht wurde die felony-murder rule im Jahr 1957 beseitigt,77 während sie in den USA trotz teilweise vehementer Kritik78 und des anders lautenden Ratschlages des American Law Institutes im MPC79 in der überwiegenden Zahl der Bundesstaaten noch weiter Geltung hat, wenngleich in sehr verschiedener Form. Während manche Bundesstaaten sie gar nicht in ihr Recht implementiert haben,80 limitieren andere auf unterschiedliche Weise den Geltungsbereich. So sind durch die Norm aus Texas81 z. B. nur solche Verhaltensweisen erfasst, welche von vornherein offensichtlich lebensgefährlich („clearly dangerous to human

71

Vgl. dazu Dressler, S. 556 ff.; Fletcher, 12 Sw. U. L. Rev. 413 (1981); Weik, S. 275 ff. Fletcher, 12 Sw. U. L. Rev. 413 (1981). 73 Vgl. Dressler, S. 557; Fletcher, 12 Sw. U. L. Rev. 413 (1981). 74 Zum Vergleich mit dem deutschen Recht siehe Weik, S. 307 ff. 75 Vgl. statt Vieler etwa Heinrich/Reinbacher, JURA 2005, 743. 76 Vgl. Dressler, S. 557: „The felony-murder rule applies whether a felon kills the victim intentionally, recklessly, negligently, or accidentally and unforeseeably.“ 77 Dressler, S. 556; Fletcher, Concepts, S. 193; Weik, S. 276. 78 Dressler, S. 557; Fletcher, Concepts, S. 192; ders., 12 Sw. U. L. Rev. 413, 417 (1981). 79 Vgl. zu der in MPC § 210 vorgesehenen Version Fletcher, 12 Sw. U. L. Rev. 413 (1981); Weik, S. 305. 80 Vgl. Dressler, S. 557, der auf die Gesetzbücher von Hawaii, Kentucky und Michigan verweist. 81 Vgl. auch Texas Pen. Code § 19.02: Murder: (b) A person commits an offense if he: […] (3) commits or attempts to commit a felony, other than manslaughter, and in the course of and in furtherance of the commission or attempt, or in immediate flight from the commission or attempt, he commits or attempts to commit an act clearly dangerous to human life that causes the death of an individual. 72

C. Signifikante Unterschiede im Strafrecht der Bundesstaaten

137

life“) sind. Eine andere Möglichkeit besteht in der Beschränkung auf bestimmte felonies als Grunddelikte.82 So ist etwa in California gemäß Cal. Pen. Code § 18983 oder in New York nach N. Y. Pen. Law § 125.25 (3)84 nur bei besonders schweren Verbrechen mit Todesfolge in ersterem Fall ein Mord ersten, in letzterem Fall ein Mord zweiten Grades anzunehmen. Der Vorschrift aus New York lassen sich zudem zwei weitere Einschränkungen entnehmen, welche auch in anderen bundesstaatlichen Gesetzen zu finden sind. Zum einen sieht sie nämlich eine enge zeitliche Verknüpfung mit dem Grunddelikt vor, dadurch dass die Todesfolge während der Tatbegehung oder doch wenigstens während der sich anschließenden Flucht (in furtherance of such crime or of immediate flight) eintreten muss. Zum anderen wird durch den Schlussteil sichergestellt, dass der Opferkreis Tatbeteiligte nicht mit einschließt (a person other than one of the participants). Solche und ähnliche Limitierungen werden, sofern sie nicht im Statut vorgesehen sind, vielfach auch von den Strafgerichten der Bundesstaaten vorgenommen.85 Dort finden sich etwa Beschränkungen auf bereits spezifisch gefährliche Grunddelikte oder es werden solche Grunddelikte ausgeschieden, die nicht unabhängig und selbstständig neben der Tötung stehen. Das bundesstaatliche Recht kann dabei, wie schon im kodifizierten Recht, durchaus variieren. So erhielt beispielsweise der Court of Appeal of Florida in der Rechtssache Howard v. State86 die Verurteilung des Angeklagten wegen eines felony-murder aufrecht, obgleich sich hier der Mittäter eines Drogendelikts durch das Verschlucken von Kokain bei der Polizeikontrolle selbst getötet hatte. Eine solche Entscheidung wäre im Bundesstaat New York nicht möglich gewesen, da bereits das Gesetz die Mittäter als taugliche Tatopfer ausscheidet.

82

Weik, S. 279 ff. Cal. Pen. Code § 189: All murder […] which is committed in the perpetration of, or attempt to perpetrate, arson, rape, carjacking, robbery, burglary, mayhem, kidnapping, train wrecking, or any act punishable under Section 206, 286, 288, 288a, or 289, or any murder which is perpetrated by means of discharging a firearm from a motor vehicle intentionally at another person outside of the vehicle with the intent to inflict death, is murder of the first degree. 84 N. Y. Pen. Law § 125.25: Murder in the second degree: A person is guilty of murder in the second degree when: […] (3) Acting either alone or with one or more other persons, he commits or attempts to commit robbery, burglary, kidnapping, arson, rape in the first degree, criminal sexual act in the first degree, sexual abuse in the first degree, aggravated sexual abuse, escape in the first degree, or escape in the second degree, and, in the course of and in furtherance of such crime or of immediate flight therefrom, he, or another participant, if there be any, causes the death of a person other than one of the participants. 85 Zu weiteren Limitierungen durch die Gerichte siehe Dressler, S. 561 ff.; Weik, S. 278 ff. 86 District Court of Appeal of Florida, Howard v. State, 545 So. 2d 352 (1989). 83

138

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

V. Betäubungsmittelkriminalität Die Liste der Divergenzen im Strafrecht der Bundesstaaten könnte noch beliebig fortgeführt werden. Gerade bei den anerkannten Werten und den Einstellungen zu bestimmten, besonders zu moralischen Fragen, lassen sich eminente Unterschiede feststellen, man denke nur an gleichgeschlechtliche Sexualität oder an Sterbehilfe.87 Selbst wenn ein Konsens über die Strafbarkeit eines Verhaltens besteht, so werden teilweise doch sehr abweichende Definitionen juristischer Termini und Deliktsvoraussetzungen verwandt.88 Für diese Abhandlung soll es aber mit dem Hinweis auf einen letzten weiteren Bereich des Besonderen Teils ein Bewenden haben. Die Betäubungsmittelkriminalität bildet heute eines der wichtigsten Betätigungsfelder des Bundes. Dessen Gesetze sehen besonders harsche Strafen sogar bis hin zur Todesstrafe vor, so etwa in 21 U. S. C. § 848 (e), und kriminalisieren den Besitz auch kleiner Mengen an Marihuana in gleicher Weise wie bei harten Drogen wie Heroin, 21 U. S. C. § 844 (a), nämlich mit einer Strafe von nicht unter 1000 $ oder Gefängnisstrafe von einem Jahr. Anders steht es aber teilweise mit dem Recht der Einzelstaaten, was sich insbesondere an weichen Drogen wie Marihuana exemplifizieren lässt. Zwar sehen auch hier einige Rechtsordnungen durchaus Gefängnisstrafen vor und setzen diese auch durch, in zehn Bundesstaaten steht auf den Besitz von Marihuana indes grundsätzlich nur die Geldstrafe.89 Zudem sind etwa in California gemäß Cal. Health & Saf. Code § 11362.5 Anbau und Verwendung von Marihuana zu Heilzwecken erlaubt. Auf das praktische Zusammenspiel von Bundes- und einzelstaatlichem Recht wird unten90 noch ausführlicher einzugehen sein. Hier genügt der erneute Hinweis, dass, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt,91 ein Gleichlauf der Rechtsordnungen nicht notwendig ist. Vielmehr kann der Bund durchaus ein Verhalten gesetzlich sanktionieren und auch verfolgen, während es den Bundesstaaten unbenommen bleibt, anders lautende Regelungen zu etablieren und bei gleichem Sachverhalt zu einem Freispruch zu gelangen. Dies führt in der Regel weder zu einem Ausschluss des einzelstaatlichen Rechts wegen eines Konflikts mit dem Bundesrecht noch besteht umgekehrt eine Sperrwirkung für eine Verurteilung nach Bundesrecht.

87

Vgl. zu diesen Beispielen Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1544 (2002). Vgl. Baker, B. U. L. Rev. 1191, 1205 (2000), zum Beispiel der „hate crimes“. 89 Vgl. Herrmann, JZ 1985, 602, 603; Husak, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 566, 569 (2002); vgl. etwa New York: N. Y. Pen. Law § 221.05; in California hängt dies von der Menge ab, Cal. Health & Saf. Code § 11357. 90 Vgl. unten das 5. Kapitel. 91 Oben 2. Kapitel D. II. 2. 88

C. Signifikante Unterschiede im Strafrecht der Bundesstaaten

139

VI. Allgemeiner Teil Trotz der Existenz des MPC ist kein Strafgesetzbuch eines Bundesstaates vollständig deckungsgleich mit dem Text des Mustergesetzes und erst recht nicht mit dem Wortlaut der Kodifikation eines anderen Bundesstaates. Dies betrifft aber nicht nur die Deliktsvoraussetzungen, sondern auch allgemeine Verbrechensregeln. Die bereits erwähnte Studie unterstrich es als besonders verheerend, wenn ein Strafgesetzbuch, wie etwa in Rhode Island oder in West Virginia, keine allgemeinen Regelungen z. B. hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Tun oder Unterlassen, in letzterem Falle insbesondere im Hinblick auf strafrechtlich relevante Handlungspflichten, oder bezüglich der Rechtfertigung einer Tat enthält.92 Damit ist ein weiterer Punkt angesprochen, welcher nach dem bisher Ausgeführten kaum noch zu verwundern vermag. Die Bundesstaaten haben auch den Allgemeinen Teil ihrer Penal Codes selbsttätig geregelt bzw. teilweise eben gerade keine entsprechenden Regelungen erlassen. Werden einzelne Elemente des Allgemeinen Teils des Strafrechts einer Untersuchung unterzogen, so lassen sich beispielsweise Unterschiede in den Voraussetzungen vieler allgemeiner Regeln feststellen,93 wie etwa in Bezug auf Notwehr (self-defense)94 oder Notstand (necessity defense).95 Nur etwa die Hälfte der Bundesstaaten hat den zuletzt genannten Rechtfertigungsgrund in ihr Statut aufgenommen.96 Der New Jersey Code of Criminal Justice enthält die umfassendsten Regelungen im Hinblick auf die Rechtfertigung einer Tat und in den N. J. Stat. §§ 2C:3-1 bis 3-11 immerhin elf diesbezügliche Vorschriften.97 Es ist hier allerdings darauf hinzuweisen, dass die Abwesenheit von Regelungen etwa in Bezug auf Rechtfertigungsgründe nicht bedeutet, dass in dem betreffenden Bundesstaat ein Handeln z. B. aus Notwehr nicht erlaubt und sanktioniert wäre.98

92

Robinson/Cahill/Mohammad, 95 Nw. U. L. Rev. 1, 8, 17, 26 f. (2000). Einige rechtsvergleichende Arbeiten aus Deutschland, welche allgemeine Regeln des USamerikanischen Strafrechts zum Gegenstand haben, berücksichtigen teilweise auch die bundesstaatliche Rechtslage, so etwa die Dissertationen von Weik und Wössner. 94 Dazu Dressler, S. 237 ff.; Fletcher/Sheppard, S. 568 ff.; Kadish/Schulhofer/Steiker, S. 737 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law II, S. 142; Weik, S. 326 ff.; speziell zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Notwehr im Rechtsvergleich Wössner, passim. 95 Dazu Dressler, S. 309 ff.; Kadish/Schulhofer/Steiker, S. 798 ff.; LaFave, Substantive Criminal Law II, S. 116; Schmid, S. 219 f.; zur Unterscheidung von self-defense und necessity defense vgl. Fletcher, Concepts, S. 130 ff. 96 Dressler, S. 311. 97 Daher belegte der Bundesstaat New Jersey in der genannten Studie auch den ersten Rang; vgl. Robinson/Cahill/Mohammad, 95 Nw. U. L. Rev. 1, 24 (2000); der Notstand ist in N. J. Stat. § 2C:3-2 geregelt. 98 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 373 (2002); Robinson/Cahill/ Mohammad, 95 Nw. U. L. Rev. 1, 26 (2000); vgl. auch den Hinweis bei Dressler, S. 237, dass letztlich jeder Bundesstaat das Recht auf Notwehr anerkenne; vgl. auch Wössner, S. 31. 93

140

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Vielmehr ist dort regelmäßig das Entwickeln von Erlaubnissätzen, ganz in der Tradition des common law, den Gerichten überlassen.

VII. Bedeutung der Auslegung durch die Gerichte und des staatsanwaltlichen Ermessens Gerade aus diesem zuletzt genannten Punkt folgt die Erkenntnis, dass die Ergebnisse dieser kurzen Gegenüberstellung sowohl bezüglich der Regelungen des Allgemeinen als auch des Besonderen Teils im Hinblick auf die Rechtsprechung der Gerichte und das staatsanwaltliche Ermessen99 in zweierlei Hinsicht zu relativieren sind. Denn zwar mögen in den Statuten der Bundesstaaten durchaus große Unterschiede auszumachen sein, daraus lässt sich aber noch nicht herleiten, dass auch die tatsächliche Praxis in gleicher Weise differiert. Vielmehr kann einerseits in einem Bundesstaat zwar der Ehebruch unter Strafe gestellt sein, aber nicht verfolgt werden.100 Andererseits kann aber auch ein Strafgesetzbuch keine genaue Regelung in Bezug auf die Strafbarkeit oder die Rechtfertigung eines bestimmten Verhaltens vorsehen, die Interpretation durch die Gerichte letztlich aber das gleiche Ergebnis erreichen wie es etwa in einem Bundesstaat erzielt wird, welcher umfangreiche Tatbestände und Rechtfertigungsgründe kodifiziert hat. Gerade im Bereich der Straftaten zum Schutze der Moral befinden sich zudem noch viele Straftaten in den Gesetzbüchern einzelner Bundesstaaten, welche längst nicht mehr als strafwürdig angesehen werden und daher von vielen anderen Bundesstaaten bereits gestrichen wurden.101 Hier ist keine besonders häufige Strafverfolgung zu erwarten. Gleichwohl bleibt sie möglich, da der Ermessensentscheidung des Staatsanwalts überlassen, solange die entsprechende Vorschrift existiert. Eine Bestrafung wegen Unzucht im Sinne eines konsensualen außerehelichen Beischlafs oder wegen Ehebruchs kann z. B. dann interessant werden, wenn sich eine Vergewaltigung konkret nicht nachweisen lässt.102 Ein Verfolgungszwang im Sinne eines Legalitätsprinzips deutschen Verständnisses besteht jedenfalls nicht.103

99 Vgl. zum staatsanwaltlichen Ermessen auf Bundesebene bereits oben 3. Kapitel D. II.; siehe zu dessen praktischer Bedeutung für das Gesamtsystem noch unten 5. Kapitel C. I. 100 Dubber, Einführung, S. 9. 101 Vgl. die Beispiele bei Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 750 f. (2005). 102 Vgl. wiederum die Beispiele für tatsächlich noch verfolgte Straftaten etwa im Bereich Unzucht Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 756 ff. (2005). 103 Vgl. zum staatsanwaltlichen Ermessen ausführlich unten 5. Kapitel C. I.

D. Das Strafrecht der Kommunen

141

D. Das Strafrecht der Kommunen D. Das Strafrecht der Kommunen

Bislang wurde ein Bereich vernachlässigt, der eine weitere Besonderheit des US-amerikanischen Strafrechts ausmacht: die Strafrechtssetzung und Strafverfolgung durch die Kommunen (municipalities). Diese finden in der U. S. Constitution keine besondere Erwähnung und haben deshalb auch – insbesondere im Verhältnis zu den Bundesstaaten – kein konstitutionelles Recht auf Selbstverwaltung.104 Sie werden nach dem Verständnis der US-Verfassung nur als Parzellen der Bundesstaaten behandelt. Daher bildet das (Straf-)Recht der Gemeinden und Städte letztlich auch nur einen Unterbereich des (Straf-)Rechts der Einzelstaaten. Gleichwohl unterhalten die Kommunen durchaus eine eigenständige Praxis der Rechtssetzung und -durchsetzung im Hinblick auf das Strafrecht und üben dabei Polizeimacht aus. Da die Kommunen verfassungsrechtlich nicht eigenständig sind, ist es Sache der Bundesstaaten, ihnen entsprechende Kompetenzen zuzuweisen, was oftmals in den einzelstaatlichen Verfassungen geschehen ist (sog. home rule provisions), oder wieder zu entziehen.105 Den Kommunen wird dabei regelmäßig nur die legislative Gewalt zum Erlass so genannter ordinances in Bezug auf geringere Vergehen eingeräumt.106 Die Polizeimacht der Gemeinden ist abgeleitet von der Polizeimacht der Gliedstaaten. Diese Erkenntnis ist u. a. deshalb bedeutsam, weil dadurch eine sukzessive Verfolgung durch Kommune und Bundesstaat – im Gegensatz zum Verhältnis von Bund und Einzelstaaten107 – ausgeschlossen ist, da es sich nicht um unabhängige Souveräne handelt.108 Diese Übertragung der Zuständigkeit lässt sich dadurch erklären, dass die Polizeimacht (der Bundesstaaten) der Regelung des örtlichen Zusammenlebens dient.109 Diese Kompetenz wird wiederum in Einzelfällen effizienter durch die Lokalverwaltung ausgeübt, denn schließlich sind unterschiedliche Bezirke, Stadtteile und Gemeinden verschiedenen gesellschaftlichen Strukturen unterworfen, sodass sich für diese Verschiedenheiten auch differenzierte Maßnahmen anbieten können, und die Gemeinden besser mit diesen lokalen Besonderheiten vertraut. Zudem können gerade hier Lösungsstrategien auf kleiner Ebene entwickelt und die Gemeinden als „Laboratorien“110 eingesetzt werden. Die kommunale Selbst104 Dies folgt bereits aus der Abwesenheit einer Art. 28 GG vergleichbaren Regelung, wurde aber auch vom U. S. Supreme Court, City of Trenton v. New Jersey, 262 U. S. 182, 187 (1923), explizit festgehalten. 105 Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1423 (2001). 106 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 373 (2002). 107 Siehe dazu unten 5. Kapitel D. 108 U. S. Supreme Court, Waller v. Florida, 397 U. S. 387, 392 ff. (1970); Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1429 (2001). 109 Ausführlich zur Polizeimacht der Gemeinden Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1421 ff. (2001). 110 So wie es der U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 581 (1995), für die Bundesstaaten befürwortet.

142

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

verwaltung steht zudem in der kolonialen Tradition und existierte lange, bevor die Vereinigten Staaten oder auch nur einzelne Bundesstaaten gegründet wurden.111 Besondere Bedeutung hat das Strafrecht der Gemeinden im Zuge des Kampfes gegen die Verwahrlosung einzelner Stadtbezirke durch die v. a. aus der Kriminologie bekannte Strategie der „zero tolerance“ erlangt.112 Viele der diesbezüglichen Regelungen mögen aus Sicht des deutschen Rechtsverständnisses eher als Polizeirecht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anmuten. Da sie andererseits oftmals aber auch Kriminalstrafen beinhalten, wäre diese Klassifizierung in ihrer Allgemeinheit ungenau. Teilweise ließe sich eine Parallele zu den deutschen Ordnungswidrigkeiten ziehen, jedenfalls solange und soweit keine Gefängnisstrafe verhängt wird. Damit dürfte es sich bei den kommunalen Sanktionen immerhin um Strafrecht im weiteren (deutschen) Sinne handeln. Im US-amerikanischen Recht wird grundsätzlich zwischen Verbrechen (felonies) und Vergehen (misdemeanors) unterschieden.113 Auch wenn manche Rechtsordnungen auch noch weitere Einteilungen vornehmen, so existiert traditionell aber jedenfalls eine dritte Kategorie geringfügiger Vergehen, welche u. a. als violations oder petty misdemeanors bezeichnet und in vielen Bundesstaaten nicht als „crimes“, also nicht als Straftaten im eigentlichen, engeren Sinne, angesehen werden.114 Sie werden gewöhnlich mit einem Bußgeld geahndet. Diese geringfügigen Verbrechen werden oftmals durch gemeindliche ordinances geregelt.115 Im Bereich der geringfügigen Kriminalität ist demzufolge das Strafrechtsystem der Bundesstaaten weiter parzelliert, sodass sich von einem wiederum parallel operierenden lokalen System der Strafrechtssetzung und der Strafverfolgung sprechen ließe.116 Die Gemeinden verfügen neben der ohnehin lokal organisierten Polizei über eigene lokale Gerichte und lokale Strafanstalten. Das gemeindliche Recht wird wiederum nur von diesen Institutionen verfolgt, geahndet und vollstreckt und tritt daher neben das Recht des Bundes und der Gliedstaaten. Demgegenüber ist die Verfolgung schwererer Straftaten gleichsam zentral auf der Ebene des Bundesstaates organisiert und wird in übergeordneten, einen größeren Bezirk umfassenden Landesgerichten sowie Landesstrafvollzugsanstalten behandelt. Gleichwohl ist zu beachten, dass die Gemeinden eben keine separierte Sphäre im Sinne eines souveränen Staatsteils bilden. Es handelt sich insofern also nicht verfassungsrechtlich, sondern nur organisatorisch um ein vom jeweiligen Bundesstaat getrenntes Strafrechtssystem. 111

Siehe dazu Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1421 ff. (2001); siehe außerdem bereits oben 2. Kapitel A. I. 112 Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1414 (2001). 113 Hay, Rn. 682; Honig, ZStW 75 (1963), 63, 66 (in Bezug auf den MPC); Schmid, S. 174 ff.; siehe außerdem bereits oben 1. Kapitel. 114 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 373 f. (2002). 115 So Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 372 (2002). 116 So Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 372 (2002).

D. Das Strafrecht der Kommunen

143

Für das Verhältnis von kommunalen Sanktionen und bundesstaatlichen Strafnormen gelten ähnliche Grundsätze wie die oben117 zum Verhältnis des Strafrechts des Bundes und der Bundesstaaten ausgeführten.118 Einerseits dürfen ordinances nicht in einen Widerspruch zur Verfassung oder zu einfachem Recht des Bundesstaates geraten (conflict preemption). Zudem dürfen sie natürlich auch nicht gegen Bundesrecht verstoßen, denn als Teil des einzelstaatlichen Rechts unterliegen sie den oben119 erläuterten Beschränkungen durch die U. S. Constitution und die nachfolgend durch den Congress erlassenen Bestimmungen. Andererseits kann es – unabhängig von einer eventuellen Konfliktlage – zu einem Ausschluss des Gemeinderechts kommen, wenn ein bestimmtes Feld durch das Recht des Bundesstaates (oder des Bundes) bereits vollständig besetzt wird (field preemption). Im Rahmen der conflict preemption gilt erst recht, dass das Fehlen einer Regelung auf übergeordneter bundesstaatlicher Ebene keine Aussage dahingehend enthält, dass das entsprechende Verhalten sanktionsfrei bleiben solle. Vielmehr wird es den Gemeinden gerade überlassen, Regelungen für die lokale Sicherheit und Ordnung zu erlassen.120 Wiederum gilt hier zudem eine fest etablierte Vermutung gegen einen Ausschluss des kommunalen Rechts. Der Supreme Court of Minnesota121 verwendete im Hinblick auf das Verhältnis von gemeindlichem und bundesstaatlichem Recht Formulierungen, die aus dem Bundesrecht bekannt sein dürften: Die Bundesstaaten ergänzen und unterstützen durch ihre Gesetzgebung und Strafverfolgung die kommunalen Behörden bei der Bekämpfung des örtlichen Verbrechens. Das bundesstaatliche soll das lokale Recht daher regelmäßig nicht ausschließen. Ein Konflikt besteht insbesondere auch dann nicht, wenn lokale ordinance und Strafgesetz des Bundesstaates dieselbe Regelung enthalten. Daher besteht auch zwischen den Behörden und Gerichten der Kommunen und des Einzelstaates häufig eine parallele Jurisdiktion, denn lokale Gebietskörperschaften bedienen sich nicht selten der Vorgehensweise des Erlasses gleich lautender Vorschriften zum Recht ihres Bundesstaates.122 Auf diese Weise stellen sie einerseits sicher, dass ihre 117

Oben 2. Kapitel D. Vertiefend zum Verhältnis des Rechts Gemeinden und der Bundesstaaten Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1424 ff. (2001). 119 Oben 2. Kapitel D. 120 Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1425 (2001); beachte wiederum, dass es sich dabei dennoch um Strafrecht und nicht um allgemeines Ordnungsrecht handeln kann. Die Trennung von Polizei- und Strafrecht ist indes auch im deutschen Recht keineswegs mehr als konsequent zu bezeichnen; vgl. dazu statt Vieler Knauer/Reinbacher, StV 2008, 377, 379 ff. 121 Supreme Court of Minnesota, State v. Dailey, 169 N. W.2d 746, 748 (1969): „We take judicial notice that our legislature has in this recent decade moved on several fronts to assist, but not to replace, local government in meeting the extraordinary needs of the metropolitan area […] We are averse, in these circumstances, to hold that the legislature contemplates its own regulation to exclude municipal regulation, without most clear manifestation of such intent.“ 122 Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1429 (2001). 118

144

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Behörden für die entsprechenden Verfehlungen (auch) zuständig sind und können sich andererseits darauf verlassen, dass ihre Regelung nicht im Widerspruch zum Recht des Bundesstaates steht. Letztlich ist es aber wiederum im Besonderen der Schutz der Moral, welcher den Anlass zu einem Großteil der kommunalen Regelungen bildet. Besonders wichtige Verbote in gemeindlichen Sanktionsnormen beziehen sich z. B. auf öffentliche Obszönität, Unzüchtigkeit, Prostitution, Graffiti, Vandalismus, Bettelei, Drogen- und Waffenbesitz oder das öffentliche Trinken von Alkohol.123

E. Die Organisation der Strafverfolgung innerhalb der Bundesstaaten E. Die Organisation der Strafverfolgung innerhalb der Bundesstaaten

I. Aufbau und Zuständigkeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden Ebenso wie das materielle Recht unterscheiden sich Strafprozessrecht und Gerichtsverfassungen der Einzelstaaten teilweise erheblich. Eine einheitliche Aussage über das Gerichtssystem lässt sich daher kaum treffen. Zum Aufbau der Strafrechtssysteme der Bundesstaaten kann aber als allgemeines Prinzip festgehalten werden, dass die Strafverfolgung im Wesentlichen lokal organisiert ist, so in lokalen Polizeieinheiten oder Gerichten auf lokaler Ebene, während die Courts of Appeal regelmäßig auf der Ebene des Bundesstaates angesiedelt sind.124 Der Instanzenzug eines Bundesstaates wird durch dessen eigene Verfassung und einfache Gesetze bestimmt. Insbesondere auf der unteren Ebene können unterschiedliche Gerichtshöfe mit der Zuständigkeit in Strafsachen betraut sein. In der Regel ist ein lokales unteres Gericht (City oder Municipal Court) für die leichten Vergehen nach kommunalem Recht zuständig, die schwereren Vergehen oder Verbrechen werden vor den District oder County Courts abgeurteilt, welche eine breite Zuständigkeit für die erste Instanz haben.125 Schwere Strafsachen werden in den Bundesstaaten in der Regel vor einer Jury verhandelt, bei leichteren Vergehen ist aber auch die Entscheidung eines Einzelrichters möglich.126 Als Beispiel mag hier Massachusetts dienen. Auf kommunaler Ebene bestehen Gerichte mit erstinstanzlicher Zuständigkeit, wie etwa der Boston Municipal Court, welcher nur in Boston und im Suffolk County begangene kommunale Straftaten bei nicht zu erwartender Gefängnisstrafe verhandelt, oder der Housing Court, 123 Eine ausführliche Aufzählung findet sich bei Logan, 62 Ohio St. L. J. 1409, 1426 ff. (2001). 124 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 372 (2002). 125 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 380 (2002); vgl. auch Schmid, S. 47. 126 von Mehren/Murray, S. 117; Schmid, S. 47.

E. Die Organisation der Strafverfolgung innerhalb der Bundesstaaten

145

ein Spezialgericht für Verstöße gegen den Massachusetts Building Code, die Bauordnung des Bundesstaates.127 Schwerere Straftaten werden erstinstanzlich vor dem Superior Court verhandelt, Verbrechen mit einer Straferwartung unter fünf Jahren vor den District Courts des Bundesstaates. Letztere dürfen dabei nicht mit den U. S. District Courts des Bundes verwechselt werden, welche erstinstanzlich zuständig sind für sämtliche Straftaten nach Bundesrecht.128 Massachusetts bildet einen Gerichtsbezirk des Bundes und beherbergt daher auch nur einen U. S. District Court. Der Bundesstaat ist allerdings hinsichtlich der Zuständigkeit der District Courts in 14 Unterbezirke (counties) aufgeteilt, in welchen oftmals wiederum mehrere District Courts tätig sind.129 Des Weiteren unterhält jeder Bundesstaat eine zweite Instanz, welche Revisionen der Entscheidungen der ersten Instanz durchführt, so auch in Massachusetts der Appeals Court. Schließlich besteht in jedem Bundesstaat zudem ein höchster Gerichtshof, vergleichbar dem U. S. Supreme Court auf Bundesebene, welcher in der Regel für Verfassungsbeschwerden in Bezug auf Fragen der einzelstaatlichen Verfassung zuständig ist. In Massachusetts ist dies der Supreme Judicial Court. Vor diesem werden aber u. a. auch Revisionen in Mordfällen verhandelt. Die Polizeikräfte der Bundesstaaten sind einer besonders dezentralisierten Ordnung unterworfen. Während manche Behörden landesweit operieren, wie etwa die Landespolizei (state police) und die Autobahnpolizei (highway patrol), ist die polizeiliche Zuständigkeit im Übrigen regelmäßig auf einen kleinen Bereich reduziert. So unterhalten Städte in der Regel ein city police department und die Gemeinden außerhalb der Städte ein sheriff department, deren Kompetenzen streng getrennt und auf ihr jeweiliges Gebiet beschränkt sind.130 Gleichwohl kann es auch hier zu Überschneidungen der Zuständigkeit etwa zwischen state und local police kommen.131 Die Organisation der Landespolizei ähnelt wiederum der Bundesebene. So sind etwa innerhalb des Bundesstaates Massachusetts in allen counties auch so genannte Detective Units der Massachusetts State Police angesiedelt. Diese sind u. a. zuständig für schwere Verbrechen wie Mord, während die leichteren Straftaten von der lokalen Polizei untersucht werden.132 Die Massachusetts State Police verfügt zurzeit über 2.300 Beamte.133 127

Vgl. dazu http://www.lawyerviews.com/lawsite/courts.html#Trial%20Court%20Diagram; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 128 Siehe dazu oben 3. Kapitel D. I. 129 Vgl. http://www.mass.gov/courts/courtsandjudges/courts/districtcourt/courthouses.html; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 130 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 380 (2002). 131 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 380 (2002). 132 Eine Ausnahme bildet offenbar die Hauptstadt Boston, da hier die lokalen Behörden auch für Tötungsdelikte zuständig sind; vgl. http://www.nationmaster.com/encyclopedia/MassachusettsState-Police; zuletzt abgerufen am 21.02.2009. 133 Vgl. die offizielle Website der Massachusetts State Police, abrufbar im Internet unter: http://www.mass.gov/?pageID=eopsagencylanding&L=3&L0=Home&L1=Public+Safety+Ag encies&L2=Massachusetts+State+Police&sid=Eeops; zuletzt abgerufen am 21.02.2009.

146

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Eine ähnliche Organisation prägt die Staatsanwaltschaften der Bundesstaaten. Sowohl auf Landes- als auch auf Stadt- und County-Ebene sind Strafverfolgungsbehörden angesiedelt. Während die Verfolgung von Kleinkriminalität und den lokalen ordinances im Wesentlichen den City oder County Prosecutors obliegt, sind der Landes-Staatsanwaltschaft die schwereren Verbrechen zugewiesen.134

II. Strafanwendungsrecht Oben135 wurden bereits umfangreichere Feststellungen zum allgemeinen USamerikanischen Verständnis der Kompetenzverteilung angebracht. Anders als im Strafrecht des Bundes geht es in den Rechtsordnungen der Bundesstaaten aber weniger um die Frage verfassungsmäßiger Kompetenz. Tatsächlich lässt sich im Bereich der Bundesstaaten eher von einem Strafanwendungsrecht nach deutschem Verständnis sprechen. Denn im Gegensatz zum Bund muss der Gesetzgeber eines Bundesstaates nicht in der U. S. Constitution nach Strafrechtskompetenzen suchen, sie stehen ihm vielmehr im Rahmen seiner Polizeimacht fraglos zu. Anders ausgedrückt sind die Bundesstaaten ohne weiteres berechtigt, den Mord in einem allgemeinen Sinne und in einem allgemeinen Gesetzbuch unter Strafe zu stellen; durch allgemeine Normen, welche durchaus einem Strafanwendungsrecht zugeordnet werden können, kann die Legislative die Reichweite der Strafgewalt festlegen, in welchen Konstellationen sie den Mord verfolgen will. Auch im Strafrecht der Bundestaaten ist von der Basis des common law und dabei im Speziellen vom Territorialitätsprinzip auszugehen. Hiernach soll vom Grundsatz her jeder Bundesstaat zuständig (für die Strafverfolgung) sein, wenn sich entweder die Tathandlung oder das Resultat dieser Handlung auf seinem Gebiet ausmachen lassen.136 Weitere Annahme des common law ist, dass es nur einen Tatort (single-situs concept) geben und nur das Land, in dessen Gebiet er liegt, zuständig für die Strafverfolgung sein kann. Für dessen Bestimmung ist bei Delikten, die wesentlich auf eine Handlung abstellen (z. B. bei Tätigkeitsdelikten), der Akt Ausschlag gebend. Bei Erfolgsdelikten kommt es hingegen darauf an, wo der Erfolg eintritt bzw. genauer: wo das Tatmittel das Opfer in einer Weise erreicht, dass der Erfolg ohne weiteres Zutun eintreten kann.137 Bei einem tödlichen Schuss ist demnach z. B. nicht der Ort der konkreten Handlung (Schuss) oder des Taterfolges (Tod) entscheidend, sondern der Ort, an welchem der Schuss das Opfer erreicht und somit seine tödliche Wirkung entfalten kann.138

134

Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 381 (2002). Oben 3. Kapitel B. II. 136 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 295; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 838 f. 137 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 295; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 839. 138 LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 295; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 839 f.; jeweils mit weiteren Beispielen. 135

E. Die Organisation der Strafverfolgung innerhalb der Bundesstaaten

147

Die Gerichte der Bundesstaaten, denen die nähere Bestimmung der Regeln des common law und daher in diesem Fall auch der Gerichtszuständigkeit oblag, erkannten in der Folge vermehrt Ausnahmen vom single-situs concept an und weichten dieses auf. So ist bei Dauerdelikten, welche, wie etwa eine Freiheitsberaubung, auch über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Ländern begangen werden können, die Anwendbarkeit des Rechts und eine Verfolgungszuständigkeit jedes betroffenen Einzelstaates angenommen worden. Später wurde auch eine Zuständigkeit von zwei verschiedenen Bundesstaaten bejaht, wenn die Tat aus mehreren Teilakten besteht.139 Schwierigkeiten ergaben sich insbesondere bei Teilnahmehandlungen, wenn diese, anders als die Haupthandlung außerhalb des Territoriums des verfolgenden Bundesstaates passierten, oder bei der Versuchsstrafbarkeit.140 Die Bundesstaaten haben inzwischen in ihren Statuten die Grundsätze des common law kodifiziert und dabei zumeist ihre Zuständigkeiten wesentlich erweitert, wenngleich das Territorialitätsprinzip entscheidender Anknüpfungspunkt bleibt. So bestimmen viele einzelstaatliche Gesetze, dass der Bundesstaat anders als nach dem common law auch dann für die Verfolgung zuständig ist bzw. dann eben auch sein Recht anwendbar ist, wenn entweder die Handlung auf dem Staatsgebiet stattfand oder erst der Erfolg dort eintrat,141 und folgen dabei der Regelung in MPC § 1.03(1)(a).142 Angenommen der Täter schießt vom Gebiet des Bundesstaates A aus auf das Opfer, welches sich im Bundesstaat B befindet und dieses stirbt in Folge der erlittenen Wunden in einem Krankenhaus im Bundesstaat C, so ist es durchaus möglich, dass alle drei Bundesstaaten nach ihren Statuten zuständig sind. Hinsichtlich des Erfolges (result) bestimmen einige Statuten, dass hierunter entweder der Eintritt der Folge, wie etwa der Tod des Opfers, oder aber der physische Kontakt des Tatmittels mit dem Körper des Opfers zu verstehen ist.143 Interessant sind Regelungen im Hinblick auf die Zuständigkeit bei Tatbegehung unter Verwendung von Computern und Internet. Hier heißt es etwa in 139

LaFave/Israel/King/Kerr, S. 843 f. LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 298 ff.; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 845. 141 So etwa New Jersey: N. J. Stat. §§ 2C:1-3(a)(1); Texas: Texas Pen. Code § 1.04 (a): This state has jurisdiction over an offense that a person commits by his own conduct or the conduct of another for which he is criminally responsible if: (1) either the conduct or a result that is an element of the offense occurs inside this state. 142 Die etwas älteren Regelungen erreichen dieses Ergebnis abweichend vom MPC durch die Formulierung, dass die Tat teilweise („partly“) auf dem Gebiet des Bundesstaates begangen wurde; vgl. California: Cal. Penal Code § 27 (a): The following persons are liable to punishment under the laws of this state: (1) All persons who commit, in whole or in part, any crime within this state; die Gerichte müssen hier erst bestimmen, was unter einer Begehung nur teilweise auf dem Staatsgebiet zu verstehen ist; teilweise wird ihnen dies aber auch im Gesetz abgenommen, vgl. Utah: Utah Code § 76-1-201 (2): An offense is committed partly within this state if either the conduct which is any element of the offense, or the result which is an element, occurs within this state; vgl. dazu LaFave/Israel/King/Kerr, S. 851 f. 143 So etwa New Jersey: N. J. Stat. §§ 2C:1-3(d); Texas: Texas Pen. Code § 1.04 (b): If the offense is criminal homicide, a „result“ is either the physical impact causing death or the death itself. 140

148

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

N. Y. Crim. Proc. § 20.60, einer strafprozessualen Bestimmung des Bundesstaates New York: „A person who causes by any means the use of a computer or computer service in one jurisdiction from another jurisdiction is deemed to have personally used the computer or computer service in each jurisdiction.“

Hiernach kann bei Computerkriminalität eine Jurisdiktion zwei verschiedener Bundesstaaten in Betracht kommen.144 Weitere Bestimmungen finden sich zu Versuch oder Verabredung zu einer Straftat sowie zur Beteiligung, wenn die entscheidenden Akte außerhalb der Staatsgrenzen verübt wurden.145 Aufschlussreich ist ferner die in einigen Statuten befindliche Regelung zu Zweifelsfällen, wenn sich nicht eindeutig feststellen lässt, wo die Tat begangen wurde. Hier wird im Falle eines Tötungsdelikts oftmals der Fundort der Leiche als Vermutung für den Tatort herangezogen.146 Nationalstaaten stützen darüber hinausgehend ihre Gesetze und Zuständigkeiten auf weitere international anerkannte Prinzipien, wie etwa das (aktive) Personalitätsprinzip oder das Staatsschutzprinzip. Ob diese auch für die Bundesstaaten gelten, welche zwar nach US-amerikanischem Verständnis eigene Souveräne sind, aber keine Nationen im eigentlichen Sinne, ist noch nicht abschließend geklärt.147 Gerichte der Bundesstaaten haben teilweise anerkannt, dass die Einzelstaaten ihre Zuständigkeit zumindest auf das Staatsschutzprinzip stützen und damit Sachverhalte erfassen können, in welchen weder Handlung noch Erfolg im Staatsgebiet lagen, der Bundesstaat aber gleichwohl nachhaltig beeinträchtigt werden könnte. So entschied der Supreme Court of Florida, dass der Bundesstaat Florida auch Straftaten verfolgen konnte, welche auf Kreuzfahrtschiffen vor seiner Küste begangen wurden, ohne dass Täter oder Opfer Bürger Floridas waren, da dieser Bundesstaat in besonderem Maße auf die Touristen angewiesen ist.148

144

Vgl. dazu Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 212 f. (1999). So etwa New Jersey: N. J. Stat. §§ 2C:1-3 (a): Except as otherwise provided in this section, a person may be convicted under the law of this State of an offense committed by his own conduct or the conduct of another for which he is legally accountable if: […] (2) Conduct occurring outside the State is sufficient under the law of this State to constitute an attempt to commit a crime within the State; (3) Conduct occurring outside the State is sufficient under the law of this State to constitute a conspiracy to commit an offense within the State and an overt act in furtherance of such conspiracy occurs within the State; (4) Conduct occurring within the State establishes complicity in the commission of, or an attempt, or conspiracy to commit, an offense in another jurisdiction which also is an offense under the law of this State; vgl. dazu LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 302 ff.; LaFave/Israel/King/Kerr, S. 851 ff. 146 Vgl. Texas: Texas Pen. Code § 1.04 (b): If the body of a criminal homicide victim is found in this state, it is presumed that the death occurred in this state. 147 Vgl. Fletcher/Sheppard, S. 278: Diese Frage sei noch kaum behandelt, da die Bundesstaaten sich regelmäßig primär auf das Territorialitätsprinzip und somit auf Straftaten innerhalb ihres Staatsgebietes beschränkten. 148 Supreme Court of Florida, State v. Stepansky, 761 So.2d 1027 (2000). 145

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

149

Der U. S. Supreme Court149 geht im Übrigen davon aus, dass Bundesstaaten auch nach dem aktiven Personalitätsprinzip gegen ihre Bürger vorgehen können, wenn diese Straftaten außerhalb ihrer Staatsgrenzen begehen.150

III. Örtliche Gerichtszuständigkeit Wiederum finden die soeben zum Strafanwendungsrecht angestellten Prinzipien ihre Entsprechung in der crime-committed formula, welche entweder in der Verfassung oder der Strafprozessordnung des jeweiligen Bundesstaates verankert ist,151 auch für die örtliche Zuständigkeit der konkreten Gerichte und Staatsanwaltschaften.152 Diese Formel dient der Festlegung nur eines bestimmten Orts für die Verhandlung. Das Strafverfahren ist hiernach in dem Bezirk durchzuführen, in welchem die Tat begangen wurde.153 Ein wesentlicher Unterschied zur materiellen Kompetenz besteht aber darin, dass bei Zuständigkeit mehrerer Bundesstaaten jeder einzelne verfolgen und verurteilen darf, ohne dass das Doppelbestrafungsverbot entgegensteht,154 während bei Annahme der Zuständigkeit mehrerer Gerichte innerhalb eines Bundesstaates jeweils nur eines auszuwählen ist. Auf der Ebene der Bundesstaaten ist das Staatsgebiet in der Regel in counties unterteilt, in welchen sich die District Courts befinden.155

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

Innerhalb eines Staatengebildes mit unterschiedlichen Jurisdiktionen oder gar Rechtssystemen birgt das Überschreiten von Grenzen durch Straftäter eine Reihe von Problemen. Erstens können Jurisdiktionskonflikte entstehen, zweitens kann aus diesem Grunde die Verfolgung der Beschuldigten in einen anderen Jurisdiktionsbereich Schwierigkeiten bereiten und drittens kann die Strafverfolgung deshalb auf die Auslieferung der Straftäter durch den anderen (National-)Staat, in welchen sich die Person geflüchtet hat, angewiesen sein. Diese Probleme sind aus dem internationalen Raum bekannt, sie beschäftigen auch die europäische Strafrechtswissenschaft und haben innerhalb der Europäischen Union zu verschiedenen zwischenstaatlichen Abkommen geführt. Sie haben aber auch innerhalb des föderativen Systems der Vereinigten Staaten Bedeutung. Einige dieser in Europa

149

U. S. Supreme Court, Skiriotes v. Florida, 313 U. S. 69 (1941). Die Bürger der Vereinigten Staaten sind zugleich Staatsangehörige des Bundes und der Bundesstaaten; vgl. bereits oben 3. Kapitel B. II. 151 LaFave/Israel/King/Kerr, S. 710. 152 Siehe zur crime-committed formula bereits oben 3. Kapitel D. IV. 153 LaFave/Israel/King/Kerr, S. 708 ff. 154 Dazu noch unten 5. Kapitel D. 155 Siehe dazu bereits oben 4. Kapitel E. I. 150

150

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

unter dem Stichwort „Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen“156 diskutierten Aspekte sollen hier kurz für das US-amerikanische Recht beleuchtet werden.

I. Nacheile Die Jurisdiktion der Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten ist in der Regel auf ihr Territorium begrenzt. Daher dürfen auch die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich nur bis zur Staatsgrenze operieren. Dieses Prinzip ist nicht nur von Nationalstaaten, sondern z. B. auch aus föderalen Systemen wie demjenigen der Bundesrepublik Deutschland bekannt, denn auch hier steht die Polizeigewalt den Bundesländern zu und endet an der Landesgrenze.157 Dieser Grundsatz gilt in den Vereinigten Staaten im Übrigen aber auch im Hinblick auf die Jurisdiktionsbereiche innerhalb eines Bundesstaates und nicht nur für das Verhältnis der Bundesstaaten untereinander. Da die Strafverfolgung lokal organisiert ist, verteilt sich die Zuständigkeit etwa für die polizeilichen Ermittlungen auf eine Vielzahl kleiner geografischer Bereiche. Die Ermittlungsbehörden der Counties dürfen nur in ihrem Zuständigkeitsbereich und z. B. nicht in den Städten oder angrenzenden Gemeinden tätig werden. Hierin liegt naturgemäß ein erhebliches Manko der Verfolgung grenzüberschreitender Delinquenz, und zwar in doppeltem Sinne: Einerseits wenn Täter in mehreren Bundesstaaten tätig sind, andererseits aber ganz trivial sogar dann, wenn ein Verbrechen zwar nur an einem Ort begangen wurde, der Täter sich aber der Strafverfolgung durch Flucht in einen anderen Bundesstaat entzieht. Nach Bericht von Brickey158 mussten früher sogar Verfolgungsjagden abgebrochen werden, wenn eine Staatsgrenze überschritten wurde. Hierin lag ein wesentlicher Grund für die Ausweitung des Bundesrechts gerade in Fällen grenzüberschreitender Sachverhalte.159 Eine allgemeingültige Regelung im Hinblick auf eine grenzüberschreitende Nacheile, wie in § 167 GVG160 für das deutsche Bundesgebiet erlassen, existiert in den Vereinigten Staaten nicht. Auch quasi zwischenstaatliche Abkommen zwischen den einzelnen Bundesstaaten, welche den in den Art. 40, 41 SDÜ161 für den Schengener Vertragsraum geschaffenen Bestimmungen vergleichbar wären, liegen nicht vor.

156

Vgl. nur Ambos, § 12; Hecker, § 12; Satzger, § 9 II und III. Heinrich, NStZ 1996, 361. 158 Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1143 (1995); dies., 543 Annals Am. Acad Pol. & Soc. Sci. 27, 29 (1996). 159 Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel C. III. 160 Instruktiv zur Nacheile innerhalb des deutschen Bundesgebietes Heinrich, NStZ 1996, 361. 161 Vgl. dazu Ambos, § 12 Rn. 33; Heinrich, NStZ 1996, 361, 365 f. 157

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

151

Gleichwohl sind im angloamerikanischen Rechtsraum verschiedene Grundsätze im Zusammenhang mit der Nacheile (pursuit) anerkannt. Im Hinblick auf die unmittelbare Verfolgung eines Beschuldigten finden sich – je nach Bundesstaat – die Bezeichnungen „hot pursuit“, „fresh pursuit“ und „close pursuit“. Diese Begriffe werden teilweise synonym verwandt, teilweise verbirgt sich dahinter aber auch eine gänzlich andere Bedeutung. Unabhängig von terminologischen Feinheiten gilt es jedenfalls drei Konstellationen und diesbezügliche Regelungen auseinander zu halten. Im ersten Fall, welcher oft als „hot pursuit“162 bezeichnet wird, geht es um einen § 127 Abs. 2 StPO vergleichbaren Sachverhalt, nämlich die Nacheile und dabei erfolgende Festnahme einer tatverdächtigen Person durch Polizeikräfte. Dies ist einer der verfassungsrechtlich anerkannten Fälle, in welchen auch das Betreten von privaten Grundstücken und Wohnungen zulässig ist, ohne dass ein Haft- oder Durchsuchungsbefehl vorliegt.163 Der zweite Sachverhalt, für welchen häufig die Termini „fresh pursuit“ oder „close pursuit“ verwandt werden, betrifft die Verfolgung und Festnahme von Personen in einem fremden Zuständigkeitsbereich, aber innerhalb desselben Bundesstaates.164 Die Bundesstaaten haben diesbezüglich vielfach Bestimmungen in ihre Strafprozessordnungen aufgenommen, welche eine Ermächtigungsgrundlage für die Strafverfolgungsbehörden enthalten, eine Verfolgung des Täters auch in einem anderen Zuständigkeitsgebiet – innerhalb desselben Bundesstaates – fortzusetzen und in diesem Fall so zu verfahren, als befänden sie sich im Bereich ihrer eigenen örtlichen Jurisdiktion. Besondere Bedeutung kommt hierbei der unmittelbaren Verfolgung von Straftaten im Straßenverkehr zu.165 Für diese Untersuchung bedeutsamer ist aber schließlich die dritte Konstellation: die unmittelbare Verfolgung von Straftätern über die Grenze eines Bundesstaates hinaus. Wiederum werden hierfür je nach Rechtsordnung die Bezeichnungen „fresh pursuit“ oder „close pursuit“ gewählt. Ein Bundesstaat kann – anders als in der zweiten angesprochenen Variante – selbstverständlich keine Regelung hinsichtlich der Berechtigung seiner Behörden zur Tätigkeit auf dem Territorium 162

U. S. Supreme Court, United States v. Santana, 427 U. S. 38, 43 (1976); vgl. zur terminologischen Unterscheidung auch Bissonette, 52 RI Bar Jnl. 19 (2004), Fn. 3. 163 U. S. Supreme Court, United States v. Santana, 427 U. S. 38, 43 (1976); vgl. auch Schmid, S. 106. 164 Vgl. hierzu ausführlich Bissonette, 52 RI Bar Jnl. 19 (2004). 165 So heißt es etwa in Rhode Island, in R. I. Gen. Laws § 12-7-19: Any member of a duly organized municipal peace unit of another city or town of the state who enters any city or town in close pursuit and continues within any city or town in such close pursuit of a person in order to arrest him or her on the ground that he or she has violated the motor vehicle code in the other city or town shall have the same authority to arrest and hold in custody the person as members of a duly organized municipal peace unit of any city or town have to arrest and hold in custody a person on the ground that he or she has violated the motor vehicle code in any city or town.

152

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

eines anderen Souveräns erlassen. Er kann aber sehr wohl die umgekehrte Situation erlauben. Die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws166 sah hier einen Bereich, welcher unbedingt von allen Bundesstaaten einheitlich geregelt werden muss und erließ den „Uniform Act on Fresh Pursuit“ mit dem dringenden Anraten, diesen in jedem Bundesstaat Gesetz werden zu lassen. Tatsächlich haben viele Bundesstaaten ihn übernommen,167 so etwa Massachusetts in MA. Gen. L. ch. 276 § 10A, New Jersey in N. J. Stat. § 2A:155-4, Rhode Island in R. I. Gen. Laws § 12-8-3 oder New York in N. Y. Crim. Proc. Law § 140.55. Die zuletzt genannte Vorschrift lautet: Any peace officer of another state of the United States, who enters this state in close pursuit and continues within this state in such close pursuit of a person in order to arrest him, shall have the same authority to arrest and hold in custody such person on the ground that he has committed a crime in another state which is a crime under the laws of the state of New York, as police officers of this state have to arrest and hold in custody a person on the ground that he has committed a crime in this state.168

Teilweise werden im Hinblick auf das Recht zur Verfolgung und Festnahme des Beschuldigten auch Unterschiede zwischen Vergehen und Verbrechen gemacht. So heißt es etwa im Bundesstaat New York in N. Y. Crim. Proc. Law § 140.10: 1. […] 2. A police officer may arrest a person for a petty offense, pursuant to subdivision one, only when: (a) Such offense was committed or believed by him or her to have been committed within the geographical area of such police officer’s employment or within one hundred yards of such geographical area; and (b) Such arrest is made in the county in which such offense was committed or believed to have been committed or in an adjoining county; except that the police officer may follow such person in continuous close pursuit, commencing either in the county in which the

166

Siehe dazu bereits oben 4. Kapitel B. Eine Übersicht über sämtliche Kodifizierungen dieses Einheitsgesetzes findet sich im Internet unter http://www.lawsource.com/also/usa.cgi?usm#F; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 168 Vgl. auch die im Wesentlichen gleich lautende Bestimmung in MA. Gen. L. ch. 276 § 10A: Any member of a duly organized state, county or municipal peace unit of another state of the United States the laws of which contain provisions substantially equivalent to the provisions of this and the following section, who enters this commonwealth in fresh pursuit, and continues herein in such fresh pursuit, of a person in order to arrest him on the ground that he has committed a felony in such other state shall have the same authority to arrest and hold in custody such person as members of a duly organized state, county or municipal peace unit of this commonwealth have to arrest and hold in custody a person on the ground that he has committed a felony in this commonwealth. 167

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

153

offense was or is believed to have been committed or in an adjoining county, in and through any county of the state, and may arrest him in any county in which he apprehends him. 3. A police officer may arrest a person for a crime, pursuant to subdivision one, whether or not such crime was committed within the geographical area of such police officer’s employment, and he may make such arrest within the state, regardless of the situs of the commission of the crime. In addition, he may, if necessary, pursue such person outside the state and may arrest him in any state the laws of which contain provisions equivalent to those of section 140.55.

§ 140 der Prozessordnung von New York ist überschrieben mit „Festnahme ohne Haftbefehl (Arrest without a warrant)“. In § 140.10 (3) wird nur bei Verbrechen eine Verfolgung und Festnahme durch die Polizei des Bundesstaates New York in einem anderen Bundesstaat für zulässig erachtet und auch nur dann, wenn dieser Bundesstaat eine N. Y. Crim. Proc. Law § 140.55 entsprechende Vorschrift erlassen hat. N. Y. Crim. Proc. Law § 140.55 normiert wiederum den „Uniform Act on Fresh Pursuit“. Da beispielsweise sowohl Rhode Island als auch Massachusetts und sowohl New York als auch New Jersey den „Uniform Act on Fresh Pursuit“ in ihr Prozessrecht aufgenommen haben, steht jeweils zumindest für diese angrenzenden Bundesstaaten fest, dass ihre Behörden bei unmittelbarer Nacheile flüchtige Straftäter auch im jeweils anderen Bundesstaat festnehmen dürfen. Ihnen kommen die gleichen Rechte zur Festnahme zu wie den örtlichen Behörden („[…] shall have the same authority to arrest […]“). Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass der Betreffende daraufhin sogleich in den Bundesstaat, welcher Ausgangspunkt der Verfolgung war, überführt werden darf. Er muss vielmehr gemäß den weiteren Bestimmungen des „Uniform Act on Fresh Pursuit“, normiert z. B. in N. Y. Crim. Proc. Law § 140.55 (3) (New York),169 N. J. Stat. § 2A:155-5 (New Jersey), R. I. Gen. Laws § 12-8-5 (Rhode Island) und MA. Gen. L. ch. 276 § 10B (Massachusetts), ohne Verzögerung in dem Gerichtsbezirk, in welchem er festgenommen wurde, einem zuständigen Richter vorgeführt werden, welcher über die Rechtmäßigkeit der Festnahme entscheidet.170 Hält das Gericht diese für rechtswidrig, so muss der Beschuldigte freigelassen werden. Andernfalls wird er in dem Bundesstaat, in welchem er festgenommen wurde, inhaftiert und ein offizielles 169 N. Y. Crim. Proc. Law § 140.55 (3): If an arrest is made in this state by an officer of another state in accordance with the provisions of subdivision two, he shall without unnecessary delay take the person arrested before a local criminal court which shall conduct a hearing for the sole purpose of determining if the arrest was in accordance with the provisions of subdivision two, and not of determining the guilt or innocence of the arrested person. If such court determines that the arrest was in accordance with such subdivision, it shall commit the person arrested to the custody of the officer making the arrest, who shall without unnecessary delay take him to the state from which he fled. If such court determines that the arrest was unlawful, it shall discharge the person arrested. 170 Vom Abdruck der anderen, soeben genannten Vorschriften wurde abgesehen, da sie als Normierungen des „Uniform Act on Fresh Pursuit“ im Wesentlichen mit N. Y. Crim. Proc. Law § 140.55 (3) übereinstimmen.

154

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Auslieferungsverfahren eingeleitet.171 Auch diese Regelungen sind im „Uniform Act on Fresh Pursuit“ vorgesehen.

II. Sonstige extra-territoriale Festnahmen und Ermittlungen Zudem gilt dies nur für die unmittelbare Nacheile. Sonstige Festnahmen und Ermittlungen auf fremdem Territorium sind ungleich schwieriger durchführbar. Es gilt das Prinzip der Beschränkung auf den eigenen Jurisdiktionsbereich. Extraterritoriale Festnahmen sind daher vom Grundsatz her nicht oder jedenfalls nur im Ausnahmefall zulässig. Hinsichtlich dieser Ausnahmen gelten in den Bundesstaaten verschiedene Ansätze. In Abwesenheit von den Regelungen zur Nacheile vergleichbaren Statuten wird die Rechtslage wesentlich durch die Gerichte bestimmt. In manchen Bundesstaaten wird eine Festnahme durch Strafverfolgungsbehörden anderer Rechtsordnungen jedenfalls dann als zulässig angesehen, wenn auch Polizisten des Bundesstaates beteiligt sind, in welchem die Ergreifung des Beschuldigten erfolgt (State Involvement Approach).172 Weit verbreitet ist der Ansatz, nach welchem Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden außerhalb des eigenen Bundesstaates nichts anderes sind als Zivilpersonen, sodass ihnen immerhin die gleichen Rechte zukommen sollen wie allen Bürgern (Private Citizens Approach).173 In den Prozessordnungen der Bundesstaaten finden sich diesbezüglich regelmäßig Bestimmungen, welche wiederum § 127 Abs. 1 StPO ähneln.174 Hiernach wäre es im Rahmen der privaten Festnahmerechte also möglich, einen Beschuldigten auch in einem anderen Bundesstaat in Gewahrsam zu nehmen. Dieser Ansatz ist aber nicht ganz unproblematisch. Denn hierbei ist zu beachten, dass Zusatzartikel IV der U. S. Constitution grundsätzlich vor unrechtmäßigen Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder Festnahmen durch staatliche Amtsträger schützt.175 Bei im Zuge verfassungswidriger Operationen gewonnenen Beweismitteln können Verwertungsverbote erwachsen.176 Anders ist es aber bei durch Private durchgeführten Maßnahmen, da hier Zusatzartikel IV nicht gilt.177 171

Zur Auslieferung sogleich 4. Kapitel F. III. So etwa entschieden für Rhode Island in: Supreme Court of Rhode Island, State v. Baton, 488 A.2d 696 (1985); vgl. dazu Berman/Lippman, 39 N. Y. L. Sch. L. Rev. 637, 649 ff. (1994). 173 Vgl. hierzu Berman/Lippman, 39 N. Y. L. Sch. L. Rev. 637, 653 (1994). 174 Vgl. etwa N. Y. Crim. Proc. Law § 140.30: 1. Subject to the provisions of subdivision two, any person may arrest another person (a) for a felony when the latter has in fact committed such felony, and (b) for any offense when the latter has in fact committed such offense in his presence. 2. Such an arrest, if for a felony, may be made anywhere in the state. If the arrest is for an offense other than a felony, it may be made only in the county in which such offense was committed. 175 Vgl. dazu Honig, Beweisverbote, S. 25 ff. 176 Vgl. dazu Honig, Beweisverbote, S. 42 ff. 177 Berman/Lippman, 39 N. Y. L. Sch. L. Rev. 637, 652 (1994). 172

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

155

Daher gelangt in Strafprozessen verstärkt die so genannte „under color of authority doctrine“178 zur Anwendung, welche insbesondere von Gerichten in Florida entwickelt, später jedoch auch in anderen Bundesstaaten angewandt wurde. Hiernach kann ein Polizist sich nicht ohne weiteres auf die Festnahmerechte einer Privatperson berufen, wenn er in offizieller staatlicher Funktion tätig ist.179 Gleichwohl werden aus dieser Doktrin teilweise unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Nach der älteren Ausprägung des Grundsatzes180 sind private Festnahmerechte bei einem Handeln in amtlicher Funktion gänzlich irrelevant. Das Vorgehen muss sich in diesem Fall vielmehr an den Vorgaben von Zusatzartikel IV messen lassen, sodass u. a. eine wirksame Rechtsgrundlage nachgewiesen werden muss – es müssen dann z. B. ein Durchsuchungs- oder Haftbefehl vorliegen oder jedenfalls die wesentlich strengeren Voraussetzungen staatlicher Eingriffe erfüllt sein.181 Liegen diese vor, so kann das Vorgehen gleichwohl zulässig sein. In anderen Entscheidungen wird hingegen anerkannt, dass ein Amtsträger sich vom Grundsatz her auf private Festnahme- und Beweisgewinnungsrechte berufen kann, wenn er außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches tätig ist, unter Anwendung der „under color of authority doctrine“ jedoch festgestellt, dass diese Befugnisse jedenfalls dann nicht greifen, wenn gerade das Auftreten als Amtsträger die Gewinnung von Beweismitteln, den Zutritt zu einer Wohnung oder letztlich die Festnahme ermöglicht hat, während eine Privatperson diese Ergebnisse gerade nicht hätte erzielen können.182 Ein solches Vorgehen ist grundsätzlich unzulässig, auf diese Weise gewonnene Beweismittel können nicht verwertet werden. An dieser Stelle ist besonders interessant, dass das Bundesrecht in 18 U. S. C. § 1073 die Flucht vor Justizbehörden der Bundesstaaten in einen anderen Bundesstaat unter Strafe stellt. Ziel dieser Regelung ist die Unterstützung der Behör178 Berman/Lippman, 39 N. Y. L. Sch. L. Rev. 637, 657 ff. (1994), mit diversen Nachweisen aus der Rechtsprechung der Bundesstaaten. 179 Wann diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird indes nicht unbedingt einheitlich beantwortet; vgl. etwa United States Court of Appeals (5th Cir.), 630 F.2d 389, 393 (1980): „Florida law on this point is not free from ambiguity.“ Das Gericht fasste (ebd.) zusammen, dass nach überwiegender Meinung ein Polizist sich jedenfalls als Amtsträger zu erkennen geben müsse, etwa durch das Tragen von Uniform oder durch einen sonstigen Nachweis seiner offiziellen Funktion. 180 District Court of Appeal of Florida, Collins v. State, 143 So.2d 700, 703 (1962); diese Entscheidung bezieht sich indes auf die Festnahme durch Polizeibeamte aus Florida innerhalb desselben Bundesstaates, aber außerhalb ihrer Jurisdiktion in einem anderen county; auch in Florida ist eine Festnahme außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereiches gemäß Fla. Stat. § 901.25 grds. nur im Falle der unmittelbaren Nacheile gestattet; vgl. zu dieser Entscheidung Berman/Lippman, 39 N. Y. L. Sch. L. Rev. 637, 658 ff. (1994). 181 Supreme Court of New York, People v. La Fontaine, 603 N. Y. S.2d 660, 666 (1993); vgl. dazu Berman/Lippman, 39 N. Y. L. Sch. L. Rev. 637, 644 ff. (1994). 182 District Court of Appeal of Florida, State v. Williams, 366 So. 2d 135, 136 (1979); Phoenix v. State, 428 So. 2d 262, 266 (1982); vgl. dazu Berman/Lippman, 39 N. Y. L. Sch. L. Rev. 637, 663 ff. (1994).

156

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

den des Tatortstaates, um Hindernisse bei Ermittlungen und Festnahmen in anderen Bundesstaaten zu überwinden. Denn durch den Haftbefehl nach Bundesrecht ist es dem F. B. I. möglich, den flüchtigen Straftäter festzunehmen und ihn sodann den Behörden des Bundesstaates zu überlassen, in welchem er aufgegriffen wurde.183 Ein tatsächliches Strafverfahren vor einem Bundesgericht kommt nur in ganz außergewöhnlichen Fällen in Betracht.184 Hier findet sich also ein weiteres, besonders plakatives Beispiel für die Unterstützungsfunktion des Bundesstrafrechts.185 Exemplarisch erscheint diesbezüglich der Sachverhalt, welcher der Rechtssache People v. La Fontaine186 zu Grunde lag, welche vor dem Supreme Court of New York verhandelt wurde. In diesem Fall hatten Polizisten aus dem Bundesstaat New Jersey einen flüchtigen Beschuldigten im Bundesstaat New York festgenommen, wobei sie sowohl über einen Haftbefehl (wegen Tötungsdelikten) aus New Jersey als auch über einen Haftbefehl nach Bundesrecht (wegen der Flucht vor den Justizbehörden) gemäß 18 U. S. C. § 1073 verfügten. Bei der Festnahme fanden sie eine größere Menge Kokain. Der Betroffene wurde daraufhin den zuständigen Behörden aus New York übergeben und später dort wegen Drogenbesitzes angeklagt. Er verteidigte sich damit, dass die Beweismittel nicht verwertet werden könnten, da die Festnahme durch Beamte aus dem anderen Bundesstaat nicht rechtmäßig gewesen sei. Der höchste Gerichtshof des Bundesstaates New York sah das Vorgehen hingegen als rechtmäßig an, wobei er diese Entscheidung wegen der „under color of authority doctrine“ nicht auf das Festnahmerecht eines Privatbürgers aus N. Y. Crim. Proc. Law § 140.30 stützte, sondern das Vorgehen an Zusatzartikel IV der U. S. Constitution maß; zwar hatte der Haftbefehl aus New Jersey im Bundesstaat New York keine Wirkung, wohl aber der Haftbefehl des Bundes, welcher auch durch Behörden eines Bundesstaates (!) vollstreckt werden darf.187

III. Auslieferung Selbst wenn die Festnahme eines Straftäters im fremden Bundesstaat ausnahmsweise zulässig ist, müssen die Bundesstaaten sich untereinander auf die Auslieferung (extradition oder rendition)188 der entflohenen Straftäter verlassen, welche 183

So U. S. District Court for the Southern District of New York, United States v. Love, 425 F. Supp. 1248, 1250 (1977). 184 So U. S. District Court for the Southern District of New York, United States v. Love, 425 F. Supp. 1248, 1249 (1977). 185 Insbesondere auch deshalb, weil auch Behörden eines Bundesstaates den Haftbefehl des Bundes vollstrecken dürfen, während ein Haftbefehl aus ihrem eigenen Bundesstaat in anderen Jurisdiktionsbereichen keine Wirkung entfaltet; vgl. Supreme Court of New York, People v. La Fontaine, 603 N. Y. S.2d 660, 669–670 (1993). 186 Supreme Court of New York, People v. La Fontaine, 603 N. Y. S.2d 660 (1993). 187 Supreme Court of New York, People v. La Fontaine, 603 N. Y. S.2d 660, 669–670 (1993). 188 Wiederum werden diese Begriffe teilweise synonym verwendet, teilweise wird hingegen mit „extradition“ die Auslieferung im internationalen Recht und mit „rendition“ diejenige zwischen den Bundesstaaten bezeichnet; vgl. Wolfe, 5 Am. J. of Crim. Justice 25, 26 (1980).

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

157

zwar in U. S. Const. Art. IV § 2 cl. 2, der so genannten Auslieferungsklausel (extradition clause),189 verfassungsrechtlich vorgeschrieben, unter Umständen aber ein langwieriges Unterfangen ist und die Einschaltung der jeweiligen Gouverneure beider Bundesstaaten erfordert. Erschwert wurde das Verfahren seit der Entscheidung Kentucky v. Dennison190 aus dem Jahr 1860 zudem dadurch, dass die in der U. S. Constitution vorgesehene Verpflichtung der Bundesstaaten zur gegenseitigen Auslieferung von Straftätern zunächst vor Bundesgerichten nicht durchgesetzt werden konnte. Zudem bestand eine Kontroverse darüber, ob die Regelung in U. S. Const. Art. IV § 2 cl. 2 verpflichtend ist oder der Exekutive der Bundesstaaten ein Ermessen einräumt.191 Die Kooperation zwischen den Bundesstaaten bzw. den Kolonien in Bezug auf die Auslieferung von Delinquenten datiert wesentlich weiter zurück als die U. S. Constitution.192 Auch die Articles of Confederation sahen in Art. IV eine Auslieferungsklausel vor. Hierdurch kamen in besonderem Maße die Unabhängigkeit der Bundesstaaten voneinander und ihre den Nationalstaaten vergleichbare Souveränität zum Ausdruck. U. S. Const. Art. IV § 2 cl. 2 lautet: A Person charged in any State with Treason, Felony, or other Crime, who shall flee from Justice, and be found in another State, shall on demand of the executive Authority of the State from which he fled, be delivered up, to be removed to the State having Jurisdiction of the Crime.

Der Wortlaut dieser Verfassungsklausel scheint zunächst keinen Zweifel daran zu lassen, dass es sich bei der Auslieferung um eine zwingende Pflicht („shall […] be delivered“) der Gouverneure als „executive authority“ handelt. Probleme erwachsen aber daraus, dass diese Bestimmung keinerlei Hinweise auf das Verfahren enthält und daher als nicht unmittelbar wirksam angesehen wird193 und eine nähere Ausgestaltung durch einfachgesetzliches Recht erfordert. Bereits im Jahr 1793 erließ der Congress in Ausführung dieses Verfassungsartikels den Extradition Act,194 heute geregelt in 18 U. S. C. § 3182. Dort heißt es: Whenever the executive authority of any State or Territory demands any person as a fugitive from justice, of the executive authority of any State, District, or Territory to which such person has fled, and produces a copy of an indictment found or an affidavit made before a magistrate of any State or Territory, charging the person demanded with having committed 189 Zur Terminologie U. S. Supreme Court, California v. Superior Court of California, San Bernardino County, 482 U. S. 400, 406 (1987); Wolfe, 5 Am. J. of Crim. Justice 25 (1980). 190 U. S. Supreme Court, Kentucky v. Dennison, 65 U. S. 66 (1861). 191 Siehe dazu Spear, S. 324 ff.; Wolfe, 5 Am. J. of Crim. Justice 25 (1980). 192 Geschichtliche Nachweise bei Spear, S. 225 ff.; Wolfe, 5 Am. J. of Crim. Justice 25, 27 ff. (1980). 193 Vgl. U. S. Supreme Court, California v. Superior Court of California, San Bernardino County, 482 U. S. 400, 406 (1987): „The Extradition Clause […] does not specifically establish a procedure which interstate extradition is to take place, and, accordingly, has never been considered to be self-executing.“ 194 Extradition Act of 1793, 1 Stat. 302.

158

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

treason, felony, or other crime, certified as authentic by the governor or chief magistrate of the State or Territory from whence the person so charged has fled, the executive authority of the State, District, or Territory to which such person has fled shall cause him to be arrested and secured, and notify the executive authority making such demand, or the agent of such authority appointed to receive the fugitive, and shall cause the fugitive to be delivered to such agent when he shall appear. If no such agent appears within thirty days from the time of the arrest, the prisoner may be discharged.

Doch auch unter Geltung dieser Vorschrift blieben etliche Fragen offen. Einigen besonders wichtigen widmete sich der U. S. Supreme Court im Jahre 1861 in der Rechtssache Kentucky v. Dennison.195 Diese Entscheidung war insofern äußerst pikant, als sie kurz vor Ausbruch des nordamerikanischen Bürgerkrieges erging und die Auslieferung eines Mannes nach Kentucky zum Gegenstand hatte, welchem vorgeworfen wurde, einem Sklaven bei der Flucht geholfen zu haben – in Kentucky ein Verbrechen, nicht aber in dem nördlichen Bundesstaat Iowa, in welchem der Beschuldigte sich aufhielt. Der Gouverneur von Iowa verweigerte die Auslieferung, obgleich diese nicht nur in der US-Verfassung, sondern auch im Extradition Act des Congress’ vorgesehen war. Zum einen erkannte er das Verbrechen aus Kentucky nicht an und erklärte, die Auslieferungsbestimmungen bezögen sich nur auf solche Straftaten, die bereits nach dem common law bestanden bzw. in jedem zivilisierten Staat als solche anerkannt seien.196 Zum anderen war eben fraglich, ob erstens überhaupt eine Pflicht oder nicht vielmehr ein gubernatives Ermessen hinsichtlich der Entscheidung über ein konkretes Auslieferungsersuchen bestünde und zweitens, ob eine solche eventuell bestehende Pflicht vor Bundesgerichten durchsetzbar war. Der U. S. Supreme Court versuchte, angesichts des schwelenden Konflikts eine salomonische Entscheidung zu treffen. So stellte er zwar fest, dass ein Bundesstaat tatsächlich ausliefern müsse und dass für die Bestimmung der die Auslieferung begründenden Straftat nicht sein eigenes Strafrecht, sondern das des Bundesstaates maßgeblich sei, welcher die Auslieferung fordere. Gleichwohl könne der Bund die Exekutive eines anderen souveränen Staatskörpers zu einer solchen Handlung nicht zwingen, die im Extradition Act angesprochene Pflicht sei vielmehr bloß moralischer Art.197 Es liegt auf der Hand, dass in Ermangelung des Eingreifens einer übergeordneten Autorität die Kooperation zwischen den Bundesstaaten – insbesondere in solchen Fällen, in welchen politische Entscheidungen der Bundesstaaten wesentlich abweichen, wie etwa hinsichtlich Ausspruch und Vollstreckung der Todesstrafe – in der Frage der Auslieferung nicht unbedingt verlässlich war. Es lässt sich somit leicht ein wesentlicher Grund feststellen, warum nicht selten das Bundesrecht als bequemerer Weg zur Regelung gerade grenzüberschreitender Delinquenz erschien.

195 196 197

U. S. Supreme Court, Kentucky v. Dennison, 65 U. S. 66 (1861). U. S. Supreme Court, Kentucky v. Dennison, 65 U. S. 66, 99 (1861). U. S. Supreme Court, Kentucky v. Dennison, 65 U. S. 66, 107 (1861).

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

159

Erst 1987 verwarf das US-amerikanische Verfassungsgericht in der Entscheidung Puerto Rico v. Branstad198 diese Auffassung und bejaht seitdem die Durchsetzbarkeit von bundesstaatlichen Auslieferungsgesuchen vor Bundesgerichten. Neben den bundesrechtlichen Regelungen bestehen zudem einzelstaatliche Vorschriften, welche das Verfahren der Auslieferung zum Gegenstand haben. Es wurde wiederum, zumindest dann, wenn kein Konflikt mit dem Bundesrecht entsteht, der auf die Polizeimacht gestützte Erlass solcher Bestimmungen auf der Ebene der Bundesstaaten als zulässig erachtet und kein Ausschluss des einzelstaatlichen Rechts angenommen.199 Die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws200 sah hier einen weiteren Bereich notwendiger Uniformität der bundesstaatlichen Gesetze und erließ zwei Vorschläge für ein einheitliches Gesetz, „Uniform Criminal Extradition Act“ (1936) und „Uniform Extradition and Rendition Act“ (1980), welche auch von der Mehrzahl der Bundesstaaten umgesetzt wurden.201 Der U. S. Supreme Court hat wiederholt festgestellt, dass der Auslieferung nur eine summarische Prüfung bestimmter Voraussetzungen vorausgehen und die Entscheidung des Gouverneurs darüber zwar gerichtlich überprüft, aber nicht durch komplexe prozessuale Erfordernisse des Auslieferungsstaates oder gar durch eine Vorabprüfung des Tatvorwurfs oder eventueller Einwände des Beschuldigten behindert oder verzögert werden darf.202 Hat der Gouverneur die Auslieferung bewilligt, so dürfen nur die folgenden vier formellen Erfordernisse von Gerichten der ausliefernden Bundesstaaten untersucht werden:203 – ordnungsgemäßes Auslieferungsgesuch, – Vorwurf einer konkreten Straftat im anfordernden Bundesstaat, – Person des Beschuldigten sowie – Flucht des Beschuldigten. Trotz der nun bestehenden Möglichkeit zur Durchsetzung der Pflicht zur Auslieferung bestehen jedoch auch weiterhin gewichtige Ausnahmen. So darf ein Bundesstaat beispielsweise zunächst einmal ein eigenes Strafverfahren durchführen und 198

U. S. Supreme Court, Puerto Rico v. Branstad, 483 U. S. 219, 230 (1987). Vgl. dazu Spears, S. 243 ff. m. w. N. aus der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts; Wolfe, 5 Am. J. of Crim. Justice 25, 32 f. (1980). 200 Siehe dazu bereits oben 4. Kapitel B. 201 Eine Übersicht findet sich im Internet unter http://www.lawsource.com/also/usa.cgi? usm#C; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 202 So etwa in U. S. Supreme Court, Michigan v. Doran, 439 U. S. 282, 288–289 (1978); U. S. Supreme Court, California v. Superior Court of California, San Bernardino County, 482 U. S. 400, 407–408 (1987). 203 So etwa in U. S. Supreme Court, Michigan v. Doran, 439 U. S. 282, 289 (1978); U. S. Supreme Court, California v. Superior Court of California, San Bernardino County, 482 U. S. 400, 407–408 (1987). 199

160

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

gegebenenfalls ein diesbezügliches Urteil vollstrecken.204 Dass sich dies als ein durchaus gewichtiges Hindernis erweisen kann, bedarf keiner weiteren Illustration.

IV. Horizontale Doppelbestrafung Bei grenzüberschreitendenen Straftaten kann es zu einer Überschneidung der Strafgewalt verschiedener Jurisdiktionen kommen. Hier fragt sich, ob in diesem Fall alle zuständigen Rechtsordnungen ein Verfahren durchführen und den Betroffenen verurteilen dürfen. Diese Problematik, welche in der US-amerikanischen Literatur und Rechtsprechung insbesondere für das Verhältnis von Bund und Bundesstaaten erörtert wird,205 verdient auch in diesem Kapitel zum Strafrecht der Bundesstaaten Erwähnung.

1. Der Grundsatz „ne bis in idem“ im internationalen Rechtsraum Es handelt sich dabei um ein Problem, das auch aus dem internationalen Bereich nicht unbekannt ist, denn auch hier ist die Überlagerung der Strafgewalt mehrerer Nationalstaaten nicht selten. Aus völkerrechtlicher Sicht ist der Zugriff mehrerer Jurisdiktionen auf dieselbe Tat durchaus zulässig, sofern jeweils ein legitimer Anknüpfungspunkt für den Strafanspruch besteht.206 Für den Betroffenen ist sie kaum tolerabel. Schon aus der Zeit des römischen Rechts ist daher der Grundsatz ne bis in idem bekannt, nach welchem – zum Schutze individueller Freiheitsrechte im Rechtsstaat – eine mehrfache Strafverfolgung grundsätzlich verboten ein soll. Dieses Prinzip ist international anerkannt und hat Einzug in viele Rechtsordnungen gehalten. So kommt es z. B. auch im deutschen Recht durch Art. 103 Abs. 3 GG zum Ausdruck, wonach niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden darf. Auch findet der Grundsatz ne bis in idem sich in Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR)207 vom 16. Dezember 1966, in welchem es heißt: „Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden.“208 Damit ist nicht nur die doppelte Verurteilung, sondern auch die mehrfache Strafverfolgung ausgeschlossen. 204

U. S. Supreme Court, Taylor v. Taintor, 83 U. S. 366, 371 (1873). Dazu unten 5. Kapitel D. 206 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 45; siehe zu den legitimen Anknüpfungspunkten der Strafgewalt bereits oben 3. Teil B. II. 207 BGBl. 1973 II S. 1534. 208 Der englische Text lautet: „No one shall be liable to be tried or punished again for an offence for which he has already been finally convicted or acquitted in accordance with the law and penal procedure of each country.“ 205

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

161

Gleichwohl kommt dem Verbot der Doppelbestrafung und -verfolgung aus internationaler, völkerrechtlicher Sicht bislang regelmäßig keine zwischenstaatliche, sondern nur innerstaatliche Bedeutung zu.209 Auch Art. 14 Abs. 7 IPBPR bezieht sich nur auf die Gesetze „des jeweiligen Landes“210 und wurde in der Folge auch seitens des durch denselben Pakt installierten Menschenrechtsausschusses als auf eine innerstaatliche Geltung reduziert interpretiert.211 Diese Bestimmung bringt damit gerade die zwischenstaatliche Nicht-Geltung des Doppelbestrafungsverbots zum Ausdruck. Ebenso beschränkt sich Art. 103 Abs. 3 GG nur auf das Verbot der Mehrfachbestrafung durch deutsche Gerichte.212 Somit wird auf der Ebene des Völkerrechts der Souveränität des Nationalstaates inklusive seines Strafanspruches der Vorrang gegenüber etwaigen Individualinteressen des Täters eingeräumt.213 Es soll der Hinweis nicht unterbleiben, dass im internationalen, zwischenstaatlichen Rechtsraum die Möglichkeit mehrfacher Strafverfolgung durchaus zunehmend als schwer wiegendes Problem empfunden und deshalb nach gangbaren Wegen der Abhilfe gesucht wird. Eine Lösungsmöglichkeit besteht im Abschluss völkerrechtlicher Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Strafurteilen bzw. bereits vollstreckten Strafen. In Europa wurde von den Vertragsparteien des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) in den Art. 54 ff. SDÜ, welche auch überschrieben sind mit dem Titel „Verbot der Doppelbestrafung“, immerhin der Versuch unternommen, den Grundsatz ne bis in idem auf den Vertragsraum auszuweiten.214 So heißt es in Art. 54 SDÜ: „Wer durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, darf durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann.“ Hinzuweisen ist jedoch auf die in Art. 55 SDÜ vorgesehene Möglichkeit einer Vertragspartei, sich in bestimmten Konstellationen durch einseitige Erklärung von der Bindung an diese Regelung zu lösen, so etwa wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zu Grunde lag, ganz oder teilweise in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurde oder „eine gegen die Sicherheit des Staates oder andere gleichermaßen wesentliche Interessen dieser Vertragspartei gerichtete Straftat darstellt“. 209 Ambos, § 4 Rn. 4; Hecker, § 13 Rn. 2 f.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 341; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 73; vgl. auch Mansdörfer, S. 247. 210 Kniebühler, S. 341 f.; kritisch dazu Specht, S. 45 f. 211 Dazu Specht, S. 44 f. 212 BGHSt 6, 176, 177; Ambos, § 4 Rn. 5; Lagodny, FS Trechsel, 2002, S. 253, 256; LK-Werle/ Jeßberger, Vor § 3 Rn. 341; NK-Lemke, Vor §§ 3–7 Rn. 85; Satzger, § 3 Rn. 6; Schomburg, StV 1997, 383; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 6. 213 Ambos, § 4 Rn. 6. 214 Dazu vertiefend Mansdörfer, S. 142 ff. und passim; vgl. ferner Ambos, § 4 Rn. 4, § 12 Rn. 38 ff.; Hecker, § 13 Rn. 12 ff.; Kniebühler, S. 169 ff.; Lagodny, FS Trechsel, 2002, S. 253; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 343 ff.; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 75 f.; Schomburg, StV 1997, 383.

162

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

Ein anderer Weg zur Auflösung zwischenstaatlicher Jurisdiktionskonflikte und zur Verhinderung mehrfacher Strafverfolgung wird in einer völkerrechtlich determinierten „Hierarchisierung der anerkannten Anknüpfungskriterien“215 gesehen. Bei einer solchen spräche jedenfalls viel für die Gewährung eines Vorranges für Territorialitäts- und Staatsschutzprinzip.216 Eine Strukturierung des Strafanwendungsrechts ist insbesondere deshalb von Nöten, da zwischenstaatliche Abkommen, welche das Verbot der Doppelbestrafung vorsehen, außerhalb des SchengenRaumes kaum bestehen. 2. Das Doppelbestrafungsverbot der U. S. Constitution und die Doktrin der dualen Souveränität Das Recht der Vereinigten Staaten spiegelt die soeben skizzierten Grundlagen wider. Auch Zusatzartikel V der U. S. Constitution enthält das grundsätzliche Verbot der Doppelbestrafung (double jeopardy clause). Dort heißt es: „[…] nor shall any person be subject for the same offence to be twice put in jeopardy of life or limb.“

Diese konstitutionelle Garantie gilt zwar grundsätzlich sowohl nach einer Verurteilung als auch nach einem Freispruch.217 Eine mehrfache Bestrafung durch verschiedene Bundesstaaten (oder auch durch einen Bundesstaat und den Bund)218 schließt sie aber nur scheinbar aus. Denn nach der Doktrin der dualen Souveränität (dual sovereignty doctrine)219 des U. S. Supreme Courts findet dieses Verbot der Doppelbestrafung keine Anwendung bei der Strafverfolgung durch zwei getrennte souveräne Staatskörper. Nur die doppelte Bestrafung oder Verfolgung einer Tat durch dieselbe Staatsgewalt ist hiernach – wie im internationalen Rechtsraum – durch Zusatzartikel V untersagt. Die Bundesstaaten werden nach dieser Theorie des U. S. Supreme Courts verfassungsrechtlich jedoch als selbstständige separate Souveräne behandelt. Jeder Staatsangehörige der Vereinigten Staaten ist gleichzeitig Bürger des jeweiligen Bundesstaates, in welchem er lebt, mit sämtlichen daraus resultierenden Bürgerpflichten.220 Da nach der Tradition des common law jede Straftat einen 215

Ambos, § 4 Rn. 10; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 64; kritisch Kniebühler, S. 78 f. Vgl. Ambos, § 4 Rn. 11 ff.; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 64. 217 U. S. Supreme Court, Arizona v. Washington, 434 U. S. 487, 503 (1978); vgl. auch Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1193 (1995); Stuckenberg, S. 9, 13 ff.; zur historischen Entwicklung des Doppelbestrafungsverbots im common law vgl. Mansdörfer, S. 80 ff. 218 Siehe zur vertikalen Doppelbestrafung noch unten 5. Kapitel D. 219 Vgl. dazu Amar/Marcus, 95 Colum. L. Rev. 1 (1995); Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160 (1995); Stuckenberg, S. 37 ff. 220 U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121, 131 (1959): „Every citizen of the United States is also a citizen of a State or territory. He may be said to owe allegiance to two sovereigns, and may be liable to punishment for an infraction of the laws of either. The same act may be an offence or transgression of the laws of both.“ 216

F. Probleme bei grenzüberschreitender Delinquenz

163

Angriff auf die Souveränität eines Staates darstellt, kann eine Handlung gleichermaßen die Hoheitsrechte mehrerer Staatskörper verletzen, und jeder Staat, der solchermaßen attackiert wird, muss demnach zur Verteidigung seiner Staatsgewalt auch strafen dürfen.221 Es handele sich im Fall der sukzessiven Strafverfolgung durch zwei Souveräne nicht um „dieselbe Straftat“ („the same offence“) im Sinne von Zusatzartikel V, sondern um zwei (oder sogar noch weitere) Straftaten, denn durch die eine Handlung werden gleichzeitig Angriffe auf zwei (oder sogar noch weitere) unterschiedliche Souveräne verübt.222 Die Bundesstaaten stehen daher in einem ähnlichen Verhältnis zueinander wie Nationalstaaten im internationalen Bereich. Da eine Regelung – wie in Art. 54 SDÜ für den Schengen-Raum getroffen – zwischen den Bundesstaaten nicht besteht und der U. S. Supreme Court diese als eigenständige Souveräne behandelt, hat das Doppelbestrafungsverbot keine Wirkung. Ein bundesstaatliches Urteil verhindert nicht die neue Verurteilung in einem anderen Bundesstaat. In einigen Bundesstaaten sind mehrfache Bestrafung und Verfolgung allerdings per Gesetz ausgeschlossen.223 Wiederum hängt es aber von der Auslegung dieser Vorschriften durch die bundesstaatlichen Gerichte ab, ob das Verbot tatsächlich weiter reicht als die U. S. Constitution oder ob es nicht vielmehr genauso wie diese zu interpretieren und daher auf den innerstaatlichen Bereich reduziert ist.224

V. Gegenseitige Anerkennung von Strafurteilen? Im europäischen Rechtsraum hat in jüngerer Zeit die gegenseitige Anerkennung von Strafurteilen stetig an Bedeutung gewonnen. Inzwischen soll sie das „grundlegende Strukturprinzip der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen“225 bilden. Sie ist eng verbunden mit der Einrichtung eines transnationalen Grundsatzes des 221 U. S. Supreme Court, Heath v. Alabama, 474 U. S. 82, 88 (1985); vgl. auch für die vertikale Geltung der Doktrin U. S. Supreme Court, United States v. Lanza, 260 U. S. 377, 382 (1922); Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121, 131 (1959); vgl. dazu noch unten 5. Kapitel D. I. 222 So etwa U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121, 131–132 (1959), wenngleich in Bezug auf die vertikale Geltung; dies sind, genau genommen, sogar zwei unterschiedliche Ansätze; vgl. Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1197 ff. (1995): Zunächst können bereits die Statuten der unterschiedlichen Rechtsordnungen, welche dieselbe Handlung betreffen, so weit differieren, dass nicht von „derselben Straftat“ gesprochen werden kann; sind sie identisch, so hilft die „dual sovereignty doctrine“ auch darüber hinweg; vgl. auch Merkl, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 175 (1999). 223 Eine Aufzählung von Regelungen auf Ebene der Bundesstaaten findet sich bei LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 325 Fn. 27; Stuckenberg, S. 40 Fn. 205; Woods, 24 U. Balt. L. Rev. 177, 199 ff. (1994). 224 Verschiedene Beispiele zu unterschiedlichen Auslegungen im bundesstaatlichen Recht finden sich bei Woods, 24 U. Balt. L. Rev. 177, 199 ff. (1994). 225 Hecker, § 12 Rn. 48.

164

4. Kap.: Das Strafrecht der Bundesstaaten

ne bis in idem. Die U. S. Constitution enthält auch diesbezüglich nur scheinbar eine Regelung. Denn in U. S. Const. Art. IV § 1 cl. 1 heißt es: „Full Faith and Credit shall be given in each State to the public Acts, Records, and judicial Proceedings of every other State.“

Dieser Wortlaut legt es nahe, hier bereits eine konstitutionelle Pflicht (der Bundesstaaten) zur gegenseitigen Anerkennung von Strafurteilen herauszulesen. Dass eine solche in der Praxis hingegen nicht besteht, da diese Verfassungsbestimmung traditionell nur auf den Bereich des Zivilrechts Anwendung findet,226 verwundert allerdings nur auf den ersten Blick. Denn so eng wie der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Strafurteilen mit demjenigen des ne bis in idem verknüpft ist, so konsequent ist auch die Ablehnung des ersteren unter Verweis auf die separate Souveränität der Bundesstaaten. Dies haben sowohl einzelne bundesstaatliche Gerichte227 als auch solche des Bundes228 (hinsichtlich der Anerkennung der Urteile der Bundesgerichte in den Bundesstaaten) inzwischen festgestellt. Der U. S. Supreme Court hat sich mit dieser Frage zwar noch nicht explizit befasst, jedoch bereits festgestellt, dass U. S. Const. Art. IV § 1 cl. 1 einen Bundesstaat jedenfalls nicht verpflichte, eine in einem anderen Bundesstaat ausgesprochene Strafe zu vollstrecken.229

226 Messonnier, 29 Akron L. Rev. 549, 553 Fn. 4 (1996); Woods, 24 U. Balt. L. Rev. 177, 193 ff. (1994). 227 Vgl. etwa Court of Appeals of Maryland, Gillis v. State, 633 A.2d 888 (1993). 228 U. S. Court of Appeals (8th. Cir.), Turley v. Wyrick, 554 F.2d 840, 842 (1977); siehe dazu noch unten 5. Kapitel D. I. 229 U. S. Supreme Court, Nelson v. George, 399 U. S. 224, 229 (1970); vgl. hingegen den Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005, ABl. EU 2005, Nr. L 76, S. 16, bzgl. der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen innerhalb der EU; dazu Hecker, § 12 Rn. 49.

5. Kapitel

5

Das Strafrechtssystem in der Praxis: Interaktion der vertikalen Ebenen 5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

A. Das System der dualen Strafrechtspflege A. Das System der dualen Strafrechtspflege

Fast verbietet es sich nach dem bisher Ausgeführten, von dem Strafrechtssystem der Vereinigten Staaten zu sprechen, denn es muss vielmehr berücksichtigt werden, dass 52 Systeme auf dem Staatsgebiet der Vereinigten Staaten parallel operieren.1 Jeder der 50 Bundesstaaten unterhält ein eigenes Justizsystem und Gleiches lässt sich über den Bund und den District of Columbia sagen. Das Grundprinzip der Kompetenzverteilung zwischen diesen Ebenen ist bereits erläutert worden: Während die Bundesstaaten auf ihrem Staatsgebiet jegliches Missverhalten gesetzlich kriminalisieren – jedenfalls solange ihre Gesetze sich innerhalb der Vorgaben der U. S. Constitution halten – und verfolgen dürfen, soll sich die Strafgesetzgebung und Strafverfolgung des Bundes auf die Bereiche beschränken, in welchen gesamtstaatliche Belange betroffen sind. Ziel der jeweiligen Aktivitäten ist somit der Schutz unterschiedlicher Interessen, welche sich aber durchaus überlagern können. Im zuerst genannten Fall geht es um die Ausübung allgemeiner Polizeimacht zum Schutze von Gesundheit, Ordnung, Wohlstand und Moral der Bürger des jeweiligen Bundesstaates, im zweiten Fall um die Verteidigung spezifischer Bundesinteressen. So ist etwa die Bekämpfung der Drogenkriminalität ein Bereich, welcher sowohl Gesundheit und Ordnung in den Einzelstaaten betrifft als auch ein erhebliches Betätigungsfeld der Bundesautoritäten ausmacht.2 Denn Drogenkartelle arbeiten überregional, verwenden Kommunikationsmittel, welche Teil des zwischenstaatlichen Handels sind, und Täter oder Tatmittel werden zwischen einzelnen Bundesstaaten transportiert. Auf Grund der Verzahnung der Wirtschaft der Gliedstaaten auf der einen, aber auch der überregionalen Wirkungsweise der Täter auf der anderen Seite, welche die Verfolgung durch einzelne Bundesstaaten nicht unerheblich erschwert, werden Straftaten inzwischen vielfach (auch) als gesamtstaatliches Problem wahrgenommen. So lässt sich etwa vielfach Organisiertes Verbrechen als gesamtstaatliches Phänomen kaum trennen von den damit zusammenhängenden lokalen Straf1 2

Siehe bereits oben in der Einleitung. Vgl. Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681, 683 (1992).

166

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

taten.3 Schwierigkeiten der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität4 auf einzelstaatlicher Ebene sind ein wichtiger Grund für die Forderung nach einer zentralisierten Lösung. Daher hat der Bund seine Gesetzgebung, aber auch seine Strafverfolgungspraxis, in viele Bereiche ausgedehnt, die ursprünglich den Bundesstaaten vorbehalten sein sollten. Kadish5 stellt diesbezüglich leicht verwundert fest, dass gerade das Strafrecht einen Bereich ausmache, in welchem sich selbst solche Politiker, die eigentlich als besondere Befürworter eines föderativen Staatssystems mit möglichst weitgehenden Kompetenzen der Bundesstaaten bekannt seien, für eine nationale Intervention in diesem traditionell lokalen Betätigungsfeld stark machten. Folge der zunehmenden Gesetzgebungstätigkeit des Congress’ ist eine sehr weit gehende Überlappung des materiellen Rechts und damit gleichzeitig auch der Strafverfolgungszuständigkeiten von Bund und Bundesstaaten. Denn beide Strafrechtsordnungen dienen zwar grundsätzlich der Verteidigung unterschiedlicher Interessen, durch die weitgehend unabhängige und nicht abgestimmte Kodifizierung von Strafnormen entstehen in vielen Gebieten aber signifikante Überschneidungen. Es ließe sich für die Zwecke dieser Arbeit von drei verschiedenen Deliktsgruppen im US-amerikanischen Strafrechtssystem sprechen: (1) ausschließlich von Bundesbehörden, (2) ausschließlich von Behörden der Bundesstaaten und (3) von beiden Staatskörpern verfolgbare Straftaten. Die Kompetenz des Bundes ist nur in wenigen Bereichen exklusiv, so etwa in seinen Territorien oder bezüglich der Münzfälschung. Häufiger sind theoretisch Materien ausschließlicher einzelstaatlicher Zuständigkeit, sie bestehen nämlich stets dann, wenn ein Bezug zu verfassungsmäßigen Bundeskompetenzen sich nicht konstruieren lässt. In vielen Fällen kann ein Verhalten aber sowohl vom Bund als auch von den Bundesstaaten sanktioniert und sowohl der Bund als auch ein Bundesstaat für die Strafverfolgung zuständig sein.6 Da gerade diese dritte Deliktsgruppe einen wesentlichen Bestandteil der modernen Kriminalitätsbekämpfung ausmacht, besteht die Realität der Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten daher heute in weiten Teilen in einer konkurrierenden, soll heißen: gleichzeitigen, oder dualen Zuständigkeit von Bund und Bundesstaaten.7 Dies wird noch verständlicher, wenn berücksichtigt wird, dass auch in Fällen eindeutiger Bundeskompetenz 3

Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 500 (1985); für eine Notwendigkeit des Einsatzes von Bundesstrafrecht bei Organisierter Kriminalität Jeffries/Gleeson, 46 Hastings L. J. 1095 (1995). 4 Vgl. dazu oben 4. Kapitel F. 5 Kadish, 46 Hastings L. J. 1247 (1995). 6 Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1030 (1995), spricht diesbezüglich von „dual jurisdiction crimes“; siehe zur konkurrierenden Jurisdiktion bereits oben 2. Kapitel D. I. sowie oben 3. Kapitel A. 7 Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1035 (1995).

A. Das System der dualen Strafrechtspflege

167

gleichwohl eine Zuständigkeit eines Gliedstaates wegen eines anderen Delikts bestehen kann. So ist der Mord am US-Präsidenten zwar fraglos eine nach Bundesrecht verfolgbare Straftat, vgl. 18 U. S. C. § 1751 (a), gleichzeitig bleibt er aber auch ein „gewöhnlicher Mord“, der nach dem umfassenden Strafgesetzbuch des Bundesstaates, in welchem er verübt wurde, selbstverständlich ebenso strafbar ist. Wie bereits oben8 ausgeführt schließt eine bestimmte Kompetenz des Bundes regelmäßig nicht das Recht der Bundesstaaten aus, sondern es besteht vielmehr eine weitgehend parallele Jurisdiktion. Allgemeine Kollisionsregelungen, welche das Verhältnis der Strafrechtsordnungen grundsätzlich ordnen könnten, existieren nicht. Daher können nicht selten mehrfache Zuständigkeiten und Jurisdiktionskonflikte9 zwischen Bund und Einzelstaaten oder zwischen zwei Bundesstaaten entstehen. Hier gilt es die Frage zu lösen, welches die „richtige Strafgewalt“ zur Verfolgung eines spezifischen Unrechts ist. Sie erlangt in besonderem Maße Relevanz, wenn ein Täter bereits von einem Souverän abgeurteilt wurde und nun auch von einer anderen Staatsgewalt verfolgt werden soll. Auf das Problem der vertikalen Doppelbestrafung und doppelten Strafverfolgung im US-amerikanischen Recht wird daher noch ausführlich und gesondert eingegangen.10 Die Behörden des Bundes und der Bundesstaaten operieren vom Grundsatz her völlig unabhängig voneinander, sind sie doch jeweils Organe unterschiedlicher Souveräne. Es kann aber durchaus ein Strafverfahren von der Behörde eines Bundesstaates begonnen und von einer Bundesbehörde weitergeführt und beendet werden oder umgekehrt. Wer im Einzelfall ermittelt, ist eine Frage der Absprache, denn das sowohl auf Bundes- als auch auf einzelstaatlicher Ebene geltende Prinzip des staatsanwaltlichen Ermessens11 ermöglicht es jeweils, von der Durch- oder Weiterführung eines Verfahrens abzusehen. Ebenso verhält es sich mit den Behörden und Institutionen innerhalb des Systems eines der Souveräne. Gerade auf Bundesebene überschneiden sich häufig auch die Kompetenzen der einzelnen Behörden.12 Darüber hinaus werden Ermittlungen aber auch sukzessiv oder parallel sowohl vom Bund als auch von einem oder mehreren Bundesstaaten geführt. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber die Regelung in 18 U. S. C. § 351. Diese Vorschrift enthält Strafbestimmungen des Bundes für Mord, Kidnapping oder Überfälle, wenn Bundesbeamte der Legislative, Exekutive oder Judikative als Opfer betroffen sind. In 18 U. S. C. § 351 (f) heißt es sodann, dass im Falle des Einleitens eines Strafverfahrens oder der Strafverfolgung durch Bundesbehörden entsprechende Unternehmungen der Bundesstaaten bis zum Abschluss der 8

Oben 2. Kapitel D. Zur Terminologie vgl. Ambos, § 4 Rn. 4; MüKo-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 62. 10 Unten 5. Kapitel D. 11 Siehe dazu noch unten 5. Kapitel C. I. 12 Frase/Weidner, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371, 373 (2002); vgl. bereits oben 3. Kapitel D. II. 9

168

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

Tätigkeit des Bundes ausgeschlossen sind. Solche prozessualen Vorrangregelungen sind indes höchst selten. Schließlich müssen aber auch die Joint Task Forces Erwähnung finden, in welchen die Anstrengungen von Behörden des Bundes und der Bundesstaaten koordiniert und kombiniert werden. So sind etwa im Bereich der Drogenbekämpfung bereits seit den 1970er Jahren zunehmend Joint Task Forces aus Polizeikräften der Gemeinden, der Bundesstaaten und der D. E. A. gebildet worden.13 Diese operativen Einheiten werden von den Bundesbehörden aufgestellt, finanziert, aber auch kontrolliert. Sie bieten eine Chance, die durchaus vorhandenen Machtkämpfe und Animositäten zwischen Bundesbehörden und ihren lokalen Pendants zu überwinden, nicht zuletzt weil hier quasi auf gleicher Augenhöhe gearbeitet wird, und dadurch den gegenseitigen Informationsaustausch zu gewährleisten und zu fördern.14 Nicht zuletzt stehen auf diese Weise aber auch die materiellen Strafvorschriften beider Rechtsordnungen zur Verfügung. Insbesondere im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung setzt v. a. der Bund seit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 verstärkt auf eine solche Kooperation mit den bundesstaatlichen Behörden.15

B. Umfang und Bedeutung der Strafverfolgung des Bundes im Gesamtsystem B. Umfang und Bedeutung der Strafverfolgung des Bundes

Die Bedeutung des Strafrechts des Bundes für das Gesamtsystem der Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten lässt sich einerseits im Hinblick auf quantitative, andererseits aber auch qualitative Aspekte bemessen. Die Vorschriften des Bundes stehen von ihrer Anzahl her den Kodifikationen der Bundesstaaten kaum mehr nach. Diese Entwicklung hat sich v. a. in den letzten Jahrzehnten deutlich verstärkt. So wurden nach den Erkenntnissen einer Studie der American Bar Association (ABA) aus dem Jahr 1998 mehr als 40 % der heute bestehenden Strafvorschriften des Bundes nach 1970 erlassen.16 Dieser Wert dürfte allerdings inzwischen noch weit höher liegen, da der Congress auch in den darauf folgenden zehn Jahren im Bereich des Strafrechts ausschweifend tätig war. In der Literatur findet sich zumeist noch eine Schätzung von etwa 3.000 Straftaten nach Bundesrecht.17 Da diese 13

Vgl. Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1182 ff. (1995). Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1185 f. (1995). 15 Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 397 (2008). 16 ABA Report, S. 7. 17 So etwa bei Beale, 46 Hastings L. J. 979, 980 (1995); dies., 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 44 (1996); Brickey, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 27, 28 (1996); Curtis, 46 Hastings L. J. 1019, 1022 (1995); Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681 (1992); Weik, S. 10 Fn. 2; Welling/Beale/Bucy, S. 3; Wössner, S. 22. Gemeint sind dabei aber wohl tatsächlich einzelne Taten (criminal offenses), nicht Vorschriften (statutes), d. h. ein Straftatbestand kann selbstverständlich mehrere Taten enthalten. Nach Dubber, Einführung, S. 4, sei von einer Zahl von ca. 1.700 Straftatbeständen des Bundesrechts auszugehen. 14

B. Umfang und Bedeutung der Strafverfolgung des Bundes

169

aber noch aus den 1980er Jahren stammt, ist heute von einer wesentlich höheren Zahl auszugehen.18 In einem neueren Beitrag werden bereits über 4.000 Straftaten angenommen.19 Der Großteil der Normen betrifft den Schutz indirekter Interessen des Bundes und daher den Bereich der mit den Bundesstaaten konkurrierenden Kompetenz.20 Nahezu jede Straftat nach einzelstaatlichem Recht kann mittlerweile auch nach Bundesrecht verfolgt werden. Neben dem materiellen Recht stieg auch die Zahl der von Bundesbehörden durchgeführten Strafverfahren. Die Zunahme der Bundesvorschriften ging deshalb auch einher mit einem gleichzeitigen Anstieg von Personal und Kosten. In einem Zeitrahmen von ca. zehn Jahren zwischen der Mitte der 1980er und der 1990er Jahre stiegen die Gesamtkosten des Justizsystems des Bundes um 317 %, der Umfang des Personals um 96 % und die Anzahl der Gefangenen in Bundesgefängnissen um 177 %.21 Nach Dubber22 lag im Jahr 2002 die Zahl der insgesamt in Bundesgefängnissen Inhaftierten erstmalig höher als in jedem einzelnen Bundesstaat. Trotz der gewaltigen Menge materiell-rechtlicher Regelungen, die vielfach das einzelstaatliche Recht überlagern, und des steigenden budgetären Einsatzes des Congress’ beträgt der Anteil des Bundes im Gesamtsystem der Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten aber weniger als 5 %.23 Oben24 wurden einleitend bereits einige der aktuell vom Department of Justice veröffentlichten Zahlen aufgeführt, welche hier nicht wiederholt werden müssen. Vor den U. S. District Courts wurden im Jahr 2004 insgesamt 71.022 Strafsachen neu eröffnet oder waren noch anhängig.25 Strafverfahren nach Bundesrecht ha18

ABA Report, S. 9 f., 94. Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 753 (2005). 20 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 980 (1995); Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1035 (1995). 21 ABA Report, S. 14; vgl. auch Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1040 f. (1995); seit den 1950er Jahren ist die Zahl der in Bundesgefängnissen untergebrachten Häftlinge gar um 300 % gestiegen, vgl. Dubber, 4 Buff. Crim. L. Rev. 53, 54 (2000). 22 Dubber, Einführung, S. 4: In Bundesgefängnissen betrug die Zahl der Inhaftierten hiernach 161.681, der Bundesstaat mit der höchsten Inhaftierungsquote war California mit 160.315 Strafgefangenen; ältere Zahlen auch bei Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1147 f. (1995); kritisch zur durch eine zunehmend harschere Verurteilungspraxis der Bundesgerichte steigenden Zahl der Gefangenen in Bundesgefängnissen auch Beale, 1 Buff. Crim. L. Rev. 23, 25 f. (1997). 23 ABA Report, S. 19; Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681, 685 (1992); vgl. auch Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1031 (1995): Weniger als 10 % der Strafverfahren werden vor den Bundesgerichten geführt; teilweise werden noch niedrigere Zahlen berichtet, so etwa bei Stacy/ Dayton, 6 Cornell J. of Law & Pub. Pol’y 247, 253 ff. (1997), die deshalb auch der Meinung sind, das US-amerikanische Strafrecht sei sogar zu wenig zentralisiert und der Bund spiele auf Grund der selektiven Anwendung seiner Vorschriften im Verhältnis zu den Bundesstaaten eine viel zu geringe Rolle; in Bezug auf Drogendelikte sind es nach Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 764 (2005), sogar weniger als 2 % der Verfahren. 24 Siehe oben im 1. Kapitel. 25 Vgl. U. S. Department of Justice, Sourcebook of Criminal Justice Statistics, Tabelle 5.8.2006: Criminal cases commenced, terminated, and pending, and judgeships authorized 19

170

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

ben quantitativ also nur eine kleine Bedeutung. Der Bund verfügt im Verhältnis zur Gesamtheit der Bundesstaaten trotz der soeben aufgezeigten Steigerungsraten immer noch über nur äußerst geringe finanzielle und personelle Kapazitäten. Daher besteht eine unbestrittene Notwendigkeit zur Bündelung der Kräfte und zur Fokussierung auf bestimmte, zum Schutze substanzieller Interessen des Gesamtstaates besonders wichtige Delinquenzfelder. Die Konzentration des Bundes auf spezielle Bereiche der Strafverfolgung ist aber nicht nur logische Folge der Mittelknappheit, sondern auch Ausdruck des konstitutionellen Grundverständnisses, welches dem Bund nur begrenzte Kompetenzen zuweist. Die Strafverfolgung des Bundes kann daher nur selektiv sein. Gleichwohl sind Einfluss und Bedeutung des Strafrechts des Bundes qualitativ immens. Es ist territorial nicht auf das Gebiet eines einzelnen Bundesstaates begrenzt, Strafgesetzgebung und Strafverfolgung des Bundes werden in den Medien landesweit wahrgenommen, sodass dem Bundesstrafrecht eine erhebliche politische und symbolische Kraft zukommt. Dem Erlass von Strafvorschriften gehen zudem politische Diskussionen im Congress voraus, welchen oftmals auch die Medien große Aufmerksamkeit schenken. Interessengruppen, sofern sie die strafrechtliche Lösung gesellschaftlicher Probleme anstreben, bevorzugen die Bundesebene als Instanz zur Durchsetzung ihres Anliegens, insbesondere wenn sie der Auffassung sind, die Bundesstaaten insgesamt oder jedenfalls einzelne stünden einem Problem mit Desinteresse gegenüber oder praktizierten eine zu laxe Verfolgungspolitik.26 Die Entscheidung, ein bestimmtes Verhalten bundesrechtlich unter Strafe zu stellen, zieht eine nationale Aufmerksamkeit nach sich und verleiht einem bestimmten Phänomen besonderes Gewicht.27 Viele Bundesstaaten nehmen neue Gesetze des Bundes zum Anlass, selbst gleich lautende Vorschriften zu erlassen.28 Der Bund kann durch die Einführung einer Strafbarkeit für ein bestimmtes Verhalten gleichsam politische Entscheidungen der Bundesstaaten entweder unterlaufen oder jedenfalls nachhaltig beeinflussen.29 Auch in den speziellen Joint Task Forces, welche in gemeinsamer Verantwortung betrieben werden,30 obliegt die führende Rolle regelmäßig den Kräften des Bundes.31 Zudem mag eine zentralisierte Strafverfolgung in manchen Bereichen in U. S. District Courts; abrufbar im Internet unter: http://www.albany.edu/sourcebook/pdf/ t582006.pdf; zuletzt abgerufen am 16.02.2009; ältere Zahlen und Statistiken finden sich auch bei Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 45 f. (1996). 26 Curtis, 46 Hastings L. J. 1019, 1023 (1995); vgl. auch Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1167 (1995), im Hinblick auf den Erlass des Violence Against Women Acts. 27 Curtis, 46 Hastings L. J. 1019, 1023 (1995), wiederum mit dem Beispiel des Violence Against Women Acts. 28 Abrams/Beale, S. 2. 29 Siehe dazu bereits oben 2. Kapitel D. II. 2. 30 Siehe dazu bereits 5. Kapitel A. 31 Abrams/Beale, S. 3.

C. Die Entscheidung über die Strafverfolgung im Einzelfall

171

wesentlich effizienter und mit weitaus geringeren Mitteln durchgeführt werden, sodass Spezialeinheiten des Bundes hier allein operativ tätig werden.32

C. Die Entscheidung über die Strafverfolgung im Einzelfall C. Die Entscheidung über die Strafverfolgung im Einzelfall

I. Ermessen der Staatsanwaltschaft Maßgeblich für die Auswahl der zu verfolgenden Straftaten ist in praxi das Ermessen der Strafverfolgungsbehörden, welche sowohl auf Bundes- als auch auf einzelstaatlicher Ebene selbstständig und quasi unabhängig im Einzelfall entscheiden können, ob ein Strafverfahren durchgeführt werden soll.33 Das staatsanwaltliche Ermessen darf als eines der bedeutsamsten Charakteristika des US-amerikanischen Strafrechtssystems, gleichzeitig aber auch als ein wesentlicher Unterschied etwa zum deutschen Strafprozessrecht, gelten. Das US-amerikanische Strafrecht kennt kein Legalitätsprinzip,34 die Entscheidung über Einleitung und Fortführung eines Strafverfahrens, aber auch über die Erhebung der öffentlichen Klage vor Gericht, obliegt dem unbeschränkten und unanfechtbaren Ermessen der Staatsanwaltschaft in ihrem jeweiligen Gerichtsbezirk.35 Dies gilt zumindest in Bezug auf die Nicht-Durchführung eines Verfahrens; die Entscheidung, eine Anklage zu erheben, ist immerhin verschiedenen Restriktionen unterworfen. So muss z. B. ein hinreichender Tatverdacht bestehen und die Anklageerhebung darf nicht willkürlich oder diskriminierend sein.36 Der U. S. Supreme Court37 wendet hinsichtlich des Einwands einer selektiven Strafverfolgung im Hinblick auf den Gleichheitssatz aus Zusatzartikel XIV einen doppelten Test an: Es muss sowohl ein diskriminierender Effekt als auch eine diskriminierende Intention nachgewiesen werden. Im Hinblick auf die Einstellung bzw. Nicht-Durchführung eines Verfahrens ist die Staatsanwaltschaft hingegen völlig unabhängig. Zwar werden in der Regel eher geringfügige Straftaten nicht verfolgt, dennoch kann jede Art des Verbrechens ohne weiteres von der Strafverfolgung ausgenommen werden. Es lassen sich verschiedene Gründe für die Existenz dieses weit reichenden staatsanwaltlichen Ermessens anführen. Das US-amerikanische Recht versteht zunächst auch den Strafprozess als Parteienprozess zwischen dem Angeklagten auf der einen und dem Staat auf der anderen Seite.38 Der Staatsanwaltschaft obliegt die Entscheidung 32

Vgl. Curtis, 46 Hastings L. J. 1019, 1023 (1995). Siehe aber zu den das Ermessen der Staatsanwaltschaft in der Praxis beeinflussenden Faktoren unten 5. Kapitel C. III. 34 Dubber, Einführung, S. 9; Stuckenberg, S. 10; Weik, S. 15. 35 Jeffries/Gleeson, 46 Hastings L. J. 1095, 1099 (1995). 36 Lynch, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1246, 1247 f. (2002); Schmid, S. 41. 37 U. S. Supreme Court, Wayte v. United States, 470 U. S. 598, 608 (1985). 38 Lynch, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1246 (2002). 33

172

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

darüber, auf welche Weise den Interessen ihres Mandanten, des Staates, am besten gedient ist. Dies begünstigt u. a. den in den USA besonders ausgeprägten Deal im Strafprozess, insbesondere auch in der Form der Verhandlung über die Höhe der Strafe (plea bargaining).39 Die U. S. Attorneys sind ferner nicht nur Teil des Justizapparates, sondern üben vielmehr ein politisches Amt aus.40 Sie werden daher auch durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten unter Zustimmung des Congress’ ernannt. Die Entscheidung über Schwerpunkte der Verfolgung der Straftaten durch den Bund ist gleichsam eine politische Entscheidung. Besonders wichtig wird das staatsanwaltliche Ermessen aber unter Berücksichtigung der inzwischen immensen Reichweite des Bundesstrafrechts bei gleichzeitig im Verhältnis zur theoretischen Bandbreite der verfolgbaren Straftaten nur äußerst begrenzten materiellen und personellen Ressourcen.41 Es ist daher auch entscheidend für das Verhältnis des Strafrechts des Bundes und der Bundesstaaten. Die Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft ist, abgesehen von klaren Diskriminierungen, etwa auf Grund von Rasse oder Hautfarbe der Delinquenten, grundsätzlich nicht gerichtlich überprüfbar.42

II. Schwerpunkte der Strafverfolgung des Bundes Das US-Justizministerium legt regelmäßig bestimmte Bereiche allgemein als Schwerpunkte der Strafverfolgung (enforcement priorities) oder besondere Missionen des Bundes, wie etwa den groß angekündigten „War on Drugs“ oder kürzlich den „War on Terrorism“, fest.43 Zwar ist die Benennung von Ermittlungsprioritäten eine offizielle politische Entscheidung hinsichtlich der Bedeutung eines bestimmten Bereiches für die Interessen der Vereinigten Staaten. Die Entscheidung, ob ein Verfahren durchgeführt wird, ist in der Praxis aber dennoch vollständig dem Ermessen der U. S. Attorneys überlassen. Etwa seit den 1930er Jahren werden besondere Strafverfolgungsprioritäten des Bundes ausgegeben. Sie beinhalteten jeweils Bereiche wie Organisierte Kriminalität, White Collar Crime, Drogendelinquenz, Korruption oder schwere Ge-

39

Vgl. dazu Fletcher/Sheppard, S. 564 ff.; Weigend, ZStW 94 (1982), 200. Lynch, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1246, 1247 (2002). 41 Dubber, Einführung, S. 9; Lynch, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1246, 1249 (2002). 42 U. S. Supreme Court, Wayte v. United States, 470 U. S. 598, 608 (1985); U. S. Court of Appeals (8th Cir.), United States v. Jacobs, 4 F.3d 603, 604 f. (1993); vgl. dazu Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1001 (1995). 43 Abrams/Beale, S. 126 ff.; Lynch, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1246, 1252 f. (2002); siehe zum „War on Drugs“ Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1148 ff. (1995); Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1180 ff. (1995); grundsätzlich kritisch zum „War on Crime“ der Vereinigten Staaten Dubber, 91 J. Crim. L. & Criminology 829 (2001). 40

C. Die Entscheidung über die Strafverfolgung im Einzelfall

173

waltverbrechen,44 welche demzufolge stets auch die Hauptbetätigungsfelder der Strafverfolgungsorgane des Bundes ausmachten. Das Hervorheben eines Bereichs als besondere Priorität hatte jedoch nicht zur Folge, dass die anderen Einsatzfelder aufgegeben wurden, sondern sollte nur dessen besondere Bedeutung unterstreichen. Eine neue Dimension könnte allerdings durch die Terrorismus-Bekämpfung erreicht worden sein. Als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 hat nicht nur der damalige US-Präsident George W. Bush den Krieg gegen den Terror als oberste Priorität ausgerufen, sondern es haben auch der Generalstaatsanwalt des Bundes und der Direktor des F. B. I. eine gewaltige Umstrukturierung ihrer Behörden mit dem Ziel der Umverteilung ihrer Ressourcen und Ermittlungsanstrengungen von der gewöhnlichen Kriminalitäts- zur Terrorismusbekämpfung verkündet.45 Dies beinhaltete immerhin eine Versetzung von nicht weniger als 674 Beamten in den Sektor Terroraufklärung und Anschlagsverhinderung,46 d. h. eine dementsprechende Erhöhung der Kapazitäten, denn dieser Aufgabenbereich hatte auch vorher schon bestanden. Zudem wurde die Zahl an Spezialeinheiten in diesem Bereich (sog. Joint Terrorism Task Forces) signifikant erhöht.47 Diese Einheiten, die Beamte des Bundes aber auch der Bundesstaaten beschäftigen, sind in 100 verschiedenen Standorten untergebracht, von welchen 65 erst nach dem 11. September 2001 gegründet wurden. Immerhin arbeiten dort auch 3.723 Spezialagenten des F. B. I.48 Diese Umverteilung des Personals erscheint bei einer Anzahl von 31.676 im Dezember 2008 beim F. B. I. angestellten Personen, darunter 12.977 Special Agents,49 die im Außendienst tätig und zum Tragen von Waffen und der Festnahme von Personen befugt sind, nicht unbeträchtlich. Dass trotz dieser besonders starken Konzentration auf die Terrorismusbekämpfung eine annähernd gleich bleibende Zahl an sonstigen und allgemeinen Strafverfahren vor die Bundesgerichte gebracht wird,50 mag verschiedene Gründe haben. Festzustellen ist beispielsweise, dass auch die Zahl der beim F. B. I. beschäftigten Personen insgesamt steigt. So waren dort etwa im Jahr 2003 erst 27.537 Angestellte verzeichnet.51 Zudem werden Kapazitätsdefizite häufiger durch Amtsleihe 44

Abrams/Beale, S. 126. Abrams/Beale, S. 127; O’Neill, 79 Notre Dame L. Rev. 221 (2003). 46 Abrams/Beale, S. 127. 47 Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 397 (2008). 48 Selbstauskunft des Federal Bureau of Investigation; abrufbar im Internet unter: http:// www.fbi.gov/page2/dec04/jttf120114.htm; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 49 Selbstauskunft des Federal Bureau of Investigation; abrufbar im Internet unter: http:// www.fbi.gov/quickfacts.htm; zuletzt abgerufen am 17.02.2009; vgl. zur heutigen Struktur des F. B. I. auch Brandl, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 686, 692 (2002); Richman, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 698, 699 ff. (2002). 50 Abrams/Beale, S. 127. 51 Abrams/Beale, S. 8. 45

174

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

bei anderen Bundesbehörden kompensiert.52 Schließlich mögen sich die wahren Ausmaße der Neufokussierung der Ermittlungsbehörden des Bundes auch erst in späteren Jahren zeigen, denn schließlich dürften die Gerichte zzt. noch einige Fälle verhandeln, deren Ermittlungszeitraum vor 2001 liegt. Der zzt. geltende strategische 5-Jahres-Plan des Department of Justice weist folgende Schwerpunkte der Strafverfolgung des Bundes aus: (1) Kampf gegen den Terrorismus, (2) Durchsetzung der Bundesgesetze und Verteidigung der Rechte und Interessen des US-amerikanischen Volkes. Unter (2) fallen insbesondere die Gebiete Gewaltverbrechen, Drogen sowie White Collar Crime und Cybercrime.53 Das Ziel der Koordinierung der Strafverfolgung des Bundes verfolgen auch die in den vom Department of Justice herausgegebenen Dienstvorschriften der Staatsanwaltschaften des Bundes (U. S. Attorneys’ Manual, kurz: USAM)54 festgehaltenen Richtlinien zur Ausübung des staatsanwaltlichen Ermessens. Diese enthalten sowohl generelle Regeln im Hinblick auf die Ermessensausübung als auch solche, welche auf spezifische Straftaten bezogen sind. Als generelle Richtlinie ist in Kapitel 9-27.220 USAM festgehalten, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren dann durchführen soll, wenn sie der Überzeugung ist, dass das Verhalten des Beschuldigten eine Straftat nach Bundesrecht darstellt und hinreichende Beweise vorliegen, es sei denn, dass (1) kein substanzielles Bundesinteresse betroffen ist, (2) der Beschuldigte bereits durch einen Bundesstaat ausreichend verfolgt wird oder (3) eine adäquate Alternative zur Strafverfolgung besteht.55 Kapitel 9-27.230 USAM führt sodann aus, unter welchen Umständen nicht anzunehmen ist, dass ein substanzielles Bundesinteresse tangiert wird. Hierbei soll die Staatsanwaltschaft folgende Faktoren berücksichtigen: (1) die Schwerpunkte der Strafverfolgung, (2) die Schwere der Tat, (3) die abschreckende Wirkung der Strafverfolgung, 52

Abrams/Beale, S. 128. Abrams/Beale, S. 129; vgl. zum Organisierten Verbrechen als besonderem Schwerpunkt des Bundesstrafrechts Baker, 16 Rutgers L. J. 495 (1985). 54 Abrufbar im Internet unter: http://www.usdoj.gov/usao/eousa/foia_reading_room/usam; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 55 http://www.usdoj.gov/usao/eousa/foia_reading_room/usam/title9/27mcrm.htm#9–27. 220; zuletzt abgerufen am 17.02.2009. 53

C. Die Entscheidung über die Strafverfolgung im Einzelfall

175

(4) die Schwere der Schuld, (5) die Sozialisation des Täters, (6) die Bereitschaft zur Kooperation und (7) die Höhe der zu erwartenden Strafe. Die Wirkung der politischen Grundsatzentscheidungen, aber auch der Richtlinien des USAM, als das staatsanwaltliche Ermessen steuernde Elemente und ihre Eignung als Mittel zur Fokussierung des Bundesstrafrechts dürfen auf Grund der weit gehenden Dezentralisierung der Strafverfolgung auch innerhalb der Bundesebene, welche sich u. a. in einer Vielzahl von Behörden, die oftmals gar nicht dem US-Justizministerium untergeordnet sind, oder einer starken Autonomie etwa der U. S. Attorneys ausdrückt,56 zumindest als unsicher gelten. Zudem sind sie in der Regel sehr weit und unbestimmt formuliert.

III. Determinierende Faktoren Die Frage, ob ein U. S. Attorney ein Strafverfahren nach Bundesrecht durchführt oder ob er einem Bundesstaat das Feld überlässt, wird jeweils im Einzelfall beantwortet.57 Viele verschiedene Aspekte mögen sich auf die Ausübung des Ermessens auswirken. Da es sich letztlich um eine individuelle Entscheidung handelt, ist bei generalisierenden Erwägungen ohnehin Vorsicht geboten. In der US-amerikanischen Literatur wird gleichwohl einigen Faktoren ein Ausschlag gebender Einfluss zugeschrieben. Genannt werden hierbei die Arbeitsbelastung der betreffenden Behörde und die zur Verfügung stehenden Ressourcen, der Zugriff auf den Beschuldigten, die Möglichkeit einer doppelten Strafverfolgung, das Ausmaß der Zusammenarbeit der Behörden, die besondere Bedeutung und das öffentliche Interesse in den Medien an der Straftat, die offiziellen Schwerpunkte der Strafverfolgung und schließlich rechtliche Vorteile im Strafprozess.58

IV. Forum Shopping und Übergabe von Beweismitteln Dabei kann ein Phänomen auftreten, welches als „Forum Shopping“59 bezeichnet wird. Gemeint ist damit, dass die Anklagebehörde zwischen mehreren Rechtsordnungen wählen kann und das Verfahren letztlich dort einleitet, wo es ihr am 56

Siehe dazu bereits oben 5. Kapitel C. I. Vgl. Glazer, 26 Fordham Urb. L. J. 573, 578 (1999): „Case-oriented approach“. 58 Abrams/Beale, S. 795 ff.; vgl. auch Jeffries/Gleeson, 46 Hastings L. J. 1095, 1099 ff. (1995). 59 Abrams/Beale, S. 799; vgl. zum „Forum Shopping“ als Problem eines transnational wirkenden ne bis in idem Kniebühler, S. 130 ff.; Lagodny, FS Trechsel, 2002, S. 253, 261. 57

176

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

zweckmäßigsten im Hinblick auf die Verurteilung erscheint. Die Strafverfolgung in einer bestimmten Rechtsordnung kann dabei aus verschiedenen Gründen vorteilhaft sein.60 Dies mag erstens bereits das materielle Recht betreffen, da vielfach Unterschiede bezüglich der Weite der Tatbestände und deren materiellen Voraussetzungen bestehen, sodass z. B. das materielle Recht eines Bundesstaates im Gegensatz zum Bund oder zu anderen Bundesstaaten Strafbarkeitslücken aufweist. Gleiches gilt auch hinsichtlich eventuell bestehender Rechtfertigungsgründe. Zweitens kann das zu erwartende Strafmaß oder die Verfügbarkeit bestimmter Sanktionen, wie etwa der Todesstrafe, Ausschlag gebend sein. Drittens können die Erwägungen die Frage möglichst geringer strafprozessualer Hindernisse für eine Bestrafung betreffen. So ist es etwa durchaus möglich, dass nach bundesrechtlichen Regelungen bestimmte Beweismittel zulässig sind, welche nach dem Recht des betroffenen Einzelstaates verboten wären61 oder dass in manchen bundesstaatlichen Rechtsordnungen die Verwertbarkeit von Beweisen geringeren Anforderungen als in anderen unterworfen ist. Dabei können sich Nachteile für die Strafverfolgung nicht zuletzt auch aus strengeren verfassungsrechtlichen Vorgaben ergeben. Der aus den Verfassungen der Bundesstaaten resultierende Grundrechtsschutz ist zuweilen wesentlich stärker als auf der Bundesebene.62 Diese Spanne dürfte sich nun durch die im USA PATRIOT Act 63 enthaltenen weitgehenden Eingriffsbefugnisse für die Bundesbehörden noch einmal vergrößert haben.64 Viertens kann in bestimmten Bundesstaaten oder auch districts oder circuits die Rechtsprechung liberaler und ein Freispruch wahrscheinlicher sein als in anderen. Bekanntes Beispiel bildet die Verurteilung der beiden (minderjährigen) Heckenschützen („sniper“), John Muhammad und Lee Malvo.65 Sie hatten insgesamt zehn Menschen aus dem Hinterhalt erschossen und zur Vermeidung weiterer Attacken ein Lösegeld in Höhe von zehn Millionen Dollar vom Staat gefordert. Die Opfer wurden in verschiedenen Bundesstaaten erschossen, vornehmlich in Maryland, eines jedoch auch in Virginia. Allen betroffenen Behörden, inklusive dem F. B. I., war sehr viel daran gelegen, die Täter zu verfolgen, da der Fall eine hohe Publizität erreicht hatte. Ihre Verurteilung zum Tode erfolgte letztlich im Bundesstaat Virginia. Die Bundesbehörde, in deren Gewahrsam sich die Be60

Abrams/Beale, S. 800; vgl. zu rechtlichen Vorteilen einer Verfolgung durch Bundesbehörden gegenüber der Verfolgung durch die Bundesstaaten auch Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 769 (2005). 61 Vgl. dazu Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381 (2008). 62 Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 389 (2008). 63 Siehe dazu oben 2. Kapitel C. V. 3. 64 Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381 (2008). 65 Dazu Abrams/Beale, S. 802 f.; Ambos, § 1 Rn. 45.

C. Die Entscheidung über die Strafverfolgung im Einzelfall

177

schuldigten befanden, traf diese Entscheidung und übergab die Täter den Behörden von Virginia. Ausschlag gebend waren dabei verschiedene Erwägungen. Einerseits waren die Beweise für den nach bundesstaatlichem Recht strafbaren Mord stärker als für die nach Bundesrecht verfolgbare Erpressung und andererseits erlaubten weder das Bundesrecht noch das Recht des Bundesstaates Maryland die Exekution von Minderjährigen. Gerade der zuletzt genannte Punkt scheint besonders bedeutsam gewesen zu sein: Gewählt wurde die Jurisdiktion, in welcher die tatsächliche Exekution der Beschuldigten am wahrscheinlichsten erschien. Eng damit verbunden ist ein weiteres Vorgehen insbesondere der Bundesbehörden, welches sowohl aus der Sicht des Angeklagten als auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht unbedenklich erscheint: die Übergabe von Beweismitteln an Behörden und Gerichte der Bundesstaaten, welche in zulässiger Weise nach dem im Hinblick auf die Grundrechte des Betroffenen weniger strengen Bundesrecht erlangt wurden, nach dem Recht des Einzelstaates aber unzulässig gewesen wären.66 Hierbei handelt es sich zwar grundsätzlich um eine Frage des Rechts des betroffenen Bundesstaates. Wiederum bildet aber das föderative System der Vereinigten Staaten und das grundsätzliche Verhältnis der Staatsteile ein gewichtiges Element der Diskussion. Grundsätzlich haben bundesstaatliche Vorschriften für Bundesangestellte keine Geltung und bundesstaatliche Behörden und Gerichte keinen Einfluss auf die Autoritäten des Bundes, jeder Staatsteil regelt die Rechte und Pflichten seiner eigenen Bediensteten.67 Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, ob bundesstaatliche Gerichte Beweise ausschließen können, die gegen das Recht des eigenen Bundesstaates verstoßen. Verschiedene Gerichte der Bundesstaaten haben ein solches Vorgehen gebilligt, u. a. mit der Erwägung, dass das Recht der Bundesstaaten für die Bundesbehörden nicht gelte.68 Eine Ausnahme hinsichtlich der Verwertbarkeit der unter Verstoß gegen das einzelstaatliche Recht beschafften Beweise wird aber oftmals dann angenommen, wenn die Behörden des Bundes und des Bundesstaates in einer Weise zusammenarbeiteten, dass auch von einem hinreichenden Engagement der Autoritäten des Bundesstaates auszugehen sei.69 Andere bundesstaatliche Gerichte70 messen hingegen die Verwertbarkeit der Beweise grundsätzlich nur an ihrem eigenen Recht.

66

Ausführlich dazu Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381 (2008). So entschieden vom U. S. Supreme Court, In re Tarble, 80 U. S. 397, 406 (1871). 68 So etwa Court of Appeals of Texas, Pena v. Texas, 61 S. W.3d 745 (2001); New Jersey Supreme Court, State v. Mollica, 554 A.2d 1315, 1327–1328 (1989). 69 So etwa der Massachusetts Supreme Judicial Court, Commonwealth v. Gonzalez, 688 N. E.2d 455 (1997); vgl. dazu Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381 (2008) m. w. N. 70 So etwa der Court of Appeals of New York, People v. Griminger, 524 N. E.2d 409 (1988); vgl. dazu Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 391 ff. (2008) m. w. N. 67

178

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

D. Vertikale Doppelbestrafung zwischen Bund und Bundesstaaten D. Vertikale Doppelbestrafung zwischen Bund und Bundesstaaten

Besondere Bedeutung hat das staatsanwaltliche Ermessen bei Jurisdiktionskonflikten, d. h. mehrfacher Zuständigkeit für die Strafverfolgung, und dabei wiederum im Besonderen im Hinblick auf die Entscheidung für oder gegen die Durchführung eines parallelen oder gar sukzessiven Strafverfahrens. Im US-amerikanischen Strafrechtssystem sind – insbesondere durch die Ausweitung des materiellen Bundesrechts, ohne dass dadurch das Recht der Einzelstaaten ausgeschlossen wird71 – Überschneidungen der Zuständigkeiten mehrerer Strafgewalten häufig, und zwar nicht nur zwischen den Bundesstaaten, sondern eben und gerade auch zwischen Bund und einzelnen Bundesstaaten, sodass der Betroffene durchaus der Gefahr ausgesetzt ist, für dasselbe Verhalten mehrfach verfolgt und bestraft zu werden.

I. Separate Souveränität des Bundes Oben72 wurde das im US-amerikanischen Recht geltende Verständnis des konstitutionellen Verbots der Doppelbestrafung bereits ausführlich erläutert. Durch die Doktrin der dualen Souveränität ist es reduziert auf mehrfache Verfolgungen durch denselben Souverän. Dies hat das der U. S. Supreme Court inzwischen sowohl für die sukzessive Verurteilung eines Delinquenten durch zwei verschiedene Bundesstaaten73 als auch für eine solche durch Bund und Einzelstaat74 sowie Einzelstaat und Bund75 festgestellt. Denn auch der Bund wird als ein gegenüber den Bundesstaaten separater Souverän angesehen. Dem höchsten Gericht ist es nach der eigenen Urteilsbegründung dabei u. a. auch darum zu tun, sicherzustellen, dass die Strafverfolgung (oder gar der Freispruch) wegen einer nur geringfügigen Tat nach Bundes- oder einzelstaatlichem Recht ein wesentlich bedeutsameres Verfahren – welches insbesondere auch zu einer Bestrafung wegen einer erheblich schwereren Tat führen könnte – auf der Ebene der jeweils anderen Rechtsordnung nicht ausschließt.76 Andernfalls stehe sogar das System des US-amerikanischen Föderalismus in Frage, wenn etwa ein Verfahren nach Bundesrecht verhindern könne, dass die Bundesstaaten ihr 71

Siehe oben 2. Kapitel D. Oben 4. Kapitel F. IV. 2. 73 U. S. Supreme Court, Heath v. Alabama, 474 U. S. 82, 88 (1985): „The states are no less sovereign with respect to each other than they are with respect to the Federal Government.“ Siehe dazu bereits oben 4. Kapitel F. 74 U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121 (1959). 75 U. S. Supreme Court, Abbate v. United States, 359 U. S. 187 (1959). 76 Vgl. etwa U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121, 137 (1959); siehe auch LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 321; Schmid, S. 158. 72

D. Vertikale Doppelbestrafung zwischen Bund und Bundesstaaten

179

ureigenes Recht zur Ausübung der Strafgewalt und Polizeimacht nicht umsetzen könnten.77 Hinter der Linie des U. S. Supreme Courts lassen sich aber wiederum auch politische Motive vermuten.78 Gerade in den 1950er und 1960er Jahren diente die Möglichkeit einer sukzessiven oder additiven Strafverfolgung durch den Bund dazu, die Rechte von Minoritäten zu stärken. So hatten mehrere Verfahren eine Anklage wegen eines Mordes an einem Afro-Amerikaner zum Gegenstand, deren mutmaßliche Täter vor Gerichten der jeweiligen (südlichen) Bundesstaaten freigesprochen oder nach Abschluss des Verfahrens gar nicht angeklagt worden waren.79 Auch einem Verfahren jüngeren Datums, das besondere Aufmerksamkeit nach sich zog, lag ein ähnlicher Sachverhalt zu Grunde. Im Jahr 1993 verurteilte ein Bundesgericht, ein U. S. District Court von California, mehrere Polizisten zu Haftstrafen, weil sie den Afro-Amerikaner Rodney King auf einer Streife brutal misshandelt hatten.80 Das Gericht des Bundesstaates hatte die Angeklagten zuvor freigesprochen. Nach schweren Unruhen in California, welche auf diesen Freispruch folgten, hatte der Bund das Verfahren wieder aufgenommen. Die damit vom Grundsatz her auch vertikal zulässige mehrfache Verfolgung durch Behörden des Bundes und der Bundesstaaten kann dabei durchaus zu einer nahezu missbräuchlichen Koordination der Ermittlungen genutzt werden. Im der Entscheidung Bartkus v. Illinois81 zu Grunde liegenden Fall war der Angeklagte B. eines Raubes in einem Geldinstitut beschuldigt worden, welches durch eine Bundesanstalt versichert war, sodass (auch) das Strafrecht des Bundes Anwendung fand.82 Das F. B. I. führte die Ermittlungen durch. Das Gericht des Bundes sprach ihn frei. Daraufhin übergaben die Beamten des F. B. I. sämtliche Ermittlungsakten an die Polizei des Bundesstaates Illinois, in welchem die Tat begangen worden war. Nach Abschluss der Ermittlungen durch die bundesstaatlichen Behörden wurde B. vor dem Criminal Court von Illinois angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt. Den Einwänden des Angeklagten, dass wegen der Kooperation der Behörden das zweite Verfahren nur noch zum Schein durchgeführt worden und in Wahrheit ein Strafverfahren des Bundes gewesen sei, erteilte das Gericht eine Absage, da es ein solches „Scheinverfahren“ nicht für erwiesen hielt.83 In der US-amerikanischen 77

U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121, 137 (1959). So etwa Abrams/Beale, S. 817 f. 79 So etwa U. S. Supreme Court, United States v. Guest, 383 U. S. 745 (1966); United States v. Price, 383 U. S. 787 (1966). 80 U. S. District Court (Central District of California), United States v. Koon, 833 F. Supp. 769 (1993); dazu Amar/Marcus, 95 Colum. L. Rev. 1 (1995); Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160 (1995). 81 U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121 (1959); vgl. dazu Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1204 ff. (1995). 82 Angeklagt wurde eine Strafbarkeit nach 18 U. S. C. § 2113 (Bank robbery and incidental crimes); siehe dazu oben 3. Kapitel B. II. 3. 83 U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121, 123–124 (1959). 78

180

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

Literatur wird aus dieser Aussage teilweise der Schluss gezogen, dass das Urteil des U. S. Supreme Courts so zu interpretieren sei, dass bei Nachweis eines solchen nur angeblich durchgeführten Verfahrens eine doppelte Strafverfolgung wohl ausgeschlossen gewesen wäre.84 Der Nachweis eines solchen „Scheinverfahrens“ dürfte im Einzelfall aber selten gelingen.85 Zudem hat der U. S. Supreme Court diese These noch nicht ausdrücklich bestätigt. Gleichwohl ist bei aller rechtsstaatlichen Bedenklichkeit die tatsächliche Zahl sukzessiver Strafverfahren auf Bundesebene, welchen ein Strafverfahren durch einen Bundesstaat vorausging, noch relativ gering.86 Auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten werden jährlich weniger als 150 Doppelverfahren vor Bundesgerichten gezählt.87 Hierbei dürfte es regelmäßig, wie im Fall Rodney King, eine nicht unbedeutende Rolle spielen, ob die erste Verurteilung (durch das Strafgericht des Bundesstaates) als zu milde erscheint oder die erste Verhandlung gar zu einem Freispruch geführt hat.88 Dies gilt umso mehr, wenn das Bundesrecht bereits von vornherein eine wesentlich höhere Strafe vorsieht, z. B. weil es sich hier um ein erheblich schwereres Verbrechen handelt. Diese Hintergedanken haben den U. S. Supreme Court schließlich gerade zur Etablierung und Aufrechterhaltung der Doktrin der dualen Souveränität bewogen. Es bleibt noch kurz darauf hinzuweisen, dass auch die in U. S. Const. Art. IV § 1 cl. 1 vorgesehene Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von Urteilen den Betroffenen nichts nützt, da diese Bestimmung nach traditioneller Auslegung nicht auf das Strafrecht erstreckt wird.89 So stellte etwa der U. S. Court of Appeals90 fest, dass ein Freispruch durch ein Bundesgericht eben nur das Bundesrecht betreffe, aber keine Aussage darüber treffe, ob auch einzelstaatliches Recht verletzt sei, sodass das Gericht des Bundesstaates, selbst wenn es das Strafurteil des Bundesgerichts anerkenne, damit weiterhin zur Beurteilung des Sachverhalts nach dem eigenen Recht befähigt bleibe.

84

Abrams/Beale, S. 820 f. So stellte der U. S. Court of Appeals (9th Cir.), United States v. Figueroa-Soto, 938 F.2d 1015, 1019 (1991), denn auch fest, dass es unter Beachtung der im Fall Bartkus v. Illinois aufgestellten Kriterien höchst schwierig („extremely difficult and highly unusual“) sei, eine solche Kollaboration zur Durchführung eines bloßen Scheinverfahrens zu beweisen. 86 Angeblich aber steigend; vgl. Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1207 (1995). 87 Litman/Greenberg, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72, 77 f. (1996). 88 Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681, 687 (1992), berichtet vom „Project Gemini“ eines U. S. Attorneys, dessen Ziel es ist, besonders gefährliche Kriminelle erneut vor ein Bundesgericht zu bringen, wenn sie vor einem bundesstaatlichen Gericht eine zu milde Strafe erhalten haben; dies ist aber nicht zwingend, denn Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1208 (1995), führt einige Fälle an, in welchen ein sukzessives Verfahren durchgeführt wurde, obwohl bereits das erste Urteil eine hohe Strafe vorgesehen hatte. 89 Vgl. Messonier, 29 Akron L. Rev. 549, 606 Fn. 4 (1996); Woods, 24 U. Balt. L. Rev. 177, 193 (1994); siehe bereits oben 4. Kapitel F. V. 90 U. S. Court of Appeals (8th Cir.), Turley v. Wyrick, 554 F.2d 840, 842 (1977). 85

D. Vertikale Doppelbestrafung zwischen Bund und Bundesstaaten

181

II. Lösungsansätze in der US-amerikanischen Praxis und Rechtswissenschaft Die Doktrin der dualen Souveränität sieht sich allerdings in der US-amerikanischen Literatur inzwischen mit einer zunehmenden Opposition konfrontiert.91 Gerade die zuweilen intensive und erfolgreiche Kooperation der Bundes- und einzelstaatlichen Behörden, welche teilweise sogar gemeinsam ermitteln, sowie die enorm ausgeweitete Bundeszuständigkeit und die damit einhergehende Überschneidung mit den Kompetenzen der Gliedstaaten, welche die Gefahr einer doppelten Strafverfolgung immens erhöht, haben die Ausgangslage inzwischen im Vergleich zu den Zeiten der soeben92 angeführten Urteile, welche vornehmlich den späten 1950er Jahren entstammen, entscheidend verändert. Zudem ist aus Sicht des Betroffenen die Lage ähnlich misslich wie bei der doppelten Strafverfolgung durch denselben Staatskörper, denn er wird weiterhin für ein und dieselbe Tat mehrfach bestraft.93 Schließlich wird vorgebracht, die Doktrin der dualen Souveränität ergebe nur dann Sinn, wenn auch wirklich substanzielle – unterschiedliche – Interessen beider Staatskörper in einer Weise bedroht seien, dass die Verfolgung durch eine andere Staatsgewalt keinesfalls als Befriedung beider Verletzungen angesehen werden könne.94 Beide oben95 für die internationale Ebene vorgestellten Wege zur Auflösung der Jurisdiktionskonflikte haben sich im Strafrechtsmodell der Vereinigten Staaten wie im internationalen Raum bislang nicht durchgesetzt. Das US-amerikanische Recht sieht eine Art. 54 SDÜ vergleichbare Regelung bislang nicht vor. Aber auch die Lösung über eine Hierarchisierung der Zuständigkeiten in der oben96 angeführten Form kann nur eingeschränkt fruchtbar gemacht werden. Einerseits ist zwar immerhin das Territorialitätsprinzip auch hier bestimmender Ausgangspunkt. Das US-amerikanische Recht hat sich andererseits aber von der im common law noch anerkannten Dominanz des Territorialitätsprinzips als die Jurisdiktion bestimmende Regel entfernt. Das common law hatte durch das single-situs concept97 immerhin eine wesentliche Beschränkung und auch Strukturierung der Zuständigkeiten vorgesehen, als es stets nur einen Tatort anerkannte und nur dem Tatortstaat die Jurisdiktion zusprach. Das kodifizierte Strafrecht der Bundesstaaten weicht von diesen Regelungen inzwischen jedoch wesentlich ab. 91 Zu dieser Kritik ABA Report, S. 28; Abrams/Beale, S. 818 ff.; Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 770 f. (2005); Merkl, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 175 (1999); vgl. auch Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1159, 1209 f. (1995), in Bezug auf Drogendelinquenz; ferner unten 5. Kapitel E. I. 4. 92 Oben 5. Kapitel D. I. 93 LaFave, Substantive Criminal Law, S. 321. 94 LaFave, Substantive Criminal Law, S. 321. 95 Oben 4. Kapitel F. IV. 1. 96 Oben 4. Kapitel F. IV. 1. 97 Dazu oben 3. Kapitel D. III.

182

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

Gerade durch die Aufweichung des single-situs concepts werden durchaus mehrere Tatorte denkbar, sodass der Überlagerung der Kompetenzen und damit auch der Gefahr mehrfacher Strafverfolgung Vorschub geleistet wird. Des Weiteren führt die Anerkennung des Staatsschutzprinzips zu einer Zuständigkeit der Bundesbehörden auch auf dem Gebiet der Bundesstaaten. Dies gilt umso mehr, wenn gesamtstaatliche Interessen nur noch mittelbar geschützt sind, wie dies etwa bei den auf die Handelsklausel gestützten Strafnormen der Fall ist. Letztere machen zudem den Großteil der Strafvorschriften im Bundesrecht aus. Somit sind Jurisdiktionskonflikte häufig. Die „dual sovereignty doctrine“ erlaubt nicht nur sukzessive, sondern auch simultane Strafverfahren durch Bund und Bundesstaaten. Im Fall Bartkus v. Illinois98 waren die Ermittlungen noch alleine vom F. B. I. durchgeführt worden. Heute werden aber häufig spezielle Joint Task Forces eingesetzt, welche, wie etwa zur Drogenbekämpfung, aus Behörden des Bundes (z. B. D. E. A.) und solchen der Bundesstaaten und der Gemeinden gebildet werden und das Strafverfahren ohnehin bereits gemeinsam durchführen.99 Diese Art eines „kooperativen Föderalismus“100 ist besonders gefährlich, denn sie erleichtert sowohl doppelte Verfahren als auch die fragwürdige Auswahl der günstigeren Rechtsordnung (Forum Shopping101). 1. Gesetzlicher Ausschluss Zum Teil werden diese Bedenken auch von staatlicher Seite aufgegriffen. Nur in wenigen Fällen hat der Congress indes für einzelne Straftaten eine Strafverfolgung des Bundes im Anschluss an ein Verfahren eines Bundesstaates bereits im betreffenden Statut ausgeschlossen.102 Auf der Ebene der Bundesstaaten findet sich ein gesetzlicher Ausschluss der Doppelbestrafung dagegen häufiger.103 Der MPC enthält in § 1.10 die Regelung,104 dass eine sukzessive Strafverfolgung durch den Bundesstaat dann ausgeschossen sein soll, wenn 98

U. S. Supreme Court, Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121 (1959). Vgl. dazu Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160 (1995). 100 Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1204 (1995). 101 Siehe zum Forum Shopping bereits oben 5. Kapitel C. IV. 102 So etwa in 18 U. S. C. § 2117 für das Aufbrechen der Tür eines Zugwaggons, Schiffes, Flugzeuges o.ä. zum Zwecke des Diebstahls darin transportierter Güter; in Abs. 2 der Vorschrift heißt es: „A judgment of conviction or acquittal on the merits under the laws of any State shall be a bar to any prosecution under this section for the same act or acts.“ 103 Abrams/Beale, S. 821; LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 325. 104 MPC § 1.10: […] (1) the first prosecution resulted in an acquittal or a conviction and the subsequent prosecution is based on the same conduct, unless (a) the former and present offenses each require proof of a fact not required by the other and each is intended to prevent a substantially different harm or evil, or (b) the second offense was not consummated when the forner trial began; or (2) the former prosecution was terminated in a way which required a determination inconsistent with a fact which must be established for conviction of the offense for which the defendant is subsequently prosecuted. 99

D. Vertikale Doppelbestrafung zwischen Bund und Bundesstaaten

183

(1) das Verfahren nach Bundesrecht zu einem Freispruch oder einer Verurteilung geführt hat und die Strafverfolgung durch den Bundesstaat dasselbe Verhalten zum Gegenstand hätte, es sei denn die Rechtsordnung des Bundesstaates erfordert nicht dieselben Beweismittel und durch die unterschiedlichen Bestimmungen soll substanziell anderes Unrecht bekämpft werden oder die Straftat nach einzelstaatlichem Recht war noch gar nicht vollendet, als der Prozess vor dem Bundesgericht eröffnet wurde oder wenn (2) das Verfahren nach Bundesrecht beendet wurde und dabei notwendigerweise eine Feststellung getroffen wurde, nach welcher bestimmte Tatsachen nicht vorliegen, die für einen Schuldspruch nach dem Recht des Bundesstaates erforderlich wären. Einige Bundesstaaten haben ähnliche Regelungen erlassen.105 Im Regelfall bleibt aber – insbesondere auf Bundesebene – auch die Frage einer Doppelbestrafung oder zumindest doppelten Strafverfolgung in der Praxis der staatsanwaltlichen Einzelfallentscheidung für oder gegen ein Strafverfahren überlassen.106

2. Petit Policy Für die Strafverfolgungsbehörden des Bundes gilt diesbezüglich seit der Entscheidung Petit v. United States107 aber die so genannte „Petit Policy“,108 welche im USAM festgehalten ist. Nach Kapitel 9-2031 USAM soll der Bund grundsätzlich kein weiteres Verfahren im Anschluss an ein Verfahren eines Bundesstaates durchführen, solange keine zwingenden Gründe ersichtlich sind. Von solchen ist gemäß Kapitel 9-2031 USAM dann auszugehen, wenn ein substanzielles Interesse des Bundes berührt ist, dieses aber durch die Strafverfolgung im Bundesstaat nicht hinreichend befriedigt wurde und die Behörde zudem einen hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich einer Straftat nach Bundesrecht annimmt. Ein besonderes Interesse des Bundes ist insbesondere in den Fällen anzunehmen, in welchen einer der Schwerpunkte der Strafverfolgung des Bundes109 tangiert wird, aber z. B. auch dann, wenn eine große Diskrepanz zwischen dem nach dem Recht des Bundesstaates und den Strafgesetzen des Bundes vorgesehenen Strafmaß besteht, mit anderen Worten wenn eine weitaus höhere Strafe angestrebt 105 Eine Aufzählung von Regelungen auf Ebene der Bundesstaaten findet sich bei LaFave, Substantive Criminal Law I, S. 325 Fn. 27; Stuckenberg, S. 40 Fn. 205; Woods, 24 U. Balt. L. Rev. 177, 199 ff. (1994); siehe außerdem zu der unterschiedlichen Interpretation dieser Bestimmungen durch die bundesstaatlichen Gerichte bereits oben 4. Kapitel F. IV. 2. 106 Abrams/Beale, S. 822 ff. 107 U. S. Supreme Court, Petit v. United States, 361 U. S. 529 (1960). 108 Dazu Abrams/Beale, S. 822 ff.; Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1195 ff. (1995); Litman/ Greenberg, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72, 75 ff. (1996); Merkl, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 175, 200 (1999); Stuckenberg, S. 39 f. 109 Siehe dazu bereits oben 5. Kapitel C. II.

184

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

wird, als nach dem Recht des Bundesstaates möglich.110 Auch wenn diese Kriterien erfüllt sind, bleibt die endgültige Entscheidung über die Durchführung des Verfahrens gleichwohl dem Ermessen der zuständigen Staatsanwaltschaft überlassen. Die Petit Policy ist nur eine interne Richtlinie des US-Justizministeriums und daher nicht justiziabel.111

3. Vorschläge in der Literatur Die US-amerikanische Rechtswissenschaft, welche, wie bereits angedeutet, der Doktrin der dualen Souveränität sowie der Lösung über staatsanwaltliches Ermessen vielfach kritisch gegenübersteht, bemüht sich seit Jahren um einen vernünftigen Umgang mit der Frage der Doppelbestrafung. Sie hat dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Empfehlungen unterbreitet, welche hier nicht zur Gänze wiedergegeben werden können.112 Etwas radikalere Vorschläge zielen darauf ab, die zweite Strafverfolgung grundsätzlich zu verbieten, es sei denn es sind tatsächlich streng zu separierende Interessen betroffen,113 oder Strafverfahren der Bundesstaaten – entgegen der sonstigen Vermutung114 – durch die Bundesbehörden ausschließen zu lassen.115 Ein besonders interessanter Ansatz beinhaltet die generelle Übertragung der Prozess-Zuständigkeit bei Jurisdiktionskonflikten auf die Gerichte der Bundesstaaten unter Beibehaltung der Möglichkeit der parallelen Ermittlung durch Bundesund einzelstaatliche Behörden,116 auch wenn es dem Verfasser mehr um die Entlastung der (unteren) Bundesgerichte denn um den Schutz der Freiheitsrechte der Delinquenten zu tun ist. In eine ähnliche Richtung zielt der Vorschlag, in Fällen sich überschneidender Jurisdiktion nur eine Gerichtsverhandlung entweder vor einem Bundes- oder einem einzelstaatlichen Gericht durchzuführen und diesem Gericht dann die Kompetenz einzuräumen, ausnahmsweise sowohl Delikte nach Bundesrecht als auch nach dem Recht des betroffenen Bundesstaates abzuurteilen.117 So kreativ und teilweise auch viel versprechend diese Ansätze sein mögen, sie wurden bislang weder im Congress noch durch den U. S. Supreme Court aufgegriffen. 110

Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1195 f. (1995). Abrams/Beale, S. 829. 112 Siehe die ausführliche Zusammenstellung bei Abrams/Beale, S. 831 f. 113 Note, 80 Harv. L. Rev. 1538, 1561 (1967); für einen Ausschluss eines zweiten Verfahrens des Bundes – jedenfalls bei Einsatz von Joint Task Forces – Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1209 f. (1995). 114 Siehe dazu oben 2. Kapitel D. II. 2. 115 In diese Richtung Note, 80 Harv. L. Rev. 1538, 1554 ff. (1967). 116 Calabresi, 78 N. Y. U. L. Rev. 1293, 1298 (2003). 117 Vgl. Abrams/Beale, S. 831; in diese Richtung auch Merkl, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 175, 204 ff. (1999): Es solle jedenfalls nur ein Gericht zuständig sein. 111

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

185

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte um die Rolle des Bundesstrafrechts E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

In der US-amerikanischen Jurisprudenz wird nicht nur um die Frage der Doppelbestrafung, sondern insgesamt vehement um die Rolle des Bundes bei der Kriminalitätsbekämpfung innerhalb des Strafrechtssystems der Vereinigten Staaten gestritten. Eine Pluralität von Gründen wird hinter dem gesteigerten Interesse der Rechtswissenschaft an der bestmöglichen Verteilung der Verantwortlichkeit vermutet. Dabei dürften v. a. das rapide Wachstum der Anzahl bundesrechtlicher Strafvorschriften, die vielen Forderungen nach weiteren Gesetzen im Congress118 sowie die Ausweitung des Justizapparates des Bundes119 einen besonderen Einfluss für sich beanspruchen.120 Die Parallelität der Rechtsordnungen von Bund und Bundesstaaten produziert auch eine Parallelität der Kosten. Sie birgt daneben aber weitere Schwierigkeiten, sodass das US-amerikanische Modell der dualen Strafverfolgung in seiner heutigen praktischen Ausprägung zunehmend kritisch gesehen wird. Die rechtswissenschaftliche Debatte konzentriert sich dabei v. a. auf die Felder der konkurrierenden Zuständigkeit von Bund und Einzelstaaten,121 also im Wesentlichen auf den Bereich des Schutzes indirekter Bundesinteressen, in welchem das Bundesrecht das Recht der Bundesstaaten unterstützen soll und dieses dabei überlagert, während die Strafgesetzgebung und Strafverfolgung des Bundes in den Feldern seiner exklusiven Zuständigkeit, wie etwa in seinen Territorien oder für die in der US-Verfassung genannte Münzfälschung, nicht in Frage steht.122 Unter den vielen Autoren, welche sich zur Position und Bedeutung des Bundes im US-amerikanischen System der Strafverfolgung äußern, herrscht Einigkeit darüber, dass diese Rolle nur eine eingeschränkte sein kann.123 Gleichwohl besteht ein Dissens darüber, wie eine solche Limitierung der Operationen der Bundesbehörden zu erreichen ist. Die Extrempositionen befürworten entweder Einschränkung und gegebenenfalls Rückzug des materiellen Rechts (Anti-Federalizers) oder expansive Kodifizierung und Fokussierung der Strafverfolgung durch den Einsatz des staatsanwaltlichen Ermessens (Federalizers).124 Je nachdem, welcher Auffassung gefolgt wird, steht entweder die Frage im Vordergrund, wer für den Erlass 118 Der ABA Report, S. 11, berichtet, dass allein in der 105. Legislaturperiode im Congress etwa 1.000 Gesetzesentwürfe zum Erlass neuer Strafvorschriften eingebracht wurden. 119 Vgl. dazu ABA Report, S. 13; Little, 46 Hastings 1029, 1040 f. (1995). 120 So etwa Abrams/Beale, S. 110, die zudem die Auswirkungen der Bundes-Richtlinien für die Bestrafung und die zunehmende Zahl an Universitätskursen im Bundesstrafrecht als Hintergrund des gesteigerten Interesses am Bundesstrafrecht im Allgemeinen nennen. 121 Kritisch dazu Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1547 ff. (2002). 122 Vgl. Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1034 f. (1995). 123 Vereinzelt wird aber davon ausgegangen, dass die Rolle des Bundes derzeit sogar noch zu limitiert sei; vgl. Stacy/Dayton, 6 Cornell J. of Law & Pub. Pol’y 247 (1997). 124 Diese Begriffe werden verwendet von Abrams/Beale, S. 110.

186

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

materieller Strafvorschriften zuständig sein soll oder aber wer die Strafverfolgung im Einzelfall am besten durchzuführen habe. Letztlich geht es dabei auch darum, die Verantwortung für eine vernünftige Strafrechtspolitik und Strafrechtspraxis auf Bundesebene entweder der Legislative oder der Staatsanwaltschaft als Teil der Exekutive zu übertragen. Nach Auffassung der Federalizers ist ein möglichst umfassendes Strafgesetzbuch des Bundes, welches in weiten Teilen das einzelstaatliche Recht dupliziert, notwendig, um dem Bund im Einzelfall die Grundlage zu einem Tätigwerden einzuräumen. Diese werde schließlich auf Grund des staatsanwaltlichen Ermessens eben nicht in allen Fällen ausgeschöpft, sondern fungiere nur als Ergänzung und Unterstützung des Strafrechts der Bundesstaaten.125 Dieses bereits zuvor angesprochene Verständnis des Strafrechtssystems der Vereinigten Staaten126 bietet den Protagonisten der Lösung über offizielle Schwerpunkte der Strafverfolgung und staatsanwaltliches Ermessen ein stets willkommenes Gegenargument. So gerate etwa das föderative System durch die expansive Legislatur nicht in Gefahr, da dem Bundesstrafrecht ohnehin nur eine Unterstützungs- und Hilfsfunktion zukomme.127 Der Bund beabsichtige gar nicht, in sämtlichen Fällen tätig zu werden, was er auf Grund der limitierten Ressourcen auch gar nicht kann, sondern wolle durch den Erlass von Bundesgesetzen einerseits sich die theoretische Möglichkeit zur Handlung zu eröffnen128 und damit sicherstellen, dass ein bestimmtes Verhalten auch verfolgt wird und andererseits in einem symbolischen Akt offiziell die Missbilligung eines bestimmten Verhaltens zum Ausdruck bringen. Den Sorgen um Föderalismus und Demokratie sei daher nicht auf der Ebene der Gesetzgebung (des Bundes), sondern auf der Ebene der Ermessensausübung Rechnung zu tragen.129 Die Ausweitung des materiellen Rechts wird hingegen von den Anti-Federalizers vehement attackiert. Insbesondere der Abschlussbericht der Task Force on Federalization of Criminal Law der US-amerikanischen Anwaltsvereinigung (American Bar Association, kurz: ABA), welche das Phänomen des Expansionstrends des Bundesstrafrechts untersuchte, veröffentlicht im Jahr 1998, zieht ein äußerst kritisches Fazit. Es war den Verfassern v. a. darum zu tun, die Wahllosigkeit und Symbolhaftigkeit der Bundesgesetzgebung aufzuzeigen, welche ohne erkennbares oder nachvollziehbares Konzept bereits nach einzelstaatlichem Recht verfolgbares Verhalten auch bundesrechtlich sanktioniere.130

125

Litman/Greenberg, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72, 83 (1996). Oben 3. Kapitel A. 127 So etwa Landers, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 64, 66 (1996). 128 Litman/Greenberg, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72, 83 (1996). 129 Litman/Greenberg, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72, 78 ff. (1996). 130 ABA Report, S. 14: „the absence of any underlying principle“ und S. 17: „symbolic gestures to appease the public“. 126

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

187

Für eher um die Rechte des Angeklagten besorgte Geister mag es zudem beunruhigend sein, dass das Bundesstrafrecht vielfach wesentlich härtere Strafen zur Verfügung stellt als die Gesetze der Bundesstaaten. Aus diesem Grund ist die Expansion des Bundesrechts jedenfalls auch und gerade für den Betroffenen von immenser Bedeutung.

I. Ausgewählte Problembereiche Aus der Vielzahl kritischer Anmerkungen in der US-amerikanischen Literatur, welche insbesondere auf die Ausweitung des materiellen Rechts abzielen, lassen sich einige Ansatzpunkte besonders hervorheben, auf welche folgend kurz eingegangen wird.

1. Symbolisches Strafrecht Der symbolträchtige Einsatz des Strafrechts als vorgebliches Heilmittel für gesellschaftliche Probleme ist ein auch hierzulande nicht unbekanntes und nicht selten beanstandetes Vorgehen der politisch Verantwortlichen. Nach der Darstellung verschiedener Autoren131 haben aber in den Vereinigten Staaten eine ständig und unproportional zu den tatsächlichen Verbrechensraten steigende Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung auf der einen und die Instrumentalisierung der Kriminalität in Medien und Politik zu populistischen Zwecken auf der anderen Seite inzwischen einen besonderen Grad erreicht, sodass „die Kontrolle über das Thema Kriminalität notwendige Voraussetzung eines Wahlerfolges“132 sei. Die symbolische Gesetzgebung bzw. Strafverfolgung und die harsche Ahndung bestimmter Straftaten, welche ebenfalls nicht selten tagespolitischen Opportunitäten folge, werden seitens der Literatur teilweise vehement kritisiert.133 Dieses Phänomen lässt sich nicht auf die Ebene des Bundes beschränken, sondern spielt auch in der Lokalpolitik eine bedeutende Rolle. Die besondere Symbolkraft gerade des Bundesrechts wurde aber bereits erörtert.134 Der Modellcharakter des Bundesstrafrechts zeigt sich u. a. darin, dass viele Einzelstaaten sich das Bundesrecht zum Vorbild nehmen, und ihrerseits auf die Gesetzgebungstätigkeit des Bundes mit eigenen Vorschriften reagieren. Es mag dem Strafrecht 131

Beale, 1 Buff. Crim. L. Rev. 23, 40 ff. (1997); dies., 54 Am. U. L. Rev. 747, 773 (2005); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1135 f. (1995). 132 Beale, 1 Buff. Crim. L. Rev. 23, 43 (1997); vgl. auch Baker, B. U. L. Rev. 1191, 1193 f. (2000). 133 Vgl. nur Beale, 1 Buff. Crim. L. Rev. 23 (1997); zum symbolischen Strafrecht in Deutschland vgl. etwa Hassemer, NStZ 1989, 553; ders., FS Roxin, 2001, S. 1001; Roxin, AT I, § 2 Rn. 37 ff.; zu symbolischem Strafprozessrecht Knauer/Reinbacher, StV 2008, 377, 378 f. 134 Siehe oben 5. Kapitel B.

188

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

des Bundes somit durchaus eine Leit- oder Richtlinienfunktion zugesprochen werden. Dabei wird die Tendenz ausgemacht, dass ein bestimmtes Verhalten desto eher in das Strafgesetzbuch des Bundes aufgenommen werde, je schwerer es wiegt, während die tatsächliche Verfolgungspraxis der Bundesstaaten und eventuelle Erfolge auf diesem Gebiet, d. h. letztlich die Fähigkeit der Einzelstaaten, die Probleme selbst zu lösen, unberücksichtigt blieben.135 Der Congress zeigt sich als besonders anfällig für eine strafgesetzliche Reaktion auf tagespolitische Ereignisse und als besonders willfährig, die Kriminalitätsfurcht der Öffentlichkeit mit vermeintlicher, vielfach bloß legislativer Aktivität zu kontern.136 Die politische Popularität der Strafgesetzgebung des Bundes wird als einer der Hauptgründe für die Expansion des Bundesstrafrechts genannt.137 Die Begrenztheit der Ressourcen und damit wiederum der konkreten Möglichkeit, die Gesetze auch umzusetzen, lässt aber zwangsläufig die Gesetzgebung und Strafverfolgung vielfach nur exemplarisch und symbolhaft bleiben. Eine exorbitante Zahl an Straftaten nach Bundesvorschriften wird nahezu gar nicht verfolgt.138 Der ABA Report untersuchte die Verfahren nach Bundesrecht für das Jahr 1997 und kam u. a. zu der verblüffenden Feststellung, dass die Vorschriften zur Bestrafung von häuslicher Gewalt, welche mit großer Publizität im Jahr 1994 als Bundesgesetz erlassen worden waren, in keinem einzigen Verfahren vor Bundesgerichten zur Anwendung kamen.139

2. Negative Effekte auf das Justizsystem des Bundes Eine Ausweitung des materiellen Rechts führt dazu, dass die limitierten Ressourcen des Bundes auf eine immer größere Zahl an potenziellen Strafverfahren verteilt werden müssen. Dies kann sich in verschiedener Hinsicht nachteilig auf das Strafverfolgungssystem des Bundes bzw. auf eine effiziente Kriminalitätsbekämpfung insgesamt auswirken. Zum einen fehlen den Ermittlungsbehörden, Gerichten und Haftanstalten des Bundes auf Grund der Streuung von Personal und Material die Mittel für wichtige alternative – und unter Umständen erfolgreichere – Programme.140 Zudem erhält das Strafrecht in den Gerichten im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten zuweilen eine überdimensionierte Bedeutung. So verschlingen die Straf135

Vgl. ABA Report, S. 15. Vgl. Baker, B. U. L. Rev. 1191, 1199 (2000): Der Bundesgesetzgebung gehe jeweils ein gewisses Maß an allgemeiner Hysterie voraus. 137 ABA Report, S. 15; vgl. auch Kadish, 46 Hastings L. J. 1247, 1248 (1995). 138 Baker, B. U. L. Rev. 1191, 1215 (2000). 139 ABA Report, S. 20 f. 140 Beale, 1 Buff. Crim. L. Rev. 23, 31 (1997); vgl. auch ABA Report, S. 43. 136

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

189

verfahren in manchen U. S. Districts bis zu 50 % der Termine vor Bundesgerichten, in anderen sogar über 80 %.141 Diese Praxis der Überproportionierung des Strafrechts geht z. B. auf Kosten der Zivilprozesse vor Bundesgerichten, welche tatsächlich rückläufig sind, d. h. stetig verschoben oder gar nicht terminiert werden können.142 Daher besteht die Gefahr, dass das Justizsystem des Bundes selbst durch eine unvernünftige Überkriminalisierung auf Bundesebene unterminiert wird. Nach Auffassung der Kritiker seien die Bundesgerichte einerseits kaum im Stande, alle potenziellen Verfahren zu bewältigen143 und andererseits gerate ihre Sonderrolle im US-amerikanischen Verfassungsgefüge als Instanzen zur Überprüfung der Bundesgesetze und Interpretation der U. S. Constitution in Gefahr.144

3. Föderatives System und Limitierung der verfassungsmäßigen Kompetenzen des Bundes Gerade der zuletzt genannte Aspekt könnte in Zukunft größere Aufmerksamkeit beanspruchen. Denn schienen die Debatte um die Rolle des Bundes bei der Kriminalitätsbekämpfung und die daraus resultierende Kritik im Wesentlichen eher durch die Sorge um die limitierten Ressourcen des Bundes denn um die föderative Struktur des Verfassungsgefüges der Vereinigten Staaten oder die Rechte der einzelnen Bundesstaaten entstanden zu sein, so hat jedenfalls die Entscheidung des 141 Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 46 f. (1996); vgl. auch Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 590 f. (2004). 142 Beale, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 47 (1996); Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681, 686 (1992); vgl. auch Kadish, 46 Hastings L. J. 1247, 1250 f. (1995); Messonnier, 29 Akron L. Rev. 549, 553 (1996). 143 ABA Report. S. 36 f.: „A serious threat to the proper functioning of the federal courts“; Beale, 46 Hastings L. J. 979, 981 (1995); dies., 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39, 40 (1996), unter Verweis darauf, dass diese Auffassung von Bundesrichtern geteilt werde und daher das Federal Courts Study Committee gemahnt habe, die Bundesgerichte befänden sich insbesondere wegen der unzähligen Verfahren wegen Drogendelinquenz am Rande einer schweren Krise; vgl. dazu auch Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681, 683 (1992); dagegen führt allerdings Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1038 ff. (1995), an, dass die Bundesrichter heute wesentlich weniger belastet seien als früher, da einerseits wesentlich weniger Verfahren nach Bundesrecht durchgeführt würden als etwa 60 Jahre zuvor (im Jahr 1932 waren es über 86.000 Verfahren, im Jahr vor der Veröffentlichung ihres Beitrages, 1994, hingegen nur 45.500; 2004 wurden allerdings wiederum 72.000 Verfahren gezählt, siehe bereits oben 5. Kapitel B.) und andererseits wesentlich mehr Richter beschäftigt würden; so kamen auf einen Richter im Jahr 1932 durchschnittlich 534 Verfahren, im Jahr 1994 hingegen nur noch 73). 144 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 984, 988 ff. (1995); dies., 54 Am. U. L. Rev. 747, 772 (2005); speziell im Hinblick auf Verfahren im Zusammenhang mit der Drogenbekämpfung Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1154 f. (1995); Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1055 ff. (1995), äußert sich hingegen kritisch im Hinblick auf die von ihm so genannten elitären „dignity concerns“, nach welchen es als unter der Würde der Bundesgerichte empfunden werde, wenn sie sich mit gewöhnlichen Straßenverbrechen beschäftigen müssten.

190

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

U. S. Supreme Courts im Fall United States v. Lopez145 die Debatte neu genährt und sie nach vielen Jahren auch wieder mit der Komponente einer Rückbesinnung auf die Ideale und Prinzipien des föderativen Systems der Vereinigten Staaten angereichert.146 Verfassungsrichter Kennedy147 betonte die besondere Pflicht des höchsten Gerichts, sicherzustellen, dass die Balance zwischen Bund und Bundesstaaten nicht zerstört wird. Durch die Ausweitung des Bundesstrafrechts auf den Bereich rein lokaler Kriminalität – wie im konkreten Fall des Tragens von Waffen auf dem Gelände einer Schule – sah das Gericht die Grundidee des US-amerikanischen Föderalismus in Gefahr, nach welcher die Bundesstaaten die Primärzuständigkeit für die Kriminalitätsbekämpfung und dabei auch die Option, mit unterschiedlichen Lösungsmodellen zu operieren und zu experimentieren, besitzen sollen.148 Experimente mit alternativen Lösungen werden aber gefährdet, wenn gleichzeitig das Damoklesschwert der Strafverfolgung durch den Bund über ihnen schwebt. Dadurch kann letztlich trotz der grundsätzlichen Vermutung gegen einen Ausschluss des einzelstaatlichen Rechts der Gesetzgeber eines Bundesstaates sich gezwungen sehen, bestimmte Maßnahmen zu unterlassen. In diesem Fall wäre dann sogar ein Eingriff in die (Kriminal-)Politik des Bundesstaates zu beklagen.149 Denkt man beispielsweise an die Todesstrafe, welche in einigen Bundesstaaten abgeschafft ist, so wird diese Politik bereits faktisch unterlaufen, indem der Bund einen Täter tatsächlich hinrichtet.150 Diesbezüglich stellt wiederum der ABA Report fest, dass durch die Ausweitung des Strafrechts des Bundes nicht nur die verfassungsmäßige Rolle der Bundesstaaten untergraben, sondern insbesondere auch das Vertrauen der eigenen Bürger in die Effizienz der Strafverfolgung der Einzelstaaten erschüttert werde.151 Zudem werden Strafnormen des Bundes heute oftmals zwar auf die Handelsklausel gestützt, gleichwohl aber ohne einen konkreten Bezug zu einer Wirtschaftsregulation aufzuweisen. In dieser Praxis mag sich, entgegen der verfassungsmäßigen Limitierung der Bundeskompetenz, eine Tendenz hin zu einer 145

U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549 (1995). Kritisch im Hinblick auf die Konsistenz der Argumentation aber Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1065 (1995). 147 Verfassungsrichter Kennedy, in: U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 581 (1995). 148 Verfassungsrichter Kennedy, in: U. S. Supreme Court, United States v. Lopez, 514 U. S. 549, 581 (1995); so auch Beale, 46 Hastings L. J. 979, 993 ff. (1995). 149 In diese Richtung Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 768 f. (2005); vgl. zu Fragen des Föderalismus bei der bundesrechtlichen Verfolgung von Bediensteten der Bundesstaaten wegen Korruption Henning, 92 Ky. L. J. 72 (2003), der diesbezüglich allerdings für eine weite Eingriffsbefugnis der Bundesbehörden streitet. 150 Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 770 (2005); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1166 f. (1995). 151 ABA Report, S. 26. 146

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

191

nationalen Polizeimacht offenbaren.152 Dadurch könnte die vertikale Gewaltenteilung im US-amerikanischen Staatssystem in Gefahr geraten, welche nicht zuletzt dem Schutz individueller Freiheitsrechte dient.153 Das expansive Bundesstrafrecht könnte sich daher im Einzelfall sogar als Verstoß gegen die US-Verfassung darstellen, weil einerseits die enumerativ zugewiesenen Kompetenzen (und dabei insbesondere die Handelsklausel) in unzulässiger Weise überdehnt werden und andererseits das Recht der Bundesstaaten aus Zusatzartikel X in Gefahr gerät, sofern man das Letztere denn anerkennt.154 Nach Ansicht von Klein155 sind die soeben skizzierten Annahmen allerdings in verschiedener Hinsicht nicht zutreffend. Erstens sei nicht davon auszugehen, dass die Experimente der Bundesstaaten mit alternativen Wegen der Kriminalitätsbekämpfung tatsächlich verhindert würden, wenn doch – wie regelmäßig im Bereich der konkurrierenden und sich überschneidenden Jurisdiktion – ein Konsens über die Strafwürdigkeit des Verhaltens und das Ziel seiner Bekämpfung bestehe.156 Zweitens sei es bei einem übereinstimmenden Wertesystem ohnehin gar nicht notwendig, die Rechte der Bundesstaaten zu verteidigen, denn diese konstitutionellen Rechte seien in diesem Falle gar nicht gefährdet. Daher sei die gesamte Debatte im Bereich des die Bundesstaaten nur unterstützenden Bundesstrafrechts fehl am Platze. Die Sorge um die Eigenständigkeit politischer Entscheidungen der Bundesstaaten sei hingegen dann berechtigt, wenn in einem bestimmten Bereich gerade keine einheitlichen Ansichten und Moralvorstellungen auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten herrschten, wie etwa bei der Legalisierung von weichen Drogen, bei der Sterbehilfe oder der Todesstrafe.157 Nur in diesen Fällen sei zu überlegen, ob die Diversität der Werte zu erhalten sei.158 Sie nennt dies einen „Föderalismus (vom Bund) unabhängiger (einzelstaatlicher) Normen“ („Independent-Norm Federalism“).159 Anders gesagt geht es hier um einen auf die föderative Verfassungsstruktur gestützten Schutz unabhängiger Normen der Bundesstaaten.

4. Doppelbestrafung Mit dem Anstieg der Zahl bundesrechtlicher Vorschriften, welche vormals rein lokale Belange betreffen und das Recht der Bundesstaaten überlagern, sind die Straftäter zudem zunehmend der potenziellen Gefahr einer doppelten Strafver152 In diese Richtung Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 538 (1985); ders., B. U. L. Rev. 1191, 1217 (2000); Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1170 (1995). 153 Eine solche Gefahr wird aber beispielsweise im deutschen Recht nicht wahrgenommen. 154 Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1169 (1995); vgl. zu dieser Frage bereits oben 2. Kapitel A. III. 155 Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541 (2002). 156 Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1550 ff. (2002). 157 Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1565 (2002). 158 Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1544 f., 1560 ff. (2002). 159 Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1560, 1584 ff. (2002).

192

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

folgung ausgesetzt, welche einen besonderen Eingriff in die bürgerlichen Freiheitsrechte bedeutet.160 Oben161 wurde bereits die Zulässigkeit der doppelten Strafverfolgung durch Bund und Bundesstaaten mit der Doktrin der dualen Souveränität begründet. Zwar soll hier nochmals darauf hingewiesen werden, dass doppelte Strafverfahren in der Praxis eine Seltenheit darstellen,162 was auf die Petit Policy, aber auch schlicht auf eingeschränkte Mittel zurückzuführen sein mag. Dennoch geben auch eine geringe Anzahl oder die nur theoretische Möglichkeit der doppelten Strafverfolgung Anlass genug zu einer Auseinandersetzung nicht nur mit der Doktrin der dualen Souveränität, sondern vielmehr auch mit dem US-amerikanischen System der parallelen Strafverfolgung an sich oder jedenfalls mit der expansiven Tendenz des Bundesstrafrechts.163

5. Selektive Strafverfolgung Bedenklich für Grundrechte der Delinquenten erscheint die durch eingeschränkte Ressourcen und das staatsanwaltliche Ermessen bedingte selektive Strafverfolgung, insbesondere auf Bundesebene. Dabei ist zu berücksichtigen, dass teilweise erhebliche Unterschiede in der Strafzumessung zwischen dem regelmäßig besonders harschen Bundesrecht und dem Recht der Einzelstaaten auszumachen sind.164 Beale,165 eigentlich ausgemachte Kritikerin der Ausweitung des Bundesstrafrechts, meint daher, dass paradoxerweise nicht nur zu viele Verfahren nach Bundesrecht durchgeführt würden, sondern im Hinblick auf eine gerechte, weil gleichmäßige Strafverfolgung auch zu wenige. Sie fordert daher eine klare Aufgabenteilung, bei welcher dann durchaus auch Verfahren von Bundesgerichten durchgeführt werden könnten, welche zuvor eher in die Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte fielen.166 Kritiker heben v. a. die Abwesenheit einer nachvollziehbaren Struktur oder Begründung hinsichtlich der Entscheidung für oder gegen eine Strafverfolgung nach Bundesrecht hervor.167 Die solchermaßen nach Gutdünken getroffene Auswahl von Straftaten und Tätern für ein Strafverfahren durch den Bund birgt eine große Gefahr der Willkür und Ungleichbehandlung,168 denn sie ist nicht transparent, wie 160

Merkl, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 175, 183 ff. (1999). Oben 5. Kapitel D. I. 162 ABA Report, S. 28; Abrams/Beale, S. 827 f.; Litman/Greenberg, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72, 75 ff. (1996). 163 Daher auch als Kritikpunkt genannt in ABA Report, S. 28; vgl. auch Merkl, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 175, 203 ff. (1999). 164 Vgl. ABA Report, S. 29 f.; Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 764 (2005); vgl. auch Guerra, 73 N. C. L. Rev. 1160, 1167 (1995), speziell für die Drogenbekämpfung. 165 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 982, 996 ff. (1995). 166 Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 776 f. (2005). 167 So etwa ABA Report, S. 30 ff. 168 Vgl. etwa Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1001 (1995); dies., 54 Am. U. L. Rev. 747, 763 ff. (2005). 161

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

193

bereits oben169 festgestellt, nicht justiziabel und erfolgt grundsätzlich nach rein subjektiven Erwägungen. Sie ist im Übrigen auch und gerade durch die Überkriminalisierung und Übernormierung bedingt.170 Die Entscheidung, ob ein Bundes- oder ein einzelstaatliches Gericht über eine Straftat entscheidet, gewinnt für den Angeklagten besondere Bedeutung dadurch, dass das Bundesrecht regelmäßig strenger ist und wesentlich härtere Strafen vorsieht.171 Als Beispiel für die Selektionsstrategie eines Staatsanwalts des Bundes mag hier die von Rudy Giuliani, dem späteren Bürgermeister von New York City, zu seiner Zeit als U. S. Attorney in einem district des Bundesstaates New York im Hinblick auf die Drogenbekämpfung angewandte dienen. Nur an einem jeweils zufällig bestimmten Tag der Woche („Federal Day“) wurden gegen bereits durch die lokalen Behörden festgenommene Delinquenten Strafverfahren nach den Drogengesetzen des Bundes eingeleitet – eine Vorgehensweise, die sich die Bezeichnung eines „Russischen Roulettes“172 verdiente. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch das oben173 beschriebene Forum Shopping, also das Auswählen der für eine Verurteilung günstigsten Jurisdiktion, kritisiert. Denn es kann u. a. auch dazu führen, dass die in einer Rechtsordnung unzulässigerweise erhobenen Beweise den Behörden des Bundes oder eines anderen Bundesstaates übergeben werden, welche die Ermittlungen gar nicht geführt haben oder nicht hätten führen können, damit die Anklage dort erfolgen kann.174 Dies stellt sich als Umgehung der strafprozessualen Beweisverbote175 dar, welche u. a. auch der Disziplinierung der Strafverfolgungsbehörden dienen. Je größer die Überlagerung des materiellen Rechts des Bundes und der Einzelstaaten ist, desto größer wird die Gefahr der Ausnutzung unzulässiger Beweismittel in einer anderen Jurisdiktion.

6. Kooperation und Wettbewerb der Behörden Ungeachtet der Einrichtung kooperativer Einheiten (Joint Task Forces), welche sich aus Beamten der Bundes- und der einzelstaatlichen Behörden zusammensetzen und in unterschiedlichen Bereichen, wie etwa der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität oder der Drogendelinquenz sowie in jüngerer Zeit v. a des 169

Oben 5. Kapitel C. I. Beale, 54 Am. U. L. Rev. 747, 749 (2005). 171 Curtis, 46 Hastings L. J. 1019 (1995). 172 Abrams/Beale, S. 807; Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1000 (1995); dies., 54 Am. U. L. Rev. 747, 767 (2005); vgl. zum „Federal Day“ auch Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1159 (1995); Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681, 684 (1992). 173 Oben 5. Kapitel C. IV. 174 Vgl. Abrams/Beale, S. 799. 175 Vgl. dazu Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381 (2008); zu den Beweisverboten im USamerikanischen Recht Honig, Beweisverbote, S. 42 ff. 170

194

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

Terrorismus, tätig sind,176 ist die Zusammenarbeit der örtlichen Polizei und Staatsanwaltschaft mit den jeweiligen Autoritäten des Bundes keineswegs eine Selbstverständlichkeit.177 Zwar mag die Kooperation in der Mehrzahl der Fälle durchaus funktionieren,178 das teilweise stark ausgeprägte Konkurrenzdenken zwischen Bundes- und einzelstaatlichen Behörden, welches sich nicht nur in einem Wettlauf um glamouröse Fälle, sondern auch in einer durchaus selektiven Weitergabe an Informationen ausdrücken kann, bietet aber nicht nur den Stoff für unzählige Spielfilmproduktionen, sondern ist systemimmanenter Bestandteil der dualen Strafverfolgung.179 Es erklärt sich aus der kompetitiven Struktur der Bestellung der Staatsanwaltschaften. Während die Ernennung der U. S. Attorneys durch den US-Präsidenten erfolgt, werden die Staatsanwälte der Bundesstaaten direkt vom Volk gewählt, sodass ihre Karriere nicht unwesentlich von Erfolgen in der Ermittlung spektakulärer Fälle abhängt.

II. Versuche einer Systematisierung der Kompetenzverteilung Eine Bündelung der Kräfte des Bundes – sei es durch Reduzierung des materiellen Rechts oder durch gezielten Einsatz des staatsanwaltlichen Ermessens – setzt jedenfalls voraus, dass zuvor eine den Anforderungen der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts und den Herausforderungen moderner und Erfolg versprechender Kriminalitätsbekämpfung gerecht werdende Formulierung der den Einsatz der Bundeskräfte legitimierenden Interessen vorgenommen wird. Als besonderes Manko des heutigen dualen Systems wird v. a. das Fehlen klar formulierter Kriterien wahrgenommen, wann das Engagement des Bundes sinnvoll, notwendig und daher auch (noch) im Sinne der originären Kompetenzverteilung der U. S. Constitution ist.180 Denn bevor über Wege der Limitierung des Strafrechts des Bundes nachgesonnen werden kann, ist zu klären, auf welche Felder es überhaupt zu beschränken ist. Erst nach der Festlegung eines sinnvollen Bereiches des Bundesstrafrechts

176 Vgl. Abrams/Beale, S. 13; zur Kooperation in der Terrorismusbekämpfung vgl. Bloom/ Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 397 f. (2008); siehe auch bereits oben 5. Kapitel A. 177 Vgl. auch den Hinweis von Messonnier, 29 Akron L. Rev. 549, 550 (1996), dass eine den anderen Rechtsgebieten vergleichbare Kooperation der Justizapparate im Bereich des Strafrechts nicht existiere. 178 Richman, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 698, 702 (2002); vgl. auch Glazer, 26 Fordham Urb. L. J. 573, 581 ff. (1999), zur Kooperation der Bundes- und einzelstaatlichen Behörden am Beispiel der Bekämpfung von Straßenbanden in New York. 179 ABA Report, S. 40; vgl. auch Richman, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 698, 702 (2002), in Bezug auf die verschiedenen Behörden innerhalb des Strafverfolgungssystems des Bundes. 180 Abrams/Beale, S. 113 ff.; vgl. auch Baker, B. U. L. Rev. 1191, 1217 (2000).

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

195

kann sodann der praktischen Umsetzung alle Aufmerksamkeit gewidmet werden: der Rücknahme oder einschränkenden Interpretation des materiellen Rechts oder der Erarbeitung durchschlagskräftiger das staatsanwaltliche Ermessen steuernder Vorschriften. Seit längerem wird daher in der US-amerikanischen Rechtswissenschaft die Einführung objektiver, materieller und standardisierter Kriterien für die Festlegung der strafrechtlichen Betätigungsfelder des Bundes gefordert. Bereits in der unmittelbaren Zeit nach dem 2. Weltkrieg unternahm Schwartz181 den Versuch einer Aufzählung der Fälle, in welchen ihm eine Strafverfolgung durch den Bund als angemessen erschien. Er unterschied zunächst drei Bereiche des Einsatzes des Bundesstrafrechts: (1) die Verteidigung der Bundesinteressen, -institutionen und -angestellten, (2) die Unterstützung und Hilfe für die Bundesstaaten sowie (3) die Sicherstellung der Durchsetzung von Regelungen der Bundesverwaltung.182 Im zweiten Bereich lagen und liegen die größten Schwierigkeiten, denn hier wird der Bund in Feldern tätig, welche eigentlich von den Bundesstaaten geregelt werden sollten und seine Bestimmungen verlaufen häufig parallel zu deren Vorschriften. Schwartz183 schlug – zusammengefasst – vor, eine Strafverfolgung in diesem Bereich auf folgende Fälle zu beschränken: (1) die Bundesstaaten sind selbst nicht in der Lage, ausreichend zu verfolgen oder die Übertragung eines komplizierten Falles auf ihre Behörden erscheint ineffizient oder (2) das den Bezug zur Bundeskompetenz vermittelnde jurisdictional element ist nicht nur zufällig erfüllt, sondern entscheidender Bestandteil der Straftat, oder, falls die Erfüllung des tatbestandlichen Bezugselements nur zufällig ist, es wird dann jedenfalls ein weiteres substanzielles Bundesinteresse geschützt oder (3) die Operationen erstrecken sich auf mehrere Bundesstaaten und gehen über den Schutz der Interessen eines der betroffenen hinaus. Auch spätere Beiträge, die sich um dasselbe Anliegen bemühen, entwickeln vergleichbare Maßstäbe:184 gesteigertes oder gar überwiegendes nationales Interesse, Ineffizienz der Strafrechtssysteme der Bundesstaaten oder bessere und speziali181

Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64, 73 (1948). Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64, 66 (1948). 183 Schwartz, 13 Law & Contemp. Probs. 64, 73 (1948). 184 So etwa Litman/Greenberg, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72, 81 f. (1996); vgl. auch Kadish, 46 Hastings L. J. 1247, 1250 (1995); Miner, 43 Syracuse L. Rev. 681, 687 f. (1992), fordert die Konzentration des Bundes auf im großen Stile überregional oder international arbeitende Kriminalität; eine Zusammenfassung verschiedener Ansätze findet sich bei Abrams/Beale, S. 113 ff.; Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1005 ff., 1277 ff. (1995). 182

196

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

sierte Fachkräfte auf Bundesebene. Exemplarisch angeführt wird diesbezüglich neben der Drogenbekämpfung insbesondere auch der Bereich der Organisierten Kriminalität, denn hier verfügt der Bund über eine im Gegensatz zu den Bundesstaaten effizientere Infrastruktur inklusive überregional koordinierter Ermittlungseinheiten, umfassender Normen wie dem RICO Statute185 oder auch Kronzeugenprogrammen.186 Im Gegenschluss zu dieser Argumentation wäre es folgerichtig, zu fordern, dass den Bundesstaaten wieder eine primäre oder jedenfalls konkurrierende Zuständigkeit zukommen muss, wenn sie ihre Defizite bei der Strafverfolgung beseitigt haben. So hatten beispielsweise zu Anfang viele Bundesstaaten noch keine ausreichenden Statuten im Hinblick auf die Bekämpfung von Computerkriminalität erlassen, der Bund war hingegen auf diesem Feld rasch tätig geworden. Die Strafverfolgung auf einzelstaatlicher Ebene konnte daher in Ermangelung materiell-strafrechtlicher Regelungen naturgemäß nicht die Effizienz des Bundes erreichen. Inzwischen haben aber auch fast alle Bundesstaaten ausreichende Kriminalstatuten erlassen. Konsequent wäre daher ein (Teil-)Rückzug des Bundes.187 Beale188 wendet sich gegen den Ansatz, eine Strafverfolgung durch den Bund immer dann zu rechtfertigen, wenn die Behörden der Bundesstaaten überfordert sind. Diese Ineffizienz könne nämlich auch auf Unterfinanzierung oder ähnliche Ursachen zurückführbar sein. Insbesondere die Anwendung des Aggregationsprinzips,189 welches bereits heute einer Vielzahl bundesrechtlicher Vorschriften als Rechtfertigung dient, ließe sonst für die Zukunft eine Explosion des Bundesrechts erwarten, welcher die Gerichte und Behörden des Bundes keinesfalls gewachsen seien.190 Genauso gut könne der Bund dann aber seine Kräfte durchaus auch wirklich zur Unterstützung der Behörden und Gerichte der Bundesstaaten einsetzen, indem diesen Bundesmittel sowohl finanzieller als auch personeller Art für deren Ermittlungen zur Verfügung gestellt würden.191 Die entscheidende Frage sei daher, wann tatsächlich der Einsatz von Bundesgerichten zur Bekämpfung einer bestimmten Kriminalitätsform erforderlich sei, und nicht, wann der Congress Strafvorschriften erlassen dürfe.192 Zudem, so könnte man sagen, ist der Nachweis, ob die Bundesstaaten zur Behandlung eines bestimmten Kriminalitäts-Phänomens tatsächlich nicht (ausrei185 Glazer, 26 Fordham Urb. L. J. 573, 599 ff. (1999); siehe zum RICO Statute bereits oben 2. Kapitel B. II. sowie 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 186 Ausführlich zu den Vorteilen einer Verfolgung des Organisierten Verbrechens durch Bundesbehörden Jeffries/Gleeson, 46 Hastings L. J. 1095, 1103 ff. (1995). 187 So auch Forbes, 20 Pace L. Rev. 189, 208 (1999). 188 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1006 ff. (1995). 189 Siehe dazu oben 3. Kapitel B. II. 4. a) bb). 190 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1006 f. (1995). 191 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1008 (1995); zustimmend Curtis, 46 Hastings L. J. 1019, 1021 (1995); vgl. auch Merkl, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 175, 201 (1999). 192 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1008 (1995).

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

197

chend) in der Lage sind, nicht unbedingt in allen Fällen erbracht.193 Er müsste also konkret geführt oder zumindest aber das Bedürfnis nach einer Beteiligung des Bundes hinreichend argumentativ begründet werden. Baker194 setzt sich ausführlich mit der (vorgeblichen) Notwendigkeit bundesstrafrechtlicher Maßnahmen bei Organisierter Kriminalität auseinander. Seiner Meinung nach ist es ebenfalls nur eine Behauptung, dass der Bund bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität erfolgreicher sei. Dies gelte im Übrigen auch für die Grundannahme, dass überhaupt das Strafrecht das einzig geeignete Mittel sei. Auch die Bundesressourcen sind erschöpflich, auch die Bundesangestellten nicht per se unbestechlich. In seinem Ergebnis liegt er nahe bei der Argumentation Beales. Die Prärogative zur Verfolgung müsse bei den Bundesstaaten liegen. Meine man es ernst mit der Ergänzungsfunktion des Bundesstrafrechts, so müsse der Bund sich auch zuvorderst auf die Unterstützung der einzelstaatlichen Behörden konzentrieren.195 Andere treten in ähnlicher Weise dafür ein, bereits die Bundesstatuten so zu verfassen oder zu interpretieren, dass sie nur noch Situationen zum Gegenstand haben, in welchen das Bundesrecht zur Unterstützung der Bundesstaaten tatsächlich notwendig sei196 oder sich als Ausübung einer originären verfassungsmäßigen Kompetenz darstelle.197 Hierzu könnte bei auf die Handelsklausel gestützten Statuten beispielsweise auch die Feststellung gehören, ob ein bestimmtes Verbrechen sich überhaupt als wirtschaftliche Tätigkeit darstellt198 oder wenigstens einen substanziellen Einfluss auf den zwischenstaatlichen Handel aufweist,199 bzw. ob der Congress noch das Ziel der Wirtschaftsregulation verfolgt.200 Eine Richtschnur 193 Brickey, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 27, 29 (1996); vgl. auch dies., 46 Hastings L. J. 1135, 1159 ff., 1165 (1995), in Bezug auf die Bekämpfung der Drogenkriminalität: „an unproven assumption that the federal government can do a better job than the states“. 194 Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 541 ff. (1985). 195 Baker, 16 Rutgers L. J. 495, 542 (1985). 196 Brickey, 46 Hastings L. J. 1135, 1168 (1995). 197 Vgl. hierzu bereits den oben, 3. Kapitel B. II. 4. a) bb), dargestellten Streit um die Auslegung der Bundesstrafgesetze im Lichte der Lopez-Entscheidung und des Föderalismus. 198 Vgl. dazu Bradley, 55 Hastings L. J. 573, 594 f. (2004); Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2010 ff. (2008). 199 Vgl. z. B. Blumenstein, 62 Vand. L. Rev. 211 (2009), der im Hinblick auf die Anwendbarkeit des RICO Statutes auf nicht wirtschaftlich tätige Banden immerhin einen substanziellen Einfluss auf den Handel fordert; über eben diese Frage herrscht zzt. noch Uneinigkeit unter den Bundesgerichten; vgl. dazu ausführlich Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2005 ff. (2008), mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 200 Vgl. die drei bei Baker, B. U. L. Rev. 1191, 1218 (2000), genannten Kriterien, welche der U. S. Supreme Court noch in der Entscheidung Gibbons v. Ogden, 22 U. S. 1 (1824), angewandt hatte: (1) Liegt der geregelte Sachverhalt im Bereich des Handels, (2) betrifft er den Handel zwischen den Bundesstaaten, d. h. sind andere Bundesstaaten überhaupt betroffen, (3) hat der Congress gehandelt, um diese zwischenstaatliche Wirtschaft zu regulieren?; vgl. auch Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2021 ff. (2008): Der Congress könne bestimmte Tätigkeiten regeln, die zu einer „class of activities“ mit grundsätzlich wirtschafts-relevanten Aus-

198

5. Kap.: Das Strafrechtssystem in der Praxis

sehen manche in der Rückbesinnung auf die Abgrenzung zwischen „wirklich lokalen und wirklich nationalen Interessen.“201 Die Handelsklausel enthalte nur die Kompetenz zur Regelung nationaler Interessen. Diese Ansicht wird wiederum kritisiert, da es sich nicht mit aller Bestimmtheit sagen lasse, welches Problem von rein lokaler und welches von nationaler Bedeutung ist.202 Die Interpretation der Handelskompetenz und die Definition nationaler Belange sind fraglos entscheidend für die Spannweite des Bundesstrafrechts, disputieren lässt sich dabei allerdings darüber, welche Instanz diese Auslegung leisten soll: die Gerichte oder die politische Ebene? Oder gar die Strafverfolgungsbehörden? Damit ist noch einmal der bereits oben203 skizzierte Streit zwischen Federalizers und Anti-Federalizers angesprochen: Ist einmal eine Entscheidung getroffen, welches sinnvolle Bereiche eines Bundesstrafrechts wären, so muss dieses Konzept auch umgesetzt werden, was durch Reduktion des materiellen Rechts oder durch gezielte Ausübung des Ermessens erreicht werden könnte. In letzterem Fall wären eindeutige zentrale Anweisungen, etwa in Form von Verwaltungsregelungen, d. h. eine klarere Struktur, zu begrüßen.204 Beale205 geht aber schließlich noch einen Schritt weiter und fordert für solche Fälle, in welchen der Einsatz von Bundesgerichten nicht notwendig ist, eine Anwendung und Durchsetzung des Bundesrechts durch Gerichte der Bundesstaaten und daher den Congress auf, entsprechende Regelungen zur Anweisung der einzelstaatlichen Gerichte und Behörden zu treffen, wenngleich sie selbst darauf hinweist, diese Konstruktion sei nach dem US-amerikanischen Verfassungsrecht nicht unbedenklich. Würde Beales Ansatz sich durchsetzen, so würden Strafverfahren zwar seitens der Bundesstaaten geführt, die Strafrechtspolitik letztlich aber auf Bundesebene gemacht, denn einzelstaatliche Gerichte müssten unter Umständen Straftaten verurteilen, welche nach ihrem Recht gar nicht strafbar wären bzw. wirkungen gehören; verfolgt er dabei dieses höhere Ziel, so kann er auch ausschließlich lokale Aktivitäten einschließen; ferner McGimsey, 90 Calif. L. Rev. 1675, 1720 (2002): Es muss wenigstens ein echter Bezug zum zwischenstaatlichen Handel bestehen, andernfalls genüge auch das Anfügen eines jurisdictional element nicht. 201 Vgl. zu dieser Forderung Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2013 ff. (2008). 202 Dral/Phillips, 68 Tenn. L. Rev. 605, 625 ff. (2001); Rehn, 108 Colum. L. Rev. 1991, 2014 (2008); vgl. auch das Beispiel bei Re, 15 St. Thomas L. Rev. 265, 292 (2002): Der Lynchmord an einem ausländischen Staatsbürger mag zunächst ein lokaler Vorfall sein, er kann aber nationale Signifikanz entwickeln, wenn dadurch die gerade geführten bilateralen Verhandlungen der USA mit eben diesem Staat beeinträchtigt werden. 203 Oben 5. Kapitel E. 204 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1015 ff. (1995); Curtis, 46 Hastings L. J. 1019, 1027 (1995). 205 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1011 (1995); vgl. auch den bereits oben, 5. Kapitel D. III. 3., dargestellten Vorschlag von Calabresi, 78 N. Y. U. L. Rev. 1293, 1298 (2003), grundsätzlich solche Verfahren auf die Gerichte der Bundesstaaten zu übertragen, welche eine Tat nach Bundesrecht zum Gegenstand haben, die gleichzeitig aber auch nach einzelstaatlichem Recht strafbar ist – es sei denn im Ausnahmefall können nur die Strafverfolgungsorgane des Bundes eine effektive Strafverfolgung gewährleisten.

E. Die rechtswissenschaftliche Debatte zum Bundesstrafrecht

199

jedenfalls regelmäßig ein wesentlich schwereres Strafmaß anwenden. Ein solches System ließe sich etwa mit dem der deutschen Strafrechtspflege vergleichen. Gegen diesen Vorschlag wird eingewendet, es bestehe schon gar keine Notwendigkeit dafür, dass die einzelstaatlichen Gerichte in solchen Fällen Bundesrecht anwendeten, da die betreffenden Straftaten in der Regel auch nach dem Recht der Bundesstaaten sanktioniert seien.206 Im Übrigen seien auch die einzelstaatlichen Gerichte bereits sehr überlastet mit Strafverfahren.207 Gerade aus letzterem Grund fordert Beale208 auch die gleichzeitige Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte der Bundesstaaten mit Bundesmitteln zur Kompensation für diese Mehrbelastung. Im Hinblick auf die Behörden – nicht Gerichte (!) – der Bundesstaaten hat sich inzwischen der U. S. Supreme Court in der bereits angeführten Entscheidung Printz v. United States209 aus dem Jahr 1997 gegenteilig geäußert.

206

Curtis, 46 Hastings L. J. 1019, 1026 (1995). Curtis, 46 Hastings L. J. 1019, 1026 (1995). 208 Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1015 (1995). 209 U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898 (1997); siehe bereits oben 2. Kapitel B. II. 207

6. Kapitel

6

Schlussbetrachtung

6. Kap.: Schlussbetrachtung In dieser Schlussbetrachtung kann und soll es weder darum gehen, eine abschließende Bewertung der Grundentscheidungen der US-amerikanischen Verfassung sowie der Funktionsfähigkeit oder Rechtsstaatlichkeit der Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten vorzunehmen noch kann und soll eine endgültige Entscheidung darüber gefällt werden, ob dieses System sich als Modell für eine europäische Strafrechtsordnung innerhalb eines noch zu schaffenden Verfassungsgefüges in der Europäischen Union eignen würde. Ersteres erscheint anmaßend, Letzteres würde zunächst eine Vielzahl weiterer Untersuchungen erfordern. An dieser Stelle soll vielmehr einerseits die einleitend aufgeworfene Fragestellung nach den möglichen Erkenntnissen dieser Untersuchung für die deutsche bzw. europäische Strafrechtswissenschaft wieder aufgegriffen und der Versuch unternommen werden, darzustellen, welche Lehren der Verfasser selbst immerhin für denkbar und für den Diskurs um ein europäisches Strafrecht fruchtbar erachtet. Andererseits sollen darauf aufbauend immerhin einige Gedanken darüber geäußert werden, ob bestimmte Gründe die US-amerikanische Verfassungsordnung als durchaus modellhaft für ein modernes System der Strafverfolgung bei nicht zentralisierten Staatsgebilden erscheinen lassen bzw. welche Erwägungen gegen eine deckungsgleiche Übernahme sprächen. Eine Vergleichbarkeit der Ziele, welche den Anfängen der Union der Staaten in Amerika eigen waren, mit denjenigen, welche für die Europäische Gemeinschaft als primäre Wirtschaftsunion maßgeblich waren und sind, ist nicht vollständig von der Hand zu weisen. Bemerkenswert ist sodann aber insbesondere der aus dieser Zielsetzung resultierende Einfluss auf das Strafrecht in der zuerst genannten Rechtsordnung sowie die Prognose für die zweite. Denn gerade die Regulierung des zwischenstaatlichen Handels, also die Schaffung eines gemeinsamen Marktes inklusive der Abschaffung von Hindernissen durch Binnengrenzen, war eine der Hauptantriebsfedern oder zumindest ein wesentlicher konstitutioneller Hintergrund der Ausweitung des zentral erlassenen und durchgesetzten Rechts in den Vereinigten Staaten, wobei stets auch das Strafrecht als nützliches Mittel angesehen wurde. Beachtlich ist dabei u. a., dass das Strafrecht als implizite Annex-Kompetenz des Congress’ zur Erreichung der verfassungsmäßig legitimierten Ziele zum Einsatz gelangt – ein Vorgehen welches im Hinblick auf die Europäische Gemeinschaft zumindest in der deutschen Jurisprudenz nur vereinzelt als zulässig angesehen wird.1 1 Vgl. nur Ambos, § 11 Rn. 4 m. w. N.: „gemeinschaftsfreundliche Mindermeinung“; etwas anderes gilt nach Auffassung des EuGH aber wohl im Hinblick auf die Anweisungskompetenz

A. Erkenntnisse aus den Grundannahmen des US-Strafrechtssystems

201

A. Erkenntnisse aus den Grundannahmen des US-amerikanischen Strafrechtssystems A. Erkenntnisse aus den Grundannahmen des US-Strafrechtssystems

Einige miteinander verknüpfte Punkte, die gleichsam als Prämissen der USamerikanischen Strafrechtsordnung gelten mögen, erscheinen der Hervorhebung besonders würdig. Die erste Prämisse lautet: Verschiedene Arten der Kriminalität können unterschiedliche Methoden der Bekämpfung erfordern. Dies ist nicht unbedingt eine exklusive Erkenntnis des US-amerikanischen Strafrechts. Diese Auffassung hat sich vielmehr auch im europäischen wie internationalen Rechtsraum zunehmend durchgesetzt. Manchen Delikten lässt sich lokal begegnen, andere sind hingegen wirksam nur auf übergeordneter Ebene, zumindest aber mit überörtlicher Kooperation zu behandeln. Dies gilt aber nicht nur in Bezug auf die angewandten Mittel, sondern auch hinsichtlich der optimalen Allokation der Verfolgungszuständigkeit. In bestimmten Fällen mag also eine Zentralisierung der Strafverfolgung anzustreben sein, in manchen nicht. So banal dies klingen mag, so verfolgt doch das Recht der Vereinigten Staaten immerhin eine Herangehensweise an diese Problematik, welche in dieser Form bislang als einzigartig gelten darf. Es enthält eine Mixtur aus zentralisierter Strafverfolgung bei Straftaten, welche überregionale Operationen rechtfertigen, und dezentralisiertem Vorgehen in den übrigen Fällen rein lokaler Kriminalität. Eng damit verknüpft ist allerdings die zweite Prämisse dieses Modells: Die vollständige Zentralisierung und Vereinheitlichung des Rechts ist demnach weder notwendig noch überhaupt wünschenswert. Denn dadurch wird Regionen, in welchen unterschiedliche Anschauungen, Moralvorstellungen und Werte herrschen, die Möglichkeit genommen, anderen Einstellungen Geltung zu verschaffen. Uniformität der Rechtsordnungen, Vorschriften und Vollstreckung setzt jedenfalls immerhin auch eine Einheitlichkeit der Ansichten und Einstellungen innerhalb des zu vereinheitlichenden Rechtsraumes voraus. Andererseits mögen in unterschiedlichen Regionen bei übereinstimmender Ablehnung gewisser Verhaltensweisen dennoch grundverschiedene Probleme oder die gleichen Probleme in anderer Intensität auftreten. Die umfassende Zentralisierung des Rechts verhindert dann die Entwicklung den örtlichen Verhältnissen angepasster Strategien. Zudem dient eine föderative Struktur immer und gerade auch der Stärkung der Demokratie und damit nicht zuletzt auch dem Schutz des Individuums.2 Dies beinhaltet nicht nur, dass eine Mitbestimmung auf kleinerer Ebene leichter fällt. Selbst in Zeiten einer enger zusammenrückenden Welt und eines stetig verbesserper Richtlinie; vgl. nur EuGH JZ 2006, 307 m. Anm. Heger; siehe dazu auch Satzger, § 8 Rn. 31 ff. 2 Vgl. Bumgarner, S. 3, zu den Vorteilen der dezentralisierten Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten, wobei er insbesondere die leichtere Überprüfbarkeit und Zugänglichkeit lokaler Polizeibehörden hervorhebt.

202

6. Kap.: Schlussbetrachtung

ten Transportsystems macht es für die Individualperson einen gewaltigen Unterschied, ob über ihr Schicksal an einem entfernten oder einem ihrem Lebensumfeld nahe gelegenen Ort entschieden wird – sei es legislatorisch oder gerichtlich. Dies gilt in besonderem Maße für Strafrecht und Strafprozess. Skepsis gegenüber einer starken Zentralmacht, wie sie auch von den AntiFederalists unermüdlich zum Ausdruck gebracht wurde, muss nicht unbedingt stets von Konservatismus zeugen, die Mahnung zur Stärkung regionaler oder immerhin national-staatlicher Strafrechtskompetenz nicht per se nationalistisch und von Partikulardenken geprägt sein. Nicht zufällig kommt in Art. 5 EU das Subsidiaritätsprinzip im Hinblick auf die Organe und Gesetzgebung der Europäischen Union an exponierter Stelle zu Anfang des Vertrages zur Sprache. Wenn es hier heißt „nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind“, so ist hierdurch genau das Prinzip angesprochen, welches sich auch hinter beiden der soeben angeführten Grundannahmen des US-amerikanischen Strafrechtssystems verbirgt. Es ist eine höchst politische Frage, ob und wann die Zentralisierung der Strafgewalt zu befürworten ist. Dabei kommt es aber nicht zuletzt besonders auf die in der Diskussion stehende Materie an. Stark vereinfacht gesprochen ließe sich für die Vereinigten Staaten feststellen, dass traditionell eher konservative Politiker für die Stärkung der föderalen Struktur und der Rechte der Bundesstaaten und damit für eine Dezentralisierung des Strafrechts eintraten.3 Liberalere Stimmen sprachen sich hingegen insbesondere im Bereich der Bürgerrechte und Anti-Rassismus-Gesetze regelmäßig für ein schlagkräftiges und durchgreifendes Bundesrecht aus. Dies mag heute aber in anderen Bereichen, wie etwa der Drogenlegalisierung, der gleichgeschlechtlichen Ehe, der Sterbehilfe oder der Todesstrafe genau umgekehrt sein,4 insbesondere wenn im Congress vornehmlich konservative Kräfte wirken, die sich für „Gesetz und Ordnung“ und daher auch für immer neue Bundesgesetze zum „Kampf gegen das Verbrechen“ stark machen. Als dritte Prämisse des Strafrechtssystems der Vereinigten Staaten ließe sich schließlich formulieren, dass eine hierarchische Anordnung der Ebenen strafrechtlicher Jurisdiktion nicht unbedingtes Dogma sein muss. Vielmehr präsentiert das US-amerikanische Strafrecht ein Modell paralleler Strafgewalt. Dessen Idealtypus sieht eine Bereichskompetenz oder auch ein Bereichsstrafrecht für abgegrenzte Sphären vor. Diese Theorie der Spezialzuständigkeit für die Bereiche besonderer Expertise bzw. Handlungsfähigkeit ist zunächst so konsequent wie einleuchtend. 3

Vgl. Bloom/Massey, 79 U. Colo. L. Rev. 381, 397 (2008). Vgl. Klein, 90 Calif. L. Rev. 1541, 1567 (2002); Little, 46 Hastings L. J. 1029, 1065 (1995). 4

B. Gedanken zur Übertragbarkeit des Systems

203

Es erscheint als großer Verdienst des US-amerikanischen Rechtsraumes, diese drei soeben angeführten Prämissen in besonderer Weise in die Tat und tägliche Praxis umgesetzt zu haben, und daher auch als Gewinn für diese Untersuchung, Schlüsse über die Vor- und Nachteile einer solchen Kompetenzverteilung ziehen zu können.

B. Gedanken zur Übertragbarkeit des Systems B. Gedanken zur Übertragbarkeit des Systems

Erkennt man sowohl das Bedürfnis nach lokaler Strafrechtszuständigkeit als auch die Notwendigkeit überörtlicher Maßnahmen in bestimmten Fällen an, werden also die soeben erläuterten Prämissen zu Grunde gelegt, so könnte des Weiteren die Untersuchung folgen, ob die Kombination aus zentralisierter und dezentralisierter Strafverfolgung in ihrer in den Vereinigten Staaten praktizierten Art eine partielle oder gar eine uneingeschränkte Empfehlung für ein europäisches Verfassungssystem rechtfertigt.5 Einige Gedanken des Verfassers zu dieser Frage sollen nun geäußert werden. Zuerst gilt es anzumerken, dass der soeben skizzierte Idealfall eines getrennten Bereichsstrafrechts im modernen US-amerikanischen Strafrechtssystem nur noch als ein Wunschbild der Väter der Verfassung erscheint. Die Gegenwart versteht vielmehr das Bundesstrafrecht in weiten Teilen als Hilfsinstrument zur Unterstützung der Kriminalitätsbekämpfung auf der einzelstaatlichen Ebene. Dies führt zur Duplikation der Strafvorschriften beider Staatsteile, dem Eintritt des Bundes in den lokalen Bereich, wie etwa bei der Bekämpfung einfacher Straßenkriminalität, und damit letztlich zu einer Überlagerung der Rechtskreise anstelle einer abgrenzbaren Bereichsjurisdiktion. Sollte somit der Eindruck zutreffen, dass das US-amerikanische Recht sich von seinen Grundannahmen der klaren Trennung der Kompetenzbereiche entfernt, so erscheint dies aus verschiedenen Gründen misslich. Denn in der Vergrößerung der Schnittmengen sowie der Ausweitung der parallelen, konkurrierenden Zuständigkeiten und damit der Jurisdiktionskonflikte inklusive der steigenden Gefahr der doppelten Bestrafung oder Verfolgung lässt sich die Achillesverse dieses Modells ausmachen. Dies sind indes Schwierigkeiten, die sich in den Anfängen des US-amerikanischen Strafrechts, welche noch dem Idealtypus der U. S. Constitution verschrieben waren, noch nicht unbedingt vorhersehen ließen. Es soll hier keineswegs der Eindruck erweckt werden, die fremde Rechtsordnung werde nun durch die – von einer auf das Recht seines Herkunftslandes konzentrierten Ausbildung getrübte – Brille des Gastforschers betrachtet und kritisiert. Im Gegenteil besteht durchaus das Bewusstsein, dass unreflektierte Vergleiche 5

Eine ausführliche Erörterung kann hier nicht erfolgen. Ferner möge man das etwas selektive Vorgehen bei der Auswahl der Literatur zum europäischen Strafrecht in einer Arbeit zum US-amerikanischen Strafrechtssystem nachsehen.

204

6. Kap.: Schlussbetrachtung

sich vielfach auf Grund der Verschiedenheit der Rechtsordnungen sogar verbieten. Zumindest das Folgende soll aber Erwähnung finden. Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist sowohl im internationalen Rahmen als auch speziell innerhalb des Strafrechtssystems der Vereinigten Staaten eine klare Jurisdiktionsverteilung mit möglichst geringer Kompetenzüberschneidung zu befürworten. Ob dies durch vertragliche Vereinbarungen, restriktive Handhabung des einzelstaatlichen Strafanwendungsrechts oder gar durch vernunftbestimmte Selbst-Disziplin beim Erlass materieller Bestimmungen zu geschehen hat, mag hier dahinstehen. Es erscheint jedenfalls nicht uneingeschränkt unterstützenswert, die Entscheidung über die Einleitung eines Strafverfahrens, insbesondere aber über die Durchführung einer doppelten Strafverfolgung, ohne Möglichkeit gerichtlicher Überprüfbarkeit allein der Staatsanwaltschaft zu überlassen, sodass über derselben stets das Damoklesschwert der Willkür schwebt. Noch einmal sei hier aber an die grundverschiedene Struktur, Funktion und Art der Bestellung der Staatsanwaltschaft in Deutschland und den Vereinigten Staaten erinnert. Auch wenn die Beibehaltung strafrechtlicher Kompetenz der Bundesstaaten sowohl aus Gründen der Stärkung der demokratischen Struktur als auch aus Erwägungen des Schutzes von Individualinteressen möglicherweise Einiges für sich hat, so muss des Weiteren dennoch darauf geachtet werden, dass gerade durch das Zugeständnis der Ausübung von Strafgewalt diese Zielsetzung nicht konterkariert wird. Dies steht aber z. B. bei Abwesenheit eines zwischenstaatlichen – bzw. in Bezug auf den Rechtsraum der Vereinigten Staaten sogar innerstaatlichen – Grundsatzes des ne bis in idem zu befürchten. Ein Mehr an Autonomie der dezentralen Elemente im föderativen System im Hinblick auf Strafrechtssetzungs- und Strafverfolgungskompetenz darf nicht zu einem Mehr an Strafe führen. Zudem müssen, wenn die bundes- oder nationalstaatliche Ebene die wesentliche Zuständigkeit für das Strafrecht innehat, Regelungen zur Bekämpfung und Verfolgung grenzüberschreitender Kriminalität erdacht und geschaffen werden. Seit der Industrialisierung und Mobilisierung der Gesellschaft, besonders aber seit dem Wegfall der Binnengrenzen, sieht sich Europa in ähnlicher Weise mit überregionalen Kriminalitätsformen konfrontiert, wie die Vereinigten Staaten zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine entscheidende Frage ist dabei, ob die damit einhergehenden Probleme eine Zentralisierung des Rechts6 und/oder der Strafverfolgung notwendig werden lassen oder ob sie letztlich nur eine engere Kooperation der Bundesbzw. Nationalstaaten rechtfertigen.7 In den Vereinigten Staaten wird als Antwort seit etwa 150 Jahren zunehmend der zuerst genannte Lösungsweg gewählt. Damit vermag das US-amerikanische Recht durch einen beeindruckenden Anschau-

6

Sieber, ZStW 103 (1991), 957, 963, macht eine Tendenz zur Zentralisierung des Strafrechts in allen westlichen Demokratien seit der Zeit der Aufklärung aus. 7 In diese Richtung etwa Weigend, ZStW 105 (1993), 774, 793 ff.

B. Gedanken zur Übertragbarkeit des Systems

205

ungsunterricht einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um eine europäische Verfassungsordnung leisten. Die zuletzt genannte Prämisse des US-amerikanischen Strafrechts mag im Hinblick auf eine mögliche Bereichskompetenz indes noch etwas anderes nahe legen. Selbst wenn die Bundesebene oder jedenfalls eine andere Ebene als diejenige der Bundes- oder Nationalstaaten in gewissem Umfang legislativ im Bereich des Strafrechts tätig wird, so müssen diese Regelungen nicht zwangsläufig Landesrecht brechen oder eben supranational sein, sondern ließen sich gleichsam auch als paralleles Recht begreifen. Schlagwortartig lässt sich sagen, dass letztlich ein gangbarer Weg zwischen Integration und (nationaler) Identität zu finden ist. Dieser könnte möglicherweise in einer Bereichskompetenz liegen. Es soll dabei jedoch nicht verkannt werden, dass etwa eine dem US-amerikanischen Verständnis nahe stehende Abgrenzung in primär lokale und primär nationale bzw. nationale und transnationale Probleme nicht ohne Schwierigkeiten durchführbar ist. Unterstützte man zumindest im legislativen Bereich eine nach Sphären getrennte Zuständigkeit für das Strafrecht, so wäre – orientiert am Subsidiaritätsprinzip – schließlich mit Beale8 zu fragen, ob und wann in einem solchen Fall auch der Einsatz unterschiedlicher Behörden und Gerichte notwendig wäre. Insbesondere mit Blick auf das europäische Strafrecht ließe sich z. B. eine Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen auf die Europäische Union für bestimmte, ausschließlich deren Interessen betreffende Teilbereiche erwägen. Hier soll es mit einem kurzen Hinweis auf entsprechende Vorstöße auf europäischer Ebene wie etwa den Corpus Juris zum Schutze der finanziellen Interessen der Europäischen Union9 ein Bewenden haben. In diesem Fall müsste aber immer noch geklärt werden, ob dann auch getrennte europäische Gerichte eingerichtet werden müssten. Die Väter der US-amerikanischen Verfassung und die nachfolgenden Bundesgesetzgeber haben diese Frage bejaht, da sie die Institutionen der Bundesstaaten im Hinblick auf die Durchsetzung des Bundesrechts nicht für verlässlich hielten. Sind bzw. wären aber die Gerichte und Behörden der Mitgliedstaaten tatsächlich nicht willens oder nicht in der Lage, die – dann auch strafrechtlich abgesicherten – Ziele der Europäischen Union zu verwirklichen? Im deutschen Strafprozessrecht haben die Strafgerichte zumindest theoretisch eine Zwitterstellung, denn ihnen obliegt als Amts- und Landgerichte, also regionale Einrichtungen, der Vollzug sowohl des – kaum vorhandenen – Landes- als auch des Bundesrechts. Könnten sie, gleichermaßen in dritter Funktion, nicht auch die Durchsetzung eines europäischen Strafrechts gewährleisten? Teilweise wird im europäischen Rechtsraum bereits das Gegenteil zum USamerikanischen Recht praktiziert, wie etwa im Falle der durch Art. 30 EuGH-Satzung etablierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten (!) zur Strafverfolgung von 8

Beale, 46 Hastings L. J. 979, 1008 (1995); vgl. dazu oben 5. Kapitel E. II. Vgl. dazu Ambos, § 13 Rn. 24; Hecker, § 14 Rn. 30 ff.; Satzger, § 7 Rn. 34 ff., jeweils m. w. N. 9

206

6. Kap.: Schlussbetrachtung

Falschaussagen vor dem EuGH. Dort heißt es: Jeder Mitgliedstaat behandelt die Eidesverletzung eines Zeugen oder Sachverständigen wie eine vor seinen eigenen in Zivilsachen zuständigen Gerichten begangene Straftat. Auf Anzeige des Gerichtshofs verfolgt er den Täter vor seinen zuständigen Gerichten (sic!). (Hervorhebung durch den Verfasser). Unabhängig davon, ob es sich hierbei um supranationales Recht oder nur um europäisierte nationale Tatbestände handelt,10 wäre jedenfalls ein Feld betroffen, das bei einer bereichspezifischen Aufteilung der Strafrechtskompetenz de lege ferenda zweifelsohne in die Zuständigkeit der europäischen Ebene fiele. Interessant erscheint es, sich hierbei noch einmal die gänzlich andere Sicht zu vergegenwärtigen, welche der U. S. Supreme Court als Grundannahme des USamerikanischen Verfassungsverständnisses in der Entscheidung Printz v. United States11 zum Ausdruck brachte. Der Einsatz der Gerichte und Behörden der Bundesstaaten zur Durchsetzung von Bundesrecht stellt einen nicht hinnehmbaren Eingriff in deren Souveränität dar. Wird diese Ansicht zu Grunde gelegt, so beinhaltet die Einräumung bestimmter legislativer (Bereichs-)Kompetenzen stets auch die Übertragung strafprozessualer Zuständigkeit. Diesbezüglich werden aber die zusätzlichen Kosten, welche bei Einrichtung einer neuen europäischen Strafgerichtsbarkeit entstünden, ebenso zu bedenken sein wie die Unwilligkeit der Mitgliedstaaten, ihre Jurisdiktion selbst für bestimmte Einzelbereiche abzugeben. Letztere Erwägung betrifft aber selbstverständlich nicht nur die Übertragung der gerichtlichen und strafprozessualen, sondern gerade auch der legislativen Zuständigkeit, da Strafrechtskompetenz als „spezifischer Ausdruck nationaler Souveränität“12 empfunden wird. Die (alleinige) Rechtssetzungskompetenz der Nationalstaaten im Bereich des Strafrechts scheint im europäischen Rechtsraum ebenso festzustehen wie im Amerika des 18. Jahrhunderts diejenige der Bundesstaaten. Verlassen kann man sich darauf aber nicht. Deutschland mag als Beispiel dienen für eine Zusammenführung durchaus getrennter Rechtssysteme im Deutschen Reich von 1871. Die Einheit der Strafrechtsordnung, oder besser die Einräumung der Möglichkeit zu einer solchen Vereinheitlichung durch die Etablierung einer konkurrierenden Kompetenz des Bundes für das Strafrecht, erschien auch als Mittel zur inneren Einheit.13 Auch in den Vereinigten Staaten diente der Erlass von Bundes-Strafnormen oftmals der Stärkung, aber auch der Ausbildung, eines nationalen Empfindens im Hinblick auf eine bestimmte Problematik, so etwa nach dem Ende des Bürgerkrieges im Hinblick auf die Rassendiskriminierung. 10

Siehe zu dieser Frage Ambos, § 11 Rn. 20 m. w. N. U. S. Supreme Court, Printz v. United States, 521 U. S. 898, 920 (1997); siehe dazu oben 2. Kapitel B. II. 12 Ambos, § 11 Rn. 4; vgl. auch Wessels/Beulke, Rn. 77; ausführlich dazu Weigend, ZStW 105 (1993), 774. 13 Vgl. nur die Rede von Lasker im konstituierenden Norddeutschen Reichstag zur Verfassung des Norddeutschen Bundes in: von Holtzendorff/Bezold, S. 492. 11

B. Gedanken zur Übertragbarkeit des Systems

207

Die Diversität und Pluralität der Werte und Moralvorstellungen gilt nicht immer und unbedingt als höchstes Ziel eines zusammenwachsenden Staates. Somit kann gerade der Einsatz des Rechts zur Stärkung des inneren Zusammenhalts bedeutsam sein. Zum anderen dürften in vielen Feldern auch innerhalb der Europäischen Union die Meinungen gar nicht so weit auseinander liegen.14 Dies gilt insbesondere für diejenigen Bereiche, welche die Europäische Union direkt betreffen bzw. eine überregionale Bekämpfung erfordern und daher auch eine supranationale Rechtssetzung am ehesten rechtfertigen könnten, wie etwa Betrug und Korruption zu Lasten europäischer Einrichtungen. Auch in den Vereinigten Staaten werden solche Felder vom Bund geregelt. Neben den bereits oben15 aus der US-amerikanischen Literatur angeführten Kritikpunkten, welche zumindest insofern berechtigt erscheinen, als sie sich gegen einen Zustand der Duplikation des materiellen Rechts inklusive einer parallelen Jurisdiktion bei unbeschränkter Entscheidungsgewalt der Staatsanwaltschaft über das „Ob“ einer Verfolgung wenden, soll schließlich noch ein letzter Punkt zur Sprache kommen. Das Bundesrecht sieht regelmäßig härtere Strafen und weiter gehende Eingriffsbefugnisse vor, es folgt medialem Interesse und erscheint daher vielfach aktionistisch. Häufig werden dabei symbolträchtige „Kriege gegen das Verbrechen“ ausgerufen. Gerade im Zusammenhang mit dem „War on Terrorism“ wurden dem US-amerikanischen Bundesstrafrecht sogar feindstrafrechtliche Züge attestiert.16 Seine Expansion bedeutet zudem, dass die Bürger der Vereinigten Staaten einer immer größer werdenden Zahl an Strafvorschriften aus verschiedenen parallelen Rechtsordnungen unterworfen sind. Ist die Parallelität der Rechtsordnungen also auch dem Grundgedanken eines „War on Crime“17 geschuldet, welcher weniger eine Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens, sondern vielmehr eine möglichst weit gehende Ausdehnung staatlicher Zugriffsmöglichkeiten auf seine Fahnen schreibt? Soweit die Dualität der Strafgewalt also ein Mehr an Staatsmacht bezweckt und bedeutet, ist ihr skeptisch zu begegnen.

14

Vgl. Sieber, ZStW 103 (1991), 957, 976. Oben 5. Kapitel E. I. 16 So etwa Heinrich, ZStW 121 (2009), 94, 108. 17 Vgl. zum „War on Crime“ und dem „Ende des Strafrechts“, Dubber, 91 J. Crim. L. & Criminology 829 (2001). 15

Summary Summary In the dual system of criminal law and justice of the United States, both centralized federal authorities and decentralized state authorities have jurisdiction over criminal matters. An analysis of the division of power between the state and the federal level necessarily starts with the U. S. Constitution. Originally, the drafters of the U. S. Contitution hesitated to delegate more powers to Congress and the federal government than those necessary to secure the Union and to overcome the tendencies of segregation under the Articles of Confederation. Therefore, the states were left with broad police powers and have accordingly enacted their own penal codes which they enforce with their own authorities. Congress was only vested with certain enumerated powers. The U. S. Constitution of 1788 says very little about criminal law. Explicit powers to enact criminal statutes can be found in U. S. Const. Art. I § 8 cl. 6 (Counterfeiting the Securities and current Coin of the United States), U. S. Const. Art. I § 8 cl. 10 (Piracies and Felonies committed on the high Seas, and Offenses against the Law of Nations) and in U. S. Const. Art. III § 3 cl. 2 (Treason against the United States). In addition, U. S. Const. Art. I § 8 cl. 17 vests Congress with the power to exercise exclusive legislation on federal territory. In all other matters federal criminal offenses have to rest on other constitutional powers of Congress, such as the commerce power (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 3) together with the power to make all laws necessary and proper to execute the foregoing powers (U. S. Const. Art. I § 8 cl. 18). Historically, crime was considered a local matter in the United States. Before the Civil War (1861–1865) federal criminal law only addressed special federal interests, such as crimes against the federal government or federal property. After the mid-nineteenth century the situation changed significantly. Since 1865 Congress has enacted many statutes dealing with matters that do not involve any direct federal interest. For the most part these statutes include regulatory crimes, closely connected to the regulation of commerce among the states. When borders became less important for economic enterprises and citizens increasingly mobile, the same was true for criminal organizations. Crime evolved to be a national concern. What is more, local authorities often seemed unable to address interstate crimes effectively – particularly because the power of courts and prosecutors was restricted to their own jurisdiction. Even today investigations or arrests outside of the territorial jurisdiction are permitted only in exceptional cases and usually involve co-operation with the local authorities and formal rendition procedures.

Summary

209

Federal criminal law was therefore expanded to overcome these limitations of state prosecution. Federal criminal offenses are enforced by federal prosecutors, police and courts. These federal authorities operate in every state. Co-ordination of the investigations or the rendition of accused persons is much easier for federal authorities since they all belong to the same sovereign. It has been estimated that there are more than 3,000 federal offenses today. Most of them deal with matters of a former exclusively local concern, such as local street crime, drug dealing or robberies in local retail stores. Many of these statutes duplicate state law. Despite the introduction of a Model Penal Code state law remains diverse since every state has enacted its own criminal code to reflect its own moral virtues. A complete harmonization of state laws is not considered entirely beneficial since states can function as laboratories for different methods of prosecution or prevention of crimes. As a bottom line, states deal with conduct within their borders and federal authorities deal with interstate or transnational crimes. But it can be difficult to draw the line between these two fields. Congress and the federal courts have interpreted federal powers and criminal laws very broadly. Even if a crime is committed entirely within the borders of one state, it can still have an impact on the commerce among the states and therefore, become a federal issue. According to the aggregation principle it is, for instance, sufficient that the victim of a robbery in a local retail store is thereby depleted of the assets to make purchases in interstate commerce. As a general rule, federal and state authorities have concurrent jurisdiction and they often operate simultaneously, since state law is not deemed preempted by federal statutes or prosecution – apart from very few exceptions. Over the years, the increasing federalization of criminal law in the United States has triggered a great debate over the many challenges that a dual system of parallel laws and concurrent jurisdiction involves. Since federal resources are limited, the most pressing question is how such resources should be distributed and which crimes should be prosecuted federally. There are also strong concerns about civil rights, mainly with regards to duplicative or selective prosecutions. The former because the dual sovereignty doctrine of the U. S. Supreme Court allows a duplicative prosecution by federal and state authorities, the latter because due to the limitation of resources only a certain amount of cases can be prosecuted and tried by federal institutions. Since under U. S. law prosecutors are not obliged to step in but have an almost unlimited discretion whether or not to prosecute, there is a not unlikely danger of an unequal treatment of very similar offenses. Moreover, federal criminal law has been perceived as being merely symbolic since in some cases it is not enforced at all. I believe that some conclusions can possibly be drawn from the analysis of the premises of the American criminal justice system. First, different kinds of crimes may require different solutions, including different methods of prosecution. Secondly, a complete centralization of criminal law is not necessary as it would make different strategies of prevention and reaction impossible. Thirdly, the differ-

210

Summary

ent levels of legislation and prosecution do not essentially have to be hierarchically structured. They can operate simultaneously. A division of power into different spheres of expertise appears to be plausible. Whether this necessitates a separated court system, remains up to discussion. Any such debate should include reference to both monetary concerns and civil rights.

Anhang Anhang

U. S. Constitution (Auszug) Preambel We the People of the United States, in Order to form a more perfect Union, establish Justice, insure domestic Tranquility, provide for the common defence, promote the general Welfare, and secure the Blessings of Liberty to ourselves and our Posterity, do ordain and establish this Constitution for the United States of America.

Article I […] Section 8 (1) The Congress shall have Power To lay and collect Taxes, Duties, Imposts and Excises, to pay the Debts and provide for the common Defence and general Welfare of the United States; but all Duties, Imposts and Excises shall be uniform throughout the United States; (2) To borrow money on the credit of the United States; (3) To regulate Commerce with foreign Nations, and among the several States, and with the Indian Tribes; (4) To establish an uniform Rule of Naturalization, and uniform Laws on the subject of Bankruptcies throughout the United States; (5) To coin Money, regulate the Value thereof, and of foreign Coin, and fix the Standard of Weights and Measures; (6) To provide for the Punishment of counterfeiting the Securities and current Coin of the United States; (7) To establish Post Offices and Post Roads; (8) To promote the Progress of Science and useful Arts, by securing for limited Times to Authors and Inventors the exclusive Right to their respective Writings and Discoveries; (9) To constitute Tribunals inferior to the supreme Court; (10) To define and punish Piracies and Felonies committed on the high Seas, and Offenses against the Law of Nations; (11) To declare War, grant Letters of Marque and Reprisal, and make Rules concerning Captures on Land and Water;

212

Anhang

(12) To raise and support Armies, but no Appropriation of Money to that Use shall be for a longer Term than two Years; (13) To provide and maintain a Navy; (14) To make Rules for the Government and Regulation of the land and naval Forces; (15) To provide for calling forth the Militia to execute the Laws of the Union, suppress Insurrections and repel Invasions; (16) To provide for organizing, arming, and disciplining the Militia, and for governing such Part of them as may be employed in the Service of the United States, reserving to the States respectively, the Appointment of the Officers, and the Authority of training the Militia according to the discipline prescribed by Congress; (17) To exercise exclusive Legislation in all Cases whatsoever, over such District (not exceeding ten Miles square) as may, by Cession of particular States, and the acceptance of Congress, become the Seat of the Government of the United States, and to exercise like Authority over all Places purchased by the Consent of the Legislature of the State in which the Same shall be, for the Erection of Forts, Magazines, Arsenals, dock-Yards, and other needful Buildings; And (18) To make all Laws which shall be necessary and proper for carrying into Execution the foregoing Powers, and all other Powers vested by this Constitution in the Government of the United States, or in any Department or Officer thereof.

Article II Section 1 (1) The judicial Power of the United States, shall be vested in one supreme Court, and in such inferior Courts as the Congress may from time to time ordain and establish. The Judges, both of the supreme and inferior Courts, shall hold their Offices during good Behavior, and shall, at stated Times, receive for their Services a Compensation which shall not be diminished during their Continuance in Office. […]

Article III Section 1 The judicial Power of the United States, shall be vested in one supreme Court, and in such inferior Courts as the Congress may from time to time ordain and establish. The Judges, both of the supreme and inferior Courts, shall hold their Offices during good Behavior, and shall, at stated Times, receive for their Services a Compensation which shall not be diminished during their Continuance in Office.

Anhang

213

Section 2 […] (3) The Trial of all Crimes, except in Cases of Impeachment, shall be by Jury; and such Trial shall be held in the State where the said Crimes shall have been committed; but when not committed within any State, the Trial shall be at such Place or Places as the Congress may by Law have directed. Section 3 (1) Treason against the United States, shall consist only in levying War against them, or in adhering to their Enemies, giving them Aid and Comfort. No Person shall be convicted of Treason unless on the Testimony of two Witnesses to the same overt Act, or on Confession in open Court. (2) The Congress shall have power to declare the Punishment of Treason, but no Attainder of Treason shall work Corruption of Blood, or Forfeiture except during the Life of the Person attainted.

Article IV Section 1 Full Faith and Credit shall be given in each State to the public Acts, Records, and judicial Proceedings of every other State. And the Congress may by general Laws prescribe the Manner in which such Acts, Records and Proceedings shall be proved, and the Effect thereof. Section 2 (1) The Citizens of each State shall be entitled to all Privileges and Immunities of Citizens in the several States. (2) A Person charged in any State with Treason, Felony, or other Crime, who shall flee from Justice, and be found in another State, shall on demand of the executive Authority of the State from which he fled, be delivered up, to be removed to the State having Jurisdiction of the Crime. […]

Article VI […] (2) This Constitution, and the Laws of the United States which shall be made in Pursuance thereof; and all Treaties made, or which shall be made, under the Authority of the United States, shall be the supreme Law of the Land; and the Judges in every State shall be bound thereby, any Thing in the Constitution or Laws of any State to the Contrary notwithstanding.

214

Anhang Amendment V

No person shall be held to answer for a capital, or otherwise infamous crime, unless on a presentment or indictment of a Grand Jury, except in cases arising in the land or naval forces, or in the Militia, when in actual service in time of War or public danger; nor shall any person be subject for the same offense to be twice put in jeopardy of life or limb; nor shall be compelled in any criminal case to be a witness against himself, nor be deprived of life, liberty, or property, without due process of law; nor shall private property be taken for public use, without just compensation.

Amendment VI In all criminal prosecutions, the accused shall enjoy the right to a speedy and public trial, by an impartial jury of the State and district wherein the crime shall have been committed, which district shall have been previously ascertained by law, and to be informed of the nature and cause of the accusation; to be confronted with the witnesses against him; to have compulsory process for obtaining witnesses in his favor, and to have the Assistance of Counsel for his defence.

Amendment VIII Excessive bail shall not be required, nor excessive fines imposed, nor cruel and unusual punishments inflicted.

Amendment X The powers not delegated to the United States by the Constitution, nor prohibited by it to the States, are reserved to the States respectively, or to the people.

Amendment XIV Section 1 All persons born or naturalized in the United States, and subject to the jurisdiction thereof, are citizens of the United States and of the State wherein they reside. No State shall make or enforce any law which shall abridge the privileges or immunities of citizens of the United States; nor shall any State deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law; nor deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws. […]

Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Abrams, Norman/Beale, Sara Sun: Federal Criminal Law and its Enforcement, 4. Aufl., St. Paul 2006 Amar, Akhil Reed/Marcus, Jonathan L.: Double Jeopardy Law After Rodney King, 95 Colum. L. Rev. 1 (1995) Ambos, Kai: Internationales Strafrecht, 2. Aufl., München 2008 (zitiert: Ambos) American Bar Association, Task Force on Federalization of Criminal Law (Hrsg.): The Federalization of Criminal Law, Berichterstatter: James A. Strazzella, Washington 1998 (zitiert: ABA Report) American Law Institute (Hrsg.): Model Penal Code and Commentaries (Official Draft and Revised Comments), 7 Bände, Philadelphia 1985 (zitiert: MPC) – Restatement of the Law Third, The Foreign Relations of the United States, Volume 1, §§ 1–488, St. Paul 1987 (reprint 1989) (zitiert: Restatement (Third) of Foreign Relations Law) Avila, Daniel: The Right to Choose, Neutrality, and Abortion Consent in Massachusetts, 38 Suffolk U. L. Rev. 511 (2005) Baker, John S. Jr.: Nationalizing Criminal Law: Does Organized Crime Make it Necessary or Proper?, 16 Rutgers L. J. 495 (1985) – United States v. Morrison and Other Arguments Against Federal Hate Crime Legislation, 80 B. U. L. Rev. 1191 (2000) Barnett, Randy E.: New Evidence of the Original Meaning of the Commerce Clause, 55 Ark L. Rev. 847 (2003) Beale, Sara Sun: Too Many and Yet Too Few: New Principles to Define the Proper Limits for Federal Criminal Jurisdiction, 46 Hastings L. J. 979 (1995) – Reporter’s Draft for the Working Group on Principles to Use When Considering the Federalization of Criminal Law, 46 Hastings L. J. 1277 (1995) – Federalizing Crime: Assessing the Impact on the Federal Courts, 545 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 39 (1996) – What’s Law Got To Do With It? The Political, Social, Psychological and Other Non-Legal Factors Influencing the Development of (Federal) Criminal Law, 1 Buff. Crim. L. Rev. 23 (1997) – Federal Criminal Jurisdiction, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 695 (2002) – The Many Faces of Overcriminalization: From Morals and Mattress Tags to Overfederalization, 54 Am. U. L. Rev. 747 (2005)

216

Literaturverzeichnis

Bedan, Hugo Adam: Capital Punishment: Morality, Politics, and Policy, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 125 (2002) Berger, Raoul: Federalism: The Founders’ Design, Norman 1987 Berman, Frederic S./Lippman, Jay M.: The Fugitive in New York: Can Law Enforcement Cross State Lines and Act Under Color of its Office?, 39 N. Y. L. Sch. L. Rev. 637 (1994) Bissonette, Guy R.: Interjurisdiction Arrests Revisited, 52 RI Bar Jnl. 19 (2004) Bloom, Robert M./Massey, Hillary: Accounting for Federalism in State Courts: Exclusion of Evidence Obtained Lawfully by Federal Agents, 79 U. Colo. L. Rev. 381 (2008) Blumenstein, Matthew Hardwick: RICO Overreach: How the Federal Gorvernment’s Escalating Offensive Against Gangs Has Run Afoul of the Constitution, 62 Vand. L. Rev. 211 (2009) Book, Jan Philipp/Geneuss, Julia: Gefangene jenseits des Rechts? Zur Entscheidung des U. S. Supreme Court im Verfahren Boumediene v. Bush, ZIS 2008, 325 Boyce, Ronald M./Dripps, Donald A./Perkins, Rollin M.: Criminal Law and Procedure, 10. Auflage, New York 2007 Bradley, Craig M.: Federalism and the Federal Criminal Law, 55 Hastings L. J. 573 (2004) Brandl, Steven G.: Federal Bureau of Investigation: History, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 686 (2002) Brickey, Kathleen F.: Criminal Mischief: The Federalization of American Criminal Law, 46 Hastings L. J. 1135 (1995) – The Commerce Clause and Federalized Crime: A Tale of Two Thieves, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 27 (1996) Bumgarner, Jeffrey B.: Federal Agents. The Growth of Federal Criminal Law Enforcement in America, Westport 2006 Calabresi, Guido: Madison Lecture – Federal and State Courts: Restoring a Workable Balance, 78 N. Y. U. L. Rev. 1293 (2003) Calabresi, Steven G./Prakash, Saikrishna B.: The President’s Power To Execute the Laws, 104 Yale L. J. 514 (1994) Chemerinsky, Erwin: Constitutional Law: Principles and Policies, 3. Auflage, New York 2006 Cox, Archibald: The Court and the Constitution, Boston 1987 Curtis, Dennis E.: Comment: Congressional Powers and Federal Judicial Burdens, 46 Hastings L. J. 1019 (1995) Drake, Frederick D./Nelson, Lynn R.: States’ Rights and American Federalism, Westport 1999 (zitiert: Verfasser oder Dokument, in: Drake/Nelson) Dral, Christy H./Phillips, Jerry J.: Commerce by Another Name: The Impact of United States v. Lopez and United States v. Morrison, 68 Tenn. L. Rev. 605 (2001) Dressler, Joshua: Understanding Criminal Law, 4. Aufl., Newark 2006

Literaturverzeichnis

217

Dubber, Markus Dirk: Penal Panopticon: The Idea of a Modern Model Penal Code, 4 Buff. Crim. L. Rev. 53 (2000) – Policing Possession: The War on Crime and the End of Criminal Law, 91 J. Crim. L. & Criminology 829 (2001) – Einführung in das US-amerikanische Strafrecht, München 2005 (zitiert: Dubber, Einführung) – The Police Power, New York 2005 (zitiert: Dubber, Police Power) Enroth, Kate B.: Comment: United States v. Georgescu: Special Aircraft Jurisdiction in the United States, 18 Brookl. J. Int’l L. 225 (1992) Fallon, Richard H./Meltzer, Daniel J./Shapiro, David L.: The Federal Courts and the Federal System, 5. Aufl., New York 2003 Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 56. Aufl., München 2009 Fletcher, George P.: Reflections on Felony-Murder, 12 Sw. U. L. Rev. 413 (1981) – Basic Concepts of Criminal Law, New York 1998 (zitiert: Fletcher, Concepts) – The Fall and Rise of Criminal Theory, 1 Buff. Crim. L. Rev. 275 (1998) – Rethinking Criminal Law, New York 2000 (zitiert: Fletcher, Rethinking) Fletcher, George P./Sheppard, Steve: American Law in a Global Context, New York 2005 Forbes, Laura Ann: Comment: A More Convenient Crime: Why States Must Regulate InternetRelated Activity Under the Dormant Commerce Clause, 20 Pace L. Rev. 189 (1999) Frase, Richard S./Weidner, Robert R.: Criminal Justice System, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 371 (2002) Gerston, Larry N.: American Federalism, Armonk 2007 Glazer, Elisabeth: Thinking Strategically: How Federal Prosecutors Can Reduce Violent Crime, 26 Fordham Urb. L. J. 573 (1999) Goldstein, Abraham S.: Prosecution: History of the Public Prosecutor, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1242 (2002) Guerra, Sandra: The Myth of Dual Sovereignty: Multijurisdictional Drug Law Enforcement and Double Jeopardy, 73 N. C. L. Rev. 1160 (1995) Hamilton, Alexander/Madison, James/Jay, John: The Federalist 1787–88, gesammelte Ausgabe, New York 1945 (zitiert: Verfasser, The Federalist No.) Hassemer, Winfried: Symbolisches Strafrecht und Rechtsgüterschutz, NStZ 1989, S. 553 – Das Symbolische am symbolischen Strafrecht, Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag, hrsg. von Schünemann, Bernd, Berlin 2001 (zitiert: Hassemer, FS Roxin) Hay, Peter: US-amerikanisches Recht, 4. Aufl., München 2008 Hecker, Bernd: Europäisches Strafrecht, 2. Aufl., Berlin 2007 Heger, Martin: Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 13.9.2005 – Rs. C-176/03, JZ 2006, 310 Heinrich, Bernd: Die Nacheile im Rahmen von Strafverfolgungsmaßnahmen, NStZ 1996, 361

218

Literaturverzeichnis

– Strafrecht – Allgemeiner Teil I, Stuttgart 2005 (zitiert: Heinrich, AT I) – Die Grenzen des Strafrechts bei der Gefahrprävention – Brauchen oder haben wir ein „Feindstrafrecht“?, ZStW 121 (2009), 94 Heinrich, Bernd/Reinbacher, Tobias: Objektive Zurechnung und „spezifischer Gefahrzusammenhang“ bei den erfolgsqualifizierten Delikten, JURA 2005, 743 Henning, Peter J.: Federalism and the Federal Prosecution of State and Local Corruption, 92 Ky. L. J. 75 (2003) Herrmann, Joachim: Neuere Entwicklungen in der amerikanischen Strafrechtspflege, JZ 1985, 602 von Holtzendorff, Franz/Bezold, Emil (Hrsg.): Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung, Band 1, Glashütten 1976 Honig, Richard M.: Entwurf eines Strafgesetzbuches für die Vereinigten Staaten von Amerika (Model Penal Code, ZStW 75 (1963), 63 – Entwurf eines amerikanischen Musterstrafgesetzbuches vom 4. Mai 1962, Berlin 1965 (zitiert: Honig, MPC) – Beweisverbote und Grundrechte im amerikanischen Strafprozeß, Tübingen 1967 (zitiert: Honig, Beweisverbote) Husak, Douglas: Drugs and Crime: Legal Aspects, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 566 (2002) Jefferson, Thomas: The Papers of Thomas Jefferson, Volume 19, hrsg. von Boyd, Julian P., Princeton 1974 (zitiert: Jefferson Papers) Jeffries, John C. Jr./Gleeson, (Honorable) John: The Federalization of Organized Crime: The Advantages of Federal Prosecution, 46 Hastings L. J. 1095 (1995) Jescheck, Hans-Heinrich/Weigend, Thomas: Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Auflage, Berlin 1996 Kadish, Sanford H.: The Model Penal Code’s Historical Antecedents, 19 Rutgers L. J. 521 (1988) – Comment: The Folly of Overfederalization, 46 Hastings L. J. 1247 (1995) Kadish, Sanford H./Schulhofer, Stephen J./Steiker, Carol S.: Criminal Law and its Processes, 8. Aufl., Austin 2007 Ketcham, Ralph (Hrsg.): The Anti-Federalist Papers and the Constitutional Convention Debates, New York 2003 (zitiert: Verfasser in: Ketcham) Klein, Susan R.: A Colloquium on Cummunity Policing: Independent-Norm Federalism in Criminal Law, 90 Calif. L. Rev. 1541 (2002) Knauer, Florian/Reinbacher, Tobias: Zur Erweiterung der Untersuchungshaftgründe gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO durch das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen, StV 2008, S. 377 Kniebühler, Roland Michael: Transnationales „ne bis in idem“. Zum Verbot der Mehrfachverfolgung in horizontaler und vertikaler Dimension, Berlin 2005

Literaturverzeichnis

219

LaFave, Wayne R.: Substantive Criminal Law, Volume I und II, 2. Aufl., Eagan 2003 (zitiert: LaFave, Substantive Criminal Law Band) LaFave, Wayne R./Israel, Jerold H./King, Nancy J./Kerr, Orin: Criminal Procedure, Band 1 und Band 4, 3. Aufl., St. Paul 2007 Lagodny, Otto: Viele Strafgewalten und nur ein transnationales ne-bis-in-idem?, Festschrift für Stefan Trechsel, hrsg. von Andreas Donatsch, Marc Foster und Christian Schwarzenegger, Zürich 2002 (zitiert: Lagodny, FS Trechsel) Landers, Renée M.: Prosecutorial Limits on Overlapping Federal and State Jurisdiction, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 64 (1996) Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, Einleitung, §§ 1–31, hrsg. von Jähnke, Burkhard/Laufhütte, Heinrich Wilhelm/Odersky, Walter, 11. Aufl., Berlin 2003 (zitiert: LK-Bearbeiter) Litman, Harry/Greenberg, Mark D.: Dual Prosecutions: A Model for Concurrent Federal Jurisdiction, 543 Annals Am. Acad. Pol. & Soc. Sci. 72 (1996) Little, Rory K.: Myths and Principles of Federalization, 46 Hastings L. J. 1029 (1995) Livingston, Debra: Prosecution: United States Attorney, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1253 (2002) Logan, Wayne A.: The Shadow Criminal Law of Municipal Governance, 62 Ohio St. L. J. 1409 (2001) Low, Peter W.: The Model Penal Code, the Common Law, And Mistakes of Fact: Recklessness, Negligence, or Strict Liability?, 19 Rutgers L. J. 539 (1988) – Federal Criminal Law, 2. Aufl., Eagan 2003 Lynch, Gerard E.: Prosecution: Prosecutorial Discretion, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 1246 (2002) Madison, James: Notes of the Debates in the Federal Convention of 1787, Athens 1966 (zitiert: Redner, in: Madison, Notes) Mansdörfer, Marco: Das Prinzip des ne bis in idem im europäischen Strafrecht, Berlin 2004 Markel, Dan: Connectedness and Its Discontents: The Difficulties of Federalism and Criminal Law, 4 Ohio St. J. Crim. L. 573 (2007) McClain, Charles/Kahan, Dan M.: Criminal Law Reform: Historical Development in the United States, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 412 (2002) McGimsey, Diane: The Commerce Clause and Federalism After Lopez and Morrison: The Case for Closing the Jurisdictional-Element Loophole, 90 Calif. L. Rev. 1675 (2002) Mehren, Arthur T. von/Murray, Peter L.: Law in the United States, 2. Aufl., Cambridge 2007 Merkl, Taryn A.: The Federalization of Criminal Law and Double Jeopardy, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 175 (1999) Messionnier, Terrence M.: Neo-Federalism, Popular Sovereignty, and the Criminal Law, 29 Akron L. Rev. 549 (1996)

220

Literaturverzeichnis

Middlekauff, Robert: The Glorious Cause, Oxford 2005 Miner, Roger J.: Crime and Punishment in the Federal Courts, 43 Syracuse L. Rev. 681 (1992) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, §§ 1–51 StGB, hrsg. von v. HeintschelHeinegg, Bernd/Joecks, Wolfgang/Miebach, Klaus, München 2003 (zitiert: MüKo-Bearbeiter) Nolan, Joseph R./Sartorio, Laurie J.: Massachusetts Practice Series, Vol. 32, Criminal Law, 3. Aufl., Eagan 2001 Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, hrsg. von Kindhäuser, Urs/Neumann, Ulfrid/Paeffgen, Hans-Ullrich, 2. Aufl., Baden-Baden 2005 (zitiert: NK-Bearbeiter) Note: Double Prosecution by State and Federal Governments: Another Exercise in Federalism, 80 Harvard L. Rev. 1538 (1967) (ohne Autorennennung) (zitiert: Note) O’Neill, Michael Edmund: When Prosecutors Don’t: Trends in Federal Prosecutorial Declinations, 79 Notre Dame L. Rev. 221 (2003) Owens, John E./Dumbrell, John W.: America’s War on Terrorism: New Dimensions in U. S. Government and National Security, Lanham 2008 Phipps, Charles A.: Sex Offenses: Children, 4 Encyclopedia of Crime & Justice 1461 (2002) Re, Edward D.: Federal-State Relations: The Allocation and Distribution of Powers of Government in the United States, 15 St. Thomas L. Rev. 265 (2002) Rehn, Thane: Note: RICO and the Commerce Clause: A Reconsideration of the Scope of Federal Criminal Law, 108 Colum. L. Rev. 1991 (2008) Richman, Daniel C.: Federal Criminal Law Enforcement, 2 Encyclopedia of Crime & Justice 698 (2002) Robinson, Paul H./Cahill, Michael T./Mohammad, Usman: The Five Worst (and Five Best) American Criminal Codes, 95 Nw. U. L. Rev. 1 (2000) Roxin, Claus: Strafrecht – Allgemeiner Teil, Band I, 4. Aufl., München 2006 Satzger, Helmut: Internationales und Europäisches Strafrecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2009 Schmid, Niklaus: Strafverfahren und Strafrecht in den Vereinigten Staaten, 2. Aufl., Heidelberg 1993 Schönke, Adolf/Schröder, Horst: Strafgesetzbuch, Kommentar, hrsg. von Lenckner, Theodor/ Eser, Albin/Stree, Walter, 27. Aufl., München 2006 (zitiert: Schönke/Schröder-Bearbeiter) Schomburg, Wolfgang: Internationales „ne bis in idem“ nach Art. 54 SDÜ, StV 1997, 383 Schwartz, L. B.: Federal Criminal Jurisdiction and Prosecutors’ Discretion, 13 Law & Contemp. Probs. 64 (1948) Sieber, Ulrich: Europäische Einigung und Europäisches Strafrecht, ZStW 103 (1991), 957 – Memorandum für ein Europäisches Modellstrafgesetzbuch, JZ 1997, 369 – Einheitliches europäisches Strafgesetzbuch als Ziel der Strafrechtsvergleichung?, Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter, hrsg. von Gunnar Duttge, Gerd Geilen, Lutz Meyer-Goßner und Günter Warda, Köln 2002 (zitiert: Sieber, GS Schlüchter)

Literaturverzeichnis

221

– Grenzen des Strafrechts, ZStW 119 (2007), 1 Silbaugh, Katharine B.: Sex Offenses: Consensual, 4 Encyclopedia of Crime & Justice 1465 (2002) Smith, James Morton (Hrsg.): The Constitution, New York 1971 (zitiert: Verfasser, in: Smith) Spear, Samuel T.: Law of Extradition, Albany 1879 Specht, Britta: Die zwischenstaatliche Geltung des Grundsatzes „ne bis in idem“, Berlin 1999 Stacy, Tom/Dayton, Kim: The Underfederalization of Crime, 6 Cornell J. of Law & Pub. Pol’y 247 (1997) Steiker, Carol S.: Capital Punishment: Legal Aspects, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 119 (2002) Stone, Geoffrey R./Seidman, Louis Michael/Sunstein, Cass R./Tushnet, Mark V./Karlan, Pamela S.: Constitutional Law, 5. Aufl., New York 2005 (zitiert: Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/ Karlan, Constitutional Law) – Constitutional Law, 2008 Supplement, New York 2008 (zitiert: Stone/Seidman/Sunstein/ Tushnet/Karlan, Supplement) Stuckenberg, Carl-Friedrich: Double Jeopardy. Das Verbot doppelter Bestrafung und Strafverfolgung im US-amerikanischen Recht, Heidelberg 2001 Sutton, Robert P.: Federalism, Westport 2002 Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, Allgemeiner Teil, §§ 1–37, Loseblattsammlung, hrsg. von Rudolphi, Hans-Joachim/Horn, Eckhard/Samson, Erich/Günther, Hans-Ludwig/Hoyer, Andreas/Rogall, Klaus/Schall, Hero/Sinn, Arndt/Stein, Ulrich/Wolter, Jürgen/Wolters, Gereon, 7. Aufl., Köln, Stand 116. Lieferung, November 2008 (zitiert: SK-Bearbeiter) Van Alstyne, William: Dual Sovereignty, Federalism and National Criminal Law: Modernist Constitutional Doctrine and the Nonrole of the Supreme Court, 26 Am. Crim. L. Rev. 1740 (1989) Ver Steeg, Clarence L./Hofstadter, Richard (Hrsg.): Great Issues in Amrican History, Band I, From Settlement to Revolution, 1584–1776, New York 1969 (zitiert: Verfasser oder Dokument, in: Ver Steeg/Hofstadter) Virelli, Louis J./Leibowitz, David S.: Federalism Whether They Want it or not: The New Commerce Clause Doctrine and the Future of Federal Civil Rights Legislation After United States v. Morrison, 3 U. Pa. J. Const. L. 926 (2001) Warren, Charles: Federal Criminal Laws and the State Courts, 38 Harv. L. Rev. 545 (1925) Washington, George: The Papers of George Washington, hrsg. von Dorothy Twohig, Philander D. Chase, Beverly H. Runge, Presidential Series, Vol. 7: December 1790 – March 1791, Charlottesville 1998 (zitiert: Verfasser, in: Washington Papers) Wechsler, Herbert: The Challenge of a Model Penal Code, 65 Harvard L. Rev. 1097 (1952) Weigend, Thomas: Strafzumessung durch die Parteien – Das Verfahren des plea bargaining im amerikanischen Recht, ZStW 94 (1982), 200

222

Literaturverzeichnis

– Strafrecht durch internationale Vereinbarungen – Verlust an nationaler Strafrechtskultur?, ZStW 105 (1993), 774 Weik, Beate: Objektive und subjektive Verbrechenselemente im US-amerikanischen Strafrecht, Freiburg 2004 Welling, Sarah/Beale, Sara Sun/Bucy, Pamela H.: Federal Criminal Law and Related Actions, Band 1, St. Paul 1998 Wessels, Johannes/Beulke, Werner: Strafrecht Allgemeiner Teil, 38. Aufl., Heidelberg 2008 Wise, Edward M.: Abortion, 1 Encyclopedia of Crime & Justice 1 (2002) Wössner, Marion: Die Notwehr und ihre Einschränkungen in Deutschland und in den USA, Berlin 2006 Wolfe, Nancy Travis: Interstate Rendition: Discretionary or Mandatory?, 5 Am. J. of Crim. Justice 25 (1980) Wood, Gordon S.: The Creation of the American Republic, Chapel Hill 1998 Woods, Christina Gayle: The Dual Sovereignty Exception to Double Jeopardy: An Unnecessary Loophole, 24 U. Balt. L. Rev. 177 (1994)

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen U. S. Supreme Court Abbate v. United States, 359 U. S. 187, (1959) 47, 123, 178 A. L. A. Schechter Poultry Corp. v. United States, 295 U. S. 495 (1935) 67, 114 Arizona v. Washington, 434 U. S. 487 (1978) 162 Bailey v. Drexel Furniture Co., 259 U. S. 20 (1922) 69 Bartkus v. Illinois, 359 U. S. 121 (1959) 47, 123, 162, 163, 178, 179, 182 Boumediene v. Bush, 553 U. S. _ (2008) 46 Brown v. Maryland, 25 U. S. 419 (1827) 50, 62 California v. Superior Court of California, San Bernardino County, 482 U. S. 400 (1987) 157, 159 Carter v. Carter Coal Co., 298 U. S. 238 (1936) 67 Champion v. Ames, 188 U. S. 321 (1903) 65, 101 City of Chicago v. Morales, 527 U. S. 41 (1999 127 City of Trenton v. New Jersey, 262 U. S. 182 (1923) 141 Civil Rights Cases, 109 U. S. 3 (1883) 63 Coker v. Georgia, 433 U. S. 584 (1977) 131 Collins v. Yosemite Park & Curry Co., 304 U. S. 518 (1938) 92 Cooley v. Board of Port Wardens, 53 U. S. 299 (1852) 76 DiSanto v. Pennsylvania, 273 U. S. 34 (1927) 75 Doe v. Bolton, 410 U. S. 179 (1973) 132 Eberheart v. Georgia, 433 U. S. 917 (1977) 131 Florida Lime & Avocado Growers, Inc. v. Paul, 373 U. S. 132 (1963) 78

Fox v. State of Ohio, 46 U. S. 410 (1847) 83 Furman v. Georgia, 408 U. S. 238 (1972) 129 Giaccio v. Pennsylvania, 382 U. S. 399 (1966) 127 Gibbons v. Ogden, 22 U. S. 1 (1824) 51, 61, 62, 75, 197 Gonzalez v. Raich, 545 U. S. 1 (2005) 73, 100, 111 Hammer v. Dagenhart, 247 U. S. 251 (1918) 66 Heart of Atlanta Motel v. United States, 379 U. S. 241 (1964) 63, 71 Heath v. Alabama, 474 U. S. 82 (1985) 28, 30, 54, 163, 178 Hoke v. United States, 227 U. S. 308 (1913) 101 In re Tarble, 80 U. S. 397 (1871) 177 James v. Dravo Contracting Co., 302 U. S. 134 (1937) 92 Jones v. United States, 529 U. S. 848 (2000) 79, 80, 112 Katzenbach v. McClung, 379 U. S. 294 (1964) 63, 71 Kentucky v. Dennison, 65 U. S. 66 (1861) 157, 158 Logan v. United States, 144 U. S. 263 (1892) 88 Mapp v. Ohio, 367 U. S. 643 (1961) 30, 124 Marbury v. Madison, 5 U. S. 137 (1803) 45, 57, 60 McCulloch v. Maryland, 17 U. S. 316 (1819) 43, 53, 55, 60, 61, 112 Michigan v. Doran, 439 U. S. 282 (1978) 159 Moore v. People, 55 U. S. 14 (1852) 47 Morales v. Trans-World Airlines, Inc., 504 U. S. 374 (1992) 77 Nelson v. George, 399 U. S. 224 (1970) 164

224

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen

New York Times Co. v. Sullivan, 376 U. S. 254 (1964) 59 New York v. United States, 505 U. S. 144 (1992) 48 N. L. R. B. v. Jones & Laughlin Steel Corp., 301 U. S. 1 (1937) 51, 67, 103 Pennsylvania v. Nelson, 350 U. S. 497 (1956) 82, 83 Perez v. United States, 402 U. S. 146 (1971) 100, 106, 107 Petit v. United States, 361 U. S. 529 (1960) 183 Pike v. Bruce Church, Inc., 397 U. S. 137 (1970) 84 Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Casey, 505 U. S. 833 (1992) 133 Printz v. United States, 521 U. S. 898 (1997) 47, 48, 72, 199, 206 Puerto Rico v. Branstad, 483 U. S. 219 (1987) 159 Roberts v. Louisiana, 248 U. S. 325 (1976) 130 Robinson v. California, 370 U. S. 660 (1962) 30, 124 Roe v. Wade, 410 U. S. 113 (1973) 132 Roper v. Simmons, 543 U. S. 551 (2005) 131 Skiriotes v. Florida, 313 U. S. 69 (1941) 149 Sonzinsky v. United States, 300 U. S. 506 (1937) 69 Taylor v. Taintor, 83 U. S. 366 (1873) 160 Tennessee v. Davis, 100 U. S. 257 (1879) 49 Testa v. Katt, 330 U. S. 386 (1947) 49, 50 United States v. Butler, 297 U. S. 1 (1936) 68 United States v. Culbert, 435 U. S. 371 (1978) 104 United States v. Grimaud, 220 U. S. 506 (1911) 114 United States v. Guest, 383 U. S. 745 (1966) 179 United States v. Hudson & Goodwin, 11 U. S. 32 (1812) 59 United States v. Lanza, 260 U. S. 377 (1922) 47, 163 United States v. Lopez, 514 U. S. 549 (1995) 51, 72, 100, 107, 108, 109, 110, 111, 124, 141, 190, 197

United States v. Morrison, 529 U. S. 598 (2000) 44, 54, 72, 107, 111 United States v. Price, 383 U. S. 787 (1966) 179 United States v. Santana, 427 U. S. 38 (1976) 151 United States v. Sharpnack, 355 U. S. 286 (1958) 93, 94 Waller v. Florida, 397 U. S. 387 (1970) 141 Wayte v. United States, 470 U. S. 598 (1985) 171, 172 Webster v. Reproductive Health Services, 492 U. S. 490 (1989) 133 Wickard v. Filburn, 317 U. S. 111 (1942) 68, 105, 106, 111 Wilcox v. Jackson, 38 U. S. 498 (1839) 46 Woodson v. North Carolina, 428 U. S. 280 (1976) 130

U. S. Court of Appeals Battaglia v. United States, 383 F.2d 303 (1967) (9th Cir.) 105 Pic-A-State Pa, Inc. v. Commonwealth of Pennsylvania, 42 F.3d 175 (1994) (3rd Cir.) 85 Turley v. Wyrick, 554 F.2d 840 (1977) (8th. Cir.) 164, 180 United States v. Bailey, 115 F.3d 1222 (1997) (5th Cir.) 72 United States v. Barron, 594 F.2d 1345 (1979) (10th Cir.) 114 United States v. DeMet, 486 F.2d 816 (1973) (7th Cir.) 105 United States v. Figueroa-Soto, 938 F.2d 1015 (1991) (9th Cir.) 180 United States v. Guerra, 164 F.3d 1358 (1999) (11th Cir.) 106, 110 United States v. Hickman, 179 F.3d 230 (1999) (5th Cir.) 110 United States v. Hill, 279 F.3d 731 (2002) (9th Cir.) 121 United States v. Jacobs, 4 F.3d 603 (1993) (8th Cir.) 172 United States v. Marek, 238 F.3d 310 (2001) (5th Cir.) 79, 102, 103 United States v. McFarland, 311 F.3d 376 (2002) (5th Cir.) 110

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen United States v. Weathers, 169 F.3d 336 (1999) (6th Cir.) 103

U. S. District Courts United States v. Bailey, 902 F. Supp. 727 (1995) (W. D. Tex.) 72 United States v. Cordova, 89 F. Supp. 298 (1950) (E. D. N. Y.) 95, 96 United States v. Koon, 833 F. Supp. 769 (1993) (CD Cal.) 179 United States v. Love, 425 F. Supp. 1248 (1977) (S. D. N. Y.) 156 Youngstown Sheet & Tube Co. v. Sawyer, 103 F. Supp. 569 (1952) (D. C.) 46

State Supreme Courts Commonwealth v. Gonzalez, 688 N. E.2d 455 (1997) (Mass.) 177 Moe v. Secretary of Admin. & Fin., 417 N. E. 2d 387 (1981) (Mass.) 133 People v. La Fontaine, 603 N. Y. S.2d 660 (1993) (N. Y.) 155, 156 State v. Baton, 488 A.2d 696 (1985) (R. I.) 154

225

State v. Dailey, 169 N. W.2d 746 (1969) (Minn.) 143 State v. King, 257 N. W.2d 693 (1977) (Minn.) 115 State v. Mollica, 554 A.2d 1315 (1989) (N. J.) 177 State v. Stepansky, 761 So.2d 1027 (2000) (Fl.) 148

State Courts of Appeals Collins v. State, 143 So.2d 700 (1962) (Fl.) 155 Gillis v. State, 633 A.2d 888 (1993) (Md.) 164 Howard v. State, 545 So. 2d 352 (1989) (Fl.) 137 Pena v. Texas, 61 S. W.3d 745 (2001) (Tex.) 177 People v. Griminger, 524 N. E.2d 409 (1988) (N. Y.) 177 Phoenix v. State, 428 So. 2d 262, 266 (1982) (Fl.) 155 State v. Williams, 366 So. 2d 135 (1979) (Fl.) 155

Sachwortverzeichnis Act for the Punishment of Certain Crimes Against the United States 54, 59, 98 administrative crimes 113, 115 Afro-Amerikaner 62, 71, 179 Aggregationsprinzip 68, 69, 105, 106, 109, 110, 196 Airline Deregulation Act 77 Anerkennung von Strafurteilen 161, 163, 164, 180 Anti-Federalists 39, 40, 42, 51, 202 Anti-Federalizers 185, 186, 198 Articles of Confederation 37, 38, 39, 40, 43, 44, 47, 52, 56, 60, 157 Assimilative Crimes Act 94 Attorney General 46, 116, 117 Auslieferung 156, 157, 158, 159 – Extradition Act 157, 158 – extradition clause 157 – Uniform Criminal Extradition Act 159 – Uniform Extradition and Rendition Act 159 Begriff des Strafrechts 28 Behinderung der Bundesjustiz 98 Bereichsstrafrecht 202, 203 Betäubungsmittelkriminalität siehe Drogendelinquenz Boston Tea Party 36 Brady Handgun Violence Prevention Act 47 Brandstiftung 80, 93, 112 Brutus 40 Bundesbank 55, 58, 60 Bundesenklave 59, 95 Bürgerkrieg siehe Civil War checks and balances 42 Civil Rights 63, 71 Civil War 62, 63, 64, 89, 124, 158, 206 Class of Activities Approach 106, 111, 113 commerce clause siehe Handelsklausel commerce power siehe Handelsklausel

common law 17, 18, 19, 24, 58, 59, 94, 120, 121, 125, 126, 127, 128, 130, 135, 136, 140, 146, 147, 158, 162, 181 Computerkriminalität 101, 119, 148, 174, 196 Constitutional Convention 39, 40, 44, 51 Controlled Substances Act 71 Corpus Juris 205 crime-committed formula 121, 149 Cybercrimes siehe Computerkriminalität D.E.A. 117, 168, 182 Deliktskategorien 28 de minimis effect 105 Dezentralisierung 38, 175, 202 Diebstahl 88, 98, 112, 182 District of Columbia 23, 54, 93, 116, 134, 165 Doppelbestrafung 30, 43, 160, 161, 162, 167, 183, 184, 191, 204 – double jeopardy clause 162 – dual sovereignty doctrine 30, 45, 47, 97, 162, 163, 178, 180, 181, 182, 184, 192 – horizontal 160 – Petit Policy 183, 184, 192 – Schengen 161, 163 – vertikal 178 Doppelbestrafungsverbot siehe Doppelbestrafung Drogendelinquenz 33, 69, 83, 107, 111, 113, 115, 124, 138, 144, 153, 165, 172, 174, 191, 193 Dyer Act 64 effects doctrine 120, 121 Ehebruch 134, 140 enumeration of powers 50, 71 Ermessen, staatsanwaltliches 31, 117, 140, 167, 171, 172, 174, 175, 178, 184, 185, 186, 192, 194, 195 Europäische Gemeinschaft 48, 200 Europäische Union 47, 48, 127, 200, 202, 205, 207

Sachwortverzeichnis F.B.I. 29, 117, 118, 119, 121, 156, 173, 176, 179, 182 Federal Lottery Act 64, 65, 101 Federal Reserve System 99 Federalist, The 40 Federalist Farmer, The 40 Federalists 39, 40, 41, 42, 57, 58, 60 Federalizers 185, 186, 198 felony-murder rule 136 Flaggenprinzip 89, 95 föderale Struktur siehe Föderalismus föderales System siehe Föderalismus Föderalismus 28, 34, 38, 42, 47, 48, 53, 55, 56, 57, 58, 62, 65, 70, 71, 72, 74, 89, 99, 107, 110, 119, 124, 150, 166, 177, 178, 182, 186, 190, 191, 201, 202, 204 föderatives System siehe Föderialismus Forum Shopping 175, 182, 193 Geldfälschung siehe Münzfälschung Gewaltenteilung 42, 43, 44, 46, 51, 114, 191 Gewaltverbrechen 47, 173, 174 Glücksspiel 107 grenzüberschreitende Kriminalität 25, 26, 150, 158, 204 Grundsatz der Inländerbehandlung 47 Gun-Free School Zones Act 72, 107 Handelsklausel 52, 53, 54, 61, 62, 63, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 78, 84, 85, 100, 101, 103, 108, 109, 112, 113, 182, 190, 191, 197 Handelskompetenz siehe Handelskausel Hobbs Act 104, 105 Hochverrat 54, 56, 82, 83, 87, 88, 90, 97, 131 implied powers 58, 60, 61 interlokales Strafrecht 86 Internet 100, 101, 103, 147 John DeWitt 40 Joint Task Forces 74, 168, 170, 182, 193 Joint Terrorism Task Forces 173 Judiciary Act of 1789 46, 115, 116 jurisdiction – Begriff 29, 91 – extra-territorial 95

227

– maritime siehe Straftaten auf hoher See – special aircraft 96 jurisdictional element 104, 107, 108, 113, 195 Jurisdiktionskonflikte 86, 162, 167, 178, 181, 182, 184, 203 Kinderarbeit 66, 69 Kinderpornographie 134 Kommunen 30, 38, 106, 141, 143 – home rule provisions 141 – ordinances 141, 142, 143, 146 Kompetenz-Kompetenz 114 Konföderationsartikel siehe Articles of Confederation Korruption 119, 172, 207 Kredithai 106 Kriegswaffen 110 Legalitätsprinzip 30, 94, 140, 171 Locke, John 36, 37 lokale Selbstverwaltung 35 Lotterieschein 65, 84, 85, 101 Mail Fraud Statute 64, 112 Mann Act 64, 101 Mehrebenensystem 23 Militärstrafrechtssystem 24, 46 Model Penal Code 17, 18, 19, 125, 126, 127, 128, 132, 136, 139, 147, 182 Montesquieu 41 Moral 18, 65, 66, 70, 123, 134, 140, 144, 165 Mord 49, 54, 59, 79, 86, 87, 93, 98, 130, 133, 136, 137, 145, 146, 167, 177 Münzfälschung 54, 55, 83, 88, 98, 166, 185 Münzprägung 75, 98 Murder-for-hire Statute 102 Nacheile 150, 151, 153, 154, 155 – Schengen 150 – Uniform Act on Fresh Pursuit 152, 153, 154 Nationalpark 54, 87, 92 Native Americans 24 ne bis in idem siehe Doppelbestrafung necessary and proper clause 52, 53, 54, 55, 56, 58, 88 New Deal 66, 69, 70, 71, 72, 76, 99, 106 Notstand 139

228

Sachwortverzeichnis

Notwehr 49, 139 nulla poena sine lege 59, 128

Subsidiaritätsprinzip 202, 205 symbolisches Strafrecht 187

Organisierte Kriminalität 70, 104, 106, 119, 165, 193, 196, 197

taxing power 38, 51, 56, 67, 68, 69, 99, 112, 113 Territorialitätsgrundsatz 89, 95, 97, 120, 121, 146, 147, 162, 181 Territorialitätsprinzip siehe Territorialitätsgrundsatz Terrorismus 97, 119, 172, 173, 174, 194, 207 Todesstrafe 93, 129, 130, 131, 132, 138, 158, 176, 190, 191, 202 Totschlag 93

Personalitätsgrundsatz 90, 148, 149 Personalitätsprinzip siehe Personalitätsgrundsatz Piraterie 52, 56, 59, 90, 95 police power siehe Polizeimacht Polizeimacht 30, 50, 53, 55, 62, 64, 65, 66, 70, 74, 75, 80, 81, 83, 86, 93, 101, 106, 115, 123, 134, 141, 146, 159, 165, 179, 191 postal power 52, 56, 64, 99, 112 Postwesen siehe postal power preemption – conflict preemption 78, 81, 143 – field preemption 78, 82, 131, 143 Raub 33, 49, 86, 93, 98, 101, 104, 109, 110, 179 Republicans 58 revolutionärer Krieg 36 RICO Statute 49, 71, 104, 196 Rodney King 179, 180 Roosevelt, Franklin D. 66, 67, 69 Roosevelt, Theodore 119 Rudy Giuliani 193 Schutzprinzip 90, 97 Schwangerschaftsabbruch 18, 131, 132, 133, 134 Secret Service 73, 118 Sedition Acts 58, 59 Seeräuberei siehe Piraterie Sexualstraftaten 134 Shays’ Rebellion 39 single-situs concept 120, 146, 147, 181 Sklaverei 62, 63 Spionage 97, 119 Staatsschutzprinzip 90, 148, 162, 182 Stamp Act Crisis 35 Steuerkompetenz siehe taxing power Straftaten auf hoher See 52, 54, 59, 88, 95, 96, 115, 122 Straftaten gegen das Völkerrecht 52, 54, 88, 95, 96

Überkriminalisierung 189, 193 Unabhängigkeitserklärung 34, 35, 36, 37, 40 under color of authority doctrine 155, 156 Uniform Acts 127 Universalitätsprinzip siehe Weltrechtsprinzip Unterschlagung 98 Unzucht 134, 135, 140, 144 U.S. Attorneys 117, 172, 174, 175, 194 U.S. Marshals Service 118 USA PATRIOT Act 73, 93, 176 Vergewaltigung 111, 130, 132, 133, 135, 140 – marital immunity rule 135 Verwaltungsrechtsakzessorietät 113 Violence Against Women Act 111 Virginia Plan 51 völkerrechtliche Berechtigung 96 Völkerstrafrecht 96 Volksverhetzung 58 War on Crime 172, 207 War on Drugs 172 War on Terrorism 172, 207 Weltrechtsprinzip 90 White Collar Crime 113, 172, 174 Wucher 49 zero tolerance 142 zwischenstaatlicher Handel 52, 63, 65, 66, 67, 68, 71, 72, 73, 75, 76, 78, 79, 80, 84, 85, 88, 96, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 122, 165, 197, 200