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German Pages 536 [537] Year 2021
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Julia Oberst Das sozialistische Milieu in Bamberg während der Weimarer Republik
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Julia Oberst
Das sozialistische Milieu in Bamberg während der Weimarer Republik
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Für meine Eltern
Dissertation Otto-Friedrich-Universität Bamberg Tag der mündlichen Prüfung: 26. 6. 2019 Dekan: Universitätsprofessor Dr. Markus Behmer Erstgutachter: Außerplanmäßiger Professor Dr. Andreas Dornheim Zweitgutachter: Universitätsprofessor Dr. Mark Häberlein
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnd.d-nb.de abrufbar
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Inhaltsverzeichnis
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis
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Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Fragestellung und thematischer Aufriss . . . . . . . . . . . 1.2 Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Milieutheorie und das Konzept des sozialistischen Milieus 1.4 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Methode, Schwerpunkte und Aufbau . . . . . . . . . . . .
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . 2.1 Bevölkerung, Konfession und Topographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Wirtschaft und Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Industrialisierung bis 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Bambergs Wirtschaftsleben in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . 2.3 Vorgeschichte und Entstehung der Arbeiterbewegung in Bamberg bis 1918 . . . 2.3.1 Der erste Arbeiterverein 1848 bis 1850 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Zwischen Neugründungen und Verboten 1869 bis 1890: Arbeiterbildungsverein, Social-Demokratische-Arbeiterpartei und die Zeit des Sozialistengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Die Arbeiterbewegung in der Wilhelminischen Epoche 1890 bis 1914 . . . 2.3.4 Die Arbeiterbewegung während des Ersten Weltkriegs . . . . . . . . . . .
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Das politische Sozialmilieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 „Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Reichstags-, Landtags- und Reichspräsidentenwahlen . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.1 Landtagswahlen und Wahlen zur Nationalversammlung 1919 . . . . 3.1.1.2 Reichs- und Landtagswahlen 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.3 Reichs- und Landtagswahlen 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.4 Reichspräsidentenwahlen 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.5 Reichs- und Landtagswahlen 1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.6 Die Reichstagswahl 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.7 Reichspräsidenten-, Reichs- und Landtagswahlen 1932 . . . . . . . . 3.1.1.8 Die Reichstagswahl vom 5. März 1933 und Bambergs Wahlverhalten im Vergleich mit Ettlingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Direkte Demokratie: Volksbegehren und Volksentscheide . . . . . . . . . . 3.1.3 Stadtrats- und Bürgermeisterwahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Rote Wählerhochburgen und Stimmbezirke . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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3.2 Die Sozialdemokratische Partei Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 „Die neue Zeit in Bamberg“: Die Rolle der SPD in der Revolution 1918/19 . 3.2.2 Mitglieder, Vorstandschaft und Parteisekretariat . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Sozialdemokratische Standpunkte, Veranstaltungen und Treffpunkte . . . . 3.2.4 Die SPD-Zeitung Der Freistaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Kommunalpolitik: Die SPD im Stadtrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Die Jugend der SPD: Arbeiterverein, SAJ und Jungsozialisten . . . . . . . . 3.2.7 Die sozialdemokratische Frauensektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.8 Die Kinderfreunde und die Roten Falken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.9 Selbstschutz und Kampfbünde der SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.9.1 Freie Volkswehr, Bürgerwehr und Einwohnerwehr . . . . . . . . . . . 3.2.9.2 Sozialdemokratischer Ordnungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.9.3 Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und seine Unterabteilungen Jungbanner und Kleinkaliberschützen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.9.4 Die Eiserne Front . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die Kommunistische Partei Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Kommunistische Entwicklungsphasen, Akteure und Aktivitäten . . . . . . . 3.4.2 Die KPD-Presse: Arbeiterkorrespondenzen und die Zeitungen Neue Zeitung, Nordbayerische Volkszeitung und Rotes Echo . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Die Jugend der KPD: KJD, KJVD und der Internationale Jugendtag 1928 . . 3.4.4 Der Bund der Freunde der Sowjetunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Die Kampfbünde der KPD: Roter Frontkämpferbund, Kampfbund gegen den Faschismus, Antifaschistische Aktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Die Kommunistische Partei-Opposition Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Das sozialistische Organisationsmilieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Freien Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Die gewerkschaftlichen Einrichtungen: Bibliothek und Arbeitersekretariat . 4.1.2 Das Gewerkschaftskartell und das Jugendkartell . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Die wichtigsten Einzelverbände: Metallarbeiter-, Bauarbeiter- und Textilarbeiterverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Betriebsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Für höhere Löhne und billigeres Bier: Streiks in Bamberg . . . . . . . . . . 4.1.6 Gewerkschaftliche Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Arbeitersport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Arbeitersportler: Mitglieder, Funktionäre und Treffpunkte . . . . . . . . . . 4.2.2 Arbeitersportkartell und Arbeitersportkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Kontinuität und Weiterentwicklung im Arbeitersport . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.1 Die Freie Turnerschaft Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.2 Arbeiter-Radfahrer-Verein „Solidarität“, Ortsgruppe Bamberg . . . . 4.2.3.3 1. Arbeiter-Athleten-Club Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Neugründungen und Ausdifferenzierung im Arbeitersport . . . . . . . . . . 4.2.4.1 Arbeiterfußball: Spielvereinigung Bamberg und 1. Arbeiter-FußballClub „Pfeil“ Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4.2 Die Wassersportvereinigung „Neptun“ Bamberg . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
4.2.4.3 „Schach ins Volk!“ Arbeiter-Schachklub Bamberg . . . . . . . . . . . 4.2.4.4 Der Touristenverein „Die Naturfreunde“, Ortsgruppe Bamberg . . . . 4.2.5 Einheit im Arbeitersport? Kommunistische Sportler und die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit in Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus . . . . . . . . . . 4.3.1 Das Kulturkartell der freien Arbeiterorganisation . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Die Arbeitergesangvereine Sängerrunde „Arion“ und „Volkschor Bamberg“ . 4.3.3 „Arbeiter, lernt Esperanto!“: Der Arbeiter-Esperanto-Bund, Ortsgruppe Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Die Volksbühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Freidenker und Feuerbestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Hilfs- und Wohlfahrtsvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Der Arbeiter-Samariter-Bund, Kolonne Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Die Arbeiterwohlfahrt Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Kommunistische Hilfsorganisationen: Rote Hilfe und Internationale Hilfsvereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Der Allgemeine Konsumverein für Bamberg und Umgebung . . . . . . . . . 4.5.2 Die Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft 5.1 Die sozialistische Festkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Die Maifeiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Die Verfassungsfeiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Gegenspieler und Ausgrenzungserfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Charakteristika und Kooperation des sozialistischen Milieus . . . . . . . . . . . .
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Die Entwicklung der NSDAP bis 1933 und ihre Frontstellung gegen das Arbeitermilieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Der Kampf des sozialistischen Milieus gegen die NSDAP . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Die Sozialdemokraten gegen die NSDAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Die Kommunisten gegen die NSDAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Als Einheitsfront zusammen gegen die NSDAP? . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Politische Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 „Bamberg unterm Hakenkreuz“: Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft . . 6.3.1 Proteste, Demonstrationen und der Reichstagswahlkampf zum 5. März 1933 6.3.2 Machtergreifung und Verhaftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Die Gleichschaltung des sozialistischen Milieus . . . . . . . . . . . . . . . .
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Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468
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Inhaltsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Anhang . . . . . . . Tabellen . . . . Prosopografie . Personenregister
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Danksagung
Schreiben ist eine der schönsten und faszinierendsten Beschäftigungen. Am Morgen weiß man nicht, wohin einen heute die Worte tragen und welche Sätze sich abends auf dem Papier finden werden. Schreiben ist wie eine Bootsfahrt. Man sticht in See mit einem Kompass und einem Ziel und weiß doch nicht, wie das Wetter wird. Flacher Seegang und Sonne? Oder Böen und Sturm? In dieser Hinsicht war die Zeit meiner Doktorarbeit an der OttoFriedrich-Universität Bamberg eine spannende Fahrt über ein großes Meer, die schließlich mit der Einreichung der vorliegenden Arbeit im Sommersemester 2018 endete. Auf dem ungewissen Weg dorthin war es umso wichtiger, dass ich stets begleitet, ermutigt und unterstützt wurde. An allererster Stelle gebührt mein Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Andreas Dornheim, der mich hervorragend betreut hat, immer ein offenes Ohr für meine Anliegen hatte und die Dissertation mit seinem Fachwissen und großem Interesse gefördert hat. Drei Jahre lang durfte ich dank ihm an einem Geschichtsprojekt der ZF Friedrichshafen AG in Schweinfurt mitarbeiten und habe so parallel zur wissenschaftlichen Arbeit wertvolle praktische Erfahrungen gesammelt. Prof. Dr. Mark Häberlein hat dankenswerterweise von Anfang an die Aufgabe des Zweitgutachters übernommen und mich an das Projekt „Stadtgeschichte Bamberg“ vermittelt. Seine steten und präzisen Rückmeldungen waren mir eine wichtige Stütze. Außerdem hat Prof. Dr. Sabine Freitag mein Forschungsprojekt immer wohlwollend begleitet. Ihr danke ich insbesondere für die Möglichkeit, meine ersten Ergebnisse im Oberseminar vorstellen zu dürfen und am Doktorandenseminar in Hirschberg teilnehmen zu können. Viele kostbare Anregungen habe ich außerdem über die Bamberg Graduate School of Historical Studies und den Scientific Career Service der Universität Bamberg erhalten. Namentlich möchte ich mich bei Prof. Dr. Malte Rolf, Dr. Petronilla Ehrenpreis und Dr. Marion Hacke bedanken. An der Universität Erlangen hat mir Prof. Dr. Georg Seiderer Einblicke in die dortigen Forschungen durch sein Oberseminar gewährt und wichtige Hinweise mit auf den Weg gegeben.
In ähnlicher Weise wie der Prozess des Schreibens immer wieder unberechenbare Aspekte hervorbringt, halten auch Forschungstage in den Archiven oftmals Überraschungen bereit. Die Akten sind gefüllt mit unvorhersehbarem Sachverhalt und unentdeckten Geschichten. In diese Welt eintauchen zu können, ist jedes Mal ein Genuss. Allen Archivarinnen und Archivaren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedensten Archive, die mich beraten haben und manchmal mehrmals täglich mit Akten versorgt haben, danke ich von ganzem Herzen. Im Stadtarchiv Bamberg war ich fast zwei Jahre lang als Projektmitarbeiterin tätig. Hierfür danke ich den beiden Leitern Dr. Robert Zink und Horst Gehringer. Essentielle Quellen konnte ich zudem im Staatsarchiv Bamberg einsehen; Achim Paulus hat mir hier stets sehr geholfen. Cornelia Daig-Kastura hat mir die Türen, Ordner und Schachteln im Archiv der SPD-Geschäftsstelle Bamberg geöffnet. Meine Archivaufenthalte am Hauptstaatsarchiv in München waren vor allem durch die ausgezeichnete Hilfe von Dr. Markus Schmalzl gewinnbringend, der durch seine eigene Beschäftigung mit der Arbeiterbewegung viele gute Empfehlungen für mich hatte. Im Staatsarchiv Nürnberg stand mir bei jedem meiner Besuche Gunther Friedrich für alle Fragen zur Verfügung und ich profitierte sehr von seinen Kenntnissen und Ideen. Des Weiteren spreche ich meinen Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Archivs des Erzbistums Bamberg, der Staatsbibliothek Bamberg und der Universitätsbibliotheken Bamberg und Erlangen aus. In der zweiten Phase meines Promotionsprojektes war ich über die LGA Institut für Umweltgeologie und Altlasten GmbH in der Umweltabteilung am Truppenübungsplatz in Hohenfels angestellt. Die dortige kulturhistorische Arbeit war eine wunderbare und spannende Ergänzung zum Schreiben der Doktorarbeit. Für ihre Förderung und Flexibilität danke ich namentlich Nanette Schneider, Dr. Albert Böhm und Dr. Jürgen Kißkalt. Neben all dieser beruflichen und fachlichen Hilfe hätte die Doktorarbeit aber niemals ohne meine persönliche, freundschaftliche und familiäre Un9
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Danksagung
terstützung entstehen können. Ich danke meinen Kollegen Lina Hörl, Stefanie Kießling, Julia Roos, Christian Chandon, Stefan Henricks und Andreas Schenker. Bei meinen Forschungsaufenthalten in München hat mich meine Münchner Verwandtschaft, Gisela Gantert und Rajko Hrascanec, jedes Mal mit großer Gastfreundschaft aufgenommen. Positive Ablenkung und neue Energie bekam ich wöchentlich im Schwimmtraining der Bahn 5 und durch die SG Lauf. Durch das Bamberger Ressort des Vereins Geschichte für Alle mit Franca Heinsch, Ulla Hoßfeld und Jadon Nisly hatte die Beschäftigung mit der Bamberger Historie immer auch eine herzliche und lebendige Seite für mich. Unendlich
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dankbar bin ich meinen Korrekturlesern Anna-Lena Herbert und Dorothee Hopfengärtner für die unzähligen Stunden, die sie mit der Lektüre meiner Dissertation verbracht haben. Von unschätzbarem Wert war die kontinuierliche Unterstützung, Ermutigung und Rückendeckung meiner Eltern Cornelia und Karl-Heinz, die mir den Weg der Promotion bereitet haben. Zuletzt geht der Dank an meine Freunde, meine Familie und vor allem an meinen Mann Dominik, dessen Anteil an der Vollendung der Doktorarbeit unermesslich ist. Erlangen, im Mai 2020
Julia Oberst
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Abkürzungsverzeichnis
AAJB ADAV ADGB AdsD AEB AfS AJ APuZ ASR ATSB AWO Ba BArch Bayer LT BayHStA BdFSU BHVB BMP BS BT BV BVP BzG CEH DAAB DAS DDP DDR DF
DNVP Dr. Dr. jur. DRK DStP DVP EKKI FS FV geb. gesch. gest. GESTAPO GG
Archiv der Arbeiterjugendbewegung Allgemeiner Deutscher Arbeiter-Verein Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Archiv der sozialen Demokratie Archiv des Erzbistums Bamberg Archiv für Sozialgeschichte Arbeiter-Jugend Aus Politik und Zeitgeschichte Arbeiter- und Soldatenrat Arbeiter-Turn- und Sportbund Arbeiterwohlfahrt Bamberg Bundesarchiv Berlin Bayerischer Landtag Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bund der Freunde der Sowjetunion Berichte des Historischen Vereins Bamberg Bayerische Mittelpartei Bamberg Sammlung Bamberger Tagblatt Bamberger Volksblatt Bayerische Volkspartei Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung Central European History Deutscher Arbeiter-Abstinenten-Bund Deutscher Arbeiter-Sängerbund Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Der Führer. Monatsschrift für Führer und Helfer der Arbeiterjugendbewegung Deutschnationale Volkspartei Doktor Doktor juris/Doktor der Rechtswissenschaft Deutsches Rotes Kreuz Deutsche Staatspartei Deutsche Volkspartei Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale Der Freistaat Fränkischer Volksfreund geboren geschieden gestorben Geheime Staatspolizei Geschichte und Gesellschaft
GWU HZ IAA IWK
JbKG JCH JfL JMEH JS Juso KAB KJD KJVD Komintern KPD KPO KS KZ LEA MA MdL MdR MF MFür MHIG MInn MJu MSPD NDB Nr. NSBO NSDAP NV NZ
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Historische Zeitschrift Internationale Arbeiter-Association Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte Journal of Contemporary History Jahrbuch für fränkische Landesforschung Journal of Modern European History Jugend-Stimme Jungsozialist Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Kommunistische Jugend Deutschlands Kommunistischer Jugendverband Deutschlands Kommunistische Internationale (auch: Dritte Internationale) Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei-Opposition Kriegs-Sammlung Konzentrationslager Landesentschädigungsamt Ministerium des Äußern Mitglied des Landtages Mitglied des Reichstages Ministerium der Finanzen Ministerium für Soziale Fürsorge Ministerium für Handel, Industrie und Gewerbe Ministerium des Innern Ministerium der Justiz Mehrheitssozialdemokatische Partei Deutschlands Neue Deutsche Biographie Nummer Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nordbayerische Volkszeitung Neue Zeitung. Organ für das arbeitende Volk/Bayerisches Organ der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale)
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NZA
Orgleiter Polleiter Präs. Reg. Rep. RFB RGO SA SAJ SAP SAPMO
SDAP SO SOD
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Neue Zeitung. Ausgabe A. Organ der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der 3. Internationale). Bezirk Nordbayern für Nürnberg, Franken, Oberpfalz Organisationsleiter Politischer Leiter Präsidialregistratur Repertorium Roter Frontkämpferbund Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition Sturmabteilung Sozialistische Arbeiterjugend Sozialistische Arbeiterpartei Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Sozialdemokratische Arbeiterpartei Sozialdemokrat. Zeitung der Unabhängigen Sozialdemokratie Sozialdemokratischer Ordnungsdienst
SPD SPDBa SRPapers SS StAAm StABa StadtABa StAM StAW StK USA USPD VfZ Vgl. VVN ZBLG
Sozialdemokratische Partei Deutschlands Archiv des SPD-Unterbezirks BambergForchheim Stadt- und Regionalplanung Papers Schutzstaffel Staatsarchiv Amberg Staatsarchiv Bamberg Stadtarchiv Bamberg Staatsarchiv München Staatsarchiv Würzburg Staatskanzlei United States of America/Vereinigte Staaten von Amerika Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Vergleiche Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bevölkerungswachstum in Bamberg und Nürnberg zwischen 1818 und 1933. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 2: Entwicklung der Konfessionsstruktur in Bamberg von 1871 bis 1933. . . Abbildung 3: Berufszugehörigkeit in Bamberg 1925 und 1933. . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4: Ergebnisse der Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung 1919 und der Reichstagswahlen von 1920 bis 1933 in Bamberg. . . . . . . . . . . . Abbildung 5: Entwicklung der Wahlergebnisse der BVP im Vergleich zum Linksblock in Bamberg von 1919 bis 1933. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 6: Veränderung der Wahlergebnisse von SPD und KPD zur jeweils vorigen Reichstagswahl in Bamberg von 1924 bis 1933. Die Entwicklung von SPD und KPD verlief stets gegenläufig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 7: Resultate des zweiten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 26. April 1925 in Bamberg, Franken und im Reich. . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 8: Ergebnisse der SPD bei den Reichstagswahlen von 1919 bis 1933 in Bamberg und im Reich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 9: Ergebnisse der KPD bei den Reichstagswahlen von 1924 bis 1933 in Bamberg und im Reich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 10: Ergebnisse der NSDAP (1924: Völkischer Block) bei den Reichstagswahlen von 1924 bis 1933 in Bamberg und im Reich. . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 11: Ergebnisse der Landtagswahlen 1924 und 1932 in Bamberg. . . . . . . Abbildung 12: Sitzverteilung im Stadtrat Bamberg von 1919 bis 1933. . . . . . . . . . Abbildung 13: Schematische Darstellung der roten Stimmbezirke in Bamberg zwischen 1919 und 1932 auf einem Stadtplan von 1926. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 14: Polizeiliche Fotos des Umzugs zum Jugendtag des KJVD-Nordbayern am 2. September 1928 in Bamberg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 15: Die Jugendgruppe der Naturfreunde Bamberg bei einem Waldfest an der Kunigundenruh 1923. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 41 44 105 110
111 112 115 115 116 122 136 143 262 335
Trotz intensiver Recherchen ist es nicht in allen Fällen möglich gewesen, die Quelle der Abbildung und die Bildrechte zu ermitteln. Für den Fall, dass Bildrechte geltend gemacht werden können, bitten wir, mit dem Verlag Kontakt aufzunehmen.
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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Aufstellung der zehn größten Betriebe in Bamberg 1923 nach Gesamtzahl der Beschäftigten (Angestellte und Arbeiter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 2: Jahresdurchschnittszahlen der Erwerbslosen in der Arbeitslosenversicherung und Krisenfürsorge in Bamberg von 1930 bis 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 3: Reichstagswahlergebnisse der SDAP bzw. SPD von 1890 bis 1913 . . . . . . Tabelle 4: Erster Vorstand der SPD-Bamberg von 1918 bis 1933 . . . . . . . . . . . . . Tabelle 5: Berufsstatistik des Allgemeinen Konsumvereins für Bamberg und Umgebung zum 30. Juni 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 6: Bevölkerungsentwicklung in Bamberg zwischen 1804 und 1933. . . . . . . . Tabelle 7: Entwicklung der Konfessionsstruktur in Bamberg von 1871 bis 1933. . . . . Tabelle 8: Konfessionsstruktur der einzelnen Distrikte in Bamberg 1925. . . . . . . . . Tabelle 9: Wirtschaftliche Gliederung Bambergs 1925. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 10: Wirtschaftliche Gliederung Bambergs 1933. . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 11: Aufteilung der Arbeiterschaft nach Wirtschaftszweigen in Bamberg 1925 und 1933. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 12: Ergebnisse der Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung 1919 und der Reichstagswahlen von 1920 bis 1933 in Bamberg. . . . . . . . . . . . Tabelle 13: Ergebnisse der Landtagswahlen in Bamberg von 1919 bis 1932. . . . . . . Tabelle 14: Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 29. März 1925. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 15: Ergebnisse des zweiten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 26. April 1925. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 16: Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 13. März 1932. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 17: Ergebnisse des zweiten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 10. April 1932. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 18: Volksbegehren vom 4. bis 17. März 1926 und Volksentscheid am 20. Juni 1926 zur Enteignung der Fürstenvermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 19: Volksbegehren vom 3. bis 16. Oktober 1928 zum Panzerkreuzerverbot. . . Tabelle 20: Volksbegehren vom 16. bis 29. Oktober 1929 und Volksentscheid am 22. Dezember 1929 zum „Freiheitsgesetz“ (Anti-Young-Plan). . . . . . . . . . . . Tabelle 21: Ergebnisse der Stadtratswahlen in Bamberg 1919, 1924 und 1929. . . . . . Tabelle 22: Rote Stimmbezirke in Bamberg zwischen 1919 und 1932. . . . . . . . . . . Tabelle 23: Straßenzuordnung zu den roten Stimmbezirken zwischen 1919 und 1932 aus Tabelle 22. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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59 67 89 159 377 511 512 512 513 513 513 514 515 516 516 517 517 518 519 520 521 522 523
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1. Einleitung 1.1 Fragestellung und thematischer Aufriss „Wahrlich, es war an der Zeit, daß der fränkischen Kaiser- und Bischofsstadt, dem fränkischen Rom endlich einmal gezeigt wurde, daß außerhalb und auch innerhalb seiner Mauern eine neue Welt im Werden ist, als sie den biederen Böotiern Bambergs bisher von gewissenlosen Demagogen oder sogenannten Seelenhirten gemalt wurde. Gleich sturmgepeitschten zündenden Flammen jagten unsere roten Banner durch die Straßen, über denen jahrhundertelang die dunklen Schatten der Dome und Kirchen gelastet hatten. Genug … Wir traten auf und wir siegten!“ 1
Mit dieser Meldung eröffnete die kommunistische Nordbayerische Volkszeitung ihren Bericht zum Internationalen Jugendtag des nordbayerischen Bezirks 1928 in Bamberg. Ausführlich beschrieb der Verfasser die erfolgreiche Durchführung der Veranstaltung bestehend aus Kundgebung, Gartenfest und Demonstrationszug. 2 Etwa 250 Kommunisten waren am Sonntagnachmittag mit roten Fahnen und zur Musik der Internationale durch die Straßen Bambergs gezogen. 3 Den Jugendtag hatte die Arbeiterbewegung zum Anlass genommen, sich selbst zu feiern, öffentlich Stärke zu zeigen und das Augenmerk auf das sozialistische Bamberg zu lenken. Schließlich war Bamberg vor allem als schwarze Hochburg bekannt, geprägt vom Bischof und der katholischen Kirche – die rote Seite Bambergs stand selten im Zentrum des Interesses.
Allerdings war es nicht nur 1928 erforderlich, die Aufmerksamkeit auf das Arbeitermilieu der oberfränkischen Stadt zu lenken, sondern noch heute besteht diese Notwendigkeit. Schließlich ist das sozialistische Milieu in Bamberg weitgehend „Terra incognita“: unentdeckt, unerforscht und unerwähnt. 4 Eine „Arbeiterstadt“ Bamberg scheint überhaupt nicht existiert zu haben, wenn man von der diesbezüglichen Literatur ausgeht. Stattdessen wird Bamberg mit Kaiser Heinrich II., der Barockarchitektur, den Gärtnern oder seinen Bierbrauereien assoziiert. 5 Mit Blick auf die 1920er Jahre ist Bamberg außerdem als Garnison- oder Verwaltungsstadt beschrieben worden. 6 In der Forschung wurde pauschal das „Fehlen einer breiten, organisierten Arbeiterklasse“ 7 angenommen und immer wieder als typisches Merkmal der Bamberger Gesellschaft konstatiert. 8 Die vorliegende Untersuchung verlässt die gewohnte Perspektive und will so eine elementare Lücke in der Forschung schließen. Die Arbeiterbewegung wird in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses gestellt und, ausgehend von dem Konzept des sozialistischen Milieus, erforscht. Welche Parteien, Personen, Vereine und Organisationen können einem Arbeitermilieu in Bamberg zugeschrieben werden? Gab es eine rote Solidargemeinschaft in Bamberg während der Weimarer Republik? Ist ein linkes Netzwerk erkennbar und wodurch zeichnete es sich gegebenenfalls aus?
Nordbayerische Volkszeitung. Organ der KPD für Nordbayern (Sektion der 3. Internationale) (künftig: NV) v. 5. 9.1928, Nr. 204; vgl. Staatsarchiv Bamberg, Regierung von Oberfranken, K 3, Präsidialregistratur (künftig: StABa, K 3, Präs. Reg.), Nr. 1969. 2 Vgl. NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 3 Vgl. Lagebericht v. 11. 9.1928, Staatsarchiv Nürnberg, Polizeipräsidium Nürnberg-Fürth, Rep. 218/9 (künftig: StAN, Rep. 218/9), Nr. 730. 4 Vgl. Krings, Wilfried: Anfänge, Schwierigkeiten und Erfolge der Industrialisierung in Bamberg im 19. Jahrhundert. In: Arbeiterkulturen. Vorbei das Elend – aus der Traum? Hg. v. A. Kuntz. Düsseldorf 1993, S. 281. 5 Vgl. Breuer, Thomas: Verordneter Wandel? Der Widerstreit zwischen nationalsozialistischem Herrschaftsanspruch und traditioneller Lebenswelt im Erzbistum Bamberg (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 60). Mainz 1992, S. 11; Krings, Anfänge, S. 265; Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute. Regensburg 32012, S. 473; Fiedler, Christian: Bamberg – Die wahre Hauptstadt des Bieres. Bamberg 22005; Dengler-Schreiber, Karin: Kleine Bamberger Stadtgeschichte. Regensburg 2006. 6 Vgl. Mayershofer, Ingrid: Bevölkerung und Militär in Bamberg 1860–1923. Eine bayerische Stadt und der preußisch-deutsche Militarismus. Paderborn u. a. 2010, S. 461; Frei, Norbert: Nationalsozialistische Eroberung der Provinzpresse. Gleichschaltung, Selbstanpassung und Resistenz in Bayern (= Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 17). Stuttgart 1980, S. 261. 7 Theuerer, Winfried/Zink, Robert: Bamberg 1918/1919 – Regierungshauptstadt auf Zeit. In: Räterepublik oder parlamentarische Demokratie. Die „Bamberger“ Verfassung 1919 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 10). Hg. v. W. Wagenhöfer/R. Zink. Bamberg 1999, S. 45. 8 Vgl. Mayershofer, Militär, S. 419; Frei, Provinzpresse, S. 268; Ehberger, Wolfgang: Bayerns Weg zur Parlamentarischen Demokratie. Die Entstehung der Bamberger Verfassung vom 14. August 1919 (= Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte, Bd. 29). München 2013, S. 172. 1
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Einleitung
Eng verknüpft mit diesem Ansatz ist die zusätzliche Frage nach der Auswirkung der Milieus auf die politische Ordnung der Demokratie. 9 Tragen Milieus zur Stabilisierung bei oder sind sie Ursache für mangelnde Konsensfähigkeit und führen unter Umständen zu einem Scheitern des Parlamentarismus? 10 In dieser Hinsicht bietet sich vor allem die Weimarer Republik als erste deutsche Republik zur Untersuchung an. Die Jahre 1918/19 brachten für die Arbeiterschaft die Durchsetzung ihrer Forderungen nach Volkssouveränität, politischer Gleichheit und Mitbestimmung. 11 Mit Inkrafttreten der Weimarer Verfassung waren diese Postulate Wirklichkeit geworden. Erstmals erfuhr die Arbeiterbewegung offiziell Anerkennung und neue Spielund Handlungsräume zur Selbstentfaltung und Mitbestimmung wurden eröffnet. Im Hinblick auf Bamberg gilt es zu fragen, wie diese Möglichkeiten genutzt wurden, wo die Grenzen der Agitation lagen und in welcher Form das sozialistische Milieu die Gesellschaft und Stadtgeschichte in der Weimarer Republik beeinflusste und prägte. 12 Die vorliegende Arbeit stellt eine Mikrostudie dar, da sich soziale Dynamiken innerhalb der Milieus nur auf unterster Ebene zeigen. In Übereinstimmung mit Joachim C. Häberlen wird angenommen, „dass es grundsätzlich keine ‚typischen‘ Städte gibt: Jede Stadt hat ihre eigenen Besonderheiten“ 13. Insofern ist auch Bamberg ein singulärer Fall und
muss als solcher zunächst betrachtet, gewürdigt und analysiert werden. Ausgehend von dieser lokalen Grundlage wird ein größerer Bezugsrahmen zur Milieutheorie gespannt. Deren Prämisse, die Entstehung des sozialistischen Milieus im Kaiserreich, wird in Frage gestellt. Eine andere zeitliche Einordnung der Milieukonstituierung bedingt eine neue sozialgeschichtliche Interpretation der Weimarer Republik. Wichtig erscheint es daher, die Weimarer Republik nicht von ihrem Scheitern und katastrophalen Ende her zu analysieren, sondern sie als Phase mit eigenständigen Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen zu begreifen. 14 Der Weg in den Nationalsozialismus war weder zwangsläufig noch alternativlos. Insbesondere beim Aufstieg der NSDAP zeigten sich die Persistenz und Bindungsfähigkeit lokaler Milieus. 15 Verfügte die Bamberger Arbeiterschaft am Ende der Weimarer Republik über ein organisationsstarkes und ideologisch gefestigtes Milieu, um sich dem Nationalsozialismus entgegenzustellen? Waren die lokalen Organisationsstrukturen zu einer eigenen Lebenswelt der Arbeiter geworden? All diese Fragen sind noch unbeantwortet und werden in der folgenden Studie erörtert, sodass eine Neubewertung der Stadtgeschichte, der Milieutheorie und der Weimarer Republik geboten wird. Das Neuland des roten, linken und sozialistischen Bambergs wird betreten und erkundet.
1.2 Quellenlage Die Quellenlage zur Beantwortung der Fragestellung stellt eine Herausforderung dar, da kaum originäre Akten des sozialistischen Milieus in Bamberg überliefert sind. Bestände der örtlichen Arbeiterparteien, das heißt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der Unabhängigen Sozial-
demokratischen Partei Deutschlands (USPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), aus der Zeit der Weimarer Republik sind weder im Archiv der SPD-Ortsgruppe noch im Stadtarchiv Bamberg, im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, im Bundesarchiv Berlin oder im Archiv der Sozialen
Vgl. Gabriel, Oscar W.: Politische Milieus. Individualisierung und der Wandel der Strukturen des Parteienwettbewerbs in Deutschland. In: Politische Bildung 2 (2010), S. 11 f. 10 Vgl. Walter, Franz: Milieus und Parteien in der deutschen Gesellschaft. Zwischen Persistenz und Erosion. In: GWU (46) 1995, S. 479; Detterbeck, Klaus: Die Veränderungen sozialer Milieus und die Krise der Volksparteien. In: Politische Bildung 2 (2010), S. 25. 11 Vgl. Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Erfurt vom 14. bis 20. Oktober 1891. Berlin 1891, S. 5; Kuhn, Axel: Die deutsche Arbeiterbewegung. Stuttgart 2004, S. 142–165. 12 Vgl. Lehnert, Detlef: Arbeiterbewegung und gesellschaftlicher Fortschritt. In: APuZ 40–41 (2013), S. 20–28. 13 Häberlen, Joachim C.: Vertrauen und Politik im Alltag. Die Arbeiterbewegung in Leipzig und Lyon im Moment der Krise 1929–1933/38 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 210). Göttingen 2013, S. 33. 14 Vgl. Hofmeister, Björn: Kultur- und Sozialgeschichte der Politik in der Weimarer Republik 1918 bis 1933. In: AfS 50 (2010), S. 445. 15 Vgl. Walter, Franz: Von der roten zur braunen Hochburg: Wahlanalytische Überlegungen zur NSDAP in den beiden thüringischen Industrielandschaften (= Thüringen gestern und heute, Bd. 2). In: Thüringen auf dem Weg ins „Dritte Reich“. Hg. v. D. Heiden/G. Mai. Erfurt 1996, S. 119–145. 9
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Quellenlage
Demokratie in Bonn vorhanden. Dieser Befund korrespondiert jedoch mit der allgemeinen bayerischen Überlieferungslage und stellt keinen Einzel-, sondern vielmehr den Normalfall dar. 16 Die Unterlagen der Parteien wurden meist zu Beginn der NSHerrschaft vernichtet. 17 Besonders problematisch ist die Tatsache, dass auch von den zahlreichen Gewerkschaften und Arbeitervereinen nur ein einziger Nachlass im Stadtarchiv hinterlegt wurde, der des Touristenvereins „Die Naturfreunde“. 18 Zu drei weiteren sozialistischen Vereinen bestehen aber zumindest Akten der städtischen Hauptregistratur, nämlich zur Sängerrunde „Arion“, zum ArbeiterRadfahrer-Bund „Solidarität“ und zur Freien Turnerschaft. 19 Informationen zu allen anderen Organisationen sind nur über indirekte Wege erhalten geblieben. Folglich ist eine gute Quellengrundlage, wie sie beispielsweise Thomas Adam für das Arbeitermilieu in Leipzig konstatiert, für Bamberg nicht feststellbar. 20 Zur Beantwortung der Fragestellung wurde stattdessen auf schriftliche Quellen unterschiedlichster Provenienz zurückgegriffen. In dieser Kategorie dienten offizielle Berichte der Behörden als wichtige Basis. Von staatlicher Seite wurde nämlich sowohl die sozialdemokratische als auch die kommunistische Bewegung nach der traumatischen Er-
fahrung mit der Münchner Räterepublik während der gesamten Weimarer Republik genau beobachtet, überwacht und bespitzelt. 21 Zuständig hierfür waren die lokale und überregionale Sicherheitspolizei. 22 Zwischen 1919 und 1921 befand sich in Bamberg zudem der Sitz der Polizeistelle für Nordbayern. 23 Diese Behörde war aus der Polizeiabteilung des Bayerischen Innenministeriums entstanden, als die Regierung des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann im April 1919 von München nach Bamberg geflohen war. 24 Direkt neben der Neuen Residenz als Regierungssitz hatte man das Amt in der Domschule eingerichtet. 25 Insgesamt arbeiteten acht Beamte unter der Leitung des Regierungsassessors Joseph Maria Graf von SodenFraunhofen. 26 Am 13. September 1919 erhielt sie den Namen Polizeistelle für Nordbayern und war als Nebenstelle der Polizeidirektion München zuständig für die Regierungsbezirke Ober-, Unter-, Mittelfranken und die Oberpfalz. 27 Als Politische Polizei war sie zuständig für den Staatsschutz und daher bestand eine ihrer zentralen Aufgaben in der Überwachung aller regierungsfeindlichen Bewegungen. 28 Dementsprechend wurden die Aktivitäten der linken Organisationen kontrolliert und in Form von Wochenberichten dokumentiert. 29 Aufgrund der örtlichen Präsenz der Staatsstelle und
Vgl. Mehringer, Hartmut: Die bayerische Sozialdemokratie bis zum Ende des NS-Regimes. Vorgeschichte, Verfolgung und Widerstand. In: Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand (= Bayern in der NS-Zeit, Bd. 5). Hg. v. M. Broszat/H. Mehringer. München u. a. 1983, S. 287– 290; Schmalzl, Markus: Erhard Auer. Wegbereiter der parlamentarischen Demokratie in Bayern (= Münchener historische Studien, Abteilung Bayerische Geschichte, Bd. 20). Kallmünz 2013, S. 7. 17 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 289. 18 Vgl. Stadtarchiv Bamberg, Nichtstädtische Bestände, D, Naturfreunde Bamberg 3080 (künftig: StadtABa, D 3080). 19 Vgl. StadtABa, Hauptregistratur, C 2 (künftig: StadtABa, C 2), Nr. 59530, 59531, 59727. 20 Vgl. Adam, Thomas: Arbeitermilieu und Arbeiterbewegung in Leipzig 1871–1933 (= Demokratische Bewegungen in Mitteldeutschland, Bd. 8). Köln u. a. 1999, S. 16, 21. 21 Vgl. Neuhäußer-Wespy, Ulrich: Die KPD in Nordbayern 1919–1933. Ein Beitrag zur Regional- und Lokalgeschichte des Deutschen Kommunismus (= Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Bd. 32). Nürnberg 1981, S. 9, 170–172; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 288. 22 Vgl. Volkert, Wilhelm (Hg.): Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799–1980. München 1983, S. 51. 23 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 81–83; Einleitung zum Repertorium verfasst von Ludwig Weber v. 14. 8. 2009, StAN, Rep. 218/9. 24 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 81. 25 Einleitung zum Repertorium der Polizeistelle für Nordbayern, StABa, Polizeistelle für Nordbayern in Bamberg 1919–1921, K 87 (künftig: StABa, K 87). 26 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 81. 27 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 81. 28 Die Politische Polizei unterstand in der Weimarer Republik dem Innenministerium; sie war weder unabhängig noch verfügte sie über Exekutivbefugnisse. Vorrangig war sie für den Staatsschutz und die Bekämpfung staatsfeindlicher Kräfte verantwortlich. Dieser Zuständigkeitsbereich ließ jedoch Freiraum zur Interpretation der sogenannten „Staatsfeinde“. Weitere Aufgabenbereiche der Politischen Polizei stellten das Vereins- und Versammlungswesen, das Presserecht, das Waffenrecht und das Paß- und Fremdenwesen dar. Die Abspaltung und Verselbständigung der Politischen Polizei erfolgte in Bayern ab 1933 unter Heinrich Himmler als Politischer Polizeikommandeur Bayerns. Ab 1936 trug sie den Namen Geheime Staatspolizei. Vgl. Schwegel, Andreas: Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931–1944 (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 48). Tübingen 2005, S. 36 f.; Einleitung zum Repertorium verfasst von Ludwig Weber v. 14. 8. 2009, StAN, Rep. 218/9; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 82. 29 Vgl. Wochenberichte, StABa, K 87, Nr. 95, 99, 100. 16
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Einleitung
der monarchischen Einstellung des Grafen von Soden stand die Bamberger Arbeiterschaft unter besonderer Beobachtung. 30 Auf Versammlungen und in Zeitungsartikeln kritisierten die Ortsgruppen der USPD und KPD die Überwachung oder berichteten mit hämischer Schadenfreude über polizeiliche Misserfolge. 31 1921 wurde die Auflösung der Polizeistelle für Nordbayern beschlossen und zum 31. Oktober 1921 stellte die Behörde ihre Arbeit in Bamberg ein. 32 Ihre Akten wurden 2008 vom Staatsarchiv Nürnberg an das Staatsarchiv Bamberg abgegeben und konnten für diese Arbeit eingesehen werden. 33 Die Kontrolle der politischen Vorgänge in Nordbayern ging anschließend auf das Staatspolizeiamt Nürnberg-Fürth über. 34 Bewusst hatte das Innenministerium Nürnberg als Standort gewählt, um einen Gegenpol zum sozialdemokratisch dominierten Stadtrat und dem linksliberalen Oberbürgermeister Hermann Luppe zu schaffen. 35 In Person von Heinrich Gareis setzte man einen deutschnationalen Beamten an die Spitze des Amtes, der die Arbeiterbewegung unter die Lupe nahm und mit völkisch-vaterländischen Gruppen und der NSDAP sympathisierte. 36 1923 erfolgte eine Umstrukturierung der Stelle, die fortan den Namen Polizeidirektion Nürnberg-Fürth trug. 37 Ihre Befugnisse wurden erweitert und beinhalteten nun die Bereiche öffentliche Sicherheit, Presse, Verkehr und Sittenwesen. 38 Regelmäßig verfassten Gareis
sowie sein Stellvertreter und Ressortleiter der Politischen Polizei, Friedrich Schachinger, Lage- und Sonderberichte über alle Vorkommnisse und Entwicklungen sowohl in der Links- als auch in der Rechtsbewegung. 39 Schwerpunktthemen bildeten beispielsweise die sozialistische, kommunistische oder republikanische Bewegung, der Kampfbund Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold oder die Wohlfahrtsorganisation Rote Hilfe. In die Reporte wurden auch die Vorgänge in Bamberg einbezogen. Insofern bieten die Akten des Polizeipräsidiums bzw. der Polizeidirektion im Staatsarchiv Nürnberg eine wichtige und detaillierte Außenansicht auf das sozialistische Milieu zwischen 1921 und 1933, obwohl man bei deren Interpretation die politische Gegnerschaft der Verfasser berücksichtigen muss. 40 Auf lokaler Ebene war die städtische Sicherheitspolizei als Gemeindepolizei für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in Bamberg zuständig. 41 Sie wurde auch als Schutzmannschaft bezeichnet. 42 In Halbmonatsberichten fasste sie alle wichtigen Vorgänge wie beispielsweise Streiks, Demonstrationen und politische Versammlungen in Bamberg zusammen. Ihre Akten aus der Zeit zwischen 1921 und 1934 werden in der Hauptregistratur des Stadtarchivs Bamberg aufbewahrt und ergänzen somit die polizeiliche Überlieferung für diese Arbeit. 43 Halbmonatsberichte verfasste ebenfalls der Regierungspräsident von Oberfranken zwischen 1916
Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 83; Bräuninger, Werner: Hitlers Kontrahenten in der NSDAP 1921–1945. München 2004, S. 99. Graf Soden wechselte nach der Auflösung der Polizeidirektion Nordbayern 1921 in den Dienst des Kronprinzen Rupprecht und bemühte sich um die Wiederherstellung der bayerischen Monarchie. 31 Vgl. Archiv des Erzbistums Bamberg, Pfarrarchive, Dompfarrei St. Peter und Paul, Rep. 60 18.1 (künftig: AEB, Rep. 60 18.1), Nr. 40.00/2; Sozialdemokrat. Zeitung der Unabhängigen Sozialdemokratie (künftig: SO) v. 23. 7.1920, Nr. 170; SO v. 9. 8.1920, Nr. 184. 32 Vgl. Brief des Freiherr von Gumppenberg v. 30. 4.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 82. 33 Vgl. Einleitung zum Repertorium der Polizeistelle für Nordbayern, StABa, K 87. 34 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 82. 35 Vgl. Grieser, Utho: Himmlers Mann in Nürnberg. Der Fall Benno Martin: Eine Studie zur Struktur des Dritten Reiches in der „Stadt der Reichsparteitage“ (= Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte, Bd. 13). Nürnberg 1974, S. 1. 36 Vgl. Grieser, Himmlers Mann, S. 1–6, 306; Ruault, Franco: „Neuschöpfer des deutschen Volkes.“ Julius Streicher im Kampf gegen „Rassenschande“. Frankfurt am Main 2006, S. 174; Greif, Thomas: Frankens braune Wallfahrt. Der Hesselberg im Dritten Reich (= Mittelfränkische Studien, Bd. 18). Ansbach 2007, S. 134; Roos, Daniel: Julius Streicher und „Der Stürmer“ 1923–1945. Paderborn 2014, S. 53, 177; Fein, Egon: Hitlers Weg nach Nürnberg. Verführer. Täuscher. Massenmörder. Eine Spurensuche in Franken mit hundert Bilddokumenten. Nürnberg 2002, S. 94. 37 Vgl. Grieser, Himmlers Mann, S. 1–6; Einleitung zum Repertorium verfasst von Ludwig Weber v. 14. 8. 2009, StAN, Rep. 218/9. 1936 erfolgte eine erneute Umbenennung der Polizeidirektion in Polizeipräsidium Nürnberg. Geleitet wurde das Polizeipräsidium bis 1942 von Dr. Benno Martin, einem Vertrauten Heinrich Himmlers. 38 Vgl. Einleitung zum Repertorium verfasst von Ludwig Weber v. 14. 8. 2009, StAN, Rep. 218/9. 39 Vgl. Fein, Hitlers Weg, S. 94. 40 Vgl. StAN, Staatspolizeiamt Nürnberg-Fürth, Rep. 218/8 (künftig: StAN, Rep. 218/8); StAN, Rep. 218/9, Nr. 650–800. 41 Vgl. Volkert, Handbuch, S. 51. 42 Vgl. Volkert, Handbuch, S. 51. 43 Vgl. Halbmonatsberichte der Sicherheitspolizei, StadtABa, C 2, Nr. 11586, 11587. 30
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Quellenlage
und 1932, Otto Ritter von Strößenreuther. 44 Im Unterschied zu den Polizeiakten wurden von der Regierung neben den politischen auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen erfasst und diese Informationen den übergeordneten Behörden in München zugeleitet. 45 Sie sind demnach eine wichtige und kontinuierliche Quelle für die Rahmenbedingungen in Bamberg während der Weimarer Republik. Alle Bezirksamtsvorstände und Stadtmagistrate waren bis 1921 wöchentlich, ab 1922 im zweiwöchigen Rhythmus, verpflichtet, über die genannten Bereiche Meldung nach Bayreuth zu erstatten. Über die Ereignisse in der kreisfreien Stadt Bamberg berichtete der Stadtrat Bamberg. Darüber hinaus behandelte auch der Vorstand des Bezirksamts Bamberg II bzw. ab 1929 der Vorstand des Bezirksamts Bamberg oftmals die dortige Lage, da er in Personalunion auch die Funktion des Stadtkommissars für Bamberg ausübte. 46 Für Bamberg waren dies die Oberregierungsräte Sebastian Fackelmann und Paul Köttnitz. 47 Für die Jahre 1918 bis 1931 stehen die Originalberichte der Bezirksämter im Staatsarchiv Bamberg zur Verfügung. 48 Aufgrund von Sparmaßnahmen wurden zum 1. Januar 1933 die Regierungen von Mittel- und Oberfranken vereinigt und Ansbach neuer Dienstort des Regierungspräsidenten. 49 Als
Folge der Reform sind die einzelnen Reporte der unteren staatlichen Verwaltungsebene ab 1932 nicht mehr überliefert worden. 50 Für 1932 stehen allerdings die Halbmonatsberichte von Otto von Strößenreuther an das Bayerische Innenministerium zur Verfügung, die im Bestand des Außenministeriums im Bayerischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrt wurden. 51 Ab 1933 wurden die halbmonatlichen Auskünfte in Ansbach für den gemeinsamen Regierungsbezirk Ober- und Mittelfranken erstellt und sind heute im Bestand der Staatskanzlei im Hauptstaatsarchiv zugänglich. 52 All diesen Berichten ist gemeinsam, dass sie vordergründig objektive Verwaltungsakten darstellen, doch bei genauer Auswertung tritt die politische Einstellung der Autoren zutage. 53 So verurteilte Sebastian Fackelmann 1925 die „Anhänger der kommunistischen Irrlehre“ 54 und hoffte auf deren baldige Einsicht, während er den „besonnenere[n] Teil der Arbeiterschaft“ 55 lobte, der sich nicht an der Maifeier beteiligte. Paul Köttnitz hingegen verwendete für seine Berichte noch 1926 den Briefkopf des Königlichen Bezirksamts, nur selten strich er den Zusatz „K.“ weg und erst 1927 ließ er ein neues Eingangsschild an seinem Amt ohne monarchischen Titel anbringen. 56 Passend zu seiner Treue gegenüber dem Bayerischen Königshaus gehörte er
Vgl. Halbmonatsberichte des Regierungspräsidenten von Oberfranken, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ministerium des Äußern (künftig: BayHStA, MA), Nr. 102.155/1–3. Zur Person und zur Amtszeit Otto Ritter von Strößenreuthers vgl. Wirz, Ulrich: Otto von Strößenreuther. Regierungspräsident (1916–1932). In: Die Präsidenten. 200 Jahre Regierung von Oberfranken in Bayreuth. Hg. v. S. Nöth/K. Rupprecht. Bamberg 2010, S. 319–337. 45 Vgl. Rupprecht, Klaus: Die allgemeine Volksstimmung – Aus den Wochenberichten der Regierung von Oberfranken 1918/19. In: Räterepublik oder parlamentarische Demokratie. Die „Bamberger“ Verfassung 1919 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 10). Hg. v. W. Wagenhöfer/ R. Zink. Bamberg 1999, S. 67 f. 46 1929 wurde das Bezirksamt Bamberg I mit dem Bezirksamt Bamberg II zusammengelegt und Paul Köttnitz Vorstand des vereinigten Bezirksamts Bamberg im Ebracher Hof. Vgl. Köttnitz-Porsch, Bettina: Der Konflikt zwischen Nationalsozialismus und Beamtentum 1933, dargestellt am Beispiel des Bezirksamtsvorstands und Stadtkommissars in Bamberg, des Oberregierungsrats Paul Köttnitz. In: BHVB 128 (1992), S. 275 f. 47 Paul Köttnitz übernahm zum 1. Juli 1925 das Bezirksamt Bamberg II von Sebastian Fackelmann. Vgl. Köttnitz-Porsch, Konflikt, S. 275; Braun, Lothar: Paul Köttnitz (1875–1954). Verwaltungsbeamter und Vereinsvorsitzender. In: BHVB 141 (2005), S. 204–207. 48 Vgl. Wochenberichte der sämtlichen Distriktsverwaltungsbehörden, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835–1852; Halbmonatsberichte der Bezirksverwaltungsbehörden, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1853–1887. 49 Vgl. Witetschek, Helmut: Die kirchliche Lage in Bayern nach den Regierungspräsidentenberichten 1933–1943, 2. Regierungsbezirk Ober- und Mittelfranken (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Bd. 8). Mainz 1967, S. XX–XXII; Wirz, Strößenreuther, S. 334. 50 Die Akten der Halbmonatsberichte im Staatsarchiv Bamberg enden 1931; in Ansbach wurden diese nicht aufgehoben und somit auch nicht an das Staatsarchiv Nürnberg abgegeben. Mündliche Auskunft im Staatsarchiv Nürnberg von Gunther Friedrich am 8.1. 2015. Vgl. Witetschek, Lage, S. IXX. 51 Vgl. Halbmonatsberichte des Regierungspräsidenten von Oberfranken, BayHStA, MA, Nr. 102.155/1–3. 52 Vgl. Halb- und Monatsberichte des Regierungspräsidiums von Ober- und Mittelfranken, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Staatskanzlei (künftig: BayHStA, StK), Nr. 6677. In diesem Bestand fehlen die Berichte vom 15. 4.1933 bis zum 31. 5.1933. 53 Vgl. Rupprecht, Volksstimmung, S. 67. 54 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 2.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860. 55 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 15. 5.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. 56 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 15. 6.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 8.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 12.10.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1871. 44
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der Bayerischen Volkspartei (BVP) als Mitglied an. 57 Ebenso blickte auch Otto von Strößenreuther wehmütig auf die monarchischen Zeiten in Bayern zurück. 58 In einer Meldung von 1932 vermerkte er stolz seine Teilnahme an der Hochzeit der Prinzessin Sybilla von Sachsen-Coburg-Gotha und verglich das Fest mit Feiern in der „Zeit der Monarchie“. 59 Hinsichtlich der Interpretation des Arbeitermilieus in Bamberg ergibt sich der Befund, dass die verantwortlichen Beamten keine Sympathien für die linke Bewegung hegten. Sie verfolgten deren Aktivitäten akribisch und betonten besonders die Gefahr von links, während sie derselben von rechts weniger Aufmerksamkeit schenkten und diese unterschätzten. 60 Außer den Wochen- und Halbmonatsberichten legte die Regierung von Oberfranken weitere Akten zu den Arbeiterorganisationen an, in denen thematisch Informationen beispielsweise zu den Freidenkern, zur Jugendbewegung oder zu den Verfassungsfeiern gesammelt wurden. Diese finden sich vor allem im Bestand der Regierung von Oberfranken, Abgabe 1967, im Staatsarchiv Bamberg. 61 Für die juristische Sicht waren die Akten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Bamberg und der Generalstaatsanwaltschaft des Oberlandesgerichts Bamberg, die Einblicke in Prozesse und Haftstrafen zuließen, hilfreich. 62 Aus der Zeit des Nationalso-
zialismus konnten Unterlagen der Kreisleitung der NSDAP und der Deutschen Arbeitsfront in Bamberg herangezogen werden, die Rückschlüsse auf die Weimarer Republik zuließen. 63 Im Stadtarchiv Bamberg bot die Hauptregistratur der neuen städtischen Bestände eine umfangreiche Quellengrundlage. 64 Diese beinhaltet Akten zum Versammlungs- und Vereinsrecht, zu den Wahlen und zur sozialen Gliederung Bambergs. Seit der Gemeindereform 1919 fungierte der Stadtrat als alleiniges Organ der kommunalen Selbstverwaltung und hatte daher in der neuen demokratischen Ordnung großes Gewicht. 65 Die SPD stellte in Bamberg während der gesamten Weimarer Republik die zweitstärkste Fraktion nach der BVP. Ihre Kommunalpolitik und ihr Abstimmungsverhalten wurden anhand der Stadtratsprotokolle untersucht. 66 Für die Jahre zwischen 1918 und 1924 konnten darüber hinaus Kenntnisse aus den Akten des sogenannten Kriegsarchivs gewonnen werden. 67 Nach dem archivalischen Prinzip der Pertinenz wurde die Bamberg-Sammlung angelegt und beinhaltet Themenkollektionen unterschiedlicher Quantität beispielsweise zu den Maifeiern oder den Gewerkschaften. 68 Personenbezogene Angaben zu wichtigen Vertretern der Bamberger Arbeiterschaft konnten aus den Adressbüchern und der Kartei des Einwohnermeldeamts ermittelt werden. 69
Vgl. Blessing, Werner K.: „Deutschland in Not, wir im Glauben …“ Kirche und Kirchenvolk in einer katholischen Region 1933–1949. In: Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 26). Hg. v. M. Broszat/K.-D. Henke/H. Woller. München 1989, S. 21. 58 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4.11.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 59 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4.11.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 60 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 4.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Wirz, Strößenreuther, S. 328–332. 61 Vgl. StABa, Regierung von Oberfranken, K 3, Abgabe 1967 (künftig: StABa, K 3/1967); StABa, K 3, Präs. Reg. 62 Vgl. StABa, Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Bamberg, K 105 (künftig: StABa, K 105); StABa, Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, K 100/6 (künftig: StABa, K 100/6). 63 Vgl. StABa, Kreisleitungen der NSDAP im Gau Bayerische Ostmark, M 33 (künftig: StABa, M 33); StABa, Deutsche Arbeitsfront, Akten über den Leistungskampf der deutschen Betriebe, M 36 (künftig: StABa, M 36). 64 Vgl. StadtABa, C 2. 65 Vgl. Volkert, Wilhelm: Die Staats- und Kommunalverwaltung. In: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (= Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4,2). Hg. v. A. Schmid. München 2007, S. 92 f.; Mages, Emma: Gemeindeverfassung (19./20. Jahrhundert). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Gemeindeverfassung (19./20. Jahrhundert)i (27.1. 2016). 66 Vgl. StadtABa, Stadtverwaltungsrat/Munizipalrat/Stadtrat, C 1 (künftig: StadtABa, C 1). Das Buch der Stadtratsprotokolle des Jahres 1922 (Signatur: StadtABa, C 1, Nr. 672) konnte auf Bestellung am 16. 9. 2015 nicht aufgefunden und folglich nicht eingesehen werden. 67 Vgl. StadtABa, Kriegsarchiv, C 56 (künftig: StadtABa, C 56). 68 Vgl. StadtABa, Bamberg-Sammlung, BS (künftig: StadtABa, BS), Nr. 2862/21, 6941. 69 Vgl. Adressbücher der Stadt Bamberg 1922, 1926/27, 1928/29, 1930/31, 1934, StadtABa; Einwohnermeldekarten, StadtABa, Einwohnermeldeamt, C 9 (künftig: StadtABa, C 9). Aufgrund einer Gesetzesänderung des Bundesmeldegesetztes 2013 unterliegen die Einwohnermeldekarten ab 1. 5. 2015 nicht mehr den Schutzfristen für Archivalien, sondern den Schutzfristen des Meldegesetzes und können daher erst 55 Jahre nach dem letzten verzeichneten Eintrag eingesehen werden. Einige relevante Einwohnermeldekarten konnten infolgedessen nicht benutzt werden. Mündliche Auskunft im Stadtarchiv Bamberg von Winfried Theuerer am 19.1. 2016. Vgl. Cramer-Fürtig, Michael: Personenstands- und Meldeunterlagen in bayerischen Kom57
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Zur Recherche wurden weitere lokale Archive besucht, nämlich das Büro des SPD-Unterbezirks Bamberg-Forchheim und das Archiv des Erzbistums Bamberg. 70 In der SPD-Geschäftsstelle finden sich unsystematische Sammlungen von Erinnerungsstücken, privaten Fotos und Aufzeichnungen, die eine Ergänzung zur behördlichen Überlieferung darstellen. Akten der Diözese Bamberg ermöglichten Einsichten in die Einschätzung der katholischen Kirche zur Bamberger Arbeiterschaft. Das sozialistische Milieu Bamberg hinterließ jedoch nicht nur vor Ort Spuren, sondern es finden sich auch einschlägige Akten im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München und im Bundesarchiv in Berlin. Bayerische Ministerien wie das Innenministerium, das Außenministerium, das Ministerium für Handel, Industrie und Gewerbe und das Justizministerium übermittelten Informationen zu Unruhen, Kundgebungen und Strafprozessen in Bamberg. 71 Eine sehr gute Überlieferungslage charakterisiert die Bestände des Bayerischen Landesentschädigungsamtes (LEA), das zahlreiche Einzelfallakten zu politisch verfolgten Personen des Nationalsozialismus umfasst. 72 Nach gesetzlichen Regelungen wurde die Behörde 1949 gegründet und dem Ministerium der Finanzen untergeordnet. 73 Daher finden sich die erschlossenen Akten heute als sogenannte „LEA-Akten“ in den Abgaben des Finanzministeriums. 74 Führende Vertreter des Bamberger Arbeitermilieus stellten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Anträge auf Wiedergut-
machung 75 und Entschädigung beispielsweise wegen Haftaufenthalten in Gefängnissen und Konzentrationslagern. Obwohl die Akten nicht in der Weimarer Republik generiert wurden, beinhalten sie viele Details zu den Werdegängen der Antragsteller vor der NS-Zeit. Als Quelle sind die persönlichen Eingaben und Verfahren eine wertvolle Ergänzung für diese Arbeit. Im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde boten die Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAPMO) und die Abteilung R des Deutschen Reiches Akten zum Bamberger Arbeitermilieu. 76 So wurden Bestände zur KPD, SPD und Bayerischen Räterepublik ausgewertet und neue Informationen aus den Unterlagen des Reichssicherheitshauptamtes und den Akten der nationalsozialistischen Justiz gewonnen. 77 Die in den 1980er Jahren vom Zentralen Parteiarchiv der SED angelegte Kartei zu Personen des antifaschistischen Widerstandskampfes beinhaltete zahlreiche Namen von Gegnern des Nationalsozialismus aus Bamberg und verwies außerdem auf weitere Akten. 78 Mithilfe der NSDAP-Mitgliederkartei aus dem früheren Berlin Document Center und dem Hauptarchiv der NSDAP in München wurde die NSDAP-Ortsgruppe Bamberg und ihre Verbindung zur Arbeiterschaft untersucht. 79 Des Weiteren gaben die sogenannten Z-Bestände, ein Teil des NSArchivs des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Hinweise auf Bamberger Personen. 80 Zur Vervollständigung der Quellenbasis dienten Auf-
munalarchiven. In: Kommunalarchive – Häuser der Geschichte. Quellenvielfalt und Aufgabenspektrum. Hg. v. D.-M. Krenn/M. Stephan/U. Wagner. Würzburg 2015, S. 150–152. 70 Vgl. Archiv des SPD-Unterbezirks Bamberg-Forchheim (künftig: SPDBa); Archiv des Erzbistums Bamberg (künftig: AEB). 71 Vgl. BayHStA, Ministerium des Innern (künftig: BayHStA, MInn); BayHStA, MA; BayHStA, Ministerium für Handel, Industrie und Gewerbe (künftig: BayHStA, MHIG); BayHStA, Ministerium der Justiz (künftig: BayHStA, MJu). 72 Vgl. Grau, Bernhard: Entschädigungs- und Rückerstattungsakten als neue Quelle der Zeitgeschichtsforschung am Beispiel Bayerns. In: Zeitenblicke 3 (2004), Nr. 2, URL: hhttp://zeitenblicke.historicum.net/2004/02/grau/-index.htmli (27.1. 2016). 73 Vgl. Grau, Entschädigungs- und Rückerstattungsakten. 74 Vgl. BayHStA, Ministerium der Finanzen, Landesentschädigungsamt (künftig: BayHStA, MF, LEA). 75 Zur Debatte und Problematik des Begriffs Wiedergutmachung vgl. Hockerts, Hans Günter: Wiedergutmachung in Deutschland. Eine historische Bilanz 1945–2000. In: VfZ 49 (2001), S. 167–170. 76 Vgl. Simon, Ute: Das Bundesarchiv. Dienstleister für Forschung, Öffentlichkeit und Verwaltung. Koblenz 2007, S. 105, 114 f. 77 Vgl. Bundesarchiv Berlin, Kommunistische Partei Deutschlands, RY 1 (künftig: BArch, RY 1); BArch, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, RY 20 (künftig: BArch, RY 20); BArch, Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland 1918/19, SgY 10 (künftig: BArch, SgY 10); BArch, Reichssicherheitshauptamt, R 58 (künftig: BArch, R 58); BArch, R 3018, Nationalsozialistische Justiz (künftig: BArch, R 3018). 78 Vgl. BArch, Kartei zu Personen des antifaschistischen Widerstandskampfes. 79 Vgl. BArch, Mitgliederkartei der NSDAP, Ortskartei, 3200 (künftig: BArch, 3200); BArch, Mitgliederkartei der NSDAP, Zentralkartei, 31XX (künftig: BArch, 31XX). 80 Vgl. BArch, Ehemaliges NS-Archiv Ministerium für Staatssicherheit, Z (künftig: BArch, Z). Zur Überlieferungsgeschichte, Abgabe und Umarbeitung der Akten vgl. Dumschat, Sabine: Archiv oder „Mülleimer“? Das „NS-Archiv“ des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR und seine Aufarbeitung im Bundesarchiv. In: Archivalische Zeitschrift 89 (2007), S. 119–146.
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enthalte im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn und in den Staatsarchiven München und Würzburg. 81 Eine Untersuchung des sozialistischen Milieus bedarf allerdings nicht nur der Außensicht von Regierung, Polizei und Verwaltung. Wesentlich ist die interne Perspektive. Da aufgrund der zeitlichen Differenz von circa 90 Jahren keine Zeitzeugen mehr befragt werden konnten und somit die Möglichkeiten der Oral History ausschieden, wurde die Milieupresse in Form der relevanten Zeitungen analysiert. Im Unterschied zu heute war die Presselandschaft der Weimarer Republik stärker politisch gegliedert. 82 Tageszeitungen waren bestimmten Parteien zugeordnet oder wurden von diesen herausgegeben, sodass sich der Leserkreis aus deren Anhängern rekrutierte. Infolgedessen dienten Artikel nicht nur der objektiven Berichterstattung, sondern auch der Selbstdarstellung. Die Arbeiterpresse war das Sprachrohr, Informationsmedium und der Resonanzboden des sozialistischen Milieus. Für die Bamberger Arbeiterschaft war in diesem Zusammenhang die Lektüre der Zeitung Der Freistaat 83 entscheidend, denn diese war zwischen 1919 und 1933 das offizielle Parteiorgan der SPD-Bamberg und verfügte vor Ort über eine eigene Redaktion und Geschäftsstelle. 84 Sie erschien werktags und
umfasste neben allgemeinen und lokalen Nachrichten Berichte über Veranstaltungen des Arbeitermilieus und Ankündigungen der proletarischen Vereine. Insgesamt wurde der örtlichen Rubrik namens „Bamberger Chronik“ viel Raum eingeräumt. Herausgegeben und gedruckt wurde Der Freistaat seit 1920 als Kopfblatt des Fränkischen Volksfreunds in Würzburg. 85 Die Auflagenhöhe des Freistaats ist nicht bekannt, da sie vor 1945 freiwillig als Eigenangabe erfolgte und die sozialdemokratischen Verlage nur selten solche statistischen Zahlen veröffentlichten. 86 Die Ortsgruppen der USPD und KPD in Bamberg besaßen hingegen keine eigenen Tageszeitungen. Ihre Meldungen wurden in den übergeordneten regionalen Parteizeitungen veröffentlicht. Für die USPD in Nordbayern war der in Nürnberg herausgegebene Sozialdemokrat unter der Schriftleitung des Landtagsabgeordneten Erwin Neumann zuständig. 87 1918 erschien dieser als Wochenblatt, anschließend wurde die Periodizität bis zur Einstellung der Zeitung 1922 auf sechs Ausgaben pro Woche erhöht. 88 In der Überlieferung klafft jedoch eine Lücke, denn der zweite Jahrgang des Sozialdemokraten von 1919 ist nicht mehr vorhanden. Die Belegexemplare in der Bayerischen Staatsbibliothek fehlen und auch in die zentrale Zeitschriftendaten-
Vgl. Archiv der sozialen Demokratie (künftig: AdsD); Staatsarchiv München (künftig: StAM); Staatsarchiv Würzburg (künftig: StAW). Vgl. Schmidt, Alexander: Kultur in Nürnberg 1918–1933. Die Weimarer Moderne in der Provinz. Nürnberg 2005, S. 54; Weichlein, Siegfried: Sozialmilieus und politische Kultur in der Weimarer Republik. Lebenswelt, Vereinskultur, Politik in Hessen (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 115). Göttingen 1996, S. 68. 83 Der Freistaat (künftig: FS). Der vollständige Titel lautete vom 8. 4.1919 bis 5. 5.1919: Der Freistaat. Amtliches Organ der Bayerischen Landes-Regierung. Zwischen 6. 5.1919 und 31. 5.1919 hieß die Zeitung: Der Freistaat. Neben der „Bayerischen Staatszeitung“ bis auf weiteres amtliches Organ der Bayerischen Landes-Regierung. Am 2. 6.1919 trug die Zeitung den Titel: Der Freistaat. Sozialdemokratisches Parteiorgan für den Reichstags-Wahlkreis Bamberg und für das westliche Oberfranken und nannte sich ab 3. 6.1919 bis zur letzten Ausgabe am 13. 3.1933: Der Freistaat. Sozialdemokratisches Organ für Bamberg und für das westliche Oberfranken. Vgl. FS v. 8. 4.1919, Nr. 1; FS v. 5. 5.1919, Nr. 21; FS v. 6. 5.1919, Nr. 22; FS v. 31. 5.1919, Nr. 43; FS v. 2. 6.1919, Nr. 44; FS v. 3. 6.1919, Nr. 45. 84 Vgl. Merz, Johannes: Der Freistaat. Amtliches Organ der Bayerischen Landesregierung. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Der Freistaat. Amtliches Organ der Bayerischen Landesregierungi (6. 2. 2016); Oberst, Julia: Bamberg von links: „Der Freistaat“ und seine Bedeutung für die Arbeiterschaft 1919 bis 1933. In: BHVB 151 (2015), S. 233–258. 85 Vgl. FS v. 2. 8.1920, Nr. 176; Frei, Provinzpresse, S. 116. 86 Frei spricht von einer „geringen Auflage“ des Freistaats ohne diese weiter zu präzisieren. Für die fünf SPD-Tageszeitungen aus Coburg, Hof, Bayreuth, Regensburg und Bamberg geht er von einer Abonnentenzahl von etwa 30.000 aus. Vgl. Ala-Zeitungskatalog. Berlin 1920, S. 57; AlaZeitungskatalog. Berlin 1928, S. 7, 17; Stöber, Rudolf: Bamberger Zeitungen. Eine Strukturanalyse. In: Kommunikation über Grenzen. Studien deutschsprachiger Kommunikationswissenschaftler zu Ehren von Prof. Dr. Joan Hemels. Hg. v. A. Kutsch/S. Averbeck-Lietz/H. Eickmans. Berlin 2014, S. 194; Eisfeld, Gerhard/Koszyk, Kurt: Die Presse der deutschen Sozialdemokratie. Eine Bibliographie. Bonn 21966, S. 68, 194; Frei, Provinzpresse, S. 114–116. 87 Vgl. Grau, Bernhard: Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), 1917–1922. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp:// www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), 1917–1922i (1. 2. 2016). Zur Person Erwin Neumann vgl. Schröder, Wilhelm Heinz: Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1867–1933. Biographien, Chronik, Wahldokumentation. Ein Handbuch (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 7). Düsseldorf 1995, S. 631 f. 88 Vgl. Meier, Ernst: Zeitungsstadt Nürnberg (= Schriften des Instituts für Publizistik an der Universität Erlangen- Nürnberg, Bd. 2). Berlin 1963, S. 51. 81
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bank der Deutschen Nationalbibliothek ist dieser Jahrgang nicht aufgenommen worden. 89 Bamberger Vorkommnisse wurden darin unter den Rubriken „Aus dem Lande“ oder „Kleine bayerische Nachrichten“ bekannt gegeben. 90 Ebenso wie beim Freistaat wurde die Auflage der Zeitung Sozialdemokrat im zeitgenössischen Zeitungskatalog nicht angegeben. 91 Der KPD-Bamberg diente seit ihrer Gründung 1921 das bayerische Presseorgan Neue Zeitung aus München zur Veröffentlichung ihrer Nachrichten. 92 Lokalberichte zu Bamberg fanden in unregelmäßigen Abständen Eingang. Außerdem setzte man sich mit den Artikeln des sozialdemokratischen Freistaats auseinander. 93 Während der Zeit der parteilichen Illegalität war die Neue Zeitung ab 1923 nicht mehr genehmigt und die kommunistische Presse in Bayern kam zum Erliegen. 94 Nach Ende des Parteiverbots 1925 etablierte sich die Neue Zeitung neu und richtete im Mai 1925 eine eigene Geschäftsstelle in Nürnberg für Nordbayern ein. 95 Meldungen der KPD-Bamberg stellten jedoch eine Ausnahme dar und waren meist nur im allgemeinen Kontext von Wahlen oder Bezirksversammlungen anzutreffen. 96 Dies änderte sich im Laufe des Jahres 1926, als der Bezirk Nordbayern zum 1. Oktober die eigene Nordbayerische Volkszeitung herausgab, deren
Gesamtleitung dem Nürnberger Kommunisten Hermann Schirmer oblag. 97 Vermehrt wurde nun über politische und sportliche Ereignisse in Bamberg berichtet. 98 1927 schloss sich die Nordbayerische Volkszeitung wieder der Neuen Zeitung an und wurde zum Kopfblatt der Zeitung in München. 99 Infolge eines Rechtsstreits war man 1930 dazu gezwungen, den Namen zu ändern, sodass ab 17. März 1930 aus der Nordbayerischen Volkszeitung die Neue Zeitung. Ausgabe A für den Bezirk Nürnberg, Franken und Oberpfalz wurde. 100 Diese zählte 1930 für Nordbayern etwa 1.500 Abonnenten und rekrutierte ihren Leserkreis ausschließlich aus Parteimitgliedern. 101 Für die KPD in Bamberg brachten die Umstrukturierungen keine Änderung, denn das nördliche Bayern wurde weiterhin separat von Redakteuren betreut und behielt bis 1933 eine eigene Geschäftsstelle in Nürnberg. 102 Wie der sozialdemokratische Freistaat erschien die kommunistische Tageszeitung sechsmal pro Woche. Die Theorie entsprach aber nicht der Praxis, denn die Neue Zeitung wurde unter Anwendung des Gesetzes zum Schutze der Republik oder des NotverordnungsArtikels 48 vom Reichspräsidenten häufig für mehrere Wochen verboten. 103 Nach der Abspaltung der Kommunistischen Partei-Opposition (KPO) von der KPD und der
Mündliche Auskunft und Recherche in der Bayerischen Staatsbibliothek in München am 9. 6. 2015. Eventuell steht dieser Verlust in Zusammenhang mit den chaotischen Zuständen während der zweiten Revolution und der Räterepublik in München und Bayern 1919. 90 Vgl. SO v. 23. 7.1920, Nr. 170; SO v. 3. 4.1922, Nr. 79. 91 Vgl. Ala-Zeitungskatalog 1920, S. 60. 92 Vgl. Neue Zeitung. Organ für das arbeitende Volk (künftig: NZ) v. 25.1.1921, Nr. 633. 93 Vgl. NZ v. 15. 9.1922, Nr. 189. 94 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 127, 146. 95 Vgl. NZ v. 9. 5.1925, Nr. 10. 96 Vgl. NZ v. 30. 3.1925, Nr. 11; NZ v. 13. 6.1925, Nr. 72; NZ v. 27. 6.1925, Nr. 84. 97 Vgl. Mehringer, Hartmut: Die KPD in Bayern 1919–1945. Vorgeschichte, Verfolgung und Widerstand. In: Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand (= Bayern in der NS-Zeit, Bd. 5). Hg. v. M. Broszat/H. Mehringer. München u. a. 1983, S. 38; Weber, Hermann/Herbst, Andreas: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. Berlin 2004, S. 662; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 217 f., 325. 98 Vgl. NV v. 15.10.1926, Nr. 13; NV v. 21.10.1926, Nr. 18. 99 Vgl. Lagebericht v. 2. 2.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 718. 100 Vgl. Neue Zeitung. Ausgabe A. Organ der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der 3. Internationale). Bezirk Nordbayern für Nürnberg, Franken, Oberpfalz (künftig: NZA) v. 17. 3.1930, Nr. 63; Mehringer, KPD, S. 38; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 218. Eine bürgerliche Zeitung namens Nordbayerische Zeitung hatte wegen der Ähnlichkeit der Namen gegen die Nordbayerische Volkszeitung geklagt. 101 Vgl. Lagebericht v. 6. 5.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 766; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 218. Die unbelegte Angabe von Ernst Meier, der 1930 von 20.000 Abonnenten für die Neue Zeitung spricht muss hingegen anzweifelt werden. Vgl. Meier, Zeitungsstadt, S. 52. 102 Vgl. NZA v. 27.1.1928, Nr. 21; NZA v. 2.1.1929, Nr. 1; NZA v. 18. 3.1930, Nr. 64; NZA v. 3.1.1931, Nr. 1; NZA v. 10.1.1931, Nr. 6; NZA v. 11.1.1932, Nr. 1; NZA v. 2.1.1933, Nr. 1. Eine Ausnahme stellte das Jahr 1928 dar, als es keine Geschäftsstelle in Nürnberg gab und Hermann Schirmer folglich in München arbeitete. Die Redakteure für Nordbayern wechselten nach dem Weggang von Hermann Schirmer ab 1931 mehrmals, u. a. bekleideten Hermann Prell und Jean Wohlfahrt diesen Posten. 103 Besonders während der Zeit der Präsidialkabinette nahm die Anzahl der kommunistischen Zeitungsverbote ab Ende 1930 erheblich zu. Vgl. NZA v. 3.1.1931, Nr. 1.; NZA v. 7.10. 31, Nr. 14; Koszyk, Kurt: Deutsche Presse 1914–945 (= Geschichte der deutschen Presse, Bd. 3/Abhandlungen und Materialien zur Publizistik, Bd. 7). Berlin 1972, S. 338–342; Mehringer, KPD, S. 36 f.; Frei, Provinzpresse, S. 35–37. 89
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Gründung einer Ortsgruppe der KPO in Bamberg 1930 gaben deren Mitglieder ab April 1931 eine eigene Zeitschrift namens Der rote Scheinwerfer heraus. 104 Diese wurde von der KPO in Bamberg selbst gedruckt, umfasste etwa zwölf Seiten und erschien in einer Auflage von etwa 270 Stück. 105 Ein vollständiger Satz aller Ausgaben hat sich weder in einem Archiv noch in einer Bibliothek erhalten. Einzelexemplare finden sich lediglich in verschiedenen Beständen wieder. 106 Der rote Scheinwerfer entsprach hinsichtlich des Aufbaus und Inhalts weniger einer Zeitung als vielmehr einem lokalen Mitteilungsblatt und bediente sich statt professioneller Bilder selbstgemalter Skizzen und Karikaturen. Quantität und Qualität sind also nicht mit dem Freistaat und der Neuen Zeitung vergleichbar. Neben den Parteien veröffentlichten auch deren Unterorganisationen und Vereine eigene Zeitungen. Als Beilage des sozialdemokratischen Freistaats erschien zwischen 1924 und 1929 monatlich die Jugend-Stimme, die für die Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) in Bamberg, Würzburg und Schweinfurt bestimmt war. 107 Die Jungsozialisten hingegen lasen die Jungsozialistische[n] Blätter, 108 die Mitglieder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold informierten sich in der Wo-
chenzeitung Das Reichsbanner, 109 die Naturfreunde bezogen alle zwei Monate das Organ Nordbayerischer Wanderer 110 und die Funktionäre des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) tauschten sich im Nachrichtenblatt 111 aus. Der innerstädtische Diskurs in Bamberg und die Auseinandersetzungen mit dem Freistaat wurden dominiert von den zwei größten Tageszeitungen, dem Bamberger Tagblatt und dem Bamberger Volksblatt. 112 Während das Tagblatt durch den Besitzer Dr. Richard Freiherr von Michel-Raulino und den Leitartikler Johann Baptist Dietrich eine deutschnationale Position vertrat, war das Volksblatt für die katholische Bevölkerung das meinungsführende Medium. 113 Darüber hinaus umfasste die Presselandschaft in Bamberg weitere Tageszeitungen, sodass Bamberg Ansehen als „Zeitungszentrum der Region“ 114 genoss. Bis zur Inflation im Jahr 1923 repräsentierten die Bamberger Neuesten Nachrichten die nationalliberale Haltung. 115 Die NSDAP-Bamberg hingegen brachte zwischen 1926 und 1933 das Wochenblatt Die Flamme heraus und wurde dafür heimlich mit Artikeln des Tagblatt-Redakteurs Dietrich versorgt. 116 Außerdem erschien zwischen Mai und Dezember 1932 eine weitere nationalsozialistische Wochenzei-
Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. Der Stadtkommissar Bamberg meldete 1931 die Beschlagnahmung der gesamten Auflage von 274 Stück. 106 Vgl. StadtABa, BS, Nr. 2835; StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 107 Vgl. Jugend-Stimme. Beilage zum „Fränkischen Volksfreund“ und „Freistaat“ (künftig: JS) v. 5.1924, Nr. 1. 108 Vgl. Jungsozialistische Blätter. Berlin 1922–1931. 109 Vgl. Das Reichsbanner. Zeitung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Bund Deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner E.V. Magdeburg 1924– 1933. 110 Vgl. Nordbayerischer Wanderer. Nachrichtenblatt des Touristenvereins „Die Naturfreunde“, Gau Nordbayern. Nürnberg 1920–1930. 111 Vgl. Walter, Franz: Der Arbeiter-Samariter-Bund. In: Sozialistische Gesundheits- und Lebensreformverbände (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 2). Hg. v. P. Lösche. Bonn 1991, S. 408. Das Nachrichtenblatt für die Funktionäre des Arbeiter-Samariter-Bundes erschien zwischen 1926 und 1933 in Chemnitz. 112 Bamberger Tagblatt (künftig: BT); Bamberger Volksblatt (künftig: BV). Das Tagblatt erschien Mitte der 1920er Jahre in einer Auflage von fast 30.000, diese sank bis Anfang 1933 auf 20.000; die Hauptausgabe des Volksblattes erschien 1933 in einer Stückzahl von 17.000. Vgl. Frei, Provinzpresse, S. 261, 269; Stöber, Zeitungen, S. 191 f.; Walther, Karl Klaus: Verlage und Buchhandlungen in Bamberg 1918 bis 1950. Kontinuitäten, Konzessionen und Konflikte (= Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München, Bd. 74). Wiesbaden 2007, S. 46–61; Frei, Provinzpresse, S. 261; Knoch, Stefan: Bamberger Tagblatt (1834–1945). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/ Lexikon/Bamberger Tagblatt (1834–1945)i (25. 2. 2016). 113 Vgl. Frei, Provinzpresse, S. 258–267. 114 Walther, Verlage, S. 46; vgl. Frei, Provinzpresse, S. 261. 115 Vgl. Frei, Provinzpresse, S. 262. 116 Der vollständige Zeitungstitel lautete chronologisch: Die Flamme. Kampfblatt der NSDAP Nordbayerns, Die Flamme. Nationalsozialistisches Kampfblatt und Die Flamme. Fränkische Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Kultur und Technik. Vgl. Frei, Provinzpresse, S. 267; Hambrecht, Rainer: Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken (1925–1933) (= Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte, Bd. 17). Nürnberg 1976, S. 162–164; Stein, Peter: Die NS-Gaupresse 1925–1933. Forschungsbericht – Quellenkritik – neue Bestandsaufnahme (= Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung, Bd. 42). München u. a. 1987, S. 40 f., 192; Kieszkowska, Karolina: Die NS-Bewegung in Stadt und Landkreis Bamberg im Spiegel des NS-Blattes „Die Flamme“. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2012. 104 105
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Milieutheorie und das Konzept des sozialistischen Milieus
tung namens Bamberger Beobachter. 117 All diese Zeitungen wurden für die vorliegende Arbeit zur Interpretation der Verhältnisse, Ereignisse und
Auseinandersetzungen herangezogen und vervollständigen das Bild des sozialistischen Milieus in Bamberg.
1.3 Milieutheorie und das Konzept des sozialistischen Milieus Seitdem der Soziologe Mario Rainer Lepsius in einer Studie zur Wahlforschung namens „Parteiensystem und Sozialstruktur: zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft“ 118 1966 den Begriff der „sozialmoralischen Milieus“ 119 eingeführt hatte, entwickelte sich dieser Ansatz zum „Dauerbrenner“ und Erfolgsmodell in den Geschichts-, Politik- und Sozialwissenschaften. Keine Darstellung der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts kann diesen Aspekt übergehen oder ignorieren. 120 Selbst aktuelle Presseberichte greifen den Begriff auf, um etwa die Hintergründe des Terrorismus im 21. Jahrhundert oder Wählerwanderungen zu erklären. 121 Das Milieukonzept hat sich folglich als fruchtbare Grundlage für Studien zur Sozial- und Gesellschaftsgeschichte erwiesen, da es erstmals Wahlverhalten, parteipolitische Zugehörigkeit und ideologische Weltanschauung mit der Lebenswelt und dem Kultur- und Freizeitverhalten seiner Mitglieder verknüpfte. In seinem Aufsatz beschäftigte sich Lepsius mit der auffälligen Stabilität des deutschen Parteiensys-
tems von der Reichsgründung bis zur Weltwirtschaftskrise und suchte nach den Ursachen der verspäteten und schwachen Demokratisierung in Deutschland. 122 Er stellte dabei die These auf, dass die Fragmentierung der Gesellschaft in sozialmoralische Milieus diese Besonderheiten bedingte. 123 Die Parteien agierten als „Aktionsausschüsse“ 124 der Milieus, fokussiert auf die Interessen ihrer Mitglieder und den Erhalt ihrer Gemeinschaft. 125 Daher mangelte es ihnen im politisch-demokratischen Prozess der Meinungsbildung an Kompromissund Konsensfähigkeit. 126 Die Abschottung der Milieus bewirkte die Konzentration auf interne Organisationsstrukturen, die Ausbildung von Subkulturen und führte zur Verfestigung der isolierten lebensweltlichen Milieus. 127 Der Parlamentarismus der Weimarer Republik war zum Scheitern verurteilt, da die Demokratisierung der Gesellschaft aufgrund der Milieus unvollendet geblieben war. 128 Insgesamt postulierte Lepsius die Herausbildung vier sozialmoralischer Milieus während des deutschen Kaiserreichs:
Der vollständige Zeitungstitel lautete: Bamberger Beobachter. Nationalsozialistische Zeitung für Bamberg und Umgebung. Die Auflage des Bamberger Beobachters schwankte zwischen 1.000 und 5.000 Stück. 1933 änderte sich der Titel in Bamberger Sonntagszeitung, 1934 wurde die Zeitung eingestellt. Vgl. Väth, Verena: Der „Bamberger Beobachter“ – Analyse eines nationalsozialistischen Blattes. Unveröffentlichte Bachelorarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2011, S. 7 f.; Hambrecht, Aufstieg, S. 168; Knoch, Tagblatt; Stein, NS-Gaupresse, S. 192. 118 Vgl. Lepsius, Mario Rainer: Parteiensystem und Sozialstruktur: zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft. In: Wirtschaft, Geschichte und Wirtschaftsgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Friedrich Lütge. Hg. v. W. Abel/K. Borchardt/H. Kellenbenz u. a. Stuttgart 1966, S. 371–393. Erneut abgedruckt in: Die deutschen Parteien vor 1918. Hg. v. G. A. Ritter. Köln 1973, S. 56–80 und in: Demokratie in Deutschland. Soziologisch-historische Konstellationsanalysen. Ausgewählte Aufsätze (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 100). Hg. v. M. R. Lepsius. Göttingen 1993, S. 25–50. Für die Zitierung in dieser Arbeit wird der Abdruck bei Gerhard A. Ritter verwendet. 119 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 68. 120 Vgl. Walter, Franz/Matthiesen, Helge: Milieus in der modernen deutschen Gesellschaftsgeschichte. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung. In: Anpassung, Verweigerung, Widerstand. Soziale Milieus, Politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland im regionalen Vergleich (= Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Reihe A, Bd. 3). Hg. v. D. Schmiechen-Ackermann. Berlin 1997, S. 46; Nipperdey, Thomas: 1866–1918. Machtstaat vor der Demokratie (= Deutsche Geschichte, Bd. 2). Sonderausgabe. München 1998, S. 312. 121 Vgl. Smoltczyk, Alexander/Weiss, Maurice: Endstation Bataclan, Der Spiegel v. 20. 2. 2016, S. 68–73; Stark, Holger: Der weiße Aufstand, Der Spiegel v. 5. 3. 2016, S. 88–91. 122 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 56, 60–63. 123 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 67. 124 Lepsius, Parteiensystem, S. 67. 125 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 68. 126 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 66. 127 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 65, 68, 74. 128 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 66, 78; Weichlein, Sozialmilieus, S. 317. 117
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1. das katholische Milieu 2. das konservative bzw. agrarisch-protestantischostelbische Milieu 3. das liberale bzw. protestantisch-städtisch-bürgerliche Milieu 4. das sozialistische Milieu. 129 Unter einem sozialmoralischen Milieu verstand Lepsius ein soziokulturelles Gebilde von mehreren Merkmalen. Er definierte den Begriff folgendermaßen: „Ich verwende ihn hier als Bezeichnung für soziale Einheiten, die durch eine Koinzidenz mehrerer Strukturdimensionen wie Religion, regionale Tradition, wirtschaftliche Lage, kulturelle Orientierung, schichtspezifische Zusammensetzung der intermediären Gruppen gebildet werden. Das Milieu ist ein sozio-kulturelles Gebilde, das durch eine spezifische Zuordnung solcher Dimensionen auf einen bestimmten Bevölkerungsteil bestimmt wird.“ 130
Ursprünglich entstammte der Terminus des Milieus der französischen Soziologie und war von Auguste Comte um 1840 zunächst für sämtliche äußere Lebensumstände verwendet worden. 131 Lepsius übernahm die Bezeichnung, übertrug sie auf die Sozialgeschichte und stieß damit die Unterscheidung zwischen einem natürlichen und einem sozialen Milieu an. 132 Im Gegensatz zu dem auf das soziale Umfeld beschränkten natürlichen Milieu umfasst das soziale Milieu neben der ökonomischen Lage auch
die soziokulturellen Faktoren der Werte und Lebensweisen. 133 Verkürzt sprach Lepsius von Gesinnungsgemeinschaften. 134 Außerdem verknüpfte er seine Milieuthese mit der amerikanischen Cleavage-Theorie der Politikwissenschaftler und Soziologen Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan. 135 Gesellschaftliche Spannungslinien, sogenannte cleavages, dienten ihnen als Erklärungsmodell für die Entstehung eines Vier-Parteien-Systems in den westeuropäischen Industriegesellschaften. 136 Diese Konfliktlinien wurden von Lepsius aufgegriffen und waren seiner Auffassung nach ursächlich für die Entstehung der Milieus. Des Weiteren übernahm er die grundsätzliche Vierteilung der Parteienlandschaft und verfeinerte diese in Form der vier sozialen Milieus. 137 Der Vorteil des Milieukonzepts liegt in seiner Mehrdimensionalität, da es verschiedene soziale Merkmale bündelt und harte, sozialökonomische Faktoren sowohl mit weichen, kulturellen Umständen als auch mit politischen Bedingungen verbindet. 138 Die Fixierung auf Schichten oder Klassen als gesellschaftliche Gliederungsmodelle ist damit ebenso überwunden worden wie die Konzentration auf die Politik-, Parteien- oder Organisationsgeschichte. Neue Felder in der Sozial- und Kulturgeschichte, beispielsweise für die historische Wahlforschung oder die Widerstandsforschung im Nationalsozialismus, haben sich eröffnet. 139 In erster Linie haben sich Untersuchungen zum katholischen und sozialdemokratischen Milieu als
Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 76 f.; Nipperdey, Machtstaat, S. 312. Lepsius, Parteiensystem, S. 68. 131 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Detlef: Nationalsozialismus und Arbeitermilieus. Der nationalsozialistische Angriff auf die proletarischen Wohnquartiere und die Reaktion in den sozialistischen Vereinen (= Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 47). Bonn 1998, S. 39. 132 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 67; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 40 f. 133 Vgl. Breit, Gotthard/Massing, Peter: Einleitung. In: Soziale Milieus (= Politische Bildung, Bd. 43,2). Hg. v. G. Breit/P. Massing. Schwalbach 2010, S. 5; Schubert/Klein, Politiklexikon, s. v. Milieu. 134 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 61, 68, 72 f. Lepsius bezog den Begriff der Gesinnungsgemeinschaft von dem Franzosen Maurice Duverger, der 1959 im Hinblick auf das französische Parteiensystem von „geistigen Gemeinschaften“ sprach. Vgl. Duverger, Maurice: Die politischen Parteien. Tübingen 1959, S. 245. 135 Vgl. Lipset, Seymour Martin/Rokkan, Stein: Cleavage Structures, Party Systems, and Voter Alignments: An Introduction. In: Party Systems and Voter Alignments: Cross-National Perspectives (= International Yearbook of Political Behavoir Research, Bd. 7). New York 1967, S. 1–64; Frie, Ewald: Das Deutsche Kaiserreich (= Kontroversen um die Geschichte). Darmstadt 2004, S. 95. 136 Insgesamt definierten Lipset und Rokkan vier Spannungslinien: center-periphery, state-church, land-industry und owner-worker. Vgl. Lipset/Rokkan, Cleavage Structures, S. 47; Weichlein, Sozialmilieus, S. 12. 137 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 13. 138 Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 68, Frie, Kaiserreich, S. 96; Weichlein, Sozialmilieus, S. 17. 139 Vgl. Frie, Kaiserreich, S. 96; Schmiechen-Ackermann, Detlef: Soziale Milieus, Politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland. Eine Bilanz der Widerstandsforschung aus regionaler Perspektive. In: Anpassung, Verweigerung, Widerstand. Soziale Milieus, Politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland im regionalen Vergleich (= Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Reihe A, Bd. 3). Hg. v. D. Schmiechen-Ackermann. Berlin 1997, S. 13–29. 129
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fruchtbar erwiesen, sodass sie als idealtypische Mustermilieus gelten. 140 Auf diese zwei Gesellschaftsgruppen ist das Milieukonzept mit großem Erkenntnisgewinn übertragen worden, da beiden eine feste Weltanschauung zugrunde lag, die sowohl die politische Wahlentscheidung als auch das Freizeitverhalten prägte und ihre Mitglieder zusammenhielt. Zur Erklärung liberaler und konservativer gesellschaftlicher Strömungen eignete sich der Ansatz von Lepsius hingegen weniger und brachte keine einheitlichen und aussagekräftigen Ergebnisse zutage. 141 Ob man in diesen Fällen überhaupt den Begriff des Milieus verwenden sollte, ist umstritten. 142 Karl Rohe regte daher eine Dreiteilung in Lager an: ein sozialistisches Lager, ein katholisches Lager und ein nationales Lager. 143 In Letztgenanntem fasste er sowohl Liberale als auch Konservative zusammen. Anders als die sozialen Milieus wurden die Lager vor allem negativ durch Abgrenzungen und Feindbilder definiert. 144 Der Vorteil der Kategorie Lager lag in ihrer Anwendung im Bereich der Wahlforschung. 145 Gemäß Rohes Theorie waren Wähler-
wanderungen innerhalb eines Lagers von einer Partei zur anderen leicht möglich, beispielsweise zwischen SPD, USPD und KPD – alle Teil des linken Lagers. 146 Alles in allem war die Lagertheorie eine Modifikation und Ergänzung der Milieutheorie, denn Rohe ordnete die Lager zeitlich den Milieus nach. 147 Andere Kritiker hingegen stellten das gesamte Modell von Lepsius in Frage. Geoff Eley und David Blackbourn bewerteten dies als Fortführung der deutschen Sonderwegsthese von Hans-Ulrich Wehler. 148 Ihnen war daran gelegen die Modernität des deutschen Kaiserreiches aufzuzeigen, Milieus als prägende Elemente lehnten sie ab. Ein anderer Kritiker der Milieutheorie war Winfried Loth; seiner Meinung nach wurden darin sozioökonomische Faktoren zu wenig beachtet. 149 Sein Vorschlag sah eine weitere Aufspaltung in Teilmilieus vor, doch fand dieser Vorstoß wenig Zustimmung. 150 Als tragfähiger erwies sich die Kombination mit der Elitentheorie, die die Rolle der sogenannten „oberen Milieus“ 151 als politische Akteure herausarbeite-
Vgl. Walter/Matthiesen, Milieus, S. 46; Weichlein, Sozialmilieus, S. 315. Verhältnismäßig wenige Studien setzten sich mit dem konservativen oder liberalen Milieu auseinandersetzten, sodass Franz Walter und Helge Matthiesen von einer „Schieflage“ in der Forschung sprachen. 141 Vgl. Matthiesen, Helge: Weder konservativ noch Milieu? In: Comparativ 2 (1999), S. 78–88; Matthiesen, Helge: Greifswald in Vorpommern. Konservatives Milieu im Kaiserreich, in Demokratie und Diktatur 1900–1990 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 122). Düsseldorf 2000; Walter/Matthiesen, Milieus, S. 56–60; Frie, Kaiserreich, S. 105 f.; Behrends, Birgit: Das bürgerlich-liberale Milieu in der Stadt Nordhausen – ein Sonderfall? In: Solidargemeinschaft und fragmentierte Gesellschaft: Parteien, Milieus und Verbände im Vergleich. Festschrift zum 60. Geburtstag von Peter Lösche. Hg. v. T. Dürr/F. Walter. Opladen 1999, S. 131–150. 142 Vgl. Matthiesen, Greifswald, S. 681; Frie Kaiserreich, S. 105 f.; Hübinger, Gangolf: Kulturprotestantismus und Politik. Zum Verhältnis von Liberalismus und Protestantismus im wilhelminischen Deutschland. Tübingen 1994, S. 22, 306. Matthiesen konstatierte, dass es „ein konservatives Milieu im engeren Sinne“ nicht gegeben hätte, er machte jedoch für die Jahre von 1923 bis 1929 ein konservativ-nationales Milieu aus. Hübinger sah in „den liberal-protestantischen Gesinnungsgemeinschaften […] ein subkulturell labiles Milieu“ und sprach daher von einer Versäulung der protestantischLiberalen und protestantisch-Konservativen. 143 Vgl. Rohe, Karl: Wahlen und Wählertraditionen in Deutschland. Kulturelle Grundlagen deutscher Parteien und Parteiensysteme im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1992, S. 64–97; Rohe, Karl: Entwicklung der politischen Parteien und Parteiensysteme in Deutschland bis zum Jahre 1933. In: Parteiendemokratie in Deutschland. Hg. v. W. Gabriel/O. Niedermayer/R. Stöss. Wiesbaden 22002, S. 49. 144 Vgl. Rohe, Entwicklung, S. 50; Rohe, Wahlen, S. 21. 145 Vgl. Falter, Jürgen W.: Die Wählerpotentiale politischer Teilkulturen 1920–1933. In: Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik. Hg. v. D. Lehnert/K. Megerle. Opladen 1989, S. 286–293. 146 Vgl. Falter, Wählerpotentiale, S. 268–293; Rohe, Entwicklung, S. 50 f. 147 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 25; Rohe, Entwicklung, S. 49 f., 54. 148 Vgl. Blackbourn, David/Eley, Geoff: Mythen deutscher Geschichtsschreibung. Die gescheiterte bürgerliche Revolution von 1848. Frankfurt am Main u. a. 1980, S. 20–22. Die These vom „Deutschen Sonderweg“ wurde von Hans-Ulrich Wehler und den deutschen Sozialhistorikern begründet und vertreten. Ihrer Meinung nach unterschied sich die deutsche Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts grundlegend von den Ländern Westeuropas. Kennzeichen dieses Phänomens waren unter anderem der Antiparlamentarismus, Antidemokratismus, der Militarismus, der Nationalismus, der Machtstaat sowie der wirtschaftliche Fortschritt. Schließlich mündete dieses fatale Konglomerat in den Nationalsozialismus. Vgl. z. B. Wehler, Hans-Ulrich: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849–1914 (= Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3). München 1995, S. 854, 937, 942–945, 955 f. 149 Vgl. Frie, Kaiserreich, S. 103; Weichlein, Sozialmilieus, S. 20 f.; Loth, Wilfried: Katholiken im Kaiserreich. Der politische Katholizismus in der Krise des wilhelminischen Deutschlands (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 75). Düsseldorf 1984, S. 35–37. 150 Vgl. Loth, Wilfried: Integration und Erosion: Wandlungen des katholischen Milieus in Deutschland. In: Deutscher Katholizismus im Umbruch zur Moderne (= Konfession und Gesellschaft, Bd. 3). Hg. v. W. Loth. Stuttgart u. a. 1991, S. 266–281; Weichlein, Sozialmilieus, S. 21. 151 Vester, Michael: Die Bedeutung milieutheoretischer Ansätze für die Elitenforschung. In: Oberschichten – Eliten – Herrschende Klassen (= Reihe Sozialstrukturanalyse, Bd. 17). Hg. v. S. Hradil. Opladen 2003, S. 133. 140
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Einleitung
te. 152 In den vergangenen Jahren wurden Milieus in abgewandelter Form zur Erforschung von sozialer Ungleichheit und Lebensstilen entdeckt und genutzt. 153 All diese Beispiele zeigen, dass die Milieutheorie abgesehen von einigen Mängeln mannigfache Anknüpfungspunkte geboten hat und immer noch bietet. Die Milieuforschung behält ihre Berechtigung und Aktualität. Hinsichtlich des Begriffs hat sich in der historischen Forschung der komprimierte Terminus des sozialen anstelle des sozialmoralischen Milieus durchgesetzt. 154 Bezogen auf die Arbeiterbewegung wird vom sozialistischen oder proletarischen Milieu gesprochen. 155 Während der Begriff des proletarischen Milieus die soziale Lage und Lebensumstände in den Vordergrund rückt, stellt das Adjektiv sozialistisch die gemeinsame Ideologie heraus. 156 Der Terminus „sozialistisch“ betont das Ziel, eine neue Gesellschaftsordnung basierend auf den Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Solidarität zu schaffen. 157 Teilweise differenzieren Studien zur Weimarer Republik zwischen einem sozialdemokratischen und einem kommunistischen Milieu. 158 Adelheid von Saldern schlug überdies eine Differenzierung des Arbeitermilieus in drei Typen vor: das Arbeitermilieu des Betriebs, das Arbeiterkulturvereins-
milieu und das Arbeiterquartiersmilieu. 159 Solche Unterscheidungen erscheinen für diese Untersuchung jedoch nicht sinnvoll, da die gesamte Arbeiterbewegung, einschließlich der unterschiedlichen parteilichen Richtungen und Anknüpfungspunkte an das Milieu, analysiert werden soll. Resultierend daraus wird im Folgenden der Begriff des sozialistischen Milieus ohne weitere Unterkategorien verwendet. 160 Dieses umfasst alle Personen, die in das Organisationsnetz der Arbeiterbewegung – bestehend aus Parteien, Gewerkschaften, Verbänden oder Vereinen – eingebunden waren und die Weltanschauung des Sozialismus teilten. 161 Ausschlaggebend für die Zugehörigkeit ist dabei nicht die formale Mitgliedschaft, sondern die Einbindung in die Organisationsstruktur und den Kommunikationsprozess. 162 Damit folgt diese Definition Gerhard Schulze, der soziale Milieus „als Personengruppen, die sich durch gruppenspezifische Existenzformen und erhöhte Binnenkommunikation voneinander abheben“ 163 beschrieb. Stark verkürzt ausgedrückt wird das soziale Milieu als eine Gruppe Gleichgesinnter verstanden, die ein „Wir-Gefühl“ miteinander verbindet. 164 In diesem Fall das „Wir“ der Bamberger Arbeiterbewegung.
152 Vgl. Best, Heinrich: Politische Eliten, Wahlverhalten und Sozialstruktur: theoretische Aspekte historisch und interkulturell vergleichender Analysen. In: Politik und Milieu. Wahl- und Elitenforschung im historischen und interkulturellen Vergleich (= Historisch-sozialwissenschaftliche Forschungen, Bd. 22). St. Katharinen 1989, S. 3–18; Vester, Bedeutung, S. 133–144; Frie, Kaiserreich, S. 107. 153 Vgl. Gabriel, Politische Milieus, S. 17–19; Hradil, Stefan: Soziale Ungleichheiten, Milieus und Lebensstile in den Ländern der Europäischen Union. In: Die westeuropäischen Gesellschaften im Vergleich. Hg. v. S. Hradil/S. Immerfall. Opladen 1997, S. 475–519; Merkle, Tanja: Lebenswelten in Deutschland. Ergebnisse aktueller Studien von Sinus Sociovision. In: Migration und Alltag. Unsere Wirklichkeit ist anders (= Reihe Politik und Bildung, Bd. 61). Hg. v. D. Lange/A. Polat. Schwalbach 2010, S. 62–65. 154 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 43. 155 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 48 f.; Nipperdey, Machtstaat, S. 312. 156 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 49; Kachel, Sonderweg, S. 29. 157 Vgl. Schubert/Klein, Politiklexikon, s.v. Sozialismus. 158 Vgl. Saldern, Adelheid von: Sozialmilieus und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Norddeutschland (1930–1933). In: Norddeutschland im Nationalsozialismus (= Forum Zeitgeschichte, Bd. 1). Hg. v. F. Bajohr. Hamburg 1993, S. 43; Walter/Matthiesen, Milieus, S. 69; Weichlein, Sozialmilieus, S. 216–313. 159 Vgl. Saldern, Sozialmilieus, S. 22. 160 Als Synonym des sozialistischen Milieus wird in dieser Arbeit der Begriff des Arbeitermilieus verwendet, da es sich im Ursprung um die soziale Bewegung der Arbeiterschaft handelt; Personen, die formal anderen Schichten oder Klassen zuzurechnen sind, sollen dabei jedoch weder übersehen noch ausgeschlossen werden. Die Differenz zwischen der sozialen Kategorie der Arbeiterschaft und den Mitgliedern der Arbeiterbewegung wird nicht nivelliert. Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 18; Brandt, Peter: Die Arbeiterbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts. Entwicklung – Wirkung – Perspektive. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung 1 (2002), S. 14. 161 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 16; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 48. 162 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 48. 163 Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt am Main 22005, S. 174. 164 Vgl. Hradil, Stefan: Soziale Ungleichheiten in Deutschland. Wiesbaden 82005, S. 45, 426.
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Forschungsstand
1.4 Forschungsstand Die Erforschung der Arbeiterbewegung erlebte seit den 1960er Jahren im Rahmen der allgemeinen Parteienforschung einen Aufschwung. 165 Wichtige und bis heute grundlegende Studien entstanden dabei zur SPD durch Susanne Miller und Wolfgang Luthardt und zur KPD von Hermann Weber. 166 Diese Entwicklung wirkte sich in Form von Monographien der Autoren Peter Kritzer, Emil Werner und Herbert Kral auch auf die bayerische SPD aus. 167 In den 1980er Jahren dominierte die „Sozialgeschichte in der Erweiterung“ 168 mit Fragestellungen zur Arbeiterschaft als Klasse oder als soziale Bewegung und zusätzlich die Erforschung der politischen Organisationen. 169 Heinrich August Winkler setzte hierzu mit seinem monumentalen dreibändigen Werk zur Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik einen Meilenstein, indem die Politik- und Sozialgeschichte miteinander verknüpfte. 170 Er blieb dem Modell
der Schicht verhaftet. 171 Außerdem beschäftigte sich die Forschung der Arbeiterbewegung seit Mitte der 1980er Jahre vermehrt mit regional- und lokalgeschichtlichen Themen. 172 Karl Heinrich Pohl untersuchte die Münchner Arbeiterbewegung und Albrecht Bald die Porzellanarbeiterschaft in Nordostoberfranken. 173 Der Schwerpunkt lag allerdings auf den „neuen“ Bundesländern, da seit der Wiedervereinigung erstmals der Zugang zu den früheren DDR-Archiven gegeben war. 174 In Sammelbänden veröffentlichten unter anderem Franz Walter, Helga Grebing und Hans Mommsen ihre Untersuchungen zu Städten in Sachsen und Thüringen, den „Mutterländern der Arbeiterbewegung“. 175 Daneben entwickelte sich der Ansatz der Arbeiterkultur als „wichtige Verknüpfungsinstanz“ 176 zwischen Arbeitergeschichte und Arbeiterbewegungsgeschichte zu einem bevorzugten Forschungsgebiet. 177 Die Beschränkung und einseitige Konzentration auf die
Vgl. Kolb, Eberhard/Schumann, Dirk: Die Weimarer Republik (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 16). München 82013, S. 185 f.; Kocka, Jürgen: Sozialgeschichte. Begriff – Entwicklung – Probleme. Göttingen 21986, S. 134; Frie, Kaiserreich, S. 99. 166 Vgl. Miller, Susanne: Die Bürde der Macht. Die deutsche Sozialdemokratie 1918–1920 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 63). Düsseldorf 1978; Luthardt, Wolfgang (Hg.): Sozialdemokratische Arbeiterbewegung und Weimarer Republik. Materialien zur gesellschaftlichen Entwicklung 1927–1933, 2 Bde. Frankfurt am Main 1978; Weber, Hermann: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik, 2 Bde. Frankfurt am Main 1969. 167 Vgl. Kritzer, Peter: Die bayerische Sozialdemokratie und die bayerische Politik in den Jahren 1918 bis 1923 (= Miscellanea Bavarica Monacensia, Bd. 20). München 1969; Werner, Emil: Die Freiheit hat ihren Preis. Die bayerische Sozialdemokratie von ihren Anfängen bis zum Widerstand im NSStaat. München 1979; Kral, Herbert: Die Landespolitik der SPD in Bayern von 1924 bis 1933 (= Miscellanea Bavarica Monacensia, Bd. 134). München 1985, S. 224–230. 168 Conze, Werner: Sozialgeschichte in der Erweiterung. In: Neue Politische Literatur 19 (1974), S. 501. 169 Vgl. Conze, Sozialgeschichte, S. 505; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 188–191; Kocka, Sozialgeschichte, S. 134. 170 Vgl. Winkler, Heinrich August: Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924 (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 9). Berlin u. a. 21985; Winkler, Heinrich August: Der Schein der Normalität. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1924 bis 1930 (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 10). Berlin u. a. 1985; Winkler, Heinrich August: Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930 bis 1933 (= Geschichte der Arbeiter und Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 11). Bonn 21990. 171 Vgl. Gessner, Dieter: Die Weimarer Republik. Kontroversen um die Geschichte. Darmstadt 2002, S. 26. 172 Vgl. Frie, Kaiserreich, S. 101; Langewiesche, Dieter: Politik – Gesellschaft – Kultur. Zur Problematik von Arbeiterkultur und kulturellen Arbeiterorganisationen in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg. In: AfS 22 (1982), S. 363. 173 Vgl. Pohl, Karl Heinrich: Die Münchener Arbeiterbewegung. Sozialdemokratische Partei, freie Gewerkschaften, Staat und Gesellschaft in München 1890–1914 (= Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 4). München u. a. 1992; Bald, Albrecht: Porzellanarbeiterschaft und punktuelle Industrialisierung in Nordostoberfranken. Der Aufstieg der Arbeiterbewegung und die Ausbreitung des Nationalsozialismus im Bezirksamt Rehau und in der kreisfreien Stadt Selb 1895–1936 (= Bayreuther Arbeiten zur Landesgeschichte und Heimatkunde, Bd. 7). Bayreuth 1991. 174 Vgl. Frie, Kaiserreich, S. 101; Rudolph, Karsten: Die sächsische Sozialdemokratie vom Kaiserreich zur Republik 1871–1923 (= Demokratische Bewegungen in Mitteldeutschland, Bd. 1). Weimar u. a. 1995, S. 9–12. 175 Walter, Franz/Dürr, Tobias/Schmidtke, Klaus: Die SPD in Sachsen und Thüringen zwischen Hochburg und Diaspora. Bonn 1993, S. 11; vgl. Grebing, Helga/Mommsen, Hans/Karsten, Rudolph (Hg.): Demokratie und Emanzipation zwischen Saale und Elbe. Beiträge zur Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung bis 1933 (= Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung. Schriftenreihe A, Bd. 4). Essen 1993. 176 Kocka, Jürgen: Arbeiterkultur als Forschungsthema. Einleitende Bemerkungen. In: GG 5 (1979), S. 8. 177 Vgl. Ritter, Gerhard A. (Hg.): Arbeiterkultur (= Neue wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 104). Königstein im Taunus 1979; Will, Wilfried van der/ Burns, Rob: Arbeiterkulturbewegung in der Weimarer Republik. Eine historisch-theoretische Analyse der kulturellen Bestrebungen der sozialdemo165
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Einleitung
Arbeiterbewegung wurde durchbrochen, indem Ansätze aus der Ethnologie und Anthropologie integriert wurden und Aspekte der Mentalitäts-, Geschlechter- und Alltagsgeschichte Eingang fanden. 178 Differenziert wurde zwischen der Arbeiterkultur als besondere Gruppenkultur, als alltägliche Lebensweise einer Klasse oder der Arbeiterbewegungskultur der SPD, Gewerkschaften und Organisationen. 179 Es stellte sich die Frage, inwieweit die Arbeiterbewegungskultur eine Subkultur der gesamtgesellschaftlichen bzw. bürgerlichen Kultur bildete oder eine Gegenkultur mit eigenem Konzept darstellte. 180 Während Dieter Langewiesche für Österreich und Deutschland im 19. Jahrhundert eine Gegenkultur der Arbeiterschaft attestierte, 181 kam Thomas Adam für Leipzig zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Arbeiterbewegungskultur um eine Subkultur und „Kopie der bürgerlichen Kultur“ 182 handelte. Das verstärkte Interesse an der Arbeiterkulturbewegung stand in engem Zusammenhang mit dem Aufstieg der politischen Kulturforschung seit den 1970er Jahren in Deutschland, deren Konzept Gabriel Almond und Sidney Verba in den USA entwickelt hatten. 183 Unter politischer Kultur verstanden sie die Orientierungen der Bür-
ger einer Nation gegenüber der Politik und der politischen Ordnung. 184 Dieser Ansatz wurde besonders von der Forschung zur Weimarer Republik aufgegriffen. 185 Das wissenschaftliche Projekt „Politische Kultur in der Weimarer Republik“ untersuchte die Fragmentierung der Gesellschaft in Teilkulturen und konnte – beispielsweise anhand der nationalen Gedenktage – insgesamt neun sich gegenseitig abgrenzende Gruppierungen feststellen. 186 Siegfried Weichlein übertrug 1996 das Modell der politischen Kulturforschung auf Hessen und kombinierte es mit der Milieutheorie von Lepsius. 187 Er legte dar, dass sowohl das Zentrum als auch die Sozialdemokratie „ein eher formales Demokratieverständnis“ 188 vertraten, das sich in der Praxis nicht mit dem parlamentarischen Pluralismus vertrug. 189 Die Hauptursache für den Untergang der Weimarer Republik sah Weichlein im Scheitern des Parlamentarismus und machte hierfür die „weltanschaulich fixierten Milieus“ 190 verantwortlich. Sein Fazit zeigte sowohl die Interdependenz von politischer Kultur und sozialmoralischen Milieus als auch den Bedeutungszuwachs des Milieukonzepts auf. Insbesondere das Arbeitermilieu stand in den 1990er Jahren im Mittelpunkt einer Forschungskontrover-
kratisch organisierten Arbeiterschaft. Frankfurt am Main u. a. 1982; Langewiesche, Politik, S. 359–402; Kuntz, Andreas (Hg.): Arbeiterkulturen. Vorbei das Elend – aus der Traum? Düsseldorf 1993; Adam, Arbeitermilieu; Heidenreich, Frank: Arbeiterkulturbewegung und Sozialdemokratie in Sachsen vor 1933 (= Demokratische Bewegungen in Mitteldeutschland, Bd. 3). Weimar u. a. 1995. 178 Vgl. Hemmersam, Flemming: Arbeiterkultur und Geschichte. Über Probleme und Vorteile der interdisziplinären Forschung in der Geschichte der Arbeiterbewegung. In: Arbeiterkulturen. Vorbei das Elend – aus der Traum? Hg. v. A. Kuntz. Düsseldorf 1993, S. 132; Frie, Kaiserreich, S. 101. 179 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 11; Maase, Kaspar: Arbeiterkultur und Lebensweiseforschung. In: Auf der Suche nach der verlorenen Kultur. Arbeiterkultur zwischen Museum und Realität. Beiträge der 4. Arbeitstagung der Kommission „Arbeiterkultur“ in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde in Steyr vom 30. 4.–2. 5.1987. Gedenkschrift für Helmut P. Fielhauer (= Beiträge zur Volkskunde und Kulturanalyse, Bd. 3). Hg. v. O. Bockhorn/H. Eberhart/W. Zupfer. Wien 1989, S. 213, 223; Ritter, Gerhard A.: Arbeiterkultur im Deutschen Kaiserreich. Probleme und Forschungsansätze. In: Arbeiterkultur (= Neue wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 104). Hg. v. G. A. Ritter. Königstein im Taunus 1979, S. 29; Langewiesche, Dieter: Arbeiterkultur in Österreich. Aspekte, Tendenzen und Thesen. In: Arbeiterkultur (= Neue wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 104). Hg. v. G. A. Ritter. Königstein im Taunus 1979, S. 40. 180 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 18. 181 Vgl. Langewiesche, Arbeiterkultur, S. 41. 182 Adam, Arbeitermilieu, S. 316. 183 Vgl. Westle, Bettina/Gabriel, Oscar W. (Hg.): Politische Kultur. Eine Einführung (= Studienkurs Politikwissenschaft). Baden-Baden 2009, S. 13 f., 25; Almond, Gabriel A./Verba, Sidney: The Civic Culture. Political Attitudes and Democracy in Five Nations. Princeton 41972. 184 Vgl. Westle, Politische Kultur, S. 13; Almond/Verba, Culture, S. 14 f.: „The political culture of a nation is the particular distribution of patterns of orientation toward political objects among the members of the nation.“ 185 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 18. 186 Vgl. Lehnert, Detlef/Megerle, Klaus: Forschungsprojekt Politische Kultur in der Weimarer Republik. Identitäts- und Konsensprobleme in einer fragmentierten Gesellschaft. Berlin 1985; Lehnert, Detlef/Megerle, Klaus: Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik. Opladen 1989; Lehnert, Detlef/Megerle, Klaus: Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik. Opladen 1990; Lehnert, Detlef/Megerle, Klaus: Pluralismus als Verfassungs- und Gesellschaftsmodell. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik. Opladen 1993. 187 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus. 188 Weichlein, Sozialmilieus, S. 317. 189 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 317. 190 Weichlein, Sozialmilieus, S. 317.
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se, die teilweise wie ein „Glaubenskrieg“ 191 geführt wurde. Entbrannt war der Streit an einer These von Gerhard A. Ritter aus dem Jahr 1979, der betonte, dass „die Arbeiterkultur […] ihren historischen Höhepunkt in Deutschland in den Jahrzehnten vor 1914“ 192 gehabt habe. 193 Die entscheidende Frage drehte sich daraufhin um die Datierung der Milieus. Sie lautete: Kontinuität und Stabilität oder Niedergang und Erosion während der Weimarer Republik? 194 Die Beantwortung dieser essentiellen Frage zog außerdem die konträre Beurteilung der Milieus nach sich. Forscher der sogenannten frühen Datierung sahen den Höhepunkt des sozialistischen Milieus im Kaiserreich und konstatierten für die Jahre der Weimarer Republik einen Erosionsprozess, der schließlich zur Schwächung der Republik geführt habe und im Nationalsozialismus gemündet sei. 195 Neben Mario Rainer Lepsius und Gerhard A. Ritter gehören Dieter Langewiesche, Helga Grebing, Detlef Peukert, Adelheid von Saldern und Heinrich August Winkler zu den wichtigen Vertretern dieser Position. 196 Sie beschrieben den Prozess als „Bedeu-
tungsverlust“ 197, „inneren Verfall“ 198, „Dekomposition“ 199, Schwund an „Bindungskraft“ 200 oder als „Nivellierung“ 201. Als vorrangiger Grund für den Zerfall wurde die aufkommende neue Freizeitkultur in Form von Rundfunk, Kino, Sport und Trivialliteratur benannt, die gesellschaftliche Trennlinien aufgeweicht und die Milieus unterhöhlt habe. 202 Das Konsum- und Freizeitverhalten änderte sich, verlor seinen Klassencharakter und wurde vermehrt durch den Staat und die Kommunen bestimmt, während dem Arbeitermilieu angeblich eine Einbindung der neuen Medien in die eigene Kultur misslang. 203 Die Versuche von Seiten der SPD und KPD zum „Aufbau einer alternativen Massenkultur“ 204 scheiterten nach Meinung dieser Forscher. Beschleunigt wurde der Milieuniedergang zweitens durch die neue Rolle der SPD als staatstragende Partei, sodass die Arbeiterbewegungskultur als Gegenkultur an Anziehungskraft einbüßte und schließlich überflüssig wurde. 205 Drittens wirkte sich die Spaltung der Arbeiterbewegung negativ aus, indem die Geschlossenheit durch interne Konflikte gesprengt wurde. 206 Wolfgang Zollitsch führte als weiteres Argument
Adam, Thomas/Bramke, Werner: Editorial. In: Comparativ 2 (1999), S. 12. Ritter, Gerhard A.: Einleitung. In: Arbeiterkultur (= Neue wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 104). Hg. v. G. A. Ritter. Königstein im Taunus 1979, S. 7. 193 Vgl. Frie, Kaiserreich, S. 101 f. 194 Vgl. Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 189. 195 Vgl. Frie, Kaiserreich, S. 102. 196 Vgl. Walter/Matthiesen, Milieus, S. 47; Saldern, Adelheid von: Die Arbeiterkulturbewegung in der Weimarer Republik. Höhepunkt der Solidargemeinschaft oder Niedergang der Klassenkultur? In: Die roten Turnbrüder. 100 Jahre Arbeitersport. Hg. v. F. Nitsch/L. Pfeiffer. Marburg 1995, S. 69– 75. 197 Ritter, Einleitung, S. 7. 198 Langewiesche, Politik, S. 392. 199 Saldern, Adelheid von: Arbeiterkulturbewegung in Deutschland in der Zwischenkriegszeit. In: Arbeiterkulturen zwischen Alltag und Politik. Beiträge zum europäischen Vergleich in der Zwischenkriegszeit. Hg. v. F. Boll. Wien u. a. 1986, S. 69. 200 Grebing, Helga: Die deutsche Arbeiterbewegung zwischen Revolution, Reform und Etatismus (= Meyers Forum, Bd. 20). Mannheim u. a. 1993, S. 44. 201 Peukert, Detlev J. K.: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne (= Neue historische Bibliothek, Bd. 282). Nachdruck der Erstausgabe von 1987. Frankfurt am Main 2003, S. 150–152. 202 Vgl. Saldern, Adelheid von: Massenfreizeitkultur im Visier. Ein Beitrag zu den Deutungs- und Einwirkungsversuchen während der Weimarer Republik. In: AfS 33 (1993), S. 21–58; Marßolek, Inge: Milieukultur und modernes Freizeitverhalten 1920 bis 1950. In: Anpassung, Verweigerung, Widerstand. Soziale Milieus, Politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland im regionalen Vergleich (= Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Reihe A, Bd. 3). Hg. v. D. Schmiechen-Ackermann. Berlin 1997, S. 77–93; Langewiesche, Politik, S. 392– 402; Winkler, Schein, S. 122, 137–143; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 188; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 453; Mallmann, Klaus-Michael: Radikalismus und lokale Gesellschaft. Zur Sozialgeschichte des Kommunismus in der Weimarer Republik. In: GG 21 (1995), S. 25; Winkler, Heinrich August: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. München 1993, S. 296. 203 Vgl. Langewiesche, Politik, S. 402; Langewiesche, Dieter: Das neue Massenmedium Film und die deutsche Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik. In: Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat. Festschrift für Gerhard A. Ritter zum 65. Geburtstag. Hg. v. J. Kocka/H.-J. Puhle/ K. Tenfelde. München u. a. 1994, S. 114–130; Saldern, Massenfreizeitkultur, S. 54; Kaschuba, Wolfang: Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten im 19. und 20. Jahrhundert (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 5). München 1990, S. 40. 204 Saldern, Massenfreizeitkultur, S. 54. 205 Vgl. Wunderer, Hartmann: Arbeitervereine und Arbeiterparteien. Kultur- und Massenorganisationen in der Arbeiterbewegung (1890–1933). Frankfurt am Main u. a. 1980, S. 224; Winkler, Schein, S. 122; Walter/Matthiesen, Milieus, S. 46. 206 Vgl. Winkler, Schein, S. 122; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 452; Wunderer, Arbeitervereine, S. 162. 191
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den Verlust der innerbetrieblichen Solidarität unter der Arbeiterschaft an, die sich früher noch stärker ihrem Betrieb verbunden gefühlt hätten und seit der Weltwirtschaftskrise vor allem um den Erhalt ihres Arbeitsplatzes bemüht gewesen seien. 207 Alle Forscher der frühen Datierung teilten die negative Bewertung der Milieus, denn die Auflösung der traditionellen Strukturen hätte die Weimarer Republik belastet und ihren Untergang nach sich gezogen. 208 So entstand ein Bild des parallelen Erosionsprozesses der sozialen Milieus und der ersten Demokratie in Deutschland. Die Gegenposition zum Milieuzerfall formulierte Franz Walter, der „den Höhepunkt des sozialistischen Milieus zeitlich neu […] verorte[te]“ 209 und die „Blütezeit der Milieus“ 210 in die 1920er Jahren datierte: „Von der Wiege bis zur Bahre erstreckten sich die Organisationsangebote des sozialistischen Milieus jedenfalls erst in der Weimarer Republik.“ 211 Seine These wurde im Rahmen des großen Forschungsprojekts „Solidargemeinschaft und Milieu“ zusammen mit Peter Lösche in den 1990er Jahren untermauert. 212 Anhand von Detailanalysen zu einzelnen sozialistischen Kultur- und Freizeitorganisationen belegten die Autoren, dass das quantitative und qualitative Höchstmaß der Arbei-
terorganisationen erst in der Weimarer Republik erreicht wurde. 213 Kennzeichen der 1920er Jahren waren ein beachtlicher Mitgliederzuwachs, die Entwicklung der Arbeitervereine zu Massenverbänden, die stärkere Ausdifferenzierung der Organisationen und zahlreiche Neugründungen. 214 All diese Faktoren führten zum Ausbau eines engmaschigen Organisationsnetzes des sozialistischen Milieus mit hoher gegenkultureller Qualität und innerer Stabilität bis 1933. 215 Terminologisch prägten Walter und Lösche den Begriff der Solidargemeinschaft für den inneren Kreis der Führungspersönlichkeiten in der SPD und im sozialdemokratischen Vereinswesen. 216 Bei ihrer Kritik an den Forschern der frühen Datierung führten sie vor allem den Mangel an empirischen Befunden auf und warnten vor der Gleichsetzung von Wählerhochburgen und Milieus. 217 Exemplarisch zeigte Franz Walter an thüringischen Industrielandschaften, dass sozialdemokratische Wählerhochburgen, die sich zu einem organisationsstarken Milieu verdichtet hatten, bis 1933 stabil blieben, nicht an Bindekraft einbüßten und immun gegen das Werben der NSDAP blieben. 218 Im Gegensatz dazu zerfielen linke Wählerlager, die sich nicht auf ein festes weltanschauliches Fundament aus Partei und Vereinen stützen konnten. 219 Sie
Vgl. Zollitsch, Wolfgang: Arbeiter zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Jahre 1928 bis 1936 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 88). Göttingen 1990, S. 238–242; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 454. 208 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 317; Frie, Kaiserreich, S. 102; Walter/Matthiesen, Milieus, S. 47. 209 Walter, Milieus und Parteien, S. 481. 210 Walter, Milieus und Parteien, S. 481. 211 Walter, Milieus und Parteien, S. 481. 212 Vgl. Walter, Franz/Lösche, Peter: Zur Organisationskultur der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik. Niedergang der Klassenkultur oder solidargemeinschaftlicher Höhepunkt? In: GG 15 (1989), S. 511–536; Lösche, Peter (Hg.): Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, 4 Bde. Bonn 1990–1993. 213 Vgl. Walter/Matthiesen, Milieus, S. 49–51; Frie, Kaiserreich, S. 102. 214 Vgl. Lösche, Peter: Einführung zum Forschungsprojekt „Solidargemeinschaft und Milieu. Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik“. In: Sozialistische Akademiker- und Intellektuellenorganisationen in der Weimarer Republik (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 1). Hg. v. P. Lösche. Bonn 1990, S. 9–25. 215 Vgl. Walter, Milieus und Parteien, S. 479–493; Walter/Matthiesen, Milieus, S. 55. 216 Vgl. Lösche, Peter/Scholing, Michael: Sozialdemokratie als Solidargemeinschaft. In: Solidargemeinschaft und Klassenkampf. Politische Konzeptionen der Sozialdemokratie zwischen den Weltkriegen. Hg. v. R. Saage. Frankfurt am Main 1986, S. 365; Walter/Lösche, Organisationskultur, S. 521 f., 536; Lösche, Einführung, S. 23; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 457. Franz Walter und Peter Lösche bezifferten die Anzahl der Angehörigen der Solidargemeinschaft auf 200.000 und charakterisierten sie als „immun gegen die Massenkultur, dem Ideal des ‚neuen Menschen‘ in sozialistisch-rigoroser Lebensgestaltung nachstrebend.“ 217 Vgl. Walter, Hochburg, S. 126; Walter/Matthiesen, Milieus, S. 49, 71; Falter, Jürgen W./Bömermann, Hartmut: Die Entwicklung der Weimarer Parteien in ihren Hochburgen und die Wahlerfolge der NSDAP. In: Politik und Milieu. Wahl- und Elitenforschung im historischen und interkulturellen Vergleich (= Historisch-sozialwissenschaftliche Forschungen, Bd. 22). Hg. v. H. Best. St. Katharinen 1989, S. 96. Franz Walter kritisierte damit auch den Wahlforscher Jürgen Falter für seine fehlende Differenzierung zwischen Wählerhochburgen der Parteien und den Milieus. 218 Vgl. Walter, Hochburg, S. 142. 219 Vgl. Walter, Hochburg, S. 142; Walter/Matthiesen, Milieus, 53; Walter, Franz: Vom Milieu zum Parteienstaat. Lebenswelten, Leitfiguren und Politik im historischen Wandel. Wiesbaden 2010, S. 63. 207
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wurden „zur Beute der Nationalsozialisten“ 220 und verloren linke Wähler an die Hitler-Bewegung. Der Wahlforscher Jürgen Falter bekräftigte diese Ergebnisse, indem er darlegte, dass etwa ein Drittel des nationalsozialistischen Elektorats aus der Arbeiterschaft stammte und die NSDAP somit eine „Massenintegrationspartei“ 221 und „Volkspartei“ 222 wurde. 223 An fest verankerten Organisationsmilieus scheiterte die NSDAP noch 1933 und erzielte bei diesen unterdurchschnittliche Wahlresultate. 224 Daraus leiteten die Forscher der späten Datierung einen positiven Effekt der sozialen Milieus für die Weimarer Republik ab, da diese einen stabilisierenden Faktor darstellten und nicht von hoher Wählerfluktuation betroffen waren. 225 Ihre feste Basis verhalf den Milieuparteien, insbesondere der SPD und dem Zentrum bzw. der BVP in Bayern, zum nötigen Spielraum innerhalb der Politik. 226 Das Ende des sozialistischen Milieus wurde zeitlich von Franz Walter auf die 1960er Jahre terminiert, denn erst während der Bonner Republik verlor die SPD ihren Status als Milieupartei und ihren Klassencharakter. 227 Die Ansichten der späten Datierung und die Kontinuität der Milieus und Arbeiterkultur bekräftigten in Lokalstudien Stefan Goch für Gelsenkirchen im Ruhrgebiet, Cornelia Rauh-Kühne für Ettlingen in Baden und Steffen Kachel für Thüringen. 228 Mit Blick auf das Verhältnis zwischen KPD und SPD bescheinigte Klaus-Michael Mallmann
„wirksame […] Milieuzusammenhänge“, 229 die sich nach dem 30. Januar 1933 beispielsweise in der Bildung einer Einheitsfront in Hannover, Leipzig und dem Saargebiet manifestierten. 230 Detlef Schmiechen-Ackermann konzentrierte sich auf die Quartiers- und Vereinsmilieus in Großstädten während des Nationalsozialismus und stellte ebenfalls fest, dass breit aufgestellte und intakte Arbeitermilieus das Eindringen der NSDAP vereitelten und ihre Angehörigen eine Verweigerungshaltung dieser Partei gegenüber einnahmen. 231 Als Beispiele führte er Milieus in Bremen, Hannover, Leipzig und Nürnberg an. 232 In solch resistenten Milieus sah er die „Keimzellen für die Erneuerung der Arbeiterorganisationen“ 233 nach dem Zweiten Weltkrieg. Für Bayern leistete Anton Großmann 1983 Pionierarbeit, indem er im Rahmen des Forschungsprojekts „Bayern in der NS-Zeit“ die Milieubedingungen von SPDOrtsvereinen in der bayerischen Provinz darstellte und deren Traditionslinien von der Weimarer Republik über die NS-Zeit bis in die Nachkriegszeit erörterte. 234 Entscheidend für die vorliegende Arbeit in Bezug auf die Datierung ist die Definition des Entstehungszeitpunktes der Milieus. Im Unterschied zum heftig umstrittenen Höhepunkt und Niedergang wurde diese Frage nur selten aufgeworfen. 235 Die bisherigen Forschungen stimmten darin überein, dass der Aufbau des sozialistischen Milieus im Kai-
Walter/Matthiesen, Milieus, S. 53. Falter, Jürgen W.: Hitlers Wähler. München 1991, S. 225. 222 Falter, Hitlers Wähler, S. 364, 371. 223 Vgl. Falter, Hitlers Wähler, 225; Falter, Jürgen W.: Die Wähler der NSDAP 1928–1933. Sozialstruktur und parteipolitische Herkunft. In: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Hg. v. W. Michalka. Paderborn u. a. 1984, S. 47–59. 224 Vgl. Walter, Hochburg, S. 132, 142. 225 Vgl. Walter/Matthiesen, Milieus, S. 55, 69; Frie, Kaiserreich, S. 102. 226 Vgl. Frie, Kaiserreich, S. 102. 227 Vgl. Walter, Milieus und Parteien, S. 489; Micus, Matthias: Trutzburgen, Konfliktherde, Bündnisräume. In: Parteien, Demokratie und gesellschaftliche Kritik (= Jahrbuch des Göttinger Instituts für Demokratieforschung 2010). Stuttgart 2011, S. 49–52. 228 Vgl. Goch, Stefan: Sozialdemokratische Arbeiterbewegung und Arbeiterkultur im Ruhrgebiet. Eine Untersuchung am Beispiel Gelsenkirchen 1848–1975 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 91). Düsseldorf 1990, S. 541; Rauh-Kühne, Cornelia: Katholisches Milieu und Kleinstadtgesellschaft. Ettlingen 1918–1939 (= Geschichte der Stadt Ettlingen, Bd. 5). Sigmaringen 1991, S. 422; Kachel, Steffen: Ein rot-roter Sonderweg. Sozialdemokraten und Kommunisten in Thüringen 1919 bis 1949 (= Veröffentlichungen der Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 29). Köln u. a. 2011, S. 511. 229 Mallmann, Radikalismus, S. 22. 230 Vgl. Mallmann, Radikalismus, S. 22 f. 231 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 434, 628. 232 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 434. 233 Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 631. 234 Vgl. Großmann, Anton: Milieubedingungen von Verfolgung und Widerstand. Am Beispiel ausgewählter Ortsvereine der SPD. In: Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand (= Bayern in der NS-Zeit, Bd. 5). Hg. v. M. Broszat/H. Mehringer. München u. a. 1983, S. 433–540. 235 Vgl. Matthiesen, Milieu, S. 78–88; Adam/Bramke, Editorial, S. 12, 15; Weichlein, Sozialmilieus, S. 23. 220 221
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serreich erfolgte. 236 Thomas Nipperdey ordnete die Milieuentstehung der Reichsgründungszeit zu und sah in den folgenden Jahren eine Festigung und Intensivierung. 237 Nach Auffassung von Siegfried Weichlein formierte sich das Arbeitermilieu seit den 1880er Jahren. 238 Schließlich bildeten die Milieus die soziale Basis der spezifisch deutschen Weltanschauungsparteien, 239 die stark auf Theorien, Programme und Ideenpolitik fixiert waren. 240 Besonders das Sozialistengesetz zwischen 1878 und 1890 gegen die „vaterlandslosen Gesellen“ förderte den Ausbau der Milieustrukturen durch die Gründung von Tarn- und Ersatzorganisationen. 241 Die geselligen linken Vereine entstanden somit unabhängig von der Partei und grenzten sich teilweise von den sozialdemokratischen Ortsgruppen ab oder standen sogar in Konfrontation zu ihnen, wie Adam am Beispiel von Leipzig demonstrierte. 242 Die SPD integrierte die neuen Organisationen nach Ende des Sozialistengesetzes allmählich, sodass sich die Arbeitervereine neben der Partei und den Gewerkschaften als dritte Säule der Arbeiterbewegung etablierten. 243 Hans-Ulrich Wehler konstatierte daher,
dass es der deutschen Arbeiterbewegung im Kaiserreich gelang, „einen Großteil des proletarischen Milieus im Sinne einer sozialdemokratischen Subkultur [zu] prägen.“ 244 Die kollektive Erfahrung der Ausgrenzung und Stigmatisierung als „Reichsfeinde“ verband die Mitglieder der Arbeiterbewegung. Obwohl zur gleichen Zeit sozialpolitische Zugeständnisse gemacht wurden – beispielsweise durch die Bismarck’schen Versicherungsgesetze – verstärkte sich die Abschottung nach außen. 245 Dieter Groh benannte diesen Prozess mit dem Schlagwort der „negativen Integration“. 246 Für Bamberg untersuchte Stephan Link diesen Zeitraum, indem er die Politisierung der Gesellschaft sowie die Entstehung und Verfestigung der sozialen Milieus im 19. Jahrhundert in seiner Dissertation diskutierte. 247 Bedingt durch die lokalen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Umstände sah er „ein geschlossenes sozialdemokratisches Milieu […] nur in Ansätzen“. 248 Er zog das Fazit: „Die Entwicklung der Bamberger Sozialdemokratie bis zum Ersten Weltkrieg kann nicht uneingeschränkt als Erfolgsgeschichte inter-
Vgl. Lepsius, Parteiensystem, S. 73 f.; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 454; Mallmann, Radikalismus, S. 6 f.; Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 522; Adam, Arbeitermilieu, S. 313–315; Kocka, Jürgen: Arbeiterbewegung in der Bürgergesellschaft. Überlegungen zum deutschen Fall. In: GG 20 (1994), S. 490; Winkler, Schein, S. 120 f.; Weichlein, Sozialmilieus, S. 76 f.; Kachel, Sonderweg, S. 35, 43; Nipperdey, Machtstaat, S. 312 f.; Halder, Winfrid: Innenpolitik im Kaiserreich 1871–1914. Darmstadt 32011, S. 65; Brandt, Arbeiterbewegung, S. 14; Grebing, Helga: Arbeiterbewegung. Sozialer Protest und kollektive Interessenvertretung bis 1914. München 31993, S. 100–106; Wehler, Doppelrevolution, S. 802; Tenfelde, Klaus: Historische Milieus – Erblichkeit und Konkurrenz. In: Nation und Gesellschaft in Deutschland. Historische Essays. Hg. v. M. Hettling/P. Nolte. München 1996, S. 250–252. Kontrovers wurde hingegen die Frage erörtert, an welchem Ort das Arbeitermilieu entstanden war. Peter Lösche und Franz Walter nahmen die Fabrik als Entstehungsort an, während Thomas Adam sowohl den Arbeitsplatz als auch das Wohnquartier als Ursprungsort ausmachte. Vgl. Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 521; Adam, Arbeitermilieu, S. 90 f. 237 Vgl. Nipperdey, Machtstaat, S. 312 f. 238 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 76. 239 Max Weber führte den Begriff der Weltanschauungsparteien ein und bezeichnete damit Parteien, die überwiegend „der Durchsetzung inhaltlicher politischer Ideale dienen wollen.“ Als Musterbeispiele nannte er das Zentrum und die SPD. Vgl. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Hg. v. J. Winckelmann. Tübingen 51976, S. 839. 240 Vgl. Nipperdey, Machtstaat, S. 312 f. 241 Vgl. Groh, Dieter/Brandt, Peter: Vaterlandslose Gesellen. Sozialdemokratie und Nation 1860–1990. München 1992; Nipperdey, Machtstaat, S. 355– 358. 242 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 313–315; Frie, Kaiserreich, S. 100. 243 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 314; Schmiechen-Ackermann, S. 441. 244 Wehler, Doppelrevolution, S. 802. 245 Vgl. Nipperdey, Machtstaat, S. 355–358. In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass das Arbeitermilieu keine absolute Isolierung bedeutete, sondern beispielsweise die Schule und das Militär als Einrichtungen eine gewisse Integration in den Staat bewirkten. 246 Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Frankfurt am Main 1973, S. 36. Groh übernahm den Begriff der negativen Integration von Guenther Roth und definierte ihn im Anschluss folgendermaßen: „Die sozialdemokratische Arbeiterschaft war einem negativen Integrationsprozeß ausgesetzt. Dieser ist gekennzeichnet durch zunehmende ökonomische Besserstellung und Tendenzen zur rechtlichen und faktischen Gleichberechtigung einerseits bei gleichzeitiger grundsätzlicher Verweigerung der Gleichberechtigung in Staat und Gesellschaft und Fortdauer der Ausbeutung und der Unterdrückungsmaßnahmen andererseits.“ 247 Vgl. Link, Stephan: Politischer Katholizismus – Liberalismus – Sozialdemokratie. Das politische Bamberg im 19. Jahrhundert (= Schriftenreihe des Historischen Vereins Bamberg, Bd. 38). Bamberg 2005. 248 Link, Katholizismus, S. 263; vgl. Link, Katholizismus, S. 366–368. 236
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pretiert werden.“ 249 An diesen Punkt wird die folgende Arbeit anknüpfen und einen neuen Beitrag leisten, die Formierung des sozialistischen Milieus zu datieren. Nach dem Aufstieg der Arbeitermilieuforschung folgte der Abschwung. Seit Mitte der 1990er Jahre hat das Interesse an der Arbeiterbewegung und ihrer Geschichte merklich nachgelassen – besonders in Deutschland. 250 Peter Brandt schrieb von einer „verstaubte[n] Teildisziplin, mit der man jahrzehntelang übersättigt worden“ 251 sei. Die wissenschaftliche Krise ist eng verbunden mit dem Niedergang der klassischen Arbeiterbewegung und dem Abwärtstrend der SPD als Volkspartei. 252 Durch die deutsche Wiedervereinigung wurde die Frage der konkurrierenden politischen Systeme mit dem Sieg der sozialen Marktwirtschaft beantwortet. 253 Eine Alternative dazu steht nicht mehr wirklich zur Debatte. Des Weiteren sind die wichtigsten und elementaren Forderungen der „alten Arbeiterbewegung“ erfüllt worden, wie beispielsweise das allgemeine und gleiche Wahlrecht, die parlamentarische Demokratie, der Achtstundentag oder die Fünftagewoche in der Wirtschaft. 254 Die Stärke der Arbeiterbewegung lag früher in ihrem Vorgriff auf eine bessere Zukunft – gelebt in der Solidargemeinschaft. 255 Diese Utopie ist zerbrochen. 256 Franz Walter spricht davon, dass die Flammen nicht mehr lodern, 257 Matthias Schäfer fragt
„Schlägt der Arbeiterbewegung die Stunde?“ 258 und eine veröffentlichte Rede von Eric Hobsbawm trägt die Überschrift: „Die Arbeiterbewegung – ein gescheitertes Projekt der Moderne?“ 259 Doch Totgesagte leben länger. Zweifelsohne hat das Interesse an der Arbeitergeschichte nachgelassen, das Image hat gelitten, aber ein Ende ist nicht abzusehen. Unter neuen Vorzeichen und Fragestellungen ist die Forschung in den letzten Jahren vorangeschritten. 260 Joachim C. Häberlen verglich die Arbeiterbewegungen in Leipzig und Lyon miteinander und beleuchtete diese unter den Aspekten des Vertrauens und der Politisierung im Alltag. 261 Er zeigte auf, dass das unterschiedliche Politikverständnis von SPD und KPD eine Einheitsfront gegen die NSDAP verhinderte. 262 Als Ausläufer der Politisierung des Alltags dominierten Misstrauen, Konflikte und Gewalt in der Endphase der Weimarer Republik und steigerten auch in der Arbeiterbewegung die Sehnsucht nach unpolitischen Räumen. 263 Außerdem haben sich neue Forschungen verstärkt den Gewerkschaften und den Betrieben als sozialen Orten zugewandt. 264 Zahlreiche Publikationen erschienen außerdem zum 150. „Geburtstag“ der Sozialdemokratie 2013. 265 In den Vordergrund stellte man den gesellschaftlichen Fortschritt durch die Arbeiterbewegung. 266 Die lückenlose demokratische Kontinuität der SPD wurde als identitätsstiftendes Merkmal betont. 267 Zugleich wurde
Link, Katholizismus, S. 367. Vgl. Schäfer, Matthias: Schlägt der Arbeiterbewegung die Stunde? In: APuZ 40–41 (2013), S. 36; Brandt, Arbeiterbewegung, S. 9. 251 Brandt, Arbeiterbewegung, S. 9. 252 Vgl. Detterbeck, Veränderung, S. 24–37. 253 Vgl. Lösche, Peter: 150 Jahre SPD. Die Literatur zum Jubiläum. In: AfS 54 (2014), S. 433 f.; Brandt, Arbeiterbewegung, S. 5. 254 Vgl. Brandt, Arbeiterbewegung, S. 6; Lehnert, Arbeiterbewegung, S. 26 f.; Schäfer, Arbeiterbewegung, S. 36. 255 Vgl. Lösche, 150 Jahre, S. 458. 256 Vgl. Lösche, 150 Jahre, S. 433. 257 Vgl. Walter, Franz: Die Flammen lodern nicht mehr. In: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte 5 (2013), S. 56–59. 258 Schäfer, Arbeiterbewegung, S. 36. 259 Hobsbawm, Eric: Die Arbeiterbewegung – ein gescheitertes Projekt der Moderne? In: BzG 1 (2000), S. 3–10. 260 Vgl. Priemel, Kim Christian: Heaps of work. The ways of labour history. In: H-Soz-Kult 23.1. 2014, hhttp://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/ 2014–01–001i (9. 3. 2016). 261 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 19; Häberlen, Joachim C.: Between Class War on All Fronts and Anti-Political Autonomy: The Contested Place of Politics in the Working-Class Movements of Leipzig and Lyon during the Inter-War Years. In: Contemporary European History 22 (2013), S. 33–63. 262 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 321–325. 263 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 322–324. 264 Vgl. Priemel, Work; Buschak, Willy: Arbeit im kleinsten Zirkel. Gewerkschaften im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Essen 2015; Andresen, Knud/Kuhnhenne, Michaela/Mittag, Jürgen u. a. (Hg.): Der Betrieb als sozialer und politischer Ort. Studien zu Praktiken und Diskursen in den Arbeitswelten des 20. Jahrhunderts (= Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 98). Bonn 2015. 265 Vgl. Lösche, 150 Jahre, S. 433–460. 266 Vgl. Lehnert, Arbeiterbewegung, S. 20–28. 267 Vgl. Lehnert, Arbeiterbewegung, S. 20; Lösche, 150 Jahre, S. 436; Faulenbach, Bernd: Geschichte der SPD. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 2012, S. 136. 249 250
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die ungeklärte Frage nach der Integrationskraft der Freizeitvereine des sozialistischen Milieus wieder aufgegriffen. 268 Nach Meinung von Franz Walter und Stine Marg schuf gerade die Arbeiterbewegungskultur Zusammenhalt und Solidarität, denn nur durch das Arbeitervereinswesen wurden auch unpolitische Arbeiter an die Sozialdemokratie gebunden. 269 Das Feld der Arbeiterforschung ist somit komplexer geworden, die Schlagworte haben sich teilweise geändert. Eine eindeutige leitende Fragestellung ist momentan nicht auszumachen, doch die Arbeiterbewegungsgeschichte ist weiterhin im Fluss. 270 Im Unterschied zur umfassenden Forschungslage des Arbeitermilieus klaffen in der wissenschaftlichen Untersuchung der Stadtgeschichte Bambergs bis heute große Lücken hinsichtlich unbearbeiteter Themenfelder und Zeitspannen. 271 Zu diesen weißen Flecken zählen sowohl die Weimarer Republik als auch die Arbeiterbewegung. 272 Einer der wenigen beachteten Aspekte nach dem Ersten Weltkrieg ist die Flucht der bayerischen Regierung unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann im April 1919 von München nach Bamberg. 273 Während dieses Exils wurde Bayern erstmals ein parlamentarisch-republikanischer Freistaat und die sogenannte Bamberger
Verfassung entstand. 274 Wolfgang Ehberger hat diesen Prozess in seiner Dissertation analysiert und die Begleitumstände in Bamberg als Unterkapitel thematisiert. 275 Des Weiteren wurde ein Schlaglicht der Geschichte anlässlich der Führertagung der NSDAP am 14. Februar 1926 auf Bamberg geworfen: Hitler setzte bei dieser Zusammenkunft seinen alleinigen Führungsanspruch als charismatischer Herrscher 276 durch und das Parteiprogramm von 1920 erhielt den Status der Unabänderlichkeit. 277 Thematisiert wurde auch der Aufstieg der örtlichen Nationalsozialisten durch die Werke von Rainer Hambrecht und Wolfgang Zehentmeier. 278 Zu diesem Thema und der Herrschaft der NSDAP zwischen 1933 und 1939 wird außerdem die Doktorarbeit von Andreas Stefan Hofmann neue Erkenntnisse liefern. 279 Bedeutenden Einfluss auf die Stadtgeschichte der Domstadt hatte zudem das Militär in Bamberg, dessen Rolle zwischen 1860 und 1923 Ingrid Mayershofer erforscht hat. 280 Angestoßen durch die allgemeine politische Kulturforschung interpretierte Werner K. Blessing in einem Aufsatz 1984 die Festkultur in Oberfranken während der Weimarer Republik. 281 Er behandelte dabei sowohl die Trauerkundgebungen 1925 für den Reichspräsidenten Friedrich Ebert als auch die Relation zwischen Feier und Milieu. 282 Eine wichti-
Vgl. Walter, Franz/Marg, Stine: Von der Emanzipation zur Meritokratie. Betrachtungen zur 150-jährigen Geschichte von Arbeiterbewegung, Linksintellektuellen und sozialer Demokratie. Göttingen 2013, S. 39–41. 269 Vgl. Walter/Marg, Emanzipation, S. 39–41. 270 Vgl. Priemel, Work. 271 Vgl. Staudenmaier, Johannes: Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg. Normgebung, Herrschaftspraxis und Machtbeziehungen vor dem Dreißigjährigen Krieg (= Studien zu Policey und Policeywissenschaft). Frankfurt am Main 2012, S. 15–21. 272 Werner K. Blessing verfasste seine Habilitation zu Oberfranken in der Weimarer Republik, doch diese wurde nicht veröffentlicht und steht daher der Öffentlichkeit und der Forschung nicht zur Verfügung. Eine schriftliche Anfrage zur Einsichtnahme der Arbeit am 30.1. 2017 blieb unbeantwortet. 273 Vgl. Wagenhöfer, Werner/Zink, Robert (Hg.): Räterepublik oder parlamentarische Demokratie. Die „Bamberger“ Verfassung 1919 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 10). Bamberg 1999. 274 Vgl. Gehringer Horst/Hecker, Hans-Joachim/Hermann, Hans-Georg (Hg.): Demokratie in Bayern. Die Bamberger Verfassung von 1919 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 30). Bamberg 2019; Ehberger, Weg; Merz, Johannes: Freistaat Bayern. Metamorphosen eines Staatsnamens. In: VfZ 45 (1997), S. 121–142. 275 Vgl. Ehberger, Weg, S. 170–177. 276 Vgl. Weber, Wirtschaft, S. 140–148. 277 Vgl. Strauss, Helmut: Programmatik und Charisma. Die Bamberger Führertagung der NSDAP 1926. In: BHVB 146 (2010), S. 327–344; Fest, Joachim C.: Hitler. Eine Biographie. Der Aufstieg. Frankfurt am Main u. a. 1978, S. 337–343. 278 Vgl. Hambrecht, Aufstieg; Zehentmeier, Wolfgang: Die Entwicklung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei in der Stadt Bamberg von 1925 bis 1935. Unveröffentlichte Magisterarbeit an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Würzburg 1989. 279 Die Dissertation von Andreas Stefan Hofmann mit dem Titel „Oberfranken zur Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1939. Eine Studie über Aufstieg, Machteroberung und Herrschaftsorganisation der Nationalsozialisten im Norden Bayerns“ wurde bei Prof. Dr. Georg Seiderer am Lehrstuhl für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Wintersemester 2017/18 abgeschlossen. Ihre Veröffentlichung stand zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Studie noch aus. Eine Einsichtnahme vor der Publikation war laut Auskunft des Autors v. 14. 6. 2017 nicht möglich. 280 Vgl. Mayershofer, Militär. 281 Vgl. Blessing, Werner K.: Die Feier als Kundgebung. Ein Aspekt der „politischen Kultur“ der Weimarer Republik. In: BHVB 120 (1984), S. 269–284. 282 Vgl. Blessing, Feier, S. 274–276, 281–284. 268
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ge Grundlage für die vorliegende Arbeit stellt zudem der von Horst Gehringer herausgegebene Sammelband zum Stadtteil Wunderburg in Bamberg dar, da sich in diesem Viertel im Südosten Ende des 19. Jahrhunderts viele Fabrikarbeiter ansiedelten. 283 Die Geschichte der Bamberger SPD fasste Oskar Krause zum 115. Jubiläum des Bestehens der Ortsgruppe 1985 in einer bebilderten Chronik zusammen. 284 Seine Schrift bietet einen guten Überblick und liefert zahlreiche Anhaltspunkte ohne jedoch nachprüfbare Belege anzuführen. Des Weiteren entstanden an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg während der Vertretung des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte durch Prof. Dr. Andreas Dornheim drei Abschlussarbeiten zum sozialistischen Milieu von Niklas Schneider, René Beiersdorfer und Sebastian Schmidt. 285 Andere Parteien des linken Spektrums wie die USPD, die KPD oder die KPO sind hingegen noch unbeschriebene Blätter in der stadtgeschichtlichen Forschung. Mit der kommunistischen Entwicklung in Bayern befassten sich bislang Hartmut Mehringer und Ulrich Neuhäußer-Wespy, sodass erste Vorarbeiten hierzu existieren. 286 Einzelne Organisationen wie die Arbeiterwohlfahrt, die Sozialistische Arbeiterjugend oder der Touristenverein „Die Naturfreunde“ wurden von Christine Gold, Wolfgang F. Reddig, Lo-
renz Burger und Stefanie Kießling behandelt. 287 Der Großteil des sozialistischen Vereinswesens diente jedoch noch nicht als Forschungsgegenstand: Kampfbünde, Jugendorganisationen, Gewerkschaften, Sportvereine oder Kulturverbände des Arbeitermilieus wurden bislang weitgehend ignoriert. Lediglich zur Ausstellung der Landesgartenschau 2012 in Bamberg erschien ein Begleitheft, in dem die Arbeiterbewegung und die Milieus des Vororts Gaustadt in den Blick genommen wurden. 288 Eine Ausnahme in der Forschung bildete ein tragisches Einzelschicksal unter den Bamberger Sozialdemokraten: Studien zum Leben des jüdischen Justizreferendars und Arbeiterfunktionärs Wilhelm (Willy) Aron, der bereits im Mai 1933 im Konzentrationslager Dachau ermordet wurde. 289 Sein Leben wurde in zahlreichen Arbeiten dargestellt und ihm zu Ehren gründete sich 2003 die Willy-Aron-Gesellschaft als Verein für Zivilcourage, Demokratie, Menschenrechte und Toleranz in Bamberg. Abgesehen von diesen wenigen Einzelaspekten ist das historische Puzzle zu Bamberg während der Weimarer Republik noch nicht zu Ende gelegt. Insbesondere die rot gefärbten Teilstücke harren noch ihrer Verortung. Bamberg und sein Arbeitermilieu stellen daher ein lohnenswertes und spannendes neues Forschungsthema dar.
Vgl. Gehringer, Horst (Hg.): Die Wunderburg in Bamberg. Eine Stadtteilgeschichte. Bamberg 2005. Vgl. Krause, Oskar: 115 Jahre. Die Bamberger SPD 1869–1984. Bamberg 1985. 285 Vgl. Schneider, Niklas: Das sozialdemokratische Milieu in Bamberg zwischen 1919 und 1923. Eine Untersuchung zur Geschichte seiner Organisation und Binnenkommunikation. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2011; Beiersdorfer, René: Das sozialdemokratische Milieu in Bamberg 1924–1926. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2012; Schmidt, Sebastian: Das sozialdemokratische Milieu in Bamberg 1927–1929. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2012. 286 Vgl. Mehringer, KPD; Neuhäußer-Wespy, KPD. 287 Vgl. Gold, Christine: Die Geschichte der Arbeiterwohlfahrt in Bamberg. Von den Anfängen bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2007; Reddig, Wolfgang F.: Fürsorge und Stiftungen in Bamberg im 19. und 20. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 16). Bamberg 2013, S. 171 f.; Burger, Lorenz: Die Sozialistische Arbeiterjugend Deutschlands in Franken, im Spiegel ihres Organs „Jugendstimme“. Unveröffentlichte Bachelorarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2010; Kießling, Stefanie: Die „grünen Roten“ auf Reisen. Eine Analyse der Gästebücher des Touristenvereins ‚Die Naturfreunde‘ zwischen 1932 und 1998. In: BHVB 150 (2014), S. 301–320. 288 Vgl. Dornheim, Andreas/Gierse, Svenja/Kießling, Stefanie: Erba – verwobene Geschichte. Begleitheft zur gleichnamigen Ausstellung im Rahmen der Landesgartenschau Bamberg 2012 vom 25. April bis zum 7. Oktober. Bamberg 2012. Mit dem Thema der sozialmoralischen Milieus in Gaustadt wird sich außerdem eine Monographie von Prof. Dr. Andreas Dornheim beschäftigen, die sich derzeit noch in Bearbeitung befindet. 289 Vgl. Grosch, Georg: Willy Aron. In: Bambergs unbequeme Bürger. Hg. v. G. C. Krischker. Bamberg 1987, S. 25–30; Dornheim, Andreas/Schindler, Thomas: Wilhelm Aron (1907–1933). Jude, NS-Gegner, Sozialdemokrat und Verbindungsstudent (= Schriftenreihe des Historischen Vereins Bamberg, Bd. 40). Bamberg 2007; Kunze, Axel Bernd: Wilhelm (Willy) Aron (1907–1933). In: Bekannte korporierte Sozialdemokraten. Hg. v. A. B. Kunze. Tübingen 2010, S. 22 f., 42–47; Bald, Albrecht: Widerstand, Verweigerung und Emigration in Oberfranken. Das NS-Regime und seine Gegner 1933–1945 (= Bayreuther Rekonstruktionen, Bd. 3). Bayreuth 2015, S. 35–38. 283
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1.5 Methode, Schwerpunkte und Aufbau Die vorliegende Arbeit ist eine stadtgeschichtliche Mikrostudie, die anhand des Beispiels von Bamberg eine Revision sowohl der vorherrschenden Milieutheorie als auch der städtischen Geschichtsschreibung anstrebt. Als Milieuanalyse bedient sich die Arbeit eines sozialgeschichtlichen Ansatzes. In Synthese mit der Kultur-, Politik- und Organisationsgeschichte werden die unterschiedlichen Bereiche des Arbeitermilieus als Mikromilieu untersucht. 290 Im Gegensatz zu den größeren Rahmen der Mesound Makromilieus steht das lokale Milieu mit seinen persönlichen Beziehungen und strukturellen Verflechtungen im Vordergrund. 291 Folglich ist die räumliche Begrenzung auf die kreisfreie Stadt Bamberg sinnvoll, da so die nötige Tiefe für die Interpretation der Verhältnisse gewährleistet wird. In den Worten von Peter Lösche geht es um das „Eintauchen in die Quellen“. 292 Der Kopfsprung in das Gewässer der verschiedenen Überlieferungen aus den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts erschließt dabei das unbekannte Feld. Zeitlich setzt die Arbeit mit der Novemberrevolution 1918 ein und konzentriert sich auf die Jahre der Weimarer Republik bis 1933. Die Ereignisse nach der sogenannten Machtergreifung 293 werden bis zum Verbot und Erliegen der milieuinternen Aktivitäten dargestellt. Am Beginn der Arbeit steht eine Skizze der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen, um die relevanten Determinanten
des sozialistischen Milieus zu bestimmen. Anschließend gliedert sich die Milieuanalyse in drei Hauptgruppen: das politische Sozialmilieu, das Organisationsmilieu und die Auseinandersetzung mit dem aufsteigenden Nationalsozialismus. 294 Diese Unterteilung ermöglicht es, die Konsistenz, Genese und Kohäsion des sozialistischen Milieus herauszuarbeiten. Unter dem Punkt des politischen Sozialmilieus wird eine Wahlanalyse vorgenommen und die Arbeiterparteien SPD, USPD, KPD und KPO untersucht. Dabei werden neben der Entwicklung der jeweiligen Partei ihre Führungskräfte, Veranstaltungen, Jugendorganisationen, Kampfbünde, Treffpunkte und Charakteristika erforscht. Das Kapitel des Organisationsmilieus erstreckt sich von den Gewerkschaften mit ihren Einzelverbänden auf die Kultur- und Freizeitvereine der Arbeiterschaft. Sport-, Gesang-, Bildungs-, Wohltätigkeitsvereine und Genossenschaften werden beleuchtet. Aufgrund der schlechten Quellenlage können allerdings Aussagen zu den Betriebsräten und Freidenkern nur eingeschränkt getroffen werden. Während der Analyse werden Spezifika des sozialistischen Milieus erarbeitet und herausgestellt. Zudem werden die Beziehungen zu Vororten und anderen Städten aufgezeigt und die Grenzen, Hemmnisse und Hindernisse für die Arbeiterbewegung erörtert. Im Kapitel zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus geht es sowohl um den Aufstieg des Nationalsozialismus und den Kampf gegen die Hit-
Vgl. Blaschke, Olaf/Kuhlemann, Frank-Michael: Religion in Geschichte und Gesellschaft. Sozialhistorische Perspektiven für die vergleichende Erforschung religiöser Mentalitäten und Milieus. In: Religion im Kaiserreich. Milieus – Mentalitäten – Krisen (= Religiöse Kulturen der Moderne, Bd. 2). Gütersloh 1996, S. 47 f. 291 Vgl. Blaschke/Kuhlemann, Religion, S. 47 f. Blaschke und Kuhlemann unterschieden nach räumlicher Ausbreitung zwischen Mikro-, Meso- und Makromilieus. Mikromilieus charakterisierten sie durch „geographische Nähe und durch personale Bezüge“, beispielsweise Milieus in einem Dorf oder in einer Stadt, Mesomilieus hatten Regionen als Bezugsrahmen (z. B. die Katholiken Bayerns) und Makromilieus waren ausgedehnte Gesellschaftsgruppen, die den Säulen der Soziologie ähnelten und beispielsweise den Katholizismus, den Protestantismus oder die Arbeiterschaft als Ganzes umfassten. 292 Lösche, Einführung, S. 24. 293 Der Begriff der „Machtergreifung“ ist umstritten, da Hitler zwar formaljuristisch legal zum Reichskanzler ernannt wurde, aber anschließend die Umgestaltung des Staates und die Zerstörung der Demokratie betrieben wurden. Machtergreifung beinhaltet zudem die Konnotation des bedingungslosen Machtwillens und Festhaltens an der erlangten Macht. Die Nationalsozialisten selbst sprachen vor allem von „Machtübernahme“ und „nationaler Erhebung“. Die Forscher streiten über die richtige Verwendung der Termini Machtergreifung, Machteroberung, Machtübernahme, Machtübertragung oder Revolution. In der vorliegenden Studie wird der Begriff Machtergreifung bewusst zur Beschreibung der Regierungsübernahme und der folgenden gesellschaftlichen Veränderungen samt Gleichschaltung verwendet. Vgl. Frei, Norbert: „Machtergreifung“. Anmerkungen zu einem historischen Begriff. In: VfZ 31 (1983), S. 136–145; Möller, Horst: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Konterrevolution oder Revolution? In: VfZ 31 (1983), S. 25–51; Ziegler, Walter: Die „Machtergreifung“, 9. März 1933. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historischeslexikon-bayerns.de/Lexikon/Die „Machtergreifung“, 9. März 1933i (26. 2. 2016); Marcowitz, Rainer: Weimarer Republik 1929–1933. Darmstadt 42012, S. 133–134. 294 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 17. 290
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Methode, Schwerpunkte und Aufbau
ler-Bewegung von Seiten der Arbeiter, als auch um die beginnende Durchsetzung der nationalsozialistischen Herrschaft. Neben Einschränkungen, Verboten und Auflösungen der linken Organisationen
werden Demonstrationen, Verhaftungen und der Widerstand des sozialistischen Milieus behandelt. Es gilt die Frage nach der Persistenz oder Anpassung der Arbeiterschaft in Bamberg aufzuarbeiten.
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2 Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen 2.1 Bevölkerung, Konfession und Topographie Bamberg war während der Weimarer Republik mit etwa 50.000 Einwohnern eine Stadt von mittlerer Größe. 1 1919 erbrachte die Volkszählung ein Ergebnis von 49.179, beim Zensus 1925 überschritt die Bamberger Bevölkerung mit 50.152 Personen erstmals die Marke von 50.000 und 1933 hatte Bamberg 54.161 Bürger. 2 Damit nahm Bamberg unter den Städten Oberfrankens den ersten Rang ein, denn 1925 registrierte Hof 41.377 und Bayreuth 35.306 Einwohner. 3 Im Regierungsbezirk stellte Bamberg aufgrund der dezentralen Struktur und des Fehlens
einer Großstadt eines der wichtigsten Zentren dar. 4 Bayernweit belegte Bamberg zwischen 1910 und 1933 hinsichtlich der Größe den neunten Rang unter den Städten. 5 Seit 1818 war die Bevölkerung in Bamberg kontinuierlich und deutlich angestiegen – ohne jedoch in dieser Phase des allgemeinen Städtewachstums und der Industrialisierung ein explosionsartiges Wachstum zu verbuchen. 6 So hatte sich die Einwohnerzahl von Bamberg zwischen 1818 und 1925 verdreifacht, während Nürnberg eine Steigerung um den Faktor 15 erlebte (Abbildung 1). 7
450000
Nürnberg
400000 Einwohnerzahl
350000 300000 250000 200000 150000 100000
Bamberg
50000 0 1800
1820
1840
1860
1880
1900
1920
1940
Jahr
Abbildung 1: Bevölkerungswachstum in Bamberg und Nürnberg zwischen 1818 und 1933. 8 Vgl. Statistik über die Bevölkerung in Bamberg 1927–1942, StadtABa, C 2, Nr. 53006; Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg 1695–1928, StadtABa, C 2, Nr. 53007; Stadtrat Bamberg: Verwaltungsbericht für das Jahr 1923. Bamberg 1923; Flacke, Johannes: Definitionen, Merkmale und Typologien von Klein- und Mittelstädten. In: Klein- und Mittelstädte – Verkleinerte Blaupausen der Großstadt? Dokumentation des Expertenkolloquiums am 29. April 2004 an der Universität Dortmund (= SRPapers, Nr. 1). Hg. v. S. Baumgart/J. Flacke/C. Grüger u. a. Dortmund 2004, S. 27. Nach der heute noch gültigen und gängigen Einteilung des Statistiker-Kongresses von 1887 wird eine Stadt zwischen 20.000 bis 100.000 Einwohner als sogenannte Mittelstadt definiert. 2 Vgl. Statistik über die Bevölkerung in Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53006; Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, Jg. 20. München 1934, S. 10. Zur Entwicklung der Bevölkerung in Bamberg zwischen 1804 und 1933 vergleiche Tabelle 6 im Anhang. Die Nummerierung der Tabellen erfolgt fortlaufend im gesamten Dokument, sodass zunächst die Tabellen im Fließtext nummeriert werden und anschließend die Tabellen im Anhang. 3 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 10. 4 Vgl. Trübsbach, Rainer: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. In: Oberfranken im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. v. E. Roth. Bayreuth 1990, S. 585–672. 5 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 10; Krapf, Manfred: Bamberg im 19. Jahrhundert. Bürgermeister und Modernisierung 1870 bis 1914. In: BHVB 132 (1996), S. 143. 6 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 143; Mayershofer, Militär, S. 27; Schenker, Andreas: Die Bevölkerungsentwicklung in Bamberg 1758–1804. Quellen, Verfahren und Daten. In: BHVB 151 (2015), S. 185–210. Zum – anders als in Bamberg – enormen Bevölkerungswachstum Nürnbergs zwischen 1849 und 1895 vgl. Bühl-Gramer, Charlotte: Nürnberg 1850 bis 1892. Stadtentwicklung, Kommunalpolitik und Stadtverwaltung im Zeichen von Industrialisierung und Urbanisierung (= Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte, Bd. 62). Nürnberg 2003, S. 104–114. 7 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 143 f.; Krapf, Manfred: Entwicklung und Verwaltung bayerischer Städte zwischen 1870 und 1914 (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, Bd. 115). München 1998, S. 38 f.; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 10; Hermann, Friedrich Benedict Wilhelm von (Hg.): Bevölkerung aus amtlichen Quellen (= Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern, Bd. 1). München 1850, S. 8–11. 8 Die Daten für Nürnberg wurden entnommen aus: Hermann, Bevölkerung, S. 8–11; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 10. 1
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Bevölkerung, Konfession und Topographie
Anteil an Gesamtbevölkerung in %
Binnenwanderung, Eingemeindungen und der zunehmende Geburtenüberschuss durch verbesserte Hygiene waren allgemein die Hauptfaktoren für das Wachstum. 9 Da Bamberg unterdurchschnittliche Zuwanderungsraten aufwies und die angedachte Eingemeindung des Vororts Gaustadt sowohl 1910 als auch Anfang der Zwanzigerjahre scheiterte, erfolgte die Zunahme in Bamberg vorwiegend wegen des demographischen Übergangs aufgrund der Differenz zwischen Geburten- und Sterberate. 10 Begünstigt durch die Neukanalisation der Stadt ab 1900 sank die Säuglingssterblichkeit in Bamberg von 23,9 % (1900) auf 14,6 % (1910) und erreichte somit einen Wert, der bayernweit erst 1925 zur Norm wurde. 11 Infolge des moderaten Städtewachstums änderte sich die konfessionelle Gliederung in Bamberg 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1870
nur minimal (Abbildung 2). 12 Als Bischofssitz war Bamberg das katholische Kernstück der Erzdiözese. 84,2 % der Einwohner gehörten 1925 der römischkatholischen Kirche an, 13,6 % waren Protestanten und 1,9 % Juden. 13 Der Anteil an Katholiken hielt sich zwischen 1871 und 1933 beständig auf einem hohen Niveau von über 82 % und schwankte dabei nur geringfügig zwischen 82,8 % im Jahre 1890 und 85,2 % für 1933. 14 Der Prozentsatz der evangelischen Bevölkerung hatte sich zwischen 1871 und 1890 von 11,3 % auf 13,6 % gesteigert und verharrte bis 1933 bei etwa diesem Wert. 15 Rückläufig war hingegen die Anzahl der Israeliten in Bamberg, deren Gemeinde 1890 insgesamt 1.249 Mitglieder (3,4 % der Gesamtbevölkerung) zählte, sich bis 1925 auf 972 Angehörige (1,9 %) verringerte und 1933 noch 812 Personen (1,5 %) betrug. 16
Katholiken
Protestanten Juden 1880
1890
1900
1910
1920
1930
1940
Jahr
Abbildung 2: Entwicklung der Konfessionsstruktur in Bamberg von 1871 bis 1933. Vgl. Krapf, Bamberg, S. 143 f.; Krapf, Verwaltung, S. 39; Endres, Rudolf/Fleischmann, Martina: Nürnbergs Weg in die Moderne. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Nürnberg 1996, S. 64 f.; Bühl-Gramer, Nürnberg, S. 109–136. 10 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 143 f.; Krapf, Verwaltung, S. 39; Gehringer, Horst: Stadt und Bevölkerung im 19. und 20. Jahrhundert. In: Die Wunderburg in Bamberg. Eine Stadtteilgeschichte. Hg. v. H. Gehringer. Bamberg 2005, S. 46; SO v. 25. 2.1922, Nr. 48; Stadtratsprotokoll v. 7. 3.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Bätzing, Werner: Bevölkerungsentwicklung (19./20. Jahrhundert). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikonbayerns.de/Lexikon/Bevölkerungsentwicklung (19./20. Jahrhundert)i (16. 3. 2016). 11 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 35; Krapf, Bamberg, S. 144 f. 12 Vgl. Mayershofer, Militär, S. 28 f. Vergleiche Tabelle 7 zur Entwicklung der Konfessionsstruktur im Anhang. 13 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 401,1. Berlin 1930, S. 371. 14 Vgl. Zeitschrift des Königlich-Bayerischen Statistischen Bureaus (4) 1872, S. 296; Krapf, Bamberg, S. 145; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 401,1, S. 371; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 451,3. Berlin 1936, S. 57. 15 Vgl. Zeitschrift des Statistischen Bureaus 1872, S. 296; Krapf, Bamberg, S. 145; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 401,1, S. 371; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 451,3, S. 57. Einer der Gründe für den Anstieg der evangelischen Bevölkerung lag in dem Ausbau der Garnison in Bamberg, denn beispielsweise waren 40 % der Offiziere Protestanten. Vgl. Mayershofer, Militär, S. 28 f. 16 Vgl. Zeitschrift des Statistischen Bureaus 1872, S. 296; Krapf, Bamberg, S. 145; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 401,1, S. 371; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 451,3, S. 57. Die Abnahme der jüdischen Bevölkerung in Bamberg ist bedingt durch den Wegzug vieler Juden Ende des 19. Jahrhunderts beispielsweise nach Nürnberg, die vergleichsweise niedrigen Geburtenzahlen dieser Konfessionsgruppe und die Entwicklung Bambergs zu einer völkisch-antisemitischen Hochburg während der Weimarer Republik. Vgl. Loebl, Herbert: Juden in Bamberg. Die Jahrzehnte vor dem Holocaust. Bamberg 21999, S. 20; Link, Stephan: Die völkisch-antisemitische Bewegung Bambergs im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: Jüdisches in Bamberg (= Schriften der Museen der Stadt Bamberg, Bd. 51). Hg. v. R. Hanemann. Petersberg 2014, S. 164; Siffel, Max: Stand und Bewegung der Bevölkerung der Stadt Bamberg 1900–1928. In: Bamberger Blätter für fränkische Kunst und Geschichte 9 (1933), S. 34. 9
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
Summarisch kann festgehalten werden, dass Bambergs demographische und konfessionelle Entwicklung während der Weimarer Republik konstant verlief und keine starken Einschnitte oder Ausbrüche zu verkraften waren. 17 Kontinuität und Stabilität kennzeichneten die Stadt zwischen 1918 und 1933 in dieser Hinsicht: Bamberg war und blieb eine überwiegend katholische Mittelstadt mit moderatem Bevölkerungswachstum. Die letzte große Zäsur in der Bamberger Geschichte datierte damals über hundert Jahre zurück: die Säkularisierung des Hochstifts 1802/03. 18 Obwohl die Zeitgenossen diesen Umbruch ohne größere Proteste hingenommen hatten, hinterließ er tiefe Spuren und prägte sich als einschneidendes Ereignis in das kollektive Bewusstsein ein. 19 Rückblickend schrieb der Verleger Dr. Wilhelm Ament im Einwohnerbuch von 1926: „Mit der Säkularisation begann eine Zeit des Niederganges.“ 20 Bayerische Truppen hatten Anfang September 1802 die Stadt besetzt, zwei Monate später trat der Fürstbischof formal seine weltliche Herrschaft ab und Bambergs Eingliederung in das Kurfürstentum Bayern begann. 21 Damit endete die fast 800-jährige Ära der geistlichen Souveränität, deren Grundstein von Kaiser Heinrich II. 1007 mit der Gründung des Bistums gelegt worden war. 22 Die vormalige fürstbischöfliche Residenzstadt wurde im 1806 neu errichteten bayerischen Königreich kurzzeitig Hauptstadt des Mainkreises und bekam 1809 den rechtlichen Status einer kreisunmittelbaren Stadt
zugesprochen. 23 Insgesamt dominierten politische und wirtschaftliche Nachteile, da viele Stellen im Zuge der Verwaltungsreform Montgelas’ wegfielen und die Wirtschaftskraft des Fürstbistums verloren ging. 24 Außerdem litt Bamberg unter der kulturellen und kirchlichen Ausplünderung, der Schließung der Universität und dem Abbruch von Gebäuden, beispielsweise der Kirche St. Martin. 25 Nicht nur diese schmerzlichen Erfahrungen wirkten bis in die Weimarer Republik fort, sondern auch die Neueinteilung der Stadt in Distrikte behielt ihre Gültigkeit. Bamberg wurde in der Säkularisation bis 1804 in vier Distrikte gegliedert, die den Strukturen der früheren Immunitäten (Rechtsbezirke) Rechnung trugen und die topographischen Besonderheiten berücksichtigten. 26 Die Inselstadt – zwischen den Flussarmen der Regnitz gelegen – wurde zum ersten Distrikt ernannt und so das weltliche Zentrum der Bürgerschaft aufgewertet. Zweiter Distrikt wurde die Gärtnerstadt im Osten des rechten Regnitzarmes samt der früheren Immunität St. Gangolf und der dazugehörigen Theuerstadt. Die restlichen Immunitäten sowie das Berggebiet „des fränkischen Roms“ wurden im dritten Distrikt zusammengefasst. Unterhalb dieses Stadtviertels bildete das Sandgebiet am linken Regnitzarm den vierten Distrikt. 27 Das anhaltende Bevölkerungswachstum seit Anfang des 19. Jahrhunderts brachte die Vergrößerung und Errichtung neuer Stadtviertel mit sich. Entscheidend für die Ausdehnung der Stadt war der Verlauf der Eisenbahnlinie im Osten. 28 Mit der
Vgl. Mayershofer, Militär, S. 27–29. Vgl. Baumgärtel-Fleischmann, Renate (Hg.): Bamberg wird bayerisch. Die Säkularisation des Hochstifts Bamberg 1802/03. Bamberg 2003. 19 Vgl. Dippold, Günter: Der Umbruch von 1802/04 im Fürstentum Bamberg. In: Bamberg wird bayerisch. Die Säkularisation des Hochstifts Bamberg 1802/03. Hg. v. R. Baumgärtel-Fleischmann. Bamberg 2003, S. 42–44; Blessing, Werner K.: Umbruchkrise und ‚Verstörung‘. Die ‚Napoleonische‘ Erschütterung und ihre sozialpsychologische Bedeutung. In: ZBLG 1 (1979), S. 75–106; Blessing, Werner K.: Franken – eine Region? Zu Horizonten und Identitäten zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert. In: Region – Territorium – Nationalstaat – Europa. Beiträge zu einer europäischen Geschichtslandschaft. Festschrift für Ludwig Hammermayer (= Rostocker Beiträge zur Deutschen und Europäischen Geschichte, Bd. 4). Hg. v. W. D. Gruner/M. Völkel. Rostock 1998, S. 266–270. 20 Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa. 21 Vgl. Dippold, Umbruch, S. 23–29. 22 Vgl. Theuerer, Winfried/Zink, Robert: Bambergs Wandel von der fürstbischöflichen Residenzstadt zur bayerischen Provinzialstadt. In: Bamberg wird bayerisch. Die Säkularisation des Hochstifts Bamberg 1802/03. Hg. v. R. Baumgärtel-Fleischmann. Bamberg 2003, S. 325; Staudenmaier, Policey, S. 39. 23 Vgl. Volkert, Handbuch, S. 401. 24 Vgl. Theuerer/Zink, Wandel, S. 326 f.; Link, Katholizismus, S. 27. 25 Vgl. Endres, Rudolf: Die Eingliederung Frankens in den neuen bayerischen Staat. In: Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat. München 1992, S. 89; Link, Katholizismus, S. 28; Theuerer/Zink, Wandel, S. 337. 26 Vgl. Theuerer/Zink, Wandel, S. 328. 27 Vgl. Theuerer/Zink, Wandel, S. 328. 28 Vgl. Gehringer, Bevölkerung, S. 62; Breuer, Tilmann: Grundzüge der städtebaulichen Entwicklung Bambergs im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: BHVB 116 (1980), S. 219; Kuchinke, Stephan: Die Ludwigs-Süd-Nordbahn von Lindau nach Hof. Stuttgart 1997, S. 20–22. 17
18
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Bevölkerung, Konfession und Topographie
Ludwig-Süd-Nord-Bahn war Bamberg früh an das zentrale bayerische Eisenbahnnetz angebunden und mit den Städten Nürnberg (seit 1844) und Augsburg (seit 1849) verbunden. 29 Bamberg wurde zum Verkehrsknotenpunkt, da sich die Streckenführung hier aufspaltete in Richtung Kulmbach, Hof und Sachsen einerseits und mit der Ludwig-West-Bahn nach Schweinfurt, Würzburg, Aschaffenburg und Frankfurt andererseits. 30 Entlang der Bahnlinie siedelten sich Industriebetriebe an, zum Beispiel die Mälzerei Weyermann, und auch das Militär nutzte die Nähe zur Eisenbahn beim Bau des neuen Kasernenviertels ab 1873. 31 Zusätzlich ermöglichte die Anlage des Heinrichs- und Kunigundendamms am rechten Regnitzarm die Besiedelung neuer Flächen im Südosten: Das Haingebiet entstand, die Wunderburg konnte erweitert werden und die damalige Luitpoldbrücke (heute: Marienbrücke) stellte die Verbindung zur Inselstadt sicher. 32 Infolge dieser Stadterweiterungen wurde Anfang des 20. Jahrhunderts die Schaffung neuer Distrikte nötig. Hatte man ursprünglich den Stadtteil Wunderburg noch dem zweiten Distrikt zugeschlagen, so wurde dieses wachsende Viertel um die Pfarrkirche Maria Hilf 1909 zum fünften Distrikt bestimmt. 33 1916 schloss sich die Gründung des sechsten Distrikts in der Gärtnerstadt um die Kirche St. Otto im Nordosten an. 34 Während der Weimarer Republik legte der Stadtrat 1930 die Bildung des siebten Distrikts namens Bamberg-Ost fest, der erstmals mit seinem
Kern jenseits der Bahntrasse lag und dazu beitrug, diese Trennlinie zu überwinden. 35 Bereits 1925 wurde im Rahmen der Volkszählung die Religionsstruktur in den einzelnen Distrikten erhoben. 36 Durch die stärkste konfessionelle Mischung hob sich der erste Distrikt von den anderen ab, denn hier lebten prozentual die meisten Protestanten (16,4 %) und zugleich wies die Inselstadt den höchsten Anteil jüdischer Einwohner (5,0 %) auf. 37 Dies resultierte aus den beiden Stadterweiterungen des Haingebietes und der Sophienstraße (heute: WillyLessing-Straße) in den 1860er Jahren, die auf Initiative jüdischer Gewerbetreibender entstanden und zu großbürgerlichen Villenvierteln ausgebaut wurden. 38 Ebenso verzeichnete der zweite Distrikt verhältnismäßig viele evangelische und israelitische Bewohner mit 14,3 % bzw. 2,3 %, die sich unter anderem in der zum Bahnhof führenden Luitpoldstraße ab 1873 angesiedelt hatten. 39 Die Katholiken Bambergs konzentrierten sich am dichtesten im dritten und vierten Distrikt mit je fast 89 % und wohnten somit in den Straßen um Bambergs geistliches Zentrum, den Dom. 40 Verschwindend gering war hier hingegen die Quote der „Sonstigen“, bestehend aus Andersgläubigen und Freidenkern, die am häufigsten in der Inselstadt, also im ersten Distrikt, und im fünften Distrikt der Wunderburg anzutreffen waren. 41 Drei Charakteristika prägten die wirtschaftliche Struktur Bambergs während der Weimarer Repu-
Vgl. Paschke, Hans: St. Gangolf zu Bamberg. 900 Jahre Geschichte und Topographie des Kollegiatsstiftes und der Pfarrei St. Gangolf in der Theuerstadt zu Bamberg (= Studien zur Bamberger Geschichte und Topographie, Bd. 18). Bamberg 1959, S. 151; Krapf, Verwaltung, S. 52; Kuchinke, Ludwigs-Süd-Nordbahn, S. 22–29; Bamberger Eisenbahnfreunde e.V. (Hg.): 150 Jahre Nürnberg-Bamberg. Das erste Teilstück der Ludwigs-Süd-NordBahn 1844–1994. Offizielle Festschrift zu den Jubiläumsveranstaltungen im Mai 1995. Bamberg 1995. 30 Vgl. Gehringer, Bevölkerung, S. 67; Eisenbahnfreunde, 150 Jahre, S. 66. 31 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Gehringer, Bevölkerung, S. 60; Krapf, Bamberg, S. 143–145, Breuer, Grundzüge, S. 224. 32 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Krapf, Bamberg, S. 143; Gehringer, Bevölkerung, S. 61–64; Breuer, Grundzüge, S. 220 f. 33 Vgl. Gehringer, Horst: Bamberg in Mittelalter und Früher Neuzeit. In: Die Wunderburg in Bamberg. Eine Stadtteilgeschichte. Hg. v. H. Gehringer. Bamberg 2005, S. 42. 34 Vgl. Gehringer, Mittelalter, S. 42. 35 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 2. 4.1930, StadtABa, C 1, Nr. 694; Breuer, Grundzüge, S. 224, 227. 36 Vgl. Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007. Vergleiche Tabelle 8 im Anhang zur Konfessionsstruktur der einzelnen Distrikte 1925. 37 Vgl. Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007; Gunzelmann, Thomas: Wohnquartiere Bamberger Juden – Eine Topographie im Überblick vom Mittelalter bis zum Holocaust. In: Jüdisches in Bamberg (= Schriften der Museen der Stadt Bamberg, Bd. 51). Hg. v. R. Hanemann. Petersberg 2014, S. 57–68. 38 Vgl. Gunzelmann, Wohnquartiere, S. 65 f.; Saldern, Adelheid von: Häuserleben. Zur Geschichte städtischen Arbeiterwohnens vom Kaiserreich bis heute (= Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 38). Bonn 1995, S. 71. Insbesondere das Hainviertel stellte in Bamberg als Wohnquartier eine freiwillige und bewusste räumliche Segregation der Oberschicht dar. 39 Vgl. Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007; Gunzelmann, Wohnquartiere, S. 66. 40 Vgl. Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007. 41 Vgl. Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007. 29
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
blik (Abbildung 3). Erstens lag der Anteil an Erwerbstätigen im primären Sektor 42 über dem Durchschnitt, zweitens war Bamberg eine Beamtenund Verwaltungsstadt mit vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst und drittens arbeiteten etwa 40 % der Bewohner in der Industrie und im Hand-
werk. 43 Statistisch konnte auf die reichsweiten Volks- und Berufszählungen aus den Jahren 1925 und 1933 zurückgegriffen werden, wobei letztere durch die Symptome der Wirtschaftskrise teilweise ein verzerrtes Bild abgab und daher mit Vorsicht zu bewerten ist. 44 1925
1933
45
Berufszugehörige in %
40 35 30 25 20 15 10 5 0 ft d cha n s - u ir t nd stw a L or F
d un ie k r st er du ndw n I a H
nd lu e d r an eh H erk V
te st ns ien e i D D er he h c li ls ic t n äu ffe H Ö
se ige slo nd f ru tä Be elbs S
Abbildung 3: Berufszugehörigkeit in Bamberg 1925 und 1933.
In der „Garten- und Gemüsestadt Oberfrankens“ 45 arbeiteten 5,5 % aller Erwerbstätigen 1925 in der Land- und Forstwirtschaft, 1933 lag die Rate bei 3,7 %. 46 Kennzeichnend für die Industrialisierung sank die Bedeutung dieses Sektors, denn 1882 hatten ihm 11 % der Gesamtbevölkerung und 1907 noch 6,5 % angehört. 47 Andere Mittelstädte in Franken wie Aschaffenburg, Fürth, Hof, Coburg und Schweinfurt lagen 1933 mit 1,1 % bis 2,5 % der im landwirtschaftlichen Bereich tätigen Einwohner un-
terhalb dieses Wertes. 48 Lediglich Bayreuth und Erlangen wiesen ebenfalls einen landwirtschaftlichen Wirtschaftszweig von etwa 3 % auf. 49 Die Zahlen belegen, dass Bamberg agrarisch basiert war und das traditionsreiche Gewerbe der Gärtner und Häcker während der 1920er Jahre im städtischen Vergleich noch ins Gewicht fiel. 50 Außerdem war der öffentliche Dienst in Bamberg von hoher Relevanz, denn 10,3 % bzw. 13,1 % der Gesamtbevölkerung gehörten 1925 bzw. 1933
Zum primären Sektor zählten gemäß der Definition von 1925: Landwirtschaft, Gärtnerei, Tierzucht, Forstwirtschaft und Fischerei. Vgl. BerufsStatistik v. 1925, StadtABa, C 2, Nr. 53009. 43 Vgl. Tabelle 9 und Tabelle 10 im Anhang zur wirtschaftlichen Gliederung Bambergs 1925 und 1933; Berufs-Statistik 1925–1934, StadtABa, C 2, Nr. 53009; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29. Berlin 1936, S. 36, 45. 44 Vgl. Petzina, Dietmar/Abelshauser, Werner/Faust, Anselm: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch. Materialien zur Statistik des Deutschen Reiches 1914–1945 (= Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte). München 1978, S. 45. 45 Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 588. 46 Vgl. Tabelle 9 und Tabelle 10 im Anhang zur wirtschaftlichen Gliederung Bambergs 1925 und 1933. 47 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 145; Petzina/Abelshauser/Faust, Handbuch, S. 44 f. 48 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 48–65. 49 In Bayreuth waren 3,0 % der Bevölkerung im primären Sektor tätig, in Erlangen 3,2 %. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 52, 57. 50 Zur geschichtlichen Entwicklung der Gärtner und Häcker in Bamberg vgl. Gehringer, Horst: Die Wunderburg als Wirtschaftsstandort. In: Die Wunderburg in Bamberg. Eine Stadtteilgeschichte. Hg. v. H. Gehringer. Bamberg 2005, S. 173–205; Gehringer, Horst: Die Gärtnerei in Bamberg. Aspekte ihrer historischen Entwicklung. In: Vom Wirtschaftsfaktor zum Welterbe. Bambergs Gärtner und Häcker (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 12). Hg. v. M. Scheinost. Bamberg 2009, S. 17–22; Zink, Robert: Die Gärtner und ihre Vereine in Bamberg seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. In: „Denn wos a rechtä Gärtna is, …“. Festschrift zum 125-jährigen Vereinsjubiläum des Oberen Gärtnervereins Bamberg 1863–1988. Bamberg 1988, S. 13–25. 42
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Bevölkerung, Konfession und Topographie
diesem Sektor an. 51 Bayernweit lag der Anteil in diesen Jahren hingegen bei 4,6 % und 6,9 %. 52 Hohe Werte konnten 1933 neben Bamberg noch Bayreuth (15,4 %), Erlangen (14,7 %) und Würzburg (17,2 %) aufweisen, während Nürnberg, Fürth, Hof und Schweinfurt unter der 10 %-Marke lagen. 53 Dieses Merkmal hatte die Berufsgliederung Bambergs bereits während des Kaiserreiches geprägt, denn 1882 zählten 15,2 % und 1907 insgesamt 13,8 % zu diesem Bereich. 54 Ausschlaggebend hierfür war die hohe Anzahl an Beamten in der Stadt, die vor allem bei der Reichsbahn, bei der Reichswehr, bei der Oberpostdirektion, bei Gericht und im Schulwesen arbeiteten. 1927 wurde eine detaillierte Aufstellung aller Staatsangestellten in Bamberg angefertigt, die über 2.000 Personen einschloss. 55 Davon waren 599 der Beamten bei der Reichsbahn beschäftigt, 479 bei der Reichspost, 146 im juristischen Bereich und 250 im Bildungswesen. 56 Außerdem waren in Bamberg der Stab und die erste und fünfte Eskadron des 17. Bayerischen Reiter-Regiments mit 405 Militärpersonen stationiert sowie eine Abteilung der Bayerischen Landespolizei mit 300 Mann. 57 Obwohl Bamberg Verluste im Sektor des öffentlichen Dienstes hatte hinnehmen müssen, da die Stadt seit 1907 nicht mehr Standort eines Amtes der Eisenbahndirektion war und die Garnison aufgrund der
Demobilmachung 1919 an Bedeutung verloren hatte, 58 war die Stadt auch während der Weimarer Republik ein Verwaltungs- und Beamtenzentrum mit staatlichen Mittelinstanzen wie der Oberpostdirektion. 59 Folglich spielte die Beamtenschaft sowohl zahlenmäßig als auch politisch eine wichtige Rolle im städtischen Leben. Im sekundären Sektor war maßgeblich, dass Bamberg nicht hochindustrialisiert war. Werte von 67 bis 70 % der Beschäftigten in Industrie und Handwerk wie sie Augsburg, Fürth, Nürnberg, Hof oder Würzburg 1925 verzeichneten, lagen außerhalb der Reichweite. 60 Bambergs Wirtschaftsstruktur war dafür viel zu breit aufgefächert und diversifiziert. 61 Dennoch stellte die Industriesparte einschließlich des Handwerks den mit Abstand größten Wirtschaftsbereich dar. 39,2 % der Bamberger gehörten 1925 dem produzierenden Gewerbe an, bedingt durch die Wirtschaftskrise sank die Zahl bis 1933 leicht auf 38,0 %. 62 Bei der Berufszählung 1933 wurden 46,7 % der Erwerbstätigen inklusive Arbeitsloser der Kategorie Industrie und Handwerk zugeordnet. 63 Folglich rechnete sich fast die Hälfte der Bamberger diesem Arbeitsgebiet zu und verdiente ihren Lebensunterhalt im sekundären Sektor – oder wollte zumindest von diesem leben. Unter diesen Umständen ist es verfehlt Bam-
Vgl. Tabelle 9 und Tabelle 10 im Anhang. Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 11. 53 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 10; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 36–43. Die genauen Werte lauten für Nürnberg 9,8 %, für Fürth 9,9 %, für Hof 8,1 % und für Schweinfurt 8,1 %. 54 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 145. 55 Vgl. Berufs-Statistik 1925–1934, StadtABa, C 2, Nr. 53009. 56 Vgl. Berufs-Statistik 1925–1934, StadtABa, C 2, Nr. 53009. 57 Vgl. Gunzelmann, Thomas: Die Kunstdenkmäler von Oberfranken. Stadt Bamberg. Stadtdenkmal und Denkmallandschaft. Stadtentwicklungsgeschichte (= Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Oberfranken. Bd. 3,1,1). Bamberg u. a. 2012, S. 628. 58 Vgl. Schmidt, Helmut: Grundlagen. Entwicklung der Direktionen 1935–1945 (= Deutsche Eisenbahndirektionen, Bd. 1). Berlin 2008, S. 31–33; Kuchinke, Ludwigs-Süd-Nordbahn, S. 115; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 628; Schreiben der Stadt Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 3.12.1919, BayHStA, MA, Nr. 102.046. Bamberg wurde 1845 unter der „Generalverwaltung der Königlichen Eisenbahnen“ eines der bayerischen Bahnämter neben Augsburg, München und Nürnberg. 1875 wurden zehn Oberbahnämter in Bayern gebildet, darunter Bamberg, die 1901/02 in Eisenbahn-Betriebsdirektionen umbenannt wurden. Am 1. April 1907 erfolgte eine Verwaltungsreform, die die Anzahl der Eisenbahndirektionen auf fünf reduzierte und kein solches Amt in Bamberg mehr vorsah. Die Garnison in Bamberg zählte 1919 noch 1.716 Personen, wohingegen 1927 nur mehr 405 Personen der Reichswehr angehörten. 59 Vgl. Blessing, Kirche, S. 9. 60 Vgl. Frey, Alfons: Die industrielle Entwicklung Bayerns von 1925 bis 1975. Eine vergleichende Untersuchung über die Rolle städtischer Agglomerationen im Industrialisierungsprozess (= Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 76). Berlin 2003, S. 53; Braun, Helmut: Wirtschaft (Weimarer Republik). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wirtschaft (Weimarer Republik)i (25. 3. 2016). 61 Vgl. Krings, Wilfried: Arbeit ist des Bürgers Zierde. Segen ist der Mühe Preis. Bamberg als Industriestandort vor 100 Jahren. In: Dokumentation des 100-jährigen Weges. Hg. v. der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Bezirksverband Bamberg Stadt e.V. Sonderdruck. Bamberg 1987, S. 25. 62 Ein typisches Merkmal für eine Krisenzeit ist die Erhöhung der Zahl der Selbständigen ohne Berufsangabe. Vgl. Petzina/Abelshauser/Faust, Arbeitsbuch, S. 45. 63 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 36. 51
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berg das Attribut einer Industriestadt vollkommen abzusprechen, denn die Stadt war bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts und somit auch während der Weimarer Republik ein wichtiger Industriestandort. 64 Die Verklärung Bambergs zu einer behaglichen „Stadt der Gärten, der Gemüse- und Blumenzucht“ 65 mit wenig bedeutender und untergeordneter Industrie entsprach Anfang des 20. Jahrhunderts nicht der Realität. 66 Schließlich wuchs der Anteil des industriellen Sektors schon während des Kaiserreiches von 34,6 % (1882) über 38,4 % (1895) auf 39,4 % (1907) an. 67 Die romantische Schilderung von 1912 lockte allenfalls Touristen und beförderte ein Wunschdenken, das gerne – auch in späteren Jahren – aufgegriffen und tradiert wurde. 68 Die Vorstellung, dass erst die Niederlassung der „Robert Bosch GmbH“ 1939 und die Ansiedelung weiterer Betriebe während der Fünfzigerjahre den industriellen Strukturwandel Bambergs herbeigeführt hätten, hielt sich daher hartnäckig. 69 Nimmt man aber Bamberg unter dem Aspekt eines Industriestandortes wahr, bedingt dies zwangsläufig die Frage nach der Sozialstruktur der Berufstätigen sowie dem Anteil und der Zahl der Arbeiter bzw. Industriearbeiter. Sozioökonomisch gliederten sich die Erwerbstätigen Bambergs 1925 in 16,9 % Selbständige inklusive Betriebsleiter, 35,9 % Beamte mit Angestellten und 47,2 % Arbeiter mit mithelfenden Familienangehörigen. 70 1933 ergab sich ein ähnliches Bild, denn 19,2 % gehörten zur ersten Gruppe der Selbständigen, 32,3 % zur
zweiten Kategorie der Beamten oder Angestellten und mit 48,5 % waren die meisten Erwerbstätigen Arbeiter, mithelfende Familienangehörige oder Hausangestellte. 71 Vergleicht man diese Zahlen mit Werten aus dem Jahr 1907, so fällt vor allem der enorme Anstieg unter den Beamten und Angestellten auf, denn die Sparte stieg um etwa 60 %. 72 Dieser soziostrukturelle Wandel entsprach dem reichsweiten Trend zwischen 1907 und 1925, der sogar noch stärker ausfiel und fast eine Verdoppelung in dieser Berufssparte verzeichnete. 73 Verantwortlich für die Zunahme war der fortschreitende Bedarf an Angestellten beispielsweise im Handels- und Verkehrswesen, in der Branche der Banken und Versicherungen und in der Industrie. 74 In den Betrieben wurde die Steigerung durch die Rationalisierungsphasen in der Weimarer Republik herbeigeführt. 75 1933 berücksichtigte man den Trend bei der Berufszählung, indem man nun zwischen Angestellten und Beamten unterschied. 76 Demnach zählten in Bamberg 13,6 % der Erwerbstätigen zu den Beamten, wohingegen 18,7 % den Angestellten zuzurechnen waren. 77 Unter den Letztgenannten war die größte Gruppe von 42 % im Wirtschaftszweig Handel und Verkehr beschäftigt, während sich prozentual die Bereiche der Industrie und des öffentlichen Dienstes mit 29 % bzw. 28 % auf einem ähnlichen Niveau befanden. 78 Diese Zahlen verdeutlichen Bambergs Bedeutung als Verkehrs- und Handelszentrum. In welchem Bereich waren jedoch die Arbeiter beschäftigt? Statistisch zählten 1933 in Bamberg
Vgl. Gehringer, Bevölkerung, S. 50; Krings, Anfänge, S. 278. Schneider, Peter/Ament, Wilhelm: Bamberg. Die fränkische Kaiser- und Bischofsstadt. Bamberg 1912, S. 30; vgl. Heckel, Willy: Bamberg im 20. Jahrhundert. Beschreibungen eines Stadtlebens in 80 Kapiteln und 10 Exkursen. Bamberg 22000, S. 50 f. 66 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 25; Krings, Anfänge, S. 278. 67 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 145; Siffel, Stand, S. 34; Krings, Industriestandort, S. 40, 52. Krings weist zu Recht darauf hin, dass die Einstufung als „Industriestadt“ stark von dem jeweiligen Stadtbild und der Verteilung der Betriebe innerhalb der Stadt abhängt; in Bamberg waren jedoch nur wenige Betriebe von der Innenstadt aus zu sehen. 68 Vgl. Heckel, Bamberg, S. 50 f. 69 Vgl. Krings, Anfänge, S. 266, 278; Wienkötter, Helm (Hg.): Die Bamberger Industrie. Ein Adreßbuch und Führer durch die Industrie des Stadt- und Landkreises Bamberg und ihre Erzeugnisse (= Die Industrie in Franken, Bd. 1). Bamberg 1949, S. 286; Bauer, Emil/Heckel, Willy: Bamberg. Traumstadt der Deutschen. Bamberg 21988, S. 19. 70 Vgl. Berufs-Statistik 1925–1934, StadtABa, C 2, Nr. 53009; Siffel, Stand, S. 34. 71 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 44 f. 72 Vgl. Siffel, Stand, S. 34. 1907 gehörten 22,1 % zu den Beamten und Angestellten, 1925 waren es hingegen 35,9 %. 73 Vgl. Petzina/Abelshauser/Faust, Arbeitsbuch, S. 46. 74 Vgl. Petzina/Abelshauser/Faust, Arbeitsbuch, S. 46 f. 75 Petzina, Abelshauser und Faust stellen für die Zwischenkriegszeit insgesamt drei Rationalisierungsphasen fest. 1919 bis 1923, 1924/25 und 1926/27. Vgl. Petzina/Abelshauser/Faust, Arbeitsbuch, S. 46 f. 76 Vgl. Berufs-Statistik 1925–1934, StadtABa, C 2, Nr. 53009; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 44 f. 77 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 44 f. 78 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 44 f. 64 65
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78,1 % der Arbeiter zu dem sekundären Sektor Industrie und Handwerk, in absoluten Zahlen ausgedrückt waren das 5.876 von 7.524 Arbeitern. 79 An zweiter Stelle folgte der Bereich Handel und Verkehr, in dem 13,2 % der Arbeiter tätig waren. 80 Die Zahlen von 1925 eignen sich nur bedingt für einen direkten Vergleich, da in diesem Zensus die Arbeiter von vornherein in einer Gruppe mit den mithelfenden Familienangehörigen zusammengefasst wurden und sich daher, bedingt durch die vielen Familienmitglieder vor allem in der Landwirtschaft, ein anderes Bild ergibt. 81 Allerdings dominierte auch unter diesen Bedingungen der sekundäre Sektor, in dem 70,0 % der Arbeiter und Familienangehörigen ihr Einkommen fanden, während 15,8 % auf Handel und Verkehr und 9 % auf die Landwirtschaft entfielen. 82 Aufgrund der besseren Konjunkturlage lag die Zahl der Industriearbeiter (plus Familienangehörige) 1925 mit 7.774 über dem Wert von 1933. 83 Als weiterer Anhaltspunkt für den Arbeiter-
und Angestelltenanteil diente eine Aufstellung zur Krankenversicherung von der Stadt Bamberg aus dem Jahr 1927. 84 Dabei bezifferte man die Zahl der Pflichtversicherten in der Ortskrankenkasse mit 15.500 Personen. Zusätzlich veranschlagte man etwa 1.100 Versicherte in den Berufskrankenkassen beispielsweise der Bäcker, Metzger und kaufmännischen Angestellten, sodass man zusammenfassend eine Summe von 16.600 Arbeitern und Angestellten meldete. 85 Anhand dieser Zahlen wird sichtbar, dass Bamberg während der Weimarer Republik nicht nur Gärtner- und Beamtenstadt war, sondern auch Arbeiter und Angestellte hier lebten und tätig waren. Sie dominierten die Wirtschafts- und Sozialstruktur zwar nicht in dem Ausmaße wie in anderen hochindustrialisierten Städten, dennoch stellten sie die größte Gruppe der Erwerbstätigen. Industrie und Handwerk bot der Mehrheit der Bevölkerung und insbesondere der Arbeiterschaft in Bamberg ein Auskommen.
2.2 Wirtschaft und Industrie 2.2.1 Industrialisierung bis 1918 Vermehrt wird die Industrialisierung als regionales Phänomen gesehen und bewertet. 86 Unter dieser Perspektive passt die industrielle Entwicklung Bambergs zu Bayern und Oberfranken und fügt sich
ohne große Abweichungen in den wirtschaftlichen Prozess ein. 87 Das markanteste Kennzeichen der süddeutschen Industrialisierung ist die Verspätung des ökonomischen Umschwungs gewesen, wodurch Bayern inklusive Bamberg „zum industriewirtschaftlichen Nachzügler“ 88 wurde. 89 Zwischen 1755
Vgl. Tabelle 11 im Anhang zur Aufteilung der Arbeiterschaft nach Wirtschaftszweigen; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 36. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 36. 81 Vgl. Tabelle 11 im Anhang; Berufs-Statistik 1925–1934, StadtABa, C 2, Nr. 53009. 82 Vgl. Berufs-Statistik 1925–1934, StadtABa, C 2, Nr. 53009. 83 Vgl. Berufs-Statistik 1925–1934, StadtABa, C 2, Nr. 53009. 84 Vgl. Schreiben der Stadt Bamberg v. 8. 3.1927, StadtABa, C 2, Nr. 53009. 85 Vgl. Schreiben der Stadt Bamberg v. 8. 3.1927, StadtABa, C 2, Nr. 53009. 86 Vgl. Krapf, Verwaltung, S. 46; Kiesewetter, Hubert: Industrielle Revolution in Deutschland 1815–1914 (= Neue Historische Bibliothek, Bd. 539). Frankfurt am Main 1989, S. 16; Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 594. 87 Vgl. Erker, Paul: Keine Sehnsucht nach der Ruhr. Grundzüge der Industrialisierung in Bayern 1900–1970. In: GG 17 (1991), S. 480–511; Krings, Anfänge, S. 265–284; Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 588–672; Zorn, Wolfgang: Probleme der Industrialisierung Oberfrankens im 19. Jahrhundert. In: JfL 29 (1969), S. 295–310; Zorn, Wolfgang: Bayerns Gewerbe, Handel und Verkehr (1806–1970). In: Handbuch der Bayerischen Geschichte. Das neue Bayern 1800–1970, Bd. 4,2. München 1979, S. 781–845; Gömmel, Rainer: Gewerbe, Handel und Verkehr. In: Handbuch der Bayerischen Geschichte. Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart, Bd. 4,2. München 22007, S. 216–299. 88 Erker, Sehnsucht, S. 483. 89 Vgl. Krapf, Verwaltung, S. 46 f.; Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 589–595; Wienkötter, Industrie, S. 50; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 290; Bosl, Karl: Die „geminderte“ Industrialisierung in Bayern. In: Aufbruch ins Industriezeitalter. Linien der Entwicklungsgeschichte. Hg. v. C. Grimm (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 3). München 1985, S. 22; Pohl, Arbeiterbewegung, S. 42–44; Erker, Sehnsucht, S. 481, 483; Frey, Entwicklung, S. 17; Hartmann, Weg, S. 430. Im Gegensatz zu dieser vorherrschenden Forschungsmeinung sieht Klaus Tenfelde nicht in der Verspätung der Industrialisierung, sondern in der Verspätung der Urbanisierung das wesentliche Merkmal der bayerischen Entwicklung. Vgl. Tenfelde, Klaus: Stadt und Land in Krisenzeiten. München und das Münchner Umland zwischen Revolution und Inflation 1918 bis 1923. In: Soziale Räume in der Urbanisierung. Studien zur Geschichte Münchens im Vergleich 1850 bis 1933. Hg. v. W. Hardtwig/K. Tenfelde. München 1990, S. 42. 79
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und 1855 fand in Oberfranken die Protoindustrialisierung statt, die Frühindustrialisierung datierte man bis zur Reichsgründung 1871, anschließend folgte etwa zehn Jahre lang der „Take-off“ und ab den 1880er Jahren ging die Hochindustrialisierung vonstatten. 90 Ein weiteres bayerisches Charakteristikum war die punktuelle Industrialisierung, die sich auf Großstädte (v. a. München, Nürnberg und Augsburg) und monokulturell-geprägte Kleinstädte beschränkte. 91 In Oberfranken zählten hierzu die Porzellanstadt Selb und die Textilzentren Hof, Kulmbach und Bayreuth, aber nicht Bamberg. 92 Außerdem begleiteten in Bayern Ressentiments die Modernisierung und eine ausgeprägte Industriefeindlichkeit wurde sowohl in Kreisen der Landwirtschaft als auch der Politik und Kirche gelebt und gepflegt. 93 Klaus Tenfelde bewertete den „Antimodernismus“ 94 und die „Fortschrittskritik“ 95 in Verbindung mit dem konservativen Klerus als Hauptbestandteile der bayerischen Entwicklung. 96 Diese Mentalität führte in Verbindung mit einer starken Landwirtschaft dazu, dass die gesellschaftliche und ökonomische Erneuerung gemäßigt ablief und brachte den Vorteil, dass keine scharfen sozialen Gegensätze aufbrachen. 97 Überdies behielt das Handwerk eine wichtige Position. Klein- und Mit-
telbetriebe überwogen und es differenzierte sich eine Mischstruktur aus, getragen von unterschiedlichen Branchen. 98 In Zeiten der Rezession, wie beispielsweise der Weltwirtschaftskrise ab 1929, erwies sich diese diversifizierte Struktur als verhältnismäßig resistent und weniger anfällig. 99 Als Devise galt, dass Bayern „kein zweites Ruhrgebiet“ werden wollte – und auch nicht wurde. 100 Ebenso wenig erschien die Industriealisierung in Sachsen als erstrebenswertes Vorbild, sodass man von politischer Seite bewusst einen anderen Weg forcierte. 101 Die Verzögerung wurde also sogar gestärkt. Abgesehen vom Defizit an politischer Gewerbeförderung bis zum Ersten Weltkrieg waren aber vor allem naturgegebene Umstände verantwortlich. 102 Der Mangel an Kohle als Brennstoff bedeutete zunächst ein gewichtiges Hindernis, sodass die Frühindustrialisierung nicht auf Bayern übergriff. 103 Die Schwerindustrie fehlte folglich als Schrittmacher und man blieb von der Wasserkraft als der sogenannten „weißen“ Kohle abhängig. 104 Entscheidend wurden daher die staatliche Energiepolitik und der Ausbau der Elektrifizierung für die Industrialisierung. 105 Verhältnismäßig wenige Impulse gingen vom Eisenbahnbau aus, der jedoch für den späteren Wachstums- und Aufholprozess eine gute
Vgl. Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 593, 661; Fuchs, Fabian: Ein Faden Freude, ein Faden Leid. Die Hofer und Bamberger Textilindustrie von 1800– 1920 im Vergleich. Hamburg 2013, S. 19. Im Gegensatz zu Oberfranken werden die Phasen der Industrialisierung für Deutschland früher datiert: Frühindustrialisierung 1775–1845, „Take-off“ 1845–1873 und Hochindustrialisierung ab 1873. Vgl. Wehler, Hans-Ulrich: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“, 1815–1845/49 (= Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2). München 31996, S. 26, 54, 65, 612–614; Wehler, Doppelrevolution, S. 552–610. 91 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 482 f., 496; Frey, Entwicklung, S. 234; Tenfelde, Klaus: Bayerische Industrialisierung und Entwicklung der Sozialdemokratie. In: Der Aufstieg der deutschen Arbeiterbewegung (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, Bd. 18). Hg. v. G. A. Ritter. München 1990, S. 135. 92 Vgl. Krapf, Verwaltung, S. 48 f.; Bald, Porzellanarbeiterschaft, S. 7; Zorn, Wolfgang: Kleine Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns 1806–1933 (= Bayerische Heimatforschung, Bd. 14). München 1962, S. 55; Erker, Sehnsucht, S. 483, 496; Braun, Helmut: Industrialisierung. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Industrialisierungi (1. 4. 2016); Fuchs, Fabian: Die Geschichte der Hofer Textilindustrie 1789–1919. Norderstedt 2011. 93 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 483, 510; Tenfelde, Industrialisierung, S. 135 f.; Tenfelde, Stadt und Land, S. 41–46. 94 Tenfelde, Stadt und Land, S. 41. 95 Tenfelde, Stadt und Land, S. 43. 96 Vgl. Tenfelde, Stadt und Land, S. 41–46. 97 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 493, 509; Tenfelde, Industrialisierung, S. 156. 98 Vgl. Krapf, Verwaltung, S. 50; Zorn, Wirtschaftsgeschichte, S. 47; Erker, Sehnsucht, S. 504; Tenfelde, Industrialisierung, S. 136. 99 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 484, 487, 504. 100 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 480–482; Bößenecker, Hermann: Bayern, Bosse und Bilanzen. Hinter den Kulissen der weiß-blauen Wirtschaft. München 1972, S. 305. 101 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 480–483. 102 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 483; Tenfelde, Industrialisierung, S. 135. 103 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 483; Gömmel, Gewerbe, S. 243 f. 104 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 483; Krapf, Verwaltung, S. 49; Gömmel, Gewerbe, S. 244. 105 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 483; Zorn, Gewerbe, S. 815. 90
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Wirtschaft und Industrie
Grundlage schuf. 106 Der ausschlaggebende Wandel vom Agrar- zum Industriestaat erfolgte schließlich in zwei Schüben: während der Zwanziger- und Dreißigerjahre und nach 1950. 107 Zu Leitsektoren wurden die Textilbranche sowie die Elektro- und Chemieindustrie. 108 Die Ablösung der Landwirtschaft verteilte sich gleichmäßig auf die Industrie und den Bereich der Dienstleistungen, sodass früh ein ausgeprägter tertiärer Sektor entstand. 109 Bayern folgte damit in ökonomischer Hinsicht der regulären Entwicklung einer Region ohne Schwerindustrie. 110 Viele der genannten Faktoren trafen nicht nur auf Bayern zu, sondern auch auf Bamberg und bestimmten dort wesentlich die Entwicklung von der Provinzstadt mit einer „geradezu mittelalterlichen Wirtschaftsstruktur“ 111 zum Industriestandort. Steinkohle wurde zwar im nahegelegenen Stockheim gefunden, doch die Förderung blieb unbedeutend und stellte keinen wirtschaftlichen Vorteil dar. 112 Die Regnitz war daher anfangs der einzige Energielieferant. 113 Allerdings reichte ihre Wasserkraft nicht an die des Lechs in Augsburg oder an die der Flüsse im Alpenvorland heran. 114 Große Teile der Regnitz waren fest in der Hand von Mühlenbesitzern und durch restriktive Wasserrechte reglementiert. 115 Außerdem unterlag der
Bamberger Fluss starken Schwankungen des Wasserstandes, sodass ein gleichmäßiger Produktionsbetrieb nicht gesichert war. 116 Die zwischen 1856 und 1858 errichtete Baumwollspinnerei in Gaustadt bei Bamberg besaß zwar einen Werkskanal, doch darüber hinaus musste die Firmenleitung zwei Dampfmaschinen anschaffen, um eine stetige Energiezufuhr zu gewährleisten. 117 Dampfkessel stellten daher eine Option für Bamberger Unternehmer dar und wurden unter anderem von der Tabakfabrik Raulino und der Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt von Carl Wiecking genutzt. 118 Zusätzlich brachte die Verbreitung von Gasmotoren in den 1870er Jahren einen Fortschritt, denn in Bamberg bestand seit 1855 eine Gasfabrik als erste Aktiengesellschaft und diese technische Neuerung wurde von den Bamberger Kleinbetrieben erfolgreich angenommen. 119 Elektromotoren wurden Anfang des 20. Jahrhunderts in Bamberg nur vereinzelt eingesetzt (1901: 37 Stück); sie erlangten erst nach dem Ersten Weltkrieg größere Verbreitung, sodass in Bamberg 1920 fast 1.000 Stück gezählt wurden. 120 Des Weiteren war 1901 unter dem Stadtbaurat Hans Erlwein ein städtisches Elektrizitätswerk am rechten Regnitzarm gebaut worden, das die Stromversorgung garantierte und zum Ausbau der Straßenbeleuchtung führte. 121
Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 482 f. Vgl. Frey, Entwicklung, S. 213, 216, 229; Zorn, Gewerbe, S. 823; Gömmel, Gewerbe, S. 258, 269–277; Erker, Sehnsucht, S. 493, 496; Deutinger, Stephan: Vom Agrarland zum High-Tech-Staat. Zur Geschichte des Forschungsstandorts Bayern 1945–1980. München u. a. 2001, S. 7. Erker und Frey betonen die entscheidenden und richtungsweisenden Strukturen und Grundlagen, die sich bereits während der Zwischenkriegszeit zeigten und geschaffen wurden, während Zorn in der Weimarer Republik wirtschaftlich vor allem „eine Zeit der Krisen“ sieht. Auch Deutinger datiert den „rasanten Modernisierungsprozeß im Freistaat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“ ohne die richtungsweisende Entwicklung vor dem Zweiten Weltkrieg zu beachten. 108 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 481, 505 f.; Krapf, Verwaltung, S. 49, 53; Zorn, Gewerbe, S. 814 f.; Gömmel, Gewerbe, S. 241–243, 271. 109 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 491–493. 110 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 511; Frey, Entwicklung, S. 229. 111 Hörsch, Markus: Die Stadt wächst: Bamberg in der Gründerzeit. In: Bamberg. Ein Stadtführer. Hg. v. R. Suckale/M. Hörsch/P. Ruderich u. a. Bamberg 42002, S. 284. 112 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 21 f.; Krings, Anfänge, S. 272 f. 113 Vgl. Krings, Anfänge, S. 273; Krapf, Bamberg, S. 146. 114 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 22. 115 Vgl. Krings, Anfänge, S. 273. 116 Vgl. Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 15; Fuchs, Faden, S. 68 f.; Krings, Anfänge, S. 273; Gömmel, Gewerbe, S. 243 f. 117 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 27 f.; Fuchs, Faden, S. 69 f.; Wienkötter, Industrie, S. 240–242; Krings, Anfänge, S. 273. 118 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 56, 242 f.; Krings, Industriestandort, S. 39. 119 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 240; Krings, Industriestandort, S. 39; Krapf, Bamberg, S. 168–170; Krapf, Verwaltung, S. 127–129. 1855 begann der Unternehmer Ludwig August Riedinger mit der Gasproduktion durch Steinkohle in Bamberg und ein Jahr später erfolgte die Gründung der „Aktiengesellschaft für Gasbeleuchtung“ unter städtischer Beteiligung. 1889 ging das Gaswerk vollständig in städtischen Besitz über. Ludwig August Riedinger war bayernweit führend beim Bau von Gaswerken und war unter anderem für die Bauten in Würzburg, Fürth, Bayreuth und Landshut verantwortlich. 120 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 39. 121 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 173–175; Theuerer, Winfried/Zink, Robert: Hans Erlwein und die Entwicklung Bambergs um die Wende zum 20. Jahrhun106 107
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
Im Hinblick auf die Infrastruktur war Bamberg sehr gut durch Straßen, Wasserwege und die frühe Eisenbahnanbindung erschlossen. 122 Als Handelsund Verkehrszentrum spielten die Schifffahrt und Flößerei eine wichtige Rolle, für die Industrialisierung blieb deren Bedeutung jedoch gering. 123 Der 1846 eingeweihte Ludwig-Donau-Main-Kanal erwies sich aufgrund der 100 Schleusen im Vergleich zum Schienenverkehr als zu langsam, umständlich und folglich unrentabel. 124 Der projektierte Bau eines Main-Werra-Kanals sollte eine Verbindung zu den deutschen Nordseehäfen schaffen und aus Bamberg eine „Binnenhafenstadt ersten Ranges“ 125 machen, doch die Pläne scheiterten am Bayerischen Landtag und dem Ersten Weltkrieg. 126 Mit der Eröffnung des Prinz-Ludwig-Hafens hatte man 1912 einen Schritt zum Ausbau des modernen Schiffsverkehrs erzielt, da man nun über fahrbare Kräne und eine eigene Hafenbahn verfügte. 127 Nachteilig wirkten sich die große Entfernung und abseitige Lage zur Innenstadt sowie zum Bahnhof aus, sodass
Bamberg – anders als in diesen Jahren Frankfurt am Main – nicht zum Industriehafen mit zahlreichen Unternehmen wurde. 128 Ähnlich wie in ganz Bayern hemmte auch in Bamberg die politische Zurückhaltung den ökonomischen Prozess. 129 Im Gegensatz zum Nürnberger und Schweinfurter Rat betrieb der Stadtmagistrat in Bamberg bis Ende des 19. Jahrhunderts keine Wirtschafts- und Gewerbeförderung. 130 Initiativen auf diesem Gebiet blieben Privatpersonen überlassen und wurden häufig bekämpft. Widerstand formierte sich oftmals durch eine gemeinsame Front aus städtischen Behörden und traditionellen Berufsgruppen. 131 Zusammen verhinderte diese beispielsweise 1855 die Ansiedelung einer Zündholzfabrik, indem die Gärtner den schädlichen Einfluss auf das Gemüsewachstum proklamierten und die Stadt die Lizenz verweigerte. 132 Der Versuch des Kaufmanns Moritz Hirsch eine erste mechanische Spinnfabrik zu etablieren war bereits 1825 am Protest der Schiffer und Fischer ge-
dert. In: Stadtentwicklung in Bamberg um 1900. Hans Erlwein 1872–1914 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 6). Hg. v. R. Zink. Bamberg 1997, S. 60–64; Fiedler, Rembrant: Bamberg, Elektrizitätswerk. In: Schauplätze der Industriekultur in Bayern. Hg. v. W. Kraus. Regensburg 2006, S. 274–275; Wienkötter, Industrie, S. 252; Krapf, Verwaltung, S. 138–144. Das Gebäude des Elektrizitätswerkes wurde 1977 unter Denkmalschutz gestellt und zwischen 1986 und 1988 zur städtischen Volkshochschule umgebaut. 122 Vgl. Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 599. 123 Vgl. Gunzelmann, Thomas: Bamberg als Stadt am Fluss im mitteleuropäischen Kontext. In: Im Fluss der Geschichte. Bambergs Lebensader Regnitz. Hg. v. R. Hanemann (= Schriften der Museen der Stadt Bamberg, Bd. 49). Baunach 2009, S. 16–22; Krapf, Bamberg, S. 146; Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 601. Die Flößerei war besonders für das Holz aus dem Frankenwald von großer Bedeutung, bei Bug entstand um 1900 ein Floßhafen. 124 Vgl. Gürtler, Daniel/Urban, Markus: Der Main-Donau-Kanal. Idee, Geschichte und Technik. Nürnberg 2013, S. 19–29; Krapf, Bamberg, S. 146; Wienkötter, Industrie, S. 234; Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 601; Gunzelmann, Fluss, S. 19 f. Da die Schiffe des Mains für den Kanal zu breit waren und die Schiffe des Kanals für den Main einen zu großen Tiefgang hatten, musste in Bamberg umgeladen werden. Eine ununterbrochene Schifffahrt war nicht möglich. Der Kanal warf daher nur anfangs Gewinne ab, ab Ende des 19. Jahrhunderts war er unrentabel. 125 Bamberger Jahrbuch 1934, Bd. 7. Bamberg 1934, S. 121. 126 Vgl. Gürtler/Urban, Main-Donau-Kanal, S. 35–37; Krings, Industriestandort, S. 21. 127 Vgl. Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 601; Datscheg, Richard: Die Eisenbahn im Hafen. In: Hafen Bamberg. Verkehrszentrum in Oberfranken. 25 Jahre im Dienst der Wirtschaft (= Internationale Industrie-Bibliothek, Bd. 130). Hg. v. S. Naraschewski. München 21987, S. 31; Zink, Robert: Zur Geschichte der Häfen und Länden in Bamberg. In: Hafen Bamberg. Verkehrszentrum in Oberfranken. 25 Jahre im Dienst der Wirtschaft (= Internationale Industrie-Bibliothek, Bd. 130). Hg. v. S. Naraschewski. München 21987, S. 48. 128 Vgl. Gunzelmann, Fluss, S. 21 f. 129 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 57 f.; Krapf, Bamberg, S. 147 f. 130 Vgl. Krapf, Verwaltung, S. 53; Krings, Industriestandort, S. 38; Gehringer, Bevölkerung, S. 50; Greiner, Christian Michael: Die wirtschaftliche Entwicklung ehemaliger Reichsstädte und Residenzstädte in Bayern 1803–1848. Augsburg 2010, S. 314; Bühl-Gramer, Nürnberg, S. 441–484. Umstritten ist die Frage, ob die Stadt Bamberg industriefeindlich war. Wienkötter zeichnet eine kontinuierliche Linie des Widerstands gegen die Industrialisierung in Bamberg von Beginn des 19. Jahrhunderts bis nach dem Zweiten Weltkrieg und macht dafür vor allem den Magistrat und die städtischen Behörden verantwortlich. Auch Bauer und Heckel nennen Bamberg im 19. Jahrhundert „eher industriefeindlich“. Kestel bezeichnet Bamberg als „industrieunfreundlich“ und datiert diese Haltung von der Gründerzeit ab 1871 bis in die Weimarer Republik. Breuer und Gehringer betonen, „Bamberg wollte nicht Industriestadt werden“ ohne jedoch konkrete Belege aufzuführen. Im Gegensatz dazu sieht Krings keine Belege für eine Industriefeindschaft des Magistrats, da dieser beispielsweise 1887 ohne größere Forderungen die Errichtung einer Baufabrik genehmigte. Festzuhalten bleibt die Tatsache, dass die Stadt Bamberg im 19. Jahrhundert keine aktiven Bemühungen um Ansiedelung von Unternehmen und Fabriken unternahm. Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 57 f.; Bauer/Heckel, Traumstadt, S. 19; Breuer, Grundzüge, S. 210; Gehringer, Wirtschaftsstandort, S. 174; Krings, Anfänge, S. 277; Krapf, Bamberg, S. 147 f.; Kestel, Christian: 125 Jahre Weyermann Malz. Die Geschichte des Bamberger Unternehmens 1879–2004. Bamberg 2005, S. 14. 131 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 57 f., 240. 132 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 240.
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Wirtschaft und Industrie
scheitert, denen das geplante Wasserrad ein Dorn im Auge war. 133 Die behördliche Passivität war in Bamberg umso problematischer, da es wenige Flächen gab, die sich zur Errichtung von Fabriken anboten und zugänglich waren. 134 Das Berggebiet schied aufgrund seiner topografischen Gegebenheiten von vornherein aus. 135 Flache Grundstücke standen zwar im Talbereich zur Verfügung, doch hier wehrten sich einerseits die Gärtner gegen die Abtretung ihrer Felder und andererseits konkurrierte das Militär um freie Ebenen für den Bau neuer Kasernen und Übungsplätze. 136 Da die Garnison der Stadt nicht nur gesellschaftliches Prestige, sondern auch Wirtschaftskraft brachte, wurde sie vorrangig gefördert. 137 1871 zählte Bamberg 1.644 Militärpersonen, deren Zahl sich bis 1910 auf 2.407 erhöhte. 138 Folglich wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Unterbringung der Regimenter mehrere Kasernenanlagen gebaut: 1823 die Koppenhofkaserne an der Staatsstraße nach Nürnberg, in den 1880er Jahren die Holzhofkasernen I und II ebenfalls an der Nürnberger Straße und in den 1890er Jahren die neue Infanterie-Kasernen an der Pödeldorfer- und Zollnerstraße. 139 Genau diese östlich gelegenen Straßenzüge waren aber auch bevorzugte Orte zur Ansiedelung von Industriebetrieben und Unternehmen. 140 So ließ sich beispielsweise an der Pödeldorferstraße 1882 die Bau- und Möbelschreinerei von
Simon Gottschall nieder, 1887 folgte eine „Fabrik für Electrotechnik und Maschinenbau Bamberg“ und 1890 eine Gemüse- und Obst-Präservenfabrik. 141 Erst unter Adolf Wächter änderte sich das städtische Desinteresse an der Industrie, nachdem dieser 1902 zum Rechtsrat gewählt worden war und ab 1913 den Posten des Ersten Bürgermeisters bekleidete. 142 Sein Credo lautete: „Bamberg soll sein Antlitz ändern zur kraftvollen, rastlosen Verkehrs- und Industriestadt“. 143 Gemäß diesem Ziel rief er 1906 eine Auskunftsstelle für wirtschaftliche Fragen ins Leben, deren Aufgabe in der Anwerbung neuer Fabriken bestand. 144 1910 verstärkte man die Bemühungen weiter und richtete einen städtischen Ausschuss zur Gewerbe- und Industrieförderung ein. 145 Außerdem wurde 1907 die „Gewerbliche Fortbildungsschule“ als Vorläufer der Berufsschule gegründet und 1911 ein Grundstücksfonds geschaffen, der neue Betriebsflächen aus städtischem Besitz bereitstellen sollte. 146 Bambergs rückschrittliche Haltung wandelte sich also unter Wächter „in Richtung einer energischeren Wirtschaftspolitik“. 147 Zuvor waren Impulse zur Industrialisierung, wie erwähnt, meist privater Initiative entsprungen und überwiegend wurde dieses Betätigungsfeld von jüdischen und protestantischen Unternehmern beherrscht – trotz der katholischen Bevölkerungsmehrheit in Bamberg. 148 Die Gründer des ersten
Vgl. Krings, Wilfried: Unternehmer, Verkehrswege, Wasserkräfte – Die Gründung der ersten Bamberger Industrie-Aktiengesellschaft in der Textilbranche. Ein Beitrag zur historischen Wirtschaftsgeographie Frankens. In: BHVB 147 (2011), S. 281–285; Fuchs, Faden, S. 21. 134 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 41. 135 Vgl. Krings, Anfänge, S. 277. 136 Vgl. Krings, Anfänge, S. 277; Krapf, Bamberg, S. 148. 137 Vgl. Tapken, Kai Uwe: Bamberg als Garnisonsstadt im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert (= Heimatbeilage zum Amtlichen Schulanzeiger des Regierungsbezirks Oberfranken, Bd. 248). Bayreuth 1998, S. 44 f.; Gehringer, Horst: Die Wunderburg als Militärstandort. In: Die Wunderburg in Bamberg. Eine Stadtteilgeschichte. Hg. v. H. Gehringer. Bamberg 2005, S. 151. 138 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 143. 139 Vgl. Kestler, Stefan/Tapken, Kai Uwe: „Drum frisch, Kameraden, den Rappen gezäumt …“. Ein historisch-photographischer Streifzug durch die Bamberger Garnisonsgeschichte 1871–1939 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 8). Bamberg 1998, S. 22–24; Gehringer, Militärstandort, S. 151–155. 140 Vgl. Krings, Anfänge, S. 277; Gehringer, Wirtschaftsstandort, S. 174. 141 Vgl. Krings, Anfänge, S. 277; Wienkötter, Industrie, S. 249–254; Krings, Industriestandort, S. 46 f. Die Flächen an der Pödeldorferstraße gehörten zum Grundbesitz der Bürgerspitalstiftung, die die Stadt verwaltete und sowohl dem Militär als auch neuen Unternehmern überließ. 142 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 148, 165. 143 Zit. n. Krapf, Bamberg, S. 149. 144 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 148. 145 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 148; Kolb, Hans/Rupp, Werner: 125 Jahre Industrie- und Handelsgremium Bamberg. Bamberg 1994, S. 3; Wienkötter, Industrie, S. 269. 146 Vgl. Kolb/Rupp, Industrie- und Handelsgremium, S. 3; Krapf, Bamberg, S. 148. 147 Krapf, Bamberg, S. 148. 148 Vgl. Fichtl, Franz/Link, Stephan/May, Herbert u. a.: „Bambergs Wirtschaft Judenfrei“. Die Verdrängung der jüdischen Geschäftsleute in den Jahren 1933 bis 1939. Bamberg 1998, S. 15–18; Krapf, Verwaltung, S. 48; Schumann, Dirk: Bayerns Unternehmer in Gesellschaft und Staat 1834–1914. Fall133
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
Großbetriebs bei Bamberg, der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei, Friedrich Krackhardt und Ludwig August Riedinger gehörten beide der protestantischen Religion an. 149 Hopfenhandel und -industrie waren die Domäne der jüdischen Kaufleute, die sich nach Abschaffung der Matrikel 1861 vermehrt unternehmerisch betätigten. 150 Durch Familien wie Lessing, Dessauer, Ehrlich, Morgenroth oder Rosenwald wurde Bamberg neben Nürnberg zum wichtigsten Hopfenmarkt in Franken. 151 Naheliegend war daher die Gründung von Fabriken in diesem Wirtschaftsbereich: Karl Isidor Dessauer errichtete 1886 die „Malzfabrik Dessauer“ und Simon Lessing 1885 die „Erste Bamberger Exportbrauerei Frankenbräu AG“, die spätere „Bamberger Hofbräu AG“. 152 Darüber hinaus setzten Bamberger Juden auch in anderen Branchen Impulse: Benjamin Kupfer etablierte 1867 die erste Nähseidenfabrik, Louis Kahn errichtete 1886 eine Schürzen- und Wäschefabrik, Seligmann Heß schuf 1880 eine Firma für Ledergroßhandel und Schäfte, während Emil und Carl Rosenfelder seit 1904 eine Klosettpapierfabrik betrieben. 153 Diese Beispiele verdeutlichen, dass Bambergs ökonomischer Auf-
stieg Ende des 19. Jahrhunderts eng mit dem Engagement und der Tatkraft jüdischer Persönlichkeiten verbunden war. 154 Während der Magistrat noch eine konservative Politik betrieb und viele Bürger in alten Strukturen verharrten, erkannten diese Unternehmer die Chancen der neuen Zeit und ergriffen sie. 1839 hatte ein Bamberger Optiker noch seine Befürchtung niedergeschrieben, dass der Eisenbahnbau den Abtransport des heimischen Bieres „in raschem Zug in’s lechzende Ausland“ 155 nach sich ziehen würde – diese Zukunftsangst war Ende des 19. Jahrhunderts in positiver Weise tatsächlich Wirklichkeit geworden. 156 Einen weiteren typischen Aspekt des Bamberger Wirtschaftslebens bildete die industrielle Entwicklung aus handwerklichen Strukturen heraus, die die Beibehaltung kleinerer und mittelgroßer Betriebe nach sich zog. Zugrunde lag die Prägung durch die gewerbliche Tradition als Residenzstadt mit einem spezialisierten und diversifizierten Handwerk. 157 Handwerker wie der Schreinermeister Georg Müller, der Gießermeister Wilhelm Gramß und der Werkmeister Karl Thomas erweiterten ihre Werkstätten zu industriellen Fir-
studien zu Herkunft und Familie, politischer Partizipation und staatlichen Auszeichnungen (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 98). Göttingen 1992, S. 86–93, 165–170. Dieser Befund deckt sich mit den Forschungen von Schumann, der belegte, dass auch in den katholischen Städten München, Augsburg und Regensburg die protestantischen und jüdischen Unternehmer überrepräsentiert waren. 149 Vgl. Regierungsblatt für das Königreich Bayern 5 (1870), Sp. 158; Winkler, Richard: Riedinger, Ludwig August. In: NDB 21 (2003), S. 572–573. Der beteiligte Jurist Johann Peter von Hornthal war katholisch, er entstammte aber einer ursprünglich jüdischen Familie, die in Bamberg zum Christentum übergetreten war. Vgl. Krings, Unternehmer, S. 301; Dreßler, Fridolin: Hornthal, Johann Peter von. In: NDB 9 (1972), S. 640. 150 In Bamberg existierten z. B. 1913/14 insgesamt 74 Hopfenhandlungen, von denen 73 von jüdischen Inhabern betrieben wurden. Selbst nach der Machtergreifung gab es 1934 in Bamberg noch 43 jüdische Hopfenhändler und nur drei katholische Unternehmer in dieser Branche. Vgl. Köhler, Florian: Die Bamberger Hopfenhändler im 20. Jahrhundert. Ein Beitrag zur jüdischen und wirtschaftlichen Geschichte Bambergs. Unveröffentlichte Masterarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2012; Gunzelmann, Thomas: Die Kunstdenkmäler von Oberfranken. Stadt Bamberg. Stadtdenkmal und Denkmallandschaft. Stadtdenkmal (= Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Oberfranken. Bd. 3,1,2). Bamberg u. a. 2012, S. 1641–1644; Loebl, Juden, S. 296; Fichtl/Link/May, Judenfrei, S. 16 f.; Kestel, Christian: Händler – Fabrikanten – Bankiers. Jüdisches Unternehmertum in der Bamberger Wirtschaft des 19. Jahrhunderts. In: Jüdisches in Bamberg (= Schriften der Museen der Stadt Bamberg, Bd. 51). Hg. v. R. Hanemann. Petersberg 2014, S. 109 f. Der Hopfen erforderte die Verarbeitung, z. B. die Verschwefelung, um ihn haltbar und exportfähig zu machen, sodass sich aus dem Handel eine Industrie entwickelte. 151 Vgl. Köhler, Hopfenhändler, S. 14, 41 f.; Kestel, Händler, S. 111; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1642; Loebl, Juden, S. 295; Krings, Anfänge, S. 272; Fichtl/Link/May, Judenfrei, S. 17. 152 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1643; Loebl, Juden, S. 296; Kestel, Händler, S. 112; Fichtl/Link/May, Judenfrei, S. 17. 153 Vgl. Leistungskampf der deutschen Betriebe, Bodenschatz & Co. v. 1942, StABa, M 36, Nr. 22; Kestel, Händler, S. 112; Loebl, Juden, S. 248–291; Fichtl/Link/May, Judenfrei, S. 17 f. 154 Vgl. Kestel, Händler, S. 114. 155 Wirth, Philipp: Gemeinfaßliche Darstellung der wesentlichsten Theile von Dampf-Maschinen nebst einer populären Abhandlung über den Einfluß des Maschinen-Wesens und insbesondere der Eisen-Bahnen auf wahres Volks-Glück als Vorwort. Bamberg 1839, Vorwort. 156 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 32 f. 157 Vgl. Hörl, Lina: Handwerk in Bamberg. Strukturen, Praktiken und Interaktionen in Stadt und Hochstift (1650–1800) (= Stadt und Region in der Vormoderne, Bd. 2). Würzburg 2015, S. 87–90, 118–120, 358 f.; Krapf, Verwaltung, S. 51–53; Krings, Industriestandort, S. 36–38, 52; Schrode, Florian/ Wittmann, Michael: Von der Büttnerwerkstatt zur Fassfabrik – Einblicke in die Handwerksgeschichte Bambergs am Beispiel der Büttnerei Saam. In: BHVB 152 (2016), S. 235–249; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 467 f.; Häberlein, Mark/Zink, Robert: Einführung. In: Soziale Strukturen und wirtschaftliche Konjunkturen im frühneuzeitlichen Bamberg (= Bamberger Historische Studien, Bd. 10/Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 17). Hg. v. M. Häberlein/R. Zink. Bamberg 2013, S. 9 f.
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Wirtschaft und Industrie
men. 158 Als Konsequenz entfaltete sich die Industrie ähnlich breit gefächert wie das Handwerk – Fabriken fanden sich schließlich in den Bereichen: Textil, Holz, Metall, Bekleidung, Nahrungsmittel, Genussmittel, Baugewerbe, Musikinstrumente und Elektrotechnik. 159 Vielfalt prägte die Industrialisierung Bambergs und verminderte zugleich die Konjunktur- und Krisenabhängigkeit. 160 Betrachtet man den Verlauf und die Sektoren der Industrialisierung in Bamberg, zeigen sich ebenfalls typische Entwicklungslinien. Während der Zeit der Protoindustrialisierung zwischen 1755 und 1855 ist es in Bamberg zu keiner bedeutenden Firmengründung gekommen. 161 Der Kunsthistoriker Joseph Heller hielt dazu 1831 in seinem Stadtführer fest, „daß Fabriken hier nicht gedeihen wollen, denn sie gingen jedesmal nach zwei Dezennien wieder ein“. 162 Stattdessen dominierte Mitte des 19. Jahrhunderts das Handwerk mit 1.010 Gewerbebetrieben gegenüber 14 Fabriken. 163 Insgesamt war auch das Manufakturwesen als Vorläufer der Industrialisierung wenig ausgeprägt. 164 Eine Ausnahme bildete die Tabakproduktion, die seit 1764 in der Bischofsstadt betrieben wurde und im Gegensatz zum bayernweiten Trend während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewann. 165 Dadurch wurde der Grundstein für den Wirtschaftsbereich der Nahrungs- und Genussmit-
telindustrie gelegt, der in Bamberg während der Hochindustrialisierung eine wichtige Rolle spielte. 166 In diesen Jahren wurden außerdem wichtige Rahmenbedingungen geschaffen: 1835 eröffnete die Sparkasse Bamberg, 1843 genehmigte König Ludwig I. eine oberfränkische Handelskammer in Bamberg und 1847 wurde in Bamberg ein Gewerbeverein ins Leben gerufen. 167 Die Phase der Industrialisierung begann in Bamberg mit dem Aufbau der „Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei Bamberg Aktiengesellschaft“ im Vorort Gaustadt. 168 1856 kündigte das Bamberger Tagblatt diese Firma seinen Lesern an: „Das großartige Unternehmen, welches für unsere Stadt segensbringend zu werden verspricht, nemlich die Errichtung einer mechanischen BaumwollSpinnerei und Weberei dahier, ist seit gestern als gesichert zu betrachten. Das Anlage- und Betriebskapital berechnet sich auf 3 Millionen Gulden. Die Fabrik wird für 54.000 Spindeln und 1200 Webstühle errichtet, […] Die Arbeiterzahl ist auf 1250 berechnet, die jährlich 300,000 fl. an Arbeitslöhnen erhalten werden.“ 169
Diese Zahlen legten offen, dass erstmals ein Großbetrieb mit mehr als 200 Beschäftigten seine Produktion aufnehmen und die kleingewerblichen Strukturen ablösen sollte. 170 Der Plan wurde einge-
Vgl. Krings, Industriestandort, S. 36 f.; Wienkötter, Industrie, S. 110 f., 235, 238, 245 f.; Zorn, Probleme, S. 296; Schrode/Wittmann, Büttnerwerkstatt, S. 227–266. Zorn vertritt im Gegensatz zu Krings die Auffassung, dass der Mangel an Handwerkern, die ihre Werkstätten zu Industriebetrieben ausbauten, in Oberfranken die industrielle Revolution erschwert hätte. In Bamberg war dieses Defizit jedoch nicht schwerwiegend und stellte keinen der Hauptgründe für die verzögerte Industrialisierung dar. Typisch für Bamberg ist auch das Beispiel der Büttnerfamilie Saam in der Sutte, die ihre Büttnerwerkstatt aus dem 19. Jahrhundert zu einer kleinen Fassfabrik erweiterte. 159 Vgl. Gehringer, Wirtschaftsstandort, S. 173; Krings, Industriestandort, S. 23, 30, 52; Schrode/Wittmann, Büttnerwerkstatt, S. 235–249. 160 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 25 f., 40. 161 Vgl. Zorn, Probleme, S. 295–298; Fuchs, Faden, S. 21; Zink, Säkularisation, S. 335; Krapf, Bamberg, S. 146. 162 Heller, Joseph: Taschenbuch von Bamberg. Eine topographische, statistische, ethnographische und historische Beschreibung der Stadt und ihrer Umgebungen. Als Führer für Fremde und Einheimische. Bamberg 1831, S. 138; vgl. Theuerer/Zink, Wandel, S. 335. 163 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1633. Zusätzlich bestanden in Bamberg 127 Handelsunternehmen. 164 Vgl. Theuerer/Zink, Wandel, S. 334. 165 Vgl. Krings, Anfänge, S. 268; Greiner, Entwicklung, S. 192–195; Wienkötter, Industrie, S. 185–187, 213–216. In der Tabakbranche stieg die Zahl von 93 Arbeitern in vier Betrieben um 1830 auf fünf Unternehmen mit 188 Beschäftigten 1851 an. Repräsentativ für diesen Industriezweig steht der Name der italienisch stämmigen Familie Raulino, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Firma in Bamberg betrieb. 166 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 23. 167 Vgl. Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 604 f.; Kolb/Rupp, Industrie- und Handelsgremium, S. 2 f. 1850 wird diese Entscheidung modifiziert und Bamberg und Hof erhalten eine Gewerbe- und Handelskammer, während Bayreuth einen Gewerbe- und Handelsrat zugesprochen bekommt. 1854 wird in Bayreuth die Kreis-, Gewerbe- und Handelskammer für Oberfranken errichtet und Bamberg und Hof zu Gewerbe-, Fabrik- und Handelsräten herabgestuft. Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1632; Krapf, Bamberg, S. 146 f. 168 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1633–1635. Im Folgenden wird der Begriff „Baumwollspinnerei“ als Synonym für den offiziellen und ausführlichen Firmennamen verwendet. 169 BT v. 14. 7.1856, Nr. 191. Die Abkürzung „fl.“ steht für die damalige bayerische Währung der Gulden, die sich ursprünglich aus dem lateinischen Wort florenus herleitete. 170 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1633; Krings, Industriestandort, S. 26. 158
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halten, denn die Anzahl der Beschäftigten betrug zum 25-jährigen Jubiläum etwa 1.400 und erreichte 1914 sogar die Marke 2.000. 171 Damit zählte die Baumwollspinnerei 1907 sogar zu einem der 39 „Riesenbetriebe“ in Bayern, die über 1.000 Arbeitnehmer hatten. 172 Der Entstehungszeitpunkt der Baumwollspinnerei korrespondierte mit einer allgemeinen Gründungswelle in der Verbrauchsgüter- und speziell in der Textilindustrie, die die Mechanisierung der Baumwollindustrie in Bayern einläutete. 173 Die Textilindustrie wurde infolgedessen zum Leitsektor der Industrialisierung sowohl in Bamberg als auch in ganz Bayern. 174 Als Konsequenz aus dem erfolgreichen Aufbau der Baumwollspinnerei folgten weitere Unternehmensgründungen in diesem Sektor. 1864 entstand unter Carl Wiecking die spätere „Bamberger Kalikofabrik AG“, die sich der Textilveredlung widmete und unter anderem Buchbinderleinen herstellte. 175 In unmittelbarer Nähe zur Kalikofabrik, ebenfalls am linken Regnitzarm gelegen, betrieb Philipp Meyer in den 1870er Jahren eine Färberei, aus der eine Dampfwäscherei und eine Waschmaschinenfabrik hervorgingen. 176 Zur wichtigsten und größten Firma im Stadtgebiet entwickelte sich die 1885 ins Leben gerufene „Mechanische Seilerwarenfabrik Bamberg“. 177 Ihr Geschäftsfeld lag in der Garnpro-
duktion aus Hanf und sie beschäftigte anfangs etwa 300 Arbeiter, deren Anzahl bis 1910 auf 575 anwuchs. 178 Für die Unterbringung der Beschäftigten errichtete man die sogenannte Arbeiterkolonie, die aus 13 Häusern an der Magazinstraße bestand und insgesamt 39 Wohnungen umfasste. 179 Als Werksiedlung war sie in Bamberg singulär, da eine solche sonst nur an der Gaustadter Hauptstraße von der Baumwollspinnerei angelegt wurde. 180 Eng verknüpft mit der Textilindustrie als Schrittmacher der Industrialisierung war der Aufstieg der Bekleidungs- und Reinigungssparte in Bamberg. Mit etwa 1.700 hauptberuflich Erwerbstätigen stand diese Abteilung 1895 an der Spitze der Bamberger Industriebereiche. 181 Großen Anteil hatte daran die „Schuhfabrik Manz & Co.“ der Gebrüder Heinrich und Wilhelm Manz an der Hornthal- und Inneren Löwenstraße, die 1914 circa 300 Arbeiter zählte. 182 Daneben zeichnete sich Bamberg durch seine Mützen- und Hutproduktion aus, die beispielsweise von der Familie Funk seit 1848 betrieben und später industriell ausgebaut wurde. 183 Der Hauptgrund, dass Bambergs Wirtschaft nicht einseitig von den Branchen Textil und Bekleidung dominiert wurde, lag in der Stärke der Nahrungs- und Genussmittelindustrie. 184 Während der Hochindustrialisierung richtete sich Bambergs
Vgl. Krapf, Bamberg, S. 147; Krings, Industriestandort, S. 28. Vgl. Krapf, Verwaltung, S. 49 f. 173 Vgl. Zorn, Probleme, S. 295; Zorn, Gewerbe, S. 802; Krings, Unternehmer, S. 279. 174 Umstritten und ungeklärt ist die Frage, warum sich das Unternehmen im Vorort Gaustadt und nicht in der Stadt Bamberg angesiedelt hat. Ausschlaggebend waren vermutlich die Wasserverhältnisse, die sich am linken Regnitzarm unterhalb der Mühlen zum Bau eines Werkkanals eigneten, während die Wasserrechte im Stadtgebiet vergeben waren und kein großes Gelände für einen Fabrikbau frei war. Trotz der Ansiedelung in Gaustadt führte die Aktiengesellschaft den Ort Bamberg in ihrem Namen und aufgrund der räumlichen Nähe verbanden sich die Entwicklung der Firma und der Stadt eng miteinander. Wienkötter sieht als Hauptgrund der Abkehr von Bamberg die „mangelnde Entschlußfähigkeit im Stadtrat“ und die zahlreiche Kritik im Vorfeld. Im Gegensatz zu dieser Position hält Gunzelmann fest, dass der Standort Bamberg nicht am Stadtmagistrat scheiterte, sondern durch die Errichtung eines Werkkanals an geeigneter Stelle bedingt wurde. Ebenso betont Krings die Bedeutung der Wasserkraft für die Standortwahl und hält es für „pure[n] Zufall“, dass der passende Ort zur Errichtung der Fabrik „auf Gaustadter Boden lag“. „Der nutzbare Verlauf der Regnitz“ und nicht die Industriefeindlichkeit der Stadt ist auch nach Meinung von Zwirner „als wichtigste Voraussetzung“ anzusehen. Vgl. Krapf, Verwaltung, S. 49; Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 14 f.; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1634; Wienkötter, Industrie, S. 240; Krings, Anfänge, S. 273; Zwirner, Harald: Gaustadt und die Erba – Bild einer industriell geprägten Stadtrandgemeinde. In: Heimat Bamberger Land 4 (1992), S. 4 f. 175 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1638; Krings, Industriestandort, S. 35; Wienkötter, Industrie, S. 122, 242 f.; Krapf, Bamberg, S. 147. 176 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1638; Wienkötter, Industrie, S. 269. 177 Vgl. Gunzelmann, Thomas/Fiedler, Rembrant: Die ehemalige „Mechanische Seilerwarenfabrik Bamberg“ – Geschichte und bauliche Entwicklung. In: Heimat Bamberger Land 16 (2004), S. 135–137. Erst nach der Gründung des Zündkerzenwerkes der Firma Bosch 1938 verlor die Seilerwarenfabrik diese Vorrangstellung in Bamberg. 178 Vgl. Gunzelmann/Fiedler, Seilerwarenfabrik, S. 135 f. 179 Vgl. Gunzelmann/Fiedler, Seilerwarenfabrik, S. 137. 180 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 42. 181 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 23. 182 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 246 f.; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1640 f. 183 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 226 f.; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1641; Bamberger Jahrbuch 1929, Bd. 2. Bamberg 1929, S. 151; 1913/14 beschäftigte die Haarhutfabrik von Konrad Funk etwa 100 Personen und stellte dabei 250–300 Hüte her. 184 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 23; Krapf, Bamberg, S. 147. 171
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Bier- und Malzindustrie, ebenso wie die bayerische Bierproduktion, vermehrt auf den Export aus. 185 Neben der Hofbräu AG von Simon Lessing und der Malzfabrik Dessauer gehörten hierzu seit 1879 die Fabrik von Johann Baptist Weyermann und ab 1894 die Großbrauerei der Gebrüder Maisel. 186 Insgesamt gab es 1913 in Bamberg mit insgesamt 33 mehr Brauereien als in München oder Regensburg. 187 Vervollständigt wurde die Sparte der Nahrungs- und Genussmittelindustrie durch die bereits erwähnte Tabakbranche, durch Weinessig- und Likörfabriken oder Nahrungsmittelfirmen beispielsweise zur Konservierung von Gemüse und Obst. 188 Des Weiteren schloss die Hochindustrialisierung in Bamberg auch die Bereiche des Baugewerbes, der Holzindustrie und der Metallverarbeitung ein. 189 Die frühere Schreinerei Strübel wurde in die „Möbelfabrik Gg. M. Müller“ umgewandelt, an der Unteren Mühlbrücke entstand 1885 die Metallwarenfabrik von Langmeier und Kaufmann (später: „Erste Bamberger Metallkapsel- und Metallwarenfabrik Kaufmann und Sohn“ an der Pödeldorferstraße) und Johann Mergner legte den Grundstein für seine Hoch-, Tief- und Eisenbetonbaufirma. 190 Das Hauptgewicht der Bamberger Industrie lag gemäß dem bayernweiten Trend auf der Verbrauchsgüterindustrie, während die Investitionsgüterindustrie eine untergeordnete Rolle spielte. 191 Ansätze zeigten sich lediglich in der Elektrotechnik. Die ers-
te Bamberger Fabrik dieser Sparte baute seit 1887 Dynamomaschinen, Bogenlampen und Beleuchtungsapparate. 192 In den folgenden Jahren um die Jahrhundertwende vergrößerte sich diese Branche um das Unternehmen „Groß & Bohrer“ (1892) und die Firmen von Max Hundt (1894), Franz Behr (1905), Fritz Wieland (1910) und Salusch Kalischak (1910). 193 Auf diese Betriebe konnte die Elektroindustrie später als Wachstumssektor aufbauen. 194 Ab 1913 und insbesondere während des Ersten Weltkriegs erfolgte bayernweit ein Industrialisierungsschub, der sich in Bamberg beispielsweise anhand der 1913 gegründeten Metallwarenfabrik „Oelhorn & Kahn“ oder der elektrotechnischen Fabrik „Helios“ 1916 zeigte. 195 Von Heeresaufträgen profitierte während des Krieges die Holz-, Metallund Nahrungsmittelindustrie. 196 Eine Holzwarenfabrik im Alten Schlachthaus in Bamberg produzierte Munitionskisten, die Malzfabriken trockneten nun Rüben und Kartoffeln und die Eisenkonstruktionswerkstätte von Clemens Heim fertigte Bahren für Lazarettzüge. 197 Bamberg wurde zwar nicht zu einem Zentrum der Rüstungsindustrie wie beispielsweise Schweinfurt, doch einzelne neue Betriebe spezialisierten sich auf diesem Gebiet. 198 1917 startete das Metallwerk „Stadler“ als Rüstungsbetrieb und seit demselben Jahr betrieb das zweite bayerische Armeekorps infolge des Hindenburg-Programms 199 eine Munitionsfabrik mit etwa
Vgl. Krapf, Bamberg, S. 147; Zorn, Probleme, S. 303 f.; Zorn, Gewerbe, S. 813; Fiedler, Bamberg, S. 22 f. Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1644; Gehringer, Wirtschaftsstandort, S. 195–197; Kestel, Weyermann, S. 17; Fiedler, Bamberg, S. 22 f., 220 f. 187 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 147. München zählte 17 Brauereien und Regensburg 13. Lediglich Augsburg übertraf mit 36 Brauereien die Bamberger Anzahl. 188 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 46–48; Wienkötter, Industrie, S. 254, 269. 189 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 23. 190 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 110 f., 251, 266. 191 Vgl. Zorn, Gewerbe, S. 812–814; Gömmel, Gewerbe, S. 241–243; Erker, Sehnsucht, S. 504. 192 Vgl. Krings, Industriestandort, S. 30. 193 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 256–269; Loebl, Juden, S. 270. 194 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 504–506. Parallel zum industriellen Angebot der Elektrotechnik wurde das alltägliche Leben in Bamberg zunehmend elektrifiziert: 1885 beleuchtete der Unternehmer Heinrich Manz erstmals die Festwiese im Hain, 1887 erhielt die Baumwollspinnerei eine Lichtanlage und 1897 nahm die elektrische Straßenbahn ihren Betrieb mit drei Linien auf. Vgl. Krapf, Verwaltung, S. 147 f.; Krapf, Bamberg, S. 175 f.; Kopp, Lisa Katharina: Auf den Spuren der „Elektrischen“. Zur Einführung des Personennahverkehrs in Bamberg. In: BHVB 152 (2016), S. 267–281; Krings, Industriestandort, S. 30. 195 Vgl. Braun, Industrialisierung; Erker, Sehnsucht, S. 484; Loebl, Juden, S. 277–279; Wienkötter, Industrie, S. 271–273. 196 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 272. 197 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 272. 198 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 272; Dornheim, Andreas: Sachs. Mobilität und Motorisierung. Eine Unternehmensgeschichte. Hamburg 2015, S. 129– 134. 199 Das sogenannte „Hindenburg-Programm“ wurde von Hindenburg und Ludendorff im September 1916 vorgelegt und sah die Verdoppelung der deutschen Rüstungsproduktion sowie die vollständige Mobilmachung der Heimatfront vor. Vgl. Wehler, Beginn, S. 114–122. 185
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1.000 Beschäftigten. 200 Negativ wirkte sich der Erste Weltkrieg jedoch auf die Textil- und Bekleidungsindustrie aus, die durch die Blockadepolitik an Rohstoffmangel litten. 201 Zusammenfassend wird festgehalten, dass Bamberg im Kontext der bayerischen und oberfränkischen Industrialisierung einen normalen und größtenteils typischen Verlauf nahm. Der Befund eines ökonomischen Sonderwegs hat weder für Bayern noch für Bamberg seine Berechtigung. Im Gegensatz zu manchen hochindustrialisierten Zentren und Städten kam es in Bamberg zu keinem radikalen Strukturwandel, vielmehr standen die Veränderungen im Einklang zu vorindustriellen Traditionen und entwickelten sich oft langsam aus handwerklichen Betrieben. Bamberg wurde durch die Industrialisierung also nicht schlagartig umgekrempelt, sondern änderte sein Gesicht mit „fränkischer Gemütlichkeit“.
2.2.2 Bambergs Wirtschaftsleben in der Weimarer Republik In einem kleinen Reiseführer aus den 1920er Jahren namens „Bamberger Land und Leut’“ schrieb der Autor Kunz Stillerich über Bamberg: „Bamberg ist nicht nur Gärtnerstadt, weil es auch viel Fabriken hat, in denen zähe Menschenkraft unendlich viele Werte schafft; die Industrie steht hoch in Schwung’ zum Segen der Bevölkerung.“ 202
Bamberg war während der Weimarer Republik tatsächlich Industriestadt und wurde als solche auch
wahrgenommen. Die positive Einschätzung von Kunz Stillerich teilten jedoch nur wenige Zeitgenossen, denn für sie stellte sich die Wirtschaft der Weimarer Republik vor allem als eine Abfolge aus Strukturbrüchen, Stagnationsphasen und Krisen dar. 203 Einschneidende Phasen waren die Demobilmachung, die Inflation und die Weltwirtschaftskrise. 204 Dem pessimistischen Zeitbild entsprachen die Halbmonatsberichte der Behörden aus Bamberg, die die „Lage des Arbeitsmarktes“ fortlaufend als „ungünstig“ 205 einschätzten, „in einem trüben Lichte“ 206 sahen und „Anzeichen irgendeiner Besserung der Wirtschaftslage […] nirgends“ 207 erkennen konnten. Aus ökonomischer Sicht gliederte sich die Weimarer Republik in drei Phasen: Die erste Zeitspanne umfasste die Nachkriegsjahre und die Inflation bis 1924, anschließend folgte bis 1929 eine Periode der relativen Stabilität, die von der Weltwirtschaftskrise abgelöst wurde. 208 Neueste Forschungen haben zudem belegt, dass die Zwischenkriegszeit gerade für Bayern einen wichtigen Industrialisierungsschub brachte, der von den Leitsektoren der Chemie- und Elektroindustrie getragen wurde und die Grundlage für den wirtschaftlichen Aufstieg während des Nationalsozialismus und nach 1945 darstellte. 209 Zunehmend gewann die Investitionsgüterindustrie an Bedeutung, Städte etablierten sich als Wirtschaftsstandorte mit zukunftsträchtigen Branchen und Bayerns Aufholprozess mündete in einer Wirtschaftsdynamik, die den Anschluss an die reichsweite Entwicklung fand. 210 Bambergs Wirtschaft verkraftete den Strukturbruch des Ersten Weltkriegs relativ gut, da die Rüstungsindustrie wenig ins Gewicht fiel und die Industrie breit aufgestellt war. 211 Die Adaption an die
Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 272; Mayershofer, Militär, S. 31; Rößner, Wilhelm: Die kommunale Politik der Stadt Bamberg im Kriege. Erlangen 1924, S. 71 f. 201 Vgl. Zorn, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 54; Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 20. 202 Stillerich, Kunz: Bamberger Land und Leut’. Bamberg o. J., S. 34; vgl. Krings, Anfänge, S. 281. 203 Vgl. Knortz, Heike: Wirtschaftsgeschichte der Weimarer Republik. Eine Einführung in Ökonomie und Gesellschaft der ersten Deutschen Republik. Göttingen 2010, S. 29–32. 204 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 32. 205 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865. 206 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1851. 207 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 8.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 208 Vgl. Braun, Wirtschaft. 209 Vgl. Frey, Entwicklung, S. 20, 213, 216, 229; Erker, Sehnsucht, S. 481, 485, 493, 504; Gömmel, Gewerbe, S. 251. 210 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 484 f., 503; Frey, Entwicklung, S. 229. 211 Vgl. Mayershofer, Militär, S. 32; Wienkötter, Industrie, S. 61. 200
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Friedensproduktion fiel daher leichter als in anderen Städten und wurde administrativ vom Demobilmachungsausschuss koordiniert. 212 Doch auch Bambergs Industrie – insbesondere die wichtige Textilindustrie – litt unter den Folgen des Ersten Weltkriegs: Zwangswirtschaft, Arbeitslosigkeit, Rohstoffknappheit und Kurzarbeit prägten die ersten Friedensjahre. 213 Bedingt durch den Kohlenmangel mussten 1918 und 1919 die Kalikofabrik und die Seilerwarenfabrik ihren Betrieb zeitweise einstellen. 214 Im Dezember 1919 entließ die Baumwollspinnerei aus diesem Grund 300 Arbeiter und schloss vorübergehend die Weberei. 215 Außerdem kämpfte man mit „jammervollen Verkehrsverhältnissen“, 216 da die Baumwolle vom Hafen in Hamburg bis nach Bamberg damals vier bis sechs Wochen benötigte. 217 Aufgrund der Reparationszahlungen hatte die in Bamberg fehlende Schwerindustrie Vorrang, während die Konsumgüterproduktion staatlich stark reglementiert blieb. 218 So beschwerte sich der Direktor der Baumwollspinnerei Heinrich Semlinger über das verpflichtende Einstuhl-System pro Person in der Weberei und die gestiegenen Herstellungskosten. 219 Diese wurden zusätzlich in die Höhe getrieben, da das Unternehmen aufgrund der Weiterbeschäftigungspflicht
gezwungen war „alle vom Heer zurückkehrenden früheren Arbeiter aufzunehmen, obgleich eine produktive Beschäftigung für sie nicht vorhanden [war].“ 220 Trotz der starken Konsumentennachfrage im Anschluss an den Krieg konnte man diese also weder befriedigen noch wettbewerbsfähig produzieren. 221 Wie die Verbrauchsgüterindustrie im Allgemeinen tat sich auch die Bamberger Textilindustrie nach 1918 mit der Stabilisierung und Normalisierung schwer. 222 Deutliche Wachstumsimpulse hingegen gingen in Bamberg sowohl von der elektrischen, chemischen und optischen Industrie als auch von der Maschinenindustrie aus. 223 Der Stadtrat beschloss 1920 den Ausbau der Straßenbeleuchtung und förderte die Gründung der Aktiengesellschaft „Überlandwerk Oberfranken“ zur allgemeinen Elektrifizierung, die ihren Sitz in Bamberg errichtete. 224 Als neue Firma nahm „H. & S. Steinberger“ 1919 die Produktion von Koch- und Heizapparaten in der Schützenstraße auf und beschäftigte in den folgenden Jahren etwa 50 Mitarbeiter. 225 Die chemische Industrie wuchs: „Häfner & Co.“ betätigten sich in der Schuhcreme- und Tintenherstellung und die „Hilfax GmbH“ aus Münster siedelte sich an. 226 Mit 65 Arbeitern war die „Dachpappenfabrik C. F.
Vgl. Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 36; Wienkötter, Industrie, S. 61: „Aber auch trotz des negativen Ausgangs verursacht dieser Weltkrieg keinen eigentlichen Strukturwandel in der Bamberger Industrie (und Wirtschaft). Man ‚fing sich‘ und stellte sich wieder auf die Friedensbetätigung ein.“ 213 Vgl. Brief von Heinrich Semlinger an die Bayerische Landesstelle für Textilwirtschaft München v. 20.10.1919, BayHStA, MHIG, Nr. 550; Knortz, Wirtschaftspolitik, S. 76–93; Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 631 f.; Pledl, Wolfgang: Bayern 1918 bis 1921. Aspekte seiner wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. In: ZBLG 49 (1986), S. 133–139. 214 Vgl. Wochenbericht des Stadtmagistrats Bamberg v. 9. 3.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835; Wochenbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 24. 2.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20. 215 Vgl. Wochenbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30.12.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20; Brief von Heinrich Semlinger an die Bayerische Landesstelle für Textilwirtschaft München v. 20.10.1919, BayHStA, MHIG, Nr. 550. Der Gaustadter Baumwollspinnerei kam es zwar zugute, dass das Werk in der Notzeit auch durch die Wasserkraft der Regnitz betrieben werden konnte, doch konnte die für die Maschinen benötigte Raumtemperatur in den Sälen bei kalten Temperaturen nicht erreicht werden. 216 Brief von Heinrich Semlinger an die Bayerische Landesstelle für Textilwirtschaft München v. 20.10.1919, BayHStA, MHIG, Nr. 550. 217 Vgl. Brief von Heinrich Semlinger an die Bayerische Landesstelle für Textilwirtschaft München v. 20.10.1919, BayHStA, MHIG, Nr. 550. 218 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 84 f. 219 Vgl. Brief von Heinrich Semlinger an die Bayerische Landesstelle für Textilwirtschaft München v. 20.10.1919, BayHStA, MHIG, Nr. 550: „Die Beschäftigung auf einem Stuhl ist keine genügende Tätigkeit für einen erwachsenen und geübten Weber, sie war es sogar nicht einmal bei Verarbeitung der mitunter schlecht laufenden aus Kriegsmaterial hergestellten Garne.“ 220 Brief von Heinrich Semlinger an die Bayerische Landesstelle für Textilwirtschaft München v. 20.10.1919, BayHStA, MHIG, Nr. 550. 221 Vgl. Brief von Heinrich Semlinger an die Bayerische Landesstelle für Textilwirtschaft München v. 20.10.1919, BayHStA, MHIG, Nr. 550; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 86. 222 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 84. 223 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 274–284. 224 Vgl. Gehringer, Bevölkerung, S. 52; Wienkötter, Industrie, S. 275. 225 Vgl. Verzeichnis der Industriebetriebe in Bamberg v. 8. 2.1923, StadtABa, C 2, Nr. 16186; Wienkötter, Industrie, S. 274. 226 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 276–279. 212
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Weber“ in dieser Sparte 1923 der größte Betrieb. 227 Die optische Brillenglasschleiferei „Rupp und Hubrach“ trug zur Modernisierung der Industrielandschaft bei, war sie doch die erste derartige Firma in Nordbayern. 228 Außerdem nahm die Maschinenindustrie einen Aufschwung, da mehrere Unternehmer in die Motorisierung und Kraftfahrzeugindustrie investierten. 229 Das „Dorko-Werk“ der beiden jüdischen Unternehmer Salo Dorn und Ignaz Kohn rüstete zunächst Militärfahrzeuge für den zivilen Gebrauch um und produzierte schließlich Bohrmaschinen und Motorräder. 230 Willy Messerschmitt 231 fertigte seine ersten Segelflugzeuge in der Langen Straße und instituierte 1923 den „Flugzeugbau Messerschmitt Bamberg“. 232 Folglich verzeichnete Bamberg in vielen jungen Wachstumsbranchen Fortschritte und hielt – im kleineren Rahmen – Schritt mit bayernweiten Entwicklungen. 233 Von Vorteil war dabei das fortgesetzte Engagement des 1917 zum Oberbürgermeister ernannten Adolf Wächter. 234 Persönlich kümmerte er sich um Schwierigkeiten der Unternehmer, ließ sich vom Verkehrsministerium zum Reichswasserstraßenbeirat berufen und initiierte in Bamberg parteiübergreifende Versammlungen zum wirtschaftlichen
Aufbau. 235 1923 wurde auf seine Initiative die „Fränkische Licht- und Kraftversorgung AG“ in Bamberg gebildet. 236 Darüber hinaus bewarb er explizit Bamberg als Standort und versuchte beispielsweise Betriebe wie die „Mannesmannröhren-Werke AG“ aus Düsseldorf oder die „Schuhfabrik Hans Püls“ aus Burgkunstadt zu einer Ansiedlung in Bamberg zu bewegen. 237 Wie die Firmenbeispiele zeigen, setzte Bamberg seine Industrialisierung nach dem Ersten Weltkrieg auf breiter Basis fort. Dominiert wurde die Wirtschaft Bambergs in der Weimarer Republik weiterhin von der Textil- und Bekleidungsindustrie. Hinsichtlich des Anteils an Beschäftigten im Textilgewerbe rangierte Bamberg mit 9 % bayernweit immerhin auf dem fünften Rang. 238 In der Bekleidungsindustrie wies Bamberg nach Aschaffenburg 1925 die höchste Gewerbedichte auf. 239 Ein besonderer Schwerpunkt lag in der Regnitzstadt auf der Schuhindustrie. 240 Die industrielle Gewichtung in Bamberg wird in einer Aufstellung der zehn größten Betriebe vom Februar 1923 deutlich, geordnet nach der Gesamtzahl der Beschäftigten (Tabelle 1). 241 Hier entfielen sieben von zehn Unternehmen auf die Bekleidungs- und Textilindustrie. Zusätzlich gehörte
Vgl. Verzeichnis der Industriebetriebe in Bamberg v. 8. 2.1923, StadtABa, C 2, Nr. 16186; Leistungskampf der deutschen Betriebe, Vedag v. 1942, StABa, M 36, Nr. 36. 228 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 277. 229 Vgl. Brachs, Meinrad: Reminiszenzen an eine kurzlebige Industrie-Epoche Bambergs. Die Kraftfahrzeugproduktion der zwanziger Jahre und ihre Firmen. In: BHVB 131 (1995), S. 355–386. 230 Vgl. Brachs, Reminiszenzen, S. 365–374. Der dritte Gesellschafter Bernhard Krüger wurde bereits 1920 aus dem Handelsregister ausgetragen. 231 Wilhelm (Willy) Messerschmitt wurde 1898 in Frankfurt am Main geboren. Der aus Bamberg stammende Vater zog 1906 mit seiner Familie wieder nach Bamberg. Dort begeisterte sich Willy Messerschmitt seit seiner Kindheit für Technik und Flugzeuge und studierte ab 1918 an der Technischen Hochschule in München Maschinenwesen. Bekannt wurde er vor allem durch die massenhafte Produktion von Jagdflugzeugen für die Deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges. Zur Person Willy Messerschmitt und seiner Biografie vgl. Ebert, Hans J./Kaiser, Johann B./Peters, Klaus: Willy Messerschmitt – Pionier der Luftfahrt und des Leichtbaues (= Die deutsche Luftfahrt, Bd. 17). Bonn 2008; Freise-Wonka, Christine: Bamberger Männergeschichten. Bamberg 2012, S. 206–209. 232 Vgl. Ebert/Kaiser/Peters, Messerschmitt, S. 38 f.; Freise-Wonka, Männergeschichten, S. 206–209; Ebert, Hans J.: Messerschmitt Bölkow Blohm. 111 MBB-Flugzeuge 1913–1978. Stuttgart 41979, S. 11, 247 f. 233 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 504. 234 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 275; Krapf, Bamberg, S. 166, 278. 235 Vgl. Korrespondenz zwischen Willy Lessing und Adolf Wächter v. 19.1.1922 u. 21.1.1922, StadtABa, C 2, Nr. 16186; NZ v. 19.11.1921, Nr. 72; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.12.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 236 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 278. 237 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 278. 238 Vgl. Frey, Entwicklung, S. 74. Der Anteil der Beschäftigten in der Textilindustrie im Verhältnis zur Gesamtzahl der Erwerbspersonen im Sektor Industrie und Handwerk lag 1925 in Hof bei 55 %, in Augsburg bei 30 %, in Bayreuth bei 35 % und in Erlangen bei 15 %. Danach folgte Bamberg mit 9 %; alle anderen bayerischen Städte wiesen Werte von 1 bis 2 % auf. 239 Vgl. Frey, Entwicklung, S. 79 f. Die Gewerbedichte (Anzahl der Beschäftigten der Branche pro 1.000 Einwohnern) der Bekleidungsindustrie lag 1925 in Aschaffenburg bei 75 und in Bamberg bei 52 Beschäftigten. 240 Vgl. Frey, Entwicklung, S. 79. 241 Vgl. Verzeichnis der Industriebetriebe in Bamberg v. 8. 2.1923, StadtABa, C 2, Nr. 16186. 227
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Wirtschaft und Industrie
die „Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Bamberg“ in Gaustadt mit 1.628 Arbeitern der Tex-
tilindustrie an, sodass die Vorrangstellung dieses Bereiches in Wirklichkeit noch deutlicher ausfiel. 242
Tabelle 1: Aufstellung der zehn größten Betriebe in Bamberg 1923 nach Gesamtzahl der Beschäftigten (Angestellte und Arbeiter). Name der Firma
Zahl der Angestellten
Zahl der Arbeiter
Mechanische Seilerwarenfabrik Bamberg AG
22
450
472
Textilindustrie
Schuhfabrik Gebrüder Neuburger
50
297
347
Bekleidungsindustrie
Rauch- und Schnupftabakfabrik Joh. Pet. Raulino & Comp.
60
275
335
Nahrungsmittel- und Genussmittelindustrie
Bamberger Kalikofabrik AG
15
300
315
Textilindustrie
Schürzen- und Wäschefabrik Louis Kahn
60
170
230
Bekleidungsindustrie
Mechanische Schuh- und Schäftefabrik Manz AG
22
200
222
Bekleidungsindustrie
Erste Bamberger Metallkapsel- und Metallwarenfabrik Kaufmann und Sohn
18
200
218
Eisen- und Metallindustrie
Nähseidenfabrik und Färberei Kupfer und Mohrenwitz
30
170
200
Textilindustrie
Cacao-, Chokoladen- und Zuckerwarenfabrik Carl Gemeinhardt AG
04
140
144
Nahrungsmittel- und Genussmittelindustrie
1. Oberfränkische Kleiderfabrik Georg Schwert
08
100
108
Bekleidungsindustrie
Abgesehen von den bereits erwähnten Wachstumsbranchen zählte auch die Schokoladenindustrie zu den aufstrebenden und erfolgreichen Zweigen nach dem Ersten Weltkrieg. 243 In Bamberg zeigte sich dieser Trend anhand der 1920 gegründeten Firma von Carl Gemeinhardt, die 1922 „vollbeschäftigt […] in Doppelschicht“ 244 arbeitete und seit 1923 als Aktiengesellschaft firmierte. 245 Der Herstellung von Lebkuchen, Bonbons und Schokolade widmete sich außerdem ein kleiner Betrieb von Anton Schröppel in der Oberen Sandstraße. 246 Die Firmenaufstellung von 1923 verdeutlicht obendrein, dass die Brau- und Malzfabriken nicht zu den größten Arbeitgebern zählten. 247 Unter diesen verzeichnete mit Abstand die „Hofbräu AG“ die höchste Beschäf-
Gesamt- Wirtschaftsbereich zahl
tigtenzahl mit 101 Mitarbeitern, während die Malzfabrik „Mich. Weyermann“ mit 55 Personen nur etwa halb so viele Angestellte und Arbeiter zählte. 248 Diese Firmen prägten zwar außerhalb das Image von Bamberg als Bierstadt, doch im Alltag der Arbeiter und für die Wirtschaft spielten sie nur eine Nebenrolle; Garne, Schuhe, Tabak, Textilien und Schokolade waren weitaus wichtiger für die Arbeiter Bambergs. Bei aller Produktion war jedoch Arbeitslosigkeit deutschlandweit das größte und drängendste Problem in den Nachkriegsjahren, da die heimkehrenden Soldaten auf den Arbeitsmarkt drängten und ungeachtet der Schwäche der Industrie beschäftigt werden mussten. 249 In Bamberg stieg die Zahl der
Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29. 9.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. Die Zahl 1.628 stammte vom September 1923, während die Zahlen der anderen Betriebe im Februar 1923 festgestellt wurden. Im Gegensatz dazu weichen die Zahlen bei Wienkötter und Kestel ab, die sich auf eine Gewerbeinspektion im März 1923 als Grundlage berufen – ohne genaue Quellenangabe. Sie nennen dabei für die Baumwollspinnerei 1.000 Beschäftigte. Diese Zahl erscheint zu niedrig, denn auch im August 1924 wurde im Halbmonatsbericht 1.700 Arbeitern und 100 Angestellten in der Baumwollspinnerei erwähnt. Unabhängig von der genauen Ziffer stellte die Baumwollspinnerei die größte Firma in der Textilbranche in Bamberg und Umgebung dar. In der Tabelle 1 wurde sie nicht aufgeführt, da sie im Vorort Gaustadt und nicht direkt in der Stadt Bamberg angesiedelt war. Vgl. Halbmonatsbericht v. 30. 8.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1858; Wienkötter, Industrie, S. 278; Kestel, Weyermann, S. 57. 243 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 33 f. 244 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1853. 245 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 276. 246 Vgl. Verzeichnis der Industriebetriebe in Bamberg v. 8. 2.1923, StadtABa, C 2, Nr. 16186. Anton Schröppel beschäftigte 1923 insgesamt 14 Personen. 247 Vgl. Verzeichnis der Industriebetriebe in Bamberg v. 8. 2.1923, StadtABa, C 2, Nr. 16186. 248 Vgl. Verzeichnis der Industriebetriebe in Bamberg v. 8. 2.1923, StadtABa, C 2, Nr. 16186. 249 Vgl. Neuner, Stephanie: Demobilmachung, 1918–1923 (ökonomisch, gesellschaftlich, kulturell). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp:// 242
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
Hauptunterstützungsempfänger in der Erwerbslosenfürsorge von 207 Personen im Oktober 1919, über 361 im Januar 1920 auf 468 Personen im Oktober 1920 an und erreichte damit einen Höhepunkt. 250 Prozentual lag der Anteil an Erwerbslosen bei 0,42 % (Oktober 1919), 0,73 % (Januar 1920) und 0,95 % (Oktober 1920) der Gesamteinwohner. 251 Damit stand Bamberg im Januar 1920 an neunter Stelle der 15 bayerischen Städte mit über 24.000 Einwohnern und war trotz der labilen Textilindustrie von der Arbeitslosigkeit unterdurchschnittlich betroffen. 252 Gegenmaßnahmen zur Arbeitslosigkeit waren Notstandsarbeiten, Kurzarbeit und Arbeitsvermittlung in andere Regionen. 253 Ein Teil der Bamberger Erwerbslosen wurde als Notstandsarbeiter 1919 und 1920 für die Errichtung der Kanalisation in der Pödeldorferstraße, der Kunigundenruhstraße und der Dr.-von-Schmitt-Straße eingestellt. 254 Im Wochenbericht vom 8. Januar 1921 meldete der Stadtrat erfreut, dass „viele Arbeitssuchende wieder reges Interesse für Arbeitsaufnahme im Ruhrrevier und Rheinland [zeigten]. In dieser Woche allein wurden 38 Leute, davon 10 Facharbeiter, nach dort vermittelt.“ 255 Die Vermittlung und Abwanderung von Bamberger Arbeitern in das Ruhrgebiet war ständige Praxis in den Jahren 1920 und 1921 und wurde
von der Stadtverwaltung unterstützt und gefördert, um den heimischen Arbeitsmarkt zu entlasten. 256 Kurzarbeit war eine weitere Methode zur Verringerung der Erwerbslosen sowohl in den direkten Nachkriegsjahren als auch während der Inflation. 257 Im September 1923 wurde im Halbmonatsbericht festgehalten, dass in Bamberg 102 Betriebe mit insgesamt 3.200 Arbeitern verkürzte Arbeitszeiten eingeführt hatten. 258 Auch die Baumwollspinnerei hatte die Wochenarbeitszeit zuvor schon auf 30 Stunden reduziert und minimierte diese im September 1923 nochmals auf 24 Stunden. 259 Diese Schritte wurden parallel zur Steigerung der Inflation ergriffen, die 1923 zur Hyperinflation anwuchs. 260 Diese brachte den Verbrauchern die „maßlose Teuerung aller Lebensmittel“ 261 und „unsinnige […] Preissteigerungen von Woche zu Woche, ja von Tag zu Tag“ 262, sodass die Stimmung „andauernd gereizt“ 263 war, wie der Halbmonatsbericht des Stadtrats festhielt. Vom Stadtrat wurden ab August 1923 Scheine im Wert von einer Million Mark als Notgeld ausgegeben, zwei Monate später verteilte man sogar Milliardenscheine. 264 Die Unternehmen litten unter dem Verlust an Betriebskapital, an Auftragsmangel und an der Lohn- und Steuersteigerung. 265 Besonders schwer traf es in Bamberg die elektrotechnische Industrie, die
www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Demobilmachung, 1918–1923 (ökonomisch, gesellschaftlich, kulturell)i (19. 4. 2016); Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 82; Pledl, Bayern, S. 138. 250 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921, Jg. 15. München 1921, S. 210. 251 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921, S. 210. 252 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921, S. 210. Eine höhere Erwerbslosenquote wiesen laut Statistik vom 1. Januar 1920 auf: Hof mit 4,42 %, Fürth mit 3,69 %, Bayreuth mit 2,62 %, München mit 2,10 %, Augsburg mit 1,09 %, Amberg mit 1,04 %, Erlangen mit 1,00 % und Nürnberg mit 0,95 %. Niedrigere Werte als Bamberg verzeichneten: Regensburg mit 0,38 %, Ingolstadt mit 0,25 %, Landshut mit 0,24 %, Würzburg mit 0,16 %, Aschaffenburg mit 0,12 % und Schweinfurt mit 0,01 %. 253 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 86 f. 254 Vgl. Feststellungsbescheid des Ministeriums für Soziale Fürsorge v. 30.12.1919, BayHStA, Ministerium für Soziale Fürsorge (künftig: MFür), Nr. 1146. 255 Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 8.1.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849. 256 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1920, StABa, K 3, Präs. Reg, Nr. 1846; Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 7. 8.1920, K 3, Präs. Reg., Nr. 1846; Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 8.1.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849. 257 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 87. 258 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 9.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 259 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29. 9.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 260 Vgl. Wehler, Beginn, S. 241–252. 261 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 8.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 262 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 263 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 9. 1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 264 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 8.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Zink, Robert: „Hundert, Tausend, Millionen, Milliarden“. Das Notgeld der Stadt Bamberg 1917–1924 (= Ausstellungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 1). Bamberg 1987, S. 7. 265 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Kestel, Weyermann, S. 56.
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Wirtschaft und Industrie
Schuhindustrie, die vielen Kleinbetriebe und selbständigen Handwerker. 266 Beispielsweise war Georg Hoh gezwungen, seine elektrotechnische Fabrik mit 64 Arbeitern in der Georgenstraße aufzugeben. 267 Ebenso stellte die Schuhfabrik „Frank & Schmitt“ ihren Betrieb ein. 268 Auch andere Unternehmen mussten schließen, was charakteristisch für den Konzentrationsprozess während der Inflation war. 269 Die nationalliberale Zeitung Neueste Nachrichten wurde im September 1923 eingestellt und die Druckerei vom katholischen St. Otto-Verlag übernommen. 270 So verschwanden hauptsächlich kleinere Betriebe, während die großen Firmen die Krise letztendlich doch gut überstanden. 271 Im Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei hieß es im Rückblick auf das Jahr 1923, dass man es geschafft habe, den Betrieb „ohne weitere grosse Verluste […] durch den Sturm der Ereignisse hindurchzuführen.“ 272 Die Einführung der Rentenmark am 15. November 1923, der Abschluss des Dawes-Plans und der Zugang zu ausländischem Kapital brachten eine Stabilisierung der deutschen Wirtschaft ab 1924. 273 Im August 1924 meldete die Baumwollspinnerei folglich die Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 36 auf 45 Stunden, die Arbeitsmarktlage in Bamberg erfuhr eine „wesentliche Besserung“ 274 und
die zeitweise komplett ruhenden Schuhfirmen nahmen die Arbeit wieder auf. 275 Die oft zitierten „Goldene Zwanziger Jahren“ brachen dennoch nicht an, besser lässt sich diese Phase als „Zeit relativer Stabilität“ 276, als „Dollarscheinblüte“ 277 oder als „Konjunkturaufschwung“ 278 beschreiben. 279 In Bamberg brachte das Jahr 1924, abgesehen von der wirtschaftlichen Besserung, auch politisch eine Wende, denn Adolf Wächter wurde am 2. April 1924 von Luitpold Weegmann an der Stadtspitze abgelöst. 280 In wirtschaftlicher Hinsicht setzte dieser Erste Bürgermeister die Politik seines Vorgängers fort und bemühte sich ebenfalls um die Förderung und Stärkung der Industrie. 281 Als „Wirtschaftsfachmann“ 282, Jurist und Kandidat der Partei „Wirtschaftliche Vereinigung“ maß er der Industrie und dem Gewerbe einen hohen Stellenwert bei. 283 Zu seinen Plänen zählten die Errichtung einer Ringstraße im Bamberger Osten, die sogenannte Großschifffahrtsstraße des Rhein-MainDonau-Kanals und die verbesserte Stromversorgung durch neue Kraftwerke. 284 Der vermeintliche konjunkturelle Aufschwung in Deutschland wurde bereits 1925/26 von einer Rationalisierungskrise beziehungsweise der „Krise vor der Krise“ 285 unterbrochen, die vor allem durch die restriktive Kreditpolitik der Reichsbank aus-
Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 28. 2.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 267 Vgl. Halbmonatsbericht v. 14. 4.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; Verzeichnis der Industriebetriebe in Bamberg v. 8. 2.1923, StadtABa, C 2, Nr. 16186; Wienkötter, Industrie, S. 279. 268 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 9.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 269 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 62 f. 270 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 9.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Die wirtschaftliche Notlage der Presse, StABa, K 3/ 1967, Nr. 2170; Frei, Provinzpresse, S. 262. 271 Vgl. Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1923, StadtABa, Erba, D 5011 (künftig: StadtABa, D 5011), Nr. 122. 272 Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1923, StadtABa, D 5011, Nr. 122. 273 Vgl. Winkler, Revolution, S. 674; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 115. 274 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1858. 275 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 9. 1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1858. 276 Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 115. 277 Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 119. 278 Plumpe, Werner: Wirtschaftskrisen. Geschichte und Gegenwart. München 52017, S. 81. 279 Vgl. Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 632. 280 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 2. 4.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675; Freise-Wonka, Männergeschichten, S. 215. 281 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 2. 4.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675; Heckel, Bamberg, S. 110–112; Wienkötter, Industrie, S. 278. 282 Blessing, Kirche, S. 21. 283 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 28. 284 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 2. 4.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675; Wienkötter, Industrie, S. 278; Gürtler/Urban, Main-Donau-Kanal, S. 37 f. Diese Ziele finden sich auch in dem 1932 fertiggestellten Generalbebauungsplan von Hermann Jansen für die Stadt Bamberg wieder. Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 278, 283; Breuer, Grundzüge, S. 228. 285 Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 114. 266
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
gelöst worden war. 286 Diese wirkte sich auf die Bamberger Textilindustrie aus, da die Branche durch übermäßige Lagerhaltung und spekulative Absatzerwartungen den Einbruch selbst mit verschuldet und forciert hatte. 287 Die Seilerwarenfabrik führte im Mai 1925 erneut die Kurzarbeit ein und entließ zugleich 120 Arbeiter. 288 In der Gaustadter Baumwollspinnerei folgte etwas zeitverzögert ab Oktober 1925 „die völlige Geschäftsstille“ 289 hinsichtlich neuer Aufträge, durch die 70 Arbeiter ihre Stelle verloren und die ebenfalls zur Reduzierung der Arbeitszeit führte. 290 Aufnahmefähig zeigten sich in den Jahren 1925 bis 1927 allerdings die Schweinfurter Firmen, sodass zahlreiche Bamberger Arbeiter in der dortigen Metallindustrie Beschäftigung fanden und dort von dem vergleichsweise hohen Lohnniveau profitierten. 291 Als die Baumwollspinnerei ihre schwache Geschäftsbilanz für das Jahr 1926 bekannt gab, kündigte sie zudem die Fusion mit der „Erlanger Baumwollspinnerei AG“ an. 292 Dieser Zusammenschluss hatte sich schon 1925 angedeutet, als der Aufsichtsrat „eine freundschaftliche Annährung“ 293 der beiden Unternehmen notierte und den Erlanger Vorstand Albert Rupp in das Gremium wählte. 294 Ab 1. Januar 1927 führte das Unternehmen schließlich den Namen „Baumwollindustrie Erlangen-Bamberg AG“, der verkürzt „Erba“ lautete
und verlegte seinen Verwaltungssitz nach Erlangen. 295 Die damit verbundene Herabstufung Bambergs wollte Bürgermeister Weegmann nicht akzeptieren und unternahm umfangreiche Bemühungen, den Hauptsitz des neuen Konzerns nach Bamberg zu holen. 296 Er bot steuerliche Vergünstigungen an und stellte einen Industriegleisanschluss oder eine Seilbahn zum Prinz-Ludwig-Hafen in Aussicht. 297 An der Entscheidung für Erlangen als Hauptsitz änderten diese Vorschläge jedoch nichts mehr. 298 In Bamberg empfand man den Verlust der Selbstständigkeit der Baumwollspinnerei als schmerzlichen Einschnitt und war nur in der Hoffnung auf die künftige Arbeitsplatzsicherung dazu bereit, dieses „Opfer“ 299 zu tragen. 300 Dabei stellten Unternehmenszusammenschlüsse Mitte der Zwanzigerjahre eine wichtige Stufe in der Rationalisierung und Modernisierung der Wirtschaft dar, um international konkurrenzfähig zu bleiben. 301 Betroffen von dem Konzentrationsprozess war auch der bayerische Flugzeugbau. 302 Die zur Geschäftsfortführung erforderlichen Staatssubventionen reichten nur für ein einzelnes Unternehmen, doch mit der „Messerschmitt-Flugzeug GmbH Bamberg“ und der „Bayerischen Flugzeugwerke AG Augsburg“ gab es zwei bereits bestehende Firmen und Bewerber. 303 Das Reichswirtschafts- und das Reichsverkehrsministe-
Vgl. Braun, Wirtschaft; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 117; Blaich, Fritz: Die Wirtschaftskrise 1925/26 und die Reichsregierung. Von der Erwerbslosenfürsorge zur Konjunkturpolitik. Kallmünz 1977, S. 15–46; Plumpe, Wirtschaftskrisen, S. 78–81. 287 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865; Blaich, Wirtschaftskrise, S. 39–42. 288 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 5.1925, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861. 289 Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1925, StadtABa, D 5011, Nr. 122. 290 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865; Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1926, StadtABa, D 5011, Nr. 122. 291 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 6.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29. 8.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1862; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 4.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1869; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 9.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1870; Dornheim, Sachs, S. 158 f. 292 Vgl. Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1926, StadtABa, D 5011, Nr. 122. 293 Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1925, StadtABa, D 5011, Nr. 122. 294 Vgl. Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1925, StadtABa, D 5011, Nr. 122. 295 Vgl. Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 78; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1637. 296 Vgl. Schreiben des Bürgermeisters Weegmann an den Stadtrat Erlangen v. 12.1.1928, StadtABa, C 2, Nr. 16186. 297 Vgl. Schreiben des Bürgermeisters Weegmann an den Stadtrat Erlangen v. 12.1.1928, StadtABa, C 2, Nr. 16186. Der Industriegleisanschluss mit Überbrückung der Regnitz hätte einen Kostenaufwand von etwa 600.000 Reichsmark bedeutet, während die Seilbahn die kostengünstigere Alternative mit 122.000 Reichsmark darstellte und von der Firma „Bleicher & Co.“ aus Leipzig ausgeführt werden sollte. 298 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1637. 299 Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1926, StadtABa, D 5011, Nr. 122. 300 Vgl. Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1926, StadtABa, D 5011, Nr. 122; Zwirner, Gaustadt, S. 8. 301 Vgl. Petzina/Abelshauser/Faust, Handbuch, S. 47; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 126 f. 302 Vgl. Ebert/Kaiser/Peters, Messerschmitt, S. 60–64. 303 Vgl. Ebert/Kaiser/Peters, Messerschmitt, S. 61 f. 286
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Wirtschaft und Industrie
rium drängten daher auf deren Zusammenlegung. 304 Bei den Fusionsverhandlungen lag die Priorität von Willy Messerschmitt auf seiner Unabhängigkeit in der Konstruktion und Entwicklung. 305 Diese Forderung setzte er erfolgreich durch, indem er letztendlich Chefkonstrukteur wurde, doch der neue, alleinige Firmensitz wurde in Augsburg angesiedelt. 306 In diesem Fall hatte der Stadtrat ebenfalls Verhandlungen mit Willy Messerschmitt geführt, um den Standort Bamberg zu erhalten. 307 Der Wegzug des Flugzeugbaus bedeutete einen Arbeitsplatzverlust von 40 bis 50 Stellen, doch der Imageschaden war beträchtlich höher. Die genannten Beispiele der Fusionen und Standortverlegungen zeigen Bambergs untergeordnete Stellung in der bayerischen Wirtschaftslandschaft, doch sie verdeutlichen auch Bambergs enge Verflechtung mit der landesweiten Entwicklung und mit dem normalen Verlauf der Industrialisierungsphasen. Abgesehen von der Stagnation in der Textilbranche waren die Jahre zwischen 1924 und 1928 für viele Bamberger Betriebe durchaus erfolgreich. So erlebte die Malzfabrik „Mich. Weyermann“ eine fortlaufende Produktionssteigerung, die sich bis 1929 fortsetzte und keine Einbrüche zeigte. 308 Bambergs Wirtschaft wuchs vor allem in den Bereichen des Maschinenbaus, der Nahrungsund Genussmittelproduktion und der Möbelfabrikation. 309 Gustav Gitter aus Coburg siedelte 1926 sein Unternehmen zum Karosseriebau an, Johann Wohlhöfner betrieb seit 1928 eine Apparatebauanstalt und neben einer neuen Schokoladenfabrik
etablierte sich 1927 eine Mineralwasserfirma. 310 Außerdem fertigte die Möbelfabrik „Rößler & Schmidt“ seit 1928 serienmäßig Speise- und Wohnzimmer. 311 Insgesamt listete das Adressbuch der Stadt von 1928 in der Kategorie „Geschäfts-, Handels- und Gewerbestand“ 19 Aktiengesellschaften, die von Hüten, über Metallkapseln bis zur Energiewirtschaft viele Bereiche abdeckten. 312 Die letzte Wirtschaftsphase der Weimarer Republik setzte 1929 ein, sie stellte eine Ausnahmesituation dar und war auch in Bamberg durch die Weltwirtschaftskrise und die daraus resultierende hohe Arbeitslosigkeit und Notlage gekennzeichnet: 313 „Die Lage im Bamberger Handel und Gewerbe ganz allgemein ist trostlos, veranlaßt durch die allgemein bekannte Wirtschaftsdepression und die einschneidenden wiederholten Notverordnungen der letzten Zeit, die es dem Mittelstand und insbesondere der Beamten-, Angestellten- und Arbeiterschaft fast unmöglich machen, das zum Leben unbedingt Notwendige zu beschaffen.“ 314
Mit diesen Worten beschrieb der Stadtrat am 2. Dezember 1931 im Halbmonatsbericht die Situation in Bamberg, mitten in der bis dato größten Wirtschaftskrise in Deutschland. 315 Ein halbes Jahr später warnte Rechtsrat Franz Wimmer in einer Stadtratssitzung:
Vgl. Ebert/Kaiser/Peters, Messerschmitt, S. 61. Vgl. Ebert/Kaiser/Peters, Messerschmitt, S. 61. 306 Vgl. Ebert/Kaiser/Peters, Messerschmitt, S. 61 f.; Seidl, Jürgen: Bayerische Flugzeugwerke AG (BFW). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp:// www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerische Flugzeugwerke AG (BFW)i (21. 4. 2016). Willy Messerschmitt bekam vertraglich das Aufgabengebiet der Entwicklung zugewiesen, während sich die „Bayerischen Flugzeugwerke AG Augsburg“ auf die Produktion beschränkten. 307 Vgl. FS v. 1. 9.1927, Nr. 200. In der bisherigen Forschung wird die Meinung vertreten, dass für den Umzug der „Messerschmitt-Flugzeugbau GmbH“ nach Augsburg die ablehnende Haltung der Stadtverwaltung in Bamberg ausschlaggebend war. Diese Ansicht wird hier bezweifelt. Die genauen Verhandlungen zwischen Willy Messerschmitt und dem Stadtrat wurden der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben. Klar ist nur, dass man sich von Seiten der Stadtverwaltung um eine Lösung mit Verbleib in Bamberg bemühte. Ein kritischer Artikel im Freistaat stellte nicht die Verhandlungen an sich in Frage, sondern lediglich, „ob seitens des Stadtrates auch alles getan wurde, den Wegzug des Werkes zu verhindern.“ Möglicherweise gaben praktische Gründe den Ausschlag, da die Entwicklung leichter zu verlegen war als die Produktion und Fertigung. Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 280; Kestel, Weyermann, S. 58; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1652. 308 Vgl. Kestel, Weyermann, S. 62. 309 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 279–282. 310 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 279 f. 311 Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 282. 312 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 313 Vgl. Plumpe, Wirtschaftskrisen, S. 81–91. 314 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 2.12.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887. 315 Vgl. Hesse, Jan-Otmar/Köster, Roman/Plumpe, Werner: Die Große Depression. Die Weltwirtschaftskrise 1929–1939. Frankfurt am Main 2014, S. 55. 304 305
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„Mit größter Sparsamkeit und äußerster Gewissenhaftigkeit haben wir aus eigener Kraft unsere Finanzen in Ordnung zu halten versucht, sind aber am Ende unserer Leistungsfähigkeit angelangt. Wenn nicht ausgiebige Hilfe kommt, müssen wir spätestens im November zusammenbrechen.“ 316
Zu diesem Zeitpunkt war die Stadt für 3.726 Unterstützungsempfänger verantwortlich, die als sogenannte Wohlfahrtserwerbslose 317 oder Rentner von den Fürsorgeleistungen der Kommune abhängig waren. 318 Insgesamt zählte das Arbeitsamt Bamberg 11.868 Arbeitslose zum Jahreswechsel 1931/ 32. 319 Der Stadt drohte die Zahlungsunfähigkeit, da trotz Einsparmaßnahmen ein Betrag von 720.000 Reichsmark zur Deckung des Haushaltes fehlte. 320 Trotz dieser dramatischen und hoffnungslosen Lage ging es Bamberg in den Jahren zwischen 1929 und 1933 sowohl in der bayerischen als auch in der reichsweiten Gegenüberstellung noch verhältnismäßig gut. 321 Verglichen mit anderen Städten und Gegenden durchlebte Bamberg nur im kleineren und abgeschwächten Rahmen „die Höllenfahrt in den Abgrund einer beispiellosen Depression“ 322, sodass die Arbeitslosigkeit und die Notlage der Bevölkerung weniger stark ausgeprägt waren. 323 Bamberg zeigte sich krisenresistenter als viele andere Städte.
Besonders betroffen waren hochindustrialisierte Städte wie Selb, Hof oder Nürnberg, während die Arbeitslosenzahlen im Arbeitsamtsbezirk Bamberg zwischen 1930 und 1933 kontinuierlich unterhalb des bayerischen Durchschnitts lagen. 324 Zwar stieg die Zahl der Arbeitslosen von 7.613 (1930) auf 9.172 (1931) an und erreichte im Jahresdurchschnitt von 1932 mit 10.789 Erwerbslosen ihren Scheitelpunkt, um 1933 auf 9.453 Personen abzusinken. 325 Gemessen an der Gesamtbevölkerung lag der Prozentsatz der Arbeitslosen 1930 im Arbeitsamtsbezirk Bamberg jedoch bei 1,8 %, während Nürnberg zeitgleich 4,5 %, Hof 3,0 % und Bayreuth 2,1 % an Erwerbslosen registrierten. 326 Auf dem Höhepunkt der Krise 1932 kamen in Bamberg auf 1.000 Einwohner 52 Arbeitslose. 327 Bayreuth lag mit 50 Erwerbslosen auf einem ähnlichen Niveau, doch die meisten anderen Städte übertrafen diesen Wert: 70 Arbeitslose in Hof, 71 in Coburg, 75 in Markredwitz und sogar 115 in Nürnberg. 328 1933 zeigte sich ein ähnliches Bild. Bei der Berufszählung im Juni hatte die Stadt Bamberg eine Arbeitslosenquote von 15,4 % unter den Berufstätigen, Fürth hingegen 29,7 %, Nürnberg 26,7 %, Selb 22,4 % und Schweinfurt 17,9 %. 329 Ähnliche Werte wie Bamberg erzielten zu diesem Zeitpunkt die Städte Bayreuth (15,2 %), Hof (15,9 %) und Erlangen (16,0 %). 330
Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, C 1, Nr. 703. Mit dem Begriff „Wohlfahrtserwerbslose“ bezeichnete man Langzeitarbeitslose, die sowohl die Arbeitslosenunterstützung von sechs Monaten als auch die anschließende Krisenfürsorge ausgeschöpft hatten und der Zuständigkeit der kommunalen Armenfürsorge zufielen. Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 170 f.; Winkler, Katastrophe, S. 22–25; Rudloff, Wilfried: Wohlfahrtspflege (Weimarer Republik). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wohlfahrtspflege (Weimarer Republik)i (26. 4. 2016). 318 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, C 1, Nr. 703; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 169, 246 f. 319 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 4.1.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887. Der 1928 gebildete Arbeitsamtsbezirk Bamberg umfasste Bamberg-Stadt, Bamberg-Land und Forchheim, das heißt insgesamt 381 Gemeinden und etwa 200.000 Personen. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 83; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 629. 320 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, C 1, Nr. 703; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 247; Stäbler, Wolfgang: Weltwirtschaftskrise, 1929. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Weltwirtschaftskrise, 1929i (26. 4. 2016). 321 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 179; Stäbler, Weltwirtschaftskrise; Erker, Sehnsucht, S. 484, 487; Hambrecht, Aufstieg, S. 187–189; Gömmel, Gewerbe, S. 259; Petzina, Dietmar: Zum Problem des Verlaufs und der Überwindung der Weltwirtschaftskrise im regionalen Vergleich – Materialien und Interpretation. In: Probleme der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik (= Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 89). Hg. v. F.-W. Henning. Berlin 1976, S. 20–24. 322 Wehler, Hans-Ulrich: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949 (= Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4). München 2003, S. 259. 323 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 179; Hambrecht, Aufstieg, S. 187–189; Wienkötter, Industrie, S. 62. 324 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 179; Stäbler, Weltwirtschaftskrise; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 245 f.; Winkler, Katastrophe, S. 65; Hambrecht, Aufstieg, S. 188 f. 325 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 179. 326 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 189. 327 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 179. 328 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 179. 329 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 44–46. 330 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29, S. 44–46. 316 317
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Bambergs wirtschaftliches „Glück im Unglück“ war auf eine Vielzahl an Gründen zurückzuführen. Zunächst erwies sich die Diversifizierung der Industrie in Bamberg besonders in der Krise als Vorteil, denn während die Bau-, Holz-, Metall- und Maschinenbauindustrie besonders stark betroffen waren, konnte die Bekleidungs- und Textilindustrie, die Nahrungsmittel- und Genussmittelindustrie 6sowie die Chemieindustrie die Depression besser überstehen. 331 So verzeichneten die erstgenannten Branchen überdurchschnittliche Arbeitslosenquoten, wohingegen die letztgenannten unterhalb des Reichsdurchschnitts lagen. 332 Die erhöhten Erwerbslosenzahlen der Metall- und Bauarbeiter hatten sich bereits vor dem Zusammenbruch der New Yorker Börse, dem sogenannten „Schwarzen Freitag“ am 24. Oktober 1929, bemerkbar gemacht. 333 So stellte der Stadtrat Bamberg im September 1929 im Kontext der steigenden Arbeitslosigkeit fest, dass „die Arbeitssuchenden […] aus der Metallindustrie und vor allem aus dem Baugewerbe mit seinen Nebenberufen“ 334 kamen. Diese negative Entwicklung hielt während der gesamten Weltwirtschaftskrise an, die vor Ort auch die Ziegeleien betraf. 335 Im Gegensatz dazu erwiesen sich die Großbetriebe der bayerischen Textilindustrie als krisenfest und weniger konjunkturabhängig. 336 Entscheidend war der Faktor der Betriebsgröße, denn Städte mit Textilfir-
men über 11,5 Personen im Mittelwert traf die Depression nur vermindert. 337 Bamberg erfüllte mit durchschnittlich 17,5 Beschäftigten pro Betrieb diese Bedingung. 338 Außerdem kam es der Textilindustrie zugute, dass sie nicht durch mächtige Kartelle an Preise und Produktionsmengen gebunden war, sondern flexibel und schnell auf Preissenkungen reagieren konnte. 339 Unter diesen Voraussetzungen erreichte die Weltwirtschaftskrise Bamberg. Besonders früh zeigten sich seit 1928 die Vorboten des Einbruchs. 340 So herrschte in der Bamberger Seilerwarenfabrik schon im August 1928 Kurzarbeit von 24 Stunden. 341 Die anhaltende Verschlechterung der Lage durch Auftragsmangel brachte weitere Arbeitszeitverkürzungen, Entlassungen und die Betriebseinstellung in einem Teil der Spinnerei in Gaustadt 1929. 342 Als der Abschwung sich 1930 flächendeckend ausbreitete und durch die staatliche Deflationspolitik noch verschärft wurde, konnte die „Baumwollspinnerei Erlangen-Bamberg“ allerdings einen „nicht so ungünstig“ 343 verlaufenen Geschäftsgang vermelden. 344 Relativ schnell erholte sich die oberfränkische Textilindustrie ab dem Frühjahr 1932 und durchschritt die Talsohle noch vor anderen Industriezweigen. 345 Im März 1932 informierten die Halbmonatsberichte über gute Beschäftigung, 346 im Oktober „konnte infolge reger Auftragserteilung […] zahlreichen Er-
Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 61–64. Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 62. 333 Vgl. FS v. 1.12.1928, Nr. 277; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1878; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 1.10.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1878; Wehler, Beginn, S. 257; Winkler, Katastrophe, S. 63; Pressler, Florian: Die erste Weltwirtschaftskrise. Eine kleine Geschichte der Großen Depression. München 2013, S. 50–64. 334 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1878. 335 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 16.10.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1883; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 4.1.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887. 336 Vgl. Frey, Entwicklung, S. 74–79. 337 Vgl. Frey, Entwicklung, S. 75. 338 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 465,12. Berlin 1935, S. 96. 339 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 204 f. 340 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 202. 341 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 8.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874. 342 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.10.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1875; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1875; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.1.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1876; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1878. 343 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 30. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885. 344 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 218. 345 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.10.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4.11.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 16.12.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 346 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 331
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werbslosen neue Arbeitsmöglichkeit gegeben werden“ 347 und im Dezember resümierte Regierungspräsident Strößenreuther: „Von einer nachhaltigen Belebung der Marktlage kann nur bei der Textilindustrie gesprochen werden.“ 348 Zusätzlich half der noch geringe bayerische Industrialisierungsgrad die Weltwirtschaftskrise zu überstehen, denn die Landwirtschaft konnte entlassenen Industriearbeitern saisonal Arbeit bieten. 349 So wurden beispielsweise 60 Arbeitslose aus Bamberg im August 1929 zur Hopfenernte an das Arbeitsamt Ingolstadt vermittelt. 350 Gleichermaßen aufnahmefähig zeigte sich die Landwirtschaft im Sommer 1930 und es gelang in Bamberg nicht einmal, den Bedarf an weiblichen Kräften zu decken. 351 Man profitierte während der Rezession in Bamberg also von dem ausgeprägten primären Sektor, der von dem Phänomen der Massenarbeitslosigkeit wenig tangiert war und im Gegenteil sogar immer wieder Arbeitskräfte anforderte. 352 Es wirkte sich zudem positiv aus, dass Bamberg einen hohen Anteil an Verbrauchsgüterindustrie aufwies und die Investitionsgüterindustrie weniger ins Gewicht fiel, denn allgemein brach der Absatz an Produktionsgütern wesentlich stärker ein als der Konsum von Bedarfsartikeln. 353 So konnte beispielsweise die Malzfabrik Weyermann noch 1930 ein ähnlich gutes Ergebnis erzielen wie in ihrem Rekordjahr 1929. 354 Der Einbruch zeigte sich bei
Weyermann erst ab 1931, als die Produktion um ein Drittel einbrach und 1932 den Tiefstand erreichte. 355 Ähnlich wie die Textilindustrie überwand auch die oberfränkische Schuhindustrie als Konsumgüterindustrie des elastischen Bedarfs den Abschwung bereits 1932. 356 Die ausgesprochen trostlose Notzeit war in Bamberg folglich vergleichsweise kurz und beschränkte sich auf die Zeit vom Winter 1930/31 bis zum Herbst 1932. 357 Die Lage in der Industrie war dabei zwar durchaus schlecht, aber nicht katastrophal. So konnten die Bamberger Industriellen selbst zur Linderung und Überwindung der alltäglichen Not beitragen, indem sie beispielsweise im Winter Kohlen für die Erwerbslosen beschafften oder das städtische Winterhilfswerk mit Spenden bedachten. 358 Die vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote in Bamberg stand außerdem in engem Zusammenhang mit dem hohen Beamtenanteil in der Stadt. 359 Schließlich war der öffentliche Dienst generell wenig von Entlassungen berührt, sodass Beamtenstädte wie etwa Münster oder Ansbach auffallend niedrige Erwerbslosenraten hatten. 360 In Bamberg stellte darüber hinaus die Reichsbahn 1929 und 1930 über 100 neue Arbeiter an, wobei sogar zahlreiche ausgesteuerte 361 Erwerbslose wieder Beschäftigung fanden. 362 Diese Umstände und begünstigenden Faktoren erleichterten zwar die Lage in Bamberg, doch dies soll nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass
Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.10.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 16.12.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 349 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 9.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Erker, Sehnsucht, S. 487; Stäbler, Weltwirtschaftskrise; Winkler, Katastrophe, S. 61. 350 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 8.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1878. 351 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 1. 7.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1881. 352 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 496 f.; Winkler, Katastrophe, S. 61. 353 Vgl. Hesse/Köster/Plumpe, Depression, S. 55; Winkler, Katastrophe, 60. 354 Vgl. Kestel, Weyermann, S. 71. 355 Vgl. Kestel, Weyermann, S. 71. 1929 hatte man mit 214.396 Doppelzentnern Malz ein Rekordergebnis erzielt, 1930 verringerte sich dieses nur leicht auf 210.202 Doppelzentner, 1931 sank die Produktion um 70.000 Doppelzentner und erreichte 1932 mit 103.670 Doppelzentnern die Talsohle. 356 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2.12.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 357 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1883; Stadtratsprotokoll v. 10.12.1930, StadtABa, C 1, Nr. 694; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 2.12.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.10.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 358 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 10.12.1930, StadtABa, C 1, Nr. 694; Stadtratsprotokoll v. 28.12.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703. 359 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 245. 360 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 245; Hambrecht, Aufstieg, S. 189. Beispielsweise verzeichnete das Arbeitsamt Ansbach 1930 eine Arbeitslosenquote von nur 0,9 %, während Bamberg bei 1,8 % und Nürnberg bei 4,5 % lag. 361 Als „Ausgesteuerte“ bezeichnete man Erwerbslose, die bereits den Anspruch auf Unterstützung durch die Arbeitslosenversicherung verloren hatten und der Krisenfürsorge oder der kommunalen Armenfürsorge oblagen. Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 23 f.; Butterwegge, Christoph: Krise und Zukunft des Sozialstaates. Wiesbaden 32006, S. 55 f. 362 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 16.12.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1879; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 28. 2.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1880. 347
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Wirtschaft und Industrie
auch Bambergs Industrie, Bevölkerung und Arbeiterschaft unter der beispiellosen Weltwirtschaftskrise litten. Die Zahl der Konkurse und unterstützungsbedürftigen Einwohner nahm beachtlich zu. Carl Gemeinhardt musste beispielsweise 1931 seine Süßwarenfabrik schließen, denn Luxusartikel wie Schokolade waren in der Krise nicht mehr gefragt. 363 In seinem ungenutzten Fabrikgelände am Oberen Stephansberg plante die Stadt 1932 die Unterbringung von Obdachlosen in Notwohnungen. 364 Viele Kleingewerbetreibende und Selbständige verdienten nicht mehr genug, um sich ein Existenzminimum zu sichern und wandten sich an das städtische Wohlfahrtsamt für Hilfszahlungen. 365 1931 wurde „der wirtschaftliche Zusammenbruch dieser Kreise nachgerade zur Tagesordnung“ 366, wie der Stadtrat festhielt. Im Januar 1933 meldete der Regierungspräsident nach München, dass in Bamberg 273 Handels- und Gewerbetreibende auf die städtische Fürsorge angewiesen waren. 367 Zudem konnte sich Bambergs Mittelstand den früheren Lebensstandard nicht mehr leisten und entließ seine Bediensteten und Hausangestellten. 368 123 Hausbedienstete, zumeist Frauen, wurden so Anfang Juni 1930 arbeitslos. 369 Problematisch wirkte
sich außerdem die Altersstruktur aus, da Bamberg als „Rentnerstadt“ 370 überdurchschnittlich viele Einwohner mit über 50 Jahren beheimatete. 371 Durch Renten- und Pensionskürzungen fielen vermehrt Personen dieser Schicht der Armenfürsorge zu. 372 Insgesamt benötigten 1.904 Klein- und Sozialrentner in Bamberg 1932 städtische Zuschlagszahlungen, während in Städten wie Fürth, Hof oder Schweinfurt deren Anzahl unter der Marke 1.000 lag. 373 Dieser Faktor belastete sowohl die städtische Finanzsituation als auch das Gewerbe, da die Kaufkraft dieser Kunden wegfiel. 374 Im Verlauf der Jahre von 1929 bis 1933 erfolgte eine entscheidende Verschiebung innerhalb der Klassifizierung der Arbeitslosen und verstärkte dadurch deren Not. 375 Die 1927 neugeschaffene Arbeitslosenversicherung war optimistisch für 800.000 Arbeitslose reichsweit berechnet worden und sie war nicht auf eine Krise solchen Ausmaßes ausgelegt, sodass es bereits im Winter 1928/29 zu finanziellen Engpässen kam. 376 Kürzungen der Leistungssätze, Reduzierung der Dauer und Einschränkung der Anspruchsberechtigten höhlten daher den neuen Baustein des Sozialstaates aus. 377
Tabelle 2: Jahresdurchschnittszahlen der Erwerbslosen in der Arbeitslosenversicherung und Krisenfürsorge in Bamberg von 1930 bis 1933. 378 Jahr
1930
1931
1932
1933
Arbeitslosenversicherung
3.681
3.548
2.285
1.156
Krisenfürsorge
814
1.916
2.949
2.384
Vgl. Wienkötter, Industrie, S. 276. Vgl. Stadtratsprotokoll v. 7. 9.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703. 365 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Oberfranken und Mittelfranken v. 19.1.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677. 366 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 2.12.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887. 367 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Oberfranken und Mittelfranken v. 19.1.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677. 368 Vgl. Stäbler, Weltwirtschaftskrise; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 16. 6.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1881. 369 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 16. 6.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1881. 370 Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703. 371 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703; Die Wohnbevölkerung der Stadt Bamberg nach Alter und Geschlecht 1925, StadtABa, C 2, Nr. 53009; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926, Jg. 17. München 1926, S. 13. Nach der Bevölkerungszählung 1925 lebten 10.371 Personen über 50 Jahren in Bamberg, bei 50.152 Einwohnern betrug deren Anteil also 20,7 %. Bayernweit lag dieser Prozentsatz bei 18,6 %. 372 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703; Knotz, Wirtschaftsgeschichte, S. 240 f. 373 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703. Schweinfurt zählte 527, Hof 707 und Fürth 986 Klein- und Sozialrentner in der städtischen Fürsorge. 374 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 241. 375 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 25. 376 Vgl. Pressler, Weltwirtschaftskrise, S. 132; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 170 f. 377 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 246; Butterwegge, Krise, S. 52–59. 378 Angaben entnommen aus: Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 185. 363
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
Bis 1930 stieg die Zahl der bessergestellten Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung an, doch ab 1931 waren deren Zahlen rückläufig, da die Versicherung ab Oktober nicht mehr 26, sondern nur noch 20 Wochen abdeckte. 379 Als Konsequenz daraus erhöhte sich die Erwerbslosenzahl in der Krisenfürsorge (Tabelle 2). 380 In Bamberg überstieg 1932 die Anzahl der Krisenfürsorgeempfänger die der Versicherungsempfänger – eine Entwicklung, die sich in diesem Jahr bayernweit zeigte. 381 Nach Ablauf der 32-wöchigen Krisenfürsorge blieb den Langzeitarbeitslosen nur noch die Unterstützung der Kommune als Wohlfahrtserwerbslose. 382 Diese dritte Gruppe wuchs durch die Verlagerung im Arbeitslosensystem ebenfalls enorm an. 383 Hatte Bamberg zum 24. November 1928 im Ganzen nur 34 ausgesteuerte Erwerbslose, so waren im Dezember 1931 in der Wohlfahrtsunterstützung 1.433 Personen registriert. 384 Im Mai 1932 waren es sogar 1.589 Wohlfahrtserwerbslose, zu denen noch 233 nicht anerkannte Wohlfahrtserwerbslose hinzugezählt werden mussten. 385 Unter der beschriebe-
nen Umschichtung litten, abgesehen von den betroffenen Personen, besonders die Städte und Gemeinden, die wie die Stadt Bamberg im Sommer 1932 zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. 386 Im Gegensatz dazu verbuchte die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung durch die rigorose Deflationspolitik von Heinrich Brüning seit dem Haushaltsjahr 1931 Gewinne. 387 Diese „Politik des Gesundschrumpfens und Großhungerns“ 388 verschärfte die Krise zusätzlich. 389 Weitsichtig erkannte Oberbürgermeister 390 Weegmann in Bamberg die immanente Gefahr, dass „die herrschende Wirtschaftskrise sich zur politischen und sozialen Krisis“ 391 ausweiten könnte. Dieses Szenario versuchte er in Bamberg zu verhindern, indem er Notstandsarbeiten schuf, den Freiwilligen Arbeitsdienst einführte und Beschäftigungsangebote initiierte. 392 Vornehmlich ausgesteuerte Erwerbslose wurden mittels Infrastruktur- und Baumaßnahmen beschäftigt: Die Sophienbrücke wurde umgebaut, der Schönleinsplatz und der Krankenhausgarten umgestaltet sowie Kanalisationsarbeiten unter anderem in der Heiliggrab-
Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 185; Winkler, Katastrophe, S. 23–28; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 170. Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 170 f. 381 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934, S. 185. 382 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 24 f. Die Dauer der Krisenfürsorge wurde während der Weltwirtschaftskrise gekürzt; im Juni 1929 wurde sie 39 Wochen ausgezahlt, seit Oktober 1930 wurde sie auf 32 Wochen beschränkt. 383 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 25. 384 Vgl. FS v. 1.12.1928, Nr. 277; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 16.12.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887. 385 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703. 386 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 246; Butterwegge, Krise, S. 56. 387 Vgl. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 246; Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik 1918–1933. Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Stuttgart 2008, S. 508 f. 388 Büttner, Weimar, S. 508. 389 Vgl. Büttner, Weimar, S. 508; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 237. Ob die Reichsregierung während der Weltwirtschaftskrise den Handlungsspielraum zu einer alternativen Wirtschaftspolitik und die Möglichkeit eines Konjunkturprogramms gehabt hätte, ist in der Forschung umstritten. Diese Kontroverse wurde 1979 von Knut Borchardt angestoßen, der für die Regierung Brüning keine realistische Alternative zur Sparpolitik sah. Seiner Meinung schloss sich Albert Ritschel an, der ein staatliches Konjunkturprogramm als wenig erfolgversprechend einstufte. Die Gegenposition nahmen beispielsweise Rainer Meister, Hans-Ulrich Wehler und Ursula Büttner ein. Wehler sah keine zwingende Notwendigkeit für die Deflationspolitik, seiner Meinung nach waren antizyklische Maßnahmen und die Ideen von John M. Keynes bereits verbreitet und bekannt. Ursula Büttner sah im Festhalten an der Deflationspolitik eine der „fatalen politischen Entscheidungen“ der Weimarer Republik und kritisierte die Überforderung der Gesellschaft. Zuletzt wandte sich Tim B. Müller gegen Borchardts Thesen und stellte die Freiheit der Wirtschaftspolitik in den Vordergrund. Vgl. Borchardt, Knut: Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 50). Göttingen 1982, S. 165–182; Wehler, Beginn, S. 521–528; Büttner, Weimar, S. 507–509; Müller, Tim B.: Demokratie und Wirtschaftspolitik in der Weimarer Republik. In: VfZ 62 (2014), S. 590–597; Köster, Roman: Keine Zwangslagen? Anmerkungen zu einer neuen Debatte über die deutsche Wirtschaftspolitik in der Großen Depression. In: VfZ 63 (2015), S. 241–257; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 256–266; Hesse/Köster/Plumpe, Depression, S. 194–199. 390 Bürgermeister Weegmann wurde im Dezember 1927 zum Oberbürgermeister ernannt. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 83. 391 Stadtratsprotokoll v. 24. 9. 1930, StadtABa, C 1, Nr. 694. 392 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 5. 2.1930, StadtABa, C 1, Nr. 694; Stadtratsprotokoll v. 15. 7.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703; Stadtratsprotokoll v. 28.12.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 247–249; Butterwegge, Krise, S. 50. Die Notstandsarbeiten der Kommunen dienten dabei auch dem Zweck, die ausgesteuerten Arbeitslosen wieder in die Arbeitslosenversicherung einzugliedern. 379
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Vorgeschichte und Entstehung der Arbeiterbewegung in Bamberg bis 1918
straße und der Geisfelderstraße durchgeführt. 393 Der Freiwillige Arbeitsdienst führte Wegebauarbeiten zusammen mit der Friedhofsverwaltung durch und für jugendliche Arbeitslose wurden im Sommer sogar kostenlose Schwimmkurse im Freibad abgehalten. 394 Speziell die hohe Jugendarbeitslosigkeit stellte während der Depression ein enormes gesellschaftliches Problem dar, das vom Arbeitsamt Bamberg seit Januar 1933 durch das „Notwerk der Deutschen Jugend“ ergänzend bekämpft wurde. 395 Gefördert wurde das Programm unter anderem von der Stadt und so erhielten die angemeldeten Jugendlichen täglich vier Stunden Beschäftigung, eine Mischung aus Bildungsarbeit, Sport und geistiger Betätigung. 396 Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 1.000 Jugendliche unter 25 Jahren in der Stadt Bamberg arbeitslos und konnten auf dieses Angebot zurückgreifen. 397 Die Weltwirtschaftskrise betraf auch in
Bamberg gerade diese Altersgruppe besonders stark, da ihre Vertreter meist keinen Anspruch auf offizielle Unterstützungszahlungen hatten, statistisch weitgehend unsichtbar blieben und deren prekäre Situation erst relativ spät von den Behörden wahrgenommen und bekämpft wurde. 398 Alles in allem ist wirtschaftlich für Bamberg kein Sonderweg zu erkennen. 399 Die Mehrheit der Erwerbstätigen arbeitete während der Weimarer Republik in Industrie und Handwerk, vor allem in der Textil- und Bekleidungsindustrie. 400 Darüber hinaus blieben frühere Strukturen und gewerbliche Ausprägungen im Kern erhalten und lebendig, sodass die Wirtschaft Bambergs stark diversifiziert war. Bamberg wahrte auf diese Weise trotz fortschreitender Industrialisierung sein traditionelles Gesicht.
2.3 Vorgeschichte und Entstehung der Arbeiterbewegung in Bamberg bis 1918 2.3.1 Der erste Arbeiterverein 1848 bis 1850 Die ersten Samen der Bamberger Arbeiterbewegung wurden in der Märzrevolution 1848 gesät. 401 Am 11. September vollzog sich die Gründung des Arbeitervereins in der Brauerei „Jäck“ am Maxplatz. 402 Einen Tag später berichtete die demokratische Tageszeitung Der Freund der Wahrheit und des
Volkes 403 über die Versammlung und verkündete kämpferisch: „Ein politisch und praktisch gebildeter Gewerbstand [sic] wird sich fernerhin nicht mehr von der Bureaukratie und Aristokratie verhöhnen lassen und zum Spielballe ihrer volksfeindlichen Absichten dienen. D’rum können wir nicht umhin, noch-
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 5. 2.1930, StadtABa, C 1, Nr. 694; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 16.1.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1884; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 1. 8.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1886; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1557. Die vormalige Sophienbrücke trägt seit 1945 den Namen Luitpoldbrücke. 394 Vgl. Stadtratsportokoll v. 15. 6.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703; Stadtratsprotokoll v. 30.11.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703. 395 Vgl. FS v. 9.1.1933, Nr. 6; Wehler, Beginn, S. 261; Büttner, Weimar, S. 489. 396 Vgl. FS v. 21.1.1933, Nr. 17. 397 Vgl. FS v. 9.1.1933, Nr. 6; Wienkötter, Industrie, S. 284. 398 Vgl. Wehler, Beginn, S. 261; Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 246. 399 Vgl. Erker, Sehnsucht, S. 511. 400 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 546,29, S. 36; Frey, Entwicklung, S. 74, 79. 401 Vgl. Link, Katholizismus, S. 73–75; Nipperdey, Thomas: 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat (= Deutsche Geschichte, Bd. 1). Sonderausgabe. München 1998, S. 620–622. 402 Vgl. Link, Stephan: „Verbreitung von Bildung in politischer, industrieller und humaner Beziehung“ – der Bamberger „Arbeiter-Verein“ von 1848– 1850. In: BHVB 133 (1997), S. 313–315; Krause, 115 Jahre, S. 13–15; Fiedler, Bamberg, S. 172 f.; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 46; Maierhöfer, Isolde: Bamberg. Geschichte und Kunst. Ein Stadtführer. Weißenhorn 1973, S. 87; Welskopp, Thomas: Das Banner der Brüderlichkeit. Die deutsche Sozialdemokratie vom Vormärz bis zum Sozialistengesetz (= Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 54). Bonn 2000, S. 235–242. Die Brauerei „Jäck“ wurde 1848 zu einem Zentrum der Demokraten in Bamberg, denn auch der „Volks-Verein“ und dessen Nebenorganisation das „Kränzchen“ hielten dort ihre Versammlungen ab. Krause nennt fälschlicherweise das Jahr 1849 für die Gründung des Arbeitervereins und bezieht sich dabei auf den Gründungskongress der „Allgemeinen deutschen Arbeiterverbrüderung“ in Berlin, der allerdings schon 1848 vom 23. August bis 3. September stattfand. Maierhöfer hingegen datiert die Gründung des Bamberger Arbeitervereins bereits auf März 1848 und nennt als Initiatoren Brauergesellen. Diese Thesen lassen sich jedoch durch die Quellen nicht belegen. 403 Die Tageszeitung Der Freund der Wahrheit und des Volkes erschien vom 12. August 1848 bis zu ihrem Verbot am 31. Januar 1849 und wurde vom Bamberger Buchhändler und Verleger Johann Casimir Dresch herausgegeben. Vgl. Link, Verbreitung, S. 313; Link, Katholizismus, S. 427. 393
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Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
mals jeden Arbeiter, dem es um sein wahres Wohl zu thun ist, zur Betheiligung aufzufordern.“ 404
Mit dem angesprochenen Gewerbestand waren vor allem Handwerksgesellen und -meister gemeint, die die Basis der neuen Organisation bildeten. 405 So fanden sich unter den Mitgliedern beispielsweise der Glasergeselle Hag, die Schneidergesellen Hass und Hessdorfer, der Brauergeselle Reichert und der Flaschnergeselle Schlee. 406 Anfangs wurde daher der Name „Gesellenverein“ verwendet, doch bereits zur zweiten Versammlung am 18. September inserierte man unter der Überschrift „Arbeiter-Verein“. 407 Die Berufsbezeichnung „(Fabrik)Arbeiter“ führte im noch wenig industrialisierten Bamberg jedoch kein Beteiligter. 408 Warum wählten die Gründungsmitglieder also entgegen der Logik den Namen „Arbeiterverein“? Diese Bezeichnung war Ausdruck der veränderten Bewusstseinslage unter den Handwerksgesellen, die sich zunehmend als abhängige Lohnempfänger verstanden. 409 Sie lösten sich damit von der traditionellen Zunftordnung, dem damit verbundenen gesellschaftlichen Modell und deren Sicherheit, da
ihnen weder der Aufstieg zum Meister noch die Lösung der sozialen Frage 410 realistisch erschien. 411 Mitte des 19. Jahrhunderts verwischten im Sprachgebrauch folglich die Konturen zwischen Handwerksburschen/-gesellen und Arbeitern, sodass schließlich beide Nomen synonym verwendet wurden. 412 Folglich unterschied auch der Bamberger Rotgerbermeister Joseph Weigand in einer Rede 1848 nicht mehr zwischen den beiden Begriffen. 413 Der Terminus „Arbeiter“ definierte sich zu dieser Zeit vor allem bewusstseinssoziologisch und weniger berufssoziologisch. 414 In der Forschung prägte Thomas Nipperdey hierfür den Begriff „Handwerker-Arbeiter“ 415, der auch auf die Bamberger Personengruppe zutraf. 416 Der Bamberger Arbeiterverein war der erste seiner Art in Oberfranken und nach Nürnberg und Würzburg die dritte Vereinigung solcher Art in Franken. 417 Bamberg nahm also eine Vorreiterrolle in der Region ein. Dies wurde daran ersichtlich, dass auf dem Arbeiterkongress im August 1848 in Berlin, der zur Gründung der „Allgemeinen deutschen Arbeiterverbrüderung“ 418 führte, Bamberg zum Sitz eines Bezirkskomitees bestimmt
Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 12. 9.1848, Nr. 25. Vgl. Verzeichnis der politischen Vereine in Bamberg v. 1. 4.1850, 2. Bd. StadtABa, C 2, Nr. 11962. 406 Vgl. Verzeichnis der politischen Vereine in Bamberg v. 1. 4.1850, 2. Bd. StadtABa, C 2, Nr. 11962. 407 Vgl. Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 12. 9.1848, Nr. 25: „Nach dem Muster anderer deutscher Städte hat sich gestern dahier im Jäck’schen Wirtshause ein Gesellenverein gebildet.“; Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 18. 9. 1848, Nr. 30. 408 Vgl. Verzeichnis der politischen Vereine in Bamberg v. 1. 4.1850, 2. Bd. StadtABa, C 2, Nr. 11962. 409 Vgl. Link, Stephan: „Förderung der moralischen, industriellen und politischen Ausbildung. Die Entstehung der oberfränkischen Arbeiterbewegung in der Revolution von 1848/49. In: Geschichte quer 7 (1999), S. 15; Schönhoven, Klaus: Zwischen Revolution und Sozialistengesetz. Die Anfänge der Würzburger Arbeiterbewegung 1848 bis 1878 (= Mainfränkische Hefte, Bd. 63). Würzburg 1976, S. 11 f.; Link, Verbreitung, S. 315 f.; Nipperdey, Bürgerwelt, S. 620. 410 Unter dem Begriff der „sozialen Frage“ versteht man die sozialen Probleme und Missstände infolge der industriellen Revolution, die in Deutschland seit Mitte des 19. Jahrhunderts aufbrachen. In ganz Deutschland gründeten sich seit März 1848 sozialreformerische Vereinigungen unter der Bezeichnung „Arbeitervereine“, deren vorrangiges Ziel die Lösung der sozialen Frage war. Vgl. Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 59–81. 411 Vgl. Link, Verbreitung. S. 315 f.; Schönhoven, Revolution, S. 11 f. 412 Vgl. Link, Verbreitung, S. 316. 413 Vgl. Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 18.10.1848, Nr. 56: „Wie? der Arbeiter (sogenannter Handwerksbursche) dem ein Polizeioffiziant das visirte Wanderbuch vor die Füsse wirft, der Arbeiter der das Büchlein aufheben muß, stumm aufheben muß, wenn er nicht durch rohe Polizeigewalt auch noch eingesteckt werden soll, dieser arme – getretene ‚Handwerksbursche‘, der soll auch ein Ehrgefühl haben?“; Link, Verbreitung, S. 316. 414 Vgl. Link, Förderung, S. 15; Link, Verbreitung, S. 315. 415 Nipperdey, Bürgerwelt, S. 620. 416 Vgl. Welskopp, Banner, S. 104–114, 151–158. 417 Vgl. Link, Katholizismus, S. 73. 418 Die „Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung“ war während der Revolution 1848/49 die größte deutschlandweite Arbeiterorganisation, die etwa 15.000 Arbeiter und 170 Ortsvereine vereinte und die gewerkschaftliche und politische Komponenten miteinander verband. Im Unterschied zum revolutionären „Bund der Kommunisten“ vertrat die Arbeiterverbrüderung reformistische und parlamentarische Ideen und lehnte einen Umsturz ab. Die Leitung oblag einem dreiköpfigen Zentralkomitee in Leipzig, dem unter anderem der Buchdrucker Stephan Born angehörte. Vgl. Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 46–49; Grebing, Helga: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins 21. Jahrhundert. Berlin 2007, S. 19–21. 404 405
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wurde. 419 Als solches sollte es die Interessen der untergeordneten Lokalkomitees koordinieren und die Kommunikation mit dem übergeordneten Zentralkomitee gewährleisten. 420 Obwohl zu diesem Zeitpunkt die offizielle Gründung des Arbeitervereins in Bamberg noch nicht vollzogen war, offenbarte die Benennung zum Bezirkskomitee, dass der Zusammenschluss informell schon bestand oder zumindest in Planung war. 421 Organisatorisch schloss man sich später außerdem dem bayerischen Landesverband der Arbeiterverbrüderung an, der sich im April 1849 mit Bamberger Beteiligung in Nürnberg konstituierte. 422 Durch diese Schritte folgte Bamberg programmatisch den Ideen Stephan Borns, der das Zentralkomitee in Leipzig leitete, und sozialpolitische Reformen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation forderte. 423 Gleichzeitig verband die Arbeiterverbrüderung die Lösung der sozialen Frage mit der Demokratisierung des Staates. 424 Der bayerische Arbeiterkongress in Nürnberg ließ darüber hinaus erkennen, dass die Bamberger und die Nürnberger Handwerker-Arbeiter seit Entstehung der Organisationen miteinander verbunden waren. Die konkreten Ziele des Bamberger Arbeitervereins waren gemäß der Arbeiterverbrüderung nicht primär politisch, sondern stellten vor allem Bildungsbestrebungen in den Vordergrund. 425 In der ersten Ankündigung hieß es: „Der Verein hat vorläufig als Haupt-Tendenz Verbreitung von Bil-
dung in politischer, industrieller und humaner Beziehung aufgestellt.“ 426 Das bürgerliche Bildungsideal der Aufklärung hatte somit im Bamberger Arbeiterverein als Schlüssel zur Freiheit, Selbstbestimmung und Verbesserung der Lebenssituation Eingang gefunden. 427 Infolgedessen eröffnete man im Oktober 1848 im Hintergebäude der „Jäck’schen“ Wirtschaft ein „Leselokal [, das] täglich von Abend 7 bis 9 Uhr geöffnet“ 428 war. Ferner etablierten sich regelmäßige Mitgliederversammlungen, die sich zum Beispiel dem zukunftsträchtigen Thema „Werth und Nutzen der Maschinen“ 429 widmeten. 430 Die politische Ausrichtung hielt man – unter anderem zum Schutz vor Behörden und der Polizei – offiziell verdeckt, doch trat diese im Rahmen von Veranstaltungen klar zutage. 431 Besonders zeigte sie sich in der Zusammenarbeit mit den Bamberger Demokraten, die sich seit Juli 1848 im „Volks-Verein“ zusammengeschlossen hatten. 432 Man teilte sich nicht nur die Brauerei „Jäck“ als Versammlungsort und die Zeitung Der Freund der Wahrheit und des Volkes als Presseorgan, sondern trat auch öffentlich gemeinsam auf und war durch Doppelmitgliedschaften personell miteinander verbunden. 433 Beispielsweise war der Ökonom Alexander Scharnagel 1848 Vorsitzender des Volksvereins und übernahm 1850 die Leitung im Arbeiterverein. 434 Der Verleger Johann Casimir Dresch engagierte sich bei den bürgerlichen Demokraten und vertrat
Vgl. Beschlüsse des Arbeiter-Kongresses zu Berlin. Vom 23. August bis 3. September 1848. Berlin 1848, S. 7 f.; Link, Katholizismus, S. 73; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 46 f. 420 Vgl. Beschlüsse des Arbeiter-Kongresses 1848, S. 7 f.; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 46 f. 421 Vgl. Link, Katholizismus, S. 73. 422 Vgl. Link, Verbreitung, S. 321; Koeppen, Werner: Die Anfänge der Arbeiter- und Gesellenbewegung in Franken (1830–1852). Eine Studie zur Geschichte des politischen Sozialismus. Erlangen 1935, S. 63, 89 f. 423 Vgl. Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 46–48; Koeppen, Anfänge, S. 89–91; Nipperdey, Bürgerwelt, S. 620 f. 424 Vgl. Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 48. 425 Vgl. Link, Verbreitung, S. 314. 426 Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 12. 9.1848, Nr. 25. 427 Vgl. Link, Verbreitung, S. 314; Gall, Lothar: Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 25). München 22012, S. 98–103; Nipperdey, Bürgerwelt, S. 440. Nipperdey benennt das neue Streben nach Bildung mit dem Begriff „Bildungsreligion“ und bringt damit den hohen Stellenwert des Bildungsgedankens zum Ausdruck. 428 Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 9.10.1848, Nr. 48. 429 Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 3.11.1848, Nr. 70. 430 Vgl. Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 23.10.1848, Nr. 60; Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 28.10.1848, Nr. 65; Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 6.11.1848, Nr. 72; Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 18.11.1848, Nr. 83. 431 Vgl. Link, Katholizismus, S. 74 f.; Link, Verbreitung, S. 319. 432 Vgl. Link, Katholizismus, S. 68 f., 73. 433 Vgl. Link, Verbreitung, S. 313, 317 f.; Link, Katholizismus, S. 73. 434 Vgl. Verzeichnis der politischen Vereine in Bamberg v. 1. 4.1850, 2. Bd. StadtABa, C 2, Nr. 11962; Link, Katholizismus, S. 73, 443 f.; Zinner, Bernd: Zur Revolution 1848/49 in Oberfranken. „Schwarze und weiße Listen“ der Regierung über das politische Verhalten der Bevölkerung. In: Archiv für Geschichte von Oberfranken 63 (1983), S. 122. 419
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gleichzeitig den Arbeiterverein auf Kongressen. 435 Von Seiten der Arbeiterorganisation sprach dessen Vorstand, Joseph Weigand, auf der Generalversammlung des Volksvereins 1848. 436 Der Austausch zwischen den beiden Vereinigungen war folglich äußerst lebhaft, wobei die Demokraten die Führungsrolle beanspruchten und ausübten. 437 Dresch veröffentlichte in seiner Zeitung die Berichte des Arbeitervereins, nicht jedoch ohne diese vorher zu kommentieren und mit Lob, Kritik und Anregungen zu versehen. 438 Einem Versammlungsartikel vom Oktober 1848 fügte er folgende Anmerkungen in Klammern hinzu: „(Recht so ihr wackern Jünglinge und Männer! Vorwärts! auf der Bahn der Gesittung, und der technischen wie der politischen und gesellschaftlichen Ausbildung!) […] (Das ist gut, und wir rathen, immer die Gegenstände, über welche gesprochen werden will, zuvor anzuzeigen, damit auch dagegen gesprochen werden kann. Nur wenn eine Sache nach allen Seiten hin beleuchtet wird, sieht man deutlich, was daran ist.)“ 439
Anhand dieser Ergänzungen wird deutlich, dass das liberale Bürgertum, dem Dresch zuzuordnen ist,
den Vierten Stand der Arbeiter bevormundete, lenkte und gewissermaßen kontrollierte. 440 Stephan Link sah den Arbeiterverein gar „im ‚Schlepptau‘ der Demokraten“ 441, obwohl er formal selbständig und unabhängig blieb. 442 Andererseits brachte die Organisationsstärke und Dominanz der Demokraten in Bamberg große Vorteile für den Arbeiterverein. 443 Ungehindert konnte er sich mit dessen Rückendeckung entfalten: Gesang- und Zeichenunterricht erweiterten das Bildungsangebot, das Bibliothekszimmer des Gewerbevereins wurde regelmäßig genutzt, die Kontakte und Verbindungen zu anderen bayerischen Arbeitervereinen wurden gepflegt und ein Unterstützungsverein für arme und reisende Handwerker-Arbeiter wurde geplant. 444 So zählte der Arbeiterverein im Mai 1849, weniger als ein Jahr nach der Gründung, insgesamt schon 200 Mitglieder. 445 Die Demokraten um ihren Meinungsführer Nikolaus Titus 446 genossen hohes Ansehen und beherrschten 1848/49 die politische Szene in Bamberg. 447 Dabei sicherten sie sich einerseits die Zustimmung der Unterschichten, indem sie sich dem Pauperismus als Problem annahmen und boten andererseits dem Arbeiterverein Schutz und Deckung. 448 Am 4. März 1848 hatte das „Comite zur
Vgl. Link, Katholizismus, S. 73, 427; Kestler, Stefan: „… was werden diese Gutes stiften?“ Kritische Betrachtungen zur politischen Haltung und Stimmung der Bamberger Bevölkerung vor dem Hintergrund der „48er“-Revolution in Oberfranken. In: Die Revolution von 1848/49 in Franken (= Schriften zur Heimatpflege in Oberfranken, Reihe 1, Bd. 2). Hg. v. G. Dippold/U. Wirz. Bayreuth 21999, S. 253. 436 Vgl. Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 18.10.1848, Nr. 56. 437 Vgl. Link, Verbreitung, S. 316–319; Link, Katholizismus, S. 73 f. 438 Vgl. Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 3.11.1848, Nr. 70. 439 Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 3.11.1848, Nr. 70. 440 Vgl. Link, Katholizismus, S. 73 f.; Link, Verbreitung, S. 316–319. Im Gegensatz zu Link sieht Zimmermann in der Gründung der Arbeitervereine bereits die „Bildung einer selbständigen Arbeiterbewegung“, die sich von den demokratischen Volksvereinen löste. Vgl. Zimmermann, Ludwig: Die Einheits- und Freiheitsbewegung und die Revolution von 1848 in Franken (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Bd. 9). Würzburg 1951, S. 359 f. 441 Link, Verbreitung, S. 316; vgl. Koeppen, Anfänge, S. 88. 442 Vgl. Link, Katholizismus, S. 73. 443 Vgl. Kestler, Betrachtungen, S. 259; Kestler, Stefan: Bedeutung und Ausprägung der deutschen Revolution von 1848/49 in der bayerischen Provinz. Radikaldemokratischer Protest und liberal-konstitutionelle Gegenbewegung in der oberfränkischen Mittelstadt Bamberg. In: Die Einheits- und Freiheitsbewegung und die Revolution von 1848/1849 in Franken. Kolloquiumsbericht. Hg. v. Haus der Bayerischen Geschichte (= Materialien zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 8/99). Augsburg 1999, S. 34–42; Blessing, Werner K.: 1848/1849. Revolution in Franken (= Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 22). Augsburg 1999, S. 23–25. 444 Vgl. Link, Verbreitung, S. 318, 323 f. 445 Vgl. Koeppen, Anfänge, S. 102; Link, Verbreitung, S. 322. 446 Zur Person Nikolaus Titus vgl. Winkler, Richard: Nikolaus Titus (1808–1874). In: Fränkische Lebensbilder (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe 7 A, Bd. 13). Hg. v. A. Wendehorst. Neustadt an der Aisch 1990, S. 135–150; Krischker, Gerhard C.: Bambergs unbequeme Bürger. Bamberg 1987, S. 49–58. 447 Vgl. Kestler, Bedeutung, S. 34–42; Kestler, Betrachtungen, S. 254–267; Kestler, Stefan/Tapken, Kai Uwe: Bamberg und die Revolution von 1848/49. Begleitband zur Ausstellung „Bamberg und die Revolution von 1848/49“ vom 28. April bis 12. Juni 1998 im Stadtarchiv Bamberg (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 7). Bamberg 1998, S. 23–51; Knefelkamp, Ulrich/Reddig, Wolfgang F./Zink, Robert (Hg.): Vielfältiges Bamberg – eine Stadtgeschichte. Bamberg 2008, S. 78 f.; Zinner, Revolution, S. 102. 448 Vgl. Winkler, Titus, S. 143 f. 435
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Verwirklichung der Volksrechte“, dem Titus angehörte, die „14 Bamberger Artikel“ proklamiert und in der dazugehörigen Adresse an den Stadtmagistrat gefordert, „die Rechte des Menschen und Bürgers bis auf die tiefsten Schichten der Gesellschaft, bis auf die untersten Reihen des Volkes“ 449 auszudehnen. 450 Titus wollte zwar keinen Umsturz im kommunistischen Sinne, doch die Forderungen der Bamberger Demokraten übertrafen in ihrer Radikalität die Formulierungen und Ansprüche der anderen rechtsrheinisch-bayerischen Städte. 451 Diesen extremen Kurs verfolgte Titus weiter, indem er die Republik als Staatsform befürwortete und sich als Abgeordneter im Frankfurter Nationalparlament der linksradikalen Fraktion Donnersberg anschloss. 452 In den Augen der Behörden wurde Bamberg dadurch zum „verfaultesten Punkt Bayerns“ 453 und galt als „eine Hochburg der Demokraten in Franken“ 454. Folglich konnte der neugegründete Bamberger Arbeiterverein im Fahrwasser des radikalen Volksvereins schwimmen ohne selbst in den Vordergrund zu treten. 455 Der erste öffentliche Auftritt als Organisation erfolgte am 19. November 1848 im Rahmen einer Beerdigung, die vom Volksverein zu einer Art politischer Demonstration umfunktioniert wurde und an der sich der Arbeiterverein aktiv beteiligte. 456 Außerdem nahm der Arbeiterverein an der Feier des Volksvereins zur Verabschiedung der neuen Reichsverfassung mit Grundrechten am
24. Januar 1849 teil und bekräftigte bei diesem Anlass die Zusammenarbeit, denn „nur in einer engen Vereinigung und Uebereinstimmung beider Vereine [könnte] die politische Ausbildung jenen Standpunkt erreichen […], welcher als sicherste Stütze der Freiheit und eines auf Gewerbsthätigkeit beruhenden Wohlstandes gelten [würde …].“ 457
Eine Woche später richtete der Arbeiterverein im Rahmen des sogenannten „Adressensturms“ eine Petition an die bayerische Kammer der Abgeordneten und bezog offiziell zu den Grundrechten politisch Stellung. 458 Darüber hinaus feierte man im März 1849 den Jahrestag der Revolution mit einem „Arbeiter-Bankett“ und der zweite Vorsitzende Carl Dresch 459 ließ dabei die sozialistischen Kämpfer hochleben: „Zum Schlusse, Brüder, bringet mit mir ein donnerndes Hoch auf die Junikämfer zu Paris, als den ersten, welche versuchten, die weltbürgerliche Idee des Socialismus zur Ausführung zu bringen. Sie leben Hoch!“ 460
Obwohl er in seiner Rede den Terminus des „Socialismus“ verwendete und als Ziel definierte, war der erste Bamberger Arbeiterverein weder revolutionär noch radikal oder umstürzlerisch. 461 Das Haupt-
„Adresse der Einwohnerschaft Bambergs“ und „14 Artikel“. Abgedruckt in: Fränkischer Merkur v. 4. 3.1848, Nr. 64. Vgl. Winkler, Titus, S. 143. 451 Vgl. Blessing, 1848/1849, S. 25; Winkler, Titus, S. 143. 452 Vgl. Blessing, 1848/1849, S. 23 f.; Winkler, Titus, S. 145–147. 453 Zit. n. Tapken, Kai Uwe: Bamberg und das Militär im Zeichen der deutschen Revolution von 1848/49. In: Die Revolution von 1848/49 in Franken (= Schriften zur Heimatpflege in Oberfranken, Reihe 1, Bd. 2). Hg. v. G. Dippold/U. Wirz. Bayreuth 21999, S. 271. 454 Blessing, 1848/1849, S. 24 455 Vgl. Link, Katholizismus, S. 74 f. 456 Beerdigt wurde die Ehefrau des führenden Bamberger Demokraten Dr. Max Wirth, der zuvor mehrere Monate wegen Majestätsbeleidigung in Untersuchungshaft verbracht hatte. Vgl. Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 20.11.1848, Nr. 84: „Der Arbeiterverein zeichnete sich durch eine rege Theilnahme an dieser Begräbnisfeier aus. […]. Es ist ein tröstliches Zeichen der Zeit, daß der Arbeiterverein bereits in seiner politischen Bildung so weit fortgeschritten ist, um die tiefe moralische Wirkung zu erkennen, welche seine offen und mannhaft ausgesprochene Theilnahme an dieser Trauerfeierlichkeit in jedem Herzen hervorbringen mußte, das für Freiheit und Recht schlägt.“; Link, Förderung, S. 14; Warneken, Bernd Jürgen: Als die Deutschen demonstrieren lernten. Das Kulturmuster „friedliche Straßendemonstration“ im preußischen Wahlrechtskampf 1908–1910. Begleitband zur Ausstellung im Haspelturm des Tübinger Schlosses vom 24. Januar bis 9. März 1986. Tübingen 1986, S. 173–175. 457 Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 26.1.1849, Nr. 23; vgl. Link, Verbreitung, S. 320. 458 Vgl. Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 30.1.1849, Nr. 26; Link, Verbreitung, S. 320. Durch den „Adressensturm“ sollten der bayerische König und der Landtag zur Übernahme der Grundrechte gebracht werden. 459 Carl Dresch war der Sohn von Johann Casimir Dresch und arbeitete in dem Geschäft seines Vaters. Er war Sekretär der bürgerlichen Bamberger „Harmonie“-Gesellschaft und Mitglied des Arbeitervereins. Diesen vertrat er auf dem Arbeiterkongress im April 1849 in Nürnberg. Vgl. Link, Katholizismus, S. 427. 460 Rede von Carl Dresch am 24. 3.1849, StadtABa, Historischer Verein, Rep. 3, Nr. 1207; vgl. Link, Förderung, S. 16 f.; Link, Katholizismus, S. 78. 461 Vgl. Rede von Carl Dresch am 24. 3.1849, StadtABa, Historischer Verein, Rep. 3, Nr. 1207; Link, Katholizismus, S. 75; Link, Verbreitung, S. 335. 449 450
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augenmerk lag weiterhin auf der Bildung, Unterstützung und Förderung der unterbürgerlichen Schichten und der Lösung der sozialen Frage. 462 Dies zeigte sich an den vier Nebenorganisationen des Arbeitervereins, die 1850 formal begründet wurden: Ein Arbeiterbildungs-, ein Arbeiterunterstützungs-, ein Arbeiterturn- und ein Arbeitergesangverein spiegelten das Tätigkeitsspektrum wider. 463 Die genaue Bestimmung der Unterabteilungen war im Zuge der Reaktionsära notwendig geworden, denn man versuchte nach der Auflösung des Volksvereins im Sommer 1849 den Arbeiterverein als unpolitische Organisation zu retten. 464 In einem Bericht des Stadtkommissärs wurde dieser dann auch als ungefährlich eingestuft. 465 Allerdings befand sich der Arbeiterverein in der Defensive gegenüber den Behörden und der Staatsmacht. 466 In Bamberg formierte sich eine Allianz aus Stadtmagistrat und Kirche gegen jegliche links-demokratische Strömung und übernahm, gestützt auf die verstärkte Militärgarnison, das Ruder. 467 Der Demokratenführer Titus befand sich seit Juni 1849 im schweizerischen Exil und der amtierende Vorsitzende des Volksvereins Dr. Heinrich Heinkelmann 468 in Haft. 469 Als organisatorisches und gesellschaftliches Gegengewicht der Kirche war der „Pius-Verein“ ins Leben gerufen und somit der politische Katholizismus begründet worden. 470 Die
engen Bindungen zu den Demokraten erwiesen sich für den Arbeiterverein nun als Nachteil, denn viele Mitglieder des früheren Volksvereins traten ab Herbst 1849 in den Arbeiterverein ein und dieser geriet dadurch in den Verdacht, eine Ersatz- und Tarnorganisation zu sein. 471 Nach der Verschärfung des Versammlungs- und Vereinsgesetzes durch die bayerische Regierung im Februar 1850 wurde der Arbeiterverein schließlich „als ein politischer Verein erklärt“. 472 Es folgten Überwachungen der Aktivitäten, Verhöre der Mitglieder und am 13. Juli 1850 wurde auf Druck des Innenministeriums das Verbot gegen den Arbeiterverein samt seiner Unterorganisationen verhängt. 473 Die erste Episode einer festen Organisation der Bamberger HandwerkerArbeiter war damit offiziell beendet. Ob in den folgenden Jahren die Vereinsarbeit illegal fortgeführt wurde, ist unsicher. 474 Bis 1853 bot möglicherweise der „Leseverein“ dafür einen geeigneten Deckmantel. 475 Dieser widmete sich der „Förderung der allgemeinen politischen Bildung durch Lektüre von Zeitschriften und Unterhaltung über ihren Inhalt.“ 476 Trotz der relativ kurzen Zeitspanne erwiesen sich die Ereignisse in den Jahren zwischen 1848 bis 1850 für die Bamberger Arbeiterbewegung als zukunftsweisend und entscheidend. Einerseits hatte das links-demokratische Bamberg erstmals sein Potenzial entfaltet und sich organisatorisch gesam-
Zimmermann hingegen beurteilt die Ausrichtung der ersten Arbeitervereine bereits als kommunistisch und sieht demnach die „Erhaltung des revolutionären Willens durch Weckung der klassenkämpferischen Instinkte“ als vorrangige Taktik. Vgl. Zimmermann, Einheits- und Freiheitsbewegung, S. 360. 462 Vgl. Rede von Carl Dresch am 24. 3.1849, StadtABa, Historischer Verein, Rep. 3, Nr. 1207; Der Freund der Wahrheit und des Volkes v. 3.11.1848, Nr. 70; Link, Verbreitung, S. 330. 463 Vgl. Verzeichnis der politischen Vereine in Bamberg v. 1. 4.1850, 2. Bd. StadtABa, C 2, Nr. 11962; BT v. 17. 7.1850, Nr. 193; Link, Verbreitung, S. 327. 464 Vgl. Link, Verbreitung, S. 326–328; Link, Katholizismus, S. 79. 465 Vgl. Link, Verbreitung, S. 322. 466 Vgl. Link, Verbreitung, S. 335. 467 Vgl. Blessing, 1848/1849, S. 34–36; Tapken, Bamberg, S. 278; Link, Verbreitung, S. 335; Kestler, Bedeutung, S. 40; Kestler/Tapken, Revolution, S. 51– 66. 468 Zur Person Dr. Heinrich Heinkelmann vgl. Krischker, Bürger, S. 59–67. 469 Vgl. Link, Förderung, S. 18; Winkler, Titus, S. 148. 470 Vgl. Blessing, 1848/1849, S. 35; Link, Katholizismus, S. 75 f. Während Blessing von einer Gründung 1848 in Bamberg ausgeht, datiert Link diese auf Januar 1849, vermerkt jedoch, dass das genaue Datum nicht bekannt sei. 471 Vgl. Link, Verbreitung, S. 324. 472 Schreiben des Stadtmagistrats Bamberg v. 23. 4.1850, 2. Bd. StadtABa, C 2, Nr. 11962; vgl. Link, Verbreitung, S. 329; Schreiben des Stadtmagistrats Bamberg an den Arbeiterverein Bamberg v. 23. 4.1850, StadtABa, Hauptregistratur Altakten, C 2 XV (künftig: StadtABa, C 2 XV), Nr. 856/1. 473 Vgl. BT v. 17. 7.1850, Nr. 193: „Der hiesige Arbeiterverein, der in einen Bildungs-Gesangs-Unterstützungs- und (einen bereits aufgelösten) Turnverein sich gegliedert hatte, ist durch Beschluß der k. Regierung von Oberfranken nunmehr auch geschlossen.“ 474 Vgl. Link, Verbreitung, S. 334. Umstritten ist auch die Frage, ob in Bamberg 1850 eine kommunistische Zelle als Unterorganisation des geheimen Kommunistenbundes gegründet wurde. Vgl. Zimmermann, Einheits- und Freiheitsbewegung, S. 439. 475 Vgl. Verzeichnis der politischen Vereine in Bamberg v. 8. 4.1852, 2. Bd. StadtABa, C 2, Nr. 11962. 476 Verzeichnis der politischen Vereine in Bamberg v. 8. 4.1852, 2. Bd. StadtABa, C 2, Nr. 11962; vgl. Link, Katholizismus, S. 100.
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melt; die Bewegung umfasste neben den Handwerker-Arbeitern das liberal-demokratische Bürgertum und erfuhr außerdem Zulauf und Unterstützung von jüdischer Seite. 477 Andererseits formierten sich die Gegner, die unter der Prämisse „Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung“ zusammenwuchsen und zugleich die Treue zum bayerischen Königshaus zelebrierten. 478 So bildeten sich politische Spannungslinien und Grundmuster aus, die den zukünftigen Weg für Bamberg andeuteten. 479
2.3.2 Zwischen Neugründungen und Verboten 1869 bis 1890: Arbeiterbildungsverein, SocialDemokratische-Arbeiterpartei und die Zeit des Sozialistengesetzes Das Jahr 1869 markierte den Beginn der zweiten Aufbauphase der Arbeiterbewegung in Bamberg. 480 Im Kontext der Gründungen des „Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins“ (ADAV) von Ferdinand Lassalle 1863 und der „Internationalen Arbeiter-Association“ (IAA) von Karl Marx und Friedrich Engels 1864 regte sich in Bamberg der Wille zur Wiederbelebung der Arbeiterorganisation. 481 Gesetzlich waren Vereine und Gewerkschaften zur wirtschaftlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer durch die Koalitionsfreiheit gestattet. 482
Außerdem förderten die Einführung der Gewerbefreiheit 1868 und die Sozialgesetzgebung in Bayern den wirtschaftlichen Aufschwung und trugen zum Ende der restriktiven Politik und einer gesellschaftlichen Liberalisierung bei. 483 Obwohl Bamberg im Zuge der Industrialisierung mittlerweile auch Fabrikarbeiterschaft aufwies, ging der Anstoß erneut von den bürgerlichen Demokraten aus: Diese knüpften an den ersten Arbeiterverein von 1848 an. 484 Die Gründe lagen darin, dass im Allgemeinen die Textilarbeiterschaft – unter anderem wegen des hohen Frauenanteils – wenig zum Organisationsaufbau geeignet war und die Demokraten in Bamberg nach dem Verbot des Volksvereins keine eigene Interessenvertretung mehr hatten. 485 So war die Symbiose zwischen der im Entstehen begriffenen Arbeiterbewegung und den Demokraten weiterhin für beide Seiten zweckmäßig und fruchtbar. 1863 hatte Titus zwar die Bitte Lassalles um Beitritt in den ADAV abgelehnt, doch befürwortete er die Erste Internationale von Karl Marx. 486 Folglich wirkten die Bamberger Demokraten in Person von Dr. Carl Heger, einem Freund Titus’, im September 1868 beim fünften Vereinstag der Arbeitervereine in Nürnberg mit. 487 Dabei wurde dem liberalen Prinzip der Selbsthilfe unter bürgerlicher Führung von Hermann Schulze-Delitzsch eine Absage erteilt und der Beitritt zur Ersten Internationale beschlos-
Vgl. Link, Stephan: Fränkische Juden in der Revolution von 1848/49. Zwischen Emanzipation und antijudaistischen Anfeindungen. In: Geschichte quer 14 (2009), S. 19–22. 478 Vgl. Blessing, 1848/1849, S. 35; Link, Katholizismus, S. 79 f.; Kestler/Tapken, Revolution, S. 37, 64 f.; Kestler, Bedeutung, S. 40. König Max II. und seine Ehefrau wurden am 23. 6.1849 in Bamberg begeistert empfangen. 479 Vgl. Blessing, 1848/1849, S. 36; Link, Katholizismus, S. 75; Link, Verbreitung, S. 335. 480 Vgl. Link, Katholizismus, S. 144–146; Krause, 115 Jahre, S. 16–19; Schönhoven, Revolution, S. 21. Auch in Würzburg vollzog sich 1868 und 1869 die zweite Entwicklungsetappe der Arbeiterbewegung. 481 Vgl. Link, Katholizismus, S. 143; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 57, 78–80. 482 Vgl. Link, Katholizismus, S. 142; Albrecht, Dieter: Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1871–1918). In: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (= Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4,1). Hg. v. A. Schmid. München 22003, S. 357 f. 483 Vgl. Schönhoven, Revolution, S. 21; Volkert, Wilhelm: Die politische Entwicklung von 1848 bis zur Reichsgründung 1871. In: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (= Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4,1). Hg. v. A. Schmid. München 22003, S. 260. 484 Vgl. Link, Katholizismus, S. 142–144. Bamberg stellte durch die personellen und strukturellen Kontinuitäten das Gegenbeispiel zu Augsburg und Würzburg dar, deren Neugründungen in den 1860er Jahren keine Verbindungen zu den Vereinen von 1848/49 aufwiesen. Vgl. Schönhoven, Revolution, S. 21; Murr, Karl Borromäus/Resch, Stephan: Augsburg – die Wiege der bayerischen Sozialdemokratie 1864–1870. Darstellungen und Quellen. Augsburg 2011, S. 20–22. 485 Vgl. Tenfelde, Klaus: Bayerische Wirtschaft und Gesellschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 1892–1992 (= Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5). Hg. v. H. Mehringer. München u. a. 1992, S. 16; Link, Katholizismus, S. 183. 486 Vgl. Link, Katholizismus, S. 143 f. Ein Grund für die Ablehnung lag in der unterschiedlichen Haltung zur deutschen Frage: Während Lassalle für die kleindeutsche Lösung unter Preußen eintrat, unterstützten Titus und Heinkelmann großdeutsche und antipreußische Ansätze. 487 Vgl. Link, Katholizismus, S. 144; Winkel, Udo: Vom Arbeiterverein zur Partei. Die Nürnberger Arbeiterbewegung von 1848 bis 1900. In: In die neue Zeit. Nürnberg 1850–1900. Ausstellung zum 125-jährigen Jubiläum der Nürnberger Sozialdemokratie (= Ausstellungskatalog des Stadtarchivs Nürnberg, Bd. 6). Hg. v. H. Beer/H. Glaser/U. Winkel. Nürnberg 1991, S. 18–21; Bebel, August: Aus meinem Leben. Berlin u. a. 1986, S. 151–154. 477
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sen. 488 Im Nürnberger Programm lautete der erste Satz: „Die Emanzipation (Befreiung) der arbeitenden Klassen muß durch die arbeitenden Klassen selbst erkämpft werden.“ 489 Damit nahm die Nürnberger Resolution die Trennung der bürgerlichen Demokraten von der Arbeiterbewegung vorweg, die schließlich auf dem Gründungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) im August 1869 in Eisenach vollzogen wurde. 490 Andernorts bedeutete dieser Schritt das Ende des gemeinsamen liberal-proletarischen Weges, doch in Bamberg blieb die enge und gute Beziehung bestehen und prägte entscheidend die gesamte Phase bis zum Sozialistengesetz. 491 Titus und Heger unterstützten im Gegensatz zu anderen Demokraten fortwährend die Zusammenarbeit und die sozialistische Orientierung, sodass die Bamberger Arbeiterbewegung ihren klassenübergreifenden Charakter behielt. 492 Als Konsequenz dieser Ausrichtung war die Bamberger Arbeiterbewegung dem Verband Deutscher Arbeitervereine und anschließend der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei von Wilhelm Liebknecht und August Bebel zuzurechnen, wohingegen der antiliberale und antibürgerliche ADAV von Lassalle keinen Zuspruch in der Regnitzstadt fand. 493 Diese Haltung war typisch für radikalisierte Zentren der liberalen Revolution 1848/49 mit frühen Arbeiterorganisationen wie beispielsweise Bamberg und
zeigte sich ebenso in Nürnberg und Fürth. 494 Die Regnitzstadt unterschied sich somit von der Entwicklung in Würzburg, München und Augsburg und bildete früh eine gemäßigte, kompromissfähige und integrierende Stoßrichtung der Arbeiterbewegung aus. 495 Am 26. April 1869 wurden in der Gastwirtschaft von Johann Feil die Statuten des neuen Arbeiterbildungsvereins Bamberg beschlossen und damit der Gründungsprozess, ausgehend vom Nürnberger Vereinstag, erfolgreich zu Ende geführt. 496 Zum Vorsitzenden des neuen Vereins wurde der Maschinenschlosser Johann Baptist Walter gewählt. 497 Die personelle Kontinuität zum ersten Arbeiterverein zeigte sich anhand der Mitgliedschaften des Schuhmachermeisters Georg Jagemann, des Hutmachermeisters Albert Funk und des Brauereibesitzers Johann Martin Leicht. 498 Durch Letztgenannten konnte man hinsichtlich der Gastwirtschaft an alte Gewohnheiten anknüpfen, denn Johann Martin Leicht hatte seine Brauerei „Zur Rose“ (Keßlerstraße 7, heute: „Wilde Rose“) bereits 1850 für Treffen zu Verfügung gestellt und die „Leicht’sche Brauerei“ diente bis in die 1870er Jahre als eine der meistgenutzten Versammlungsstätten. 499 Außerdem war der Schriftführer des Arbeiterbildungsvereins Eugen Popp beruflich als Schreiber bei Titus beschäftigt und informierte mit dessen
Vgl. Link, Katholizismus, S. 142–144; Winkel, Arbeiterverein, S. 18; Wehler, Doppelrevolution, S. 348. Programm des Fünften Vereinstags der Arbeitervereine v. 5.–7. 9.1868. Abgedruckt in: Bebel, Leben, S. 152; vgl. Schönhoven, Revolution, S. 24. 490 Vgl. Schönhoven, Revolution, S. 24; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 81. 491 Vgl. Link, Katholizismus, S. 143 f.; Winkel, Arbeiterverein, S. 21. In Nürnberg spaltete sich hingegen die liberale Minderheit um den Nürnberger Arbeiterverein ab und begründete den Deutschen Arbeiterbund als neuen Verband, der sich jedoch nicht dauerhaft durchsetzen konnte. 492 Vgl. Link, Katholizismus, S. 143 f., 147; Schönhoven, Revolution, S. 21; Eckert, Hugo: Liberal- oder Sozialdemokratie. Frühgeschichte der Nürnberger Arbeiterbewegung (= Industrielle Welt, Bd. 9). Stuttgart 1968, S. 123 f., 175. 493 Vgl. Link, Katholizismus, S. 143; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 79–81; Grebing, Arbeiterbewegung, S. 61. 494 Vgl. Albrecht, Willy: Leonhard Tauscher und der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein in Bayern. In: Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 1892–1992 (= Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5). Hg. v. H. Mehringer. München u. a. 1992, S. 35; Hirschfelder, Heinrich: Die bayerische Sozialdemokratie. 1864–1914. Teil 1: 1864–1878 (= Erlanger Studien, Bd. 22,1). Hg. v. D. B. Leistner/ D. Peschel. Erlangen 1979, S. 96 f., 113; Murr/Resch, Augsburg, S. 27. 495 Vgl. Albrecht, Tauscher, S. 35; Schönhoven, Revolution, S. 26; Pohl, Arbeiterbewegung, S. 185 f.; Murr/Resch, Augsburg, S. 20, 27–29; Hetzer, Gerhard: Die Industriestadt Augsburg. Eine Sozialgeschichte der Arbeiteropposition. In: Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt (= Bayern in der NS-Zeit, Bd. 3). Hg. v. M. Broszat/E. Fröhlich/A. Großmann. München u. a. 1981, S. 36 f. 496 Vgl. Schreiben von Johann Baptist Walter an den Stadtmagistrat Bamberg v. 24. 4.1869, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Schreiben von Johann Baptist Walter an den Stadtmagistrat Bamberg v. 27. 4.1869, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Link, Katholizismus, S. 145, 428. Die Gastwirtschaft von Johann Feil befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Judenstraße. Johann Feil war Ausschussmitglied des neuen Arbeiterbildungsvereins. 497 Vgl. Schreiben von Johann Baptist Walter an den Stadtmagistrat Bamberg v. 27. 4.1869, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Liste der Vorstandschaft des Arbeiterbildungsvereins v. 26. 4.1869, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Link, Katholizismus, S. 146, 449 f. 498 Vgl. Liste der Vorstandschaft des Arbeiterbildungsvereins v. 26. 4.1869, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Link, Katholizismus, S. 144–146; Zinner, Revolution, S. 121. 499 Vgl. Versammlungsanzeige der SDAP durch August Mamme v. 10. 5.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Versammlungsanzeige der SDAP durch August Mamme v. 17. 5.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Versammlungsbericht v. 5.1.1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Link, Katholizismus, S. 144, 147; Link, Verbreitung, S. 328; Fiedler, Bamberg, S. 166–169. 488
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geprägtem Briefkopf „N. Titus Advokat Bamberg“ 500 die städtischen Behörden über Zusammenkünfte des neuen Vereins. 501 Als Vertreter der Bamberger Arbeiterorganisation nahm er sowohl an der Gründung der bayerischen als auch der deutschen Sozialdemokratie 1869 teil. 502 So erschien Popp im Delegiertenverzeichnis von Eisenach für den Bildungsverein Bamberg. 503 Aufgrund dieser überregionalen Mitarbeit wurde deutlich, dass sich der Bamberger Verein als Lokalorganisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei verstand. 504 Trotz eines Versuchs 1869 änderte man den Namen nach dem Parteitag in Eisenach nicht in „social-demokratischer Arbeiterverein“, sondern betonte sowohl mit der Beibehaltung des ursprünglichen Namens als auch durch das Programm den hohen Stellenwert der Bildungsbestrebungen. 505 Dieses Vorgehen bot einen gewissen Schutz vor dem Zugriff der Behörden und der Einstufung als politischer Verein. 506 Der Zweck des Vereins war in den Statuten folgendermaßen definiert: „§ 1. Der Arbeiter-Bildungs-Verein hat sich gegründet, um dafür zu wirken, daß dem Arbeiter in politischer und socialer Beziehung ein menschenwürdiges Dasein geschaffen werde. Als eines der Hauptmittel zur Erreichung dieses Ziels betrachtet er die Besprechung politischer und socialer Fragen
und das Wirken für die dadurch erlangten Überzeugungen.“ 507
Zur konkreten Hilfe wurde der Arbeiter-KrankenUnterstützungs-Verein Bamberg 1869 wiederbelebt. 508 Ab Mai 1869 trafen sich die Mitglieder des Arbeiterbildungsvereins jeden Montagabend zur Wochenversammlung. 509 Ein Höhepunkt des Vereinslebens war der Auftritt des bekannten Arbeiterführers August Bebel 510 am 7. November 1869 im Gasthaus „Schwarzer Adler“ (Untere Königstraße 2), bei dem er forderte, „einen Volksstaat zu schaffen, in welchem der Arbeiterstand volle Gleichberechtigung mit allen übrigen Ständen genieße“. 511 Bebels Rede lockte über 500 Zuhörer an und ebenso wie sein Bekannter Titus versuchte er die Bande zwischen Arbeiterschaft und Demokraten zu stärken. 512 Insgesamt zählte im August 1869 der Arbeiterbildungsverein 116 eingetragene Mitglieder. 513 Im Anschluss an die Etablierung des Arbeiterbildungsvereins und im zeitlichen Einklang mit der Gründungswelle der Gewerkschaften entstanden im selben Jahr mehrere Berufsgenossenschaften in Bamberg. 514 Metallarbeiter, Schuhmacher, Holzarbeiter, Zimmerleute und Maurer schlossen sich zusammen und bildeten die Vorläuferorganisationen der späteren Gewerkschaften. 515 Die erfolgrei-
Schreiben von Eugen Popp an den Stadtmagistrat Bamberg v. 20.1.1870, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860. Vgl. Schreiben von Eugen Popp an den Stadtmagistrat Bamberg v. 20.1.1870, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Link, Katholizismus, S. 147. 502 Vgl. Alphabetisches Verzeichnis der im Kongreß zu Eisenach tätig gewesenen Delegierten. Abgedruckt in: Das Eisenacher Programm beschlossen auf dem Parteitag des Allgemeinen Deutschen sozial-demokratischen Arbeiterkongresses zu Eisenach am 7., 8. und 9. August 1869 (= Schriftenreihe Demokratie und Sozialismus, Bd. 6). Offenbach am Main 1947, S. 117; Link, Katholizismus, S. 146 f.; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 122, 129 f. 503 Vgl. Alphabetisches Verzeichnis der im Kongreß zu Eisenach tätig gewesenen Delegierten. Abgedruckt in: Das Eisenacher Programm, S. 117; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 130. 504 Vgl. Link, Katholizismus, S. 146; Krause, 115 Jahre, S. 19. Krause versteht den Arbeiterbildungsverein erst seit der Generalversammlung am 26.1.1870 als Ortsgruppe der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Link hingegen revidierte diese Datierung und geht von der parteilichen Zugehörigkeit bereits seit 1869 aus. 505 Vgl. Statuten des Arbeiterbildungsvereins v. 26. 4.1869, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Link, Katholizismus, S. 145 f., 148. 506 Vgl. Link, Katholizismus, S. 146. 507 Statuten des Arbeiterbildungsvereins v. 26. 4.1869, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860. 508 Vorsitzender des Vereins war 1869 ein Mechaniker namens Philipp Karl. Vgl. Verzeichnis der neuen Vereine 1867–1870, StadtABa, C 2, Nr. 11963; Krause, 115 Jahre, S. 16. 509 Vgl. Schreiben von Johann Baptist Walter an den Stadtmagistrat Bamberg v. 5. 5.1869, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Krause, 115 Jahre, S. 19. 510 Zur Biografie von August Bebel vgl. Schmidt, Jürgen: August Bebel. Kaiser der Arbeiter. Eine Biografie. Zürich 2013. 511 Zit. n. Link, Katholizismus, S. 147; vgl. Krause, 115 Jahre, S. 19; Fiedler, Bamberg, S. 53; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 135. 512 Vgl. Link, Katholizismus, S. 147. 513 Vgl. Alphabetisches Verzeichnis der im Kongreß zu Eisenach tätig gewesenen Delegierten. Abgedruckt in: Das Eisenacher Programm, S. 117; Link, Katholizismus, S. 147; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 130. 514 Vgl. Link, Katholizismus, S. 184; Albrecht, Reichsgründung, S. 358; Resch, Stephan: Das Sozialistengesetz in Bayern 1878–1890 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 161). Düsseldorf 2012, S. 27; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 88 f.; Schneider, Michael: Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute. Bonn 22000, S. 41–46. 515 Vgl. Link, Katholizismus, S. 184. 500 501
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che Aufbauphase endete jedoch mit Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870. 516 Insbesondere seit der Schlacht von Sedan stand die hinsichtlich des Krieges ablehnende Haltung der Sozialdemokraten im Widerspruch zur wachsenden Begeisterung in der deutschen Gesellschaft. 517 Unter diesen Umständen litt auch der Bamberger Arbeiterbildungsverein zunehmend unter Desinteresse und dem Verlust von Mitgliedern. 518 Zur Generalversammlung am 20. März 1871 erschienen lediglich zehn Teilnehmer und der Mitgliederstand sank auf 48 Personen. 519 Die wöchentlichen Versammlungen fielen häufig aus und noch vor Mai 1872 löste sich der Bamberger Arbeiterbildungsverein auf, sodass im September 1872 auf dem sozialdemokratischen Parteitag in Mainz kein Vertreter aus Bamberg mehr anwesend war. 520 Ein Jahr später konnte die Krise und Passivität durch einen Impuls von außen überwunden werden: Der Nürnberger Sozialdemokrat und Redakteur Anton Memminger sprach am 23. März 1873 im Saal des „Schwarzen Adlers“ vor 400 bis 500 Personen und forderte zur „Gründung eines socialdemokratischen Arbeitervereins“ 521 auf. 522 Dieser Auftritt gab den schlummernden Kräften in Bam-
berg den nötigen Rückenwind, um zur Parteigründung zu schreiten. 523 Unter dem Vorsitz des Bürstenmachers August Mamme fand die „definitive Constituierung der Partei“ 524 als „Social-demokratische Arbeiter-Partei“ Bambergs am 5. April 1873 in der Brauerei „Mondschein“ (Untere Sandstraße 16) statt. 525 Erstmals erschien die sozialdemokratischpolitische Bezeichnung im Namen einer Bamberger Organisation. August Mamme hatte sich bereits seit 1869 für den Arbeiterbildungsverein engagiert und stieg in den 1870er Jahren zum führenden und dominierenden Sozialdemokraten in Bamberg auf. 526 In den nächsten Jahren fungierte er als maßgeblicher „Wortführer“ 527, Einberufer und Hauptorganisator der Mitglieder-, Wochen- und Volksversammlungen der SDAP in Bamberg. 528 Obwohl sich die Mitgliederzahl im August 1873 mit 90 Personen wieder dem früheren Stand des Arbeiterbildungsvereins annäherte, schwankte die Beteiligung bei den Veranstaltungen stark, sodass im Sommer 1873 mehrmals Zusammenkünfte mangels Teilnehmern abgesagt werden mussten. 529 Als Zugpferde für den SDAP-Ortsverein Bamberg erwiesen sich die Nürnberger Arbeiterführer, allen voran Karl Grillenberger. 530 Er prägte in den folgenden Jahren
Vgl. Resch, Sozialistengesetz, S. 30 f.; Link, Katholizismus, S. 148 f.; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 181–183. Vgl. Resch, Sozialistengesetz, S. 30 f. 518 Vgl. Link, Katholizismus, S. 148 f. 519 Vgl. Versammlungsbericht v. 20. 3.1871, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Versammlungsbericht v. 1. 8.1871, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Link, Katholizismus, S. 148. 520 Vgl. Schreiben an den Amtsvorsitzenden des Stadtmagistrats Bamberg v. März 1872, StadtABa, C 2, Nr. 11975: „Der frühere ArbeiterbildungsVerein, der ca. 100 Mitglieder zählte, besteht eigentlich nur mehr dem Namen nach.“; Verfügung des Bürgermeisters Dr. Schneider zum Arbeiterbildungsverein v. 23. 3.1872, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Schreiben des Arbeiterbildungsvereins an den Stadtmagistrat Bamberg v. 2. 8.1871, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat Bamberg v. 15. 8.1871, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat Bamberg v. 26. 9.1871, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Link, Katholizismus, S. 148 f.; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 196–198. 521 BT v. 24. 3.1873, Nr. 83. 522 Vgl. BT v. 24. 3.1873, Nr. 83; Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat Bamberg v. 24. 3.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Link, Katholizismus, S. 185, 438. Ebenso wie in Bamberg erfolgte auch in Würzburg die Wiederbelebung des sozialdemokratischen Vereins durch den Auftritt eines Nürnberger Sozialdemokraten im Frühjahr 1873. Vgl. Schönhoven, Revolution, S. 33. 523 Vgl. Link, Katholizismus, S. 185. 524 BT v. 5. 4.1873, Nr. 95. 525 Vgl. BT v. 5. 4.1873, Nr. 95; Link, Katholizismus, S. 185; Fiedler, Bamberg, S. 75. 526 Vgl. Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat v. 1. 8.1871, StadtABa, C 2 XV, Nr. 860; Link, Katholizismus, S. 145, 437 f. 527 Versammlungsbericht v. 29. 6.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975. 528 Vgl. Versammlungsanzeige der SDAP durch August Mamme v. 10. 5.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Versammlungsanzeige der SDAP durch August Mamme v. 17. 5.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Versammlungsanzeige der SDAP durch August Mamme v. 6.1.1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Versammlungsanzeige der SDAP durch August Mamme v. 10. 2.1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975. 529 Vgl. Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 197; Link, Katholizismus, S. 185 f.; Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat v. 29. 6.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat v. 13. 7.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975. Am 28. Juni 1873 waren nur 12 Mitglieder erschienen, sodass die Versammlung beendet wurde und auch am 12. Juli 1873 kamen „nur wenige Mitglieder“ zusammen, sodass August Mamme diese sogleich auflöste. 530 Vgl. Versammlungsbericht der Polizei Bamberg v. 9.11.1873, StadtABa, C 2 Nr. 11975; Versammlungsbericht der Polizei Bamberg v. 19.12.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Link, Katholizismus, S. 187. Eine ausführliche Biografie zu Karl Grillenberger bleibt weiterhin ein Forschungsdesiderat. Vgl. Resch, Sozialistengesetz, S. 19; Rumschöttel, Hermann: … daß überhaupt gerechtere Zustände eintreten. Karl Grillenberger (1848–1897). Nürnberger 516 517
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nicht nur den „fränkische[n] Sozialismus“, 531 sondern speziell auch die Bamberger Sozialdemokratie. Zu seinem Vortrag am 18. Dezember 1873 über das Thema „Das Volk und dessen Vertretung im deutschen Reichstage“ 532 kamen circa 150 Zuhörer in der „Lesch’schen Brauerei“ (Lugbank 5, heute: Hotel „Weierich“) zusammen, die neben dem „Mondschein“ als Parteilokal diente. 533 Bamberg profitierte von der Stärke und Ausstrahlung der Nürnberger Arbeiterbewegung und der relativen Nähe zur mittelfränkischen Metropole. 534 Während in den 1860er Jahren Augsburg das wichtigste bayerische Zentrum der Sozialdemokratie gebildet hatte, übernahm Nürnberg seit den 1870ern die Führungsrolle und stellte zusammen mit der SPD-Fürth bis zum Ersten Weltkrieg für Bamberg sämtliche Kandidaten zu Landtags- und Reichstagswahlen. 535 In Ergänzung zur Partei wurden 1873 und 1874 wieder Gewerkschaftsorganisationen ins Leben gerufen. 536 Die Schuhmacher und Schneider gründeten Genossenschaften und ein Arbeitervermittlungsbüro wurde aufgebaut. 537 Außerdem veranstaltete die Bamberger SDAP am 30. August 1874 ein Arbeiterfest mit 120 Teilnehmern auf dem „Leicht’schen Felsenkeller“ am Oberen Stephansberg. 538 Damit waren essentielle Schritte zum struk-
turellen Aufbau einer Arbeiterbewegung in Bamberg getan. Laut eines Berichts des Stadtmagistrats wohnte 1874 die Mehrheit der bekannten Sozialdemokraten im vierten Distrikt, dem Sandgebiet, es folgten der erste und dritte Distrikt, während im zweiten Distrikt zwar Demokraten, aber laut Behörden keine SDAP-Mitglieder lebten. 539 Diese Aufstellung sowie die Berufsangaben der Vorstandschaft legen den Schluss nahe, dass die Führungskräfte der Bamberger Sozialdemokratie in den 1870er Jahren überwiegend dem Handwerkerstand angehörten. 540 Während reichsweit zunächst der Kulturkampf gegen die römisch-katholische Kirche die Innenpolitik bestimmte, setzte in Bamberg seit 1874, noch vor dem Sozialistengesetz, die Unterdrückung der Sozialdemokratie ein. 541 Vorausgegangen waren Verbote der Arbeiterparteien in Hof, München, Erlangen und Nürnberg. 542 Der Bamberger Stadtmagistrat hegte hingegen zunächst keine Ambitionen, dieser Direktive zu folgen. 543 Allerdings versuchten die Nürnberger Sozialdemokraten nun ihre Präsenz in Bamberg zu verstärken. 544 Beispielsweise meldete sich Karl Grillenberger als Redner zum Arbeiterfest am 30. August 1874 an; sein Auftritt wurde jedoch unterbunden. 545 Bamberg sollte schließlich nicht zum neuen und ungestörten Agi-
Sozialdemokrat der ersten Stunde. In: Rebellen, Visionäre, Demokraten. Über Widerständigkeit in Bayern (= Edition Bayern, Bd. 6). Hg. v. Haus der Bayerischen Geschichte. Regensburg 2013, S. 82–84; Rossmeissl, Dieter: Arbeiterschaft und Sozialdemokratie in Nürnberg 1890–1914 (= Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte, Bd. 22). Nürnberg 1977, S. 128–131, 372; Hainbuch, Dirk/Tennstedt, Florian: Sozialpolitiker im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1918 (= Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945, Bd. 1). Kassel 2010, s.v. Grillenberger, Karl; Zwanzig, Christofer: Das sozialdemokratische Nürnberg. 15 Porträts aus 15 Jahrzehnten. Nürnberg 2013, S. 12–17; Fricke, Dieter: Sie nannten ihn „Grillo“. Karl Grillenberger (1848–1897) – eine biographische Skizze. In: Soziale Demokratie und sozialistische Theorie. Festschrift für Hans-Josef Steinberg zum 60. Geburtstag. Hg. v. I. Marßolek/T. Schelz-Brandenburg. Bremen 1995, S. 285–303. 531 Rumschöttel, Grillenberger, S. 82. 532 Versammlungsbericht der Polizei Bamberg v. 19.12.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975. 533 Vgl. Versammlungsbericht der Polizei Bamberg v. 19.12.1873, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Fiedler, Bamberg, S. 82 f.; Krause, 115 Jahre, S. 21. Krause nennt hingegen fälschlicherweise den 19.12.1873 als Datum für den Auftritt von Karl Grillenberger. 534 Vgl. Rossmeissl, Arbeiterschaft, S. 127. 535 Vgl. Murr/Resch, Augsburg, S. 29 f.; Link, Katholizismus, S. 187; Hetzer, Augsburg, S. 36 f. 536 Vgl. Link, Katholizismus, S. 184. 537 Vgl. Link, Katholizismus, S. 184. 538 Vgl. Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat Bamberg zum Arbeiterfest v. 31. 8.1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975. 539 Vgl. Verzeichnisse der bekannten Sozialdemokraten nach Distrikten v. September 1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Link, Katholizismus, S. 187. 540 Vgl. Tenfelde, Wirtschaft, S. 15; Thamer, Hans-Ulrich: Von der Handwerkerkorporation zur Arbeiterassoziation. Zur Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung. In: Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Bayern. Hg. v. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Nürnberg 1985, S. 26–28; Link, Katholizismus, S. 185. Im Vorstand saßen neben dem Bürstenbinder Mamme ein Buchhalter und zwei Schuhmacher. 541 Vgl. Link, Katholizismus, S. 187. 542 Vgl. Link, Katholizismus, S. 187; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 220–223. 543 Vgl. Link, Katholizismus, S. 187. 544 Vgl. Sitzungsbeschluss des Bamberger Stadtmagistrats an die Regierung von Oberfranken v. 5. 9.1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Link, Katholizismus, S. 187. 545 Vgl. Sitzungsbeschluss des Bamberger Stadtmagistrats an die Regierung von Oberfranken v. 5. 9.1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975.
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tationsfeld der Nürnberger Funktionäre werden. 546 Diese Befürchtung gab letztendlich den Ausschlag für das Verbot der örtlichen SDAP am 5. September 1874 durch die Stadt Bamberg. 547 Als rechtliche Grundlage diente das Affiliationsverbot, das überörtliche Verbindungen zu anderen Vereinen untersagte. 548 Die Bamberger Sozialdemokratie erhob Einspruch und wiederum half Titus, der in seiner Funktion als Rechtsanwalt den Rekurs ausarbeitete. 549 An dem Verbot änderte seine Argumentation jedoch nichts mehr. 550 Statt den fortschrittlichen Kurs einer Mitgliederpartei mit regelmäßigen Zusammenkünften und einer ständigen Parteiorganisation weiterverfolgen zu können, war man gezwungen sich auf Wahl- und Gewerkschaftsversammlungen zu beschränken. 551 Im Februar 1875 versuchte man diese Lücke zu nutzen, indem man eine Ersatzgründung namens „Social-demokratischer Wahl-Verein Bamberg“ initiierte. 552 Bereits fünf Tage später wurde jedoch die neue Organisation untersagt. 553 August Mamme blieb während des Verbots des Ortsvereins der führende Sozialdemokrat in Bamberg: Im Mai 1875 vertrat er die Bamberger Ortsgruppe sowohl bei einer örtlichen Konferenz über Arbeitsverhältnisse im Bamberger Rathaus als auch auf dem Einigungsparteitag in Gotha. 554 60 Mitglieder zählte die neubenannte „Sozialistische Arbeiterpartei“ (SAP) zu diesem
Zeitpunkt vor Ort. 555 Die fortgesetzten Repressionen der Bamberger Behörden gegen sozialdemokratische Volksversammlungen zeigten allerdings auf Dauer Wirkung, sodass die Partei 1877 nicht mehr ins Gewicht fiel und jegliche Aktivität zum Erliegen kam. 556 Die Kandidaturen von Karl Grillenberger zu den Reichstagswahlen 1877 und 1878 bestätigten den fehlenden gesellschaftlichen Rückhalt in dieser organisationslosen Periode und den rückläufigen Trend. 557 In der Stadt Bamberg stimmten mit 145 Wähler (1877) und 109 Wählern (1878) unterdurchschnittlich wenige Wahlberechtigte für den Nürnberger Sozialdemokraten, der somit lediglich Quoten von 4,2 % und 3,9 % erreichte. 558 Dies waren sowohl im reichsweiten als auch im regionalen Vergleich schlechte Ergebnisse, denn in Würzburg erzielte Karl Grillenberger 12,2 % (1877) und 13,9 % (1878). 559 Durch die strukturelle Instabilität hatte die Bamberger Sozialdemokratie während der 1870er Jahre an Bindekraft und Anziehung eingebüßt, während im Gegensatz dazu der politische Katholizismus, gebündelt im 1867 gegründeten Zentralverein des „Katholischen Kasinos“, aufstieg. 560 Der bayerische Kulturkampf seit den 1860er Jahren, die Nationalstaatsgründung unter preußischer Führung und die Ablehnung der Modernisierung einten die katholischen Kreise und ließen die Religion und den Ultramontanismus zu den maßgeblichen ge-
Vgl. Sitzungsbeschluss des Bamberger Stadtmagistrats an die Regierung von Oberfranken v. 5. 9.1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Link, Katholizismus, S. 187. 547 Vgl. Sitzungsbeschluss des Bamberger Stadtmagistrats an die Regierung von Oberfranken v. 5. 9.1874, StadtABa, C 2, Nr. 11975; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 223; Link, Katholizismus, S. 187. 548 Vgl. Link, Katholizismus, S. 187; Wehler, Doppelrevolution, S. 208. 549 Vgl. Link, Katholizismus, S. 187 f. 550 Vgl. Link, Katholizismus, S. 187 f. Im Gegensatz zu den Verboten in Hof, München, Erlangen, Nürnberg und Bamberg blieben die sozialdemokratischen Parteiorganisationen in Augsburg, Fürth und Würzburg bestehen und erlaubt. Ein allgemeines Verbot der Sozialdemokratie in Bayern gab es 1874 nicht, doch die erlassenen Verbote der unteren Behörden wurden durchwegs bestätigt und unterstützt. Vgl. Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 223. 551 Vgl. Link, Katholizismus, S. 186–188; Wehler, Doppelrevolution, S. 336. 552 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 23; Link, Katholizismus, S. 188. 553 Vgl. BT v. 23. 2.1875, Nr. 54: „Der jüngst gegründete hiesige socialdemokratische Wahlverein wurde gleichfalls durch Magistratsbeschluß vom 19. d. M. aufgelöst.“; Krause, 115 Jahre, S. 23; Link, Katholizismus, S. 188. 554 Vgl. Einladung mit Teilnehmerliste zur Konferenz über Arbeitsverhältnisse am 19. 5.1875, StadtABa, C 2, Nr. 11969; Protokoll des Vereinigungskongresses der Sozialdemokraten Deutschlands, abgehalten zu Gotha vom 22. bis 27. Mai 1875. Leipzig 1875. Abgedruckt in: Protokolle der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, Bd. II. Glashütten im Taunus u. a. 1971, Verzeichnis der Delegierten; Link, Katholizismus, S. 187; Krause, 115 Jahre, S. 23. 555 Vgl. Protokoll Vereinigungskongress Gotha 1875, Verzeichnis der Delegierten; Link, Katholizismus, S. 187, 208; Krause, 115 Jahre, S. 23. 556 Vgl. Link, Katholizismus, S. 189, 200. 557 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 23; Link, Katholizismus, S. 199 f.; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 229. 558 Vgl. Link, Katholizismus, S. 199–200, 412. 559 Vgl. Schönhoven, Revolution, S. 39; Link, Katholizismus, S. 199 f. 560 Vgl. Link, Katholizismus, S. 129–135, 203; Jöckle, Emil/Morper, Hans: 100 Jahre Katholisches Kasino Bamberg. Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum des Katholischen Kasinos Bamberg. Bamberg 1967. 546
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meinsamen Faktoren der verschiedenen Bevölkerungsgruppen werden. 561 So bildete sich in Bamberg das katholische Milieu seit der Reichsgründungsphase verstärkt aus und umfasste dabei – angeführt von Adel und Klerus – auch Mittel- und Unterschichten. 562 Diese sammelten sich insbesondere im 1855 gegründeten „Katholischen Gesellen-Verein“, der die Basis für die christliche Arbeitnehmerbewegung schuf. 563 Der Gesellenverein profitierte von der unstrittigen Anerkennung durch die Behörden und der folglich kontinuierlichen Existenz. 564 Als politische Komponente des Katholizismus verbuchte die „Bayerische Patriotenpartei“ in Bamberg überdurchschnittliche Erfolge und dominierte seit 1874 alle Wahlen. 565 Bei den Reichstagswahlen 1877 und 1878 errang deren Kandidat Heinrich Freiherr Horneck von Weinheim mit 49,3 % und 60,0 % die Wahlsiege, wohingegen die Liberalen zunehmend Wähler verloren. 566 Als Otto von Bismarck 1878 schließlich das Sozialistengesetz 567 gegen die aufstrebenden „vaterlandslosen Gesellen“ erließ, befand sich die Bamberger SAP bereits in der desolaten Lage der Unterdrückung und des Niedergangs. 568 Eine entscheidende Zäsur stellte das reichsweite Verbot der sozialdemokratischen Partei samt ihrer Vereine, Gewerkschaften und Zeitungen vor Ort nicht dar. 569 Mit den Gewerkschaften der Schuhmacher und Schneider bestanden lediglich noch zwei Vereini-
gungen, die unter das Gesetz fielen und von der oberfränkischen Regierung im November 1878 verboten wurden. 570 Selbst in den Augen der Behörden war die Linke keine ernsthafte Bedrohung für etablierte Strukturen und die städtische Ruhe und Ordnung, sodass man den Bamberger Anhängern trotz des Sozialistengesetzes relativ große Freiheiten ließ. 571 Beispielsweise konnten noch Zusammenkünfte stattfinden und die Parteizeitung Der Sozialdemokrat wurde aus Zürich bezogen und im Parteilokal aufgelegt. 572 Ein Zeitzeuge und Parteimitglied, Kaspar Zimmer, beschrieb die Situation unter dem Ausnahmegesetz mit folgenden Worten: „Da wir uns öffentlich nicht allzustark betätigen durften, wurde die Mitteilung über unsere Zusammenkünfte von Mund zu Mund weitergegeben. Während wir sonst von der Polizei verschont blieben, hat uns dieselbe doch ständig beobachtet und auch unsere Versammlungen verboten.“ 573
Die spezifische Handhabung der Polizei, gepaart mit der Schwäche der Partei schon vor dem Sozialistengesetz, führte dazu, dass sich in Bamberg keine geselligen Tarnorganisationen ausbildeten wie es andernorts geschah. 574 Die Existenz eines Arbeitergesangvereins in diesen Jahren ist nicht überliefert. 575 Einzig der Arbeiter-Kranken-Unterstützungs-Verein Bamberg blieb bestehen und diente
Vgl. Link, Katholizismus, S. 203; Frie, Kaiserreich, S. 104; Wehler, Doppelrevolution, S. 892–902; Loth, Integration, S. 266 f. Zum Kulturkampf in Bayern vgl. Bischof, Franz Xaver: Kulturkampf in Bayern – Bayerisches Staatskirchentum versus Ultramontanismus. In: Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 59). Hg. v. P. Wolf/M. Hamm/B. Kink u. a. Darmstadt 2011, S. 125–128; Hürten, Heinz: Die katholische Kirche seit 1800. In: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (= Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4,2). Hg. v. A. Schmid. München 22007, S. 311–317; Nipperdey, Machtstaat, S. 337–351. 562 Vgl. Link, Katholizismus, S. 129, 134, 158; Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit. Gesellschaft und Politik während der Ära des Prinzregenten Luitpold in Bayern. München u. a. 1972, S. 465–474. 563 Vgl. Link, Katholizismus, S. 105; Resch, Sozialistengesetz, S. 54. 564 Vgl. Link, Katholizismus, S. 105. 565 Vgl. Link, Katholizismus, S. 203; Albrecht, Reichsgründung, S. 336–345. 566 Vgl. Link, Katholizismus, S. 197–201, 412. 567 Offiziell trug das Gesetz vom 19. Oktober 1878 den Namen „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“. Zum Sozialistengesetz in Bayern vgl. Resch, Sozialistengesetz; Albrecht, Reichsgründung, S. 347; Hirschfelder, Heinrich: Die bayerische Sozialdemokratie. 1864–1914. Teil 2: 1878–1814 (= Erlanger Studien, Bd. 22,2). Hg. v. D. B. Leistner/D. Peschel. Erlangen 1979, S. 355–431. 568 Vgl. Link, Katholizismus, S. 200; Wehler, Doppelrevolution, S. 902–907; Frie, Kaiserreich, S. 49–53. 569 Vgl. Link, Katholizismus, S. 189; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 362. 570 Vgl. Link, Katholizismus, S. 189; Resch, Sozialistengesetz, S. 69. 571 Vgl. Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 361 f.; Krause, 115 Jahre, S. 39–42; Link, Katholizismus, S. 222 f. 572 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 39; Link, Katholizismus, S. 222 f.; Resch, Sozialistengesetz, S. 81 f.; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 417. 573 Erinnerung von Kaspar Zimmer. Abgedruckt in: Krause, 115 Jahre, S. 40. 574 Vgl. Albrecht, Reichsgründung, S. 347; Resch, Sozialistengesetz, S. 57, 67 f., 311; Wehler, Doppelrevolution, S. 905; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 368. 575 Vgl. Resch, Sozialistengesetz, S. 67 f.; Dowe, Dieter: Die Arbeitersängerbewegung in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg – eine Kulturbewegung im Vorfeld der Sozialdemokratie. In: Arbeiterkultur (= Neue wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 104). Hg. v. G. A. Ritter. Königstein 1979, S. 128. 561
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vermutlich als Ausweichorganisation. 576 Bekannte Bamberger Sozialdemokraten wie August Mamme und Euchar Kraus fanden sich 1879 unter dessen Ausschussmitgliedern. 577 In Bamberg war somit die Fortführung sozialdemokratischen Lebens in eingeschränktem Maße möglich, doch Milieustrukturen konnten sich in den zwölf Jahren zwischen 1878 und 1890 nicht ausbilden. 578 Vielmehr blieben die Sozialdemokraten weiterhin abhängig von der Unterstützung der Demokraten und der Nürnberger Genossen. 579 Offensichtlich wurde dies bei den Reichstagswahlen. 580 1881 und 1884 stellte man im Reichstagswahlkreis Bamberg keinen gesonderten sozialdemokratischen Wahlvorschlag auf, sondern unterstützte den Kandidaten des demokratischen „Volksvereins für den Reichstagswahlkreis Bamberg“, Nikolaus Reinlein. 581 Als Konsequenz daraus verstärkte sich die enge Verbindung zu den bürgerlichen Demokraten unter dem Sozialistengesetz erneut, denn der Volksverein diente den Sozialdemokraten als Ausweichoption. 582 Erst nach der Auflösung des Volksvereins 1883/84 und im Anschluss an die erfolgreiche Gründung von Wahlvereinen in Nürnberg und Fürth wurde dieser Schritt auch in Bamberg vollzogen. 583 Am 30. August 1885 konstituierte sich der „Wahlverein zur Erzielung volkstümlicher Wahlen für Reichstag, Landtag, Gemeinde etc. für den Reichstagswahlkreis Bam-
berg“. 584 Diese Gründung erfolgte zeitlich während einer allgemeinen Periode der politischen Entspannung seit 1883 und parallel zur Entstehung ähnlicher Vereine in anderen Städten wie Würzburg, Hof oder Bayreuth. 585 Der Aufschwung der bayerischen Sozialdemokratie erreichte somit Bamberg und umfasste im Anschluss die Wiederbelebung von gewerkschaftlichen Fachvereinen. 586 Gemessen an der Mitgliederzahl erreichte der Wahlverein mit 85 (1886) bis 100 Mitgliedern (1887) die Stärke der Vorgängerorganisationen und erneut führten mehrheitlich Handwerker den Verein. 587 Gemäß ihren Statuten, die als Ziel definierten, „Mitglieder zu gewinnen, die dahin mitwirken [sollten], bei Reichstags- und Landtags-, sowie bei Gemeindewahlen Männer in die betreffenden gesetzgebenden und Vertretungskörper zu wählen“, 588 konzentrierte sich der neue Verein auf die Wahlkampfvorbereitung. 589 Unangefochten war dabei noch immer die Stellung und Beliebtheit des Nürnbergers Karl Grillenberger, nach dessen Auftritt in Bamberg am 2. August 1884 zu dem Themenkomplex „Krankenkassengesetz, freie Hilfskassen und Unfallversicherungsgesetz“ ein „minutenlang anhaltender Beifallssturm los [gebrochen war]“. 590 Im Gegensatz zu Nürnberg mangelte es in Bamberg in diesen Jahren aber an einer beständigen Führungsperson. 591 So wurde Karl Grillenberger 1887 zum dritten Mal als sozialdemokra-
Vgl. Verzeichnis der Mitglieder des Arbeiter-Kranken-Unterstützungs-Vereins Bamberg v. 1879/1880, StadtABa, Stadtsterbepakt, D 3012 (künftig: StadtABa, D 3012), Nr. 257. 577 Vgl. Verzeichnis der Mitglieder des Arbeiter-Kranken-Unterstützungs-Vereins Bamberg v. 1879/1880, StadtABa, D 3012, Nr. 257; Link, Katholizismus, S. 435–438. 578 Im Gegensatz dazu konstatiert Resch für Bayern den „Ausbau eines sozialdemokratischen Milieus, einer sozialistischen Kultur […] unter den Zwängen des Sozialistengesetzes“. Dies wird anhand des Beispiels Bamberg, das Resch nicht eingehend untersuchte, bestritten. Vgl. Resch, Sozialistengesetz, S. 57 f.; Tenfelde, Milieus, S. 250–253. 579 Vgl. Link, Katholizismus, S. 223 f. 580 Vgl. Link, Katholizismus, 222 f., 246. 581 Vgl. Link, Katholizismus, S. 223, 233, 236 f., 246, 412 f.; Krause, 115 Jahre, S. 27. 582 Vgl. Link, Katholizismus, S. 246. 583 Vgl. Link, Katholizismus, S. 223; Resch, Sozialistengesetz, S. 156, 166. 584 Vgl. Schreiben von Johann Zeder an den Stadtmagistrat Bamberg v. 31. 8.1885, StadtABa, C 2, Nr. 30403; Statuten des Wahlvereins Bamberg v. 30. 8.1885, StadtABa, C 2, Nr. 30403; Link, Katholizismus, S. 223; Krause, 115 Jahre, S. 27 f. 585 Vgl. Link, Katholizismus, S. 223; Resch, Sozialistengesetz, S. 104–184; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 416 f. 586 In Bamberg entstanden Gewerkschaftsorganisationen der Schuster und Tischler. Vgl. Resch, Sozialistengesetz, S. 147–152, 163; Link, Katholizismus, S. 223; Tenfelde, Klaus: Die Entstehung der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Vom Vormärz bis zum Ende des Sozialistengesetzes. In: Geschichte der deutschen Gewerkschaften von den Anfängen bis 1945. Hg. v. U. Borsdorf. Köln 1987, S. 158–163; Schneider, Gewerkschaften, S. 62–64. 587 Vgl. Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat Bamberg v. 20. 6.1886, StadtABa, C 2, Nr. 30403; Versammlungsbericht an den Stadtmagistrat Bamberg v. 21. 3.1887, StadtABa, C 2, Nr. 30403; Link, Katholizismus, S. 224. 588 Statuten des Wahlvereins Bamberg v. 30. 8.1885, StadtABa, C 2, Nr. 30403. 589 Vgl. Link, Katholizismus, S. 223 f. 590 Versammlungsbericht v. 3. 8.1884, StadtABa, C 2, Nr. 11964. 591 Vgl. Link, Katholizismus, S. 225. 576
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tischer Kandidat für den Reichstagswahlkreis Bamberg aufgestellt. 592 Bei der Abstimmung während des Ausnahmegesetzes zeigte sich erstmals in Bamberg der allgemeine Trend des Stimmenanstiegs für die Sozialdemokratie. 593 Bismarcks Intention der Schwächung verkehrte sich ins Gegenteil und das Sozialistengesetz erwies sich als Fehlschlag. 594 Mit 867 Stimmen konnte Grillenberger 22,7 % der Wähler auf sich vereinen und das Erstarken der Sozialdemokratie und den Zuwachs des Wählerpotenzials unter Beweis stellen. 595 Besonders in der Wunderburg und im Sandgebiet lagen die innerstädtischen Zentren der Arbeiterpartei. 596 Die Sozialdemokratie wuchs in Bamberg zur zweitstärksten politischen Kraft nach dem katholischen „Bayerischen Zentrum“ und stellte zum Ende des Sozialistengesetzes eine ernstzunehmende politische Größe dar. 597 Als Reaktion auf diesen roten Erfolg rief man einen Monat nach der Wahl auf Initiative des Erzbischofs von Bamberg einen „Katholischen Arbeiter-Verein“ ins Leben. 598 Dessen Satzung nannte die Förderung der Religiosität und Sittlichkeit der Arbeiter als Ziel, womit implizit die antisozialistische Stoßrichtung ausgedrückt wurde. 599 Der Katholische Arbeiterverein sollte ein kirchliches Gegengewicht zur aufstrebenden Sozialdemokratie bilden. Die zweite Phase der Sozialdemokratie in Bamberg zwischen 1869 und 1890 glich also einer Bergund Talfahrt. Geprägt durch mehrmalige Neugründungen und Aufbauversuche, denen Repressionen, Auflösungen und Verbote folgten, konnte sich we-
der Stabilität noch Kontinuität einstellen. Konstant war jedoch die Unterstützung durch die Nürnberger Arbeiterbewegung und die bürgerlichen Demokraten vor Ort. Diese Stützen waren aufgrund der eigenen Schwäche elementar. 600 Den Vorzug der ungehinderten Präsenz genossen hingegen die katholischen Zusammenschlüsse, die in diesen Jahren ein sozialmoralisches Milieu ausbilden konnten. Die Arbeiterbewegung war stattdessen bestimmt von Existenz- und Überlebensfragen, ihre Basis bis Mitte der 1880er Jahre äußerst gering. Erst die Reichstagswahlen 1887 offenbarten eine erstarkende Anhängerschaft und die zunehmende Attraktivität.
2.3.3 Die Arbeiterbewegung in der Wilhelminischen Epoche 1890 bis 1914 Das Ende des Sozialistengesetzes 1890 601 ermöglichte nach 16 Jahren lokaler Illegalität die offene Agitation der Sozialdemokratie und zog im November 1891 die Umbenennung in „Socialdemokratischer Wahl-Verein für den Wahlkreis Bamberg“ 602 nach sich. Im selben Jahr beteiligte sich der Bamberger Tüncher Johann Baptist Hering an der Gründung der „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ auf dem Parteitag in Erfurt und 1898 trat die Bamberger Ortsgruppe schließlich mit dem neuen Namen „Socialdemokratischer Verein Bamberg“ 603 dem bayerischen SPD-Landesverband bei. 604 Seitdem war sie offizieller Teil der Landespar-
Vgl. Link, Katholizismus, S. 243. Vgl. Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 355–356, 421–431; Resch, Sozialistengesetz, S. 234; Albrecht, Reichsgründung, S. 347. 594 Vgl. Resch, Sozialistengesetz, S. 311; Wehler, Doppelrevolution, S. 800, 906; Tenfelde, Klaus: Bismarck und die Sozialdemokratie. In: Otto von Bismarck und die Parteien (= Wissenschaftliche Reihe der Otto-von-Bismarck-Stiftung, Bd. 3). Hg. v. L. Gall. Paderborn u. a. 2001, S. 111–135. 595 Vgl. Link, Katholizismus, S. 243–245; Krause, 115 Jahre, S. 29. 596 Vgl. Link, Katholizismus, S. 245. 597 Vgl. Link, Katholizismus, S. 245. 598 Vgl. Unger, Ludwig: Ein Haus für das katholische Bamberg. Die Bamberger Luitpoldsäle von ihrer Errichtung durch die katholische Arbeitervereinsbewegung bis zum Wiedererwerb 1950. In: BHVB 130 (1994), S. 261; Link, Katholizismus, S. 229 f.; Resch, Sozialistengesetz, S. 54; Scherzer, Udo: Dokumentation eines erfolgreichen Weges. 125 Jahre KAB-Kreisverband Bamberg-Stadt. Bamberg 2013, S. 12–17. 599 Vgl. Unger, Haus, S. 261 f.; Link, Katholizismus, S. 229 f.; Grebing, Arbeiterbewegung, S. 75. 600 Vgl. Link, Katholizismus, S. 203. 601 Am 25. Januar 1890 stimmte die Mehrheit des Reichstages gegen die Verlängerung des Sozialistengesetzes und damit gegen den Antrag der Regierung ausgehend von Bismarck, sodass das Sozialistengesetz am 30. September 1890 auslief. Vgl. Hermand, Jost: Vom Peitschenhieb zum Zuckerbrot. Die Gründe für die Aufhebung des Sozialistengesetzes im Jahr 1890. In: 125 Jahre Sozialistengesetz. Beiträge der öffentlichen wissenschaftlichen Konferenz vom 28.–30. November 2003 in Kiel (= Bremer Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte, Bd. 45). Hg. v. H. Beutin/W. Beutin/H. Malterer u. a. Frankfurt am Main 2004, S. 249–259; Schneider, Gewerkschaften, S. 68. 602 Statuten des Socialdemokratischen Wahl-Vereins für den Wahlkreis Bamberg v. 1.11.1891, StadtABa, C 2, Nr. 30403; vgl. Krause, 115 Jahre, S. 30; Link, Katholizismus, S. 262. 603 Schreiben von Johann Förtsch an den Stadtmagistrat Bamberg v. 1.1.1898, StadtABa, C 2, Nr. 30403. 604 Vgl. Schreiben von Johann Förtsch an den Stadtmagistrat Bamberg v. 1.1.1898, StadtABa, C 2, Nr. 30403; Statut des socialdemokratischen Vereins Bamberg v. 1898, StadtABa, C 2, Nr. 30403; Link, Katholizismus, S. 262; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 98–102; Krause, 115 Jahre, S. 35. Die bayerische 592 593
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tei und in deren Strukturen als Mitgliederpartei eingebunden. 605 Die Aufbruchstimmung 1890 wurde von der Bamberger Partei zur Veranstaltung einer ersten offiziellen Maifeier im „Maysgarten“ auf dem Oberen Stephansberg genutzt, denn der Gründungskongress der Zweiten Internationale hatte 1889 beschlossen, den 1. Mai als Kampftag der Arbeiterbewegung zu begehen. 606 Ein Arbeiterfest mit Ansprache und Konzert wurde geplant, bei dem sogar bayerisch-kubanische „Grillenberger Cuba- und Vollmar Havanna-Cigarren“ 607 verkauft werden sollten. 608 Umfangreicher als die Planungen des Festes gestalteten sich allerdings die Sicherheitsvorkehrungen der städtischen Polizei. 609 Selbst die Militärgarnison wurde in Bereitschaft versetzt. 610 Dabei hatte man in Bamberg eigentlich wenig von sozialdemokratischer Seite zu befürchten. Die gesammelten Berichte der einzelnen Stadtbezirke stimmten alle darin überein, dass von der Maifeier keine Gefahr ausginge und auch Ausschreitungen
hielt man für unwahrscheinlich. 611 Diese Einschätzung änderte jedoch nichts an den umfangreichen Abwehr- und Vorsichtsmaßnahmen: Alle Wachposten wurden verstärkt und sowohl die Infanterie als auch die Kavallerie standen für den Fall etwaiger Störungen zur Verfügung. Die dienstlichen Anweisungen lauteten: „Von Mittags 12 Uhr ab hat die gesamte Polizeimannschaft vom Inspektor abwärts in Uniform zu erscheinen. Die Posten haben sich alle 1/2 Stunde auf dem Treffpunkte einzufinden, woselbst sie öfters von den Stationisten controliert werden.“ 612
Entgegen der behördlichen Bedenken verlief der 1. Mai friedlich: Alle städtischen Bezirke meldeten einen ruhigen Verlauf. 613 Zwischen 500 und 600 Teilnehmer fanden sich ein und verfolgten die Ansprache des auswärtigen Referenten Friedrich Müller, der einen „Normalarbeitstag von 8 Stunden für alle Arbeiter“ 614 forderte. 615
Sozialdemokratie hatte am 26. Juni 1892 ihren ersten gemeinsamen Parteitag abgehalten, sodass dies als Gründungsdatum gilt. Organisatorisch war der Anschluss einzelner Ortsgruppen an den Landesverband jedoch erst 1898 nach der Aufhebung des Affiliationsverbots möglich. Vgl. Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 433–437; Mehringer, Hartmut: Einleitung. In: Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 1892–1992 (= Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5). München u. a. 1992, S. 1. 605 Vgl. Link, Katholizismus, S. 262; Rumschöttel, Hermann: Eigenständigkeit und Integration. Bayern und das Reich in der Prinzregentenzeit. In: Die Prinzregentenzeit. Abenddämmerung der bayerischen Monarchie? Hg. v. K. Weigand/J. Zedler/F. Schuller. Regensburg 2013, S. 52–54. 606 Vgl. Versammlungsanzeige des Arbeiterfestes durch Kurzwarenhändler Albert Lang v. 28. 4.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Link, Katholizismus, S. 259 f.; Krause, 115 Jahre, S. 40; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 116–118; Ritter, Gerhard A./Tenfelde, Klaus: Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1914 (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 5). Bonn 1992, S. 734; Bouvier, Beatrix W.: Es wird kommen der Mai … Zur Ikonographie des Arbeitermai im Kaiserreich. In: Soziale Demokratie und sozialistische Theorie. Festschrift für Hans-Josef Steinberg zum 60. Geburtstag. Hg. v. I. Marßolek/T. Schelz-Brandenburg. Bremen 1995, S. 337–350; Klecha, Stephan: Hochamt der Sozialdemokratie – der 1. Mai. In: Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Hg. v. F. Walter/F. Butzlaff. Berlin 2013, S. 153 f. Der „Maysgarten“ auf dem Oberen Stephansberg Nr. 9 gehörte bis 1918 zur Brauerei „Steinernes Haus“ in der Langen Straße 8. Vgl. Fiedler, Bamberg, S. 134–136. 607 BT v. 1. 5.1890, Nr. 119. 608 Vgl. Versammlungsanzeige des Arbeiterfestes durch Kurzwarenhändler Albert Lang v. 28. 4.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976; BT v. 1. 5.1890, Nr. 119; Versammlungsbericht des Stadtmagistrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken zur Maifeier 1890 v. 3. 5.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Link, Katholizismus, S. 259. Georg von Vollmar war neben Karl Grillenberger in den 1890er Jahren der wichtigste bayerischen Sozialdemokrat und die beiden waren sowohl persönlich befreundet als auch politisch hinsichtlich des Reformismus einer Meinung. Vgl. Beck, Florian: Georg von Vollmar: „König“ in Bayern – Wegbereiter für die deutsche Sozialdemokratie. In: Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 1892–1992 (= Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5). Hg. v. H. Mehringer. München u. a. 1992, S. 48; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 467; Jansen, Reinhard: Georg von Vollmar. Eine politische Biographie (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 13). Düsseldorf 1958, S. 33, 48–51. 609 Vgl. Verstärkter Wacht- und Posten-Dienst sowie Diensteinteilung der Bamberger Polizei v. 24. 4.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Link, Katholizismus, S. 257–259; Schneider, Gewerkschaften, S. 65 f.; Warneken, Deutschen, S. 165–169. 610 Vgl. Schreiben der Kommandantur Bamberg an den Stadtmagistrat Bamberg v. 30. 4.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976. 611 Vgl. Berichte der Bezirkskorporale an den Stadtmagistrat v. 7./8. 4.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976. 612 Verstärkter Wacht- und Posten-Dienst sowie Diensteinteilung der Bamberger Polizei v. 24. 4.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976; vgl. Schreiben der Kommandantur Bamberg an den Stadtmagistrat Bamberg v. 30. 4.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Link, Katholizismus, S. 259. Die Einsatzbereitschaft von Militärverbänden bei Kundgebungen und Streiks der Arbeiterschaft wurde auch in anderen Garnisonsstädten praktiziert. Vgl. Ritter/Tenfelde, Arbeiter, S. 683 f., 734 f. 613 Vgl. Berichte der Bezirkskorporale an die Polizeiinspektion Bamberg und an den Stadtmagistrat Bamberg v. 2. 5.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Link, Katholizismus, S. 259 f. 614 Versammlungsbericht des Stadtmagistrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken zur Maifeier 1890 v. 3. 5.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976.
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Diese Maifeier steht exemplarisch für den Umgang mit der Sozialdemokratie und der Arbeiterbewegung in Bamberg während des Wilhelminischen Kaiserreichs. Es wurde eine „Praxis der nicht endenden Nadelstiche“ 616 praktiziert. 617 Obwohl die sozialdemokratische Ortsgruppe nach dem Sozialistengesetz verhältnismäßig schwach blieb, organisatorisch nur langsam Fuß fasste, abhängig war von der Unterstützung aus Nürnberg und in ihren eigenen Reihen keine bedeutende Führungspersönlichkeit aufwies, wurde ein Bollwerk gegen sie errichtet und schrittweise ausgebaut. 618 Stadtmagistrat, Militär und katholische Kirche ergänzten sich in ihren Anstrengungen zur Bekämpfung der Linken. 619 Die Versammlungsüberwachung wurde je nach politischer Richtung gehandhabt: strikt und genau bei der Sozialdemokratie, locker und oberflächlich bei Katholiken und Nationalliberalen. 620 Von katholischer Seite gründete man 1891 den „Centrums-Verein des Reichs- und Landtags-Wahlkreises Bamberg“, der sich der Wahrung katholischer Interessen und Niederhaltung der Sozialdemokratie widmete. 621 Zwei Jahre später rief man den „Volksverein für das katholische Deutschland“ ins Leben und forcierte damit die christliche und antisozialistische Sozialpolitik. 622 Zur wichtigs-
ten Institution entwickelte sich in den 1890er Jahren der „Katholische Arbeiterverein“. 623 Seine Mitgliederzahlen stiegen von 207 (1891), über 321 (1895) auf 720 (1901) an, während die Sozialdemokratie 1905 lediglich 200 Personen in ihren Reihen zählte. 624 1903 entstand als politische Unterorganisation zusätzlich der „Arbeiter-Wahlverein der Centrumspartei Bamberg und Umgebung“. 625 Außerdem wurde 1899 der „St. Kunegundis-Verein“ speziell für katholische Arbeiterinnen gebildet. 626 In der Luitpoldstraße 17 weihte 1905 Erzbischof Friedrich Philipp von Abert ein eigenes repräsentatives Vereinshaus für den Katholischen Arbeiterverein, in Anwesenheit des zentrumsnahen Bürgermeisters Franz Michael Lutz, ein. 627 In diesem „Prestigeobjekt“ 628 fanden Versammlungen statt, ein Wirtschaftslokal und Kegelbahnen standen zur Verfügung und die Volksbibliothek war hier untergebracht. 629 Mit der Namensgebung „Luitpoldsäle“ unterstrich man die katholische Verbundenheit zum bayerischen Königshaus während der Prinzregentenzeit. 630 Der Katholische Arbeiterverein Bamberg untermauerte mit dem Neubau seine Vormachtstellung innerhalb des katholischen Sozialmilieus und zeigte öffentlich, dass er das „Katholische Kasino“ als wichtigste Organisation mittlerweile ab-
Vgl. Versammlungsbericht des Stadtmagistrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken zur Maifeier 1890 v. 3. 5.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Link, Katholizismus, S. 259 f. 616 Ritter/Tenfelde, Arbeiter, S. 682. 617 Vgl. Link, Katholizismus, S. 262; Ritter/Tenfelde, Arbeiter, S. 679–690. 618 Vgl. Link, Katholizismus, S. 261–264, 306; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 541–545. Bamberg wies hinsichtlich des Organisationsgrads im bayernweiten Vergleich 1913 ein unterdurchschnittliches Ergebnis von 16,5 % Parteimitgliedern im Verhältnis zu den Wählerstimmen auf. Schweinfurt lag bei 30,8 %, Bayreuth bei 24,5 % und Regensburg bei 17,2 %, während Erlangen-Fürth mit 33,2 %, Würzburg mit 34,0 %, und Nürnberg mit 48,2 % die Spitzenreiter bildeten. 619 Vgl. Link, Katholizismus, S. 262 f., 266–272. Die Tatsache, dass auch zwischen Militär und katholischer Kirche Spannungen herrschten, soll hierbei nicht negiert werden. Zu diesem Aspekt vgl. Mayershofer, Militär, S. 52–54. 620 Vgl. Link, Katholizismus, S. 263. 621 Vgl. Link, Katholizismus, S. 267. 622 Vgl. Link, Katholizismus, S. 268 f. 623 Vgl. Link, Katholizismus, S. 270–272; Möckl, Prinzregentenzeit, S. 470. Zur Ausdifferenzierung und Expansion des katholischen Arbeitervereinswesens vgl. Denk, Hans Dieter: Die christliche Arbeiterbewegung in Bayern bis zum Ersten Weltkrieg (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 29). Mainz 1980, S. 47–247; Blessing, Werner K.: Staat und Kirche in der Gesellschaft. Institutionelle Autorität und mentaler Wandel in Bayern während des 19. Jahrhunderts (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 51). Göttingen 1982, S. 240–245. 624 Vgl. Link, Katholizismus, S. 270, 307; Möckl, Prinzregentenzeit, S. 467. 625 Vgl. Link, Katholizismus, S. 271. 626 Vgl. Link, Katholizismus, S. 321. 627 Vgl. Unger, Haus, S. 261–267; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 605; Link, Katholizismus, S. 316; Krapf, Bamberg, S. 164; Krämling, Emil: Die Luitpoldsäle – ein Werk des Katholischen Arbeitervereins. In: Dokumentation des 100-jährigen Weges. Katholischer Arbeiterverein. Katholisches Werkvolk. Katholische Arbeitnehmerbewegung Bamberg. Bamberg 1986, S. 86–89; Scherzer, Dokumentation, S. 68–71. 628 Link, Katholizismus, S. 316. 629 Vgl. Unger, Haus, S. 261–267. 630 Vgl. Unger, Haus, S. 264. 615
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gelöst hatte. 631 Die Arbeiterschaft hatte sich ein Stück weit vom Klerus emanzipiert. 632 Ausdifferenziert, organisationsstark und gefestigt präsentierte sich das katholische Milieu zur Jahrhundertwende. 633 Von der relativ großen Bedeutung und weiten Ausdehnung des katholischen Milieus war die sozialdemokratische Arbeiterbewegung in Bamberg weit entfernt. 634 Sie befand sich im Abseits und kämpfte sowohl mit strukturellen als auch äußeren und inneren Hürden. Die Schwierigkeiten begannen oftmals bereits bei der Suche nach einem Versammlungsraum. Mithilfe des sogenannten Militärverbots 635 schränkte man die Zahl der Gastwirtschaften ein, die überhaupt bereit waren, eine Veranstaltung der Sozialdemokratie oder der Arbeitervereine aufzunehmen. 636 Viele Wirte konnten oder wollten die Einbußen durch den Verlust der Soldaten als Kundschaft nicht riskieren und so erwies sich diese Maßnahme gerade in der Garnisonsstadt Bamberg als äußert wirkungsvolle Methode gegen die Linken. 1897 kündigte beispielsweise der Gastwirt Bruno Morhard sofort nach Erlass des Militärverbots dem Arbeitergesangverein „Frisch-
auf“ das Vereinslokal „Balthasar“ in der Judenstraße, da er scheinbar aufgrund der regelmäßigen Treffen Probleme fürchtete und bemühte sich um eine Aufhebung der Restriktion. 637 Die Maifeier 1895 konnte nicht wie geplant in der „Tivoli“-Gaststätte an der Pödeldorferstraße abgehalten werden. Grund war, dass sie nach amtlicher Einschätzung zu nahe an den Kasernen des Königlich-Bayerischen 5. Infanterie-Regiments lag und die Hauptverkehrslinie der Truppen zur Innenstadt nicht gefährdet werden durfte. 638 Im Jahr 1900 fand der „Socialdemokratische Verein Bamberg“ 639 für die Maifeier keine Gartenwirtschaft und im darauffolgenden Jahr war man gezwungen die Maifeier in ein Waldfest umzuwandeln, da kein Lokal eine Zusage erteilte. 640 Es war während des Kaiserreiches zwar üblich, die Maifeier statt am 1. Mai erst am darauffolgenden Sonntag abzuhalten, 641 doch in Bamberg musste man aufgrund der Raumprobleme noch flexibler sein: 1897 konnte die Maifeier erst am Sonntag, 9. Mai, begangen werden und 1903 musste man als Ausweichtermin Samstag, den 2. Mai, akzeptieren. 642 War das Militärverbot erst einmal über eine Gastwirtschaft verhängt, so war
Vgl. Link, Katholizismus, S. 316 f. Vgl. Link, Katholizismus, S. 271. 633 Vgl. Link, Katholizismus, S. 293. Loth sieht hingegen in der Ausdifferenzierung des katholischen Milieus und der Subkultur bereits den Beginn des Erosionsprozesses und eine Schwächung des Ultramontanismus, während Blessing die „Verdichtung zum ‚katholischen Milieu‘“ erst in den Jahren nach dem Kulturkampf sieht und den Höhepunkt der katholischen Subkultur nach 1900 datiert. Vgl. Loth, Integration, S. 266–278; Blessing, Staat, S. 244. 634 Vgl. Link, Katholizismus, S. 263; Möckl, Prinzregentenzeit, S. 467. 635 Das Militärverbot wurde vom Regimentskommandeur über Gaststätten verhängt, in denen Sozialdemokraten verkehrten, und bedeutete ein Zutrittsverbot für Militärpersonen. Damit versuchte man das Ausbreiten sozialdemokratischer Ideen unter den Soldaten zu verhindern und hielt gleichzeitig die Anzahl der Versammlungslokale für Sozialdemokraten gering, da viele Wirte dieses Verbot fürchteten und ihr Lokal den Sozialdemokraten für Treffen verweigerten. Vgl. Link, Katholizismus, S. 263; Mayershofer, Militär, S. 55; Rumschöttel, Hermann: Das bayerische Offizierskorps 1866–1914 (= Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter, Bd. 9). Berlin 1973, S. 219 f. 636 Vgl. Link, Katholizismus, S. 263; Mayershofer, Militär, S. 55. 637 Vgl. Polizeibericht über die Versammlung des sozialdemokratischen Wahlvereins v. 25.1.1897, StadtABa, C 2, Nr. 11965; Adressbuch der Stadt Bamberg 1897, StadtABa. 638 Vgl. Schreiben der Kommandantur Bamberg an den Bürgermeister Ritter von Brandt v. 16. 5.1895, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Schreiben des Ersten Bürgermeisters an die Kommandantur Bamberg v. 20. 4.1895, StadtABa, C 2, Nr. 11976. Die Gaststätte „Tivoli“ gehörte zur „Bamberger Hofbräu AG“ und lag gegenüber der Brauerei. Vgl. Fiedler, Bamberg, S. 114. 639 Zum 1. Januar 1898 hatte sich der „Socialdemokratische Wahl-Verein für den Wahlkreis Bamberg“ in „Socialdemokratischer Verein Bamberg“ umbenannt. Vgl. Link, Katholizismus, S. 262. 640 Vgl. Versammlungsbericht der Polizei Bamberg an den Stadtmagistrat Bamberg v. 2. 5.1900, StadtABa, C 2, Nr. 11976. Zur Bedeutung der Frühlingsmetaphorik bei den Maifeiern, die in Form von Gartenfesten, Waldspaziergängen und Ausflugsfahrten Eingang fand und im Kaiserreich ritualisiert wurde, vgl. Korff, Gottfried: Seht die Zeichen, die euch gelten. Fünf Bemerkungen zur Symbolgeschichte des 1. Mai. In: 100 Jahre Zukunft. Zur Geschichte des 1. Mai. Hg. v. I. Marßolek. Frankfurt am Main 1990, S. 21 f.; Warneken, Deutschen, S. 176. 641 Durch die Verlegung der Maifeier auf den ersten Sonntag im Mai kam es zu keiner Arbeitsruhe, d. h. zu keinem Streik, und die Verschiebung stellte somit eine Form der Entschärfung des „Kampftages“ und eine Strategie zur Konfliktvermeidung dar. Vgl. Korff; Zeichen, S. 21; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 116–118; Fricke, Dieter: Kleine Geschichte des Ersten Mai. Die Maifeier in der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Frankfurt am Main 1980, S. 50 f.; Klecha, Hochamt, S. 156 f. 642 Vgl. Schreiben des Stadtmagistrats Bamberg an die Kommandantur Bamberg v. 28. 4.1897, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Bericht des Stadtmagistrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 4. 5.1903, StadtABa, C 2, Nr. 11976. 631
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der betroffene Wirt „gebrandmarkt“ und konnte die Auflage nur schwer wieder loswerden. So richtete der Pächter und Sozialdemokrat Valentin Giehl 1908 eine Eingabe an die Stadt Bamberg, die Restriktion für sein Lokal „Blaue Glocke“ (Untere Sandstraße 14) aufzuheben, da sich die Sozialdemokratische Partei nicht mehr in seinen Räumen treffen würde: „Valentin Giehl, Restaurateur der blauen Glocke dahier, zeigt an, daß seine Lokalitäten wegen Ankauf des Schießhauses fortan von den sozialdemokratischen Vereinigungen nicht mehr besucht werden und bittet deshalb das Verbot der Benützung seitens Militärpersonen aufheben zu lassen.“ 643
Diese Bitte wurde abgelehnt und stattdessen ordnete die Garnison Bamberg zusätzlich für das neue Parteilokal „Schießhaus“ 644 am Schönleinsplatz das Militärverbot an. 645 Die lokalen Repressionen gegen die SPD wurden also während der Wilhelminischen Zeit fortgeführt und endeten im Gegensatz zum Sozialistengesetz nicht 1890. Darüber hinaus unterlag die Bamberger Sozialdemokratie aber auch den allgemeinen Benachteiligungen und Einschränkungen. 646 Das bayerische Landtagswahlrecht schloss bis 1906 faktisch ein Drittel aller männlichen Wäh-
ler aus und begünstigte durch die Wahlkreiseinteilung vor allem die Liberalen. 647 Die Reform von 1906 bedeutete für die SPD einen Fortschritt durch die Abschaffung der indirekten Wahl, doch bevorzugten die neuen Bestimmungen der Wahlkreise nun die katholische Wählerschaft des Zentrums. 648 Auf gemeindlicher Ebene war das Wahlrecht noch ungünstiger und hemmender für die Sozialdemokratie, da das Bürgerrecht käuflich erworben werden musste. 649 Die Höhe der Gebühr konnte von den Gemeinden selbst festgelegt werden und führte dazu, dass sich nur eine Minderheit der männlichen Einwohner an den Kommunalwahlen beteiligen konnte. 650 Weniger zahlungskräftige Bevölkerungsschichten waren daher benachteiligt. Im bayerischen Vergleich lag Bamberg 1905 mit 2.537 Wahlberechtigten mit Bürgerrecht, also 5,91 % der Einwohnerschaft, im städtischen Mittelfeld. 651 Bis zur Neufassung des Kommunalwahlgesetzes 1908 blieb die SPD in Bamberg folglich chancenlos und konnte keinerlei Einfluss auf die städtische Politik nehmen. 652 Auch der „Verein zur Erwerbung der bayerischen Staatsangehörigkeit, des Heimats- und Bürgerrechts in Bamberg“ unter sozialdemokratischer Führung konnte an dieser Situation wenig ändern. 653 So war das Gremium der Gemeindebevollmächtigten 654 vor allem die Domäne des Zentrums, das dort – zeitweise zusammen mit den National-
Schreiben von Valentin Giehl an die Stadt Bamberg v. 3. 2.1908, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Link, Katholizismus, S. 429. Das „Schießhaus“ war 1892 abgerissen worden und offiziell durch das sogenannte „Schützenhaus“, einen Neubau von 1893, ersetzt worden. Im Sprachgebrauch vermischten sich jedoch die beiden Bezeichnungen. Das Schützenhaus wurde trotz Protesten der Bevölkerung 1955 beseitigt und durch den Neubau der Stadtsparkasse ersetzt. Vgl. Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 673, 712, 746, 894. 645 Vgl. Schreiben des Garnisonältesten Bamberg an den Stadtmagistrat Bamberg v. 17. 2.1908, StadtABa, C 2, Nr. 11976; Link, Katholizismus, S. 307: „Sehr verehrlichem Stadtmagistrat teile ich auf die gefällige Zuschrift vom 12. ds. Mts. Nr. 3654 ergebenst mit, dass der Bitte des Restaurateurs Giehl um Aufhebung des Verbots des Besuches der Wirtschaft zur blauen Glocke durch Militärpersonen vorerst nicht entsprochen werden kann. Ferner habe ich unterm heutigen allen Militärpersonen des Standorts den Besuch der Restauration Münchener Bergbräu (vormals Schützenhaus) verboten, was dem Pächter dieser Wirtschaft eröffnet werden wolle.“ 646 Vgl. Niehuss, Merith: Die Stellung der Sozialdemokratie im Parteiensystem Bayerns, Württembergs und Badens. In: Der Aufstieg der deutschen Arbeiterbewegung (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, Bd. 18). Hg. v. G. A. Ritter. München 1990, S. 103–126. 647 Vgl. Niehuss, Stellung, S. 108 f.; Hartmann, Weg, S. 448. 648 Vgl. Lilla, Joachim: Landtagswahlkreise (1906–1933). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landtagswahlkreise (1906–1933)i (22. 6. 2016); Niehuss, Stellung, S. 109 f. 649 Vgl. Niehuss, Stellung, S. 120–122. 650 Vgl. Niehuss, Stellung, S. 121 f. In Nürnberg waren 1881 beispielsweise 21.000 Männer zur Reichstagswahl zugelassen, 17.000 zur Landtagswahl und 5.000 zur Gemeindewahl. 651 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 152. 652 Vgl. Link, Katholizismus, S. 307, 326. 653 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 45 f.; Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa; Link, Katholizismus, S. 326. Der Verein existierte in Bamberg spätestens seit 1902 und verfolgte den Zweck, Arbeitern das Bürgerrecht zu finanzieren. 1913 war der Sozialdemokrat Karl Pelikan erster Vorsitzender. 654 Die bayerische Gemeindeordnung von 1869 legte für die Städte ein Zweikammersystem fest, das einerseits aus Bürgermeister und Magistrat als Verwaltungsbehörde und andererseits aus dem Kollegium der Gemeindebevollmächtigten als Gemeindevertretung bestand. Die Gemeindebevollmächtigten wurden direkt von den Bürgern gewählt. Vgl. Mages, Gemeindeverfassung. 643
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liberalen – die Mehrheit stellte. 655 Erst nach der Einführung des Verhältniswahlrechts 1908 errang die örtliche Sozialdemokratie einen Sitz: Der Schreiner und Gewerkschaftssekretär Karl Pelikan wurde sozialdemokratischer Gemeindebevollmächtigter. 656 Drei Jahre später konnte der sozialdemokratische Verein seine Position weiter ausbauen, da mit Johann Steitz, Valentin Giehl und Karl Zimmer drei Sozialdemokraten in die Gemeindevertretung gewählt wurden und so die erste SPD-Fraktion bildeten. 657 Zugleich stieg Karl Pelikan zum Magistratsrat auf. 658 Die Landtagswahlen blieben zwischen 1899 und 1912 fest in der Hand des Zentrums, das den beliebten Bamberger Domkapitular Dr. Franz Xaver Schädler 659 als Abgeordneten entsandte. 660 1912 gelang es der SPD jedoch diese Vormacht zu brechen, indem sie nach badischem Vorbild einen Block mit den Liberalen schloss. 661 Dieses Wahlbündnis des „Fortschrittlichen Volksvereins“ und des „Nationalliberalen Vereins“ zusammen mit dem „Socialdemokratischen Verein“ hatte Erfolg und der Liberale Karl August Heß wurde mit 55,1 % der Stimmen Mitglied des Landtags für den Wahlbezirk Stadt Bamberg. 662 Die überparteiliche Zusammenarbeit bewies einerseits, dass die bereits beschriebenen, demokratisch-linken Verbindungen in Bamberg noch immer intakt waren, denn Heß hatte
1883 zu den führenden Mitgliedern des demokratischen Volksvereins gezählt. 663 Außerdem wurde ersichtlich, dass die Bamberger SPD den Reformkurs der süddeutschen Landesparteien unterstützte und aktiv den „bayerischen Sonderkurs“ des Vorsitzenden Georg von Vollmar mittrug. 664 Der Wahlsieg bekräftigte den Glauben, dass die Politik der kleinen Schritte und der Kompromissfähigkeit den richtigen Weg darstellte und entsprach der gemäßigten und wenig radikalen Haltung des Bamberger Vereins. 665 Diese Haltung war typisch für frühe Zentren der Arbeiterbewegung, die oftmals eine reformistische und antirevolutionäre Linie vertraten. 666 Durch das fortschrittlich demokratische Reichstagswahlrecht offenbarte sich das Potenzial der SPD als Wählerpartei in Bamberg (Tabelle 3). Demnach bewegte sich der Stimmenanteil für die Arbeiterpartei in Bamberg zwischen 27 % (1907) und 36 % (1903). 667 Im Gegensatz zum reichsweiten und bayerischen Trend stieg die Sozialdemokratie in Bamberg nicht kontinuierlich auf, sondern unterlag größeren Schwankungen, die sich nur teilweise mit der generellen Entwicklung deckten. Ein entscheidender Einflussfaktor in der Regnitzstadt waren der Organisationsgrad und die Empfehlungen der Liberalen und Demokraten: Diese unterstützten bei Wahlen ohne eigenen Kandidaten die Sozialdemokratie – wie beispielsweise
Vgl. Krapf, Bamberg, S. 154 f. Vgl. Niehuss, Stellung, S. 124; Link, Katholizismus, S. 332, 440; Krause, 115 Jahre, S. 46; Krapf, Bamberg, S. 155. 657 Vgl. Link, Katholizismus, S. 333. 658 Vgl. Link, Katholizismus, S. 333. 659 Zur Person Franz Xaver Schädler vgl. Fendler, Rudolf: Franz Xaver Schädler 1852–1913. Der Bamberger „Schwarze Löwe aus Kurpfalz“ (= Schriften des Diözesan-Archivs Speyer, Bd. 18). Speyer 1994. 660 Vgl. Link, Katholizismus, S. 287; Fendler, Schädler, S. 60, 76–79. 661 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 46; Link, Katholizismus, S. 336–339; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 124 f.; Niehuss, Stellung, S. 120. In Baden hatten sich erstmals 1905 die beiden liberalen Parteien mit der Sozialdemokratie zu einem Wahlbündnis gegen die Übermacht des Zentrums zusammengeschlossen und damit den sogenannten „Großblock“ begründet. Diese Zusammenarbeit erwies sich in der Folgezeit als fruchtbar, führte aber zu schweren Konflikten mit dem Parteikern und der Parteilinken vor allem in der Frage der Budgetbewilligung. Wortführer der badischen SPD-Landesfraktion und Vertreter der Reformstrategie waren dabei Ludwig Frank und Wilhelm Kolb. 662 Vgl. Link, Katholizismus, S. 416. Fendler hingegen begründet den Misserfolg Dr. Schädlers vom Zentrum mit dessen Zuckererkrankung und physischer Schwäche. Fälschlicherweise beschreibt er, dass der „sozialdemokratische Gegenkandidat Messerschmied“ in den Münchner Landtag einzog. Karl August Heß war jedoch Liberaler und nur von Beruf Messerschmied – sein Nachname lautete nicht Messerschmied. Vgl. Fendler, Schädler, S. 76–79. 663 Vgl. Link, Katholizismus, S. 237, 336, 432. 664 Vgl. Resch, Sozialistengesetz, S. 287 f.; Tenfelde, Wirtschaft, S. 17; Pohl, Karl Heinrich: Der Sondercharakter der bayerischen Sozialdemokratie vor dem Ersten Weltkrieg. In: Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 1892–1992 (= Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5). Hg. v. H. Mehringer. München u. a. 1992, S. 20–33; Beck, Vollmar, S. 47–52; Möckl, Prinzregentenzeit, S. 444 f.; Rumschöttel, Bayern, S. 52–54. 665 Vgl. Pohl, Sondercharakter, S. 24–26. 666 Vgl. Tenfelde, Wirtschaft, S. 17. 667 Vgl. Link, Katholizismus, S. 413 f. 655
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Vorgeschichte und Entstehung der Arbeiterbewegung in Bamberg bis 1918
Tabelle 3: Reichstagswahlergebnisse der SDAP bzw. SPD von 1890 bis 1913. 668 Jahr
Wahlergebnis in der Wahlergebnis im Stadt Bamberg in % Deutschen Reich in %
Wahlergebnis in Bayern in %
Kandidat der SDAP bzw. SPD in Bamberg
1890
34,0
19,7
13,9
Heinrich Oehme
1893
34,1
23,3
16,3
Carl Oertel
1898
28,9
27,2
18,1
Konrad Dorn
1903
36,0
31,7
21,7
Konrad Dorn
1907
27,4
29,0
20,9
Fritz Endres
1912
30,5
34,8
27,3
Fritz Endres
1913 (Ersatzwahl)
28,5
–
–
Johann Vogel
1903. 669 Durch diese Rückendeckung erzielte die SPD 1903 ihr bestes Resultat während des Kaiserreichs und übertraf dabei mit 36,0 % deutlich den Reichsdurchschnitt (31,7 %). 670 Nachdem sich die Liberalen 1906 durch die Gründung des „Jungliberalen Vereins“ und des demokratischen „Freien Volksvereins“ institutionell neu aufgestellt hatten, einigten sie sich mit dem „Nationalliberalen Verein“ auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Reichstagswahl 1907. 671 Der Demokrat Hans Trautner schaffte es in der Stadt Bamberg, den Sozialdemokraten den zweiten Platz hinter dem Zentrum abzunehmen und ihr merkliche Stimmenverluste zuzufügen. 672 Auch im Reich nahm der Anteil der SPD bei den sogenannten „Hottentottenwahlen“ 673 1907 ab (minus 2,7 Prozentpunkte), doch der Einbruch der Bamberger Arbeiterpartei fiel mit einem Verlust von 8,6 Prozentpunkten besonders deutlich aus. 674 Die Sozialdemokratie in Bamberg war also vor allem im Bunde mit den Liberalen und Demokraten stark. 675 Alleine hatte sie während des Kaiserreiches
keine wirkliche Massenbasis und war zu wenig gefestigt. Im Unterschied zur reichsweiten Entwicklung stiegen ihre Wählerstimmen, aufgrund der verzögerten Industrialisierung und der katholischen Konfession, nur langsam an und es gelang ihr nicht, ihre Anhänger durchgängig zu mobilisieren und dauerhaft zu binden. 676 Eine Konstanz der sozialdemokratischen Wahlergebnisse war in Bamberg zwischen 1890 und 1912 nicht gegeben. 677 Der Aufstieg zur Massenpartei gelang der SPD-Bamberg nur „partiell“. 678 Wenige Stimmbezirke in der Wunderburg und im Nordosten der Stadt kristallisierten sich als sozialdemokratische Wählerhochburgen heraus. 679 Die sozialdemokratische Zeitung Fränkischer Volksfreund schrieb zwar zur Landtagswahl 1912: „Das Zentrum aber wird jetzt Bamberg aus der Liste der ‚bombensicheren‘ Wahlkreise ausstreichen müssen, die rote Flut umspült gefahrbringend den Zentrumsturm.“ 680 Doch die „roten Wellen“ waren verhältnismäßig klein und konnten der Bastion des Zentrums in Bamberg nur wenig anhaben.
Vgl. Link, Katholizismus, S. 413 f.; Ritter, Gerhard A.: Wahlgeschichtliches Arbeitsbuch. Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1871–1918 (= Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte). München 1980, S. 40–42, 88. 669 Vgl. Link, Katholizismus, S. 290–292. 670 Vgl. Link, Katholizismus, S. 292, 412–414. 671 Vgl. Link, Katholizismus, S. 309 f. 672 Vgl. Link, Katholizismus, S. 329, 448. 673 Die Reichstagswahlen 1907 wurden nach einer Aussage von August Bebel als „Hottentottenwahlen“ bezeichnet, da sie von der Diskussion um den Krieg in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika bestimmt wurden. Neben den Herero war dabei der Stamm der Nama an einem Aufstand beteiligt; die Nama wurden abwertend „Hottentotten“ genannt. Vgl. Halder, Innenpolitik, S. 118. 674 Vgl. Link, Katholizismus, S. 329; Tabelle 3 zu den Reichstagswahlergebnissen der SDAP bzw. SPD 1890–1913. 675 Vgl. Link, Katholizismus, S. 328 f. 676 Vgl. Wehler, Doppelrevolution, S. 801 f.; Link, Katholizismus, S. 341; Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 539. 677 Vgl. Steinbach, Peter: Die Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie im Kaiserreich im Spiegel der historischen Wahlforschung. In: Der Aufstieg der deutschen Arbeiterbewegung (= Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien, Bd. 18). Hg. v. G. A. Ritter. München 1990, S. 6. 678 Link, Katholizismus, S. 261; vgl. Hirschfelder, Sozialdemokratie, S. 485. 679 Vgl. Link, Katholizismus, S. 329, 331; Steinbach, Entwicklung, S. 8–10. 680 Fränkischer Volksfreund. Sozialdemokratisches Organ für Unterfranken und den Reichstagswahlkreis Bamberg/Die Zeitung der Schaffenden in Unterfranken (künftig: FV) v. 16.1.1912, Nr. 12. 668
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Ein weiterer Wahlzusammenschluss für den Reichstag zwischen Liberalen und Sozialdemokraten kam in der Folgezeit in Bamberg weder 1912 noch bei den Ersatzwahlen 1913 zustande. 681 Diese Zersplitterung und die katholische Wählerbasis in den ländlichen Regionen des Wahlkreises Bamberg sicherten seit 1890 dem Zentrum ausnahmslos das Mandat. 682 Als Sozialpolitiker und Vertreter des linken Flügels band Dr. Schädler um die Jahrhundertwende auch die katholische Arbeiterschaft ein, führte den politischen Katholizismus an und wurde seit 1898 wiederholt sowohl Landtags- als auch Reichstagsabgeordneter. 683 An einer solchen Führungspersönlichkeit fehlte es hingegen der lokalen SPD weiterhin. 684 Als Gegenredner zu Dr. Schädler trat daher am 24. September 1902 zum zweiten Mal August Bebel in der Regnitzstadt auf und griff in seiner Rede unter dem Titel „Sozialdemokratie und Zentrum“ den Zentrumsführer Schädler und dessen Politik unumwunden und vehement an. 685 Auslöser war dessen Ansprache auf dem Katholikentag in Mannheim gegen die Sozialdemokratie, sodass Bebel seinen Auftritt folgendermaßen begründete: „[…] ich glaubte deshalb, ihm sozusagen in seiner eigenen Residenz (Heiterkeit) die Antwort auf seine Rede geben zu sollen.“ 686 Vor insgesamt 2.200 Zuhörern wetterte Bebel im großen Zentralsaal (Promenadenstraße 1) in seiner mit christlichen Metaphern und Vergleichen gespickten Ansprache gegen „die Kirche als Dienerin des Klassenstaates“ 687, gegen die Steuer-, Zoll- und Militärpolitik des Zentrums und gegen die christlichen Gewerkschaften. 688 Die Sozialdemokratie des Kai-
serreichs stellte er dabei auf eine Stufe mit dem frühen Christentum im Römischen Reich – unterdrückt, verfolgt und doch siegreich: „Wie einst das Christentum bei seinem Entstehen in [sic] seinen Anhängern verleumdet und von der Staatsgewalt und den herrschenden Klassen der damaligen Zeit auf das Furchtbarste bekämpft wurde, so sind auch die Staatsgewalt und die herrschenden Klassen unserer Tage der Sozialdemokratie mit allen Mitteln entgegengetreten. Aber auch hier vergeblich. Wie alle Verfolgungen des römischen Staats das Christentum nur stärkten, bis es schließlich die siegende Macht wurde, so ergeht es auch der Sozialdemokratie unserer Tage. Aus den Verfolgten werden einst die Sieger. (Lebhafter Beifall).“ 689
Für die Bamberger Parteimitglieder wurde dieser prominente Besuch des „Arbeiterkaisers“ zu einem wichtigen Bezugspunkt der gemeinsamen Erinnerungskultur. 690 Der Zeitzeuge Johann Förtsch beschrieb ihn als „das größte Ereignis, das ich in meinem Leben mitbekam“. 691 Ein solcher Auftritt war eine der wenigen Ausnahmen bei der hochrangige SPD-Politiker in Bamberg sprachen. 692 Normalerweise griff man, wie ein Polizeibericht 1895 festhielt, „Mangels eigener gewandter Redner“ 693 auf Nürnberger Funktionäre zurück. 694 So referierten in Bamberg beispielsweise Carl Oertel, Dr. Sigmund von Haller und Dr. Albert Südekum. 695 In ähnlicher Weise setzte man auch bei den Reichstagswahlen weiterhin auf die Bekanntheit und Popularität der Nürnberger und Fürther
Vgl. Link, Katholizismus, S. 334–342. Die Ersatzwahlen 1913 waren im Reichstagswahlkreis Bamberg notwendig geworden, da der Zentrumspolitiker und Reichstagsabgeordnete Dr. Franz Xaver Schädler am 16. Februar 1913 verstorben war. 682 Vgl. Link, Katholizismus, S. 413–414. 683 Vgl. Link, Katholizismus, S. 268, 413–416; Fendler, Schädler, S. 36–43. 684 Vgl. Link, Katholizismus, S. 264. 685 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 57; Link, Katholizismus, S. 264; Bebel, August: Sozialdemokratie und Zentrum. Eine Rede Bebels in Bamberg. Mit einem Anhang zur Wahlagitation: die Sünden des Zentrums. Berlin 1903. 686 Bebel, Sozialdemokratie und Zentrum, S. 3; vgl. Link, Katholizismus, S. 264; Fendler, Schädler, S. 40–42. 687 Bebel, Sozialdemokratie und Zentrum, S. 9. 688 Vgl. Bebel, Sozialdemokratie und Zentrum, S. 8–11; Fendler, Schädler, S. 41 f. 689 Bebel, Sozialdemokratie und Zentrum, S. 3. 690 Vgl. FS v. 1. 9.1925, Nr. 198; Erinnerung von Johann Förtsch. Abgedruckt in: Krause, 115 Jahre, S. 40; Schmidt, Bebel, S. 219–232. 691 Erinnerung von Johann Förtsch. Abgedruckt in: Krause, 115 Jahre, S. 40. 692 Zu nennen wären an dieser Stelle noch die Auftritte von Wilhelm Liebknecht 1891 und 1895 und Clara Zetkin 1913. Vgl. Link, Katholizismus, S. 264, 341. 693 Versammlungsbericht des Stadtmagistrats Bamberg an die Regierung Oberfranken v. 6. 5.1895, StadtABa, C 2, Nr. 11976. 694 Vgl. Link, Katholizismus, S. 264. 695 Vgl. Link, Katholizismus, S. 328, 334, 282. 681
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Vorgeschichte und Entstehung der Arbeiterbewegung in Bamberg bis 1918
Funktionäre. 696 Kein einziges Mal kürte man einen Bamberger Sozialdemokraten zum Kandidaten. Wohl aus Mangel an geeigneten Personen wechselte zudem die Vorstandschaft der SPD nach 1890 auffällig häufig: Sieben verschiedene Personen übten dieses Amt bis 1904 aus. 697 Die Mehrheit entstammte erneut dem Handwerkerstand. 698 Eine akademische Führungsschicht wie in Nürnberg bildete sich nicht aus und die Fabrikarbeiterschaft blieb weiterhin unterrepräsentiert. Die Bamberger Partei ähnelte insofern eher der Münchner SPD, die sich vor allem aus gelernten, qualifizierten Arbeitern sowie der unteren Mittelschicht zusammensetzte. 699 Die Instabilität der Bamberger Partei offenbarte sich, abgesehen von den Führungsproblemen, auch darin, dass Mitgliederversammlungen normalerweise nur etwa 25 Teilnehmer zählten, selten einmal 50 Sozialdemokraten zusammenkamen und wiederholt Zusammenkünfte mit nur etwa zwölf Teilnehmern abgesagt wurden. 700 Auf einer sozialdemokratischen Versammlung am 25. August 1901 wurde daher „der schlechte Besuch der Versammlungen [gerügt], in denen von 200 Mitgliedern des Vereins stets nur 20–40 anwesend seien, u. bedauert, daß die Arbeiter lieber spazieren laufen, als für ihre Interessen zu wirken.“ 701
Angesichts dieser Organisationsprobleme erstaunt es nicht, dass das Projekt einer eigenen sozialdemo-
kratischen Zeitung, der Bamberger Volks-Zeitung, schließlich scheiterte. 702 Seit 1893 erschien die SPD-Zeitung mit dem Untertitel „Organ für Jedermann aus dem Volke“ unter Leitung des Parteivorstands Joseph Straub, einem Schneider. 703 Antisozialistische Kräfte bekämpften diese neue Errungenschaft in Bamberg sogleich: Drei Monate nach der Erstausgabe der Zeitung wurde Straub zum ersten Mal wegen Beleidigung verurteilt und noch 1903 musste er eine Haftstrafe antreten. 704 Sein Verteidiger beim ersten Prozess, der Demokrat Ferdinand Heigl, war angesichts der Beschuldigung, der Mittel und des Einflusses der Gegner machtlos. 705 Ein weiterer Prozess gegen die Bamberger VolksZeitung 1893 wurde vom Schutzmann Johann Spornheimer wegen Berufsbeleidigung geführt. 706 Als das SPD-Organ 1897 wegen Finanzproblemen aufgrund der geringen Leser- und Abonnentenzahlen eingestellt werden musste, erschien in den Folgejahren die Fränkische Volkstribüne als Nebenausgabe der Nürnberger Zeitung Fränkische Tagespost mit einer Lokalseite aus Bamberg. 707 Straub zeichnete auch hierfür verantwortlich. 708 Die strukturellen Probleme waren jedoch nicht gelöst, so lamentierte der Nürnberger Redakteur und Pressekommissar Philipp Wiemer 1900 auf dem nordbayerischen Gautag über den schlechten Zustand der ober- und unterfränkischen Parteizeitungen. 709 Die Bamberger SPD war in dieser Phase noch nicht reif für eine eigene Parteizeitung. Dafür fehlte mit 200 Genossen nicht nur die nötige Mitgliederbasis,
Vgl. Link, Katholizismus, S. 264. Vgl. Link, Katholizismus, S. 261. Link interpretiert diese Wechsel als „ausgeprägte Ämterrotation“ im Rahmen der innerparteilichen demokratischen Organisation. Darüber hinaus fehlte es aber vor allem an einer einflussreichen Führungsperson in Bamberg. Die Vorstände in Bamberg waren: Hutmachergeselle Carl Kämpfe 1889–1891, Zimmergeselle Johann Löblein 1891–1892, Anwaltsbuchhalter Moritz Bader 1892, Schneider Joseph Straub 1892–1897, Schuhmacher Michael Lang 1897–1898, Tüncher Ferdinand Laufer 1898 und Schreiner Johann Förtsch 1898–1904. 698 Vgl. Link, Katholizismus, S. 261, 307. 699 Vgl. Pohl, Sondercharakter, S. 22 f. 700 Vgl. Link, Katholizismus, S. 261. 701 Bericht der Polizei Bamberg an den Stadtmagistrat Bamberg v. 26. 8.1901, StadtABa, C 2, Nr. 11966. 702 Vgl. Die Bamberger Volkszeitung – sozialdemokratisches Parteiorgan, StadtABa, C 2, Nr. 18193; Krause, 115 Jahre, S. 32–34; Link, Katholizismus, S. 265 f. 703 Vgl. Die Bamberger Volkszeitung – sozialdemokratisches Parteiorgan, StadtABa, C 2, Nr. 18193; Krause, 115 Jahre, S. 32; Link, Katholizismus, S. 265 f., 447. 704 Vgl. Link, Katholizismus, S. 265. 705 Vgl. BV v. 21. 3.1893, Nr. 65; Link, Katholizismus, S. 265. 706 Vgl. Bamberger Volks-Zeitung v. 9.1.1893, Nr. 6; Bamberger Volks-Zeitung v. 1.12.1893, Nr. 274. 707 Vgl. Die Bamberger Volkszeitung – sozialdemokratisches Parteiorgan, StadtABa, C 2, Nr. 18193; Link, Katholizismus, S. 265. Zur Fränkischen Tagespost vgl. Beer, Helmut: Fränkische Tagespost. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/ Fränkische Tagesposti (29. 6. 2016). 708 Vgl. Link, Katholizismus, S. 265. 709 Vgl. Bericht der Polizei Bamberg an den Stadtmagistrat Bamberg v. 11. 2.1900, StadtABa, C 2, Nr. 11966; Rossmeissl, Arbeiterschaft, S. 378. 696 697
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sondern es mangelte auch an den Milieustrukturen. 710 Nach Ende des Sozialistengesetzes befanden sich diese durch die Gründung von Vorfeldorganisationen erst im langsamen Aufbau. 711 Den Anfang machte der Arbeitergesangverein „Frischauf“ 1891, es folgte der Arbeiter-RadfahrerClub „Vorwärts“ 1898, die Freie Turnerschaft 1900, der Konsumverein 1902, der Arbeitergesangverein „Arion“ ebenfalls 1902, der Arbeiter-RadfahrerBund „Solidarität“ 1904 und der Arbeiter-Athletenclub „Lassallia“ circa 1911. 712 Außerdem wurde im März 1911 ein Jugendausschuss in Bamberg wiederbelebt, der zuvor schon formal existiert hatte, aber nicht aktiv geworden war. 713 Mithilfe dieser Organisation sollte der Vereinnahmung der Jugendlichen durch den katholischen St. Heinrichsverein entgegengewirkt werden. 714 Die Zeitschrift Arbeiter-Jugend meldete diesen Erfolg: „In Bamberg, jener scheinbar unbezwinglichen Zentrumsdomäne, herrscht reges Leben. […] Der Jugendausschuß hat erneut seine Tätigkeit aufgenommen, die bereits von schönen Erfolgen gekrönt war. Schon sind in wenigen Tagen 45 Abonnenten für die ‚Arbeiter-Jugend‘ gewonnen worden; diese Zahl dürfte aber bis zur Veröffentlichung dieser Zeilen beträchtlich gestiegen sein. Zwar ist dieses Häuflein gegenüber der großen Masse von Indifferenten und gegnerischen Organisationen noch verschwindend klein; aber es wird und muß durch rege Agitation gelingen, dem Gegner, der in anderen Kreisen längst an chronischem Mitglieder-
schwund leidet, auch hier den Nachwuchs zu entziehen.“ 715
Der Autor thematisierte mit diesen Zeilen einerseits den Rückstand der linken Arbeiterjugend und gab andererseits der Hoffnung auf einen baldigen Wandel Ausdruck. Die Arbeiterbewegung sah er in Bamberg im Aufwind. So schaffte es die Jugendgruppe in den folgenden Jahren wöchentliche Treffen in der Gastwirtschaft „Nöth“ (Schillerplatz 11) zu etablieren, bei denen Lieder gesungen und Vorträge gehört wurden. 716 Im Unterschied zu anderen Städten entstanden und entwickelten sich die Arbeitervereine aufgrund der zeitlichen Verzögerung nicht gesondert von der Partei, sondern in enger Verbindung zum sozialdemokratischen Verein. 717 Während sich beispielsweise die Arbeiterkulturbewegung in Leipzig während des Sozialistengesetzes unabhängig von der SPD und in Konfrontation zu dieser entwickelte, 718 herrschte in Bamberg Einklang zwischen den unterschiedlichen Säulen der Arbeiterbewegung. Personell waren die beiden Bereiche eng miteinander verflochten: Führende Parteimitglieder engagierten sich als Funktionäre in den Arbeitervereinen. Karl Pelikan war erster Vorsitzender und Johann Baptist Hering Schriftführer des Arbeitergesangvereins „Frischauf“, Johann Steitz betätigte sich als Vorstand der Freien Turnerschaft und Joseph Straub führte 1898 den Arbeiter-Radfahrer-Club „Vorwärts“. 719 Eine Diskrepanz der Arbeiterkulturbewegung zur Partei zeigte sich nicht.
Vgl. Bericht der Polizei Bamberg an den Stadtmagistrat Bamberg v. 26. 8.1901, StadtABa, C 2, Nr. 11966; Link, Katholizismus, S. 263. Vgl. Link, Katholizismus, S. 262 f., 292 f., 306 f. 712 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 43 f.; Statuten des Arbeitergesangvereins „Frischauf“ v. 19.1.1891, StadtABa, C 2, Nr. 20862; FS v. 29.11.1930, Nr. 275; Statuten des Arbeiter-Radfahrer-Clubs „Vorwärts“ v. 1. 2.1898, StadtABa, C 2, Nr. 30392; FS v. 1. 2.1929, Nr. 27; Adressbuch der Stadt Bamberg 1911, StadtABa; Link, Katholizismus, S. 306 f. 713 Vgl. Arbeiter-Jugend. Organ für die geistigen und wirtschaftlichen Interessen der jungen Arbeiter und Arbeiterinnen/Monatsschrift des Verbandes der Arbeiterjugend-Vereine Deutschlands/Monatsschrift des Verbandes der Sozialistischen Arbeiterjugend Deutschlands/Monatsschrift der Sozialistischen Arbeiterjugend (künftig: AJ) v. 25. 3.1911, Nr. 6; Link, Katholizismus, S. 306 f. 714 Vgl. AJ v. 25. 3.1911, Nr. 6. Der St. Heinrichsverein war 1883 von Josef Metzner gegründet worden und widmete sich vorrangig der Förderung des religiösen Lebens unter den Jugendlichen. Aufgrund der wachsenden Mitgliederzahlen wurde 1910 im Stadtteil Wunderburg ein eigener Zweigverein gegründet. Zum St. Heinrichsverein vgl. Reindl, Alwin: Der St. Heinrichsverein für katholische Lehrlinge in Bamberg von 1883 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. In: BHVB 136 (2000), S. 245–302; Reindl, Alwin: Vom Jugendpflegeverein zur Jugendbewegung. Die katholische Jugend Bambergs in der Zeit der Weimarer Republik (= Studien zur Bamberger Bistumsgeschichte, Bd. 6). Bamberg 2010, S. 13–17. 715 AJ v. 25. 3.1911, Nr. 6. 716 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834. 717 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 313–315. 718 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 313–315. 719 Vgl. Schreiben des Arbeitergesangvereins „Frischauf“ an den Stadtmagistrat v. 26.1.1893, StadtABa, C 2, Nr. 20862; Schreiben des Arbeitergesangvereins „Frischauf“ an den Stadtmagistrat v. Januar 1897, StadtABa, C 2, Nr. 20862; FS v. 29.11.1930, Nr. 275; Bitte um Genehmigung der Statuten des Arbeiter-Radfahrer-Clubs „Vorwärts“ durch Joseph Straub v. 25.1.1898, StadtABa, C 2, Nr. 30392. 710 711
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Vorgeschichte und Entstehung der Arbeiterbewegung in Bamberg bis 1918
Ähnlich stellte sich die Situation bezogen auf die Gewerkschaften dar. Enge Kontakte, Doppelmitgliedschaften und Überschneidungen der führenden Mitglieder sicherten die gute Zusammenarbeit mit der Partei. 720 Kooperation prägte das Vorgehen in Bamberg ähnlich wie in München, während etwa in Leipzig und anderen Städten Separation und Abgrenzung überwogen. 721 Zeitlich erfolgte die Gründungswelle der lokalen Gewerkschaften vor den Freizeitvereinen seit März 1889 in Zusammenhang mit der ersten Streikwelle in Bamberg und der deutschlandweiten gewerkschaftlichen Reorganisation. 722 Die Initiative ergriff der Tüncher und führende Sozialdemokrat Johann Baptist Hering mit der Gründung des „Fachvereins für Tünchergehilfen“. 723 Außerdem berief er eine öffentliche Gewerkschaftsversammlung am 15. Dezember 1889 ein, in der der Nürnberger Referent Carl Breder vor 200 Teilnehmern den Nutzen der gewerkschaftlichen Organisation anpries. 724 Einen Monat später wurden in einer weiteren Zusammenkunft mit demselben Referenten die Lohn- und Arbeitsverhältnisse thematisiert und die Bamberger Arbeiterschaft wurde zum weiteren Gewerkschaftsaufbau aufgefordert. 725 Tatsächlich schufen die Schlosser, Tapezierer und Tischler ebenfalls Branchengewerkschaften und auch die Bildhauer, Buchdrucker, Hutmacher, Schneider und Schuhmacher etablierten in den Jahren bis 1895 eigene Fachvereine. 726 Dabei spiegelte die Bandbreite der neuen Organisationen die handwerkliche Vielfalt der Stadt wider.
Bezeichnenderweise spielten die Textilarbeiter trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung beim Aufbau der Freien Gewerkschaften in Bamberg eine untergeordnete Rolle und hinkten der Entwicklung hinterher. 727 Erst 1897 wurde der Deutsche Textilarbeiterverband in Bamberg gegründet und 1912 trat die Arbeiterschaft der Seilerwarenfabrik in den Arbeitskampf. 728 Andere Berufsgruppen zeigten sich kampf- und streikfreudiger, so traten beispielsweise die Bauarbeiter 1889, 1905 und 1907 in den Ausstand. 729 Zusammengehalten wurden die einzelnen Berufsverbände seit 1906 durch das Gewerkschaftsund Arbeitersekretariat unter Leitung von Karl Pelikan und das Gewerkschaftskartell. 730 Anhand der Person Karl Pelikans wird deutlich, wie eng verwoben die Gewerkschaften mit der Partei und den Arbeiterkulturvereinen vor Ort gewesen sind, da dieser erste Gewerkschaftssekretär zugleich als führender SPD-Kommunalpolitiker agierte und zeitweise den Gesangverein „Frischauf“ geleitet hatte. 731 Gewerkschafts- und Parteiarbeit waren in Bamberg untrennbar miteinander verbunden und die Begriffe Arbeiter- und Gewerkschaftssekretär wurden als Synonyme verwendet. 732 Dem ungehinderten Aufbau der Freien Gewerkschaften stand in Bamberg die christliche Gewerkschaftsbewegung entgegen, die um 1900 Fuß fasste, ab 1904 das „Ortskartell der christlichen Gewerkschaften“ gründete und überdurchschnittliche Erfolge in der Domstadt erzielte. 733 So lieferten sich die sozialistischen und die katholischen Gewerk-
Vgl. Link, Katholizismus, S. 257 f., 306 f. Vgl. Pohl, Arbeiterbewegung, S. 227 f.; Adam, Arbeitermilieu, S. 249. 722 Vgl. Link, Katholizismus, S. 257 f.; Tenfelde, Entstehung, S. 163–165; Schönhoven, Klaus: Die Gewerkschaften als Massenbewegung im Wilhelminischen Kaiserreich 1890 bis 1918. In: Geschichte der deutschen Gewerkschaften von den Anfängen bis 1945. Hg. v. U. Borsdorf. Köln 1987, S. 167; Ritter, Gerhard A.: Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Ideen in Deutschland. Beiträge zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. München 1996, S. 148–151. 723 Vgl. Link, Katholizismus, S. 258. 724 Vgl. Bitte um polizeiliche Genehmigung durch Johann Baptist Hering v. 10.12.1889, StadtABa, C 2, Nr. 11964; Versammlungsbericht v. 16.12.1889, StadtABa, C 2, Nr. 11964; Rossmeissl, Arbeiterschaft, S. 371. 725 Vgl. Ankündigung einer Arbeiterversammlung durch den Zigarrenhändler Konrad Brendel v. 13.1.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11964; Versammlungsbericht v. 20.1.1890, StadtABa, C 2, Nr. 11964. 726 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 34 f.; Link, Katholizismus, S. 258. 727 Vgl. Link, Katholizismus, S. 257 f., 306; Krapf, Verwaltung, S. 63. 728 Vgl. Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 58; Link, Katholizismus, S. 305. 729 Vgl. Link, Katholizismus, S. 257, 305. 730 Vgl. FS v. 1. 4.1930, Nr. 75; Link, Katholizismus, S. 440; Krause, 115 Jahre, S. 44; Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa. 731 Vgl. Schreiben des Arbeitergesangvereins „Frischauf“ an den Stadtmagistrat v. Januar 1897, StadtABa, C 2, Nr. 20862. 732 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa; FS v. 2.10.1922, Nr. 226; FS v. 1. 4.1930, Nr. 75. Zur Entwicklung und Bedeutung der Arbeitersekretariate für die Arbeiterbewegung und die Herausbildung des neuen Funktionärstyps des Sekretärs als „Arbeiterbeamter“ vgl. Pohl, Arbeiterbewegung, S. 249–261; Adam, Arbeitermilieu, S. 238–242; Krause, 115 Jahre, S. 44. 733 Vgl. Link, Katholizismus, S. 258, 305; Schönhoven, Gewerkschaften, S. 196–202. 720 721
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schaften Rededuelle um die Gunst der Arbeiter. Am 11. November 1905 sprach der linke Kartellvorsitzende Johann Gasteiger in einer öffentlichen Gewerkschaftsversammlung zu dem Thema „Die Verleumdungstaktik der christlichen Gewerkschaftsführer“. 734 Acht Tage später konterten die christlichen Gewerkschaften mit einer Gegenveranstaltung zum Thema „Sozialdemokratischer Terrorismus und Streiktaktik“. 735 Während eines Maurerstreiks 1907 erhoben beide Seiten in einer Versammlung in den Luitpoldsälen Anschuldigungen gegen die Konkurrenz und beleidigten sich gegenseitig. 736 Die Fronten waren verhärtet und umkämpft. 737 Je nach Berufsgruppe und Sparte dominierte die eine oder andere Richtung. So waren beispielsweise die Freien Gewerkschaften unter den Metallarbeitern einflussreicher, während die Textilarbeiterschaft mehrheitlich die katholische Organisation favorisierte. 738 Die liberalen Richtungsgewerkschaften, die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine und die gelben Gewerkschaften fielen hingegen in Bamberg nicht ins Gewicht. 739 Trotz der Rivalität mit den christlichen Arbeiternehmervertretungen gelang es den Freien Gewerkschaften, analog zur reichsweiten Entwicklung, auch in Bamberg zur Massenbewegung aufzusteigen. 740 Der Historiker Franz Mehring betitelte die Dekade nach dem Auslaufen des Sozialistengesetzes
daher als „Das Jahrzehnt der Gewerkschaften“. 741 Dieser Siegeszug setzte sich nach der Jahrhundertwende fort. 742 1.700 Mitglieder zählte das Bamberger Kartell der Freien Gewerkschaften 1907 und wuchs bis 1909 auf 2.600 Mitglieder an. 743 Mit diesen Zahlen überflügelten die Gewerkschaften die sozialdemokratische Partei um ein Vielfaches, doch auch die Bamberger SPD verzeichnete einen Bedeutungszuwachs. Die Mitgliederzahl der Partei erreichte 1907 den Stand von 390 und erhöhte sich auf 451 im Jahr 1911. 744 Das Potenzial der linken Arbeiterbewegung war noch nicht ausgeschöpft, wohingegen der Katholische Arbeiterverein 1901 mit 720 Mitgliedern seinen Höchststand erreicht und den Zenit überschritten hatte. 745 Darüber hinaus blieb das Ortskartell der christlichen Gewerkschaften mit 1.463 Mitgliedern 1911 hinter den Freien Gewerkschaften zurück. 746 Die zunehmende Säkularisierung, Entkirchlichung und der Autoritätsverlust der Kirche wirkten sich auf das katholische Milieu in Bamberg aus. 747 In dieser Situation trat 1908 erstmals der atheistische „Freidenker-Verein Bamberg“ unter Leitung von Josef Pfaff mit Versammlungen hervor. 748 Vertreter aus Nürnberg und Berlin referierten zu den Themen „Religiöse Toleranz“ und „Kampf um die Wahrheit“. 749 1914 musste sich die Stadtschulkommissionssitzung mit dem Fall Konrad Mörsberger beschäftigen. 750 Der Arbei-
Vgl. Versammlungsanzeige der christlichen Gewerkschaftsversammlung zum 19.11.1905, StadtABa, C 2, Nr. 11966. Vgl. Versammlungsanzeige der christlichen Gewerkschaftsversammlung zum 19.11.1905, StadtABa, C 2, Nr. 11966. 736 Vgl. Versammlungsbericht zur Gewerkschaftsversammlung am 9. 7.1907, StadtABa, C 2 Nr. 11966: „Der Verlauf war ein äußerst stürmischer, beleidigende Zwischenrufe fielen auf beiden Seiten, der Vorsitzende war seinen Pflichten keinesfalls gewachsen. […] Zu Tätlichkeiten kam es nicht, doch fehlte es nicht weit mehr hiezu. Gläser wurden drohend gehoben. […].“ 737 Punktuell scheint es anfangs noch zu einer Zusammenarbeit zwischen Freien und christlichen Gewerkschaften gekommen zu sein, die beispielsweise in einer gemeinsamen Holzarbeiterkommission 1900 zum Ausdruck kam. Vgl. Link, Katholizismus, S. 258. 738 Vgl. Link, Katholizismus, S. 305 f.; Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 58; Schönhoven, Klaus: Die regionale Ausbreitung der deutschen Gewerkschaften im Kaiserreich 1890–1918. In: Der Aufstieg der deutschen Arbeiterbewegung (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, Bd. 18). Hg. v. G. A. Ritter. München 1990, S. 356. 739 Vgl. Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 57 f.; Schönhoven, Ausbreitung, S. 357. 740 Vgl. Link, Katholizismus, S. 257, 306; Krause, 115 Jahre, S. 43; Schönhoven, Klaus: Aufstieg einer Massenbewegung. Zur Entwicklung der deutschen Gewerkschaften im Kaiserreich. In: Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Bayern. Hg. v. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Nürnberg 1985, S. 61–77; Schönhoven, Gewerkschaften, S. 179–213. 741 Mehring Franz: Geschichte der Deutschen Sozialdemokratie, Bd. 4. Berlin 41909, S. 345. 742 Vgl. Schönhoven, Gewerkschaften, S. 212. 743 Vgl. Link, Katholizismus, S. 306. 744 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 43. 745 Vgl. Unger, Haus, S. 263–267; Blessing, Staat, S. 244–248. 1905 zählte der Katholische Arbeiterverein noch 696 Mitglieder, bis 1917 war die Zahl auf 434 zurückgegangen. 746 Vgl. Link, Katholizismus, S. 271. 747 Vgl. Blessing, Staat, S. 245–248. 748 Vgl. Versammlungsanzeigen von Josef Pfaff an den Stadtmagistrat Bamberg v. 8.1.1908 und v. 25.10.1908, StadtABa, C 2, Nr. 3933. 749 Vgl. Versammlungsanzeigen von Josef Pfaff an den Stadtmagistrat Bamberg v. 8. 1.1908 und v. 25.10.1908, StadtABa, C 2, Nr. 3933. 750 Vgl. Schreiben zum Fall von Konrad Mörsberger v. 15. 7.1914 und 20. 7.1914, StadtABa, C 2, Nr. 4182. 734 735
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tersekretär war aus Essen nach Bamberg gezogen und hatte einen Antrag gestellt, seinen Sohn religionslos erziehen zu lassen. 751 Ein bislang unbekanntes und unvorstellbares Szenario in Bamberg, das eine persönliche Vorladung Mörsbergers vor dem Stadtmagistrat nach sich zog. 752 Alles in allem befand sich die Bamberger Arbeiterbewegung in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg im Aufwind und konnte gegenüber dem katholischen Milieu den organisatorischen Rückstand verringern. Zu diesen Aspekten zählte auch das Pachten des Schützenhauses seit 1908. 753 SPD und Gewerkschaften schufen hierdurch erstmals eine feste und zentrale Anlaufstelle für die sozialistische Arbeiterschaft in der Stadt. 754 Sämtliche sozialistischen Organisationen nutzten die Räumlichkeiten fortan als Vereinslokal. 755 Außerdem gründete Babette Straub, die Ehefrau des Redakteurs Joseph Straub, 1900 als Reaktion auf den katholischen „St. Kunegundis-Verein“ einen sozialdemokratischen Arbeiterinnenverein. 756 Nach Auflagen der Behörden durfte sich die Vereinigung ausschließlich unpolitisch betätigten und setzte sich daher die „Hebung der geistigen Auffassung des weiblichen Geschlechts, sowie materielle Unterstützung in Nothfällen“ 757 zum offiziellen Ziel. 758 Erste Vorsitzende wurde Betty Grießmann, Kassiererin war Magdalena Wirthmann und Schriftführerin Babette Straub. 759 Durch Inkrafttreten des neuen Reichsvereinsgesetzes 1908 wurde Frauen das Recht auf politische Betätigung gewährt und ihre Parteimitgliedschaft zugelassen. 760 In der Bamberger SPD stieg
daraufhin die erwähnte Magdalena Wirthmann als Schriftführerin in den Vorstand der Partei auf. 761 Intensiver als andere Parteien vor Ort beschäftigte sich der sozialdemokratische Verein mit der sogenannten Frauenfrage und stieß hierbei auf großes Interesse, wohingegen die religiös-moralische Ausrichtung des katholischen Arbeiterinnenvereins wenig Anklang fand und seine Tätigkeit eingestellt werden musste. 762 Die SPD begann sich vor Ort als Partei der Gleichberechtigung und Frauenemanzipation zu etablieren – ein Aspekt, der vor allem durch August Bebels Buch „Die Frau und der Sozialismus“ bekannt und populär geworden war. 763 Passend dazu trat im Reichstagswahlkampf 1913 Clara Zetkin, die „Gallionsfigur der sozialistischen Frauenbewegung“ 764, in Bamberg auf. 765
2.3.4 Die Arbeiterbewegung während des Ersten Weltkriegs Der Sozialdemokrat Jakob Kreiner schrieb über seine Zeit als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend: „Und dann kam der erste Weltkrieg. Unsere Betreuer [d. h. Hans Hauptmann und Richard Kunstmann] wurden eingezogen. Der Genosse Mörsberger wurde ihr Nachfolger. Nachdem auch er ins Feld ziehen mußte, widmete der Genosse Adam Franz Übel, schon im fortgeschrittenen Alter, seine Freizeit der Arbeiterjugend. Nun waren auch die ersten der Jugendlichen zum Militärdienst herangereift.
Vgl. Schreiben zum Fall von Konrad Mörsberger v. 15.7.1914 und 20. 7.1914, StadtABa, C 2, Nr. 4182. Vgl. Schreiben zum Fall von Konrad Mörsberger v. 18.11.1914, StadtABa, C 2, Nr. 4182. Der Ausgang des Falles wurde in den Akten nicht überliefert. 753 Vgl. Link, Katholizismus, S. 307, 450. 754 Vgl. Link, Katholizismus, S. 307; Krause, 115 Jahre, S. 43. 755 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 43. 756 Vgl. Statut des Arbeiterinnenvereins Bamberg v. 1. 8.1900, StadtABa, C 2, Nr. 20873; Link, Katholizismus, S. 321. 757 Statut des Arbeiterinnenvereins Bamberg v. 1. 8.1900, StadtABa, C 2, Nr. 20873. 758 Vgl. Schreiben von Babette Straub an den Stadtmagistrat Bamberg v. 25. 7.1900, StadtABa, C 2, Nr. 20873; Statut des Arbeiterinnenvereins Bamberg v. 1. 8.1900, StadtABa, C 2, Nr. 20873; Schreiben des Stadtmagistrats an den Arbeiterinnenverein Bamberg ohne Datum, StadtABa, C 2, Nr. 20873. 759 Vgl. Schreiben v. Babette Straub an den Stadtmagistrat Bamberg v. 7. 8.1900, StadtABa, C 2, Nr. 20873. Als Vereinslokal diente zunächst die „Blaue Glocke“ in der Unteren Sandstraße. Fälschlicherweise wurde der Vorname von Link mit Margarethe statt Magdalena angegeben, vgl. Link, Katholizismus, S. 307, 450; Einwohnermeldekarte Johann und Magdalena Wirthmann, StadtABa, C 9, Nr. 58a. 760 Vgl. Schönhoven, Gewerkschaften, S. 348; Gerhard, Ute: Frauenbewegung und Feminismus. Eine Geschichte seit 1789. München 2009, S. 76. 761 Vgl. Link, Katholizismus, S. 307. 762 Vgl. Link, Katholizismus, S. 320 f. 763 Vgl. Gerhard, Frauenbewegung, S. 59; Schraut, Sylvia: Eine schwierige Liebesbeziehung. In: Damals 2 (2013), S. 32–35. 764 Schraut, Sylvia: Arbeiterbewegung und Geschlechterverhältnisse. In: Durch Nacht zum Licht? Geschichte der Arbeiterbewegung 1863–2013. Katalog zur Großen Landesausstellung 2013 Baden-Württemberg. Hg. v. H. Steffens. Mannheim 2013, S. 427. 765 Vgl. Link, Katholizismus, S. 341. 751
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Auch Genosse Übel wurde eingezogen und damit war das Schicksal der SAJ besiegelt.“ 766
Diese kurze Zusammenfassung des jungen Sozialdemokraten macht deutlich, dass der Erste Weltkrieg einen Schlussstrich unter die kurze erfolgreiche Zeit des Auf- und Ausbaus der Bamberger Arbeiterbewegung zog. 767 Eine Fortführung der gewohnten Vereins- und Parteiarbeit war nicht mehr möglich, denn die Totalisierung des Krieges beeinträchtigte auch an der Heimatfront nahezu alle Lebensbereiche. 768 Während die Lebensmittel rationiert wurden und sich die Nahrungsversorgung nur noch auf das Nötigste beschränkte, 769 reduzierte sich auch das linke Leben in Bamberg nur noch auf einige wenige Bereiche und Personen. Verantwortlich dafür waren einerseits die Einberufungen aktiver Sozialdemokraten zum Kriegsdienst und andererseits die gesellschaftlichen Umschichtungen, durch die soziale Hierarchien und Ordnungen auf den Kopf gestellt wurden. 770 Vermehrt arbeiteten in den Bamberger Betrieben Frauen, sodass 1917 eigens eine „Ortsgruppe Bamberg für Frauenarbeit im Krieg“ gegründet wurde. 771 Martin Geyer bezeichnete in seiner Monographie über München diese Situation als „Verkehrte Welt“. 772 Die Zahl der verfügbaren Funktionäre vor Ort nahm im Laufe des Krieges immer weiter ab, sodass die Vereinstätigkeit – wie bei der SAJ – zum Erliegen kam. 773 Zusätzlich erschwert wurde die Fortführung der so-
zialdemokratischen Aktivitäten durch die Todesfälle von Joseph Straub und Karl Pelikan Ende 1913 bzw. Anfang 1915. 774 Zwei langjährige Leistungsträger fielen damit weg. Infolgedessen stieg der Maurer Johann Steitz zum wichtigsten Mann auf und wurde zur zentralen Figur der Bamberger Arbeiterbewegung. Aufgrund seines Geburtsjahrgangs (1866) war er vom Militärdienst nicht betroffen und kümmerte sich als SPD-Vorstand und neuer Arbeitersekretär um die Partei- und Gewerkschaftsarbeit. 775 Sämtliche Versammlungen wurden von ihm als Einberufer initiiert und unterzeichnet. 776 Außerdem vertrat er die sozialdemokratische Position während des gesamten Krieges im Kollegium der Gemeindebevollmächtigten. 777 Die Bamberger Arbeiterbewegung während des Ersten Weltkrieges war gleichzusetzen mit dem Engagement von Johann Steitz und den von ihm in Personalunion geführten Ämtern. Andererseits trug die SPD durch die Annahme des Burgfriedens selbst zum parteipolitischen Stillstand während des Krieges bei und die Freien Gewerkschaften unterstützten diese Politik, indem sie sich ihrerseits zum Streikverzicht verpflichteten. 778 Diesen Kurswechsel vom Kriegsgegner zum Unterstützer vollzog auch die SPD-Bamberg. 779 Antimilitarismus war bis 1914 eines ihrer wichtigsten Charakteristika gewesen. Im Gemeindekollegium hatte Johann Steitz 1913 städtische Finanzmittel zur Feier des 100. Jubiläums der Völkerschlacht
Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834. Bislang fehlt in Bamberg eine umfassende Gesamtdarstellung zur Stadtgeschichte während des Ersten Weltkrieges; es liegen lediglich Untersuchungen zu Einzelaspekten vor. Zum aktuellen Forschungsstand vgl. Brandner, Andreas: Bamberg – eine Lazarettstadt im 1. Weltkrieg. In: BHVB 149 (2013), S. 257. 768 Vgl. Geyer, Martin H.: Verkehrte Welt. Revolution, Inflation und Moderne: München 1914–1924 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 128). Göttingen 1998, S. 37; Berghahn, Volker: Der Erste Weltkrieg. München 52014, S. 70–80. 769 Vgl. Eckstein, Katharina: „Diese gereizte Stimmung könnte in gefährlichen Formen Ausdruck finden“. Reaktionen der Bamberger Bevölkerung auf die Nahrungsmittelversorgung im Ersten Weltkrieg. Unveröffentlichte Masterarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2015, S. 23–54. 770 Vgl. Wochenbericht v. 2. 2.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835; Schneider, Gewerkschaften, S. 125; Berghahn, Weltkrieg, S. 70–73. 771 Vgl. Wochenbericht v. 13. 4.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1836; Mayerhofer, Militär, S. 380. 772 Vgl. Geyer, Welt, S. 16 f., 379–382. 773 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834. 774 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 49; Link, Katholizismus, S. 447, 440. 775 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1917, StadtABa; Krause, 115 Jahre, S. 49; Einwohnermeldekarte Johann Steitz, StadtABa, C 9, Nr. 58a. 776 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. 777 Vgl. Mayershofer, Militär, S. 394. 778 Vgl. Beyerstedt, Horst-Dieter: Protestbewegungen gegen den Ersten Weltkrieg: Friedensbewegungen, Demonstrationen und Streiks. In: Der Sprung ins Dunkle. Die Region Nürnberg und der Erste Weltkrieg 1914–1918 (= Ausstellungskatalog des Stadtarchivs Nürnberg, Bd. 22). Hg. v. M. Diefenbacher/U. Swoboda/S. Zahlaus. Nürnberg 2014, S. 646; Schneider, Gewerkschaften, S. 122. 779 Vgl. Link, Stephan: Kriegsbeginn 1914 in Bamberg – „nationale“ Begeisterung und Gefühl „innerer Einheit“? In: BHVB 140 (2004), S. 285–337. 766 767
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von Leipzig abgelehnt und damit gegen die Glorifizierung des preußisch-deutschen Sieges gestimmt. 780 Nach dem kriegsauslösenden Attentat von Sarajevo auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger und dem anschließenden Ultimatum gegen Serbien warnte die sozialdemokratische Zeitung Fränkischer Volksfreund vor „einem europäischen Blutvergießen“ 781 und mahnte, dass „die Erhaltung des Friedens wichtiger [sei] […], als die Rache für einen Fürstenmord.“ 782 Als einzige Tageszeitung in der Presselandschaft Bambergs bezog der Fränkische Volksfreund somit klar Stellung gegen den drohenden Krieg und die gefährlichen Machtspiele, während das Bamberger Volksblatt und Tagblatt die nationalistische Stimmung anheizten und den Krieg als politisches Mittel billigten. 783 Dennoch beließ es die Bamberger Sozialdemokratie bei diesem verbalen Protest und blieb aufgrund ihrer gesellschaftlichen Außenseiterposition in der Defensive. Eine Antikriegskundgebung oder Friedensdemonstration wie in anderen deutschen Städten fand in Bamberg trotz des Aufrufs des Parteivorstands Ende Juli 1914 nicht statt. 784 Zugleich verharrte die Mehrheit der Bevölkerung in einer „de-
pressiv[en], passiv-abwartende[n] Stimmung“ 785, ohne dass es zu größeren Ausbrüchen von Kriegsbegeisterung gekommen wäre. 786 Das „August-Erlebnis“ als freudige Erwartung des bevorstehenden Waffengangs entsprach in Bamberg nicht der Realität und ist mittlerweile von der Forschung als Mythos entlarvt worden. 787 Kriegseuphorie blieb in Bamberg bis zur Mobilmachung eine Randerscheinung, die lediglich eine Minderheit der Einwohner erfasste und vor allem bei der katholischen Studentenverbindung „Fredericia“ anzutreffen war. 788 Die Stimmung änderte sich allerdings nach der Kriegserklärung an das russische Zarenreich am 1. August grundlegend. 789 Nun vollzogen auch die Bamberger Sozialdemokraten eine Kehrtwende und schwenkten am 5. August in der Sitzung des Magistrats und des Gemeindebevollmächtigtenkollegiums auf die Parteilinie des Burgfriedens um. 790 Gemäß der offiziellen Darstellung betonte Bürgermeister Wächter die Schuld und Verantwortung von Russland und Frankreich, die „uns den Kampf um die nationale Ehre, um unser teures Vaterland aufgehalst“ 791 hätten. 792 Dieser Anschauung widersprach die Bamberger SPD nicht und griff in die öffentliche Dar-
Vgl. Mayerhofer, Militär, S. 332 f. FV v. 23. 7.1914, Nr. 167; vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 297 f. 782 FV v. 23. 7.1914, Nr. 167; vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 297 f. 783 Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 297 f.; Mayerhofer, Militär, S. 339–343. 784 Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 298–300, 325; Groh, Gesellen, S. 159. In anderen bayerischen Städten wie München, Bayreuth, Nürnberg, Fürth und Erlangen gab es Kundgebungen gegen den Krieg. Vgl. Schott, Herbert: Parteien und Gewerkschaften. In: Der Sprung ins Dunkle. Die Region Nürnberg und der Erste Weltkrieg 1914–1918 (= Ausstellungskatalog des Stadtarchivs Nürnberg, Bd. 22). Hg. v. M. Diefenbacher/U. Swoboda/S. Zahlaus. Nürnberg 2014, S. 287; Schwarz, Klaus-Dieter: Weltkrieg und Revolution in Nürnberg. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung (= Kieler Historische Studien, Bd. 13). Stuttgart 1971, S. 109 f.; Beyerstedt, Protestbewegungen, S. 646; Grau, Bernhard: Krieg in Sicht? – Politik und Öffentlichkeit in Bayern während der Julikrise. In: Krieg! Bayern im Sommer 1914. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs (= Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns, Bd. 56). Hg. v. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns. München 2014, S. 31–34. 785 Link, Kriegsbeginn, S. 304. 786 Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 302–304; Mayerhofer, Militär, S. 339. 787 Vgl. Berghahn, Weltkrieg, S. IX; Schmalzl, Markus: Das „August-Erlebnis“ – Ein Aufbruch. In: Krieg in Sicht? – Politik und Öffentlichkeit in Bayern während der Julikrise. In: Krieg! Bayern im Sommer 1914. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs (= Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns, Bd. 56). Hg. v. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns. München 2014, S. 95–96; Mayerhofer, Militär, S. 343; Ziemann, Benjamin: Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern 1914–1923 (= Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung, Reihe A, Bd. 8). Essen 1997, S. 39–51. 788 Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 305–309. 789 Vgl. Beyerstedt, Protestbewegungen, S. 646; Link, Kriegsbeginn, S. 314–334; Groh, Gesellen, S. 160. 790 Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 319; Mayerhofer, Militär, S. 352. Zur Bewilligung der Kriegskredite am 4. August 1914 im Reichstag und zur Burgfriedenspolitik der SPD vgl. Miller, Susanne: Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg. Düsseldorf 1974, S. 31–74; Schmalzl, Auer, S. 178–187; Groh, Gesellen, S. 158–167; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 126–129. 791 Allgemeine Zeitung für Franken und Thüringen v. 4. 8.1914, Nr. 178; vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 318. 792 Die Fragen nach der Ursache und der Kriegsschuld gehören zu den brisantesten und umstrittensten Themen der deutschen Geschichtswissenschaft. In den 1960er Jahren führten die Thesen von Fritz Fischer, der das Deutsche Reich als Hauptschuldigen ausmachte, zur sogenannten FischerKontroverse. Zum 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs 2014 wurde die Debatte erneut aufgerollt. Den Anstoß dafür bot Christopher Clarks Buch „Die Schlafwandler“, das Serbien stärker in den Mittelpunkt rückte, allen beteiligten Mächten die Schuld zusprach und das Deutsche Reich damit entlastete. Widerspruch erntete diese Interpretation vor allem von Gerd Krumeich, Heinrich-August Winkler, Wolfgang Wette und Jörn Leonhard. 780 781
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stellung und Meinungsbildung mit keinerlei Stellungnahme ein. 793 Man fügte sich, ordnete die eigene Position unter und versprach die Unterstützung während des Krieges. 794 Folglich wurde es still um die Bamberger Sozialdemokratie und die Freien Gewerkschaften. Größere Versammlungen und Veranstaltungen sind nach Kriegsbeginn in den Jahren 1914 und 1915 nicht überliefert, sondern der Burgfrieden wurde gewahrt. 795 Die öffentliche Bühne überließ man dem Militär und dem national-patriotischen Teil der Gesellschaft. Letzterer begleitete Anfang August die ausrückenden Regimenter der Infanterie und Kavallerie mit Ovationen von den Kasernen zum Bahnhof. 796 Gesteigert wurde die Kriegseuphorie in Bamberg durch die Siegesmeldung des Königlich Bayerischen 1. Ulanen-Regiments vom 11. August 1914, das an der Westfront trotz hoher Verluste die Stadt Lagarde eingenommen hatte. 797 Kriegsfreiwillige und Reservisten beförderten die positive Stimmung der Bevölkerung und Bürgermeister Wächter kümmerte sich um die Ausformulierung der „Endsieg“-Bekanntmachung. 798 In die freudigen Kriegserwartungen bezog man auch die Jugend ein. 799 Zu deren militärischen Schulung wurden fünf Jugendkompanien in Bamberg gebildet, unter denen der St. Heinrichsverein eine eigene Truppe von 80 Mitgliedern stellte. 800
Die Arbeiterjugend hingegen beteiligte sich gemäß ihrer pazifistischen Grundhaltung nicht an dieser Form des Militarismus. 801 Schweigend überließ die Bamberger Linke die Deutungshoheit über das Kriegsgeschehen, die Gefallenen und Opfer anderen Gesellschaftsgruppen – nämlich dem Adel, den Konservativen, der Kirche und dem Militär. 802 Man beschränkte sich auf die Mitarbeit in den sozialpolitischen Ausschüssen, in der „Städtischen Kriegsfürsorge für erwerbslose Textilarbeiter“ und der „Städtischen Kriegsfürsorge für erwerbslose Arbeiter der Schuhindustrie“, die Ende 1915 und Anfang 1916 ins Leben gerufen wurden. 803 Praktische Hilfe leisteten die Sozialdemokraten ansonsten mit dem Allgemeinen Konsumverein durch Verbraucherversammlungen und die Bekämpfung der steigenden Lebensmittelpreise. 804 Erst mit zunehmender Kriegsmüdigkeit und parallel zu den ersten bedeutenden Versorgungsengpässe im Sommer 1916 regte sich wieder politisches und gewerkschaftliches Leben. 805 Die „Mobilisierung durch Hunger und Teuerung“ bedingte in Bamberg die „politische Mobilisierung“. 806 Seit Mai 1916 organisierte Johann Steitz monatliche Vereinsversammlungen der SPD in der Gastwirtschaft „Nöth“. 807 Am 11. September 1916 kam es zur ersten großen öffentlichen sozialdemokratischen
Zu den Historikerdebatten und dem aktuellen Forschungsstand vgl. Berghahn, Weltkrieg, Prolog; Eiber, Ludwig/Anton, Bernward/Kucera, Wolfgang: Arbeiterbewegung und Erster Weltkrieg. München 2014, S. 53; Frie, Kaiserreich, S. 81–93. 793 Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 319. 794 Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 325. 795 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. 796 Vgl. Mayerhofer, Militär, S. 344 f. Stephan Link betont in seinen Forschungen, dass es in Bamberg nicht nur jubelende Massen gegeben habe, sondern die Stimmung „ambivalent“ gewesen sei und sich auch Angst und Trauer bei der Bevölkerung bemerkbar gemacht hätten. Im Gegensatz zum Jubel seien diese Gefühle aber nicht laut artikuliert und daher weniger wahrgenommen worden. Außerdem seien diese Berichte im Gegensatz zur Begeisterung nicht in späteren verklärenden Erzählungen und Schilderungen wiedergegeben worden. Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 311, 316. 797 Vgl. Heckel, Bamberg, S. 58; Mayerhofer, Militär, S. 359–361. Dieser Einsatz war die letzte offene Feldschlacht einer Kavallerie in Europa. 798 Vgl. Link, Kriegsbeginn, S. 317 f.; Mayerhofer, Militär, S. 357. 799 Vgl. Reindl, Heinrichsverein, S. 294. 800 Vgl. Reindl, Heinrichsverein, S. 294. Bayern spielte mit der Gründung von Wehrkraftvereinen seit 1909 eine Vorreiterrolle bei der militärischen Ausbildung der Jugend durch die Armee. Bamberg beteiligte sich daran in führender Position, denn bereits ab 1909 bestand ein Pfadfinderverein als Vorläuferorganisation, der sich anschließend in „Jugendkraft“ umbenannte und sich den bayerischen Wehrkraftvereinen anschloss. Vgl. Mayerhofer, Militär, S. 300–318; Rumschöttel, Offizierskorps, S. 216–219. 801 Die fünf Jugendkompanien in Bamberg wurden gestellt vom Alten und Neuen Gymnasium, von der Realschule und dem Lehrerseminar, vom Wehrkraftverein, vom St. Heinrichsverein und von den Turnvereinen. Vgl. Reindl, Heinrichsverein, S. 294. 802 Vgl. Mayerhofer, Militär, S. 365–372. 803 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1917, StadtABa; Rößner, Politik, S. 75–84. 804 Vgl. Eckstein, Nahrungsmittelversorgung, S. 38 f. Der Allgemeine Konsumverein Bamberg richtete am 12. 7.1915 eine Resolution mit konkreten Forderungen zur Preispolitik der Lebensmittel an den Stadtmagistrat Bamberg, die dieser berücksichtigte. 805 Vgl. Eckstein, Nahrungsmittelversorgung, S. 48; Mayerhofer, Militär, S. 410. 806 Vgl. Geyer, Welt, S. 40–50. 807 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. Vereinsversammlungen der SPD sind für das Jahr 1916 für folgende Termine überliefert: 8. Mai 1916, 5. Juni 1916, 10. Juli 1916, 7. August 1916, 4. September 1916, 16. Oktober 1916, 13. November 1916 und 11. Dezember
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Volksversammlung, die im „Eckenbüttnersaal“ 808 abgehalten wurde. 809 Diese Veranstaltung war vermutlich Teil der nordbayerischen Versammlungsund Unterschrifteninitiative für Friedensverhandlungen und gegen die Annexionsbestrebungen. 810 Der Landtagsabgeordnete Johannes Timm sprach zum Thema „Für einen ehrenvollen Frieden“ 811 und es wurde vermerkt, dass die Zuhörer „äußerst zahlreich“ 812 dazu erschienen waren. Die Lethargie und das Schweigen der Bamberger Arbeiterschaft waren damit gebrochen. Ein Jahr später füllten etwa 600 Personen denselben Saal, als der Reichstagsabgeordnete Gustav Noske zum Titel „Im Kampf für Frieden und Freiheit“ referierte. 813 Parallel zur Wiederbelebung der Bamberger SPD kehrte auch das Leben in die Freien Gewerkschaften zurück. Im Frühjahr 1916 begannen regelmäßige Versammlungen sowohl der einzelnen Fachverbände als auch des Gewerkschaftskartells, die mindestens bis März 1917 nicht abrissen. 814 Der Textilarbeiterverband veranstaltete im Juni 1916 sogar eine mehrtägige Konferenz. 815 Im Gegensatz zu den ersten Kriegsjahren zeigte die SPD nun wieder klar Flagge für ihre eigenen
Positionen. Das sozialdemokratische „Versteckspiel“ war vorbei. So kritisierte Johann Steitz als Gemeindebevollmächtigter die Überlegungen zur Abgabe einer der goldenen Bürgermeisterketten im Herbst 1917 zugunsten der Kriegswirtschaft. 816 Seiner Kalkulation zufolge war die Beschaffung eines eisernen Ersatzstückes teurer als der Gewinn durch die Originalkette. 817 Ökonomisch waren diese Pläne daher unsinnig und für einen rein symbolischen Akt der Vaterlandsliebe war die Arbeiterpartei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bereit. 818 Darüber hinaus schlug Steitz 1917 vor, ein eigenes Stadttheater zu bauen anstelle der Verlängerung des Pachtvertrags mit der Gesellschaft „Harmonie“. 819 Als neuer politischer Gegner wurde von der SPD-Bamberg die 1917 gegründete „Vaterlandspartei“ bekämpft, in deren Reihen sich nationale Kräfte gegen einen vorzeitigen Frieden sammelten. 820 Radikale Töne vonseiten der Bamberger Arbeiterbewegung waren jedoch bis einschließlich 1917 offiziell nicht zu hören. 821 Diese drangen nur von auswärts in die Domstadt ein, denn der Leipziger Curt Geyer war im März 1915 zum Chefredakteur des Fränkischen Volksfreunds aufgestiegen und ver-
1916. Es ist nicht bekannt, wie lange die SPD und die Freien Gewerkschaften Bambergs das Schützenhaus am Schillerplatz gepachtet hatten. Die Versammlungen im „Nöth“ 1916 lassen darauf schließen, dass das Schießhaus während des Ersten Weltkrieges nicht mehr Partei- und Gewerkschaftslokal war. 808 Vgl. Fiedler, Bamberg, S. 162. Die traditionsreiche Brauerei „Eckenbüttner“ hatte ihren Stammsitz am Maxplatz 2. 1904 erwarb der damalige Besitzer Michael Frank zusätzlich einen großen Saalbau in der heutigen Franz-Ludwig-Straße, der auch „Neuer Eckenbüttner“ genannt wurde und neben den Sälen auch das Café „Eckenbüttner“ umfasste. 809 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. 810 Vgl. Beyerstedt, Protestbewegungen, S. 650; Schäfer, Klaus: Die Organisationen der Würzburger Arbeiterschaft im Ersten Weltkrieg 1914 bis 1918. In: Würzburger Sozialdemokraten. Vom Arbeiterverein zur Sozialdemokratischen Volkspartei 1868–1978. Hg. v. H. W. Loew/K. Schönhoven. Würzburg 1978, S. 46. 811 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. 812 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. 813 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. 814 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. 815 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025. 816 Vgl. Mayerhofer, Militär, S. 394. 817 Vgl. Mayerhofer, Militär, S. 394. 818 Vgl. Mayerhofer, Militär, S. 394. 819 Vgl. FS v. 2. 4.1918, Nr. 77. Die Gesellschaft „Harmonie“ war 1791 als Honoratioren-Club auf Initiative des Arztes Dr. Adalbert Friedrich Markus gegründet worden. Seit 1797 wurde von der Gesellschaft ein Laientheater und seit 1802 das erste ständige Theater in Bamberg betrieben. 1808 errichtete der Verein ein Theatergebäude, 1862 wurde es renoviert und umgebaut und seit diesem Zeitpunkt wurde der Theatersaal an die Stadt Bamberg verpachtet. 1882 gab es erstmals Überlegungen der Stadt zum Kauf des Theaters. Diese Pläne wurden aufgrund der hohen Kosten wiederholt verworfen und das Pachtverhältnis stattdessen immer wieder verlängert, obwohl die Höhe der Mietkosten Anlass zu Konflikten gab. 1937 wurde schließlich der Verkauf des Theaters an die Stadt Bamberg von den Nationalsozialisten unter dem Oberbürgermeister Lorenz Zahneisen erzwungen. Vgl. Ricka, Herbert: Gesellschaft Harmonie e.V. 1791–1991. Festschrift. Bamberg 1991. 820 Vgl. Mayerhofer, Militär, S. 410; Geyer, Welt, S. 33 f. Vorsitzender der Bamberger Ortsgruppe der Vaterlandspartei war der nationalliberale Rechtsanwalt Michael Dietz, der zuvor bereits in der Flotten- und Kolonialgesellschaft und im „Wehrkraftverein Bamberg“ Vorstandsposten bekleidet hatte. Vgl. Link, Stephan: Die nationalen Agitationsverbände Bambergs vor 1914: Vorläufer des Nationalsozialismus. In: BHVB 114 (2005), S. 464, 473, 484. 821 Vgl. Versammlungen und Vorträge (Spezialakt), StadtABa, C 56, Nr. 1025.
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breitete über die Zeitung seine oppositionelle Haltung bezüglich der Fortführung des Krieges und der weiteren Bewilligung der Kriegskredite. 822 Am 22. Juni 1915 erschien im Volksfreund der Artikel „Das Gebot der Stunde“ von Hugo Haase, Eduard Bernstein und Karl Kautsky, in dem die Eroberungspläne entlarvt wurden und ein Verständigungsfrieden gefordert wurde. 823 Diese radikal-pazifistische Resolution wurde somit auch in Bamberg publik – ohne jedoch zunächst an der angestammten gemäßigten Haltung der SPD etwas zu ändern. So meldete die Regierung am 4. Oktober 1917 aus Bayreuth: „In Oberfranken wurde bis jetzt nicht wahrgenommen, daß die unabhängigen Sozialisten oder die Spartakusgruppe eine besondere Tätigkeit zur Verhetzung der Arbeiterjugend entfalten.“ 824
Zwar kam es aufgrund der Lebensmittelknappheit im August 1917 zu einer öffentlichen Protestkundgebung vor dem Bamberger Rathaus, doch ansonsten blieb die Bevölkerung ruhig, obwohl sie angespannt und gereizt war. 825 Die Gründung der USPD als Partei der oppositionellen Sozialdemokraten gegen die Burgfriedenspolitik der SPDReichstagsfraktion vom 6. bis 8. April 1917 in Gotha schlug sich in Bamberg anfangs nicht nieder. 826 Vorsichtshalber forcierte aber die oberfränkische Regierung zusammen mit den Schulbehörden, Kirchen und der Polizei das Vorgehen gegen die sozialdemokratische Jugendbewegung, denn jugendliche Arbeiter gefährdeten ihrer Meinung nach am stärksten die öffentliche Ruhe und Ordnung und zeigten sich streikfreudig. 827 Das Erzbischöfliche Ordinariat Bamberg beteiligte sich bereitwillig an dieser kirchlich-staatlichen Zusammenarbeit und begriff das gesellschaftliche Unruhepotenzial und die behördlichen Bedenken als Chance, die eigenen
Organisationsstrukturen zu stärken. 828 Man sprach daher folgende Empfehlung aus: „Wir gestatten uns unsere Anschauung darzulegen, wonach neben einer echt christlichen Familienerziehung der Zusammenschluss der heranwachsenden Jugend in konfessionellen Vereinen das beste Schutzmittel gegen die sozialdemokratischen Verführungskünste darstellt. Darum sollten aber auch diese Vereine in den Industriegebieten namentlich seitens der städtischen Behörden tatkräftig Förderung finden.“ 829
Die Gegner der Arbeiterbewegung in Bamberg wappneten sich somit bereits 1917 gegen eine mögliche Radikalisierung und brachten sich in Stellung. Sie waren der SPD bzw. der USPD nicht nur einen Schritt, sondern ein ganzes Vierteljahr voraus. Am 16. Januar 1918 rief die USPD erstmals zu einer Versammlung im „Eckenbüttnersaal“ in Bamberg auf. Reichstagsabgeordneter Fritz Kunert sprach zum Thema „Krieg und Frieden“. 830 Der Stadtmagistrat fasste die Geschehnisse folgendermaßen zusammen: „Gestern hielt erstmals ein Vertreter der unabhängigen Sozialdemokratie hier einen Vortrag. Das Gesuch um die Abhaltung des Vortrages wurde eingereicht durch den Sekretär der unabhängigen Sozialdemokratie Aug. Karsten, Schweinfurt, Luitpoldstr. 44. Von Bamberger Stadtinwohnern wurde ein solches Gesuch weder gestellt noch befürwortet. Dennoch erfolgte die Genehmigung. Der Besuch war schwach, in der Hauptsache Neugierige aus Bürger- und Beamtenkreisen. Nur einige mit dem Abzeichen des Eisernen Kreuzes ausgerüstete Zivilisten sollen besonders lebhaft applaudiert haben. Im Übrigen wurden die Ausführungen ruhig hingenommen. Flugblätter wurden bis jetzt hier nicht
Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 49; Schäfer, Organisationen, S. 43 f. Vgl. Schäfer, Organisationen, S. 44; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 134. 824 Meldung der Regierung von Oberfranken v. 4.10.1917, StABa, K 3/1967, Nr. 4843. 825 Vgl. Eckstein, Nahrungsmittelversorgung, S. 61–63. 826 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 135; Krause, Hartfrid: USPD. Zur Geschichte der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Frankfurt am Main u. a. 1975, S. 86–92. Bislang fehlt eine Gesamtdarstellung der USPD in Bayern, sodass lediglich einzelne Biografien und Regionalstudien vorliegen. Vgl. Grau, USPD. 827 Vgl. Schreiben der Regierung von Oberfranken an die Bezirksämter v. 25.10.1917, StABa, K 3/1967, Nr. 4844; Wochenbericht v. 2. 2.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835. 828 Vgl. Schreiben des Erzbischöflichen Ordinariats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 12.11.1917, StABa, K 3/1967, Nr. 4844. 829 Schreiben des Erzbischöflichen Ordinariats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 12.11.1917, StABa, K 3/1967, Nr. 4844. 830 Vgl. Wochenbericht des Stadtmagistrats Bamberg v. 19.1.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835. 822 823
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verteilt. Die unabhängige Sozialdemokratie hat bis jetzt hier keinen Boden gefunden.“ 831
Eine gewisse Erleichterung spricht aus diesen amtlichen Zeilen, dass der Impuls von auswärts kam und die USPD keinen großen Anklang in Bamberg fand. Der Kreis der Anhänger blieb auch in den folgenden Monaten klein und auf Einzelpersonen beschränkt, obwohl sich Oberfranken mit Hof, Naila, Selb und Bayreuth zu einem Zentrum der bayerischen USPD entwickelte. 832 Zur Gründung einer eigenen USPD-Ortsgruppe kam es daher während des Ersten Weltkrieges nicht, sodass die Einheit der Bamberger Arbeiterbewegung gewahrt blieb. 833 Neu war jedoch, dass Schweinfurt und nicht Nürnberg die Bamberger Arbeiterschaft „bearbeitete“ und zu beeinflussen versuchte. 834 Ein weiteres Novum stellte die Tatsache dar, dass sich nun Bürger und Beamte für die linksradikalen Ausführungen zu interessieren begannen und empfänglich zeigten. Die USPD-Veranstaltung zog in Bamberg folglich weniger die oppositionelle Arbeiterschaft als vielmehr die Unzufriedenen, Kriegsmüden und Ernüchterten unterschiedlicher Schichten an. 835 Eine ernstzunehmende politische Gefahr stellte die neue linksradikale Arbeiterpartei in Bamberg aber weder für die SPD noch für die Gesellschaft dar. Diese Einschät-
zung teilte auch der Direktor der Baumwollspinnerei Gaustadt, Heinrich Semlinger, der Anfang 1918 keinerlei Unruhen oder Arbeitseinstellungen in seinem Werk befürchtete. 836 Als von der USPD im Januar 1918 reichsweit Streiks als neues politisches Druckmittel für Friedensforderungen eingesetzt wurden, blieb es in Bamberg ruhig. 837 „Die unselige Ausstandsbewegung ist spurlos bei uns vorübergegangen“, 838 meldete das Bamberger Tagblatt. Lediglich „von halbwüchsigen dem Arbeiterstande angehörigen Burschen [wurden] Sympathiekundgebungen für den Streik laut“ 839 und die Hafenarbeiter brachten Lohnforderungen „in durchaus ruhiger und sachlicher Weise, ohne Bezugnahme auf die Streikbewegung anderwärts“ 840 vor. Der von Kurt Eisner 841 und der USPD propagierte Generalstreik gefährdete demnach nicht die Situation in Bamberg. 842 Die SPD-Bamberg blieb ihrer gemäßigten, pragmatischen und kompromissbereiten Linie treu. Beide Redner der großen Volksversammlungen 1916, Johannes Timm und Gustav Noske, gehörten dem rechten Parteiflügel, später der Mehrheitssozialdemokratischen Partei Deutschlands (MSPD), 843 an und unterstützten die Burgfriedenspolitik. 844 In seiner Funktion als Arbeitersekretär tauschte sich Johann Steitz sogar mit einem der Bamberger Poli-
Schreiben des Stadtmagistrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 17.1.1918, StadtABa, C 56, Nr. 1025. Vgl. Stand der unabhängigen Sozialdemokratie in Bayern v. 13. 9.1918, StABa, K 3/1967, Nr. 4844; Grau, USPD; Schwarz, Weltkrieg, S. 251. 833 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. Auch in Würzburg und Erlangen blieb die USPD bis Kriegsende ohne eigene Ortsgruppe unbedeutend. Vgl. Schäfer, Organisationen, S. 51; Schott, Parteien, S. 295. 834 Schweinfurt stellte einen der wenigen Ortsvereine in Bayern dar, dessen sozialdemokratische Mitglieder geschlossen zur USPD übertraten. Auch Nürnberg bildete einen Schwerpunkt der bayerischen USPD, allerdings blieb Stärke und Einfluss im Verhältnis zur dortigen SPD bis zur Novemberrevolution 1918 gering. Vgl. Schott, Parteien, S. 294 f.; Schwarz, Weltkrieg, S. 251; Grau, USPD; Krömker, Christa: Die Nürnberger USPD. In: 75 Jahre kommunales Verhältniswahlrecht. 75 Jahre SPD-Stadtratsfraktion Nürnberg 1908–1983 (= Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg, Bd. 12). Hg. v. W. Lehnert/D. Rossmeissl. Nürnberg 1983, S. 41–53. 835 Vgl. Schwarz, Weltkrieg, S. 227. 836 Vgl. Wochenbericht v. 2. 2.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835. 837 Vgl. Grau, USPD; Jüngling, Elisabeth: Streiks (Erster Weltkrieg und Weimarer Republik). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Streiks (Erster Weltkrieg und Weimarer Republik) (2. 8. 2016); Beyerstedt, Protestbewegung, S. 653–659; Krause, USPD, S. 106 f.; Eckstein, Nahrungsmittelversorgung, S. 63; Krauss, Georg: Die Oberfränkische Geschichte. Hof 1981, S. 296. 838 BT v. 10. 2.1918, Nr. 41. 839 Wochenbericht v. 2. 2.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835. 840 Wochenbericht v. 2. 2.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835. 841 Der Schriftsteller Kurt Eisner (1867–1919) war ab 1889 als Redakteur und Herausgeber verschiedener sozialdemokratischer Zeitungen tätig. Seit 1917 engagierte er sich als strikter Kriegsgegner für die USPD und organisierte im Januar 1918 den Streik der Rüstungsindustrie in München. Im November 1918 stieg er zum Revolutionsführer auf, rief am 8. November 1918 den Freistaat Bayern aus und wurde dessen erster Ministerpräsident. Am 21. Februar wurde er auf dem Weg zum Landtag erschossen. Zur Biografie von Kurt Eisner vgl. Grau, Bernhard: Kurt Eisner 1867–1919. Eine Biographie. München 2001. 842 Vgl. Meldungen zum Generalstreik an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 28.1.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1893; Jüngling, Streiks. 843 Zur Unterscheidung zwischen der USPD und der SPD verwendete man zwischen 1917 und 1922 auch den Namen MSPD für die SPD. In dieser Arbeit wird SPD und MSPD im betreffenden Zeitraum als Synonyme verwendet. 844 Vgl. Schmalzl, Auer, S. 80, 112, 233, 235, 251. 831
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zeiinspektoren über die Einschätzung der politischen Lage aus. 845 Kritisch beurteilte er dabei weniger die örtliche Situation als das Vorgehen der Regierung und der Vaterlandspartei sowie die Agitation von Erich Ludendorff im Hintergrund. 846 Die Zurückhaltung der Arbeiterbewegung zeigte sich auch am 1. Mai 1918, der ohne Kundgebung oder Störung verstrich. 847 Mit Besorgnis notierte Regierungspräsident Otto von Strößenreuther allerdings, dass „die Haltung eines großen Teiles der Presse und der Sozialdemokraten […] unerfreuliche Aussichten“ 848 eröffnete und die SPD erfolgreich neue Anhänger unter den Kriegsbeschädigten umwürbe. 849 Trotz dieser Einschätzungen hielt die gute und einvernehmliche Zusammenarbeit der Sozialdemokratie mit der Stadtverwaltung in Bezug auf die öffentliche Ruhe und Sicherheit bis zuletzt an. Noch im Oktober 1918 meldete Oberbürgermeister Wächter, dass „die Bildung eines alle politischen Parteien umfassenden Ausschusses“ 850 im Gange sei. Am 28. Oktober 1918 hielt der sozialdemokratische
Verein Bamberg dann eine Mitgliederversammlung ab, in der Konrad Mörsberger und Johann Steitz dazu aufriefen „in der jetzigen hochwichtigen Situation die Einigkeit hochzuhalten“ 851 und sich entgegen der Revolutionsbestrebungen „nicht zu Unüberlegtheiten verleiten zu lassen“ 852. Abgesehen von dieser Ermahnung und Beschwichtigung in Einklang mit der Staatspolitik deutete sich in Bamberg erstmals ein Umdenken und Umbruch in den Reihen der SPD hinsichtlich der Staatsspitze an. Neue Töne mischten sich in die Ansprache von Steitz: „Seine Verwunderung sprach er [Johann Steitz] darüber aus, daß unsere Vertreter in der Reichsregierung nicht schon längst den Rücktritt des Kaisers forderten und daß unsere Redner im Reichstage so vorsichtige Ausführungen machen.“ 853
Der Ortsverein der SPD war bereit für eine neue Zeit – ohne König und Kaiser – und schien in Bamberg nur noch auf ein Signal von außen zu warten.
Vgl. Meldung der Polizeiinspektion Bamberg v. 6. 2.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1893. Vgl. Meldung der Polizeiinspektion Bamberg v. 6. 2.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1893. 847 Vgl. Wochenbericht v. 6. 5.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20; Krauss, Geschichte, S. 296. 848 Vgl. Wochenbericht v. 21.1.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20. 849 Wochenbericht v. 29. 4.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20. Strößenreuthers Ausführungen offenbarten zugleich sein persönliches Bild von der Unmündigkeit der unteren Schichten: „Die Kriegsbeschädigten werden von der Sozialdemokratie andauernd umworben und scheinen, vielfach ohne es zu wissen und zu wollen, in das sozialdemokratische Fahrwasser hineinzugleiten.“ 850 Wochenbericht v. 16.10.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1838. 851 FV v. 31.10.1918, Nr. 253. 852 FV v. 31.10.1918, Nr. 253. 853 FV v. 31.10.1918, Nr. 253. 845
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3 Das politische Sozialmilieu 3.1 „Wahlrecht ist Wahlpflicht“ 1 – Wahlanalyse 3.1.1 Reichstags-, Landtags- und Reichspräsidentenwahlen 3.1.1.1 Landtagswahlen und Wahlen zur Nationalversammlung 1919 Ende November 1918 forderte der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat Bamberg in einer Resolution, „daß die Wahl einer Nationalversammlung unbedingt und sobald als nur möglich stattzufinden hat, da nur dadurch die notwendige Geschlossenheit des gesamten Volkes ermöglicht“ 2 würde. Knapp zwei Monate später wurde am 12. Januar 1919 zunächst der Bayerische Landtag und am 19. Januar die verfassunggebende Nationalversammlung gewählt. 3 Daraufhin titelte der Fränkische Volksfreund: „Der erste Sieg der neuen Zeit“ 4, denn die ersten demokratischen Wahlen mündeten in einen Höhenflug der Sozialdemokratie. 5 In Bamberg votierten mit 34,7 % (Landtagswahl) und 36,6 % (Nationalversammlungswahl) jeweils über ein Drittel der Wähler für die MSPD. 6 Damit übertraf die Bamberger Sozialdemokratie beide Male sowohl das durchschnittliche Ergebnis in Oberfranken als
auch in Bayern. 7 Im Wahlkreis Nr. 26 für ganz Franken erreichte sie das allgemeine Niveau. 8 Als Prämiere zog mit Johann Steitz ein Bamberger Vertreter der Arbeiterpartei in den Bayerischen Landtag ein und wirkte in der Folgezeit im Ausschuss zum Landtagswahlgesetz. 9 Die Bamberger SPD hatte ihren Popularitätsgewinn während des Ersten Weltkrieges in einen Wahlsieg umwandeln können. Mit deutlichem Abstand stellte sie die zweitstärkste Partei hinter der neugegründeten Bayerischen Volkspartei (BVP) des politischen Katholizismus, die 44,5 % (12. Januar 1919) und 47,1 % (19. Januar 1919) erzielte. 10 An dritter Position folgte mit etwa 20 Prozentpunkten Differenz zur SPD die liberale Deutsche Volkspartei in Bayern, ein Zusammenschluss der späteren DDP (Deutsche Demokratische Partei) und der DVP (Deutsche Volkspartei). 11 Verstärkt worden war der deutschlandweite Aufwärtstrend der Sozialdemokratie in Bamberg durch die Zulassung des Militärs zu den Wahlen. 12 Über 10 % ihrer Stimmen gewann die SPD in den zwei Wahlbezirken der Infanterie- und Ulanenkasernen. 13 Somit trugen die heimgekehrten Soldaten
FS v. 11. 9.1930, Nr. 208. FV v. 30.11.1918, Nr. 278. 3 Vgl. Wahlproklamation v. 5.12.1918 für die Landtagswahl 1919, BArch, SgY 10, V 236/7/36 Ü; Hartmann, Weg, S. 471 f.; Winkler, Weimar, S. 69 f. 4 FV v. 14.1.1919, Nr. 10. 5 Vgl. Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 17; Winkler, Weimar, S. 69; Schneider, Milieu, S. 28 f.; Krause, 115 Jahre, S. 51. 6 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919, Jg. 14. München 1919, S. 581, 586 f. Zu den Ergebnissen der Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung 1919 und der Reichstagswahlen 1920 bis 1933 in der Stadt Bamberg vgl. Tabelle 12 im Anhang. Zu den Ergebnissen der Landtagswahlen 1919 bis 1932 vgl. Tabelle 13 im Anhang. 7 Vgl. Götschmann, Dirk: Landtagswahlen (Weimarer Republik). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns. de/Lexikon/Landtagswahlen (Weimarer Republik)i (18. 8. 2016); Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919, S. 581, 583. Bei den Landtagswahlen erzielte die MSPD in Oberfranken 33,7 % und in Bayern 33,0 %. Bei den Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung stimmten in Oberfranken 34,7 % der Wähler für die MSPD und in Bayern 33,6 %. 8 Im Wahlkreis 26 erreichte die MSPD am 19. Januar 1919 36,4 %, sodass die Bamberger MSPD mit 36,6 % das Ergebnis minimal übertraf. Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919, S. 583. 9 Vgl. Schriftlicher Lebenslauf von Johann Steitz v. 19. 7.1938, StadtABa, BS, Nr. 483; Krause, 115 Jahre, S. 51; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 42; Götschmann, Dirk/Henker, Michael (Hg.): Geschichte des Bayerischen Parlaments 1819–2003. CD-Rom. Augsburg 2005; Krause, 115 Jahre, S. 51. 10 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919, S. 581, 586 f.; Götschmann, Landtagswahlen. 11 Die Deutsche Volkspartei in Bayern erhielt bei der Landtagswahl 16,1 % und bei der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung 15,1 % in Bamberg. Vgl. Falter, Jürgen W./Lindenberger, Thomas/Schumann, Siegfried: Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919–1933 (= Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte). München 1986, S. 42; Thränhardt, Dietrich: Wahlen und politische Strukturen in Bayern 1848–1953. Historisch-soziologische Untersuchungen zum Entstehen und zur Neuerrichtung eines Parteiensystems. Düsseldorf 1973, S. 134. 12 Vgl. Schreiben von Adolf Wächter an den Garnisonsältesten in Bamberg v. 14.12.1918, StadtABa, C 2, Nr. 606; Schreiben von Adolf Wächter an die Regierung von Oberfranken v. 16.12.1918, StadtABa, C 2, Nr. 606; BV v. 13.1.1919, Nr. 9. 13 Vgl. BV v. 13.1.1919, Nr. 9; BV v. 20.1.1919, Nr. 15. Das Bamberger Volksblatt hielt am 13.1.1919 fest: „[…] die Sozialdemokratie vereinigte in den beiden Infanteriekasernen die meisten Stimmen auf sich.“ 1
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Das politische Sozialmilieu
wesentlich zum positiven Resultat der linken Partei bei. 14 Der Sprung in die Nationalversammlung blieb dem Bamberger Kandidaten Konrad Mörsberger jedoch verwehrt, da er auf dem zehnten Listenplatz des fränkischen Wahlkreises aufgestellt worden war und lediglich die ersten fünf Kandidaten ein Mandat erhielten. 15 Entgegen der Gewinne und der Stärke der USPD im oberfränkischen Durchschnitt zeigte sich die Bamberger Wählerschaft weiterhin resistent gegenüber den Linksradikalen. 16 In der gesamten Stadt votierten nur 87 (12. Januar 1919) und 95 Wähler (19. Januar 1919) für die Partei des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, also nicht einmal 0,5 %. 17 Die Niederlage der Unabhängigen fiel in Bamberg gemessen am bayerischen Gesamtergebnis von 2,5 % und 3,7 % drastisch und deutlich aus. 18 Als eigenständige Partei war die USPD in der Regnitzstadt noch nicht angekommen und hatte vielmehr weiterhin den Status eines Flügels der MSPD. Dies wurde auch deutlich, als Oberbürgermeister Wächter in der Wahlvorbereitung die Benennung von Beisitzern für beide Arbeiterparteien an Johann Steitz übertrug, anstatt den Landtagswahlkandidaten der USPD, Josef Pfaff, direkt zu kontaktieren. 19 Unter dem offiziellen Schreiben fand sich der Absatz:
„Zusatz bei Steitz: Es wird anheimgegeben, wegen etwaiger Vorschläge von Beisitzern aus der unabhängigen sozialdemokratischen Partei mit dieser ins Benehmen zu treten.“ 20
Die MSPD war folglich mit viel Auftrieb, frischem Wind und Hoffnungen auf Seiten der Wähler in die Weimarer Republik gestartet, während die USPD nicht mehr als eine Randnotiz in Bamberg darstellte. 3.1.1.2 Reichs- und Landtagswahlen 1920 1920 wendete sich das Blatt (Abbildung 4). 21 Zeitgleich fanden am 6. Juni 1920 sowohl Landtags- als auch Reichstagswahlen statt. In der Folge ähnelten sich die Ergebnisse stark. 22 Eindeutiger Verlierer war nun die MSPD. 23 In Bamberg musste sie bei der Reichstagswahl einen Verlust von 19,1 Prozentpunkten hinnehmen. Die Sozialdemokratie stürzte regelrecht auf 17,5 % (Reichstagswahlen) und 17,6 % (Landtagswahlen) ab. 24 Johann Steitz hatte auf eine erneute Landtagskandidatur verzichtet. 25 Sein Nachfolger, der Redakteur Georg Dewald, verfehlte jedoch ein Mandat. 26 Begleitet wurde der sozialdemokratische Einbruch von einem Aufstieg der USPD, die nun 2.705 Stimmen auf sich vereinigte und ihren Anteil von 0,4 % (1919) auf 11,9 % (1920) steigerte. 27 Die Anhänger der Sozialdemokratie zeigten ihre Enttäuschung über die Regierungspolitik sowie die
Zur Unterstützung der MSPD-Regierung im Februar 1919 durch das Bamberger Ulanen-Regiment vgl. Mayershofer, Militär, S. 449. Auch in der Garnisonsstadt Kassel zeigte sich derselbe Wahltrend, bei dem die MSPD stark von den Stimmen der Soldaten profitierte. Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 222. 15 Vgl. Bayerischer Staatsanzeiger v. 2. 2.1919, StadtABa, C 2, Nr. 606. 16 Am 19. Januar 1919 stimmten in Oberfranken 11,3 % der Wähler für die USPD. Die Hochburg der USPD bildete Hof mit 56,6 % für die linksradikale Partei. Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919, S. 581; Hartmann, Weg, S. 471; Schneider, Milieu, S. 29; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 42. 17 Prozentual ausgedrückt entsprach dies 0,3 % bzw. 0,4 % der Stimmen. Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 13; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919, S. 581, 586 f. 18 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919, S. 583, 589; Götschmann, Landtagswahlen; Ehberger, Weg, S. 138 f. 19 Vgl. Bekanntmachung zur Landtagswahl v. 7.1.1919, StadtABa, C 2, Nr. 606; Schreiben von Adolf Wächter zu den Landtags- und Nationalversammlungswahlen v. 8.1.1919, StadtABa, C 2, Nr. 606. 20 Schreiben von Adolf Wächter zu den Landtags- und Nationalversammlungswahlen v. 8.1.1919, StadtABa, C 2, Nr. 606. 21 Vgl. Winkler, Heinrich August: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik (= Der lange Weg nach Westen, Bd. 1). München 22001, S. 415 f. 22 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 13; Hartmann, Weg, S. 479. 23 Vgl. Götschmann, Landtagswahlen; Hartmann, Weg, S. 479; Büttner, Weimar, S. 147; Schneider, Milieu, S. 36 f.; Ehberger, Weg, S. 292; Miller, Bürde, S. 412. 24 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921, S. 524 f.; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 291,2. Berlin 1920, S. 78. 25 Vgl. Schriftlicher Lebenslauf von Johann Steitz v. 19. 7.1938, StadtABa, BS, Nr. 483. Johann Steitz gab als Begründung gegen eine erneute Kandidatur an, dass ihn „die gemeindlichen Arbeiten zu sehr in Anspruch nahmen“. 26 Vgl. Bekanntmachung der Wahlvorschläge v. 31. 5.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; Götschmann/Henker, Geschichte. Georg Dewald gehörte schließlich zwischen 1924 und 1932 dem Bayerischen Landtag als Abgeordneter des Stimmkreises Miltenberg-Obernburg, Aschaffenburg, Alzenau-Lohr an. 27 Vgl. Tabelle 12; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 291,2, S. 78; Hartmann, Weg, S. 479; Büttner, Weimar, S. 147; Götschmann, Landtagswahlen; Miller, Bürde, S. 412 f. 14
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
Sonstige
KPD
USPD
SPD
DDP 3
07.12.1924
20.05.1928
DVP
BVP
DNVP 2
NSDAP 1
100% 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% 19.01.1919
1 2
3
06.06.1920
04.05.1924
14.09.1930
31.07.1932
06.11.1932
05.03.1933
Abbildung 4: Ergebnisse der Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung 1919 und der Reichstagswahlen von 1920 bis 1933 in Bamberg. Bei den Reichstagswahlen 1924 trat die NSDAP in Bamberg unter dem Namen Völkischer Block an. In Bayern trat die Bayerische Mittelpartei bei den Wahlen 1919 und 1920 für die DNVP an. Im März 1933 nannte sie sich Kampffront Schwarz-Weiß-Rot. Bei der Wahl 1919 trat die DDP unter dem Namen Deutsche Volkspartei in Bayern an. Ab 1930 nannte sie sich Deutsche Staatspartei.
Ereignisse im Zusammenhang mit der Bayerischen Räterepublik und dem Kapp-Lüttwitz-Putsch. 28 Die unvollendete Revolution, der Versailler Vertrag und die Niederschlagung von Arbeiterunruhen durch die Reichswehr belasteten zusätzlich das Verhältnis zur regierenden MSPD. 29 Ein Auftritt des Reichskanzlers Hermann Müller 30 am 14. Mai 1920 vor 600 Zuhörern im Hotel „Erlanger Hof“ (Luitpoldstraße 51) änderte in Bamberg nichts mehr an dieser Missstimmung. 31 In den Revolutionsmonaten hatte man große Hoffnung in die Sozialdemokratie gesetzt und ihr einen Vertrauensvorschuss zukommen lassen, doch diese Stimmung war von Frustration und Ernüchterung abgelöst worden. Berufs-
gruppen wie Beamte oder Selbständige hatten 1919 die SPD vermehrt unterstützt, doch wandten sie ihr nur ein Jahr später wieder den Rücken zu. 32 Die linke Massenbewegung war im Frühjahr 1920 zum Stehen gekommen. 33 Mit diesem Unmut musste die MSPD im gesamten Reich kämpfen, doch fiel der Stimmenrückgang in Bamberg gemessen am deutschlandweiten Verlust stärker aus. 34 Einerseits lag dies bedingt durch die Demobilisierung in dem Wegfall der militärischen Stimmbezirke, der sich im Bamberger Wahlresultat niederschlug. 35 Andererseits erfolgte auch in Bamberg ein erster Rechtsruck, denn die Wähler ließen die SPD nicht nur „links“, sondern auch „rechts“ liegen und wechselten neben
Der Kapp-Lüttwitz-Putsch war der Versuch eines rechten Staatsstreiches am 13. März 1920 in Berlin, der sich gegen die Weimarer Republik und die Demobilisierung gemäß des Versailler Vertrages richtete. Als Drahtzieher agierten der Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp und der General Walther Freiherr von Lüttwitz. Durch den Generalstreik der Regierung und der Gewerkschaften konnte der Putschversuch am 17. März beendet werden. In Bayern hatte der Putsch aber die Ablösung des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann durch Gustav von Kahr zur Folge. Vgl. Thoß, Bruno: Kapp-Lüttwitz-Putsch, 1920. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kapp-LüttwitzPutsch, 1920i (5. 8. 2018); Büttner, Weimar, S. 137–143; Winkler, Revolution, S. 344; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 40–43. 29 Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 26. 30 Der SPD-Politiker Hermann Müller (1876–1931) war seit 1919 SPD-Vorsitzender und zwei Mal während der Weimarer Republik Reichskanzler, nämlich von März bis Juni 1920 und von 1928 bis 1930. Zu seiner Person vgl. Behring, Rainer: Hermann Müller (1876–1931) und die Chancen der Weimarer Republik. In: Sozialdemokratische Regierungschefs in Deutschland und Österreich 1918–1983. Hg. v. P. Brandt/D. Lehnert. Bonn 2017, S. 127–157. 31 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1580, 1737. 32 Vgl. Geyer, Welt, S. 376. 33 Vgl. Feldmann, Gerald D./Kolb, Eberhard/Rürup, Reinhard: Die Massenbewegungen der Arbeiterschaft in Deutschland am Ende des Ersten Weltkrieges (1917–1920). In: Der Erste Weltkrieg. Hg. v. W. Kruse. Darmstadt 2014, S. 106–109. 34 Vgl. Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 42. Reichsweit hatte die SPD 16,2 Prozentpunkte eingebüßt. 35 Vgl. Sitzungsbeschluss des Stadtrats Bamberg v. 19. 5.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611: „Die Einteilung des Stadtbezirks in die Wahlbezirke für Reichsund Landtagswahl entspricht der bisherigen Einteilung; lediglich die Wahlbezirke 42 u. 43, d. S. die Militärbezirke, sind weggefallen.“ 28
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Das politische Sozialmilieu
der USPD auch zur Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). 36 So verloren die Linksparteien 1920 kurzfristige Anhänger der unmittelbaren Nachkriegszeit, die sie nicht binden und halten konnten. Allgemein ist eine rechtskonservative bürgerliche Wende bezeichnend für diese Wahlen, die in Bamberg auch der BVP zugutekam, die mit 50,7 % (Reichstagswahl) und 50,3 % (Landtagswahl) die absolute Mehrheit erreichte. 37 Außerdem verstanden es in Bamberg die radikalen Parteien besser, die Politisierung und Radikalisierung der Wählerschaft aufzugreifen und durch Propagandamethoden für sich zu gewinnen. 38 Als neues Mittel wurden allegorische Farbdarstellungen auf Wahlplakaten gezeigt. 39 Besonders erfolgreich agierten auf diesem Gebiet in Bamberg die USPD und die Mittelpartei. 40 Während sich die USPD auf einem Plakat voller Soldatenleichen gegen Hindenburg, den Militarismus und die rechten Putschversuche positionierte, hetzte die Mittelpartei durch „12 portraitähnliche Charakterköpfe“ 41 gegen Juden und erregte damit Aufsehen. 42 „Die Wahlen können ausfallen wie sie wollen; sie werden doch auf der Strasse ausgefochten werden.“, 43 ließ der Bamberger USPD-Vorstand Otto Geyer in einer Versammlung Ende Mai 1920 verlauten. Gleichzeitig beobachtete die Polizeistelle für Nordbayern, dass in Bamberg
„mit roten Schärpen geschmückte Knaben in Erstkommunikanten- oder Konfirmanden-Anzügen, von Erwachsenen begleitet, nach amerikanischem Vorbild, Plakate durch die Strassen trugen, auf denen zur Wahl der U.S.P.-Kandidaten aufgefordert wurde.“ 44
Trotz dieses Umschwungs zugunsten der USPD blieben deren Resultate unterdurchschnittlich verglichen mit den Werten aus Oberfranken, dem Wahlkreis Franken, Bayern und dem Reich. 45 Die Differenz zwischen USPD und MSPD betrug in Bamberg in beiden Wahlen über 5 Prozentpunkte und die Parteien lagen nicht wie im Wahlkreis Franken auf einem Niveau. 46 Auf noch weniger Resonanz als die USPD 1919 stieß die Neugründung der KPD in Bamberg. Gerade mal eine einzige Stimme wurde bei der Reichstagswahl 1920 für diese Partei abgegeben. 47 Bamberg blieb also trotz zunehmender Politisierung zurückhaltend gegenüber linksextremen Strömungen. 48 Eindeutig wurde die Arbeiterbewegung weiterhin von der MSPD dominiert. Diese entdeckte mit Verspätung 1920 erstmals die Wahlgruppe der Frauen für sich und lud „besonders die Wählerinnen“ 49 zu Wahlversammlungen ein. 50 1919 hatte man diese Zielgruppe der BVP überlassen, die beispielsweise in einer speziel-
Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 25 f. Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921, S. 524 f.; Hartmann, Weg, S. 479. 38 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 5. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Monatsbericht der Kreisleitung der Einwohnerwehren Oberfrankens v. 29. 5.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1809. 39 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 5. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95: „Eine neue Erscheinung in diesem Wahlkampfe ist die, dass alle Parteien, von der Deutschnationalen (Mittel-)Partei bis zur K.P.D., in farbenfreudigen Plakaten zum Teil grössten Umfangs ihre Ziele durch allegorische Darstellungen den Wählern klar zu machen suchen.“ Zur Entwicklung des politischen Plakats sowie dem Bedeutungszuwachs visueller Kommunikation in der Politik während des Ersten Weltkrieges vgl. Artinger, Kai: Das politische Plakat – Einige Bemerkungen zur Funktion und Geschichte. In: Die Grundrechte im Spiegel des Plakats. 1919 bis 1999. Hg. v. K. Artinger. Bonn 1999, S. 15–22; Schmidt, Anne: Entwicklungen in der politischen Bildsprache. In: Der Erste Weltkrieg. Hg. v. W. Kruse. Darmstadt 2014, S. 232–254. 40 Die Bayerische Mittelpartei (BMP) wurde 1918 als nationalkonservative Regionalpartei gegründet und schloss sich 1920 der DNVP an. Vgl. Kiiskinen, Elina: Bayerische Mittelpartei (BMP) – Deutschnationale Volkspartei (DNVP), 1918–1932/33. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www. historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerische Mittelpartei (BMP) – Deutschnationale Volkspartei (DNVP), 1918–1932/33i (18. 8. 2016). 41 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 5. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 42 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 5. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 43 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 5. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 44 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 12. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 45 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1920, Jg. 15. München 1920, S. 518 f.; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 42, 344 f.; Miller, Bürde, S. 413– 415. Bei den Reichstagswahlen erzielte die USPD in Oberbayern insgesamt 13,5 %, im Wahlkreis Franken 16,6 %, in Bayern 13,0 % und im Reich 17,9 %. 46 Vgl. Winkler, Revolution, S. 353. Im Wahlkreis Franken lag die USPD bei der Reichstagswahl 1920 lediglich 0,8 Prozentpunkte hinter der MSPD. 47 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 291,2, S. 78. 48 Vgl. Miller, Bürde, S. 414. Die Immunität gegenüber der USPD zeigte sich nach den Forschungen von Susanne Miller im Jahr 1920 auch in manchen Großstädten wie beispielsweise Hamburg, Hannover, Magdeburg oder Breslau, in denen die USPD ebenfalls deutlich hinter der MSPD zurückblieb. 49 FS v. 4. 6.1920, Nr. 126. 50 Es gehört zu den Kuriositäten der Geschichte, dass Frauen nach der Erlangung des Frauenwahlrechts 1918 vor allem Parteien wählten, die sich nicht für das Frauenwahlrecht eingesetzt hatten. So wählten die Frauen in der Weimarer Republik vor allem Zentrum, BVP und konservative 36 37
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
len Dienstmädchenversammlung betonte, „der Sozialismus zerstöre das Familienleben“ 51 und so Frauen gegen die SPD mobilisierte. Als Folge der neuen antisemitischen Propaganda durch rechte Parteien positionierte sich die Bamberger SPD im Wahlkampf außerdem eindeutig gegen diese Form von Rassismus. „Scharfe Abrechnung hielt der Redner [Georg Dewald] mit dem antisemitischen Gesindel und wies die ganze Lächerlichkeit und Dummheit dieser Leute nach“, 52 so lautete der Bericht zu einer Wahlversammlung. Im Nachgang der Wahlen beschönigte man im Freistaat die Niederlage und appellierte für die Zukunft an den Kampfgeist der Bamberger Sozialdemokraten: „Wohl gelang es, die Sozialdemokraten etwas zurückzudrängen, aber schlimm ist es nicht. […] Der Ausgang der Wahl ist also in keiner Weise so vernichtend gewesen, wie angenommen wurde. Die Sozialdemokratie läßt sich durch diesen Rückschlag nicht den Mut nehmen; denn sie ist kämpfen gewohnt und wird ihr Ziel mit umso größerer Tatkraft weiter verfolgen.“ 53
3.1.1.3 Reichs- und Landtagswahlen 1924 „Gegen den Schuldparagraphen“ 54 und „gegen den Versailler Gewaltvertrag“ 55 sprach im Frühjahr 1924 in Bamberg nicht etwa Erich Ludendorff auf einer Wählerversammlung des Völkischen Blocks 56,
sondern der Sozialdemokrat Wilhelm Sollmann aus Köln. 57 In seiner Rede im Zentralsaal protestierte er gegen „die Entwaffnung Deutschlands […] [als] eine Ungerechtigkeit“ 58 und analysierte, dass „aus diesen Zuständen der Verletzung nationaler Würde […] die ‚vaterländische‘ Bewegung ihre Kräfte [zöge].“ 59 Diese extreme Einschätzung, verbunden mit dem Aufruf zur Wahl des SPD-Kandidaten Josef Dennstädt aus Bamberg, überzeugte die Wähler nicht mehr und so mündeten die Landtagswahlen am 6. April 1924 in ein sozialdemokratisches Wahldebakel. 60 Die Sozialdemokratie musste nicht nur ihre Position als zweitstärkste Partei an den Völkischen Block abtreten, sondern sie rutschte mit 15,8 % auch auf einen neuen Tiefstand ab. 61 Verglichen mit den Ergebnissen aus Oberfranken und Bayern lag die SPD-Bamberg mit diesem Ergebnis erstmals unter dem Durchschnitt. 62 Der gesamte linke Block aus SPD und KPD erreichte keine 20 % mehr. 63 Bamberg war stattdessen nach dem gescheiterten Hitlerputsch vom November 1923 neben Nürnberg zu einem Zentrum der Völkischen geworden. 64 Der Freistaat verurteilte einerseits die rabiaten Methoden der Rechten und tadelte andererseits das Wahlverhalten der Bamberger Arbeiterschaft: „Ein Verräter an seiner eigenen Klasse ist der Arbeiter, der dieser ‚völkischen‘ Sippschaft Sympathie entgegen bringt.“ 65
Rechtsparteien, während die SPD nur wenig profitierte und auch die extremen Parteien in den 1920er Jahren keinen Vorteil hatten. Vgl. Gerhard, Frauenbewegung, S. 82–85; Büttner, Weimar, S. 105 f.; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 81; Falter, Hitlers Wähler, S. 145 f. 51 FV v. 15. 2.1919, Nr. 38. 52 FS v. 8. 6.1920, Nr. 129. 53 FS v. 8. 6.1920, Nr. 129. 54 FS v. 1. 4.1924, Nr. 77. 55 FS v. 1. 4.1924, Nr. 77. 56 Der Völkische Block war wegen des Verbots der NSDAP nach dem Hitlerputsch als Wahlorganisation verschiedener völkischer Verbände am 6. Januar 1924 in Bamberg gegründet worden. Vgl. Probst, Robert: Völkischer Block in Bayern (VBI), 1924/1925. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Völkischer Block in Bayern (VBI), 1924/25i (2. 9. 2016); Zehentmeier, Entwicklung, S. 29; Hambrecht, Aufstieg, S. 62 f. Hambrecht nennt im Gegensatz zu Probst den 7. Januar 1924 als Gründungsdatum des Völkischen Blocks. 57 Vgl. FS v. 1. 4.1924, Nr. 77; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 4.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857. Zur Biografie Wilhelm Sollmanns vgl. Walter, Franz: Wilhelm Sollmann (1881–1951). Der Parteireformer. In: Vor dem Vergessen bewahren. Lebenswege Weimarer Sozialdemokraten. Hg. v. P. Lösche/M. Scholing/F. Walter. Berlin 1988, S. 362–390; Ebert, Simon: Wilhelm Sollmann. Sozialist – Demokrat –Weltbürger (1881– 1951) (= Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 97). Bonn 2014. 58 FS v. 1. 4.1924, Nr. 77. 59 FS v. 1. 4.1924, Nr. 77. 60 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, Jg. 16. München 1924, S. 468 f. 61 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, S. 469. 62 In Oberfranken erzielte die SPD 24,5 % und in Bayern 17,2 %. Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, S. 471, 475. 63 SPD und KPD erhielten bei den Landtagswahlen am 6. April 1924 zusammen 19,3 % der Stimmen; vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, S. 468 f. 64 Vgl. Lagebericht v. 22.1.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; Hambrecht, Aufstieg, S. 69. 65 FS v. 7. 4.1924, Nr. 82. Laut dem Freistaat rissen völkische Gruppierungen in Bamberg die Wahlplakate anderer Parteien ab oder überklebten diese mit eigenen Wahlaufrufen.
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Das politische Sozialmilieu
Deutliche Einbußen brachten die Landtagswahlen neben dem linken Lager auch der BVP. 66 Von 50,3 % bei den Landtagswahlen 1920 reduzierte sich ihr Anteil in Bamberg um 12,8 Prozentpunkte auf 37,5 %. 67 Nur knapp sicherte sich die katholische Partei damit einen Vorsprung vor dem Völkischen Block. Nach den innenpolitischen Unruhen und der wirtschaftlichen Krise durch die Inflation waren die Bamberger Bürger in hohem Maße verunsichert und verbittert. 68 Keine der traditionellen Parteien und keines der Wählerlager erwiesen sich als resistent gegen den Ansturm von rechts. Addiert man die Stimmen der Vereinigten Nationalen Rechten (777 d. h. 3,4 %) zu denen des Völkischen Blocks (35,5 %), so übertrafen diese im Frühjahr 1924 den Wählerstamm der BVP. 69 Dies war ein bemerkenswertes Ergebnis für eine katholische Stadt, deren Wahlnorm üblicherweise von einem starken Resistenzfaktor gegen die rechte Bewegung bestimmt war. 70 In anderen fränkischen Städten wie Würzburg oder Aschaffenburg zeigten sich hingegen bessere Haltequoten der BVP und geringere nationalistische Erfolge. 71 Einzig die Stadt Forchheim ähnelte Bamberg hinsichtlich des Einbruchs der katholischen Partei bei ebenfalls starken Gewinnen der rechten Parteien. 72 Die neue Protesthaltung der Wähler offenbarte sich außerdem im Stimmenanteil der KPD, die in Bamberg nun 786 Anhänger für sich vereinnahmte und folglich einen Prozentsatz von 3,5 % erreichte. 73 Regierungspräsident Strößenreuther konstatierte daraufhin, dass „die
Lockerung der polizeilichen Maßnahmen während der Wahlbewegung […] von den Kommunisten […] mit Erfolg ausgenützt worden [sei].“ 74 Die KPD hatte in Bamberg die USPD abgelöst und begann sich als radikale Alternative zur SPD zu etablieren. 75 Ein ähnliches Wahlergebnis wie die Landtagswahlen im April 1924 förderten die einen Monat später stattfindenden Reichstagswahlen am 4. Mai 1924 zutage. 76 Charakterisiert als „Inflationswahl“ 77 oder „Protestwahlen“ 78 gingen erneut die Oppositionsparteien als Sieger hervor, während die staatstragenden Parteien von der Wählerschaft abgestraft wurden. 79 Insgesamt schwächte sich der Trend zu den extremen Flügelparteien etwas ab, denn der Völkische Block als Ersatz für die NSDAP sank in Bamberg leicht auf 32,0 % und der Anteil der KPD schrumpfte auf 2,7 %. 80 Parallel erhöhte sich der Prozentsatz der BVP wieder auf 41,9 %. 81 Die SPD verharrte weiterhin in der Defensive und verlor erneut Anhänger, sodass sich ihr Anteil auf 15,1 % reduzierte. 82 Ähnlich wie in München fiel die SPD damit auf einen Stand wie zu Zeiten des frühen Kaiserreichs zurück. 83 Ihr Lavieren zwischen Regierungs- und Oppositionspartei stieß auf Unverständnis und von der Einigung mit der USPD im September 1922 konnte sie nicht profitieren. 84 Der Erklärungsversuch des Freistaats, dass aufgrund des schlechten Wetters vor allem SPD-Wähler vom Urnengang abgehalten worden waren, erschien wenig glaubhaft und offenbarte vor allem die verzweifelte
Zu den Gründen für den Rückgang der BVP vgl. Schönhoven, Klaus: Die Bayerische Volkspartei 1924–1932. Düsseldorf 1972, S. 89–97. Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921, S. 524 f.; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, S. 468 f. 68 Vgl. Geyer, Welt, S. 356. 69 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, S. 468 f. Die Vereinigte Nationale Rechte war der Zusammenschluss aus DNVP und DVP für die Landtagswahlen 1924. Vgl. Thränhardt, Wahlen, S. 166. 70 Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 186–193. 71 Vgl. Thränhardt, Wahlen, S. 166. 72 Vgl. Thränhardt, Wahlen, S. 166; Hofmann, Andreas Stefan: Resistenz des katholischen Milieus gegen die NSDAP im oberfränkischen Bezirk Forchheim 1920–1933. In: BHVB 151 (2015), S. 271, 278. 73 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, S. 468 f.; Geyer, Welt, S. 355 f. 74 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 5.1925, BayHStA, MA, Nr. 102.155/2. 75 Vgl. Winkler, Schein, S. 177 f. 76 Vgl. Geyer, Welt, S. 355; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,2. Berlin 1924, S. 57; Hambrecht, Aufstieg, S. 68. 77 Falter, Hitlers Wähler, S. 26. 78 Geyer, Welt, S. 356. 79 Vgl. Abbildung 4; Büttner, Weimar, S. 338. 80 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,2, S. 57; Büttner, Weimar, S. 338; Hambrecht, Aufstieg, S. 68 f. 81 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,2, S. 57. 82 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,2, S. 57; Geyer, Welt, S. 363. 83 Vgl. Geyer, Welt, S. 365. 84 Vgl. Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 80; Büttner, Weimar, S. 338 f. 66 67
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Suche nach Ursachen. 85 Schließlich hatte schon während des Wahlkampfes ein hohes Maß an Desinteresse geherrscht und die Wahlbeteiligung war folglich „erheblich geringer als bei der Landtagswahl“ 86 ausgefallen. 87 In Bamberg befand sie sich mit 70,5 % in ihrer absoluten Talsohle während der gesamten Weimarer Republik. 88 Die Wähler hatten das Vertrauen in die Politik des neuen Staates verloren und demonstrierten dies entweder durch Stimmenthaltung oder durch die Abkehr von den staatstragenden Parteien. 89 Schwer getroffen wurde davon in Bamberg auch die DDP. 90 Von 15,1 % im Jahr 1919 hatte sich ihr Anteil auf ein Fünftel, nämlich 3,1 %, reduziert und ragte über den Status einer Splittergruppe kaum mehr hinaus. 91 In ähnlicher Weise zeigte sich der Rückgang der Linksliberalen zwischen 1919 und 1924 auch in einigen bürgerlichen Stadtvierteln in München. 92 Die Wahlen im Frühjahr 1924 offenbarten das enorme Potenzial einer ‚party of protest‘ 93 auf der rechten, nationalistischen Seite in Bamberg. Die ersten fünf Jahre der Republik hatten das Abstimmungsverhalten eines Großteils der Bürger auf den Kopf gestellt. Vor allem in Krisenzeiten nahm die
Radikalisierung überhand und ließ die Extreme und die republikfeindlichen Alternativen erstarken. Traditionsgemäß blieb die Linksradikale dabei in Bamberg unterdurchschnittlich, doch als „vollkommen neuer Typus der Volkspartei“ 94 schaffte es der Völkische Block Wähler aus allen anderen Lagern für sich abzuziehen. 95 Vor dem Hintergrund dieser Wahlergebnisse erscheinen die späteren Erfolge der NSDAP nicht mehr als große Überraschung. 96 Die Weichen für den Erfolg der „Volkspartei des Protests“ 97 waren 1924 zwar noch nicht gestellt, aber die Weggabelung war bereits vorhanden und am Horizont zu erahnen. Sechs Monate später bewies Bamberg in den Reichstagswahlen am 7. Dezember 1924, dass es „doch mehr Republikaner gibt, als manchen Kreisen lieb sein mag.“ 98 Die SPD steigerte ihre Stimmenanzahl von 3.215 auf 4.401 und erreichte eine Zustimmung von fast einem Fünftel der Wählerschaft (19,1 %). 99 Sie eroberte wieder den Posten als zweitstärkste Partei hinter der BVP (41,5 %) und befand sich sowohl vor der DNVP (15,8 %) als auch vor dem Völkischen Block (10,7 %). 100 Zusammen mit der KPD (2,1 %) und dem Restanteil an
Vgl. FS v. 6. 5.1924, Nr. 104: „Die schlechte Witterung hielt viele Wähler von der Wahlurne fern, was sehr bedauerlich ist, da ein nicht unwesentlicher Teil davon Anhänger unserer Partei sind.“ 86 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 5.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857. 87 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 4.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857. 88 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 13; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,2, S. 57. Im Regierungsbezirk Oberfranken wies Bamberg nach Selb (66,9 % Wahlbeteiligung) damit das zweitschlechteste Ergebnis unter allen kreisfreien Städten auf. Die durchschnittliche Wahlbeteiligung in Oberfranken lag, ähnlich wie in Bamberg, bei 70,5 %. 89 Vgl. Geyer, Welt, S. 356. 90 Vgl. Büttner, Weimar, S. 338. 91 Vgl. Geyer, Welt, S. 369 f. 92 Vgl. Geyer, Welt, S. 370. In den Münchner Stadtbezirken Lehel und Schwabing-West sank die DDP zwischen 1919 und 1924 von 12 % bzw. 13 % auf 3,8 % bzw. 3,3 % ab. 93 Childers, Thomas: The Nazi Voter. The Social Foundations of Fascism in Germany, 1919–1933. London 1983, S. 269. Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 289. 94 Geyer, Welt, S. 372. 95 Vgl. Geyer, Welt, S. 371–378. 96 Vgl. Abbildung 11; Matthiesen, Helge: Zwei Radikalisierungen: Bürgertum und Arbeiterschaft in Gotha 1918–1923. In: GG 21 (1995), S. 60 f. In seinem Aufsatz zu Gotha zwischen 1918 und 1923 kommt Helge Matthiesen zu dem Fazit, dass die Radikalisierung des Bürgertums und der Arbeiterschaft schon 1920 nach dem Kapp-Putsch abgeschlossen war und „sich nur noch wenig an der Gesamtkonstellation“ änderte. Dieses Ergebnis lässt sich für Bamberg eher 1924 als 1920 attestieren, weicht jedoch entscheidend von der Entwicklung in Gotha ab, da sich die Arbeiterschaft nicht radikalisierte und die KPD niemals zur linken Hauptpartei aufstieg. 97 Falter, Hitlers Wähler, S. 371. 98 FS v. 28.10.1924, Nr. 250; vgl. Abbildung 4. 99 Auch reichsweit war der Zuwachs der SPD von 20,5 % auf 26,0 % charakteristisch für diese Reichstagswahlen. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,4. Berlin 1925, S. 54; Büttner, Weimar, S. 340. 100 Bamberg wies mit 21,3 Prozentpunkten im Vergleich zur vorangegangenen Wahl besonders hohe Verluste für die völkische bzw. nationalsozialistische Bewegung auf. Ähnliche Rückgänge wurden auch in anderen Beamtenstädten wie Eichstätt, Bayreuth oder Ansbach registriert, sodass sich vermutlich vor allem die Staatsangestellten wieder abwandten und vermehrt zur DNVP wechselten, die als Sieger aus der Wahl hervorging. In Bamberg erreichte die DNVP ein Plus von 12,4 Prozentpunkten. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,4, S. 54; Hambrecht, Aufstieg, S. 83 f. 85
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USPD-Wählern (0,5 %) sprachen sich 21,7 % für eine der Arbeiterparteien aus. 101 Mit diesem Wert erreichte der Linksblock in Bamberg ein stabiles Niveau, das bis 1933 nur noch leichten Schwankungen von unter drei Prozentpunkten unterworfen war (Abbildung 5). 102 Vorausgegangen war in Zusammenhang mit dem Dawes-Plan eine Phase der wirtschaftlichen und politischen Konsolidierung, die auch in Bamberg positive Auswirkungen, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, zeigte. 103 Zudem honorierte die demokratische Wählerschaft die MobiBVP
lisierung und Sammlung der Republikaner im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. 104 Sechs Wochen vor den Wahlen hatte nämlich der fränkische Gautag des Reichsbanners mit 200 Ortsgruppen in Bamberg stattgefunden und dabei war sowohl die „Festigkeit im Kampfe für die Weimarer Verfassung“ 105 als auch die „Liebe zum demokratischen Staat“ 106 postuliert und gefeiert worden. Im anschließenden Halbmonatsbericht wurde die Bedeutung des Treffens für den Wahlkampf zusammengefasst:
Linksblock
Wahlergebnisse in %
60 50 40 30 20 10 0 19.1.1919 6.6.1920 4.5.1924 7.12.1924 20.5.1928 14.9.1930 31.7.1932 6.11.1932 5.3.1933
Abbildung 5: Entwicklung der Wahlergebnisse der BVP im Vergleich zum Linksblock in Bamberg von 1919 bis 1933. „Die sozialistischen Vertrauensmänner, die am 26. in Bamberg versammelt waren, werden dort ihre Richtlinien für die Wahlen erhalten haben. Durch die neue Bewegung des Reichsbanners SchwarzRot-Gold, die der etwas lau und gleichgültig gewordenen Stimmung bei den Sozialisten einen frischen Aufschwung gegeben hat, werden sie auch für die Wahlen eine verstärkte Stosskraft gewonnen haben.“ 107
In Abkehr vom früheren, teilweise an völkische Propaganda angelehnten Wahlkampf warb die SPD im Winter 1924 mit eindeutigen Parolen gegen die DNVP und präsentierte sich kompromisslos hinsichtlich der Republik als Staatsform, die sie als Garant für Frieden und Freiheit sah. 108 Der neue Auftrieb durch das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold förderte zwar vor allem die SPD, aber zugleich wurde der parteiübergreifende Zusammenhalt aller Demokraten gestärkt. 109 Dies führte zu der Neuerung,
Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,4, S. 54. Vgl. Tabelle 12. 1928 erzielten die Arbeiterparteien zusammen 23,3 %, 1930 21,9 %, im Juli 1932 20,5 % und im November 1932 21,5 %. Zur Konstanz und Stabilität der politischen Lager in Deutschland vgl. Rohe, Entwicklung, S. 39–58. Im Gegensatz zu Rohe betont Falter die Komplexität der Wählerbewegungen hin zum Nationalsozialismus aus allen politischen Lagern – inklusive dem sozialistischen und katholischen Block. Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 114–117. 103 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1858; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 81. 104 Zum Kampfbund Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold vgl. Kapitel 3.2.9; Lagebericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 26.11.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Kronach, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859. 105 Fränkische Volkstribüne. Tageszeitung der Sozialdemokratischen Partei für Bayreuth und das mittlere Oberfranken v. 28.10.1924, Nr. 253. 106 Fränkische Volkstribüne v. 28.10.1924, Nr. 253. 107 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Kronach v. 29.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859. 108 Lagebericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 26.11.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 109 Vgl. Fränkische Volkstribüne v. 28.10.1924, Nr. 253; Lagebericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 26.11.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 101
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dass die Bamberger Sozialdemokratie die DDP im Wahlkampf unterstützte und ihre Veranstaltungen im Freistaat bewarb. 110 So schlossen letztendlich auch die Linksliberalen mit einem Gewinn von 371 Stimmen die Wahlen ab und steigerten sich von 3,1 % auf 4,5 %. Eine Ausnahme von den Gewinnen der Mittelparteien bildete die BVP in Bamberg, die im Winter 1924 trotz allgemeiner Zuwächse in Franken und im Reich leichte Verluste von 41,9 % auf 41,5 % verzeichnete. 111 Damit läutete sie einen Prozess des SPD
langsamen kontinuierlichen Rückgangs in Bamberg ein, der bei den folgenden Reichstagswahlen bis 1933 nur noch ein einziges Mal, nämlich im November 1932, unterbrochen wurde. 112 Die BVP hatte seit den Frühjahrswahlen 1924 ihre Vormachtstellung in der konservativen Sammlungsbewegung eingebüßt und verlor zunehmend ihren Status als Repräsentant des politischen Konservativismus. 113 Diese Tendenz zeigte sich auch in einzelnen anderen Städten Ober- und Unterfrankens wie beispielsweise in Bad Kissingen oder Forchheim. 114 KPD
Differenz zur letzten Wahl in %
5 4 3 2 1 0 -1 -2 -3 4.5.1924
7.12.1924
20.5.1928
14.9.1930
31.7.1932
6.11.1932
Abbildung 6: Veränderung der Wahlergebnisse von SPD und KPD zur jeweils vorigen Reichstagswahl in Bamberg von 1924 bis 1933. Die Entwicklung von SPD und KPD verlief stets gegenläufig.
Gegenläufig zu den Ergebnissen der SPD bewegten sich die Resultate der KPD (Abbildung 6). Aufgrund der rückläufigen Radikalisierung bei den Dezemberwahlen 1924 schwand der ohnehin geringe Anteil der kommunistischen Wähler in Bamberg auf 2,1 % und befand sich damit auf einem unterdurchschnittlichen Niveau für den Wahlkreis Franken. 115 Als neuer Vertrauensmann und kommunistischer Wahlleiter in Bamberg etablierte sich der Rechtsreferendar Dr. Josef Dietz, der in engem Kon-
takt zum Bezirkswahlkomitee Nordbayern in Nürnberg stand und dort unter andrem an einer Wahlleiterkonferenz teilnahm. 116 3.1.1.4 Reichspräsidentenwahlen 1925 „Der Vize-Wilhelm gewählt?“ 117 so titelte der Freistaat am Tag nach dem zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahlen 1925 und spielte auf die Rolle Paul von Hindenburgs als Ersatzkaiser an. 118 Schon den Wahlkampf hatte die Bamberger SPD
Vgl. FS v. 1.12.1924, Nr. 278. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,4, S. 54; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 344; Büttner, Weimar, S. 340; Hambrecht, Aufstieg, S. 84; Schönhoven, Bayerische Volkspartei, S. 113. 112 Vgl. Abbildung 5; Tabelle 12; Thränhardt, Wahlen, S. 163–167. 113 Vgl. Geyer, Welt, S. 366–369. 114 Vgl. Thränhardt, Wahlen, S. 166. 115 Vgl. Winkler, Schein, S. 216; Falter/Schumann, Wahlen, S. 70. Im Wahlkreis Franken hatte die KPD am 7. Dezember 1924 insgesamt 3,7 % der Stimmen erhalten. 116 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859; Briefe des Nordbayerischen Bezirkswahlkomitees der KPD v. 23.10.1924 und v. 24. 10.1924, StABa, K 105, Nr. 142. 117 FS v. 27. 4.1925, Nr. 95. 118 Zu den Ergebnissen der Reichspräsidentenwahlen am 29. März und 24. April 1925 in Bamberg vgl. Tabelle 14 und Tabelle 15 im Anhang. Vgl. Wehler, Beginn, S. 513; Büttner, Weimar, S. 346. Peter Fritzsche argumentiert hingegen, dass nicht die – auch von den Zeitgenossen benutzte – Assoziation 110 111
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unter der Parole „Monarchie oder Demokratie“ 119 geführt und damit die Tragweite der Entscheidung für die Ausrichtung und Zukunft der Weimarer Republik betont. „Eine gesunde Demokratie“ 120 in Deutschland hänge schließlich von diesem Votum ab, hieß es. In der Tat sieht die heutige Forschung die Reichspräsidentenwahl 1925 als „kaum zu überschätzende[n] Einschnitt in der Geschichte der Weimarer Republik“, 121 als „Kristallisationspunkt“, 122 ‚turning point‘ 123 oder „tiefe Zäsur“ 124 an. Ihre Bedeutung erschließt sich insbesondere im Zusammenhang mit den Wahlerfolgen der NSDAP nach Bamberg
1928, denn überdurchschnittliche Zustimmung für den Generalfeldmarschall zog eine erhöhte Disposition für die NSDAP-Wahl nach sich. 125 Insofern war die Wahl Hindenburgs eine „Vorbereitungsetappe“ 126 auf dem Weg zur Kanzlerschaft Adolf Hitlers. 127 Bemerkenswert ist daher das Bamberger Resultat im zweiten Wahlgang am 26. April 1925. Während sich reichsweit die Wählerschaft in zwei fast paritätische Lager zwischen dem „Volksblock“ (Kandidat: Wilhelm Marx) und dem „Reichsblock“ (Kandidat: Paul von Hindenburg) aufspaltete, 128 wurde Hindenburg in der Domstadt mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt (Abbildung 7). 129 Franken
Reich
80
Stimmenanteil in %
70 60 50
66,0 58,7 48,3
45,3 39,0
40
33,1
30 20 10 0 Paul von Hindenburg
Wilhelm Marx
Abbildung 7: Resultate des zweiten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 26. April 1925 in Bamberg, Franken und im Reich.
Wilhelm Marx hingegen erhielt 33,1 % Unterstützung und der KPD-Anwärter Ernst Thälmann ver-
einigte mit 220 Stimmen den marginalen Anteil von 0,9 % auf sich. 130 In Bamberg hatte folglich die kon-
als Ersatzkaiser und die Sehnsucht nach dem Kaiserreich entscheidend war in Hinblick auf die Reichspräsidentschaft Hindenburgs, sondern der neue parteiübergreifende Nationalismus, Militarismus und Antisozialismus. Vgl. Fritzsche, Peter: Presidential Victory and Popular Festivity in Weimar Germany: Hindenburg’s 1925 Election. In: CEH 23 (1990), S. 205–224. Paul von Hindenburg war im ersten Wahlgang überhaupt nicht angetreten. Er hatte sich erst nach dem Zusammenschluss der Rechtsparteien zu einer Kandidatur für den zweiten Wahlgang bereit erklärt. Das Wahlgesetz der Weimarer Republik erlaubte diese Zulassung neuer Bewerber im zweiten Wahlgang. 119 BT v. 27. 3.1925, Nr. 71. 120 BT v. 27. 3.1925, Nr. 71. 121 Pyta, Wolfram: Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. München 2007, S. 461. 122 Falter, Hitlers Wähler, S. 123. 123 Fritzsche, Victory, S. 219. 124 Büttner, Weimar, S. 501. 125 Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 123; Falter, Jürgen W./Hänisch, Dirk: Die Anfälligkeit von Arbeitern gegenüber der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928–1933. In: AfS (26) 1986, S. 201. 126 Falter, Hitlers Wähler, S. 123. 127 Grundsätzlich werden die Folgen der Wahl Hindenburgs auf die Weimarer Republik kontrovers diskutiert. Ob Hindenburg durch die Fortführung der autoritären Staatspolitik als „zweiter Bismarck“ den direkten Weg zu Hitler ebnete oder Mitte der 1920er zum Vorteil und Nutzen der Republik gereichte, ist umstritten. Vgl. Wehler, Beginn, S. 513–516; Cary, Noel D.: The Making of the Reich President 1925: German Conservatism and the Nomination of Paul von Hindenburg. In: CEH 23 (1990), S. 179. 128 Der „Volksblock“ bestand aus den Parteien SPD, Zentrum und DDP mit ihrem Bewerber Wilhelm Marx, während sich der „Reichsblock“ aus den Parteien DNVP, DVP, BVP und NSDAP zusammensetzte und Paul von Hindenburg unterstützte. Vgl. Fritzsche, Victory, S. 214; Kolb, Eberhard: Reichspräsidentenwahlen, 1919–1932 (unter besonderer Berücksichtigung der Rolle Bayerns und der BVP). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp:// www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichspräsidentenwahlen, 1919–1932 (unter besonderer Berücksichtigung der Rolle Bayerns und der BVP)i (7. 9. 2016); Büttner, Weimar, S. 344 f. 129 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 321. Berlin 1925, S. 32 f. Hindenburg erhielt genau 66,0 % der Stimmen. 130 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 321, S. 32 f.
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servative, antirepublikanische, völkische, nationalistische und antisozialistische Sammlungspolitik besonders gut funktioniert. 131 Als gemeinsamen Nenner einigte sich die Mehrheit der Bamberger problemlos auf den Sieger von Tannenberg 1914, den Exponenten des deutschen Militarismus und Kriegshelden. 132 Unverhohlen begrüßte Oberregierungsrat Fackelmann in seinem Halbmonatsbericht „die noch rechtzeitig erfolgte Einigung der rechtsstehenden bürgerlichen Parteien“ 133 auf Hindenburg, die „unter allen Gutgesinnten große Befriedigung ausgelöst [hat].“ 134 Eine objektive amtliche Beschreibung der politischen Lage und Stimmung in Bamberg war dies nicht. Entscheidenden Einfluss auf den Sieg Hindenburgs hatte in Bamberg – ebenso wie in ganz Bayern – die Haltung der BVP, die Hindenburg dem Katholiken Marx vorzog und seinen Erfolg durch ihre Unterstützung besiegelte. 135 Unter keinen Umständen wollte die BVP einen gemeinsamen Kandidaten mit der SPD haben und zusammen bewerben, wobei man die Spaltung des politischen Katholizismus billigend in Kauf nahm. 136 Während in anderen katholischen Städten wie Aschaffenburg der Wahlempfehlung für Hindenburg nicht gefolgt wurde, 137 war die Zustimmung für Hindenburg in Bamberg, verglichen mit dem fränkischen und bayerischen Ergebnis, überproportional hoch. 138 Außerdem war in Bamberg die Wahl-
beteiligung zwischen der ersten und zweiten Abstimmung um 13,8 Prozentpunkte in die Höhe geklettert. 139 Im Reich dagegen lag der Zuwachs nur bei 8,8 und im Wahlkreis Franken bei 10,8 Prozentpunkten. 140 Der Kandidat Hindenburg mobilisierte also das nationalistisch-konservative und katholische Bamberg. Dieser Übermacht hatte die Ortsgruppe der SPD wenig entgegenzusetzen. Zwar gelang es trotz der geringen Wahlbeteiligung beim ersten Urnengang mit 19,7 % für den Sozialdemokraten Otto Braun ein der Reichstagswahl vom Dezember 1924 entsprechendes Ergebnis zu erzielen, doch war man im Bündnis mit DDP (3,1 %) und Zentrum (1,9 %) von einer Mehrheit weit entfernt. 141 Zudem befehdeten sich die beiden Arbeiterparteien SPD und KPD auch in Bamberg gegenseitig. 142 „Ein wüstes Geschimpfe auf den sozialdemokratischen Reichspräsidentenkandidaten“ 143 wurde in einer KPDVersammlung im März 1925 im „Eckenbüttnersaal“ praktiziert und im Freistaat anschließend kritisiert. 144 Ernst Thälmann galt von Anfang an als chancenlos, sodass er generell Verluste im Vergleich zu den KPD-Werten bei den vorangegangenen Reichstagswahlen hinnehmen musste. 145 Dies war auch in Bamberg der Fall. 146 Von Anfang an stimmte nur ein kleiner Kreis von etwa 220 überzeugten Kommunisten für Thälmann; die gleiche
Vgl. Wehler, Beginn, S. 513; Falter, Hitlers Wähler, S. 125; Fritzsche, Victory, S. 208, 220; Pyta, Hindenburg, S. 462. Vgl. Büttner, Weimar, S. 345. 133 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 4.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861. 134 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 4.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861. 135 Vgl. Büttner, Weimar, S. 346; Kolb, Reichspräsidentenwahlen. 136 Vgl. Büttner, Weimar, S. 346; Cary, Making, S. 197. 137 Vgl. Thränhardt, Wahlen, S. 143; Hauss, Hanns-Jochen: Die erste Volkswahl des deutschen Reichspräsidenten. Eine Untersuchung ihrer verfassungspolitischen Grundlagen, ihrer Vorgeschichte und ihres Verlaufs unter besonderer Berücksichtigung des Anteils Bayerns und der Bayerischen Volkspartei (= Münchener Universitätsschriften, Bd. 2). Kallmünz 1965, S. 107–111. Vor allem in Niederbayern und Unterfranken lag die Stimmenzahl für die BVP im ersten Wahlgang oftmals höher als das Ergebnis für Hindenburg im zweiten Wahlgang – trotz gestiegener Wahlbeteiligung. Dies kann als Ausdruck der innerparteilichen Opposition gegen die Kandidatur Hindenburgs gewertet werden. 138 Vgl. Hauss, Volkswahl, S. 112, 136; Kolb, Reichspräsidentenwahlen; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 77. Im Wahlkreis Franken stimmten 58,7 % für Hindenburg und 39,0 % für Marx, bayernweit erreichte Hindenburg 60,5 % und Marx 36,7 %. 139 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 321, S. 32 f. Am 29. März 1925 beteiligten sich 64,7 % der Wahlberechtigten in Bamberg, am 26. April 1925 steigerte sich die Rate auf 78,5 %. 140 Vgl. Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 76 f. 141 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 321, S. 32 f. 142 Vgl. FS v. 21. 3.1925, Nr. 66. 143 FS v. 21. 3.1925, Nr. 66. 144 Vgl. FS v. 21. 3.1925, Nr. 66. 145 Vgl. Winkler, Schein, S. 235 f. 146 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 321, S. 32 f. 2,7 % bzw. 2,1 % hatten bei den Reichstagswahlen 1924 für die KPD gestimmt, im ersten Wahlgang kam Ernst Thälmann hingegen nur auf 1,2 %, im zweiten Wahlgang auf 0,9 %. 131
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Das politische Sozialmilieu
Gruppe wiederholte auch im April ihr Votum. 147 Zu einem Zuwachs an weiteren Protestwählern für Thälmann kam es in Bamberg nicht. 148 Hindenburg wurde in Bamberg jedenfalls nicht „von Thälmanns Gnaden“ 149 Reichspräsident, sondern durch die Empfehlung der BVP. 150 Zu einer katholisch-sozialistischen Annährung kam es im Rahmen dieser Wahlen in Bamberg nicht. Das sozialistische Milieu verharrte isoliert, während die katholisch-konservativen Milieugrenzen in Richtung völkisch-nationalistisch gesprengt und überwunden wurden. 151 Im Anschluss an die Reichspräsidentenwahlen war letztendlich nicht einmal mehr im Bamberger Stadtrat klar, wo der Staat zwischen Kaiserreich und Republik stand. Zum Amtsantritt Hindenburgs diskutierte man die Beflaggung der städtischen Gebäude. Weder der Antrag der SPD zugunsten der schwarz-rot-goldenen Fahne noch der Wunsch der DNVP nach den schwarz-weiß-roten Farben fand eine Mehrheit. Der Kompromiss bestand schließlich darin, die Stadt mit bayerischen und fränkischen Flaggen zu schmücken. 152 Die Frage, ob man sich in einem Volksstaat oder einer Ersatzmonarchie befand, blieb unbeantwortet. 3.1.1.5 Reichs- und Landtagswahlen 1928 Die Besonderheit der Doppelwahl von 1928 zu Reichs- und Landtag war die politisch entspannte Atmosphäre, in der sie stattfand. 153 Der Stadtrat
Bamberg meldete, dass sich die Abstimmung „äußerst ruhig abgewickelt“ 154 habe. Nach den Bürgerblockregierungen im Reich kehrten die Wähler den verantwortlichen Parteien (Zentrum/BVP, DVP und DNVP) den Rücken zu und beförderten stattdessen die SPD zu ihrem besten Ergebnis seit 1919 – auch in Bamberg (Abbildung 8). 155 „Ein außergewöhnlich guter Erfolg“ 156 war laut Freistaat das Resultat, denn „die Bamberger Sozialdemokraten [hätten] […] bewiesen, daß wenn es ums Ganze geht, auch sie nicht zurück[blieben] […]“ 157 und „so [könne] die sozialdemokratische Partei auf das Wahlergebnis in Bamberg stolz sein.“ 158 Mit 21,8 % (Reichstagswahlen) und 21,6 % (Landtagswahlen) steigerte sich die örtliche SPD um 2,7 bzw. 5,8 Prozentpunkte zu dem jeweils vorangegangenen Wert. 159 Sie lag damit leicht unter dem gesamtbayerischen Durchschnitt. 160 Zum guten Ergebnis hatte die Landtagskandidatur des beliebten Politikers Hans Dill für den Stimmkreis Bamberg beigetragen. 161 Er gewann das Mandat und Bamberg hatte seit 1919/20 zum ersten Mal wieder eine direkte sozialdemokratische Vertretung in München. 162 Hinter der Bamberger BVP (40,7 % und 41,3 %) stand die Arbeiterpartei wieder als zweitstärkste Kraft in der Gunst der Wähler. 163 Starke Verluste erlitt besonders die DNVP, die im Vergleich zur letzten Reichstagswahl etwa die Hälfte ihrer Anhänger verlor und von 15,8 % auf 7,5 % absank. 164 „Katastrophal“ 165 nannte dies der sozial-
Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 321, S. 32 f. Thälmann wurde am 29. März 1925 von 229 Wählern unterstützt, am 26. April 1925 waren es 220. 148 Vgl. Winkler, Schein, S. 243. 149 Winkler, Schein, S. 243. 150 Vgl. Falter, Jürgen W.: The Two Hindenburg Elections of 1925 and 1932: A Total Reversal of Voter Coalition. In: CEH 23 (1990), S. 233 f. 151 Vgl. Pyta, Hindenburg, S. 473, 476. 152 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 6. 5.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676. 153 Vgl. Götschmann, Landtagswahlen. 154 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 5.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873. 155 Vgl. Abbildung 4; Winkler, Schein, 522; Winkler, Weimar, 334; Bracher, Karl Dietrich: Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie (= Schriften des Instituts für politische Wissenschaft, Bd. 4). Villingen 51971, S. 257 f. 156 FS v. 21. 5.1928, Nr. 115. 157 FS v. 21. 5.1928, Nr. 115. 158 FS v. 21. 5.1928, Nr. 115. 159 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,2. Berlin 1930, S. 57; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1928, Jg. 18. München 1928, S. 618. 160 In Bayern erzielte die SPD bei den Landtagswahlen 24,2 %. Vgl. Götschmann, Landtagswahlen. 161 Vgl. FS v. 24.1.1928, Nr. 19; FS v. 19. 2.1929, Nr. 42; Zwanzig, Nürnberg, S. 54–59. 162 Vgl. FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 163 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,2, S. 57; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1928, S. 618 f. 164 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,2, S. 57. 165 FS v. 21. 5.1928, Nr. 115. 147
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
demokratische Redakteur und bejubelte im nächsten Satz sogleich den „erfreulich[en]“ 166 Rückgang
der KPD, die in Bamberg in beiden Wahlen bedeutungslos bei 1,5 % landete. 167
Stimmenanteil in %
Bamberg
Reich
50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
Abbildung 8: Ergebnisse der SPD bei den Reichstagswahlen von 1919 bis 1933 in Bamberg und im Reich.
Stimmenanteil in %
Bamberg 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 4.5.1924
7.12.1924
20.5.1928
Reich
14.9.1930
31.7.1932
6.11.1932
Abbildung 9: Ergebnisse der KPD bei den Reichstagswahlen von 1924 bis 1933 in Bamberg und im Reich.
Als Partei der erwerbslosen und radikalisierten Arbeiterschaft hatte die KPD in Bamberg 1928 keinen Rückhalt. 168 Die Schere zum reichsweiten KPD-Ergebnis klaffte noch weiter auf und betrug nun 9,1 Prozentpunkte (Abbildung 9). 169 Somit hatten die Kommunisten in Bamberg ihren absoluten Tiefstand während der Weimarer Republik erreicht. 170 Interpretierte man den Anstieg der SPD und die Stabilität der BVP als Stärkung der Republik,
so ist die Euphorie des Freistaats durchaus zu verstehen. Allerdings ist dies nur die eine Seite der Medaille. Betrachtete man den Revers, trat ein wesentlich düstereres Bild hervor. Die Bamberger NSDAP erzielte mit 13,3 % (Reichstagswahlen) und 13,7 % (Landtagswahlen) eine Quote, die ihr durchschnittliches Resultat in allen drei fränkischen Regierungsbezirken deutlich übertraf. 171 Außerdem führte Franken insgesamt die Hitler-Bewegung an, sodass
FS v. 21. 5.1928, Nr. 115. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,2, S. 57; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1928, S. 618 f. 168 Vgl. Winkler, Schein, S. 185; Hartmann, Weg, S. 496. 169 Vgl. Bei den Wahlen am 7. Dezember 1924 hatte die Differenz noch 6,9 Prozentpunkte zwischen dem Ergebnis der KPD-Bamberg und dem reichsweiten Durchschnittswert betragen. Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 70 f. 170 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 13; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 27. 2.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1872. 171 In Unterfranken erhielt die NSDAP bei den Landtagswahlen 3,5 %, in Mittelfranken 8,8 % und in Oberfranken 10,3 %. Bei den Reichstagswahlen 166 167
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Das politische Sozialmilieu
der Abstand zu dem bayerischen und reichsweiten Ergebnis noch größer ausfiel. 172 Von „frühen, überraschend hohen Wahlerfolgen der NSDAP […] bis 1928“ 173 und einem „Stimmenvorsprung der fränkischen NSDAP gegenüber dem Reichsdurchschnitt“ 174 waren keineswegs nur die protestantisch-agrarischen Gebiete betroffen, sondern eben auch die katholische Stadt Bamberg. Obwohl man an einen Wert wie in der evangelischen Stadt Bayreuth von 18,9 % für die NSDAP nicht heranreichte, hatte die nationalsozialistische Partei in Bamberg wesentlich höheren Rückhalt als in allen kreisfreien
unterfränkischen Städten. 175 Diese überproportionalen nationalsozialistischen Erfolge in Bamberg weisen auf Isolation und Desintegration des ehemals liberal orientierten Bürgertums hin. 176 Zudem scheint das katholische Milieu an Bindekraft eingebüßt zu haben, sodass die Immunität und Resistenz gegenüber der NSDAP bröckelte und die Hitlerbewegung als politischer Ersatz auf Akzeptanz stieß. 177 Im Gegensatz zum Rest Deutschlands hatten die Bamberger Nationalsozialisten 1928 den Status einer Splitterpartei und die Phase der Stagnation bereits überwunden (Abbildung 10). 178
Stimmenanteil in %
Bamberg 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 4.5.1924
7.12.1924
20.5.1928
Reich
14.9.1930
31.7.1932
6.11.1932
Abbildung 10: Ergebnisse der NSDAP (1924: Völkischer Block) bei den Reichstagswahlen von 1924 bis 1933 in Bamberg und im Reich.
Ein weiteres negatives Anzeichen für die Orientierungslosigkeit und Abkehr eines gewichtigen Teils der Bevölkerung von der Republik war „die Flucht
in die Interessensparteien“, 179 die als Zwischenstation auf dem Weg zur NSDAP gilt. 180 In Bamberg erzielte diese Gruppe bei beiden Wahlen 10,2 %
stimmten im Wahlkreis Franken insgesamt 8,1 % der Wähler für die NSDAP. Vgl. Götschmann, Landtagswahlen; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 71. 172 In Bayern erreichte die NSDAP bei den Landtagswahlen 6,1 % und bei den Reichstagswahlen lag ihr Ergebnis bei 2,6 %. Vgl. Götschmann, Landtagswahlen; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 71; Falter, Jürgen W.: Der Aufstieg der NSDAP in Franken bei den Reichstagswahlen 1924–1933. Ein Vergleich mit dem Reich unter besonderer Berücksichtigung landwirtschaftlicher Einflussfaktoren. In: German Studies Review 9 (1986), S. 319– 359. 173 Falter, Aufstieg, S. 319. 174 Falter, Aufstieg, S. 319. 175 Bei den Reichstagswahlen wählten in Aschaffenburg 4,7 %, in Bad Kissingen 7,4 %, in Kitzingen 9,1 %, in Schweinfurt 6,4 % und in Würzburg 6,3 % die NSDAP. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,2, S. 57; Künzl, Thomas: Wahlen und Abstimmungen in der kreisunmittelbaren Stadt Bad Kissingen zur Zeit der Weimarer Republik. Bayreuth 1995, S. 125; Naser, Markus: Unterfranken in Bayern 1814–2014. Historischer Atlas zum 200jährigen Jubiläum. Baunach 2014, S. 28–31. 176 Vgl. Heilbronner, Oded: The Failure that Succeeded: Nazi Party Activity in a Catholic Region in Germany, 1929–32. In: JCH 27 (1992), S. 533. 177 Vgl. Heilbronner, Failure, S. 536 f., 545 f. Neben den Bezirken Bamberg und Forchheim zeigten auch andere katholische Bezirke wie Koblenz, Weiden, Füssen, Sonthofen und die Region des Schwarzwaldes die Affinität zur NSDAP. 178 Vgl. Probst, Robert: Die NSDAP im Bayerischen Landtag 1924–1933 (= Münchner Studien zur neueren und neuesten Geschichte, Bd. 19). Frankfurt am Main 1998, S. 63; Falter, Hitlers Wähler, S. 30. 179 Winkler, Schein, S. 525. 180 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 5.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873; Falter, Hitlers Wähler, S. 30, 120; Childers, Voter, S. 125 f.
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
und entsprach damit etwa dem Wert für den Wahlkreis Franken (9,9 %). 181 Die höchste Anziehungskraft entwickelte hierbei die Wirtschaftspartei, der mit 1.377 Wählern überdurchschnittlich viele Bamberger bei den Reichstagswahlen ihre Stimme gaben. 182 Im Januar 1928 war sie unter dem offiziellen Namen „Ortgruppe der Reichspartei des Deutschen Mittelstandes“ gegründet worden und wurde in der Regnitzstadt von dem Gewerbeoberlehrer Josef Bschorer angeführt. 183 Darüber hinaus schnitt die „Volksrechtpartei“ zusammen mit der „Beamtengruppe“ als eine weitere mittelständische Vertretung gut ab. 184 Dieses Ergebnis erklärt sich einerseits aus der Sozialstruktur Bambergs mit einem hohen Anteil dieser Berufsschichten. Andererseits verdeutlicht es die Unzufriedenheit und die Suche des Mittelstandes nach politischen Alternativen – selbst in der Zeit der relativen Stabilisierung. Der Leitartikel von Johann Baptist Dietrich im Bamberger Tagblatt brachte diese Haltung nach den Wahlen mit den folgenden Zeilen zum Ausdruck: „Parlamentarismus, ein häßliches Lied! Wie lange darf es in Deutschland noch sich hören lassen?“ 185 3.1.1.6 Die Reichstagswahl 1930 Die Metapher des Erdrutsches ist in der deutschen Geschichtsschreibung zum Synonym für die
Reichstagswahl vom 14. September 1930 geworden. Hans-Ulrich Wehler, Heinrich August Winkler, Axel Kuhn, Michael Wildt, Otmar Jung, Eberhard Kolb und Dirk Schumann, sie alle beschreiben so das Wahlergebnis. 186 Kann man diese Abstimmung überhaupt analysieren ohne einen erdrutschartigen Sieg der Nationalsozialisten zu postulieren? Man kann – zumindest für Bamberg. Schließlich steigerte die NSDAP ihren Anteil zwar deutlich von 13,3 % auf 27,1 %, doch lag sie damit fast 5 Prozentpunkte unter dem Ergebnis des Völkischen Blocks vom 4. Mai 1924. 187 Zunehmend büßte die NSDAP ihre frühe Hochburg Bamberg ein. 188 Die Diskrepanz zu den anderen kreisfreien Städten Oberfrankens wuchs, denn dort lag die durchschnittliche Zustimmungsrate im Herbst 1930 schon bei 32,7 %. 189 Im Gegensatz zu der sogenannten Inflationswahl von 1924 fällt nun die Stärke und relative Stabilität der SPD auf. 190 Hatte die Sozialdemokratie beim völkischen Aufstieg im Mai 1924 große Verluste hinnehmen müssen, so erreichte sie mit 19,5 % ein wesentlich besseres Ergebnis als sechs Jahre zuvor (15,1 %). 191 Zwar litt auch die SPD-Bamberg unter dem allgemeinen Absinken ihres Stimmenanteils seit der letzten Reichstagswahl, doch betrug diese Differenz lediglich 2,3 Prozentpunkte. 192 Schwerer wogen die Verluste im Reichsdurchschnitt
Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 13; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 71. Die Wirtschaftspartei erreichte somit 5,4 % in Bamberg, während sie in Franken nur 3,6 % und im Reich 4,5 % erzielte. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,2, S. 57; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 71; Büttner, Weimar, S. 383. 183 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.1.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873. 184 Die Volksrechtpartei und Beamtengruppe konnte in Bamberg 729 Stimmen bei der Reichstagswahl 1928 erzielen. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,2, S. 56 f. 185 BT v. 21. 5.1928, Nr. 116. 186 Vgl. Wehler, Beginn, S. 568; Winkler, Katastrophe, S. 190; Kuhn, Arbeiterbewegung, S 184; Wildt, Michael: Geschichte des Nationalsozialismus. Göttingen 2008, S. 54; Jung, Otmar: Direkte Demokratie in der Weimarer Republik. Die Fälle „Aufwertung“, „Fürstenenteignung“, „Panzerkreuzerverbot“ und „Youngplan“. Frankfurt am Main 1989, S. 133; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 127. 187 Vgl. Abbildung 4; Tabelle 12; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 382,2. Berlin 1932, S. 56; Thränhardt, Wahlen, S. 136, 165. Eine ähnliche Entwicklung der NSDAP-Wahlergebnisse lässt sich in München feststellen, denn auch hier erzielte die völkische Bewegung im Mai 1924 mit 28,5 % ein deutlich höheres Ergebnis als 1930 mit 21,8 %. In anderen Teilen Deutschlands erscheint es durchaus gerechtfertigt von einer Katastrophenwahl oder einem Erdrutschsieg in Bezug auf die Gewinne der Nationalsozialisten zu sprechen. Beispielsweise steigerte die NSDAP in Greifswald (Vorpommern) ihren Anteil von 3,2 % auf 30,2 %, also ein Plus von 27 Prozentpunkten. Vgl. Matthiesen, Greifswald, S. 148, 231 f. Für die Stadt Bamberg konstatierte Blessing, dass „der NSDAP-Anteil schon 1930 weit über der (relativ niedrigen) Marke von 1924 [lag]“. Diese Aussage ist irreführend, denn nur im Vergleich mit den Reichstagswahlen am 7. Dezember 1924 ist dies zutreffend. Betrachtet man die Reichstagswahlen vom 4. Mai 1924 und die Landtagswahlen vom 6. April 1924 ergibt sich ein umgekehrtes Bild mit Verlusten für die rechte Partei und folglich eine andere Interpretation. Vgl. Blessing, Kirche, S. 20. 188 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 90 f. 189 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 191. In Coburg brachte es die NSDAP auf 47,0 %, in Bayreuth auf 38,6 %, und in Kulmbach auf 38,1 %. Dabei spielte sicherlich der Konfessionsfaktor eine wichtige Rolle, denn im Unterschied zu 1928 wählten Nichtkatholiken reichsweit 1930 doppelt so häufig die NSDAP wie Katholiken. Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 177. 190 Vgl. Tabelle 12. 191 Vgl. Tabelle 12; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 382,2, S. 56. 192 Die SPD-Bamberg sank von 21,8 % (1928) auf 19,5 % (1930). Vgl. Tabelle 12; Büttner, Weimar, S. 419; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 127. 181
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Das politische Sozialmilieu
(minus 5,3 Prozentpunkte) und im Wahlkreis Franken (minus 3,2 Prozentpunkte). 193 Das sozialistische Milieu in Bamberg bewies nun seine Standhaftigkeit und seinen Zusammenhalt. So hatten im Vorfeld sowohl die Naturfreunde als auch die Freie Turnerschaft Bambergs zur Wahlteilnahme aufgerufen. 194 Das Naturfreunde-Haus in Wiesentfels blieb aus diesem Grund das gesamte Wochenende geschlossen und die Freie Turnerschaft bot ebenfalls keinerlei Vereinsaktivität am 14. September an, sondern veröffentlichte im Freistaat den Aufruf „Genossinnen und Genossen! Wahlrecht ist Wahlpflicht“. 195 Nichts sollte die Bamberger Arbeiterschaft von der Stimmabgabe am Wahlsonntag abhalten. Schließlich hatte man schon seit Bekanntgabe der Reichstagsauflösung Gewinne für die radikalen Flügelparteien prognostiziert. 196 Insofern war die Auflösung des Reichstags durch Heinrich Brüning zu diesem Zeitpunkt fatal, denn eigentlich verblieben dem demokratisch gewählten Parlament noch zwei Jahre der Legislaturperiode. 197 Diese republikfeindliche Regierungsweise des Reichskanzlers wurde im Wahlkampf 1930 von der SPD kritisiert und verurteilt. 198 Der Nürnberger Josef Simon sprach am 12. September in Bamberg und griff dabei „vor allem die gegenwärtige Regierung Brüning an wegen der Notverordnung“. 199 Die Vorhersagen einer Steigerung der Extreme bewahrheiteten sich in Bamberg. Tatsächlich gewannen nicht nur die Rechtsradikalen, sondern auf
der anderen Seite des Spektrums steigerte auch die KPD ihren Anteil. 200 Diese wurde zusätzlich von den Mitgliedern der KPO unterstützt, die keinen eigenen Wahlvorschlag aufgestellt hatte und für die Wahl der KPD warb. 201 Zusammen erzielte man mit 2,4 % ein ähnliches Ergebnis wie im Mai 1924. 202 Obwohl die Kommunisten damit ihren Status als unbedeutende linke Splitterpartei(en) beibehielt (en), begann im Rahmen der Weltwirtschaftskrise auch in Bamberg ein kontinuierliches Wachstum der Linksradikalen. 203 Entgegen früherer Forschungsmeinungen unterstützte die steigende Zahl der Arbeitslosen nämlich nicht die Nationalsozialisten, sondern diese wandten sich nach neueren Erkenntnissen vor allem der KPD zu. 204 Dieser Zusammenhang trat auch in Bamberg zutage, wobei die vergleichsweise geringe Arbeitslosenrate den Aufschwung der Kommunisten bremste. 205 Alles in allem konnte der Linksblock 1930 sein Niveau mit leichten Verlusten auf Seiten der SPD bei 21,9 % halten. 206 Anders sah das Resultat für die BVP in Bamberg aus. Gegenüber den ersten Wahlen 1924 und denen von 1930 hatte die katholische Interessenvertretung mittlerweile 4 Prozentpunkte eingebüßt. 207 Mit 37,9 % entfernte man sich immer mehr von der – noch 1920 erreichten – absoluten Mehrheit. 208 Der vermeintlich unerschütterliche Zentrumsturm bekam in Bamberg deutliche Risse. 209 Daher konnte die NSDAP auch aus diesem Wählerlager bereits
Vgl. Abbildung 8; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 71 f.; Büttner, Weimar, S. 419. Vgl. FS v. 11. 9. 1930, Nr. 208. 195 FS v. 11. 9.1930, Nr. 208. 196 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 30. 7.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1882. 197 Vgl. Peukert, Krisenjahre, S. 252 f. 198 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Büttner, Weimar, S. 418. 199 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 200 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 382,2, S. 56. 201 Vgl. Bergmann, Theodor: „Gegen den Strom“. Die Geschichte der Kommunistischen Partei-Opposition. Hamburg 1987, S. 89. 202 Vgl. Tabelle 12. 203 Vgl. Büttner, Weimar, S. 419. 204 Vgl. Winkler, Weimar, S. 389; Falter, Hitlers Wähler, S. 292–314; Childers, Voter, S. 184 f.; Falter, Jürgen W./Link, Andreas/Lohmöller, Jan-Bernd u. a.: Arbeitslosigkeit und Nationalsozialismus. Eine empirische Analyse des Beitrags der Massenerwerbslosigkeit zu den Wahlerfolgen der NSDAP 1932 und 1933. In: Zur Soziographie des Nationalsozialismus (= Historical Social Research, Supplement 25). Hg. v. J. W. Falter. Köln 2013, S. 111–145. 205 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30. 6.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 8.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 1. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 206 Vgl. Abbildung 5; Tabelle 12. 207 Vgl. Tabelle 12; Thränhardt, Wahlen, S. 163. 208 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 382,2, S. 56. 209 Im Gegensatz zu Bamberg konnte die Zentrumspartei ihre Anteile in der katholischen Kleinstadt Ettlingen zwischen 1928 und 1933 von 22,4 % (1928) über 26,2 % (1930) auf 30,0 % (1933) steigern. Auch reichsweit zeigten sich Zentrum und BVP stabil. Für Bayern allgemein einen stabilen 193
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
Stimmen rekrutieren – ein typisches Merkmal für den fränkischen Vorsprung der Hitlerbewegung gegenüber anderen Gegenden. 210 Der Charakter der NSDAP als Volks- und Massenintergrationspartei war anhand des Bamberger Wahlverhaltens schon 1930 ablesbar, denn keiner der Wählerblöcke zeigte sich vollkommen immun gegen den Sog von rechts. 211 Die höchsten Abwanderungen kamen 1930 von der DNVP (von 7,5 % auf 3,5 %) und den Splitterparteien (von 10,2 % auf 6,6 %), doch verloren eben auch die BVP und in etwas geringerem Maße die SPD. 212 Die neugegründete bürgerliche Konservative Volkspartei fand, mit 0,9 % nahezu ihrem deutschlandweiten Ergebnis entsprechend, auch in Bamberg keinen Anklang und die ehemalige DDP erreichte unter dem neuen Namen Deutsche Staatspartei (DStP) lediglich 2,1 %. 213 Dieser Wahlausgang rechtfertigte, dass die SPD 1930 im Freistaat jubelte: „Die sozialdemokratische Partei unerschüttert!“ 214 „Am gesunden Verstand der Wählermassen“ 215 seien die Gegner der Arbeiterpartei gescheitert, als ob sie Thomas Manns Rede „Ein Appell an die Vernunft“ 216 vom 17. Oktober 1930 vorausschauend befolgt hätten. Allerdings beschönigte der Artikel allzu sehr die Tatsachen, denn obwohl sich die Sozialdemokratie gefestigt zeigte, hatte sie doch ihre Position als zweitstärkste politi-
sche Kraft in Bamberg am 14. September 1930 an die NSDAP verloren. 217 Diese Niederlage sollte sich als endgültig erweisen. 3.1.1.7 Reichspräsidenten-, Reichs- und Landtagswahlen 1932 Das Wahljahr 1932 mit insgesamt vier Wahlen wurde mit den Reichspräsidentenwahlen im März und April eingeläutet – gefolgt von der Landtagswahl und zwei Reichstagswahlen. Im Bamberger Jahrbuch von 1934 wurde es zum „Schicksalsjahr“ 218, zum „Jahr der Entscheidung“ 219 erhoben, in dem sich der nationalsozialistische Sieg „in greifbarer Nähe“ 220 befunden habe. Diese Beurteilung aus der Retrospektive deckte sich wenig mit den zeitgenössischen Bewertungen der politischen Lage. Diese stellten vor allem das hohe Maß der Politisierung und Polarisierung heraus, die die Wahlkämpfe begleiteten. 221 Der Regierungspräsident von Oberfranken nannte es „ein wahres Trommelfeuer von Versammlungen, Plakaten und Flugblättern“, 222 beschrieb eine „noch nie dagewesene Wahlagitation“ 223 und zählte bis Mitte April im Bezirk Bamberg 187 Wahlveranstaltungen, die sich bis Anfang Mai auf 307 steigerten. 224 „Ein förmlicher Versammlungsregen“ 225 sei zu beobachten. Bestätigt wurden diese Beschreibungen durch die außer-
Wählerstamm bzw. „festen Wehrturm“ wie Klaus Schönhoven zu postulieren, ist jedoch verfehlt. Ebenso wird hier der Analyse von Franz Kühnel entgegengetreten, der in den katholischen Teilen Oberfrankens für die BVP von einem „stabilen Stimmenanteil bis in das Jahr 1932“ ausgeht. Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 125; Schönhoven, Bayerische Volkspartei, S. 251; Büttner, Weimar, S. 419; Kühnel, Franz: Hans Schemm. Gauleiter und Kultusminister (1891–1935) (= Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte, Bd. 37). Nürnberg 1985, S. 71. 210 Vgl. Falter, Aufstieg, S. 355–357. 211 Vgl. Rohkrämer, Thomas: Die fatale Attraktion des Nationalsozialismus. Zur Popularität eines Unrechtsregimes. Paderborn 2013, S. 59 f.; Madden, Paul/Mühlberger, Detlef: The Nazi Party. The Anatomy of a People’s Party, 1919–1933. Bern 2007, S. 283–289; Falter, Hitlers Wähler, S. 225, 289, 364–372. 212 Vgl. Büttner, Weimar, S. 420; Hambrecht, Aufstieg, S. 192; Tabelle 12. 213 271 Wähler stimmten in Bamberg für die Konservative Volkspartei, die im Reichsdurchschnitt einen Anteil von 0,8 % erreichte. Vgl. Büttner, Weimar, S. 419; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 283,2, S. 56. 214 FS v. 15. 9.1930, Nr. 211. 215 FS v. 15. 9.1930, Nr. 211. 216 Mann, Thomas: Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft. Rede, gehalten am 17. Oktober 1930 im Beethovensaal zu Berlin. Berlin 1930. 217 Vgl. Tabelle 12. 218 Bamberger Jahrbuch 1934, S. 16. 219 Bamberger Jahrbuch 1934, S. 16. 220 Bamberger Jahrbuch 1934, S. 16. 221 Vgl. BV v. 11. 4.1932, Nr. 82; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 2.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Zehentmeier, Entwicklung, S. 112; Hambrecht, Aufstieg, S. 339 f. 222 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 223 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 224 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 4.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Zehentmeier, Entwicklung, S. 113. 225 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3.
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Das politische Sozialmilieu
ordentlich hohen Wahlbeteiligungen bei der Reichspräsidentenwahl 1932. 226 In Bamberg gaben beim ersten Wahlgang am 13. März 91,5 % und bei der zweiten Abstimmung am 10. April 88,2 % der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. 227 Damit lag die Stadt beide Male über den ebenfalls hohen Wahlbeteiligungen in Franken und im Reich. 228 Die Quote im ersten Wahlgang überstieg alle Wählermobilisierungen in der Weimarer Republik und sogar die Beteiligung an der Reichstagswahl am 5. März 1933. 229 Obwohl insgesamt fünf Kandidaten im März 1932 angetreten waren, teilten sich die Lager in Bamberg stärker ausgeprägt als andernorts schon im ersten Wahlgang zwischen Hindenburg und Hitler auf, sodass beide Kandidaten überdurchschnittliche Ergebnisse erzielten. 230 In der Regnitzstadt wäre Hindenburg bereits nach dem ersten Wahlgang mit 57,2 % als Reichspräsident bestätigt worden. 231 Hitler und die NSDAP befanden sich aufgrund der neuen Parteienkonstellation mit dem breiten Wahlbündnis für Hindenburg in der Defensive und landeten mit deutlichem Abstand bei 37,5 %. 232 Die Paradoxie der Reichspräsidentenwahl von 1932 war die Umkehrung der Koalitionen und der fast vollständige Austausch der Wählerschaft Hindenburgs. 233 Die ehemaligen Gegner – SPD,
Zentrum und DStP – unterstützten mangels Alternative den Amtsinhaber und standen somit auf einer Seite mit den früheren Befürwortern Hindenburgs, BVP und DVP. 234 Allein das negative Ziel, Hitlers Präsidentschaft zu verhindern, einte die Gegenspieler. 235 Es ging weniger um die Wahl des Reichsfeldmarschalls als um die Mobilisierung gegen Hitler. Dazu wurde der „Überparteiliche Hindenburgausschuß von Bamberg und Umland“ ins Leben gerufen. 236 In Veranstaltungen mit Themen wie „Der Sieg der Vernunft im Kampf des deutschen Volkes um seine Freiheit“ 237 oder „Warum Hindenburg?“ 238 versuchte man den Wählern die Notlösung Hindenburg zu erklären und schmackhaft zu machen. 239 Die Bamberger folgten der ausgegebenen Direktive „Treu zu Hindenburg immerdar“ 240 und erzielten ein Ergebnis, das sich mit der Summe der BVP- und SPD-Anteile bei den letzten Reichstagswahlen deckte. 241 Anders als die Nationalsozialisten und entgegen dem reichsweiten Trend konnte man diese Zustimmungsrate im zweiten Wahlgang in Bamberg nicht mehr steigern. 242 Das Potenzial der katholischen und sozialdemokratischen Stammwähler war ausgeschöpft und die Zahl der Hindenburg-Wähler sank sogar um circa 500. 243 Die NSDAP hingegen steigerte sich um etwa 470 Stim-
Vgl. BV v. 14. 3.1932, Nr. 61; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 78 f. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427. Berlin 1932, S. 40 f. 228 Zu den Reichspräsidentenwahlen am 13. März und 10. April 1932 vgl. Tabelle 16 und Tabelle 17 im Anhang. Vgl. Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 78 f. 229 Vgl. Tabelle 12 u. Tabelle 16. 230 Die Kandidaten Ernst Thälmann (KPD) und Theodor Duesterberg (DNVP) schnitten in Bamberg unterdurchschnittlich ab, Gustav Winter (Inflationsgeschädigte) lag mit dem marginalen Anteil von 0,3 % im Reichsdurchschnitt. Vgl. Tabelle 16; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 78 f. 231 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427, S. 40 f. 232 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427, S. 40 f. 233 Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 123–125; Büttner, Weimar, S. 456; Falter, Hindenburg-Elections, S. 235–237. 234 Hindenburg selbst zeigte sich enttäuscht über die Konstellation seiner Unterstützer und lastete den mangelnden Beistand der konservativnationalistischen Kreise, insbesondere der DNVP und des Wehrverbandes Stahlhelm, Brüning an, den er folglich im Mai 1932 als Reichskanzler entließ. Vgl. Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 139–141; Pyta, Hindenburg, S. 680–683; Jones, Larry Eugene: Hindenburg and the Conservative Dilemma in the 1932 Presidential Elections. In: German Studies Review 20 (1997), S. 235–259. 235 Vgl. FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; FS v. 14. 3.1932, Nr. 61; Falter, Hindenburg-Elections, S. 234. 236 Vgl. FS v. 14. 3.1932, Nr. 61; FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; BV v. 11. 4.1932, Nr. 82. Ähnliche Hindenburg-Ausschüsse entstanden im ganzen Deutschen Reich; die genauen Konstellationen und Führungsrollen variierten jedoch von Ort zu Ort. Vgl. Pyta, Hindenburg, S. 679 f. 237 FS v. 8. 4.1932, Nr. 80. 238 FS v. 8. 4.1932, Nr. 80. 239 Vgl. Breuer, Wandel, S. 59; Winkler, Katastrophe, S. 511–514. 240 Vgl. FS v. 8. 4.1932, Nr. 80. 241 Hindenburg erhielt im ersten Wahlgang 1932 in Bamberg 57,2 %. Bei den letzten Reichstagswahlen 1930 hatte die BVP 37,9 % und die SPD 19,5 % erreicht, das heißt zusammen 57,4 %. Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 16. 242 Im zweiten Wahlgang erhielt Hindenburg in Bamberg 57,3 %, während sich reichsweit sein Anteil von 49,6 % auf 53,0 % verbesserte. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427, S. 40 f.; Tabelle 16; Tabelle 17. 243 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427, S. 40 f.; Winkler, Katastrophe, S. 528–530. Einer der Gründe für das abnehmende Interesse und die gesunkene Stimmenzahl für Hindenburg war wohl auch der vermeintlich sichere Sieg. 226 227
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
men. 244 Reichsweit stammte der Stimmengewinn für Hitler im April 1932 mehrheitlich aus dem Pool der DNVP-Unterstützer um Theodor Duesterberg, ein geringerer Anteil der Unterstützer wechselte als Protestwähler von der KPD und ihrem Kandidaten Ernst Thälmann zu Hitler. 245 Dieses Phänomen galt vermutlich auch für Bamberg, doch fiel der sinkende KPD-Anteil von 3,6 % auf 2,6 % weniger ins Gewicht als in anderen Städten. 246 Immerhin 40,1 % der Bamberger Wählerschaft zog folglich im April 1932 Hitler als Reichspräsident der Option Hindenburg vor. 247 Verglichen mit dem Reich lag man damit 3,3 Prozentpunkte über dem Durchschnitt. 248 Die braune Affinität der Bamberger Bevölkerung war also weiterhin gegeben. Andere mehrheitlich katholische Städte in Bayern wie Würzburg, Regensburg oder München stimmten nur mit Werten von etwa 23 % für Hitler. 249 Wahltechnisch verhielt sich Bamberg bei der Reichspräsidentschaftswahl 1932 nicht wie eine katholische, sondern wie eine protestantische Stadt. 250 Bezeichnenderweise hatte Hindenburg in Bamberg 1925 mithilfe des katholisch-völkischen Reichsblocks besser abgeschnitten als in beiden Wahlgängen 1932. Der schwarz-braune Zusammenschluss überbot in Bamberg schwarz-rot. Der Jubel im Bamberger Volksblatt, dass es „den Nationalsozialisten nicht gelungen [sei], die Bamberger
Hindenburgfront zu erschüttern“, 251 war lediglich ein Euphemismus für eine bedenkliche Lage. Nur die ungewollte und ungeliebte „Vernunftehe“ aus BVP und SPD im Hindenburg-Ausschuss war 1932 in der Lage, Hitler in Bamberg die absolute Mehrheit streitig zu machen. 252 Das Schreckensszenario „Hitler ante portas“ 253 spiegelte treffend die Stimmung resultierend aus der Landtagswahl am 24. April 1932 wider. 254 Trotz genereller Verluste in Mittel- und Oberfranken steigerte die NSDAP-Bamberg ihren Anteil erneut: 41,2 % sprachen sich nun für die Hitlerbewegung aus. 255 Damit übertraf Bamberg das bayernweite Resultat um 8,7 Prozentpunkte und Hitler befand sich weiterhin auf Erfolgskurs. 256 Das schwarze Bamberg hatte sich endgültig in eine braune Stadt verwandelt, denn die Nationalsozialisten stellten nun in der Bischofsstadt die stärkste Partei vor der BVP (36,6 %). 257 Obwohl die katholische Partei bayernweit einen Anstieg verglichen mit 1928 aufwies, verlor sie in Bamberg 4,7 Prozentpunkte. 258 Selbst die Summe aus katholischen und sozialistischen Stimmen vereinigte keine absolute Mehrheit mehr. 259 Schwarz-rot war, theoretisch betrachtet, Geschichte und Liberalismus zu einem Fremdwort geworden. Die demokratischen Parteien BVP und SPD verzeichneten beide starke Verluste und die DVP erzielte zusammen mit der Wirtschaftspartei
Vgl. Tabelle 16; Tabelle 17; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427, S. 40 f.; BV v. 11. 4.1932, Nr. 82. Falter errechnete, dass 60 % der neuen Hitlerwähler im zweiten Wahlgang von Duesterberg kamen und 30 % frühere Thälmann-Wähler waren. Die zeitgenössische Interpretation und ehemalige Forschungsmeinung, dass ein Großteil der kommunistischen Wähler zu Hitler wechselte, wurde durch die Forschungen von Falter revidiert. Vgl. BV v. 11. 4.1932, Nr. 82; Falter, Hindenburg Elections, S. 241; Winkler, Katastrophe, S. 528–530; Zehentmeier, Entwicklung, S. 115. 246 Vgl. Tabelle 16; Tabelle 17; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427, S. 40 f.; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 139. 247 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427, S. 40 f. 248 36,8 % der Wähler stimmten reichsweit für Hitler. Vgl. Tabelle 17; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 79. 249 In Würzburg lag der Anteil der Hitler-Wähler bei 22,8 %, in Regensburg bei 23,2 % und in München bei 24,9 %. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427, S. 37–43. 250 Vgl. Blessing, Kirche, S. 20. Als Beispiele dienen die Städte Erlangen, Nürnberg und Fürth. In Erlangen erzielte Hitler im zweiten Wahlgang 37,5 %, in Nürnberg 39,1 % und in Fürth 39,2 %. 251 BV v. 11. 4.1932, Nr. 82. 252 Vgl. BV v. 11. 4.1932, Nr. 82. 253 Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 140. 254 Vgl. FS v. 25. 4.1932, Nr. 94; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 139 f.; Kral, Landespolitik, S. 224–230. 255 Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396; Hambrecht, Aufstieg, S. 344. Zehentmeier nennt fälschlicherweise ein Ergebnis von 38,21 % der NSDAP in der Stadt Bamberg und spricht daher von einer Verschlechterung gegenüber der Reichspräsidentenwahl. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 121. 256 Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 140. 257 Vgl. Tabelle 13. 258 Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396, 399; Hartmann, Weg, S. 499 f. 259 Addiert man die SPD- und BVP-Anteile, so erzielten diese Parteien gemeinsam 49,5 %. Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396. 244 245
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Das politische Sozialmilieu
lediglich 2,2 %. 260 „Eine Verzweiflungstat“ 261 nannte der Freistaat das Resultat und erklärte seinen Lesern die Wahlniederlage mit Bezug auf die Weltwirtschaftskrise: „Furchtbar lastet die Not auf den Menschen. Jahrelange Arbeitslosigkeit, unzureichende staatliche und gemeindliche Unterstützung, keine Aussicht, in Bälde wieder in Arbeit zu kommen, das waren die Umstände, die das Ergebnis am gestrigen Wahltag verursachten.“ 262 3,5 15,8
Unter dem Hinweis auf eine ähnlich negative gesellschaftliche Entwicklung samt Wahlergebnissen im Frühjahr 1924 versuchte die Arbeiterzeitung Mut und Hoffnung zu machen, denn der Kern der Partei habe standgehalten und nur die Streu sei verflogen (Abbildung 11). 263 Übriggeblieben war jedoch nicht mehr viel, sodass die Größe des sozialdemokratischen Anteils an der „Wahltorte“ nur noch einem einzelnen Stück entsprach. Nur 12,9 % der Bamberger Wähler stimmten bei der Landtagswahl 1932 noch für die SPD. 264 2,9 1,5
4,3 35,5
NSDAP1
12,9
41,2
DNVP2 DVP3 BVP SPD KPD 37,5
3,4
Sonstige
36,6 2,2
2,7
Abbildung 11: Ergebnisse der Landtagswahlen am 6. 4. 1924 (links) und am 24. 4. 1932 (rechts) in Bamberg. 1 2
3
Die NSDAP trat bei der Landtagswahl 1924 unter dem Namen Völkischer Block an. Die DNVP trat bei der Landtagswahl 1924 unter dem Namen Vereinigte Nationale Rechte zusammen mit der DVP an. Bei der Wahl 1932 vereinigte sich die DVP mit der Wirtschaftspartei (Reichspartei des deutschen Mittelstandes).
Dies war das schlechteste SPD-Ergebnis während der gesamten Weimarer Republik und entsprach nur noch etwas mehr als einem Drittel des Wertes vom Januar 1919. 265 Gegenüber den letzten bayerischen Wahlen 1928 bezifferte sich der Verlust in Bamberg auf 8,7 Prozentpunkte und glich den landesweiten Einbußen von 9 Prozentpunkten. 266 Auch andere bayerische Städte wie Passau (9,3 %), Bad Kissingen (11,3 %), Regensburg (15,6 %) oder
Würzburg (16,3 %) sanken auf ähnliche sozialdemokratische Tiefstände ab. 267 Der Bamberger Spitzenkandidat Josef Dennstädt verfehlte in seinem Stimmkreis den Einzug in den Bayerischen Landtag deutlich und musste den Bewerbern aus Hof, Pegnitz und Kulmbach den Vortritt lassen. 268 Neu gewonnen wurde stattdessen das Mandat des Nationalsozialisten Lorenz Zahneisen, der neben dem BVP-Politiker Georg Meixner die Bamberger Wäh-
Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396. FS v. 25. 4.1932, Nr. 94. 262 FS v. 25. 4.1932, Nr. 94. 263 Vgl. FS v. 25. 4.1932, Nr. 94. 264 Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396. 265 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 13. 266 Vgl. Tabelle 13; Hartmann, Weg, S. 500. 267 Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 394–397. 268 Vgl. FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 403. Für die SPD-Oberfranken zogen drei Abgeordnete, nämlich Hans Seidel aus Hof, Hans Gentner aus Pegnitz und Georg Hagen aus Kulmbach, in den Landtag ein. Mit 4.680 Stimmen landete Josef Dennstädt auf dem sechsten Platz. 260 261
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
lerschaft nun in München vertrat. 269 Abgesehen von dem Zuwachs der NSDAP schnitt nur die KPD besser ab als bei den letzten Landtagswahlen 1928. 270 Von 1,5 % erhöhte sie ihren geringen Prozentsatz auf 2,9 % und rückte wieder näher an ihr bislang höchstes Ergebnis von 1924 heran. 271 Der Trend zu den radikalen Flügelparteien hatte Bamberg im Frühjahr 1932 erfasst, gemäß der Sozialstruktur mit einem Übergewicht nach rechts und einer geringeren linken Ausprägung. 272 Die NSDAP hatte nicht nur die Beamten vor Ort mit einer speziellen Versammlung im Wahlkampf umworben, sondern auch die Staatsangestellten bekannten sich mittlerweile offen zur NSDAP, wie Otto von Strößenreuther in seinem Halbmonatsbericht ausführte. 273 Der in der Forschung nachgewiesene Zusammenhang von einer erhöhten Affinität der Beamtenschaft zur NSDAP besonders in katholischen Städten stimmte mit den Beobachtungen und Ergebnissen in Bamberg überein. 274 Zur Schwächung der Arbeiterparteien SPD und KPD trug seit 1931 die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) bei, eine linke Abspaltung der SPD gegen die Tolerierungspolitik des Kabinetts Brüning. 275 42 Stimmen entfielen in Bamberg am 24. April 1932 auf diese neue Partei. 276 Als Splitterpartei blieb sie nicht nur in Bamberg, sondern im
ganzen Reich mit Wahlergebnissen unter 0,5 % unbedeutend. 277 Allerdings war sie neben den sozialdemokratischen Wahlverlusten und dem Anstieg der Kommunisten ein weiteres Indiz für die Unzufriedenheit der Wähler mit der SPD-Politik. Die Duldung der katholischen Regierungen von Reichskanzler Heinrich Brüning im Reich und Ministerpräsident Heinrich Held 278 in Bayern ohne parlamentarische Mehrheiten widerstrebte dem sozialdemokratischen Wählerstamm in Bamberg. 279 Nach dem Sturz Brünings, der Ernennung Franz von Papens zum neuen Reichskanzler und der Auflösung des Reichstags wurden die Wähler am 31. Juli 1932 zur Stimmabgabe für den Reichstag gerufen. 280 Nicht nur die Nationalsozialisten setzten im Wahlkampf neue Methoden und Techniken ein, sondern die SPD-Bamberg stand ihnen in dieser Hinsicht nicht nach. 281 So marschierte die NSDAP im Volkspark auf und die SPD rief zur Kundgebung unter freiem Himmel im Stadion auf. 282 Der Eintrittspreis von zehn Pfennig beinhaltete für jeden Teilnehmer eine Fackel und die Rede wurde mit sogenannten Riesenlautsprechern übertragen. 283 Als zentrale Parole gab die SPD „Volk hüte deine Freiheit“ 284 aus und im Bericht des Freistaats schwärmte der Redakteur von einem „Fackelmeer“ und „brausenden Freiheitsrufen“. 285 Nüchter-
Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 401, 409; Probst, NSDAP, S. 75 f., 237; Götschmann/ Henker, Geschichte. 270 Vgl. Tabelle 13; Hartmann, Weg, S. 499 f. 271 Am 6. April 1924 hatte die KPD 3,5 % bei der Landtagswahl erreicht. Vgl. Tabelle 13. 272 Vgl. NZA v. 25. 4.1932, Nr. 84. 273 Vgl. Zehentmeier, NSDAP, S. 118 f.; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 274 Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 242–248. 275 Vgl. Büttner, Weimar, S. 70; Winkler, Katastrophe, S. 399–406. 276 Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396. 277 In den beiden folgenden Reichstagswahlen im Juli und November 1932 wählten in Bamberg nur noch jeweils 16 Personen die SAP. Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 7.11.1932, Nr. 256; Büttner, Weimar, S. 70. 278 Zur Biografie von Heinrich Held vgl. Becker, Winfried: Heinrich Held (1868–1938). Aufstieg und Sturz des bayerischen Parlamentariers und Ministerpräsidenten. In: ZBLG 72 (2009), S. 807–891. 279 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Kock, Peter Jakob: SPD und BVP im Bayerischen Landtag 1919 bis 1933. In: Der Bayerische Landtag vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Probleme und Desiderate historischer Forschung (= Beiträge zum Parlamentarismus, Bd. 8). München 1995, S. 178. 280 Vgl. Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 141–144. 281 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Zehentmeier, Entwicklung, S. 129; Voigt, Carsten: Kampfbünde der Arbeiterbewegung. Das Reichsbanner Schwarz-RotGold und der Rote Frontkämpferbund in Sachsen 1924–1933 (= Geschichte und Politik in Sachsen, Bd. 26). Köln u. a. 2009, S. 456–468; Mommsen, Hans: Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar. 1918–1933. Früherer Titel: Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918–1933. Überarb. u. aktualisierte Taschenbuchausgabe. Berlin 1998, S. 552. Hans Mommsen sieht in den neuen Wahlkampfmethoden ein Alleinstellungsmerkmal der NSDAP und beurteilt die SPD-Agitation als defensiv. Diese Einschätzung kann für Bamberg nicht geteilt werden. Auch Carsten Voigt bescheinigt für Sachsen eine „starke Aktivierung“ durch moderne Agitationsmittel und Großkundgebungen. 282 Vgl. FS v. 28. 7.1932, Nr. 171; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Zehentmeier, Entwicklung, S. 129. 283 Vgl. FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 284 FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 285 FS v. 1. 8.1932, Nr. 174. 269
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ner sprach der Halbmonatsbericht der Regierung von Oberfranken von Versammlungen mit „Sensationscharakter“. 286 Letztendlich gelang es der SPDBamberg ihre Wählerschaft zu mobilisieren und zu überzeugen. Die Meldung des SAJ-Vorstandes aus Berlin traf auch auf Bamberg zu: „Die Sozialdemokratie hat sich gut behauptet. Sie befindet sich seit den Länderwahlen im April dieses Jahres im neuen Aufstieg.“ 287 Von 12,9 % ein Vierteljahr zuvor hatte sich die SPD-Bamberg auf 17,6 % gesteigert. 288 Gemessen am Ergebnis der letzten Reichstagswahlen 1930 war dies zwar ein leichter Rückgang von 1,9 Prozentpunkten, doch fiel der Verlust angesichts der Tatsache, dass man in Franken 4,1 Prozentpunkte einbüßte, vergleichsweise schwach aus. 289 So knüpfte die SPD-Bamberg im Juli 1932 an ihren schwankenden und unstetigen Kurs an, wohingegen die BVP ihren langsamen, aber kontinuierlichen Sinkflug fortsetzte. Mit 34,6 % erreichte die Partei des politischen Katholizismus einen neuen Tiefpunkt. 290 Von den deutschlandweiten katholischen Gewinnen sowie der anhaltenden Immunität der Katholiken gegenüber der NSDAP war in Bamberg wenig zu spüren. 291 Die NSDAP stagnierte zwar, allerdings auf hohem Niveau, und baute mit 40,2 % ihren Vorsprung als stärkste Partei vor der BVP und SPD weiter aus. 292 Deutschlandweit errang sie diese Position nun zum ersten Mal und legte von 18,3 % (1930) auf 37,3 % enorm zu. 293 Der Abstand bei den Prozentzahlen zwischen Deutschland und der NSDAP-Hochburg Franken reduzierte sich, denn das Wählerpotenzial zeigte sich vielerorts durch die regionale Phasenverschie-
bung ausgeschöpft. 294 So hatte die Hitlerbewegung mit den Landtagswahlen im April in Bamberg ihren Zenit überschritten und war im Einklang mit anderen oberfränkischen Städten leicht abgesunken. 295 Die absolute Mehrheit lag außer Reichweite und der Weg zur Macht auf demokratischem Wege schien versperrt. 296 Jubel war einzig von kommunistischer Seite zu hören, denn die KPD befand sich allgemein im Aufwärtstrend und steigerte in Franken ihren Anteil von 4,8 % (1930) auf 6,9 %. 297 Unter der Überschrift „Gewaltiger Wahlsieg der KPD“ 298 meldete die Neue Zeitung: „Diese Reichstagswahlen des Jahres 1932 stehen ganz im Zeichen des überwältigenden Sieges der Kommunistischen Partei. […] Ja, die Nationalsozialisten haben in den Städten mehrere zehntausend Stimmen verloren. […] Diese Reichstagswahl ist in erster Linie eine scharfe Kampfansage an die Papendiktatur und ihre Notverordnungspolitik. […] … Deutschland ist kein Italien!“ 299
Hätte der Redakteur jedoch das Bamberger Ergebnis im Blick gehabt, wären solche euphorischen Zeilen nicht seiner Feder entsprungen. Die KPD verharrte weiterhin knapp unter 3 % und konnte sich seit der Landtagswahl nicht verbessern. 300 Im November 1932 brach die Bamberger Wählerschaft indes mit der Ignoranz des Kommunismus. Die Anzahl der linksextremen Anhänger verdoppelte sich gegenüber den letzten beiden Reichstagswahlen: Statt etwa 800 vereinte die KPD 1.581
Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 8.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. Rundschreiben des Hauptvorstandes der SAJ v. 9. 8. 1932, BArch, Sozialistische Arbeiterjugend, RY 11 (künftig: BArch, RY 11), II 107/3. 288 Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434. Berlin 1935, S. 61. Alle Angaben und Stimmenanteile zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 bei Zehentmeier wurden aus den Tageszeitungen entnommen und stimmen nicht mit den amtlichen Ergebnissen der Statistiken überein. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 130 f. 289 Vgl. Tabelle 12; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 72 f. 290 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 61. 291 Vgl. Büttner, Weimar, S. 474; Mommsen, Aufstieg, S. 554; Falter, Hitlers Wähler, S. 177 f. 292 Vgl. Abbildung 4; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 61. 293 Vgl. Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 72 f.; Childers, Voter, S. 208. 294 Vgl. Abbildung 10; Hambrecht, Aufstieg, S. 360; Falter, Aufstieg, S. 319. 295 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 13; Hambrecht, Aufstieg, S. 360 f. 296 Vgl. Mommsen, Aufstieg, S. 555. 297 Vgl. NZA v. 1. 8.1932, Nr. 165; Büttner, Weimar, S. 473; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 72 f.; Krauss, Geschichte, S. 318. 298 NZA v. 1. 8.1932, Nr. 165. 299 NZA v. 1. 8.1932, Nr. 165. 300 Sowohl bei der Landtagswahl im April 1932 als auch bei der Reichstagswahl im Juli 1932 hatte die KPD in Bamberg 2,9 % erzielt. Vgl. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932), S. 396; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 61. 286 287
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Stimmen auf sich und verdoppelte damit ihr Elektorat. 301 Prozentual bedeutete dies ein Ergebnis von 5,0 % und den höchsten Wert während der gesamten Weimarer Republik. 302 Dieser Anstieg machte die Kommunisten zu den Wahlsiegern am 6. November 1932, denn keine andere Partei verzeichnete solch große Gewinne. Gefeiert wurde der „neue große Vormarsch“ als „gewaltige Steigerung des Kampfbewußtseins und des Kampfwillens der Arbeiterklasse“ unter Betonung der „schwere[n] Niederlage der Nazis und SPD“. 303 Beides traf tatsächlich auf Bamberg zu, sowohl der Rückgang der NSDAP als auch der SPD. 304 Die Sozialdemokraten sanken um 1,1 Prozentpunkte auf 16,5 % ab und gingen mit der Entwicklung in der Region und im Reich konform. 305 Solche marginalen Einbußen waren bei den Novemberwahlen selbst in SPD-Hochburgen wie Leipzig (minus 0,9 %) zu verzeichnen. 306 Auffallend an der Gegenüberstellung der KPD- und SPD-Quoten ist, dass der kommunistische Zuwachs höher ausfiel als die sozialdemokratische Abnahme. 307 Dieser Befund steht in Einklang mit den Forschungen Conan J. Fischers, der abstreitet, dass „die meisten verlorenen SPD-Stimmen zur KPD gingen“ 308 und den marxistischen Wählerblock zur „Fata Morgana“ 309 degradiert. Wenn auch die Existenz eines linken Wählerblocks nicht vollkommen abgestritten wird, ist doch auch in Bamberg ein Automatismus der Abwanderung von radikalisier-
ten Sozialdemokraten hin zur KPD in Abrede zu stellen. 310 Ebenso wie bei der NSDAP hat sich inzwischen gezeigt, dass die linksradikale Wählerschaft am Ende der Weimarer Republik sozial heterogen war und weniger einer Klassenpartei entsprach als ursprünglich angenommen wurde. 311 So ist auch der Wechsel von nationalsozialistischen Protestwählern zur marxistischen Partei nicht auszuschließen. 312 Schließlich verlor die NSDAP-Bamberg im November 3,6 Prozentpunkte und sank damit auf 36,6 % ab. 313 Nur noch knapp konnte sie sich vor der BVP (35,4 %) halten. 314 Seit Sommer 1932 hatten die Nationalsozialisten einen enormen Popularitätsschwund zu verzeichnen, der sich außer in schwindenden Besucherzahlen bei den Wahlversammlungen und zunehmender Gewalt auch im Wahlergebnis niederschlug. 315 Der Freistaat machte sich voller Polemik über eine schlecht besuchte NS-Veranstaltung in Hof lustig, auf der der Bamberger Lorenz Zahneisen zusammen mit Prinz August Wilhelm von Preußen auftrat: „Die Nazipleite in Hof! Weder Auwi noch Zahneisen ziehen mehr an. Vor einigen Tagen sprachen Prinz Auwi und der Bonze Zahneisen in einer Wahlversammlung in Hof. Ueber den Mißerfolg, den beide, der Prinz und der ‚Schlosser‘ hatten, schreibt das dortige Parteiorgan:
Bei der Reichstagswahl 1930 zählte die KPD 712 Stimmen, im Juli 1932 erreichte sie 881 Wähler. Vgl. Tabelle 12; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 128. Zum Anstieg der KPD in anderen deutschen Städten und Gebieten vgl. Winkler, Katastrophe, S. 776–780. 302 Vgl. Abbildung 9; Tabelle 12 und Tabelle 13. 303 NZA v. 7.11.1932, Nr. 247; vgl. Abbildung 6. 304 Vgl. Abbildung 4. 305 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 128; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 73 f. Im Reich verlor die SPD 1,2 Prozentpunkte und im Wahlkreis Franken 1,0 Prozentpunkte, sie erzielte damit 20,4 % bzw. 20,2 %. 306 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 776. 307 Vgl. FS v. 7.11.1932, Nr. 256: „Der Verlust der 154 Stimmen gegenüber der Wahl vom 31. Juli 1932 ist unbedeutend, auch schon deshalb, weil die Gesamtzahl der marxistischen Stimmen gestiegen ist.“ 308 Fischer, Conan J.: Gab es am Ende der Weimarer Republik einen marxistischen Wählerblock? In: GG 21 (1995), S. 78. 309 Fischer, Wählerblock, S. 79. 310 Vgl. Fischer, Wählerblock, S. 78 f.; Winkler, Katastrophe, S. 775–780; Falter, Hitlers Wähler, S. 51–53, 114–117. Falter bestätigt die erhöhten Haltequoten des linken und katholischen Blocks gegenüber dem Nationalsozialismus, sodass dieser Faktor bei der Wahlanalyse durchaus seine Berechtigung hat. Als Erster hatte der Amerikaner Walter Dean Burnham in den 1970er Jahren das unterschiedliche Wahlverhalten der Blöcke gegenüber dem Nationalsozialismus herausgearbeitet und damit die Theorie des politischen Konfessionalismus begründet. Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass die Wählerfluktuation sehr differenziert verlaufen ist und nicht alleine durch die Blocktheorie erklärt werden kann. 311 Vgl. Fischer, Wählerblock, S. 72: „Die KPD war im November 1932, ihrer Wählerschaft nach, ganz sicherlich keine Volkspartei, aber ihre soziale Basis war ohne Zweifel beträchtlich heterogener geworden.“ 312 Vgl. Mommsen, Aufstieg, S. 584; Winkler, Katastrophe, S. 780; Falter, Hitlers Wähler, S. 111. 313 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 61, 128. 314 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 128. 315 Vgl. FS v. 17.10.1932, Nr. 239; Zehentmeier, Entwicklung, S. 132–143; Hambrecht, Aufstieg, S. 363–367; Childers, Thomas: Voters and Violence: Political Violence and the Limits of National Socialist Mass Mobilization. In: German Studies Review 13 (1990), S. 481–498. 301
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Es zieht aber auch schon gar nichts mehr. Jetzt hat man sich extra einen leibhaftigen Hohenzollernprinzen aus dem Norden kommen lassen, und wieder war es nichts; vom Schlosser gar nicht zu reden.“ 316
Die Abwanderung aus den Reihen der Nationalsozialisten kann durch die Gewinne der DNVP (plus 1,8 %) und BVP (plus 0,8 %) nicht hinreichend erklärt werden. 317 Ein Transfer der Hitlerwähler in das Lager der Nichtwähler ist für Bamberg unwahrscheinlich und als Begründung nicht ausreichend, da im Kontrast zum reichsweiten Trend die Wahlbeteiligung von 85,3 % (31. 7. 1932) auf 86,6 % angestiegen war. 318 Mit der KPD „testete“ also ein frustrierter Gesellschaftsteil mit Verspätung eine weitere Alternative des Boykotts der demokratischen Parteien. 3.1.1.8 Die Reichstagswahl vom 5. März 1933 und Bambergs Wahlverhalten im Vergleich mit Ettlingen „Das Wahlergebnis […] brachte keine Ueberraschung. Wie vorauszusehen war, kam den Nazi [sic] das Verbot der SPD-Zeitungen und die Benützung der staatlichen Einrichtungen sehr zugute.“ 319
So lautete die verhältnismäßig nüchterne Analyse des Freistaats am Tag nach der letzten halbfreien Reichstagswahl am 5. März 1933, die infolge des Reichstagsbrands bereits von Verfolgung und Ter-
ror gegen die Arbeiterparteien geprägt war. 320 In Bamberg gab es erstmals keine republikanische Mehrheit aus BVP, SPD und Liberalen mehr, denn die NSDAP, die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 321 und die KPD erzielten in Summe 52,4 %. 322 Eine rechte Koalition aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen wäre allerdings in der Domstadt – im Unterschied zum Deutschen Reich – nicht regierungsfähig gewesen. 323 Durch das enorme Propagandaaufgebot und den Einsatz des staatlichen Rundfunks schaffte es die NSDAP in Bamberg, sowohl die Wahlbeteiligung als auch die Zustimmungsrate nochmals zu steigern. 324 Beide Werte waren überproportional hoch: 90,3 % (Deutsches Reich: 88,8 %) nahmen an der Abstimmung teil und 46,6 % (Deutsches Reich: 43,9 %) setzten ihr Kreuz bei der Hitlerpartei. 325 Bamberg zählte damit nicht zu den herausragenden NSDAP-Hochburgen, wie beispielsweise die protestantischen Städte Coburg mit 56,1 % oder Ansbach mit 53,6 %, aber von anderen katholischen Städten in Bayern hob es sich augenfällig ab. 326 Aschaffenburg, Augsburg, Regensburg, Würzburg und München blieben alle unter der Marke von 38 %. 327 Obwohl Unterfranken bei dieser Wahl hinsichtlich der NS-Affinität aufholte, behielt Würzburg mit 31,5 % eine große Distanz von über 15 Prozentpunkten zum „braunen Bamberg“ bei. 328 Die unterfränkischen NSDAP-Gewinne basierend auf einem niedrigen Ausgangsniveau stellten ein typisches Merkmal dar, denn gerade die katholischen Wahlkreise verzeichneten im
FS v. 17.10.1932, Nr. 239; vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18.10.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. Vgl. Tabelle 12; Mommsen, Aufstieg, S. 584. 318 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 61, 128; Mommsen, Aufstieg, S. 584; Childers, Voter, S. 211; Winkler, Katastrophe, S. 774 f.; Falter/ Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 74. Im Wahlkreis Franken fiel die Wahlbeteiligung von 85,7 % auf 82,9 %, im Reich von 84,1 % auf 80,6 %. 319 FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 320 Vgl. Falter, Hitlers Wähler, S. 38. 321 Die DNVP trat zusammen mit dem nationalistischen Wehrverband Stahlhelm und parteilosen Vertretern, wie von Papen, am 5. März 1933 unter dem Namen „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“ an. Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 884. 322 Vgl. Abbildung 4; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 219. 323 Die NSDAP und die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot erhielten zusammen 49,8 % in Bamberg und lagen damit ganz knapp unter der 50 %-Marke. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 219. 324 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 219; Zehentmeier, Entwicklung, S. 149 f.; Falter, Hitlers Wähler, S. 38; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken und Mittelfranken v. 5. 3.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677: „Wo die Beteiligung an den nationalsozialistischen Versammlungen geringer war, ist die Ursache wohl weniger in Wahl- und Parteimüdigkeit zu suchen, als in der Tatsache, daß die Reden des Reichskanzlers bequemer und billiger am Rundfunk zu hören sind.“ 325 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 219; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 75. 326 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 213–222. 327 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 213, 215, 217, 221. 328 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 221; Grubmüller, Margit/Langewiesche, Dieter: Die Würzburger Arbeiterbewegung unter der nationalsozialistischen Diktatur. In: Würzburger Sozialdemokraten. Vom Arbeiterverein zur Sozialdemokratischen Volkspartei 1868–1978. Hg. v. H. W. Loew/K. Schönhoven. Würzburg 1978, S. 89; Thränhardt, Wahlen, S. 182. 316 317
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Frühjahr 1933 hohe Zuwachsraten. 329 Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler nahm die Hemmschwelle der Katholiken gegenüber der NSDAP signifikant ab, was sich auch auf Bamberg auswirkte. 330 So war die BVP unter allen Parteien die größte Verliererin, denn mit einem Minus von 4,1 Prozentpunkten sackte sie auf 31,3 % ab. 331 Die ohnehin schwach ausgeprägte Resistenz der Katholiken bröckelte weiter und weniger als ein Drittel der Wahlberechtigten vertrauten noch auf die katholische Politik. 332 Ebenso verzeichnete die KPD relativ große Einbußen von 2,4 Prozentpunkten. 333 Der kurze kommunistische Höhenflug vom 6. November 1932 war beendet und blieb eine Ausnahmeerscheinung in Bamberg. Mit 2,6 % erreichte die KPD wieder das Ausgangsniveau der Reichstagswahlen von 1930 und vom Sommer 1932. 334 Allerdings war die KPD in besonderem Maße von den Verboten nach dem Reichstagsbrand betroffen, sodass sie allgemein unter starken Verlusten litt. 335 Demgegenüber fielen die sozialdemokratischen Verluste von 1,1 Prozentpunkten klein aus, 336 sodass der Freistaat melden konnte: „SPD hält Stellung“. 337 15,4 % betrug der sozialdemokratische Stimmenanteil und glich folglich dem SPD-Anteil der Reichstagswahl im Mai 1924. 338 Dieser Wählerstamm von etwa 5.100 SPD-Anhängern, die sowohl im November 1932 als auch im März 1933 der Sozialdemokratie die Treue hielten, bildete das Kernmilieu in Bamberg. 339 Weder die Einschüchterungs-
versuche noch der einsetzende Terror hielten diese Wählergruppe von ihrer linkspolitischen Wahl ab. 340 Unempfänglich für die Agitation der Nationalsozialisten und die Jubelstimmung nach der Machtergreifung wiesen sie den Machtanspruch der NSDAP zurück. 341 Dies zeigt, dass diese Wähler mit der SPD mehr verbanden als nur den Wahlgang. 342 Ihnen gemeinsam war die Teilhabe am sozialistischen Milieu in Form von Gewerkschaften, Vereinen, Kampfbünden oder der Festkultur. 343 Folglich hatten sie in einem „Dritten Reich“ auch mehr zu verlieren als nur die Partei, nämlich ihre Lebenswelt, Überzeugung und Mentalität samt den Organisationen der Arbeiterbewegung, den sozialen Strukturen und der Freizeitgestaltung. 344 Eine sozialistische Wählerhochburg war Bamberg während der gesamten Weimarer Republik nicht, doch ein festes resistentes Kernmilieu lässt sich an den linken Wahlresultaten ablesen. Überblickt man die gesamte republikanische Zeit zwischen 1919 und 1933 so war Bambergs rotes Wahlverhalten mit der katholischen Kleinstadt Ettlingen in Baden vergleichbar, deren Entwicklung die Historikerin Cornelia Rauh-Kühne in ihrer Dissertation „Katholisches Milieu und Kleinstadtgesellschaft“ erarbeitet hat. 345 In Ettlingen stimmten 1919 wie in Bamberg über 30 % für die SPD. 346 Nach Einschnitten 1920 und in der ersten Reichstagswahl von 1924 erfolgte die Stabilisierung seit Mitte der 20er Jahre auf einem Niveau von etwa
Vgl. Thränhardt, Wahlen, S. 182 f. Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 219; Falter, Hitlers Wähler, S. 178 f.; Thränhardt, Wahlen, S. 182 f. 331 Vgl. Tabelle 12; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 219. 332 Vgl. Blessing, Kirche, S. 20 f. 333 Vgl. Tabelle 12; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 219. 334 Vgl. Tabelle 12; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 219. 335 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 884; Brechtken, Magnus: Die nationalsozialistische Herrschaft 1933–1939. Darmstadt 22012, S. 23. Im Deutschen Reich fiel die KPD um 4,6 Prozentpunkte ab, das heißt von 12,3 % auf 16,9 %. In Bamberg betrug der Verlust lediglich 2,4 Prozentpunkte, doch war dies vor allem der lokalen niedrigen Ausgangsbasis geschuldet. 336 Vgl. Tabelle 12. 337 FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 338 Vgl. Tabelle 12. 339 Am 6. November 1932 stimmten insgesamt 5.164 Wähler für die SPD, am 5. März 1933 waren es 5.125; vgl. Tabelle 12. 340 Vgl. Bracher, Karl Dietrich: Die deutsche Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus. Berlin 71997, S. 299. 341 Vgl. Bracher, Diktatur, S. 299. 342 Vgl. Walter, Hochburg, S. 140 f. 343 Vgl. Walter, Hochburg, S. 140 f. 344 Vgl. Walter, Hochburg, S. 142. 345 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen. Ettlingen war 1925 eine badische Kleinstadt mit 33.913 Einwohnern und gehörte zum Bezirk Karlsruhe und zum Wahlkreis Nr. 32 (Baden). Wirtschaftlich war Ettlingen wie Bamberg vor allem durch die Textilindustrie und ein starkes handwerkliches Gewerbe geprägt, aus dem im Laufe der Industrialisierung viele verschiedene kleinere Betriebe erwuchsen. 346 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434, S. 133; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 13, 25–42. 329
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20 %. 347 Die Wahlen seit 1932 waren in beiden Orten gekennzeichnet von etappenweisen, meist kleineren Verlusten, die bei etwa 15 % im März 1933 endeten. 348 Eine weitere Gemeinsamkeit bildete ein tiefer Einbruch im Jahre 1932, der in Bamberg während der Landtagswahl im April 1932 eintrat (SPD: 12,9 %), während Ettlingen diese Talsohle in der Novemberwahl 1932 erreichte (SPD: 13,5 %). 349 Obwohl sich die beiden Städte bezogen auf das Verhalten ihrer sozialdemokratischen Wählerschaft glichen, gab es zwei entscheidende Abweichungen im sonstigen Wahlverhalten: die Haltequoten der jeweiligen katholischen Partei und der Erfolg der Hitlerbewegung. Ettlingen zeichnete sich durch einen konstanten und stabilen „Zentrumsturm“ aus, der „allen Anstürmen gewachsen“ 350 war. 351 Gemäß dem geringeren katholischen Bevölkerungsanteil in Ettlingen (71,1 % im Jahr 1925; Bamberg zeitgleich: 84,2 %) erhielt das Zentrum mit 26,5 % (1919) einen niedrigeren Zuspruch als die BVP in Bamberg (1919: 47,1 %). 352 Der katholische Wählerblock in Ettlingen steigerte sich in den letzten Jahren der Weimarer Republik stetig von 22,4 % (1928) auf 30,0 % (1933), gewann an Anziehungskraft und vergrößerte sein Wählerreservoir. 353 Dies stellte den gravierenden Unterschied zur Bamberger BVP dar, die von einer höheren Ausgangslage startete, sich aber ab 1920 auf eine 13-jährige Talfahrt bergab begab. 354 Konsequenterweise konnte die NSDAP-Ettlingen in die beiden stabilen Milieus der Katholiken und Arbeiterschaft nicht eindringen und ihre Erfolge beschränkten sich auf das liberale und meist pro-
testantische Bürgertum. 355 Bei den Wahlen seit 1928 stimmten die Ettlinger immer mit unterdurchschnittlichen Raten für die NSDAP und erreichten am 5. März 1933 lediglich 31,6 %. 356 Ein Wert, den Bamberg auf der „rechten Fahrspur“ bereits im Mai 1924 passiert hatte, also fast ein Jahrzehnt früher. Für die SPD-Bamberg endete die Weimarer Republik wie sie 14 Jahre zuvor begonnen hatte – mit einem Landtagsmandat. Aufgrund der Gleichschaltung der Länder nach dem Reichsgesetz vom 31. März 1933 wurden die Sitze im Landtag entsprechend den Ergebnissen der Reichstagswahl am 5. März 1933 vergeben. 357 Nach Johann Steitz 1919 wurde Josef Dennstädt 1933 der zweite Bamberger Sozialdemokrat im Bayerischen Plenum. 358 Politische Rechte, Gestaltungsfreiheit und Chancen für die Arbeiterbewegung waren darin jedoch nicht mehr enthalten, denn nach zwei Sitzungen im April 1933 trat der Landtag für die Dauer des Dritten Reiches nie wieder zusammen. 359
3.1.2 Direkte Demokratie: Volksbegehren und Volksentscheide Bereits bei den Verfassungsverhandlungen der Weimarer Nationalversammlung waren die links-demokratischen Parteien für die erstmalige Aufnahme plebiszitärer Verfahren zur Gesetzgebung eingetreten. 360 Für die SPD handelte es sich um eine jahrzehntealte Forderung, die sie bereits im Eisenacher und Gothaer Programm vertreten hatte. 361 „Direkte Gesetzgebung durch das Volk“ 362 war das erklärte
Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 125 f. In Ettlingen sank die SPD von 17,2 % (1930) auf 14,8 % (1933) ab; Bamberg verzeichnete in diesem Zeitraum Verluste von 19,5 % (1930) auf 15,4 % (1933). Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 125; Tabelle 12. 349 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 125; Tabelle 13. 350 Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 125. 351 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 14, 125, 422. 352 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 14, 27, 125; Tabelle 12. 353 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 125. 354 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 13. 355 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 422. 356 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 13, 191. 357 Vgl. Götschmann, Landtagswahlen. 358 Vgl. Götschmann/Henker, Geschichte; Schumacher, Martin (Hg.): M.d.L. Das Ende der Parlamente 1933 und die Abgeordneten der Landtage und Bürgerschaften der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Ein biographischer Index. Düsseldorf 1995, Nr. 191, S. 25. 359 Vgl. Götschmann, Landtagswahlen. 360 Vgl. Wiegand, Hanns-Jürgen: Direktdemokratische Elemente in der deutschen Verfassungsgeschichte (= Juristische Zeitgeschichte, Bd. 20). Berlin 2006, S. 52–67. 361 Vgl. Wiegand, Elemente, S. 38. 362 Protokoll Vereinigungskongress Gotha 1875, S. 4. 347
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
Ziel. Mit Artikel 73 bis 76 der Verfassung von 1919 wurde dieser Wunsch Wirklichkeit, wenn auch die Verfahren des Volksbegehrens und Volksentscheids durch zahlreiche Bedingungen eingeschränkt wurden. 363 So kam es insgesamt zu drei Volksbegehren auf Reichsebene, 364 von denen zwei die Hürde zum Volksentscheid nahmen. 365 Erstmals wurde 1926 ein solches Gesetzgebungsverfahren „von unten“ von der KPD zur Frage der Fürstenenteignungen in die Wege geleitet. 366 Mit einiger Verspätung schloss sich dem die Parteiführung der SPD an und infolgedessen erarbeiteten die beiden Arbeiterparteien mithilfe der Freien Gewerkschaften einen gemeinsamen Gesetzesentwurf. 367 Noch vor der Entscheidung des SPD-Vorstands hatte sich die sozialdemokratische Zeitung von Würzburg und Bamberg auf die Seite der Kommunisten geschlagen
und dem Willen der Basis Ausdruck verliehen. 368 Der Stein zum Volksbegehren und dem anschließenden Volksentscheid war folglich auch in Bamberg im Rollen. Mitte März beklagte der Stadtrat „das wilde Plakatieren aus Anlaß der Fürstenenteignung“, 369 sodass die Polizei diese entfernen musste. 370 Volksversammlungen zu Themen wie „Fürstenabfindung und Volksnot“ 371 oder der „Selbstmord des werktätigen Volkes ist die Abfindung der Fürsten“ 372 fanden statt. Gemäß den offiziellen Parteivorgaben agierten die Ortsgruppen der SPD und KPD getrennt für das gemeinsame Gesetzesvorhaben und veranstalteten separate Zusammenkünfte. 373 Dazu verpflichteten beide Parteien hochrangige Politiker aus den eigenen Reihen als Redner in Bamberg. Für die KPD kam der Reichstagsabgeordnete Ernst Schneller aus Berlin, der SPD verhalfen
Vgl. Schiller, Theo: Direkte Demokratie. Eine Einführung. Frankfurt am Main 2002, S. 73–75; Wiegand, Elemente, S. 65–71. Insbesondere wurde ein Beteiligungsquorum von 50 % der Stimmberechtigten für einen Volksentscheid sowohl bei Verfassungsänderungen als auch bei normalen Gesetzesentwürfen festgelegt. Dies hatte zur Folge, dass nur die Unterstützer zur Wahl gehen mussten und sich somit öffentlich bekennen mussten, während die Gegner Wahlboykott propagieren und ausüben konnten. 364 Ebenso wie die Weimarer Verfassung sahen die Bayerische Verfassung und die Kommunalverfassung Verfahren der direkten Demokratie vor. In Bamberg gab es allerdings während der Weimarer Republik keine Bestrebungen zur Durchführung eines Sach- oder Auflösungsbegehrens, sodass diese Möglichkeiten in der Stadt ungenutzt blieben. Der einzige Volksentscheid in Bayern ging 1924 von der BVP aus und sah eine rückschrittlich, konservative Verfassungsänderung vor, die am 6. April 1924 scheiterte. Für die Fragestellung dieser Arbeit nach dem sozialistischen Milieu ist diese Abstimmung jedoch nicht relevant, da sie angesichts der zeitgleich abgehaltenen Landtagswahlen keinen Erkenntnisgewinn zur Parteien- oder Lagerstärke bringt. 9.321 Wähler bejahten den Volksentscheid zur Änderung der bayerischen Verfassung; dies entspricht annähernd der Stimmenzahl der befürwortenden Parteien BVP und DNVP in Bamberg (BVP: 8465 + DNVP: 777 = 9242). Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, S. 468 f.; BV v. 7. 4.1924, Nr. 82; BT v. 7. 4.1924, Nr. 82; Schönhoven, Bayerische Volkspartei, S. 89 f.; Jung, Otmar: Volksabstimmungen. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Volksabstimmungeni (27. 9. 2016); Jung, Otmar: Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bürgerbegehren und Bürgerentscheidi (27. 9. 2016). 365 Vgl. Schiller, Demokratie, S. 76. 366 Vgl. Büttner, Weimar, S. 375 f.; Winkler, Schein, S. 270 f. 367 Vgl. Winkler, Schein, S. 272–274; Thoß, Hendrik: Demokratie ohne Demokraten? Die Innenpolitik der Weimarer Republik (= Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, Bd. 6). Berlin 2008, S. 79 f. 368 Am 19. Januar 1926 fasste der SPD-Vorstand den Beschluss. Eine Woche zuvor war der kommunistische Aufruf zum Volksentscheid bereits im Fränkischen Volksfreund und Freistaat erschienen. Inwieweit dieser Vorstoß von der SPD-Würzburg oder der SPD-Bamberg ausging, ist nicht mehr feststellbar. Da der Mantelteil der Zeitung in Würzburg erstellt wurde, war vermutlich die dortige Redaktion und nicht die Lokalredaktion in Bamberg dafür verantwortlich. Vgl. Lagebericht v. 27.1.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 646; Ermittlungsverfahren gegen Gustav Geisler, StAW, Landgericht Würzburg, Staatsanwaltschaft, Nr. 171; Anklage gegen Gräf August, Redakteur in Würzburg wegen Religionsvergehens, Landgericht Würzburg, Staatsanwaltschaft, Nr. 201; Jung, Otmar: Volksgesetzgebung. Die „Weimarer Erfahrungen“ aus dem Fall der Vermögensauseinandersetzungen zwischen Freistaaten und ehemaligen Fürsten, Bd. 2. Hamburg 1990, S. 691–695. 369 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 3.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864. 370 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 3.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864. 371 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 28. 2.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864. 372 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 3.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 373 Die SPD lehnte die Einheitsfrontpolitik der KPD ab und fürchtete einen Wechsel ihrer Anhänger und Mitglieder zur KPD bei gemeinsamen Aktionen. Daher hatte man nur den Gesetzentwurf, die Einzeichnungslisten und die Plakate miteinander abgestimmt und die Zusammenarbeit anschließend beendet. Vgl. Winkler, Schein, S. 271–274; Kaufhold, Karl Heinrich: Fürstenabfindung oder Fürstenenteignung? Der Kampf um das Hausvermögen der ehemals regierenden Fürstenhäuser im Jahre 1926 und die Innenpolitik der Weimarer Republik. In: Deutscher Adel im 19. und 20. Jahrhundert (= Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, Bd. 26). Hg. v. G. Schulz/M. A. Denzel. St. Katharinen 2004, S. 264 f.; FS v. 1. 2.1926, Nr. 25: „Wir ersuchen unsere Kameraden, Versammlungen und Demonstrationsumzüge, die von den republikanischen Parteien gegen die maßlosen Forderungen der Fürsten veranstaltet werden, voll zu unterstützen. Gemeinsames Vorgehen mit Nichtrepublikanern (Nationalisten, Kommunisten und Roten Frontkämpfern) darf unter keinen Umständen stattfinden.“ 363
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der Parteivorsitzende Hermann Müller und der Reichstagsabgeordnete August Frölich aus Weimar zu Aufmerksamkeit. 374 Allerdings fanden antimonarchische Reden gegen Kaiser Wilhelm II. als „Fahnenflüchtiger“ 375 des Weltkrieges, gegen dessen „Zickzack-Politik“ 376 und gegen den Charakter „des irrsinnigen Ludwig II.“ 377 wenig Zulauf in Bamberg und blieben auf das sozialistische Milieu beschränkt. 378 Zu stark waren die Bindungen der Garnisonsstadt an die Hohenzollern, aber vor allem die Treue zu den Wittelsbachern stellte in Bamberg ein zentrales und verbindendes gesellschaftliches Element außerhalb der linken Kreise dar. 379 In Form des „Bayerischen Heimat- und Königsbundes“ agierten die Bamberger Monarchisten nicht nur in der Stadt selbst, sondern waren auch im Umland präsent und betrieben erfolgreich die Werbung neuer Mitglieder und die Gründung neuer Ortsgruppen. 380 Gegenwind blies der Bamberger Arbeiterbewegung zur Volksabstimmung „Entschädigungslose Fürstenenteignung“ jedoch nicht nur von dieser Seite entgegen, sondern auch die politische Rechte und die Kirchen machten dagegen mobil. 381 Adolf Hitler selbst hatte am 14. Februar 1926
bei der Bamberger Führertagung der NSDAP Stellung gegen das Volksbegehren bezogen. 382 Zusätzlich hetzte die neugegründete nationalsozialistische Zeitung Die Flamme, indem sie betonte „daß also all die Persönlichkeiten, die auf jüdisches marxistisches Betreiben enteignet werden sollen, Staatsbürger deutschen Bluts wie wir alle sind“. 383 Zunehmend wurden die sozialistischen Befürworter in Bamberg in die Ecke gedrängt. Hatte die SPD ihre Versammlung zum Volksbegehren am 26. Februar 1926 noch im Zentralsaal abgehalten, so wurde ihr das Anmieten dieser Räumlichkeit im Juni 1926 von der Vorstandschaft des evangelischen Vereinshauses untersagt. 384 Wie schon im Kaiserreich sah sich die SPD mit dem Problem konfrontiert, überhaupt einen großen Versammlungsort in Bamberg zu finden. Letztendlich stellte die Hofbräu AG den Garten der Brauerei „Weiße Taube“ (Zinkenwörth 17–19) für die sozialdemokratische Kundgebung zur Verfügung. 385 Diese lokalspezifischen Umstände trugen dazu bei, dass die Ergebnisse des Volksbegehrens und des Volksentscheids in Bamberg unterdurchschnittlich ausfielen. In die Einzeichnungslisten, die vom
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 16. 6.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 28. 2.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 6.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865; Schumacher, Martin (Hg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. Düsseldorf 1991, S. 225; Weber/Herbst, Kommunisten, S. 687–689; Vogt, Martin: Müller, Hermann. In: NDB 18 (1997), S. 410–414. 375 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 3.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 376 FS v. 1. 3.1926, Nr. 49. 377 FS v. 1. 3.1926, Nr. 49. 378 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 3.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 16. 6.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 379 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Mayershofer, Militär, S. 242–249; Tapken, Garnisonsstadt, S. 28 f.; Büttner, Weimar, S. 376; Schönhoven, Bayerische Volkspartei, S. 163; Immler, Gerhard: Volksabstimmung „Entschädigungslose Fürstenenteignung“, 1926. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Volksabstimmung „Entschädigungslose Fürstenenteignung“, 1926i (27. 9. 2016). Als Inhaber des Bamberger Ulanen-Regiments fungierte zwischen 1872 und 1918 der preußische Kronprinz oder Kaiser, sodass die Ulanen besonders stark mit den Hohenzollern verbunden waren. Das Infanterie-Regiment der Bamberger „Fünfer“ war hingegen stärker auf das bayerische Königshaus fixiert. Durch die Regimenter und deren Feste wurde die Verbindung der Stadt Bamberg zum Königreich Bayern und zum Deutschen Kaiserreich gefestigt und verstärkt. Insgesamt zeigte sich bei der Volksabstimmung zur Fürstenenteignung 1926 in ganz Bayern die anhaltende Beliebtheit des Hauses Wittelsbach. 380 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.1.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Forchheim v. 14.12.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867. 381 Vgl. FS v. 1. 6.1926, Nr. 122; FS v. 22. 6.1926, Nr. 139; Die Flamme v. 6.1926, Nr. 14; Schönhoven, Bayerische Volkspartei, S. 163 f.; Kaufhold, Fürstenabfindung, S. 274 f. 382 Vgl. Tagebucheintrag von Joseph Goebbels v. 15. 2.1926. In: Reuth, Ralf Georg (Hg.): Joseph Goebbels Tagebücher 1924–1945, Bd. 1. München 1992, S. 227–229; Strauss, Programmatik, S. 339 f.; Büttner, Weimar, S. 376. 383 Die Flamme v. 6.1926, Nr. 15. 384 Vgl. FS v. 1. 6.1926, Nr. 122. 385 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Fiedler, Bamberg, S. 128–130. 374
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4. bis 17. März 1926 auslagen, trugen sich lediglich 2.507 Wähler ein, also 7,8 %. 386 Anschließend stieg die Beteiligung beim Volksentscheid um etwa 2.000 Stimmen auf 14,7 % der Wahlberechtigten, doch mit einer Zustimmungsquote zum Gesetzentwurf von 13,8 % aller Stimmberechtigten stellte das Resultat einen eindeutigen Misserfolg dar. 387 Entgegen den sonst oftmals beschönigenden Berichten des Freistaats gestand man anhand dieser Zahlen unumwunden ein, dass die Erwartungen nicht erfüllt worden seien. 388 Verglichen mit anderen Ergebnissen war Bamberg wahlgeografisch eher in Niederbayern als in (Ober-)Franken beheimatet. 389 Im Gegensatz zum reichsweiten Trend bedeutete das Ergebnis gemessen an der Reichstagswahl vom Dezember 1924 keinen Linksruck, sondern einen Rückgang der Stimmenanzahl des roten Blocks. 390 So bewies die Volksabstimmung zur Fürstenenteignung in Bamberg, dass die Arbeiterbewegung gegen die geballte Gegnerschaft aus Kirchen, Nationalsozialisten und Monarchisten chancenlos war. In dieser Hinsicht ähnelte das Referendum von 1926 der Hindenburg-Wahl im Jahr zuvor. Die linke Initiative des ersten Volksentscheids der Weimarer Republik hatte weniger die Arbeiterparteien vor Ort gestärkt als deren Gegner mobilisiert. 391 Als die KPD 1928 versuchte, sich erneut durch eine Volksabstimmung zu profilieren, rechnete man in Bamberg von Anfang an mit wenig Zuspruch und Andrang. 392 Folglich entschied der städtische
Verwaltungssenat im September die Anzahl der Lokale zur Eintragung von drei auf zwei zu reduzieren. 393 Das Gremium sollte mit seiner Vorhersage recht behalten. Eine Ursache für die Zurückhaltung der Wähler war die öffentliche Einzeichnung in die Liste. 394 Hatte man sich durch die Zustimmung beim Volksbegehren zur Fürstenenteignung zu einer linken Gesinnung bekannt, so offenbarte sich jeder Unterzeichnende nun als Kommunist. 395 Ein Faktor, der hinsichtlich des Wahlrechts schon von den Zeitgenossen als problematisch wahrgenommen wurde, ohne dass sie diesen änderten. 396 Obwohl das Verfahren auch in anderen Städten hinderlich war, zeigte das Ergebnis in Bamberg eine besonders große Hemmschwelle bei den Eintragungen. Ein kommunistisches Bekenntnis in Bamberg kam wohl einer Brandmarkung gleich. Dies konnten sich nur die ohnehin stadtbekannten Kommunisten leisten – der Rest blieb den Lokalen fern. So trugen sich in Bamberg vom 3. bis 16. Oktober 1928 lediglich 54 Stimmberechtigte in das Volksbegehren für das Verbot des Panzerkreuzerbaus 397 ein. 398 Auch andernorts konnte die KPD ihr Wählerpotenzial hierbei nicht ausschöpfen. 399 Im Reichsdurchschnitt erreichte sie 2,9 %, obwohl 10,6 % bei den Reichstagswahlen im Mai für die Linksextremen votiert hatten. 400 Vergleicht man die Relation der Stimmenanzahl des Volksbegehrens mit dem Resultat der letzten Reichstagswahl bildete Bamberg das Schlusslicht der bayerischen
Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919, S. 632; Tabelle 18 im Anhang mit den Ergebnissen des Volksbegehrens vom 4. bis 17. März 1926 und des Volksentscheids am 20. Juni 1926 zur Enteignung der Fürstenvermögen. 387 Vgl. FS v. 22. 6.1926, Nr. 139; Tabelle 18; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 80. 388 Vgl. FS v. 22. 6.1926, Nr. 139. 389 Der Wahlkreis Nr. 25 Niederbayern wies eine Beteiligung von 7,9 % am Volksbegehren und von 13,2 % am Volksentscheid auf, bei dem 13,0 % für den Gesetzesentwurf stimmten. In Franken trugen sich 20,6 % zum Volksbegehren ein (Oberfranken: 19,2 %) und bei 28,1 % Wahlbeteiligung (Oberfranken: 26,4 %) stimmten beim Volksentscheid 26,5 % (Oberfranken: 24,7 %) mit „Ja“. Vgl. Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 80. 390 Vgl. Winkler, Schein, S. 282 f.; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 86; Thoß, Demokratie, S. 80; Jung, Volksgesetzgebung, S. 988–993; Tabelle 12 und Tabelle 18. Die linken Parteien hatten am 7. Dezember 1924 insgesamt 4.999 Stimmen erhalten (SPD, KPD, USPD). 391 Vgl. Büttner, Weimar, S. 377; Kaufhold, Fürstenabfindung, S. 272–275. 392 Vgl. Bericht zur Verwaltungssenatssitzung v. 25. 9.1928, StadtABa, BS, Nr. 226/3; Winkler, Weimar, S. 339. 393 Vgl. Bericht zur Verwaltungssenatssitzung v. 25. 9.1928, StadtABa, BS, Nr. 226/3. 394 Vgl. Wiegand, Elemente, S. 85 f. 395 Vgl. Jung, Demokratie, S. 87. 396 Vgl. Wiegand, Elemente, S. 85 f.; Jung, Demokratie, S. 89. 397 Der Panzerkreuzer war ein kompaktes und schnelles Kriegsschiff, das für den Fall eines Handelskrieges zum Schutz der Ostseeküste gebaut werden sollte. Die Bürgerblockregierung unter Reichskanzler Wilhelm Marx (Zentrum) und die Marine versuchten damit die Bestimmungen des Versailler Vertrags zu umgehen und eine Aufrüstung zu erreichen. Vgl. Büttner, Weimar, S. 384. 398 Vgl. NV v. 19.10.1928, Nr. 242. 399 Zum Ergebnis des Volksbegehrens im Vergleich zur KPD-Stimmenzahl bei der Reichstagswahl am 20. Mai 1928 in Bamberg und anderen bayerischen Städten vgl. Tabelle 19; NV v. 19.10.1928, Nr. 242. 400 Vgl. Winkler, Schein, S. 545. 386
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Das politische Sozialmilieu
Städte. 401 Während sich in Schweinfurt fast 60 % der kommunistischen Wähler mobilisieren ließen, lagen Augsburg, Erlangen, Nürnberg, Selb und Würzburg mit Werten um 30 % im Mittelfeld. Schlechter schnitten München, Regensburg und Straubing mit etwa 20 % ab. Bamberg bildete eine eigene Kategorie, denn ein ähnlich niedriges Ergebnis von nicht einmal 15 % wies keine andere Stadt vergleichbarer Größe auf. 402 Im Bezirk wurde Bamberg sogar vom kleinen Nachbarn Bischberg überholt, das insgesamt 62 Eintragungen zählte. 403 Bewertet man die unterschiedlichen Quoten nicht nur als Ausdruck der jeweiligen Stärke und Schwäche der KPD-Ortsgruppen, so stellten sie vor allem einen Gradmesser für den sozialen Druck auf die kommunistischen Anhänger dar. 404 Die Stimmung in der Regnitzstadt war demnach in erhöhtem Maße antikommunistisch aufgeladen. 405 Grund zu zweifelhafter Freude bot das Volksbegehren innerhalb der Arbeiterbewegung allenthalben der SPD: Man empfand Schadenfreude über den Misserfolg. 406 Fast ein Jahr später erinnerte der Redakteur des Freistaats noch mit folgenden Worten an das kommunistische Plebiszit: „Die größte Niederlage erlitten die Moskowiter beim Panzerkreuzerentscheid. Kaum ein Bruchteil der sonst für die Kommunistische Partei abgegebenen Stimmen konnten [sic] für die Einschreibung zum Volksbegehren aufgebracht werden. Die Ursache dieses steten Zerfalls der Kommunisten liegt einmal in der klaren vernünftigen Einstellung der
hiesigen Sozialdemokratie und der freien Gewerkschaften. Die Mehrzahl der hiesigen Arbeiterschaft ist sich klar, daß mit Krawall und Phrasen nichts erreicht werden kann.“ 407
Ob tatsächlich die behauptete Rationalität der Bamberger Arbeiterschaft maßgeblich mitverantwortlich für den Ausgang der Eintragungen war, bleibt zweifelhaft. Jedenfalls scheiterte der angestrebte Volksentscheid bereits an der Hürde des Volksbegehrens. 408 Wirkungslos blieb diese Episode der direkten Demokratie jedoch nicht, denn die SPD sah sich durch dieses Volksbegehren so weit unter Druck gesetzt, dass sie eine politische Kehrtwende vollzog. 409 Statt des im August 1928 abgesegneten Baus der Panzerkreuzer beantragte die Fraktion im Reichstag zwei Monate später dieselben Geldmittel für einen sozialen Zweck, die Kinderspeisung. 410 Dieser Kurswechsel diskreditierte sie sowohl innerhalb der Großen Koalition als auch bei ihren Wählern. 411 Im Umkehrschluss hatte die KPD eines ihrer Ziele erreicht, denn das Vertrauen zwischen der Parteibasis und der Führung der Sozialdemokratie war nunmehr erschüttert. 412 Außerdem war es den Kommunisten zum zweiten Mal gelungen, die Mittel der Republik zu nutzen, um Stimmung gegen Gesetzesvorlagen zu machen und die amtierende Regierung in Frage zu stellen. 413 Im Unterschied zum ersten Volksbegehren war nicht einmal mehr die Ausarbeitung eines alternativen Gesetzesentwurfs nötig, die reine Ablehnung genügte. 414
Vgl. Tabelle 19. Vgl. Tabelle 19. 403 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.10.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1875. Der Vorstand des Bezirksamts Bamberg II, Paul Köttnitz, merkte an, dass in Bischberg möglicherweise der Bürgermeister selbst vier Eintragungen vorgenommen hätte und somit das Ergebnis nur unter Vorbehalt gelte. Bischberg entwickelte sich in jedem Fall immer mehr zum Arbeiterort mit starkem Rückhalt für die Arbeiterparteien und vor allem für die Kommunisten. Vgl. Spies, Barbara: Bischberg in jüngerer und jüngster Vergangenheit – Ereignisse und Wandlungen seit 1900. In: 1000 Jahre Bischberg. Beiträge zur Geschichte eines Zwei-Flüsse-Dorfes in Franken. Hg. v. W. Taegert. Petersberg 2014, S. 150–161. 404 Vgl. Wiegand, Elemente, S. 85. 405 Zur Geschichte und Ideologie des Antikommunismus vgl. Wippermann, Wolfgang: Heilige Hetzjagd. Eine Ideologiegeschichte des Antikommunismus. Berlin 2012. 406 Vgl. FS v. 8. 5.1930, Nr. 104; Jung, Demokratie, S. 88 f.; Wiegand, Elemente, S. 85. 407 FS v. 8. 5.1930, Nr. 104. 408 Vgl. Winkler, Schein, S. 545. 409 Vgl. Büttner, Weimar, S. 385; Winkler, Weimar, S. 339 f. 410 Vgl. Büttner, Weimar, S. 385; Winkler, Weimar, S. 541, 551. 411 Vgl. Büttner, Weimar, S. 385; Thoß, Demokratie, S. 86. 412 Vgl. Winkler, Schein, S. 545; Thoß, Demokratie, S. 86; Büttner, Weimar, S. 385. 413 Vgl. Büttner, Weimar, S. 385. 414 Der kommunistische „Gesetzesentwurf“ bestand lediglich aus dem Satz: „Der Bau von Panzerschiffen und Kreuzern ist verboten.“ Damit stand nicht mehr die Umverteilung der Finanzmittel beispielsweise zugunsten einer Kinderspeisung im Vordergrund, sondern prinzipiell wurde die 401
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
Konstruktive Politik wich so parteipolitischer Propaganda und Hetze. 415 Diese Methode der Agitation und der politischen Instrumentalisierung eines Plebiszits nutzten 1929 ebenso die rechten Parteien DNVP und NSDAP. 416 Deren Entwurf „Gesetz gegen die Versklavung des Deutschen Volkes – Freiheitsgesetz“ richtete sich gegen die Annahme des Young-Plans zur Neuregelung der Reparationsfrage und folglich gegen die Politik der Verständigung des Außenministers Gustav Stresemann, gegen die Reichsregierung und letztendlich auch gegen die gesamte demokratische Republik. 417 Im Unterschied zu den sonstigen überdurchschnittlichen NSDAP-Erfolgen in Bamberg waren die Beteiligung und Zustimmung beim Volksbegehren sehr schwach ausgeprägt. In die Listen trugen sich in Bamberg im Laufe der Frist vom 16. bis 29. Oktober 2.293 Personen ein, also 6,9 % der Stimmberechtigten. 418 Damit erreichte man zwar das bayerische Durchschnittsniveau, doch Bamberg lag weit hinter dem oberfränkischen Wert von 18,0 %. 419 Möglicherweise zogen die Einzeichnungen vor allem die Wähler der DNVP an, denn deren Vorsitzender Alfred Hugenberg wurde von den Zeitgenossen als Hauptakteur der Kampagne wahrgenommen. 420 Außer-
dem hatte die BVP zum Boykott aufgerufen und ihre führenden Bamberger Vertreter warben für den Young-Plan, „da ein anderer Ausweg nicht gefunden werden [könnte] […] und die Möglichkeit doch nicht ausgeschlossen [wäre] […], dass späterhin eine Aenderung dieses Planes zu Gunsten Deutschlands erfolge[n würde].“ 421
Anders verhielt sich die SPD-Bamberg: Sie konzentrierte sich in ihren Versammlungen auf die bevorstehenden Bezirks- und Kommunalwahlen und ignorierte abgesehen von allgemeinen Presseartikeln die Volksabstimmung – Gegendemonstrationen wie andernorts fanden nicht statt. 422 Erst als sich das schlechte Ergebnis des Volksbegehrens abzeichnete, berichtete der Freistaat voller Häme über die „Hitler-Hugenberg-Zirkusverbrüderung“ 423 sowie die „Blamage Hugenbergs und dessen Speichellecker“424. Auffällig häufig und ausführlich thematisierte die SPD-Zeitung die Fraktionsaustritte aus der DNVP und deren Spaltung, während die NSDAP nur eine untergeordnete Rolle in der Berichterstattung spielte. 425 Beim anschließenden Volksentscheid am
Rüstungspolitik der Regierung angegriffen. Daher war die Zulassung des Volksbegehrens rechtlich mangels eines ausgearbeiteten Gesetzentwurfs sehr fragwürdig und erfolgte durch den SPD-Innenminister Severing, der seinerseits die KPD-Opposition dadurch schwächen und bloßstellen wollte. Vgl. Winkler, Schein, S. 545; Jung, Demokratie, S. 76–78; Wiegand, Elemente, S. 85. 415 Vgl. Jung, Demokratie, S. 88. 416 Vgl. Schiller, Demokratie, S. 78 f.; Omland, Frank: „Inflationsbegehren“ oder „Deutsches Volksbegehren“. Das Plebiszit gegen den Young-Plan 1929 als Beispiel für die politische Instrumentalisierung der direkten Demokratie in der Weimarer Republik. In: Zeitschrift der Gesellschaft für SchleswigHolsteinische Geschichte 137 (2002), S. 281. 417 Vgl. Richter, Ludwig: Die Deutsche Volkspartei 1918–1933 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 134). Düsseldorf 2002, S. 568 f.; Wiegand, Elemente, S. 89 f.; Huber, Ernst Rudolf: Ausbau, Schutz und Untergang der Weimarer Republik (= Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 7). Stuttgart u. a. 1984, S. 697; Jung, Demokratie, S. 112. 418 Vgl. FS v. 30.10.1929, Nr. 250; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,3. Berlin 1931, S. 51; Tabelle 20 zum Volksbegehren vom 16. bis 29.10.1929 und Volksentscheid am 22.12.1929 zum „Freiheitsgesetz“ (Anti-Young-Plan) im Anhang. 419 In Bayern trugen sich ebenfalls exakt 6,9 % der Wahlberechtigten für das Volksbegehren ein. Vgl. Stäbler, Wolfang: Young-Plan, 1929/30–1932. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Young-Plan, 1929/30–1932i (27. 9. 2016). 420 Der Medienmogul Alfred Hugenberg war am 20. Oktober 1928 zum neuen Parteivorsitzenden der DNVP gewählt worden und forcierte seitdem den rechtsradikalen und antirepublikanischen Kurs der Partei. In Bamberg hatte die DNVP bei den letzten Reichstagswahlen am 20. Mai 1928 insgesamt 1.919 Stimmen erhalten. Vgl. Omland, Inflationsbegehren, S. 264, 274, 279; Ohnezeit, Maik: Zwischen „schärfster Opposition“ und dem „Willen zur Macht“. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in der Weimarer Republik 1918–1928 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 158). Düsseldorf 2011, S. 446–448; Jung, Demokratie, S. 109 f. 421 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Teuschnitz v. 30. 6.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1877; vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Ebermannstadt v. 30.11.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1879. Allgemein war die BVP in der Frage des Young-Plans gespalten und vertrat keine einheitliche Linie. Vgl. Stäbler, Young-Plan; Schönhoven, Bayerische Volkspartei, S. 226–244. 422 Vgl. FS v. 27. 9.1929, Nr. 222; FS v. 1.10.1929, Nr. 225; FS v. 26.10.1929, Nr. 247; FS v. 29.11.1929, Nr. 275; FS v. 3.12.1929, Nr. 278; FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Omland, Inflationsbegehren, S. 258; Kral, Landespolitik, S. 111. 423 FS v. 3.12.1929, Nr. 278. 424 FS v. 26.10.1929, Nr. 247. 425 Vgl. FS v. 3.12.1929, Nr. 278; FS v. 4.12.1929, Nr. 279; FS v. 5.12.1929, Nr. 280; FS v. 6.12.1929, Nr. 281. Ähnliche Beobachtungen machte auch Frank
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Das politische Sozialmilieu
22. Dezember 1929 gelang die Mobilisierung der rechten Wählerschaft deutlich besser, doch blieb die Beteiligung in Bamberg mit 16,6 % gemessen am fränkischen und oberfränkischen Wert (20,1 % und 25,6 %) zurück. 426 Auf Reichsebene gaben 14,9 % ihre Stimme ab, womit das „Freiheitsgesetz“ am Beteiligungsquorum scheiterte. 427 Von der Bamberger Wählerschaft bejahten 5.549 Personen den Anti-Young-Plan, sodass das Stimmenresultat der Reichstagswahl vom 20. Mai 1928 der NSDAP und DNVP um 233 Wähler leicht übertroffen wurde. 428 Dieses Ergebnis ist somit ein Beleg für den kontinuierlichen Aufstieg der NSDAP zwischen 1928 und 1929, doch eine entscheidende Mobilisierungsetappe für die Wählerschaft Hitlers stellte das Plebiszit in Bamberg nicht dar. 429 Zudem lassen die Anzahl der ungültigen bzw. der Nein-Stimmen Rückschlüsse auf einen möglichen Wahlterror vonseiten der rechten Parteien zu. 430 In Bamberg war das Phänomen der erzwungenen Stimmabgabe wenig ausgeprägt, denn insgesamt gab es nur 234 negative Stimmen beider Kategorien und man lag mit 0,6 % Nein-Stimmen im Durchschnitt des fränkischen Wahlkreises. 431 Sozialer Druck oder Wahlzwang herrschten in Bamberg beim Volksentscheid nicht vor, während andere oberfränkische Städte wie Bayreuth, Coburg, Kulmbach oder Neustadt bei Coburg erhöhte ablehnende Werte aufwiesen. 432 Aller-
dings missbrauchte in diesem Fall die SPD die Wahlbestimmungen, denn sie zählte durch den Urnengang ihre Gegnerschaft und notierte die Namen der Teilnehmer. 433 Im Freistaat sah der Redakteur darin einen Erfolg und drohte sogar unterschwellig: „Der Kontrolldienst der Sozialdem. Partei hat gut funktioniert und ist die Partei heute im Besitz sämtlicher Namen derer, die zur Abstimmung gegangen sind. Zur gegebenen Zeit wird von diesen Aufzeichnungen Gebrauch gemacht werden.“ 434
Damit bedienten sich die Bamberger Sozialdemokraten derselben unmoralischen Instrumente wie ihre Gegner, die das Wahlverfahren aufgrund des Beteiligungsquorums zwar zuließ, die sie selbst aber 1926 beim Volksentscheid zur Fürstenenteignung angeprangert hatten. 435 Die Volksgesetzgebung wurde also am Ende der Weimarer Republik nicht nur von den antidemokratischen Kräften konterkariert, sondern sogar von ihren Unterstützern und Trägern. Und die KPD? Sie bejubelte in der Nordbayerischen Volkszeitung die Gesetzesinitiative als große Pleite der Rechten und stellte sich selbst als alleiniger „Träger des Kampfes gegen den Young-Plan“ 436 dar. 437 Wie der NSDAP bot der Young-Plan auch den Linksradikalen ein künftiges Thema in ihren
Omland bei seinen Forschungen zum Volksbegehren gegen den Young-Plan in Schleswig-Holstein. Vgl. Omland, Inflationsbegehren, S. 279; Büttner, Weimar, S. 390 f. 426 Vgl. Tabelle 20; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 80; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930, Jg. 19. München 1930, S. 583. 427 Vgl. Wiegand, Elemente, S. 92. 428 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 20; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,3, S. 51. 429 Vgl. Rohkrämer, Attraktion, S. 61 f.; Falter, Hitlers Wähler, S. 123–125. Die Frage, ob oder wie stark die Volksabstimmung gegen den Young-Plan der NSDAP nutzte, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Während Jung und Omland die Auswirkungen des Plebiszits für den Aufstieg der NSDAP gering einschätzen, betonen Büttner, Kolb und Schumann die positiven Effekte und Nachwirkungen für die Nationalsozialisten und bewerten den Volksentscheid trotz der Niederlage als Erfolg für die NSDAP. Vgl. Jung, Otmar: Plebiszitärer Durchbruch 1929? Zur Bedeutung von Volksbegehren und Volksentscheid gegen den Young-Plan für die NSDAP. In: GG 15 (1989), S. 509 f.; Jung, Demokratie, S. 128–133; Omland, Inflationsbegehren, S. 279; Büttner, Weimar, S. 391; Kolb/Schumann, Weimarer Republik, S. 122. 430 Vgl. Omland, Inflationsbegehren, S. 274; Jung, Demokratie, S. 120. 431 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,3, S. 51. 432 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,3, S. 51. Bayreuth zählte 0,9 % Nein-Stimmen und zusätzlich 133 ungültige Stimmen, Coburg hatte 1,1 % Nein-Stimmen und 234 ungültige Stimmen, Kulmbach lag bei 1,7 % Nein-Stimmen und 89 ungültigen Stimmen, Neustadt bei Coburg kam auf 1,1 % Nein-Stimmen plus 44 ungültige Stimmen. 433 Vgl. FS v. 23.12.1929, Nr. 195; Omland, Inflationsbegehren, S. 262. 434 FS v. 23.12.1929, Nr. 295. 435 Vgl. Omland, Inflationsbegehren, S. 262; FS v. 22. 6.1926, Nr. 139: „Für Bamberg mag ein Grund mit dafür, daß nicht mehr Stimmen aufgebracht wurden, sein, daß die Gegner mit einem Terror arbeiteten, der alles bisher auf diesem Gebiete geleistete weit übertrifft. So sind uns Fälle bekannt geworden, daß Dienstmädchen von ihren Dienstherren die Wahlkarten nicht ausgehändigt erhielten. In einzelnen Bezirken haben sich die Gegner vor die Wahllokale gestellt, um festzustellen, wer von ihren Schäflein zur Wahlurne schreitet.“ 436 NV v. 31.10.1929, Nr. 253. 437 Vgl. NV v. 31.10.1929, Nr. 253.
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
Versammlungen, denn die Reparationsregelung wurde zur Ursache aller Missstände erklärt. 438 Dieser Sündenbock wurde sogar explizit in einer kommunistischen Versammlung in Bamberg 1931 als Gemeinsamkeit der Links- und Rechtsradikalen herausgehoben. 439 Nur der Weg der Bekämpfung würde die Parteien voneinander unterscheiden. So wirkte die Emotionalisierung des Plebiszits von 1929 trotz der Niederlage weiter nach.
3.1.3 Stadtrats- und Bürgermeisterwahlen Große Hoffnungen verband die Sozialdemokratie mit den ersten republikanischen Kommunalwahlen am 15. Juni 1919, denn das neue Gesetz der gemeindlichen Selbstverwaltung erhob den demokratisch gewählten Stadtrat zum alleinigen Vertretungs- und Verwaltungsorgan. 440 Die Bamberger SPD schaltete daher sogar im Bamberger Tagblatt eine Anzeige, mit der sie den Neubeginn unterstrich und um Wählerstimmen warb: „Wähler und Wählerinnen! Die sozialdemokratische Regierung hat mit dem seit Jahrzehnten bestehenden Gemeinde-Wahlrecht gründlich aufgeräumt. […] Das Monopol einer bestimmten Gesellschaftsschicht ist beseitigt. […] Wähler und Wählerinnen! Wir ersuchen Euch bei der Wahl nur die Stimmzettel abzugeben, die das Kennwort tragen: Sozialdemokratische Mehrheitspartei.
Unsere Kandidaten bieten die Gewähr, daß sie, ausgestattet mit politischem Weitblick, in großzügiger Weise, nicht eingeengt von kleinlichem Parteigeist, ihr Amt zum Wohle der Allgemeinheit ausüben werden.“ 441
Gemessen an den hohen Erwartungen, die zusätzlich durch die Wahlerfolge im Januar 1919 geschürt worden waren, fiel das Ergebnis für die MSPD ernüchternd aus. 442 Nicht einmal ein Viertel der Wählerschaft (23,7 %) entschied sich für die sozialdemokratischen Kandidaten, sodass eine links-demokratische Mehrheit zusammen mit der DDP nicht erreicht wurde (Abbildung 12). 443 „Einfach beschämend“ 444 resümierte der Freistaat im Nachhinein. Von den insgesamt 30 Stadträten stellte die SPD sieben: Johann Steitz, Julius Rüffer, Johann (Hans) Rösch, Sebastian Huber, Fritz Duschl, Magdalena Wirthmann und Michael Linsner bildeten die linke Fraktion. 445 In sozialer Hinsicht waren die Stadträte der Arbeiterpartei eine inkohärente Gruppe, die sich im Unterschied zu anderen Städten nicht überwiegend aus Handwerkern zusammensetzte, sondern vom Lagerhalter über den Eisenbahnsekretär bis zum Geschäftsführer Berufe unterschiedlicher Art umfasste. 446 Kein einziger SPD-Stadtrat bezeichnete sich 1919 als Arbeiter und mit Julius Rüffer entstammte lediglich ein Mandatsträger der Textil- bzw. Fabrikarbeiterschaft. 447 Auf Erfahrung in der Kommunalpolitik konnten neben Johann Steitz auch Julius Rüffer und Fritz Duschl zurückgreifen, da sie schon seit
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 26.1.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Omland, Inflationsbegehren, S. 281. 439 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 26.1.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 440 Vgl. BV v. 16. 6.1919, Nr. 137; Volkert, Staats- und Kommunalverwaltung, S. 92 f.; Fülberth, Georg: Die Beziehungen zwischen SPD und KPD in der Kommunalpolitik der Weimarer Periode 1918/19 bis 1933. Köln 1985, S. 32. Zu den genauen Ergebnissen der Stadtratswahlen 1919, 1924 und 1929 vgl. Tabelle 21 im Anhang. 441 BT v. 14. 6.1919, Nr. 134. 442 Vgl. FS v. 16. 6.1919, Nr. 55; BV v. 16. 6.1919, Nr. 137: „Von links hatte man bei dieser Gemeindewahl wohl mit einiger Sicherheit auf einen großen Sieg gerechnet, allein es kam wieder einmal ganz anders […]“; Kritzer, Sozialdemokratie, S. 140 f.; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 54; Kraus, Andreas: Geschichte Bayerns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 42013, S. 659. 443 Vgl. BT v. 16. 6.1919, Nr. 135; Tabelle 21. Die DDP erreichte mit 2.292 Stimmen 14,3 %. 444 FS v. 16. 6.1919, Nr. 55. 445 Vgl. BT v. 16. 6.1919, Nr. 135; Krause, 115 Jahre, S. 55 f. 446 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; BT v. 16. 6.1919, Nr. 135; Großmann, Milieubedingungen, S. 444; Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa; Schriftlicher Lebenslauf von Johann Steitz v. 19. 7.1938, StadtABa, BS, Nr. 483. Dem Handwerk entstammten Johann Steitz als Maurer, Hans Rösch als Maler und Sebastian Huber als Schreiner. Hans Rösch war allerdings der einzige, der den gelernten Beruf 1919 noch ausübte. So wurden die Berufe der SPD-Stadträte 1919 folgendermaßen angegeben: Gewerkschaftssekretär Steitz, Geschäftsführer Rüffer, Maler Rösch, Gewerkschaftssekretär Huber, Lagerhalter Duschl, Hausfrau Wirthmann und Eisenbahnexpeditor Linsner. 447 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1901, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa. 438
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Das politische Sozialmilieu Stadtrat 1919–1924 4
USPD 18
7
SPD
Gemeindebeamte Grund- und Hausbesitzer
DDP
Reichspartei
BVP
DNVP
Wirtschaftliche Vereinigung
NSDAP
1 Stadtrat 1924–1929 9
5 2
1
3 2
6
2
11
Stadtrat 1929–1933 2 3 2 1
6
5
Abbildung 12: Sitzverteilung im Stadtrat Bamberg von 1919 bis 1933.
1914 dem Kreis der Gemeindebevollmächtigten angehört hatten. 448 Demnach zeigte sich in der SPDBamberg die Elitenkonstanz beim Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik. 449
Auf linksradikaler Seite erhielt die USPD bei der Wahl 1919 ein Mandat, womit der Schreiner Josef Pfaff in das städtische Gremium einzog. 450 Die allgemein zu beobachtende Wendung und Radikalisierung bei dieser Kommunalwahl von der SPD hin zur USPD zeigte sich folglich in vermindertem Maße auch in Bamberg. 451 Mit großem Abstand vor allen anderen Parteien wurde die BVP mit 57,8 % zur stärksten Fraktion gewählt: 18 Sitze standen ihr zu. 452 „Einen glänzenden Erfolg für die Bayerische Volkspartei“ bejubelte das Bamberger Volksblatt und feierte „die absolute Mehrheit im neuen Stadtrat“. 453 Dies war der höchste Gewinn der katholischen Partei während der Weimarer Zeit. Mehr noch als den katholischen Vertretern im Land- oder Reichstag vertrauten die Bamberger 1919 den örtlichen Politikern der BVP unter Führung des Zahnarztes Georg Rattel. 454 Gleichzeitig drückte dieses Ergebnis die Zustimmung zur Politik des amtierenden Oberbürgermeisters Adolf Wächter aus, denn dieser stand der katholischen Partei nahe und agierte in deren Sinn. 455 Deutlich wurde dies am 28. September 1919, als Bamberg nach dem neuen Gemeinderecht die Direktwahl des Ersten Bürgermeisters 456 vornahm. 457 Mit lediglich drei Gegenstimmen wurde Wächter in seinem Amt für zehn-
Vgl. BT v. 2.12.1914, Nr. 294. Vgl. Schmidt, Jürgen: Sozialdemokratische und bürgerlich-nationale Milieus, Parteiführungen und Parteikarrieren in Erfurt (1871–1924). In: Parteien im Wandel. Vom Kaiserreich zur Weimarer Republik (= Schriftenreihe der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Bd. 7). Hg. v. D. Dowe/J. Kocke/H. A. Winkler. München 1999, S. 257–266. 450 Vgl. FS v. 7. 6.1919; Nr. 49; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 54. 451 Vgl. Großmann, Milieubedingungen, S. 496, 527; Kritzer, Sozialdemokratie, S. 140 f.; Kraus, Geschichte Bayerns, S. 659. 452 Vgl. Tabelle 21; Kritzer, Sozialdemokratie, S. 140 f.; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921, S. 536. 453 BV v. 16. 6.1919, Nr. 137. 454 Vgl. BV v. 16. 6.1919, Nr. 137. 455 Vgl. Krapf, Bamberg, S. 166 f. 456 Die Gemeindeordnung der Weimarer Republik sah nicht die Bezeichnung des Oberbürgermeisters, sondern den Titel des Ersten Bürgermeisters für Amtsinhaber mit erweiterten Befugnissen vor. Der Titel Oberbürgermeister konnte, wie bereits im Kaiserreich seit 1907, von der Staatsregierung an die Ersten Bürgermeister der mittleren und größeren Städte verliehen werden. Adolf Wächter führte seit 1917 die Bezeichnung Oberbürgermeister. Vgl. Krapf, Manfred: Oberbürgermeister. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Oberbürgermeisteri (18.10. 2016); Krapf, Bamberg, S. 166, 278; Hofmann, Wolfgang: Oberbürgermeister als politische Elite im Wilhelminischen Reich und in der Weimarer Republik. In: Oberbürgermeister. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte (= Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, Bd. 13). Boppard am Rein 1981, S. 20. 448
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Jahre bestätigt. 458 Demnach befürwortete auch die SPD seine Wahl. Über die Parteigrenzen hinweg erfreute sich Wächter großer Beliebtheit und die SPD betonte öffentlich dessen „verdiente Anerkennung“. 459 So dominierte der politische Katholizismus die städtische Politik wie bereits im Kaiserreich – einen Neuanfang brachte die Republik unter diesem Aspekt in Bamberg nicht. Die SPD profitierte jedoch von ihrer Position als zweitstärkste Partei, denn in der Wahl der weiteren Bürgermeister wurde Johann Steitz nach Georg Rattel (BVP) zum dritten Bürgermeister gekürt. 460 In allen wichtigen Ressorts, dem Bau-, Polizei-, Verwaltungs-, Personal- und Ältestenausschuss sowie dem Armenrat, war Steitz vertreten. 461 Darüber hinaus gehörte er zahlreichen Unterausschüssen an, beispielsweise für Finanzfragen, Werksfragen, Ernährungswesen, Brennstoffversorgung und Wohnungsfragen. 462 Die Mitwirkung der SPD in ihren Kernbereichen war hiermit gesichert. Eine Veränderung trat durch die Ausweitung des aktiven und passiven Wahlrechts auf die Frauen ein. 463 Der Bamberger Stadtrat war seit 1919 keine reine Männerangelegenheit mehr, sondern diesem gehörten auch vier Politikerinnen an. 464 Neben zwei Vertreterinnen der BVP und einer Liberalen der DDP war die Sozialdemokratin Magdalena Wirthmann unter den ersten Stadträtinnen in Bamberg. 465 Konsequenterweise sprach Oberbürgermeister Wächter erstmals am 20. Juni 1919 die Begrüßung „Meine Damen und Herren!“ 466 im
Stadtrat aus, um den neuen Verhältnissen gerecht zu werden. Als Fraktionsführer der SPD hielt auch Johann Steitz eine kurze Ansprache, in der er betonte, „,daß seine Fraktion nach wie vor bestrebt sein werde, der Allgemeinheit zu dienen und das Ansehen der Stadt nach Außen hin zu kräftigen. Wenn es auch mitunter unvermeidlich gewesen sei und wohl noch sein werde, daß die Gemüter aufeinanderplatzen, die Hauptsache sei die gemeinsame Absicht, das Beste zu wollen.“ 467
Steitz zeigte sich demnach bereit zur konstruktiven Zusammenarbeit und unterstrich dennoch die Eigenständigkeit und streitbare Haltung der SPD. Das Wohl der Stadt Bamberg und seiner Einwohner stand für ihn im Vordergrund der Lokalpolitik. An diesem Grundsatz hielten die Bamberger Sozialdemokraten 1924 fest, als Adolf Wächter von Luitpold Weegmann 468 an der Stadtspitze abgelöst wurde. 469 Obwohl der neue Erste Bürgermeister als Kandidat der völkisch-nationalsozialistischen Kreise galt und die SPD ihm demnach kritisch gegenüberstand, erklärte sie sich im Freistaat zur gemeinsamen zweckdienlichen Kommunalpolitik bereit. 470 Skepsis und Hoffnungen sprachen zugleich aus folgenden Zeilen des Freistaats: „Also Weegmann ist 1. Bürgermeister der Stadt Bamberg. Möge wahr werden, was man sich durch
Vgl. FS v. 19. 9.1919, Nr. 134; FS v. 2.10.1919, Nr. 145; Mages, Emma: Bürgermeister (19./20. Jahrhundert). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bürgermeister (19./20. Jahrhundert)i (18.10. 2016). 458 Adolf Wächter erhielt 4.368 Stimmen von insgesamt 4.371. Vgl. FS v. 2.10.1919, Nr. 145; Krapf, Bamberg, S. 166. 459 BT v. 21. 6.1919, Nr. 139; vgl. Krapf, Bamberg, S. 166 f. 460 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 25. 6.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; Krause, 115 Jahre, S. 56. 461 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20. 6.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; BT v. 21. 6.1919, Nr. 139. 462 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20. 6.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669. 463 Vgl. Bremme, Gabriele: Die politische Rolle der Frau in Deutschland (= Schriftenreihe des Unesco-Institutes für Sozialwissenschaften Köln, Bd. 4). Göttingen 1956, S. 24; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 54. 464 Vgl. BT v. 16. 6.1919, Nr. 135: „Frauen haben demnach vier in dem Stadtrat Sitz und Stimme.“; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 54. 465 Von der BVP wurden Eta Borne, Postsekretärswitwe und Anna Heberlein, Privatiere in den Stadtrat gewählt, die DDP wurde von der Volksschullehrerin Maria Stuiber vertreten. Vgl. BT v. 16. 6.1919, Nr. 135; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 54, 64. 466 BT v. 21. 6.1919, Nr. 139. 467 BT v. 21. 6.1919, Nr. 139. 468 Zu den biografischen Eckdaten von Luitpold Weegmann vgl. Dvorka, Helge: Weegmann, Luitpold. In: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Bd. 1,6. Heidelberg 2005. 469 Vgl. FS v. 26. 2.1924, Nr. 48; Zehentmeier, Entwicklung, S. 27–29; Freise-Wonka, Männergeschichten, S. 215. 470 Vgl. FS v. 26. 2.1924, Nr. 48; Zehentmeier, Entwicklung, S. 28 f.; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29. 2.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856: „Bei der am 24. ds. Mts. dahier abgehaltenen Bürgermeisterwahl machte sich unter den Wählern eine tiefgehende Erregung bemerkbar, die sich nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses noch bedenklich steigerte und auf Seite der siegestrunkenen Wählerschaft, zu der u. a. die Anhänger der aufgelösten nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei und der übrigen völkischen Verbände zählen, Ausschreitungen und Ruhestörungen befürchten ließ.“ 457
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Das politische Sozialmilieu
seine Wahl verspricht. Wir Sozialdemokraten werden ihn unterstützen, soweit es nicht gegen unsere Interessen und Anschauungen geht. Hoffen wir, daß das Erbe Wächters einem Würdigen durch die Wählerschaft übertragen worden ist.“ 471
Bamberg hatte außerplanmäßig am 24. Februar 1924 per Volkswahl den Ersten Bürgermeister bestimmt. Dies war das letzte Mal, dass der direkte Wahlmodus griff, denn noch im selben Jahr wurde dieser für alle bayerischen Gemeinden über 3.000 Einwohner aufgehoben und die Wahl durch den jeweiligen Stadtrat eingeführt. 472 Die Neuwahl in Bamberg war aufgrund des Rücktrittsgesuchs von Wächter nötig geworden, der infolge gesundheiticher Probleme und politischer Unstimmigkeiten um seine Amtsenthebung gebeten hatte. 473 Zusammen mit der BVP hatte die SPD-Fraktion zunächst versucht, Wächter als Ersten Bürgermeister zu halten und dessen Verabschiedung willentlich hinausgezögert. 474 Beiden Parteien kam die Bürgermeisterwahl Anfang 1924 im aufgeheizten Klima der Inflation und des beginnenden Hitler-Prozesses ungelegen: Chancenreiche Kandidaten standen nicht zur Verfügung, wohingegen die politische Rechte
einen ersten Höhenflug in der Stadt erlebte. 475 Die SPD entschied sich schließlich gegen einen eigenen Kandidaten und gab die Wahl ohne Empfehlung frei. 476 Ratlosigkeit und Ohnmacht sprachen aus diesem Verhalten. Auf jegliche linke Alternative verzichtete man von vornherein und die Wähler wurden in ihrer Meinungsbildung sich selbst überlassen. Anders gelagert waren die Probleme der BVP: Man präsentierte zwar den langjährigen zweiten Bürgermeister und Zahnarzt Georg Rattel, doch dieser war umstritten und nicht konsensfähig. 477 Nur etwa 20 % sprachen sich letztendlich für seine Person aus. 478 Weitere Gegenkandidaten scheiterten noch deutlicher. 479 So stärkte die Schwäche und Uneinigkeit auf linker und katholischer Seite die Kandidatur des Juristen Weegmann, für dessen Wahl sich eigens die sogenannte „Wirtschaftliche Vereinigung“ konstituiert hatte. 480 Mit großer Mehrheit von etwa 78 % wurde Weegmann im ersten Wahlgang zum neuen höchstrangigen Bürgermeister bestimmt und war dabei auch von BVP- und SPDWählern als geeignet und fähig eingestuft worden. 481 In seiner Antrittsrede schlug Weegmann zwar nationalistische Töne an und sprach als höchstes Ziel von der „Erziehung der Einwohner
FS v. 26. 2.1924, Nr. 48. Vgl. Mages, Bürgermeister; Fülberth, Beziehungen, S. 102. 473 Nach der Darstellung im Stadtrat waren für den Rücktritt allein gesundheitliche Aspekte ausschlaggebend. Allerdings war ein Streit mit der Regierung von Oberfranken und der NSDAP über die Abhaltung der Deutschen Tage in Bamberg vom 5. bis 7. Oktober 1923 vorausgegangen und diese Auseinandersetzung wird in der Literatur oftmals als wahrer Grund für Wächters Rückzug angesehen. Vermutlich bedingten sich beide Faktoren gegenseitig und trugen zu der Entscheidung Wächters bei, ohne dass sie sich hinsichtlich ihrer Gewichtung eindeutig bewerten lassen. Als unwahrscheinlich wird jedoch die Einschätzung Krapfs bewertet, der den Rücktritt Wächters in Zusammenhang mit dessen umstrittener Wirtschaftspolitik nennt. Schließlich stellte der Stadtrat im November 1923 dessen Rücktrittsgesuch zunächst zurück und sprach Wächter das volle Vertrauen aus. Vgl. Stadtratsprotokoll v. 28.11.1923 u. 31.12.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Zehentmeier, Entwicklung, S. 27 f.; Freise-Wonka, Männergeschichten, S. 215; Krapf, Verwaltung, S. 117; Trunk, Gabriele: Die Stadt Bamberg in der Zeit politischer Umwälzungen, 1918 bis 1924. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Würzburg 1983, S. 70; Wirz, Strößenreuther, S. 331; Krapf, Bamberg, S. 166 f.; Hofmann, Oberbürgermeister, S. 31–35. 474 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 28.11.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Krapf, Bamberg, S. 167. 475 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29. 2.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856; FS v. 1. 2.1924, Nr. 27; Geyer, Welt, S. 363–378. 476 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834. 477 Vgl. FS v. 26. 2.1924, Nr. 48: „Daß die Bayer. Volkspartei eine so schwere Niederlage erleiden würde, hat kein Mensch geglaubt. Wir haben schon einmal darauf hingewiesen, welch großen Fehler die Bayerische Volkspartei durch Aufstellung des 2. Bürgermeisters Rattel begangen hat. Mit Gewalt kann eine Persönlichkeit den Wählern nicht schmackhaft gemacht werden. […] So aber hat man gegen den Willen der eigenen Parteimitglieder die Kandidatur Rattels unter allen Umständen hochzuhalten versucht.“; Zehentmeier, NSDAP, S. 27 f. 478 5.391 Stimmen erhielt Rattel von insgesamt 26.684, d. h. 20,2 %. Zehentmeier gibt leicht abweichende Zahlen an und berechnet einen Prozentsatz von 19,8 % für Rattel. Diese Differenz ist jedoch letztendlich unbedeutend für den Wahlausgang. Aus Enttäuschung über die Wahlniederlage trat Rattel sogar von seinem Amt als zweiter Bürgermeister zurück. Vgl. FS v. 20. 2.1924, Nr. 48; FS v. 26. 2.1924, Nr. 48; Zehentmeier, NSDAP, S. 28. 479 Der Grund- und Hausbesitzerverein hatte zusammen mit unzufriedenen BVP-Mitgliedern Dr. Hennemann aufgestellt. Außerdem kandidierte Rechtsrat Dr. Stumpf. Beide erhielten lediglich äußerst wenige Stimmen (Stumpf 393, Hennemann 93). Vgl. FS v. 25. 2.1924, Nr. 47; FS v. 26. 2.1924, Nr. 48; Zehentmeier, NSDAP, S. 27 f. 480 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 28; Freise-Wonka, Männergeschichten, S. 215. Ein Jurist galt damals als Idealbesetzung für das Amt des Ersten Bürgermeisters und so fanden sich überproportional viele Rechtsgelehrte in dieser Position. Vgl. Hofmann, Oberbürgermeister, S. 22–24. 481 Auf Weegmann entfielen insgesamt 20.807 Stimmen. Vgl. FS v. 26. 2.1924, Nr. 48; Zehentmeier, Entwicklung, S. 28; Albart, Rudolf: Rücklichter aus einem Bamberger Jahrhundert. Ein auf unsere Stadt reduziertes Zeitgeschehen. Bamberg 1991, S. 66. 471
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zur Volksgemeinschaft“, 482 doch zeigte sich bald, dass Weegmann die Volksgemeinschaft anders interpretierte als die rechten Kreise. 483 Der Wunschkandidat der NSDAP entpuppte sich als deren Widersacher, der in den folgenden Jahren immer mehr zum Unterstützer der BVP wurde. 484 Die Spaltung des örtlichen katholischen Lagers in verschiedene Interessengruppen prägte auch die Kommunalwahl am 7. Dezember 1924 (Abbildung 12), die zeitgleich mit der Reichstagswahl abgehalten wurde. 485 Die Mandatsanzahl der katholischen Partei wurde von 18 auf neun Vertreter halbiert und die absolute Mehrheit ging der BVP mit einem Ergebnis von 29,0 % verloren. 486 Dass der Rückgang besonders durch lokale und personelle Ursachen bedingt war, zeigt der Vergleich mit dem Wert der Reichstagswahl am selben Tag, denn 41,5 % der Bamberger Wähler stimmten bei den Reichstagswahlen für die katholische Partei. 487 Von der Abkehr von der BVP profitierten mehrere neue Parteien und Interessengruppen. 488 Statt der Aufteilung in vier Fraktionen setzte sich der Stadtrat nun aus doppelt so vielen, nämlich acht verschiedenen Parteien zusammen. 489 Erstmals war die Wirtschaftliche Vereinigung des neuen Bürgermeisters mit fünf Sitzen vertreten. 490 Zusätzlich erhielten die DNVP, die Gemeindebeamten und die Grund- und Hausbesitzer zwei bzw. drei Mandate. 491 Außerdem hatte die NSDAP mit einer eigenen Liste kandidiert und zwei Posten gewonnen. 492 Sie hinkte damit jedoch anderen – protestantischen – fränkischen Städten wie Nürnberg, Kulmbach, Coburg oder Erlangen hinterher, die bereits bis zu sechs Mitglieder im je-
weiligen städtischen Verwaltungsorgan zählten. 493 Im Freistaat fasste der Redakteur das Wahlergebnis aus sozialdemokratischer Perspektive höhnisch zusammen: „Kurze Wahlbetrachtung zur Gemeindewahl. Die ‚Völkischen‘ sind erledigt. Die Pläne der Wirtschaftsvereinigung sind in der Regnitz ersoffen. Die Demokraten büßen 2 Mandate [sic] ein. Die Bayer. Volkspartei verliert die Hälfte ihrer Sitze. Die Kommunisten zerdrücken eine Träne wegen des Ausrutschens im Stadtrat. Die Sozialdemokraten schneiden am besten ab. Neu ziehen in den Stadtrat ein: Hausbesitzer, Gemeindebeamten [sic], Wirtschaftler, Hakenkreuzler. Da kann es lustig werden.“ 494
Der Superlativ für die SPD zeugte von der propagandistischen Aufwertung und Überhöhung der eigenen Position, denn die Arbeiterpartei hatte zwar ihre Stimmenanzahl im Vergleich zur Gemeindewahl 1919 um 261 gesteigert, doch aufgrund der höheren Wahlbeteiligung sank zeitgleich ihr Anteil um 5,3 Prozentpunkte auf 18,4 %. 495 Dies zog den Verlust eines Mandats nach sich, doch zumindest stellte man mit sechs statt sieben Stadträten erneut die zweitstärkste Fraktion. 496 Im Gegensatz zur BVP war die Diskrepanz zwischen Kommunal- und Reichstagswahl am 7. Dezember 1924 mit 0,7 Prozentpunkten minimal. 497 Die Bamberger Arbeiterbewegung vertraute ihren politischen Vertretern gleichermaßen in der Stadt und im Reich. Vorteilhaft wirkte sich dabei die lokale Stabilität in der SPD aus. Die Fraktion wurde nicht von großen
Stadtratsprotokoll v. 2. 4.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675. Vgl. Die Flamme v. 12.1926, Nr. 40; Zehentmeier, Entwicklung, S. 28; Oswald, Rudolf: Ideologie und Praxis der Fußballsparte im Arbeiter-Turn- und Sportbund 1919 bis 1933. In: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung 2 (2013), S. 71 f. 484 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; Heckel, Bamberg, S. 79; Albart, Rücklichter, S. 66 f. 485 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 31; Krause, 115 Jahre, S. 59–60; Kral, Landespolitik, S. 62; Geyer, Welt, S. 366–369. 486 Vgl. Tabelle 21; FS v. 9.12.1924, Nr. 285; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926, S. 646 f.; Zehentmeier, Entwicklung, S. 31. 487 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 21; Kral, Landespolitik, S. 61. 488 Vgl. FS v. 9. 12.1924, Nr. 285; Zehentmeier, Entwicklung, S. 31. 489 Vgl. FS v. 9.12.1924, Nr. 285; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926, S. 646 f. 490 Vgl. FS v. 9.12.1924, Nr. 285. 491 Vgl. FS v. 9.12.1924, Nr. 285; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926, S. 646 f. 492 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 32. Als NSDAP-Stadträte wurden 1924 Christof Zahneisen und Friedrich Harth gewählt. Die Angabe im Statistischen Jahrbuch für Bayern 1926 mit einem NSDAP-Stadtrat ist falsch. Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926, S. 646 f. 493 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 82 f. 494 FS v. 9.12.1924, Nr. 285. 495 Vgl. Tabelle 21. 496 Vgl. Abbildung 12; Tabelle 21; Krause, 115 Jahre, S. 58–60; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926, S. 646 f.; Zehentmeier, Entwicklung, S. 32. Zehentmeier nennt fälschlicherweise den Gewinn von sieben Mandaten durch die SPD. 497 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 21. 482 483
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Umbrüchen tangiert, sondern mit Johann Steitz, Hans Rösch, Michael Linsner und Johann Willner 498 führten vier Stadträte der ersten Wahlperiode ihr Amt fort. 499 Neu kamen der Kriegsrentenempfänger Johann Ernst Dittmar und Elisabeth (Elise) Firsching, Ehefrau des Krankenkassenverwalters Adolf Firsching, hinzu. 500 Die „SPD-Frauenquote“ blieb somit gewahrt, denn Magdalena Wirthmann kandidierte nicht mehr. Elise Firsching war indes 1924 die einzige weibliche Politikerin im Bamberger Stadtrat, denn alle anderen Parteien entsandten ausschließlich männliche Vertreter in das Gremium. 501 Insgesamt nahm das links-demokratische Gewicht im Bamberger Stadtrat deutlich ab, von zwölf (1919) auf sieben Mandate (1924). 502 Größter Verlierer war dabei die DDP, die statt vier nur noch einen Stadtrat, den Justizrat Dr. Josef Werner, stellte. 503 War der USPD 1919 noch der Einzug mit einem Repräsentanten geglückt, so scheiterte die KPD an dieser Hürde sowohl 1924 als auch fünf Jahre später bei den nächsten Kommunalwahlen 1929. 504 Kommunistische Gemeindepolitik gab es demnach in Bamberg überhaupt nicht. Links fand sich nur die SPD, während die KPD chancenlos blieb und mit Anteilen von 1,4 % (1924) und 0,7 %
(1929) noch weniger als bei den Reichstagswahlen unterstützt wurde. 505 Ihre örtlichen Vertreter genossen kein Ansehen und Vertrauen. Die SPD büßte das Amt des dritten Bürgermeisters ein, da weder 1924 noch 1929 dieser Posten nochmals vergeben wurde. 506 Zweiter Bürgermeister wurde der berufsmäßige Stadtrat Adam Reimund Rückel und somit eine parteipolitisch unabhängige Person. 507 Die letzten bayerischen Kommunalwahlen der Weimarer Republik fanden am 8. Dezember 1929 statt und wurden folglich noch nicht von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit dominiert. 508 Stattdessen richtete die Bamberger-SPD im Wahlkampf ihr Hauptaugenmerk auf Coburg, denn in dieser oberfränkischen Stadt hatte die NSDAP nach einem erfolgreichen Volksentscheid zur Auflösung des Stadtrats am 23. Juni 1929 die Mehrheit der Sitze erhalten. 509 Coburg wurde so zum ersten „Experimentierfeld der NSDAP“ 510 für ihre praktische Politik. 511 Als abschreckendes Beispiel diente die Stadt den Bamberger Sozialdemokraten im Kampf gegen die NSDAP. 512 In einer Wahlveranstaltung sprach der dortige SPD-Stadtrat Otto Voye über „Die Katastrophenpolitik der nationalsozialistischen Koburger Rathausmehrheit!“ 513 und stellte dabei die dortige prekäre Finanzsitua-
Am 12. November 1923 war Fritz Duschl gestorben und Johann Willner als Ersatzmann nachgerückt. Vgl. FS v. 13.11.1923, Nr. 255; Stadtratsprotokoll v. 28.11.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Schreiben zur Person Johann Willner v. 3. 9.1924, SPDBa, Karton „Geschichte, Bilder“. 499 Vgl. FS v. 9.12.1924, Nr. 285; Krause, 115 Jahre, S. 54–60. 500 Vgl. FS v. 9.12.1924, Nr. 285; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Krause, 115 Jahre, S. 58–60. Krause nennt jedoch fälschlicherweise als Vornamen von Dittmar „Ludwig“. 501 Vgl. FS v. 9.12.1924, Nr. 285. Allgemein ist zwischen 1920 und 1924 ein Rückgang der Mandate für Frauen auch auf Reichsebene zu beobachten. Vgl. Bremme, Rolle, S. 121–125. 502 Vgl. Tabelle 21. 503 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926, S. 646 f.; Geyer, Welt, S. 369 f.; Zehentmeier, Entwicklung, S. 32; Schneider, Werner: Die Deutsche Demokratische Partei in der Weimarer Republik 1924–1930. München 1978, S. 67–69. 504 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926, S. 646 f.; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930, S. 585; FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Zehentmeier, Entwicklung, S. 32; Fülberth, Beziehungen, S. 113. Im Gegensatz zu Bamberg verliefen die Kommunalwahlen 1924 in Bayern für die KPD insgesamt sehr erfolgreich. 505 Vgl. Tabelle 12 und Tabelle 21. 506 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 18.12.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675; Stadtratsprotokoll v. 12.12.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690; FS v. 3.12.1929, Nr. 278. 507 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 18.12.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675. 508 Vgl. Fülberth, Beziehungen, S. 316–325. 509 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 347–357; Bald, Albrecht: „Braun schimmert die Grenze und treu steht die Mark!“ Der NS-Gau Bayerische Ostmark/ Bayreuth 1933–1945: Grenzgau, Grenzlandideologie und wirtschaftliche Problemregion (= Bayreuther Rekonstruktionen, Bd. 2). Bayreuth 2014, S. 44 f.; Initiative Stadtmuseum Coburg e.V. (Hg.): „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland (= Coburger Stadtgeschichte, Bd. 2). Coburg 2004, S. 27 f., 103; Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922–1933. Frankfurt am Main 2005, S. 107–118. 510 Hambrecht, Aufstieg, S. 357. 511 Vgl. Bald, Braun, S. 44 f. 512 Vgl. FS v. 29.11.1929, Nr. 275; Initiative Stadtmuseum, Voraus, S. 107–112; 119–121; Albrecht, Avantgarde, S. 118–184; Kral, Landespolitik, S. 118. 513 Vgl. FS v. 29.11.1929, Nr. 275; FS v. 3.12.1929, Nr. 278; FS v. 7.12.1929, Nr. 282. 498
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tion samt Zwangsetat als „Schandwirtschaft der nationalsozialistischen Stadtratsmehrheit“ 514 heraus. 515 Zusätzlich druckte man im Freistaat großflächig eine Karikatur des Coburger Rathauses mit dem Titel „In drei Monaten zugrunde regiert“. 516 Die Botschaft war klar: Kein vernünftiger Bürger dürfe die NSDAP wählen, da dies gleichbedeutend mit dem Ende aller erfolgreichen und zielführenden Politik sei. 517 Die NSDAP ließ diese Agitation nicht unerwidert und zog mit Sprechchören, skandierend durch Bambergs Straßen: „Wer hat das Vaterland verraten?“ – „Die Sozialdemokraten“. 518 Beide Parteien, SPD und NSDAP, trugen im Gegensatz zu den übrigen Interessenvertretungen ihre Kampagnen mit Umzügen und Fackelzügen verstärkt auf der Straße als neuer politischer Bühne aus. 519 Besondere Aufmerksamkeit erregte der sozialdemokratische Einsatz eines Flugzeugs, das für den Wahlkampf vom Arbeiterflugverein Berlin gestellt wurde und mit Tragflächen, auf denen „Wählt SPD“ stand, die fränkischen Städte überflog. 520 Letztendlich schaffte es die SPD-Bamberg ihren Anteil mit 19,1 % leicht zu erhöhen und gewann erneut sechs Mandate. 521 Wie bereits in den vorausgegangenen Wahlen zählte sie nach der BVP die meisten Amtsträger. Letztgenannte konnte ihr
schlechtes Ergebnis von 1924 wieder verbessern und erhielt elf Sitze. 522 Eine Steigerung der linken Stadträte wie in anderen Städten gelang jedoch nicht. 523 Außerdem entfiel jegliche Unterstützung durch die DDP, da diese mit 581 Stimmen nicht mehr im Stadtrat vertreten war. 524 Das Ergebnis sicherte der SPD-Bamberg die Wiederwahl mehrerer früherer Mandatsträger: Johann Steitz, Hans Rösch, Hans Willner und Michael Linsner. 525 Die Kontinuität und Konstanz der SPD-Stadtpolitik war damit garantiert. Ihr Debüt im Stadtrat gaben für die SPD: Parteisekretär Josef Dennstädt und der Gewerkschaftssekretär Georg Dotterweich. 526 Ihre Wahl belegte die große Bedeutung des angestellten Funktionärsapparats innerhalb des sozialdemokratischen Milieus Ende der Zwanzigerjahre. 527 Eine Sozialdemokratin wurde nicht mehr in die Verantwortung genommen und mit einem Amt bedacht. 528 Die SPD stellte sich zwar im Wahlkampf als „Frauen-Partei“ für die Wählerinnen dar und prangerte mehrere andere Parteien ohne weibliche Kandidatinnen an, doch unter ihren eigenen Spitzenkandidaten fand sich gleichfalls keine Frau. 529 Erst auf den Listenplätzen elf und 13 folgten mit „Frau Sperber“ und „Frau Kempf“ zwei Sozialdemokratinnen. 530 Deren Wahl konnte als völlig unwahrscheinlich eingestuft werden und war dem-
FS v. 3.12.1929, Nr. 278. Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 354 f.; Initiative Stadtmuseum, Voraus, S. 28; Albrecht, Avantgarde, S. 139–143, 148–157. 516 FS v. 7.12.1929, Nr. 282. 517 Vgl. FS v. 3.12.1929, Nr. 278. 518 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 13.12.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1879. 519 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 13.12.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1879; Krause, 115 Jahre, S. 60; Häberlen, Class War, S. 41. 520 Vgl. FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Krause, 115 Jahre, S. 60. Der Einsatz des Flugzeugs als neues Wahlkampfmittel ist in der Geschichte der SPD ein wenig beachteter Aspekt, während diese Neuerung oftmals Hitler zugeschrieben wird. Während des Wahlkampfes zum Reichspräsidenten 1932 nutzte Hitler nämlich ein Flugzeug, um möglichst viele Wählerversammlungen in unterschiedlichen Städten an einem Tag absolvieren zu können. Diese „Deutschlandflüge“ wurden von der NSDAP herausgestellt und zu Zeichen der Modernität und Popularität verklärt. Vgl. Longerich, Peter: Hitler. Biographie. München 2015, S. 253. 521 Vgl. Abbildung 12; Tabelle 12; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930, S. 585; Krause, 115 Jahre, S. 60; Zehentmeier, Entwicklung, S. 78. 522 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930, S. 585; Zehentmeier, Entwicklung, S. 78. 523 Vgl. Fülberth, Beziehungen, S. 316–319; Kral, Landespolitik, S. 121. 524 Vgl. FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Schneider, Demokratische Partei, S. 222–230, 264–273. 525 Vgl. FS v. 15.11.1929, Nr. 263; FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Krause, 115 Jahre, S. 60. 526 Vgl. FS v. 15.11.1929, Nr. 263; FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Krause, 115 Jahre, S. 60. 527 Vgl. Schmidt, Parteiführungen, S. 266. 528 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 60. 529 Vgl. FS v. 15.11.1929, Nr. 263; FS v. 6.12.1929, Nr. 281: „Wählerinnen von Bamberg! Habt ihr euch einmal dafür interessiert, welche Beachtung ihr bei der Aufstellung der Kandidaten bei den einzelnen Parteien gefunden habt? Ueberhaupt keine Frauen aufgestellt haben die Mittelstandspartei, die Deutschnationalen, die Wirtschaftliche Vereinigung, die Grund- und Hausbesitzer, die Kommunisten, die Nationalsozialisten, der Allgemeine Bürgerverein. Die Parteien mit der Listennummer 1, 3, 4, 5, 6, 8, 9 verzichten also auf die Stimmen der Wählerinnen. […] Gebt am 8. Dezember der Partei, die euch das Wahlrecht gab, euch gleichstellte mit den Männern, die Frauen mündig machte, der Sozialdemokratie eure Stimme. Wählt Liste 2.“ 530 Vgl. FS v. 14.10.1929, Nr. 236. Gemeint waren damit Franziska Sperber und Therese Kempf. Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 514 515
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Das politische Sozialmilieu
nach reine Fassade ohne Realitätsbezug. Letztendlich spielten sie wirklich keine Rolle und tauchten ironischerweise nur als Ersatzmänner in der offiziellen Zusammenstellung der Wahlperiode zwischen 1925 und 1929 auf. 531 Der Stadtrat Bamberg war also schon vor der NS-Zeit wieder zu einem reinen Männergremium mutiert. Das weibliche Zwischenspiel als Auswirkung der Revolution war 1929 beendet. 532 Die Zersplitterung der Wählerstimmen auf zahlreiche kleine Interessenvertretungen nahm im Vergleich zu 1924 etwas ab: Zwar wurden sieben Parteien in das Gremium gewählt, doch schlossen sich die Grund- und Hausbesitzer, die Reichspartei des Deutschen Mittelstands und die DNVP zu einer Fraktion von sechs Vertretern zusammen. 533 Als „Schlachtschüsselparteien“ 534 verhöhnte der Freistaat sie und beklagte deren Uneinigkeit – außer in einem Punkt: ihren antisozialistischen Entscheidungen. 535 Für die NSDAP-Bamberg bedeutete die neue Fraktion eine Schwächung, denn die Hitlerpartei lag mit fünf Sitzen an vorletzter Position vor der Wirtschaftlichen Vereinigung (zwei Sitze). 536 Ihr Ergebnis von 14,0 % bedeutete zwar eine Steigerung gegenüber der vorausgegangenen Kommunalwahl von 1924 (7,0 %, 2 Mandate) und der Reichstagswahl 1928 (13,3 %), doch gelang ihr kein Durchbruch. 537 Bayreuth zählte bereits neun NSDAP-Stadträte, während Bamberg mit den kleineren Städten Kulmbach und Hof gleichauf lag. 538 Die Bamberger Nationalsozialisten waren gezwungen in der Stadtpolitik eine Außenseiterrolle einzunehmen. Den Ton, wie die NSDAP-Coburg, konnten sie nicht angeben. 539 Mit Lorenz Zahneisen zog allerdings der NSDAP-Ortsgruppenleiter und
spätere NSDAP-Bürgermeister erstmals in den Stadtrat ein; und zur propagandistischen Agitation reichten fünf Stimmen allemal aus. 540
3.1.4 Rote Wählerhochburgen und Stimmbezirke Wo wählte Bamberg während der Weimarer Republik rot? In welchen Straßen oder Vierteln ballte sich die linke Einwohnerschaft? Gab es innerhalb der Stadt SPD- bzw. KPD-Wählerhochburgen? Aber auch: Aus welchen Stadtteilen rekrutierten sich die Stimmen der politischen Gegner? Diese Fragen lassen sich dank der Aufschlüsselung der Wahlergebnisse nach Stimmbezirken in der Lokalpresse und in der städtischen Verwaltung untersuchen. 541 Das Stadtgebiet Bamberg war zwischen 1919 und 1933 in Wahlbezirke unterteilt, deren Anzahl im zweistelligen Bereich sich kontinuierlich erhöhte. Begann man 1919 mit 43 solcher Einheiten, so vergrößerte man deren Summe 1926 auf 46, 1928 auf 49 und nahm 1933 eine erneute Steigerung auf 52 Abstimmungslokale vor. 542 Mit dem Anstieg der Stimmbezirke erfolgten oftmals Änderungen und Anpassungen der Straßenzusammenstellungen und gleichzeitig verschoben sich die Nummerierungen der Stimmbezirke. Während beispielsweise 1919 der Wahlbezirk „Concordia“ als Nummer 27 in der Wahlstatistik geführt wurde, trug das Gebiet um Concordiastraße, Judenstraße und Mühlbrücke 1928 die Ziffer 32. 543 Folglich gilt es diese Verschiebungen bei der Analyse zur berücksichtigen und oftmals ist eine Zuordnung nur mit Einschränkungen zu leisten. Die Gesamtanalyse des Abstimmungsverhaltens ergibt folgendes Bild: Bamberg war an der Periphe-
Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. Vgl. Bremme, Rolle, S. 121–125. 533 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 12.12.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930, S. 585; Hambrecht, Aufstieg, S. 178; Kral, Landespolitik, S. 119. Der Zusammenschluss von bürgerlichen Parteien zu einem gemeinsamen Block war bei dieser Kommunalwahl ein üblicher Vorgang. Die NSDAP distanzierte sich davon generell und trat bevorzugt mit eigener Liste an. 534 FS v. 6.12.1929, Nr. 281. 535 Vgl. FS v. 6.12.1929, Nr. 281. 536 Vgl. Abbildung 12; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930, S. 585. 537 Vgl. Tabelle 21; FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Zehentmeier, Entwicklung, S. 76–78; Hambrecht, Aufstieg, S. 178 f. 538 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930, S. 585. 539 Vgl. Albrecht, Avantgarde, S. 118–172. 540 Die weiteren NSDAP-Stadträte samt Berufsangabe waren: Eichmeister Anton Schäfer (Fraktionsvorsitzender), Landwirt Leonhard Schäder, Friseur Albert Körk und Sekretär Theodor Wanderer. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 77 f.; Hambrecht, Aufstieg, S. 178 f. 541 Vgl. BV v. 20.1.1919, Nr. 15; FS v. 9.12.1924, Nr. 285; FS v. 6. 5.1924, Nr. 104; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257; Reichstagswahlergebnis v. 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 542 Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 18. 6.1926, Nr. 136; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 543 Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 531
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
rie rot, in der Inselstadt zunehmend braun und im Berggebiet überwiegend schwarz. Die städtischen Erweiterungsgebiete der Urbanisierung und Indus-
trialisierung bildeten einen roten Ring um Bamberg (Abbildung 13). 544
Abbildung 13: Schematische Darstellung der roten Stimmbezirke in Bamberg zwischen 1919 und 1932 auf einem Stadtplan von 1926. 545
Dieser sozialistische Kreis wurde von der Inselstadt durchbrochen, die wie ein Pfeil die roten Stadtviertel durchbohrte. Geschnitzt war die Pfeilspitze zunächst aus dem Holz des Liberalismus und Katholizismus, in das sich im Laufe der 1920er Jahre völkisch-nationalsozialistische Fasern und Balken
vorschoben und ausbreiteten. Beispielsweise wählten im Stimmbezirk 4 „Knabenhort, Erdgeschoss“ 546 am 19. Januar 1919 insgesamt 51,5 % die DVP und 36,6 % die BVP. 547 Im Wahlbezirk 5 „Knabenhort, Obergeschoss“ 548 waren es zum selben Zeitpunkt 36,4 % für die liberale und 44,4 % für die
Zu den roten Stimmbezirken in Bamberg zwischen 1919 und 1932 vgl. Tabelle 22 und Tabelle 23 im Anhang. In die Auswertung wurden jeweils die drei Stimmbezirke mit den höchsten Wahlergebnissen für USPD bzw. KPD und SPD aufgenommen. Vgl. Bleek, Stephan: Quartierbildung in der Urbanisierung. Das Münchner Westend 1890–1933. München 1991, S. 11; Krapf, Bamberg, S. 141–143; Breuer, Grundzüge, S. 218–224; Saldern, Häuserleben, S. 107 f. Saldern konstatierte auch für Hamburg einen solchen roten Ring der SPD-Bezirke um die Innenstadt und die Oberschichtviertel. 545 Vgl. Stadtplan von Bamberg 1926, Hg. v. Bamberger Tagblatt, Maßstab 1 : 10000, StadtABa, Pläne und Ansichten, A 22, (künftig: StadtABa, A 22), Nr. A I 20 l. 546 Der Stimmbezirk 4 umfasste 1919 die Straßen Augustenstraße, Friedrichstraße, Herzogmaxstraße, Luisenstraße, Wilhelmsplatz, Wilhemstraße. 1928 zählten hierzu zusätzlich die Dientzenhoferstraße, Kaipershof, Ottostraße, Urbanstraße, Balthasarstraße und Neumannstraße, während die Luisen- und Friedrichstraße nun nicht mehr dazugerechnet wurden. Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 547 Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; BV v. 20.1.1919, Nr. 15. 548 Der Stimmbezirk 5 bestand 1919 aus Amalienstraße, Dientzenhoferstraße, Dr. Haasstraße, Kaipershof, Ottostraße, Schönbornstraße, Sodenstraße, Schützenstraße, Urbanstraße. 1928 wurde dieser auf die Straßen Amalien-, Luisen-, Schützen- und Wetzelstraße beschränkt. Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 544
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Das politische Sozialmilieu
katholische Partei. 549 1930 lag die NSDAP in diesen Straßen der südlichen Inselstadt bei etwa 25 %, um bei den Juliwahlen 1932 die braune Vorherrschaft mit 38,6 % im Stimmbezirk 4 und mit 44,4 % im Stimmbezirk 5 zu übernehmen und die BVP auf den zweiten Platz zurückzudrängen. 550 Zum stärksten NSDAP-Stützpunkt entwickelte sich der historische Stadtkern um das Rathaus. In den Stimmbezirken 1 „Rathaus I“ und 31 „Rathaus II“ 551 unterstützten die Einwohner die Hitlerbewegung bereits bei den Reichstagswahlen 1928 mit über 20 %, 1930 überwand man die 40 %-Marke, im Juli 1932 hatte die NSDAP hier die absolute Mehrheit und im März 1933 befürworteten sogar über 60 % die NSHerrschaft. 552 Im Norden der Inselstadt entlang der Kleberstraße, der Inneren Löwenstraße und des Holzmarkts (Stimmbezirk 9) blieb man hingegen der BVP treu, die hier in allen Reichstagswahlen zwischen 1928 und 1932 über 45 % holte und die NSDAP auch noch am 5. März 1933 knapp auf den zweiten Platz verwies. 553 Darüber hinaus gab es in der Inselstadt aber auch Stimmbezirke, die am Anfang der Weimarer Republik mehrheitlich ihre politischen Hoffnungen in die Arbeiterparteien setzten, sich dann aber relativ schnell enttäuscht abwandten und 1924 völkisch wählten. Ein solches Beispiel lieferte der Stimmbezirk 2 „Harmonie“ 554
mit den Straßen um den Schillerplatz: 1919 wählte man die Sozialdemokratie mit 45,1 % zur stärksten Partei, 1920 erhielten die beiden linken Parteien SPD und USPD zusammen noch 28,0 %, doch im Mai 1924 entschieden sich 47,5 % für den Völkischen Block. 555 Die SPD hingegen rutschte auf einen Wert von 15,0 % ab und erreichte lediglich 1928 und 1930 nochmals eine Quote von etwa 22 %. 556 Dieser bürgerliche Stadtbezirk zeigte sich demnach unsicher angesichts der politischen Entwicklungen, reagierte radikal und verängstigt durch die Inflation. 557 Feste sozialistische Milieustrukturen waren hier nicht zu finden. Doch auch die BVP bot keinen alternativen Halt: Die katholischen Wahlerfolge schwankten ebenso heftig zwischen 48,4 % (1920) und 25,8 % (Mai 1924). 558 Durch das instabile Wahlverhalten wird deutlich, dass sich viele der dortigen Wähler auf der Suche nach einer neuen Lösung befanden und diese zunächst in den Völkischen, schließlich in der NSDAP sahen, der sie am 31. Juli 1932 erstmals zur absoluten Mehrheit mit 52,6 % verhalfen. 559 Anders verhielten sich die Wähler in den äußeren Wahlbezirken. Der rote Ring um Bamberg umfasste im Berggebiet zwei Stimmbezirke, nämlich Stimmbezirk 30 „Kaulbergschule, Neubau I“ 560 und Stimmbezirk 32 „Kaulbergschule, Neubau II“ 561. Letzterer schloss mit der Sutte und Maternstraße
Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; BV v. 20.1.1919, Nr. 15. Vgl. FS v. 14. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174. Die BVP erzielte am 31. Juli 1932 im Stimmbezirk 4 insgesamt 35,2 % und im Stimmbezirk 5 noch 37,7 %. 551 Der Stimmbezirk 1 bestand 1928 aus Obere Brücke, Fischgasse, Generalsgasse, Hasengasse, Am Kranen, Langestraße, Obstmarkt; zum Stimmbezirk 31 zählten: Untere Brücke, Dominikanerstraße, Geyerswörthplatz, Geyerswörthstraße, Herrenstraße, Karolinenstraße, Lugbank, Ringleinstraße, Roppeltsgasse. Vgl. FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 552 Die genauen NSDAP-Ergebnisse für den Stimmbezirk 1 und den Stimmbezirk 31 lauten: 21,0 %/25,0 % (1928); 40,7 %/42,6 % (1930), 52,2 %/48,0 % (November 1932), 55,2 %/53,8 % (Juli 1932) und 61,7 %/60,7 % (März 1933). Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 14. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 553 Vgl. FS v. 14. 5.1928, Nr. 110; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 14. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 554 Der Stimmbezirk 2 umfasste 1919 die Straßen Am Kanal, Mühlwörth, Nonnenbrücke, Schillerplatz, Schönleinsplatz, Theaterstraße, Zinkenwörth. 1928 wurde der Stimmbezirk um die Habergasse ergänzt, während der Schönleinsplatz und die Theaterstraße nicht mehr dazuzählten. Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 555 Vgl. BV v. 20.1.1919, Nr. 15; Reichstagswahlergebnis v. 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; FS v. 6. 5.1924, Nr. 104. Ein Grund für den rapiden Abfall der sozialistischen Stimmen nach 1919 war auch in der Auflösung der Klarissenkaserne am Schillerplatz zu sehen, die sich in Teilen des ehemaligen Klarissenklosters befand. Gerade die heimgekehrten Soldaten hatten verstärkt die SPD unterstützt. Vgl. Mayershofer, Militär, S. 449; Tapken, Garnisonsstadt, S. 6 f.; Weichlein, Sozialmilieus, S. 222. 556 Vgl. FS v. 6. 5.1924, Nr. 104; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 14. 9.1930, Nr. 212. 557 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 222–225; Geyer, Welt, S. 355–370. 558 Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; FS v. 6. 5.1924, Nr. 104. 559 Vgl. BV v. 1. 8.1932, Nr. 174. 560 Der Stimmbezirk 30 umfasste 1919 Kroatengasse, Laurenziplatz, Laurenzistraße, Obere Seelgasse, Würzburgerstraße. 1928 hieß dieser Bezirk „Brauerei Greifenklau, Laurenziplatz 20“ und trug die Nummer 34. Neu wurden die Straßen Am Hahnenweg, Oberer Kaulberg und Weizendorferstraße hinzugefügt. Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 561 Der Stimmbezirk 32 bestand 1919 aus Vorderer Bach, Hinterer Bach, Am Knöcklein, Matern, Sutte, Teufelsgraben. In den Folgejahren behielt er 549 550
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
ein ausgesprochenes Handwerkerviertel ein. 562 1919 gelang der SPD in den beiden Stimmbezirken ihr größter Erfolg mit Stimmergebnissen über 45 %. 563 Bei den nachfolgenden Wahlen hielt der Linksblock mit jeweils über 47 % dieses Niveau, wobei im Stimmbezirk 30 ein starker Umschwung zur USPD erfolgte, die in den Straßen um den Laurenziplatz mit 28,6 % ihr bestes Wahlergebnis für ganz Bamberg jemals verzeichnete. 564 Diese Tendenz zur äußersten Linken blieb bestehen, denn die KPD errang hier 1924 mit 6,5 % (Mai) und 4,5 % (Dezember) Höchstwerte für Bamberg. 565 Insgesamt senkte sich der Zuspruch für die Arbeiterparteien nach den anfänglichen Mobilisierungserfolgen ab, doch stabilisierten sich beide Stimmbezirke auf einer Höhe von ungefähr 30 % bis zum Ende der Weimarer Republik. 566 Augenfällig war die enge Bindung an das sozialistischen Milieu zudem im Volksentscheid zur Fürstenenteignung, denn an der „Kaulbergschule, Neubau II“ stimmten besonders viele Wähler dafür. 567 Im Sandgebiet hatten die Arbeiterparteien vor allem entlang der Unteren Sandstraße und der Schweinfurterstraße ihr Bollwerk. Speziell der Stimmbezirk 36 „Alte Hebammenschule, Unterer Sand 34“ 568 hob sich durch die enge sozialistische
Bindung ab. Die SPD gewann hier sogar im Krisenjahr 1924 37,1 % (Mai) und 43,1 % (Dezember) der Stimmen. 569 Ferner zeigte sich 1932 eine ähnliche Unterstützung in Werten von über 36 % für das linke Lager. 570 Die Nähe zur Baumwollspinnerei und die daraus resultierende Ansiedlung der Fabrikarbeiterschaft machten sich in diesen Straßenzügen bemerkbar. 571 Im Norden fielen die Stimmbezirke 23 „Gasfabrik II“ 572 und 24 „Viehhof“ 573 durch überdurchschnittliche Zustimmungsraten zur USPD bzw. KPD auf. 574 Dieses Viertel war vor allem durch die städtischen Betriebe des Gaswerks und Schlachthofs sowie die Seilerwarenfabrik seit Mitte des 19. Jahrhunderts erschlossen worden und als Konsequenz fasste hier politisch die Arbeiterbewegung Fuß. 575 1920 sprach sich fast ein Viertel der Wähler (23,9 %) im Bezirk „Viehhof“ für die USPD aus und in den Jahren 1928 und 1930 lag die KPD mit 4,5 % und 5,7 % deutlich über dem städtischen Durchschnitt. 576 Im Unterschied dazu erfolgte die Hinwendung zur marxistischen Partei im Stimmbezirk „Gasfabrik II“ erst ab 1930. Während die Kommunisten 1928 mit vier Einzelstimmen ein Schattendasein führten, schnellte ihr Prozentsatz nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise auf 6,2 % (1930)
seinen Namen, doch änderte er seine Ziffer in Nummer 37. Außerdem wurde er um die Gartenstraße ergänzt, wohingegen Am Knöcklein entfiel. Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 562 Vgl. Schrode/Wittmann, Büttnerwerkstatt, S. 227–244. 563 Vgl. BV v. 20.1.1919, Nr. 15. 564 Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611. 565 Vgl. FS v. 6. 5.1924, Nr. 104; FS v. 9.12.1924, Nr. 285. 566 Vgl. FS v. 6. 5.1924, Nr. 104; FS v. 9.12.1924, Nr. 285; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627. 567 Vgl. FS v. 22. 6.1926, Nr. 139. 163 Wähler votierten für den Volksentscheid, eine Person entschied sich dagegen. Damit erzielte man nach den Stimmbezirken 40 und 44 das drittbeste Ergebnis in ganz Bamberg. 568 Der Stimmbezirk 36 beinhaltete 1919 die Straßen Abtsberg, Gumboltsleite, Maienbrunnen, Schweinfurterstraße sowie das Vereinslazarett und das Allgemeine Krankenhaus. 1928 war der Stimmbezirk mit der Nummer 42 am „Gasthaus zum Bocksgarten, Schweinfurterstraße“ angesiedelt und wurde um den Leinritt ergänzt, während das Vereinslazarett und Krankenhaus wegfielen. Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 569 Vgl. FS v. 6. 5.1924, Nr. 104; FS v. 9.12.1924, Nr. 285. 570 Bei der Reichstagswahl am 31. 7.1932 erzielte die SPD 29,9 % und die KPD 6,5 %, am 6.11.1932 lag die SPD bei 27,5 % und die KPD bei 8,8 %. Vgl. BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257. 571 Vgl. Breuer, Grundzüge, S. 222. 572 Zum Stimmbezirk 23 gehörten 1919 der Margaretendamm und die Siechenstraße. 1928 erhielt dieser Stimmbezirk die Nummer 27 und wurde um die Äußere Löwenstraße und die Margaretenstraße erweitert. Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 573 Stimmbezirk 24 bestand 1919 aus den Straßen Hasenstraße, Hallstadterstraße, Jäckstraße, Lichtenhaidestraße, Thorackerstraße und dem ErsatzPferdedepot am Viehhof. 1928 trug dieser Wahlbezirk die Nummer 25 und bekam das Aufseßhöflein sowie die Bahnwärterhäuser hinzu. Das Pferdedepot Bamberg war bereits am 31. März 1919 aufgelöst worden. Vgl. Kutter, Kathrin Anna Maria: Das Pferdebeschaffungswesen der Bayerischen Armee von 1880–1920 an Hand der Akten des Kriegsarchives in München. München 2012, S. 163; BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 574 Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 575 Vgl. Gunzelmann/Fiedler, Seilerwarenfabrik; Krapf, Bamberg, S. 179–181. 576 Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212.
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Das politische Sozialmilieu
hoch, erreichte im Juli 1932 10,5 % und gipfelte schließlich in 12,7 % im November 1932. 577 7,3 % der Wähler hielten der KPD trotz des nationalsozialistischen Terrors im März 1933 die Treue. 578 Im Gegensatz zu anderen Orten und Stimmbezirken nahm der Anteil der Sozialdemokraten beim Aufstieg der KPD nicht ab, sondern steigerte sich parallel von 17,9 % (1928) auf 20,0 % (Juli 1932). 579 Jenseits der Bahnlinie konzentrierte sich die linke Wählerschaft entlang der Zollnerstraße, am Steinknock und an der Weißenburgerstraße in Stimmbezirken, die alle der Rupprechtschule zugeordnet waren. 1928 schnitt die SPD im Stimmbezirk 22 mit einem Gewinn von 40,5 % sehr stark ab. 580 In der Fallmeisterei und Zollnerstraße, die den Stimmbezirk 23 bildeten, erzielten die Kommunisten mit 15,8 % am 6. November 1932 ihr höchstes Wahlergebnis während der gesamten Republikzeit in Bamberg. 581 Ebenfalls östlich der Bahnstrecke fand sich umschlossen von Schild-, Moos- und Geisfelderstraße ein weiteres rotes Stadtgebiet, das als Stimmbezirk 38, 48 oder 49 in der Wunderburgschule abstimmte. 582 Die Sozialdemokraten stellten mit 43,9 % (1928), 41,4 % (1930), 35,2 % (Juli 1932) und 33,1 % (November 1932) unangefochten die stärkste Partei. 583 Übertroffen wurden diese Werte lediglich vom Stimmbezirk der Wunderburg, der zunächst als Nummer 39 „Wunderburgschule links, Zimmer 9“, anschließend mit der Ziffer 49 „Wunderburgschule, Knabenabteilung“ und seit 1928 unter dem Namen „Kindergrippe, Erlichstraße“ mit den Ziffern 49 (1928 bis
1930) bzw. 50 (ab 1932) bezeichnet wurde. 584 Ununterbrochen zählten hierzu die Erlich-, Fohlengarten-, Hirschbühl- und Hüttenfeldstraße. 585 1919 gehörten noch die nördlichen Jäger-, Kapellen-, Magdalenen- und Theresienstraße dazu, während der Stimmbezirk 1928 um die Galgenfuhr und das Hochgericht im Süden ergänzt wurde. 586 In diesem Stimmbezirk schlug das rote Herz Bambergs: Bei den Wahlen zur Nationalversammlung 1919 holte die SPD 71,0 %, im Dezember 1924 kam sie bei den Reichstagswahlen auf einem Wert von 55,1 %, 1928 erreichten die Sozialdemokraten 61,5 % und im November 1932 wurden sie von 54,3 % der Bürger gewählt. 587 Gleichfalls rekrutierte die KPD in diesem Bezirk überdurchschnittlich viele Wähler, so setzten 5,7 % im Mai 1924 ihr Kreuz bei den Linksradikalen und in der Endphase stieg die Zustimmung von 5,1 % (1930) über 6,0 % (Juli 1932) auf 12,9 % (November 1932) an. 588 Das linke Lager hatte folglich in den letzten Monaten der Weimarer Republik einen Rückhalt von 67,2 % und lag damit nur geringfügig unter dem Ausgangswert von 1919 mit 71,2 % von SPD und USPD. 589 Auch nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten zeigte das sozialistische Milieu hier seine Dominanz und behielt mit 53,9 % (45,1 % SPD und 8,8 % KPD) die absolute Mehrheit. 590 Für Hitlers „Arbeiterpartei“ begeisterten sich verhältnismäßig wenige Wähler, denn 1928 lag ihr Prozentsatz bei 5,4 % und 1930 bei 13,1 %, wohingegen der Bamberger Durchschnitt 13,3 % und 27,1 % betrug. 591 1932 nahm die NS-Anhängerschaft zwar merklich zu (Juli 1932: 25,5 %; November 1932:
Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257. Vgl. FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 579 Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; Fischer, Wählerblock, S. 63–79. Dieser Fall bestätigt Fischers Forschungen, wonach die Radikalisierung am Ende der Weimarer Republik keine automatische Fluktuation von der SPD zur KPD innerhalb des linken Wählerblocks mit sich brachte. 580 Der Stimmbezirk 22 bestand 1928 aus den Straßen Aillywaldhof, Aillywaldstraße, Hollebecke, Lagardestraße, Solokistraße, Am Steinknock und Weißenburgerstraße. Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 581 Vgl. Tabelle 22 und Tabelle 23; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110; FS v. 8.11.1932, Nr. 257. 582 Vgl. Tabelle 22 und Tabelle 23; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 583 Vgl. FS v. 14. 5.1928, Nr. 110; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; FS v. 8.11.1932, Nr. 257. 584 Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 18. 6.1926, Nr. 136; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 585 Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 18. 6.1926, Nr. 136; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 586 Vgl. BT v. 3.1.1919, Nr. 2; FS v. 18. 6.1926, Nr. 136; FS v. 14. 5.1928, Nr. 110. 587 Vgl. BV v. 20.1.1919, Nr. 15; FS v. 9.12.1924, Nr. 285; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; FS v. 8.11.1932, Nr. 257. 588 Vgl. Tabelle 12; Tabelle 22; FS v. 6. 5.1924, Nr. 104; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257. 589 Vgl. BV v. 20.1.1919, Nr. 15; FS v. 8.11.1932, Nr. 257. 590 Vgl. FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 591 Vgl. Tabelle 12; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212. 577
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„Wahlrecht ist Wahlpflicht“ – Wahlanalyse
26,4 %), doch blieb die negative Wahlnorm bestehen. 592 Mit einem Ergebnis von 28,0 % für die NSDAP im März 1933 versagten mehr als zwei Drittel der Wunderburger Hitler die Gefolgschaft. 593 Der Weg in die Katastrophe des Nationalsozialismus wurde ohne die Bamberger Wunderburg beschritten. Ebenso wie die NSDAP litt die BVP unter der Stärke der Arbeiterbewegung in diesem Viertel, sodass man in den Jahren bis 1924 bei Werten zwischen 25 und 30 % pendelte und seit 1928 kontinuierlich unter 23 % verharrte. 594 Die Wunderburg galt demnach als „die stärkste Stütze der Bamberger Arbeiterbewegung“ 595 und kann als ein rotes Quartiermilieu innerhalb der Stadt Bamberg angesehen werden. 596 Zeitgenössische Berichte sprachen vom „Arbeiterviertel Wunderburg“ 597 und teilweise separierte die SPD-Bamberg ihre Wahlkampfveranstaltungen in eine Versammlung für die Wunderburg und eine für das restliche Stadtgebiet – ein Beweis für die herausragende und besondere Stellung der dortigen SPD-Sektion. 598 Die Wunderburg war in Bamberg die rote Hochburg des sozialistischen Milieus. 599 Im Hinblick auf das linke Wählerreservoir lag sie zu Beginn der Weimarer Republik auf einem Niveau mit Münchner Arbeitervierteln wie Giesing und der Schwanthalerhöhe, dem sogenannten Westend. 600 1920 vereinigte das sozialistische Lager in diesen Wahlbezirken der bayerischen Hauptstadt zwischen 63 und 65 % der Stimmen auf sich, im
Bamberger Stimmbezirk Nummer 39 waren es sogar 67 %. 601 Im Frühjahr 1924 war die Attraktivität der SPD für die Wähler sowohl in den Münchner Arbeitervierteln als auch in der Bamberger Wunderburg auf etwa 50 % herabgesunken. 602 Jedoch zeigte sich die Stärke und Rekrutierungsfähigkeit des sozialistischen Milieus in der Wunderburg erneut ab den Reichstagswahlen 1928: 64,1 % entschieden sich für die Arbeiterparteien. 603 Damit hielt man Schritt mit anderen bayerischen roten Wählerhochburgen wie beispielsweise dem „Glasviertel“ in Weiden, das am 20. Mai 1928 im Stimmbezirk „Glasfabrik“ ein Ergebnis von 66,7 % verzeichnete (60,2 % SPD, 6,5 % KPD). 604 Noch bei der Märzwahl 1933 ähnelten sich die proletarischen Wählerblöcke mit 56,1 % im Stimmbezirk „Glasfabrik“ in Weiden und 53,9 % im Stimmbezirk „Kinderbewahranstalt, Erlichstraße“ in Bamberg. 605 Sogar mit Berliner Arbeitervierteln wie Neukölln, Friedrichshain und Wedding konnte es die Wunderburg aufnehmen: Im November 1932 umfasste der Linksblock in den genannten Vierteln der Hauptstadt zwischen 65 und 71 %, die Wunderburg lag mit 67 %in einer Mittelposition. 606 All diese Einzelergebnisse offenbaren nicht nur den Einfluss und die Dominanz der Arbeiterbewegung in diesem Stadtteil, sondern sie beweisen auch die Existenz, Stabilität und das Reproduktionsvermögen einer intakten roten Wählerhochburg. 607
Vgl. BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257. Vgl. FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 594 Vgl. BV v. 20.1.1919, Nr. 15; Reichstagswahlergebnis v. 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; FS v. 6. 5.1924, Nr. 104; FS v. 9. 12.1924, Nr. 285; Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 595 FS v. 23. 6.1932, Nr. 140. 596 Unter dem Begriff des Quartiermilieus versteht man ein sozialmoralisches Milieu im Sinne von Lepsius, das den räumlichen Faktor des Stadtviertels einbezieht. Quartiermilieus heben sich durch ein spezifisches Eigenleben vom Rest der Stadt ab. Vgl. Bleek, Quartierbildung, S. 241–243; Saldern, Sozialmilieus, S. 22. 597 FS v. 14.10.1926, Nr. 236. 598 Ebenso verfuhr die SAJ, die ihre Jugendversammlungen in eine „Gruppe Nöth“ und eine „Gruppe Wunderburg“ teilte. Vgl. FS v. 10. 6.1919, Nr. 50; JS v. 10.1924, Nr. 6. 599 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; Krause, 115 Jahre, S. 58; Trunk, Bamberg, S. 37 f.; Dinkel, Theresia: Die nationalsozialistische Machtergreifung in Bamberg. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit an der Gesamthochschule Bamberg. Bamberg 1976, S. 44 f.; Gehringer, Bevölkerung, S. 48. 600 Vgl. Bleek, Quartierbildung, S. 11; Geyer, Welt, S. 367. Diese beiden Stadtviertel umfassten die drei Stimmbezirke Nummer 17 (Obergiesing, Ramersdorf-Perlach), 18 (Untergiesing-Harlaching) und 20 (Schwanthalerhöhe, Laim). 601 Vgl. Geyer, Welt, S. 367; Reichstagswahlergebnis v. 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611. 602 Vgl. Geyer, Welt, S. 368; FS v. 6. 5.1924, Nr. 104. 603 Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627. Von den 64,1 % des Linksblocks im Stimmbezirk 49 entfielen 61,5 % auf die SPD und 2,6 % auf die KPD. 604 Vgl. Großmann, Milieubedingungen, S. 498. 605 Vgl. FS v. 6. 3.1933, Nr. 54; Großmann, Milieubedingungen, S. 498. 606 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 777. 607 Vgl. Walter, Hochburg, S. 142. 592 593
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Das politische Sozialmilieu
Folglich zeigt sich in der Wunderburg die Persistenz des sozialistischen Milieus und dessen Resistenz gegenüber der NSDAP. In der Wunderburg stellte das sozialistische Milieu während der Weimarer Republik eine festverankerte Gegenwelt dar – neue braune Experimente waren nicht nötig. 608 Ein entscheidender Unterschied bestand allerdings zwischen den roten Quartiermilieus anderer Städte und Bamberg: der Grad der Radikalisierung. Dieser blieb in der Regnitzstadt auch in der Endphase der Weimarer Republik unterdurchschnittlich gering. So erhielt die KPD zwischen 1928 und 1933 im Glasviertel in Weiden je mindestens 20 % und in den Berliner Stadtvierteln erreichte sie im November 1932 sogar 39 bis 47 %. 609 Die Bamberger Wunderburg tanzte mit 3 bis 13 %für die KPD
(1928–1933) aus der Reihe. 610 Auch der starke kommunistische Stimmbezirk Nummer 23 an der Zollnerstraße erreichte nur Werte zwischen 7 und 16 %. 611 Insofern lag das wichtigste Distinktionsmerkmal zwischen den sozialistischen Milieus von Bamberg und anderen Städten nicht in der Größe des Wählerreservoirs, der Stärke der Arbeiterbewegung oder dem Milieu selbst, sondern in der geringen Affinität und Zurückhaltung gegenüber dem Kommunismus. Einen Zusammenhang zwischen Katholizismus, Sozialprotest und Neigung zur KPD, wie in hochindustrialisierten Regionen, gab es in Bamberg nicht. 612 Radikalismus blieb in der Bamberger Arbeiterbewegung eine „Randerscheinung“. 613
3.2 Die Sozialdemokratische Partei Bamberg Aus dem „Sozialdemokratischen Verein Bamberg“ wurde in der Weimarer Republik die „Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Ortsverein Bamberg“ oder verkürzt die „Sozialdemokratische Partei Bamberg“. 614 Mit dem neuen Namen wurde die Zugehörigkeit zur Gesamtpartei stärker betont und vermehrt differenzierte man mit den Substantiven „Partei“ und „Verein“ zwischen politischer und geselliger Organisationen. Die Ablösung des alten durch den neuen Namen erfolgte nicht schlagartig, sondern entsprach einem langwierigen Prozess. Bis
circa 1925 fand die Bezeichnung „Verein“ in Berichten, Anfragen und auf Stempeln häufig Verwendung. 615 Anschließend setzte sich der Partei-Begriff endgültig durch. 616 Organisatorisch richtete sich die regionale Parteistruktur seit 1919 nach der Einteilung der Reichstagswahlkreise. 617 Demnach gehörte der Bamberger Ortsverein zum SPD-Bezirk Franken. 618 Als eine von 431 Ortsgruppen (Stand: 1928) war die SPD-Bamberg der Bezirksleitung und dem Bezirkssekretariat in Nürnberg unterstellt. 619 Konsequen-
Vgl. Walter, Hochburg, S. 141. Vgl. Großmann, Milieubedingungen, S. 498; Winkler, Katastrophe, S. 777. 610 Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8. 1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 611 Vgl. Reichstagswahlergebnis v. 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 8.11.1932, Nr. 257; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 612 Vgl. Mehringer, KPD, S. 11; Tenfelde, Klaus: Proletarische Provinz. Radikalisierung und Widerstand in Penzberg/Oberbayern 1900 bis 1945. In: Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt (= Bayern in der NS-Zeit, Bd. 4). Hg. v. M. Broszat/E. Fröhlich/A. Großmann. München u. a. 1981, S. 1–382. Im Unterschied zur Betonung der besonderen katholischen Affinität zur KPD unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. einer punktuellen Industrialisierung, stellt Klaus-Michael Mallmann in seinen Forschungen zur Sozialgeschichte der KPD die „dominant protestantische Provenienz des Weimarer Kommunismus“ heraus. Vgl. Mallmann, Klaus-Michael: Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung. Darmstadt 1996, S. 121–131. 613 Kachel, Sonderweg, S. 62. 614 Vgl. FS v. 10. 6.1919, Nr. 50; FS v. 5.11.1921, Nr. 255; FS v. 30. 4.1925, Nr. 98; FS v. 1.12.1927, Nr. 277; Link, Katholizismus, S. 262, 421. 615 Vgl. FV v. 28. 3.1919, Nr. 72; FS v. 12.12.1921, Nr. 285; FS v. 4.1.1922, Nr. 3; Schreiben der SPD-Bamberg an den Stadtrat Bamberg v. 12. 2.1921, StadtABa, C 56, Nr. 610; Schreiben der SPD-Bamberg an den Stadtkommissar Bamberg v. 29. 4.1925, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 616 Vgl. FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 1. 4.1926, Nr. 75; FS v. 1.12.1927, Nr. 277; FS v. 2.1.1930, Nr. 1. 617 Vgl. Kral, Landespolitik, S. 20; Schmalzl, Auer, S. 365. 618 Vgl. Kral, Landespolitik, S. 20. 619 Vgl. Lagebericht v. 6. 2.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 719; FS v. 2. 3.1925, Nr. 50; FS v. 11. 8. 1930, Nr. 182. Die Geschäftsstelle der SPD-Franken befand sich in der Nürnberger Innenstadt in der Breiten Gasse 25/27. 608
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
terweise war man nicht nur mit Nürnberg, sondern auch mit anderen fränkischen Städten eng verbunden. 1920 wurden acht ausgewählte Ortsvereine vom Bezirksvorstand zu Unterbezirks-Standorten aufgewertet. 620 Als Kriterium galt die Arbeitsauslastung des Parteibüros in den jeweiligen Städten. 621 Die SPD-Bamberg erfüllte dieses Pensum und wurde mit den Unterbezirken Aschaffenburg, Bayreuth, Erlangen, Fürth, Hof, Schweinfurt und Würzburg auf eine Stufe gestellt. 622 Der neugeschaffene Unterbezirk Bamberg umfasste jeweils die Städte und Bezirke von Bamberg, Lichtenfels und Coburg und wurde folglich auch Unterbezirk Bamberg-Coburg genannt. 623 Insgesamt waren 50 Ortsvereine (Stand 1925) durch diesen Zusammenschluss Bamberg unterstellt. 624 Innerhalb der Stadt schuf die SPD 1919 ebenfalls Untereinheiten, sogenannte Sektionen. 625 Für die Bamberger Genossen setzte sich die Stadt demnach aus folgenden Vierteln zusammen: Innere Stadt, Bamberg-Ost, Bamberg-Nord, Jakobsberg, Kaulberg und Wunderburg. 626 Diese Aufteilung diente zur Verstärkung der Werbe-, Wahl- und Versammlungstätigkeiten. 627 Beispielsweise wurde während der Wahlkämpfe die Flugblattverteilung innerhalb der Sektionen organisiert. 628 Außerdem hielten die Sektionen eigenständige Versammlungen ab, die die Möglichkeit boten, „Freunde und Bekannte mitzubringen“, 629 Anhänger einzuführen
und schließlich neue Parteimitglieder zu gewinnen. Für diese Zwecke war jeder Sektion ein Lokal zugeordnet und bis zu drei Sektionsführer leiteten den jeweiligen Bezirk. 630 Diese Strukturierung erwies sich als vorteilhaft, sodass 1925 im Freistaat zu lesen war: „Sehr gut bewährt hat sich unsere Sektionseinteilung […].“ 631 Folglich behielt man das Konzept ohne größere Änderungen bei. Eine einzige Modifikation erfolgte 1932, als von der Sektion Bamberg-Ost die Sektion Gangolf-Bahnhof abgetrennt wurde und sich somit die Anzahl von sechs auf sieben erhöhte. 632 Die organisatorische Gliederung nutzte nicht nur der Parteiführung, sondern auch der -basis. Innerhalb der Sektionsversammlungen wurden nämlich die Kandidaten der Stadtratswahlen aufgestellt, sodass die Stadtteile ihre eigenen Vertreter benennen und stärken konnten. 633 Dadurch wurde direkte Demokratie erfahrbar und lebendig. „Rege Aussprache[n]“ 634 schlossen sich oftmals an Veranstaltungen und Reden an. Als Instanz zwischen den Sektionen und dem SPD-Vorstand in Bamberg fungiert der Parteiausschuss, der aus den Sektionsführern und den Vorsitzenden der Parteigliederungen bestand. 635 Ihm oblagen die Übermittlung der Standpunkte und der Austausch zwischen den beiden örtlichen Ebenen. Außerdem wurden besonders wichtige oder drängende Fragen wie beispielsweise die Erhöhung des Mitgliedsbeitrags während der Inflation oder
Vgl. Bericht des Bezirksvorstandes der Sozialdemokratischen Partei Frankens an den Bezirksverbandstag am 4. und 5. September 1920 in Bamberg, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“. 621 Vgl. Bericht des Bezirksvorstandes der Sozialdemokratischen Partei Frankens an den Bezirksverbandstag am 4. und 5. September 1920 in Bamberg, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“. 622 Vgl. Bericht des Bezirksvorstandes der Sozialdemokratischen Partei Frankens an den Bezirksverbandstag am 4. und 5. September 1920 in Bamberg, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“. Der Unterbezirk Erlangen wurde vor 1925 aufgelöst, sodass bis 1933 insgesamt sieben SPD-Unterbezirke bestanden. Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“; Die sozialdemokratischen Bestrebungen in Deutschland und die Entwicklung der Verhältnisse nach dem 2. Mai 1933. Stand von Ende Dezember 1934, BArch, R 58, Nr. 3333. 623 Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“; FS v. 2.11.1928, Nr. 252; FS v. 2.1.1933, Nr. 1; Großmann, Milieubedingungen, S. 462. 624 Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“. 625 Vgl. FS v. 26. 9.1919, Nr. 140; FS v. 27. 9.1923, Nr. 216; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93. Im Jahr 1919 bezeichnete man diese noch als Stadtdistrikte, anschließend wurden sie jedoch meist als Sektionen bezeichnet. 626 Vgl. FS v. 26. 9.1919, Nr. 140; FS v. 27. 9.1923, Nr. 216; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; Schneider, Milieu, S. 32, 53. 627 Vgl. FS v. 1.10.1923, Nr. 219; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; Schneider, Milieu, S. 32. 628 Vgl. FS v. 11. 9.1930, Nr. 208. 629 FS v. 1.10.1923, Nr. 219. 630 Vgl. FS v. 14. 2.1927, Nr. 36. 631 FS v. 31. 3.1925, Nr. 74. 632 Vgl. FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93. 633 Vgl. FS v. 1.10.1929, Nr. 225. 634 FS v. 1.10.1929, Nr. 225. 635 Vgl. FS v. 1. 8.1924, Nr. 176; Schneider, Milieu, S. 46. 620
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Das politische Sozialmilieu
die Arbeitsruhe zum Ersten Mai in diesem Gremium erörtert und verabschiedet. 636
3.2.1 „Die neue Zeit in Bamberg“ 637: Die Rolle der SPD in der Revolution 1918/19 Die Revolution erreichte Bamberg mit leichter Verspätung an einem Sonntag, den 10. November 1918. 638 Auf dem Maxplatz sprachen die beiden sozialdemokratischen Arbeitersekretäre Johann Steitz und Konrad Mörsberger von zwei Seiten aus zur versammelten Menschenmenge: „Arbeiter und Bürger der Stadt Bamberg! Ereignisreiche Tage durchleben wir. Große Umwälzungen vollziehen sich. Jahrhunderte alte Herrschergeschlechter sind gestürzt, die Völker treten die Herrschaft an. Unvorbereitet, über Nacht, ist die Revolution ausgebrochen und fordert unsere Entscheidung. Wollen wir mit ihr gehen? Wollen wir gegen sie gehen?“ 639
Die rhetorische Frage wurde nicht ernsthaft aufgeworfen oder erörtert, sondern das Credo der Stunde lautete „mit der neuen Zeit zu gehen“. 640 Die Bamberger Arbeiterbewegung wollte den Umwälzungen in anderen bayerischen Städten nicht nachstehen, die „Weltrevolution“ 641 nicht aufhalten
und schritt sogleich zur Wahl eines Arbeiter- und Bürgerrates. 642 Dieser trat noch am selben Tag im Saal der „Weißen Taube“ zusammen. 643 Zuvor hatte sich bereits ein Aktionsausschuss unter Leitung von Steitz und Mörsberger gebildet und die Militärgewalt in der Garnison war auf den neugebildeten Soldatenrat übergegangen. 644 Einen Tag später meldete das Bamberger Tagblatt den Vollzug der Machtübernahme: „Alle städtischen Beamten sowie alle Offiziere der Garnison haben sich verpflichtet, den Anordnungen des Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrates Folge zu leisten. Damit ist die öffentliche Gewalt auf das Volk übergegangen.“ 645
Gewaltlos und ohne Widerstand des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung begann „die neue Zeit in Bamberg“. 646 Das Zepter der neuen Ordnung hielt die (Mehrheits-) Sozialdemokratie während der Umwälzungen fest in der Hand. 647 Wie in vielen Teilen Bayerns dominierten ihre Vertreter das Geschehen. 648 So schlugen Steitz und Mörsberger der Volksversammlung eine zuvor ausgearbeitete Liste an Arbeiter- und Bürgerräten vor, die durch die Anwesenden ohne Änderung angenommen wurde. 649 Aus 50 Mitgliedern bestand dieser Rat, wohingegen der Soldatenrat lediglich 17 Vertreter
Vgl. FS v. 11. 7.1923, Nr. 150. BT v. 11.11.1918, Nr. 313. 638 Vgl. FV v. 12.11.1918, Nr. 262; Köglmeier, Georg: Die zentralen Rätegremien in Bayern 1918/19. Legitimation – Organisation – Funktion (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, Bd. 135). München 2001, S. 57; Mitchell, Allan: Revolution in Bayern 1918/1919. Die Eisner-Regierung und die Räterepublik. München 1967, S. 126; Grau, Bernhard: Revolution, 1918/1919. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikonbayerns.de/Lexikon/Revolution, 1918/1919i (15.1. 2017); Heckel, Bamberg, S. 63–65. Nach dem Ausbruch der Revolution in München im Rahmen einer Friedensdemonstration am 7. November 1918 hatten sich am 8. November 1918 auch in den Städten Augsburg, Nürnberg und Fürth Räte gebildet. 639 BT v. 11.11.1918, Nr. 313; vgl. BV v. 11.11.1918, Nr. 262. 640 BT v. 11.11.1918, Nr. 313; vgl. BV v. 11.11.1918, Nr. 262. 641 BT v. 11.11.1918, Nr. 313; vgl. BV v. 11.11.1918, Nr. 262. 642 Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; BV v. 11.11.1918, Nr. 262; Köglmeier, Rätegremien, S. 57 f. In den meisten Städten bildeten sich die Räte zwischen dem 8. November und dem 12. November 1918. Bamberg nahm folglich eine Mittelposition mit der Rätegründung am 10. November ein. Die These von Mitchell, dass es „Ende November in fast allen Gemeinden Bayerns irgendeine Art von Räteorganisation gab“, wurde durch die Forschungen von Müller-Aenis und Köglmeier revidiert. Demnach trifft dies auf viele Orte in der bayerischen Provinz nicht zu, sondern selbst in Bezirksstädten erfolgte die Rätebildung häufig erst im Dezember. Vgl. Mitchell, Revolution, S. 126; Müller-Aenis, Martin: Sozialdemokratie und Rätebewegung in der Provinz. Schwaben und Mittelfranken in der bayerischen Revolution 1918–1919. München 1986, S. 102–108, 141. 643 Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; BV v. 11.11.1918, Nr. 262. 644 Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; BV v. 11.11.1918, Nr. 262; Köglmeier, Rätegremien, S. 57; Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 90 f., 102. Es war ein typisches Merkmal der Revolution in Bayern, dass die Soldaten in den Garnisonsstädten die Rätebildung vorantrieben und eine zentrale Rolle in der ersten Umsturzphase spielten. Dieses Forschungsergebnis von Köglmeier und Müller-Aenis kann demnach für Bamberg bestätigt werden. 645 Vgl. BT v. 12.11.1918, Nr. 314. 646 BT v. 11.11.1918, Nr. 313; vgl. BT v. 12.11.1918, Nr. 314; FV v. 2.12.1918, Nr. 279; Mitchell, Revolution, S. 131; Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 146–148. 647 Vgl. Köglmeier, Rätegremien, S. 58. 648 Vgl. Köglmeier, Rätegremien, S. 58. 649 Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; BV v. 11.11.1918, Nr. 262. 636 637
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zählte und somit geringes Gewicht hatte. 650 Ins Bamberger Rathaus zogen die beiden genannten Arbeiterführer sowie der sozialdemokratische Gemeindebevollmächtigte Fritz Duschl ein. 651 Oberbürgermeister Wächter sowie alle anderen Parteien ordneten sich unter und sicherten ihre Mitarbeit zu. 652 Konrad Mörsberger wurde außerdem Delegierter im Landesarbeiterrat und folglich auch Mitglied im übergeordneten, provisorischen Nationalrat des Volksstaates Bayern, der seit November 1918 als Übergangsparlament diente. 653 Zur Bewältigung ihrer neuen Aufgaben richtete der Aktionsausschuss ein Büro in der Brauerei „Wilde Rose“ ein, das zum „Rathaus Nr. 2“ 654 erhoben wurde. 655 Diese erste Phase der Revolution in Bamberg wies viele typische Merkmale der bayernweiten Entwicklung auf: Unblutig, von den Soldaten gefördert und unter Leitung der SPD begann die republikanische Ära. 656 Stark wurden die Ereignisse und der Verlauf von den lokalen Arbeiterführern geprägt, sodass sich die allgemeinen Charakteristika mit der für Bamberg spezifischen moderaten und kooperativen Haltung der Sozialdemokratie verbanden. 657 Gemäßigt, geordnet und gesittet erreichte der Wandel Bamberg. Oberbürgermeister Wächter sowie die gesamte städtische Verwaltung blieben
im Amt, sie unterstützten die Räte und diese arbeiteten ihrerseits mit den Behörden zusammen. 658 Weiterhin lag die Polizeigewalt in den Händen der bisherigen Sicherheitsbeamten und wurde vom Soldatenrat weder beeinträchtigt noch herausgefordert. 659 Die Arbeiterschaft ging ihrer Beschäftigung wie gewohnt nach und die Rechte der städtischen Beamten wurden nicht beschnitten. 660 Ruhe und Ordnung waren oberstes Gebot – Konsens und Kooperation die Richtschnur der Bamberger Akteure. 661 Aus diesem Grund zählten sogar Zentrumsmitglieder und Liberale bereits seit 10. November zum Bamberger Arbeiter- und Bürgerrat. 662 Anders als Nürnberg oder Fürth akzeptierte der Aktionsausschuss von Anfang an deren Teilhabe, band die bürgerlichen und katholischen Vertreter mit ein und sicherte das gemeinsame überparteiliche Wirken im Interesse der „Vaterstadt“. 663 Das erklärte Ziel der Bamberger Räte waren baldige demokratische Wahlen, um durch den Landtag und die Nationalversammlung neue Legitimationsgrundlagen zu schaffen. 664 Dies bedeutete eine klare Stellungnahme gegen Ministerpräsident Kurt Eisner von der USPD, der die Räte zunächst institutionell verankern wollte. 665 Solche Anschauungen, aber auch linksradikale Ausschreitungen wurden von den
Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; FV v. 19.11.1918, Nr. 268. Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 12.11.1918, StadtABa, C 1, Nr. 667; FV v. 19.11.1918, Nr. 268. 652 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 12.11.1918, StadtABa, C 1, Nr. 667; FV v. 19.11.1918, Nr. 268; Grebing, Geschichte, S. 71. 653 Mitgliedsverzeichnis des provisorischen Nationalrats des Volksstaats Bayern v. 21.12.1918, SPDBa, Karton „Geschichte, Bilder“; Köglmeier, Rätegremien, S. 126 f., 449–454, 518, 521, 533. Ursprünglich war Sebastian Huber für die SPD-Bamberg in den Landesarbeiterrat gewählt worden; aus unbekannten Gründen ging dieses Mandat aber zwischen dem 10. Dezember und dem 21. Dezember 1918 auf Konrad Mörsberger über. Neben Mörsberger als Arbeiterrat saßen noch zwei weitere Bamberger im provisorischen Nationalrat, nämlich die Soldatenräte Oskar Pfannstiel und Ludwig Starz aus dem II. Armeekorps. 654 FV v. 19.11.1918, Nr. 268. 655 Vgl. BT v. 12.11.1918, Nr. 314; FV v. 19.11.1918, Nr. 268; Köglmeier, Rätegremien, S. 401 f. Der Soldatenrat errichtete darüber hinaus ein eigenes Büro für alle militärischen Fragen in der Klarissenkaserne am Schillerplatz. 656 Vgl. Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 90 f., 146; Grau, Revolution; Köglmeier, Rätegremien, S. 57. 657 Vgl. Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 37 f.; Krause, 115 Jahre, S. 51. 658 Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; BT v. 12.11.1918, Nr. 314; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 37 f.; Seiderer, Georg: Revolution im Raum Nürnberg: Das Ende des Kriegs und der Übergang in die Weimarer Republik. In: Der Sprung ins Dunkle. Die Region Nürnberg und der Erste Weltkrieg 1914–1918 (= Ausstellungskatalog des Stadtarchivs Nürnberg, Bd. 22). Hg. v. M. Diefenbacher/U. Swoboda/S. Zahlaus. Nürnberg 2014, S. 991–1009. Dieses kooperative Verhalten zwischen Räten und Stadtverwaltung zeigte sich beispielsweise auch in Nürnberg. 659 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 23.12.1918, StadtABa, C 1, Nr. 667. 660 Vgl. BT v. 12.11.1918, Nr. 314. 661 Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; Protokoll des Stadtmagistrats v. 12.11.1918, StadtABa, C 1, Nr. 667; Kritzer, Peter: Die SPD in der bayerischen Revolution von 1918. In: Bayern im Umbruch. Die Revolution von 1918, ihre Voraussetzungen, ihr Verlauf und ihre Folgen. Hg. v. K. Bosl. München 1969, S. 427– 452. 662 Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 38; Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 179–208; Heckel, Bamberg, S. 63. Namentlich konnten Nikolaus Badum, Georg Wittmann und Johann Baptist Jäger den Liberalen zugeordnet werden und Michael Krebs sowie Johannes Kirsch dem Zentrum. 663 FV v. 19.11.1918, Nr. 268; vgl. Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 182–186. 664 Vgl. FV v. 30.11.1918, Nr. 278. 665 Vgl. Grau, Eisner, S. 421–439; Grau, Revolution; Mitchell, Revolution, S. 124–126, 138–151; Schönhoven, Klaus: „Land der versäumten Gelegenhei650 651
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Bamberger Sozialdemokraten nicht nur zurückgewiesen, sondern verurteilt und sogar verhöhnt. Im Dezember 1918 wurde „von bürgerlicher und sozialdemokratischer Seite scharfer Protest gegen die letzten Gewaltakte in München und gegen das Verhalten der Spartakusgruppe in München und Berlin erhoben. Auch gegen Eisner wurden scharfe Stimmen des Unwillens laut. […] Liebknecht bezeichnete der Vorsitzende, Genosse Steitz, als geistig nicht normal.“ 666
Hingegen entsprach die Ansicht Erhard Auers 667, demzufolge die Räte Übergangsgremien auf dem Weg zur parlamentarischen Republik waren, den Vorstellungen der Bamberger Arbeiterführer. 668 Ihr Tätigkeitsfeld sahen sie in der Linderung und Beseitigung der akuten Not – nicht in der Fortführung der Revolution. 669 Ihren Kampf führten sie gegen die Lebensmittelengpässe, den Kohlenmangel und die Arbeitslosigkeit und forderten zugleich, „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen die radikalen Elemente“ 670 vorzugehen. 671 Eine vollendete Revolution wurde in Bamberg nicht angestrebt. Versuche, die frühere politische Elite abzusetzen und auszutauschen, wurden überhaupt nicht unternommen. 672 Als Konsequenz dieser Einstellung und Vorgehensweise stand der Aktionsausschuss nach den demokratischen Wahlen im Januar 1919 bereits vor der Auflösung. 673 Darüber hinaus bemühte sich die
SPD-Bamberg im Frühjahr 1919 sogar um den Schulterschluss und die Versöhnung mit der örtlichen USPD. 674 Auf einer Parteiversammlung am 10. März wurde nur eine einzige Stimme gegen die Einigungsverhandlungen und die Verschmelzung erhoben. 675 Die Gräben zwischen den beiden Arbeiterparteien schienen in Bamberg nach der Etablierung der neuen Verhältnisse überwindbar, denn die Ereignisse der Revolution hatten diese nicht vertieft. Vor allem aber hatte die SPD erstmals die Chance erhalten, ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen und die Verhältnisse praktisch mitzugestalten. Die tonangebenden Sozialdemokraten hatten gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen konnten ohne ihre Rolle und Machtbasis in Bamberg zu überschätzen. Es zeugte von Weitsicht, dass sie ihre politischen Gegner einbezogen und berücksichtigt hatten. Einen Wandel gegen die etablierten Machtverhältnisse im Alleingang zu forcieren, wäre in der Garnisonsstadt Bamberg von vornherein chancenlos gewesen und hätte der Arbeiterbewegung mehr geschadet als genutzt. 676 Diese realistische Einschätzung leitete das Handeln der SPD-Bamberg. Selbst als es fünf Tage nach der Ermordung von Kurt Eisner bei einer Trauerkundgebung am 26. Februar 1919 zu einem Aufruhr kam, bemühte sich die SPD-Bamberg beruhigend auf die Demonstranten einzuwirken. 677 Im Verlauf des sogenannte „Bamberger Glockensturms“ 678 wurden an diesem Tag die Öffnung der Kirchen und das Glocken-
ten“. Die Revolution von 1918/19 und ihre Folgen. In: Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 1892– 1992 (= Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5). Hg. v. H. Mehringer. München u. a. 1992, S. 117 f. 666 FV v. 16.12.1918, Nr. 291. 667 Der Sozialdemokrat Erhard Auer (1874–1945) arbeitete seit 1899 als Privatsekretär für Georg von Vollmar und wurde 1907 erstmals bayerischer Landtagsabgeordneter. Anschließend stieg er während des Ersten Weltkrieges zum Landesvorsitzenden der bayerischen SPD auf und wurde im November 1918 bayerischer Innenminister unter Ministerpräsident Kurt Eisner. Während der Weimarer Republik war Auer durchgängig Landtagsmitglied und Stadtrat in München und hatte als Parteifunktionär großen Einfluss in der bayerischen SPD. Zur Biografie von Erhard Auer vgl. Schmalzl, Auer. 668 Vgl. Schmalzl, Auer, S. 281–288, 338–340; Seiderer, Revolution, S. 999. 669 Vgl. FV v. 19.11.1918, Nr. 268; Winkler, Heinrich August: Die Sozialdemokratie und die Revolution von 1918/19. Ein Rückblick nach sechzig Jahren. Berlin u. a. 1979, S. 23. 670 FV v. 16.12.1918, Nr. 291. 671 Vgl. FV v. 19.11.1918, Nr. 268; FV v. 2.12.1918, Nr. 279; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 40 f. 672 Vgl. Winkler, Sozialdemokratie, S. 23–44. 673 Vgl. Schreiben des Arbeiter-, Bürger und Soldatenrats Bamberg an den Vollzugsrat der Arbeiterräte Bayerns v. 6. 2. 1919, BayHStA, Arbeiter- und Soldatenrat (künftig: ASR), Nr. 11. 674 Vgl. FV v. 14. 3.1919, Nr. 60. 675 Vgl. FV v. 14. 3.1919, Nr. 60. 676 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919 u. von Josef Pfaff v. 16. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 677 Vgl. FV v. 27. 2.1919, Nr. 47; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 43 f.; Heckel, Bamberg, S. 65 f.; Mayershofer, Militär, S. 450; Miller, Bürde, S. 271–274. 678 Heckel, Bamberg, S. 66.
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geläut gewaltsam erzwungen. 679 Dieser einzige radikale Ausbruch entlud sich gegen den Willen und ohne offizielle Beteiligung der Sozialdemokratie. 680 Im Fränkischen Volksfreund bedauerte die SPDBamberg anschließend den Vorfall und distanzierte sich: „Zu Ausschreitungen kam es hier leider gestern bei der anläßlich der Einäscherung Eisners abgehaltenen Trauerkundgebung. Trotz der Aufforderung des Gen. Mörsbergers, nach der Versammlung ruhig nach Hause zu gehen, wurden mehrere Kirchen gewaltsam geöffnet und zum Teil schwer beschädigt. Militär und Schutzmannschaft stellten die Ruhe wieder her.“ 681
So blieb die SPD-Bamberg ihrer Linie trotz der zunehmenden Radikalisierung bei Beginn der zweiten Revolutionsphase treu. 682 Dieser gefestigte Standpunkt zahlte sich aus und nahm eine unerwartete und unvorhersehbare Wende. Als am 6. und 7. April 1919 die Räterepublik in München ausgerufen wurde, sah sich der sozialdemokratische
Ministerpräsident Johannes Hoffmann 683 zur Flucht genötigt. 684 In Bamberg war die Stimmungslage weiterhin von großer Ablehnung gegenüber einer Rätediktatur nach russischem Modell gekennzeichnet. 685 Drastisch und überspitzt formulierte dies der Regierungspräsident von Oberfranken, der das Rätesystem „ein die ganze öffentliche Ordnung zersetzender Krebsschaden“ 686 nannte. Eher hätte man in Bamberg die Trennung Frankens von Südbayern in Kauf genommen, als Münchner Verhältnisse zu akzeptieren. 687 Die Regierung Hoffmann konnte sich daher der breiten Unterstützung in Bamberg sicher sein: Nicht nur die Stadtspitze, die Beamtenschaft und die Garnison standen hinter ihr, sondern auch die Bamberger Sozialdemokratie und mit ihr der Großteil der Bamberger Arbeiterschaft. 688 Dabei spielte es auch eine Rolle, dass sich Bamberg bereits im Januar 1919 unter Federführung von Oberbürgermeister Wächter mit parteiübergreifender Zustimmung des Magistrats um den Sitz der verfassunggebenden Nationalversammlung bemüht hatte. 689 Die Eignung Bambergs als Regierungssitz lag also in Form einer schriftli-
Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 28. 2.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Heckel, Bamberg, S. 66. Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 28. 2.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668. 681 FV v. 27. 2.1919, Nr. 47. 682 Vgl. Merz, Johannes: Auf dem Weg zur Räterepublik. Staatskrise und Regierungsbildung in Bayern nach dem Tode Eisners (Februar/März 1919). In: ZBLG 66 (2003), S. 541–564. 683 Der pfälzische Volksschullehr Johannes Hoffmann (1867–1930) war seit 1907 Mitglied des Bayerischen Landtags für die SPD. Im November 1918 wurde er bayerischer Kultusminister unter Kurt Eisner. Nach dessen Tod war Hoffmann ab 17. März 1919 bis 14. März 1920 Ministerpräsident. Anschließend zog er sich aus der bayerischen Politik zurück, wirkte aber bis 1930 als Reichstagsabgeordneter für die SPD. Zur Person Johannes Hoffmann vgl. Hennig, Diethard: Johannes Hoffmann. Sozialdemokrat und Bayerischer Ministerpräsident. Biographie (= Schriftenreihe der Georg-vonVollmar-Akademie, Bd. 3). München u. a. 1990. 684 Vgl. Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 45 f.; Merz, Räterepublik, S. 557; Hartmann, Weg, S. 473; Hürten, Heinz: Revolution und Zeit der Weimarer Republik. In: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (= Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4,1). Hg. v. A. Schmid. München 22003, S. 457–464; Grau, Bernhard: Die bayerische SPD während der Weimarer Republik. In: Mit Leidenschaft für Demokratie. 110 Jahre SPD-Landtagsfraktion in Bayern. Hg. v. F. Maget/K. Radermacher. München 2003, S. 47 f.; Heckel, Bamberg, S. 65–74. Die Aussage Willy Heckels, dass Bamberg „ohne eigenes Zutun Sitz der Staatsregierung“ wurde, entspricht in Anbetracht der aktiven Bewerbung Bambergs zum Sitz der Nationalversammlung nicht der Realität und muss korrigiert werden. 685 Vgl. FV v. 16.12.1918, Nr. 291; Wochenbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 4.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20; Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919 u. von Josef Pfaff v. 16. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73; Heckel, Bamberg, S. 67 f.; Trunk, Bamberg, S. 24. 686 Wochenbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 2.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20. 687 Vgl. Wochenbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 4.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20; Heckel, Bamberg, S. 68; Mayershofer, Militär, S. 63. 688 Vgl. FS v. 8. 4.1919, Nr. 1; Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73; Krause, 115 Jahre, S. 52 f.; Heckel, Bamberg, S. 65–69; Zorn, Wolfgang: Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert. Von der Monarchie zum Bundesland. München 1986, S. 186; Mayershofer, Militär, S. 436; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 44–47; Ehberger, Weg, S. 172. Die politische Ruhe als einer der Vorzüge Bambergs basierte nicht auf dem „Fehlen einer breiten, organisierten Arbeiterklasse“ wie neben Theuerer und Zink auch Ehberger festhielten, sondern auf der besonnenen und konsensorientierten Haltung der Bamberger Sozialdemokratie. 689 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 3.1.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Protokoll des Stadtmagistrats v. 28.1.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Zink, Robert: Bambergs Bewerbung um den Sitz der deutschen Nationalversammlung 1919. In: Porta Ottoniana. Beiträge zur fränkischen und bayerischen Landesgeschichte. Otto Meyer zum achtzigsten Geburtstag. Hg. v. H. Parigger. Bayreuth 1986, S. 32–43; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 42 f. 679
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chen Bewerbung vor. Diese Vorteile sowie die günstige Verkehrslage Bambergs zwischen den entscheidenden Städten München, Berlin und Weimar veranlassten den bayerischen Ministerpräsidenten, Bamberg zur provisorischen Hauptstadt zu küren und als Regierungs- und Landtagssitz auszubauen. 690 Im Kampf gegen die Räterepublik Bayern wurde Bamberg, einstige Nebenresidenz der Wittelsbacher, also zur demokratischen und republikanischen Bastion erhoben und das gesamte Stadtgebiet zum Sperrbezirk erklärt. 691 Die Entscheidung für Bamberg wertete nicht nur die Stadt auf, sondern auch die örtliche Sozialdemokratie. Schließlich war Bamberg nun Sitz der sozialdemokratischen Regierung. Deren Prestige und Anerkennung färbten ab, sodass sich die SPD-Bamberg endgültig von ihrer früheren untergeordneten Position lösen konnte und in Bamberg gesellschaftsfähig wurde. 692 Direkt nach Ankunft der Regierung konnte die SPD-Parteileitung unter Konrad Mörsberger zu einer hochrangig besetzten Volksversammlung am 8. April 1919 aufrufen: „Sozialdemokratische Partei Bamberg. Aufruf an die Gesamt-Einwohnerschaft. Heute, Dienstag, nachmittags 5 Uhr findet auf dem Maxplatz Große Volksversammlung statt. Tagesordnung: Volksherrschaft oder Diktatur. Referenten: HH. Ministerpräsident Hoffmann. Minister des Innern Segitz. Minister für militärische Angelegenheiten Schneppenhorst. Justizminister Endres.“ 693
Ein solches Redner-Aufgebot an landesweit bedeutenden Sozialdemokraten hatte die Bamberger Arbeiterbewegung bislang noch nicht gesehen. 694 Der anwesende Redakteur Hans Dill beschrieb euphorisch, dass „ganz Bamberg auf den Füßen“ 695 gewesen sei und „eine Kundgebung wie sie Bamberg noch nicht erlebt haben dürfte“ 696 stattgefunden hätte. Erstmals war die SPD die tonangebende Partei – eine Prämiere in Bamberg. Im Freistaat erschien eine Anzeige, in der unter anderem die Bayerische Volkspartei, die Deutsche Demokratische Partei und die Deutsche Volkspartei um Unterstützung für die Regierung Hoffmann warben und darin betonten, dass „die großen Gegensätze, die uns von der Sozialdemokratischen Partei trennen“, zurücktreten würden im Kampf „gegen den Münchner Terror“ und „gegen die drohende Anarchie“. 697 Zwei Tage später lud die SPD-Bamberg erneut ein, dieses Mal zu einer geschlossenen Mitgliederversammlung, in der der SPD-Landtagsabgeordnete Hans Gasteiger über „Die politische Situation in Bayern“ referierte. 698 Den Höhepunkt der Aufwertung für die Bamberger Sozialdemokraten bildete jedoch die Veranstaltung am 1. Mai 1919. 699 An diesem Tag endete das Versteckspiel des roten Bambergs. Eine Tarnung als Garten- oder Waldfest war obsolet geworden, denn der Erste Mai war 1919 zum gesetzlichen Feiertag erklärt worden. 700 Statt einer kleinen internen Feier sollte „eine Heerschau des Bamberger Proletariats“ 701 veranstaltet werden. Der Bamberger Stadtmagistrat hatte sich den neuen Umständen gefügt und am 29. April nicht nur generell die Maifeier genehmigt, sondern sich sogar mit einem Demonstrationszug durch die gesamte
Vgl. Hennig, Hoffmann, S. 267–271; Trunk, Bamberg, S. 22–32; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 44–49; Ehberger, Weg, S. 170–177. Vgl. Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 47–49; Benz, Wolfgang: Süddeutschland in der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik 1918–1923 (= Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter, Bd. 4). Berlin 1970, S. 146–149; Ehberger, Weg, S. 173–175. 692 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 25. 6.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; Krause, 115 Jahre, S. 56. 693 FS v. 8. 4.1919, Nr. 1. 694 Vgl. FS v. 9. 4.1919, Nr. 2; Grau, Revolution. 695 FS v. 9. 4.1919, Nr. 2. 696 FS v. 9. 4.1919, Nr. 2. 697 FS v. 9. 4.1919, Nr. 2. 698 Vgl. FS v. 10. 4.1919, Nr. 3. 699 Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18; FS v. 2. 5.1919, Nr. 19; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 53; Heckel, Bamberg, S. 71. 700 Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18; Protokoll des Stadtmagistrats v. 29. 4.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Korff, Zeichen, S. 22 f.; Schellack, Fritz: Nationalfeiertage in Deutschland von 1871 bis 1945 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 415). Frankfurt am Main u. a. 1990, S. 136–147. Der Termin für einen Nationalfeiertag war in der Weimarer Republik unter den Parteien von Anfang an umstritten. Als Kompromiss einigte sich die Nationalversammlung 1919 darauf, den 1. Mai 1919 einmalig zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Der Versuch und Antrag von SPD und USPD 1920, den 1. Mai endgültig als Feiertag festzulegen, scheiterte im Reichstag und wurde erst von den Nationalsozialisten 1933 wieder aufgegriffen. 701 FS v. 30. 4.1919, Nr. 18. 690 691
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Stadt sowie einem Konzert auf dem Michaelsberg einverstanden erklärt. 702 Das zweiteilige Programm sah daher folgende Punkte vor: „1. Vormittags: Großer Demonstrationszug durch die Stadt zum Maxplatz. Dortselbst Ansprache durch den Justizminister Genosse Endres. 2. Nachmittags: Großes Doppelkonzert auf dem Michaelsberg.“ 703
Das sozialistische Milieu „eroberte“ am 1. Mai 1919 die Straßen Bambergs, denn der Umzug bot SPD, Gewerkschaften und Vereine erstmals die Gelegenheit zur öffentlichen Selbstinszenierung und Machtdemonstration. 704 Symbolisch überragte die Arbeiterbewegung an diesem Tag ganz Bamberg, denn mit der Brauerei auf dem Michaelsberg hatte man den Gipfel erklommen – selbst der Domberg als geistliches Zentrum lag tiefer. 705 Für besonderes Flair und Aufmerksamkeit sorgte nicht nur die Ansprache des Justizministers Fritz Endres 706, sondern auch die Teilnahme der anderen sozialdemokratischen Minister und Abgeordneten. 707 Die Bamber-
ger Arbeiterbewegung war aufgestiegen und untermauerte ihren Anspruch auf Partizipation in der neuen gesellschaftlichen und politischen Ordnung in der Stadt Bamberg. Passend zu dem „Höhenflug“ der SPD-Bamberg führte ein „kühner Flieger“ 708 am Maifeiertag Kunststücke am Himmel vor. Die SPD präsentierte sich modern, zukunftsorientiert und mächtig. Diese Veranstaltungen und Erlebnisse während der Regierungszeit gaben den Bamberger Sozialdemokraten großen Auftrieb und ein nie dagewesenes Selbstbewusstsein. Dies prägte sowohl das sozialistische Milieu als auch die Kommunalpolitik nachhaltig. 709 So erinnerten sich Parteigenossen im Rückblick immer besonders gerne an diese Zeit. 710 Andererseits behielten aber wohl auch die Regierungsmitglieder und Abgeordneten die Bamberg Phase in guter Erinnerung. 711 Von diesem Umstand profitierte die SPD noch Jahre später. So kehrten Fritz Endres und Ernst Schneppenhorst 712 als Redner wiederholt zur Bamberger Arbeiterschaft zurück und unterstützten sie bis in die Endphase der Weimarer Republik. 713 Solche Veranstaltungen wur-
Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 29. 4.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668. Protokoll des Stadtmagistrats v. 29. 4.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668. 704 Vgl. Blessing, Feier, S. 281. 705 Vgl. Fiedler, Bamberg, S. 97–101. Die Brauerei „Michaelsberg“ hatte ihren Ursprung in der Klosterbrauerei aus dem Jahr 1008 und war die älteste Brauerei in Bamberg. Während der Weimarer Republik wurde die Brauerei von der Familie Peßler gepachtet und geführt. 706 Der Kupferschmied Fritz Endres (1877–1963) wurde 1911 Arbeitersekretär in Würzburg. Zwischen 1912 und 1933 gehörte er durchgängig dem Bayerischen Landtag als SPD-Abgeordneter an. 1918/19 war er Justizminister und 1920 Innenminister. Außerdem war er während der Weimarer Republik als Sekretär der SPD-Landtagsfraktion tätig. Vgl. Schönhoven, Klaus: Arbeiterschaft, Gewerkschaften und Sozialdemokratie in Würzburg 1848–1914. In: Würzburgs Sozialdemokraten. Vom Arbeiterverein zur Sozialdemokratischen Volkspartei 1868–1978. Hg. v. H. W. Loew/K. Schönhoven. Würzburg 1978, S. 27. 707 Vgl. FS v. 2. 5.1919, Nr. 19. Die Aussage von Trunk, dass Regierungsmitglieder und Landtagsabgeordnete in Bamberg „nur wenig an die Öffentlichkeit“ traten, entspricht nicht der historischen Realität. Abgesehen von den geschilderten Veranstaltungen nahmen diese auch an der Fronleichnamsprozession teil. Vgl. Trunk, Bamberg, S. 30; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 53. 708 FS v. 2. 5.1919, Nr. 19: „Der Zug bewegte sich durch die im Programm genannten Straßen; hoch in den Lüften begleitete ihn ein kühner Flieger, der durch seine Sturzflüge und sonstigen Künste viel Anerkennung und Lob fand.“ Vgl. Heckel, Bamberg, S. 71. 709 Vgl. insbesondere die Kapitel 3.2.5 und 4. 710 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834. 711 Vgl. Ehberger, Weg, S. 175–177; Müller-Meiningen, Ernst: Aus Bayerns schwersten Tagen. Erinnerungen und Betrachtungen aus der Revolutionszeit. Berlin 1923, S. 226. Der DDP-Landtagsabgeordnete Ernst Müller-Meiningen beschrieb seine Erinnerungen und die Stimmung in Bamberg rückblickend folgendermaßen: „Der Verfasser erinnert sich für sein ganzes Leben gern an die schönen Morgenstunden in der herrlichen Bamberger Residenz. Hoffmann hatte sein kleines Arbeitszimmerchen, in dem die Ministerratssitzungen stattfanden, auf der Ostseite der Residenz im dritten Stocke. Da lag das köstliche Kleinod Frankens zu unseren Füßen, gegenüber die bewaldeten Höhen um Burg Giech. Es war ein Bild, das einen trotz alles politischen Elends innerlich aufjauchzen machte. Gebadet in Sonnenschein und Blütenpracht lag dieses herrliche Land vor uns, uns täglich und stündlich den Schwur erneuern lassend, dieses köstliche Land deutscher Erde nicht in Anarchie und Bolschewismus verkommen zu lassen.“ 712 Der Tischler Ernst Schneppenhorst (1881–1945) wurde 1906 Geschäftsführer des Holzarbeiterverbandes in Nürnberg. Seit 1912 gehörte er für die SPD dem Bayerischen Landtag an. Vom März 1919 bis August 1919 war er unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann Minister für militärische Angelegenheiten. Anschließend betrieb er ein optisches Institut in Nürnberg und engagierte sich für die dortige SPD und später die Eiserne Front. 1932 wurde er Reichstagsabgeordneter. Kurz vor Kriegsende wurde er 1945 in Berlin von SS-Männern ermordet. Vgl. Zwanzig, Nürnberg, S. 60–65; Merz, Johannes: Schneppenhorst, Ernst. In: NDB 23 (2007), S. 321 f.; Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hg.): Der Freiheit verpflichtet. Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert. Berlin 22013, S. 449. 713 Vgl. FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 702 703
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Das politische Sozialmilieu
den im Freistaat besonders angepriesen. So hieß es 1923: „Referent ist Landtagsabgeordneter Fritz EndresMünchen, den Bambergern noch gut bekannt aus der Zeit, als die bayerische Regierung sich in Bamberg befand. Als früherer bayerischer Minister des Innern kann Endres als einer der besten Kenner der bayerischen Verhältnisse gelten.“ 714
Als besonderes „Abschiedsgeschenk“ verabschiedete der Bayerische Landtag noch vor der Rückkehr nach München die erste demokratische Verfassung des Freistaats Bayern am 12. August 1919 in Bamberg, die nunmehr „Bamberger Verfassung“ genannt wurde. 715 Die Sozialdemokraten in Bamberg fühlten sich daher in erhöhtem Maße mit dieser Hinterlassenschaft der Regierung Hoffmann verbunden. 716 Die Verteidigung der Verfassung wurde eines ihrer politischen Leitmotive. Während anderenorts 1919 „zum Jahr der Enttäuschungen“ 717 wurde, war es für die SPD-Bamberg ein Jahr des Aufstiegs und Neustarts. Für die lokale Sozialdemokratie wurde 1919 der Startschuss zum Aufbau ihrer Strukturen und zur Etablierung ihrer Organisationen und Vereine gegeben. Der Stein des sozialistischen Milieus war angestoßen und rollte in Richtung Weimarer Republik.
3.2.2 Mitglieder, Vorstandschaft und Parteisekretariat Der Beginn der Weimarer Republik wurde von der SPD-Bamberg bewusst als Umbruch wahrgenommen und als solcher gelebt. 718 Die Aufbruchsstimmung wurde auf der Generalversammlung am 30. Juni 1919 deutlich: „Der sozialdemokratische Verein Bamberg hielt am Montag seine Generalversammlung ab […]. Für die Neuwahl der Vorstandschaft hatte die bisherige Vorstandschaft, die auf Wiederwahl verzichtete, um jüngeren Kräften Platz zu machen, eine Vorschlagsliste aufgestellt, die sich bezüglich der wichtigsten Aemter mit den aus der Versammlung herausgemachten Vorschlägen deckte.“ 719
Der Generationenwechsel innerhalb der SPD-Leitung fand nicht nur im Einvernehmen mit der früheren Führungsriege statt, sondern wurde von dieser sogar vorangetrieben und gelenkt. Dem Problem der Überalterung, unter dem beispielsweise die Sozialdemokratie in Kassel litt, war man von vornherein aktiv entgegengetreten. 720 Die beiden neugewählten Vorstände Sebastian Huber 721 und Georg Dewald gehörten mit den Geburtsjahrgängen 1879 und 1892 der Altersklasse der 25- bis 40Jährigen an und waren der politischen Generation der Weltkriegsteilnehmer zuzurechnen. 722 Ebenso entstammten der Kassierer Ernst Straub und der Schriftführer Georg Waller dieser Altersgruppe, die bezogen auf die Sozialdemokratie als „Generation Schumacher“ bezeichnet wurde. 723 Johann Steitz
FS v. 13. 4.1923, Nr. 84. Vgl. Ruf, Christian Georg: Die Bayerische Verfassung vom 14. August 1919 (= Schriften zum Landesverfassungsrecht, Bd. 4). Baden-Baden 2015; Heydenreuter, Reinhard: Das Werden der Bamberger Verfassung. In: Räterepublik oder parlamentarische Demokratie. Die „Bamberger“ Verfassung 1919 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bamberg, Bd. 10). Hg. v. W. Wagenhöfer/R. Zink. Bamberg 1999, S. 115–133; Ehberger, Weg, S. 280–289. 716 Vgl. FS v. 25.10.1924, Nr. 278. 717 Wirsching, Andreas: Die paradoxe Revolution 1918/19. In: APuZ 50–51 (2008), S. 6–12. 718 Zu einem anderen Ergebnis kommt Siegfried Weichlein für Kassel, denn dort überwog die Kontinuität beim Übergang zur Weimarer Republik. Vgl. Weichlein, Siegfried: Multifunktionäre und Parteieliten in Katholizismus und Sozialdemokratie zwischen Kaiserreich und Republik. In: Parteien im Wandel. Vom Kaiserreich zur Weimarer Republik (= Schriftenreihe der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Bd. 7). Hg. v. D. Dowe/J. Kocke/H. A. Winkler. München 1999, S. 195, 205 f. 719 FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; vgl. Schneider, Milieu, S. 31. 720 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 231 f.; Winkler, Schein, S. 445 f. 721 Angaben zu den wichtigsten Personen des sozialistischen Milieus in Bamberg finden sich in der Prosopografie im Anhang. 722 Vgl. Einwohnermeldekarte Sebastian Huber, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Georg Dewald, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58a; Kachel, Sonderweg, S. 88; Weichlein, Siegfried: Milieu und Mobilität: Generationelle Gegensätze in der gespaltenen Arbeiterbewegung der Weimarer Republik. In: Generationen in der Arbeiterbewegung (= Schriftenreihe der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Bd. 12). Hg. v. K. Schönhoven/B. Braun. München 2005, S. 170. 723 Vgl. Einwohnermeldekarte Georg Waller, StadtABa, C 9, Nr. 58c; Einwohnermeldekarte Ernst Straub, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 30. 6.1919, Nr. 66; 714 715
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
(Jahrgang: 1866), die dominante Person während des Ersten Weltkriegs, übernahm kein Parteiamt mehr. 724 Damit war die „Generation Ebert“ der Reichsgründungszeit (Jahrgänge 1865 bis 1875) in Bamberg bereits abgelöst, sie blockierte nicht wie andernorts die Führungsposten und der Weg war frei für einen Neuanfang nach dem Ersten Weltkrieg. 725 Dieser schlug sich auch in steigenden Mitgliederzahlen Anfang der 1920er Jahre nieder. 726 1922 vermeldete man auf der Generalversammlung einen Stand von etwa 700 Mitgliedern. 727 Im Mai 1923 berichtete der Kassenwart von einem erneuten Zuwachs um 246 Genossen und 42 Genossinnen, der sich teilweise durch die Vereinigung von USPD und SPD bedingte. 728 Selbst wenn dieser Gewinn aufgrund von Parteiaustritten nicht als Nettozunahme gerechnet werden kann, so erscheint eine Verdoppelung der Mitgliedsstärke seit der Vorkriegszeit auf 800 bis 900 realistisch. 729 Dieser deutschlandweit zu beobachtende Trend korrelierte mit einer Ausdehnung der sozialen Basis, denn die SPD gewann Anfang der Weimarer Republik bürgerliche Schichten für sich und war im Begriff, eine erste Volkspartei zu werden. 730 Im Görlitzer Parteiprogramm von 1921 fand dies seinen Niederschlag, indem sich die Sozialdemokratie als Partei „aller
körperlich und geistig Schaffenden“ 731 präsentierte und expressis verbis „Gewerbetreibende, Scharen geistiger Arbeiter, Beamte, Angestellte, Künstler, Schriftsteller, Lehrer [und] Angehörige aller Art der freien Berufe“ 732 ansprach. In Bamberg hatte sich die Arbeiterbewegung zwar schon früh durch ihre soziale Offenheit ausgezeichnet, doch verstärkte sich die Heterogenität der Mitglieder nach dem Ersten Weltkrieg deutlich. 733 So kandidierten neben den Parteifunktionären nicht mehr nur Handwerker zu der Gemeindewahl 1919 für die Sozialdemokratie, sondern unter anderem drei Kaufmänner, zwei Lehrer, ein Fabrikant und ein Geschäftsführer. 734 Ungelernte Fabrikarbeiter fanden sich jedoch weiterhin nicht unter den sozialdemokratischen Bewerbern. 735 In der Vorstandschaft repräsentierte Volksschullehrer Georg Waller den neuen Typus der „Novembersozialisten“. 736 Im Gegensatz zu anderen Ortsvereinen unterstützte die SPD-Bamberg daher das Görlitzer Parteiprogramm und nahm dieses in einer Mitgliederversammlung einstimmig an. 737 Der Aufschwung hielt bis etwa 1922/23 an. 738 Danach ließ ein Großteil der Neuzugänge, als Konsequenz aus den politischen und wirtschaftlichen Krisen zwischen 1922 und 1924, die Arbeiterbewegung wieder „links liegen“, sodass die Mitglieder-
FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; FS v. 26.10.1921, Nr. 247; Woyke, Meik: Die „Generation Schumacher“. In: Generationen in der Arbeiterbewegung (= Schriftenreihe der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Bd. 12). Hg. v. K. Schönhoven/B. Braun. München 2005, S. 87–105; Link, Katholizismus, S. 447. Georg Waller war Jahrgang 1887 und Ernst Straub wurde 1891 geboren. Als prägende Erfahrungen der „Generation Schumacher“ (Geburtsjahrgänge circa 1880 bis 1890) gelten die politische Sozialisation im Kaiserreich, die Spaltung der Arbeiterbewegung durch den Ersten Weltkrieg, der Untergang der Weimarer Republik und später der nationalsozialistische Terror gegen die Arbeiterführer. 724 Vgl. FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; Link, Katholizismus, S. 447. 725 Vgl. Kachel, Sonderweg, S. 87; Woyke, Generation Schumacher, S. 94–103; Braun, Bernd: Die „Generation Ebert“. In: Generationen in der Arbeiterbewegung (= Schriftenreihe der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Bd. 12). Hg. v. K. Schönhoven/B. Braun. München 2005, S. 69–86. 726 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106. 727 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; Schneider, Milieu, S. 47; Krause, 115 Jahre, S. 56. 728 Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106. 729 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 44; Schneider, Milieu, S. 53. Im Jahr 1911 zählte die SPD-Bamberg 470 Mitglieder. 730 Vgl. Winkler, Heinrich August: Klassenbewegung oder Volkspartei? Zur Programmdiskussion in der Weimarer Sozialdemokratie 1920–1925. In: GG 8 (1982), S. 9–26; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 313; Lösche, Peter/Walter, Franz: Die SPD: Klassenpartei – Volkspartei – Quotenpartei. Zur Entwicklung der Sozialdemokratie von Weimar bis zur deutschen Vereinigung. Darmstadt 1992, S. 1–11. 731 Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Görlitz vom 18. bis 24. September 1921. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1921. Berlin u. a. 1973, S. 3. 732 Protokoll Görlitz 1921, S. 3. 733 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 278–284. 734 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49. 735 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49. 736 Adam, Klassenbewegung, S. 279; vgl. FS v. 1. 7.1919, Nr. 67. Bemerkenswerterweise war Georg Waller das einzige Vorstandsmitglied, bei dem im Bericht der Beruf vorangestellt wurde. Diese Hervorhebung verdeutlicht die Bedeutung seines Standes innerhalb der SPD. 737 Vgl. FS v. 11.10.1921, Nr. 234; Weichlein, Sozialmilieus, S. 251–255. 738 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 317.
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Das politische Sozialmilieu
zahlen allerorts sanken. 739 Im Oktober 1923 beklagte auch der Bamberger Parteivorsitzende in einer Versammlung erstmals den Rückgang, da „die Beamten und Lehrer, die sich nach der Revolution der Partei [angeschlossen hatten] […], ihr wieder den Rücken gekehrt [hätten]“. 740 Zugleich gab er die Parole aus, diese Schwäche in der Öffentlichkeit und in der Presse nach Möglichkeit zu vertuschen und zu überspielen. 741 Den Gegnern sollte schließlich keine Angriffsfläche geboten werden. Diese Taktik behielt die Bamberger SPD über das Jahr 1923 hinaus bei. Absolute Zahlen zur Mitgliederstärke wurden nicht mehr veröffentlicht. 742 Nur vage Aussagen publizierte man noch zu diesem Punkt, beispielsweise auf der Jahresgeneralversammlung 1924: „Die Mitgliederbewegung ist auf Grund der verkauften Marken errechnet worden und zeigt den Stand vom Vorjahre. Eine genau Zahl lässt sich infolge der herrschenden großen Arbeitslosigkeit nicht angeben, da die Arbeitslosen beitragsfrei sind.“ 743
In ähnlicher Weise beschränkte man sich 1929 auf die Feststellung, dass „der Stand der Bewegung und der Kasse […] als durchaus zufriedenstellend bezeichnet“ 744 werden könnte. Die internen Überlieferungen im Archiv der SPD verzeichneten lediglich zwei konkrete Zahl in einem Geschäftsbericht der
SPD-Franken von 1925. 745 Demnach gehörten am 31. März 1925 zur sozialdemokratischen Ortsgruppe 338 Männer und 81 Frauen, zusammen 419 Parteimitglieder, während die SPD am 31. Dezember 1922 insgesamt aus 768 Personen (678 Männer, 90 Frauen) bestanden hatte. 746 Diese Auskunft bestätigte den angedeuteten Rückgang auf drastische Weise. Fast die Hälfte der zahlenden Mitglieder hatte die Bamberger Sozialdemokratie bis Mitte der 1920er Jahre verloren und man war sogar unter das Niveau der Vorkriegszeit abgerutscht. 747 Das Resultat korrelierte mit der deutschlandweiten Talsohle der Arbeiterorganisationen zwischen 1924 und 1926. 748 Dabei wurden die Folgen der Hyperinflation in Bamberg zusätzlich durch die wirtschaftliche Rationalisierungskrise 1925/26 verstärkt, sodass man in der Jahresgeneralversammlung 1926 die hohe parteiinterne Arbeitslosenziffer erwähnte und beklagte. 749 Ab 1927 sprachen die Parteiberichte von einer Besserung sowohl des Kassen- als auch des Mitgliederstandes. 750 Anfang 1928 meldete der Vorstand explizit, dass „der Mitgliederstand […] gegenüber dem Vorjahr angewachsen“ 751 sei. Alles in allem läßt sich aus diesen Anhaltspunkten der Schluss ziehen, dass die Mitgliederentwicklung der SPD-Bamberg mit dem „Lebenszyklus“ 752 der Arbeiterorganisationen und der SPD in Bayern während der Weimarer Republik übereinstimmte. 753 Gleich zweier Wellen stiegen und fielen die
Vgl. Adam, Klassenbewegung, S. 279 f.; Weichlein, Sozialmilieus, S. 229 f.; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 317. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 1; vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 229 f.; Lösche, Peter/Walter, Franz: Zur Organisationskultur der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik. Niedergang der Klassenkultur oder solidargemeinschaftlicher Höhepunkt? In: GG 15 (1989), S. 511–536. 741 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 1: „Dennstädt forderte auf, die Schwäche der Partei nach aussen sorgfältig zu verbergen. Das tue er selbst im ‚Freistaat‘ (Dennstädt ist hier Redakteur), wer ihn lese, müsse gemerkt haben, dass ‚er in den letzten 14 Tagen besonders frech geworden sei.‘ Dadurch soll über die wahre Lage der Partei hinweggetäuscht werden.“ 742 Vgl. FS v. 14. 4.1924, Nr. 88; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 2. 3.1926, Nr. 50; FS v. 19. 2.1929, Nr. 42; FS v. 2. 2.1932, Nr. 26. 743 FS v. 14. 4.1924, Nr. 88. 744 FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 745 Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“. 746 Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“. 747 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 44; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 319. Ähnlich wie Bamberg verzeichnete auch der Bezirk Oberbayern/Schwaben zwischen 1921 und 1924 eine Halbierung der Mitgliederzahl. Für den Bezirk Franken war der Rückgang in Bamberg untypisch, da andere Ortsvereine die Verluste durch die Gewinne ehemaliger USPD-Mitglieder kompensierten oder sogar Gewinne verbuchten. 748 Vgl. Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 514 f.; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 317. 749 Vgl. FS v. 2. 3.1926, Nr. 50: „Die Kassenverhältnisse sind unter den gegebenen Umständen – es sind ungefähr 220 Mitglieder arbeitslos – zufriedenstellend.“ 750 Vgl. FS v. 14. 2.1927, Nr. 36; FS v. 24. 1.1928, Nr. 19; FS v. 19. 2.1929, Nr. 42; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 317–319. 751 FS v. 24. 1.1928, Nr. 19. 752 Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 513. 753 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 315–320. 739
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Mitgliederzahlen. 754 Schwamm man 1919/20 oben auf, so brach die Woge 1925 in sich zusammen, um sich bis 1930 wieder aufzubauen. 755 Die Weltwirtschaftskrise zerstörte anschließend diesen Fortschritt erneut. 756 Eine dritte anschwellende Welle von Mitgliedsgewinnen deutete sich 1932 an, denn der Bamberger Kassier bezeugte „einen beachtenswerten Aufschwung“ in der letzten Versammlung am 5. Februar 1933 und hoffnungsvoll sah man die Sozialdemokratie gegen „die braune Unglückswelle“ gerüstet und „zum Kampf bereit“. 757
Blickt man auf die Vorstandschaft des Bamberger Ortsvereins (Tabelle 4), so unterteilte sich deren Entwicklung in zwei prägende Phasen. Im Anschluss an die Revolution durchlief die SPD einen Findungsprozess, der sich durch stetige Wechsel an der Führungsspitze charakterisierte und bis circa 1925 währte. Die zweite Zeitspanne bis 1933 hob sich von der frühen durch Permanenz ab – Neubesetzungen bildeten nun eine Ausnahme. 758
Tabelle 4: Erster Vorstand der SPD-Bamberg von 1918 bis 1933. 759 Name Konrad Mörsberger Sebastian Huber
Amtszeit 1918–1919 1919
Beruf
Geburtsjahrgang
Schreiner, Arbeitersekretär
1879
Schreiner, Gewerkschaftssekretär
1879
Georg Dewald
1919–1921
Zuschneider/Tapezierer, Redakteur
1892
Ludwig Wirth
1921–1923
Schreiner, Gewerkschaftssekretär
1875
Georg Bittel
1923–1924
Sattler
1881
Michael Dräßel
1924–1925
Schreiner
1891
Josef Dennstädt
1925–1933
Schlosser, Redakteur, Parteisekretär
1891
Georg Göttling
1933
Sattler, Orthopäde
1896
Bis Mitte der Zwanzigerjahre fehlte der SPD-Bamberg – wie schon im Kaiserreich – eine konstante Führungs- und Identifikationsfigur. Dies zog eine hohe Fluktuationsrate im Amt des Ersten Vorstandes nach sich. Sowohl interne als auch externe Faktoren determinierten die Ablösungen. So trat Sebastian Huber 1919 aufgrund von „Arbeitsüberhäufung“ 760 zurück, wogegen Konrad Mörsberger und Georg Dewald neue Aufgaben in anderen Städten übertragen bekamen: Konrad Mörsberger wurde zum 1. Mai 1919 Gauleiter des Deutschen Holz-
arbeiterverbandes in Nürnberg und Georg Dewald wechselte zum 1. November 1921 als Redakteur zur Volkszeitung nach Aschaffenburg. 761 Erst die Ernennung von Josef Dennstädt 1922 zum Parteisekretär in Bamberg bewirkte schließlich eine langjährige Beständigkeit in der SPD-Vorstandschaft. 762 Zunächst wurde er 1923 und 1924 in den Bildungsausschuss gewählt, bevor ihm 1925 die Parteileitung anvertraut wurde. 763 In den darauffolgenden Jahren kamen an seiner Personalie keine Zweifel auf, Dennstädt war für das Amt des
Vgl. Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 514. Vgl. Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 514 f.; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 315–318. 756 Vgl. Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 516. 757 FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; vgl. Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 516 f. 758 Vgl. FS v. 2. 2.1932, Nr. 26. 759 Die Angaben der Tabelle wurden entnommen aus: BT v. 10.11.1918, Nr. 312; FS v. 12. 4.1919, Nr. 5; Entschädigungsakte Konrad Mörsberger, 13. 7.1879, BayHStA, MF, LEA, Nr. 25880; FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa; Einwohnermeldekarte Sebastian Huber, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 5. 8.1919, Nr. 96; FS v. 13. 7.1920, Nr. 159; FS v. 27. 6.1921, Nr. 145; Einwohnermeldekarte Georg Dewald, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58a; FS v. 12.12.1921, Nr. 285; FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; Einwohnermeldekarte Ludwig Wirth, StadtABa, C 9, Nr. 58b; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Einwohnermeldekarte Georg Bittel, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 14. 4.1924, Nr. 88; Einwohnermeldekarte Michael Dräßel, StadtABa, C 9, Nr. 58; Einwohnermeldekarte Josef Dennstädt, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Einwohnermeldekarte Georg Göttling, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58a. 760 FS v. 5. 8.1919, Nr. 96; vgl. Schneider, Milieu, S. 33. 761 Vgl. FS v. 10. 4.1919, Nr. 3; FS v. 7.11.1921, Nr. 256. 762 Vgl. FS v. 12.12.1921, Nr. 285; FS v. 4.1.1922, Nr. 3; Krause, 115 Jahre, S. 64. 763 Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 14. 4.1924, Nr. 88; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112. 754 755
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Ersten Vorsitzenden die unumstrittene Idealbesetzung in Bamberg. 764 Einstimmig erfolgte 1926 und 1927 seine Wiederwahl, „ohne Debatte“ 765 und „mit großem Beifall“ 766 wurden seine Jahresberichte aufgenommen und 1929 ausdrücklich die innere Geschlossenheit und stete Vorwärtsentwicklung als „Verdienst der nun seit mehreren Jahren tätigen Parteileitung“ 767 gelobt und hervorgehoben. 768 Hatte in den ersten Jahren auch die Besetzung der anderen SPD-Stellen häufig gewechselt, so etablierte sich unter Dennstädt ein beständiges Führungsgremium. 769 Georg Göttling bekleidete wiederholt das Amt des Zweiten Vorsitzenden, Hans Wolf war als Kassier tätig und Elise (Elisabeth) Firsching gehörte als Schriftführerin und einzige Frau der Vorstandschaft an. 770 Zusätzlich waren Georg Dotterweich, Michael Dräßel, Karl Kellner, Hans Rösch, Kaspar Zimmer und Alexander Zwiebel jahrelang als Beisitzer aktiv. 771 Die SPD-Bamberg war demnach in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik ein gefestigter und beständiger Ortsverein, der unter konstanter Leitung „auf einer sehr gesunden Grundlage“ 772 stand und agierte. Jedoch zeigten sich 1933 Risse in diesem Fundament, es wurde brüchiger und instabiler, denn in der letzten Jahresgeneralversammlung am 5. Februar 1933 stellte sich Josef Dennstädt nicht mehr für eine Wiederwahl zur Verfügung: „Mit der Bitte, ihn des Postens als erster Vorsitzender zu entheben, den er nunmehr seit 8 Jahren bekleide und mit Rücksicht auf seinen Gesundheits-
zustand und das Uebermaß an Arbeit, das die Tätigkeit als Unterbezirkssekretär gerade jetzt mit sich bringe, zu entheben, schließt Genosse Dennstädt seinen Jahresbericht, nicht ohne nochmals aufzufordern, die stets gezeigte Aktivität und Kampfbereitschaft auch im neuen Jahre zu beweisen und damit den Aufstieg der Partei und den Untergang ihrer Gegner zu sichern.“ 773
Diese schwierigen Aufgaben übertrug die Versammlung dem erfahrenen und früheren Zweiten Vorsitzenden Georg Göttling. 774 Sein Wirken konnte sich allerdings aufgrund der NS-Herrschaft nicht mehr entfalten. Eng verknüpft mit der Führung der SPD war das im August 1920 eingerichtete Parteisekretariat. 775 Während die Freien Gewerkschaften schon seit 1906 ein solches besaßen, stellte der Posten einen organisatorischen Fortschritt für die SPD dar. 776 Neben der Stadt Bamberg umfasste das Zuständigkeitsgebiet den gesamten Unterbezirk und wurde als „Unterbezirkssekretariat Bamberg“ 777 oder verkürzt als „Untersekretariat Bamberg“ 778 bezeichnet. Erster Parteisekretär wurde Georg Dewald, der die neue Aufgabe parallel zu seiner Redakteurstätigkeit für den Freistaat und seinem Vorstandsposten des Ortsvereins ausführte. 779 Folglich stieg er zur ersten zentralen Figur der SPD auf. 780 Als Dewald nach eineinhalb Jahren von der Bezirksleitung nach Aschaffenburg abberufen wurde, stieß dies bei der Parteibasis in Bamberg auf Unverständnis. 781 Zur Rechtfertigung dieser Entscheidung
Vgl. FS v. 2. 3.1926, Nr. 50; FS v. 14. 2.1927, Nr. 36; FS v. 19. 2.1929, Nr. 42; FS v. 2. 2.1932, Nr. 26; Schmidt, Milieu, S. 27. FS v. 2. 3.1926, Nr. 50. 766 FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 767 FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 768 Vgl. FS v. 2. 3.1926, Nr. 50; FS v. 14. 2.1927, Nr. 36; FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 769 Vgl. FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; FS v. 13. 7.1920, Nr. 159; FS v. 27. 6.1921, Nr. 145; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 14. 2.1927, Nr. 36; FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 770 Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 2. 3.1926, Nr. 50; FS v. 14. 2.1927, Nr. 36; FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 771 Vgl. FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 2. 3.1926, Nr. 50, FS v. 14. 2.1927, Nr. 36; FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 772 FS v. 19. 2.1929, Nr. 42. 773 FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 774 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Krause, 115 Jahre, S. 64. 775 Vgl. FS v. 2. 8.1920, Nr. 176; FS v. 27. 6.1921, Nr. 145; Schneider, Milieu, S. 37. Auf der Jahresgeneralversammlung am 9. Juli 1920 war der Punkt Parteisekretariat bereits erörtert worden und verursachte „eine äußert rege Aussprache“. Der genaue Inhalt der Besprechung und Diskussion ist nicht überliefert. Vgl. FS v. 13. 7.1920, Nr. 159. 776 Vgl. FS v. 1. 4.1930, Nr. 75; Krause, 115 Jahre, S. 42, 56; Schneider, Milieu, S. 37. 777 FS v. 2. 8.1920, Nr. 176. 778 Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 779 Vgl. FS v. 27. 6.1921, Nr. 145. 780 Vgl. FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 29. 4.1921, Nr. 98. 781 Vgl. FS v. 7.11.1921, Nr. 256. 764 765
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
erschien der Reichstagsabgeordnete und Bezirkssekretär der SPD-Franken, Hans Vogel, um die Wogen zu glätten: „Die Versammlung bedauerte lebhaft den Weggang Dewalds, konnte sich aber den zwingenden Gründen, die Hans Vogel aus Nürnberg anführte und die zu dem Beschlusse des Bezirksvorstandes geführt haben, nicht verschließen.“ 782
Als Zwischenlösung übernahm der Bayreuther Redakteur Nenninger für einen Monat die Geschäfte und anschließend betreute der Funktionär Konrad Eberhard aus Fürth kommissarisch die Bamberger Genossen. 783 Eine dauerhafte Regelung wurde Anfang 1922 mit der Berufung von Josef Dennstädt zum Parteisekretär in Bamberg gefunden. 784 Dennstädt hatte zuvor in Ingolstadt als sozialdemokratischer Funktionär gedient. 785 Wie bereits Georg Dewald führte er in Personalunion das Parteisekretariat, die Lokalredaktion des Freistaats und ab 1925 den SPD-Ortsverein. 786 Im Gegensatz zur Ablösung als erster Vorstand blieb Dennstädt als Parteisekretär bis zum Verbot 1933 im Amt. 787 Bei ihm liefen folglich alle sozialdemokratischen Fäden der Bamberger Arbeiterbewegung zusammen. Seine Person bildete die Schnittstelle und den Knotenpunkt der SPD. Beruflich entstammte die oberste Führungsebene der SPD-Bamberg ursprünglich dem Handwer-
kerstand. 788 In dieser Hinsicht hatte es keinen Wandel seit der Kaiserzeit gegeben. Unter den erlernten Berufen der Ersten Vorsitzenden waren das Schreiner- und Sattlerhandwerk am häufigsten vertreten. 789 Folglich wirkte sich die handwerkliche Tradition der Residenzstadt noch in den 1920er Jahren auf die Arbeiterbewegung aus. 790 Diese Kontinuität fand sich auch in anderen Städten mit starker handwerklicher Prägung, beispielsweise in Kassel, Ettlingen und Würzburg. 791 Für ganz Unterfranken konnte Mehringer nachweisen, dass Handwerker und Facharbeiter aus klassischen Berufen in der SPD dominierten und charakterisierte die Sozialdemokratie als eine Partei der „gestandenen kleinen Leute“. 792 Ein Resultat, das auch auf das oberfränkische Bamberg zutrifft: Die SPD vereinte weniger Unterschichten und Industrieproletariat in ihren Reihen, dafür aber die unteren Mittelschichten und die gelernten Arbeiter. 793 Diese Zusammensetzung entsprach auch der Sozialstruktur vor Ort. Bereits 1919 hatte die SPD in Bamberg, wie erwähnt, bewusst junge Kräfte an der Parteispitze gefördert. Im Laufe der Weimarer Republik gelang es weiterhin, die Vorstandschaft schrittweise an nachfolgende Generationen weiterzugeben, sodass sich die Jahrgänge der Ersten Vorsitzenden von 1879 (1919) auf 1896 (1933) verjüngten. 794 Unter den aktiven Funktionären fanden sich mit Georg Grosch (geb. 1906) und Wilhelm Aron (geb. 1907) sogar jugendliche Vertreter der sogenannten „Kriegs-
FS v. 7.11.1921, Nr. 256; vgl. FS v. 3.11.1921, Nr. 253; Schneider, Milieu, S. 42; Kral, Landespolitik, S. 36. Vgl. FS v. 7.11.1921, Nr. 256; FS v. 3.12.1921, Nr. 279; FS v. 12.12.1921, Nr. 285. Der Vorname von Nenninger wurde nicht überliefert. Er war Redakteur bei der Bayreuther SPD-Zeitung Fränkische Volkstribüne und kehrte nach dem Einsatz in Bamberg wieder in seine Stellung zurück. 784 Vgl. FS v. 12.12.1921, Nr. 285; FS v. 4.1.1922, Nr. 3; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Krause, 115 Jahre, S. 56–64. 785 Vgl. Einwohnermeldekarte Josef Dennstädt, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 12.12.1921, Nr. 285; FS v. 4.1.1922, Nr. 3; Schneider, Milieu, S. 42. 786 Vgl. FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 4.1.1922, Nr. 3. 787 Vgl. Die sozialdemokratischen Bestrebungen in Deutschland und die Entwicklung der Verhältnisse nach dem 2. Mai 1933. Stand von Ende Dezember 1934, BArch, R 58, Nr. 3333. 788 Vgl. Entschädigungsakte Konrad Mörsberger, 13. 7.1879, BayHStA, MF, LEA, Nr. 25880; Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa; Einwohnermeldekarte Sebastian Huber, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Einwohnermeldekarte Georg Dewald, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58a; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Einwohnermeldekarte Georg Bittel, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Michael Dräßel, StadtABa, C 9, Nr. 58; Einwohnermeldekarte Josef Dennstädt, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Einwohnermeldekarte Georg Göttling, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58a. 789 Vgl. Tabelle 4 im Text. Allerdings bestand zwischen den erlernten und den ausgeübten Berufen häufig eine Diskrepanz, die sich besonders bei den hauptberuflichen Funktionären zeigte, deren Tätigkeit als Sekretäre nichts mehr mit ihrer erlernten (handwerklichen) Profession gemein hatte. Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 330. 790 Vgl. Hörl, Handwerk, S. 73 f., 131–139. 791 Vgl. Weichlein, Sozialmilieus, S. 231; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 171 f.; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 331–333. 792 Mehringer, Sozialdemokratie, S. 336; vgl. Lösche/Walter, Organisationskultur, S. 521 f. 793 Vgl. Kurzbiografien im Anhang; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 328–330. Im Gegensatz zu Unterfranken sind für Bamberg keine Mitgliederlisten der SPD oder Personenakten der Gestapo überliefert, sodass die Quellenlage wesentlich dünner ist und die Auswertung sich auf die aktiven und in der Presse benannten Sozialdemokraten beschränken muss. 794 Vgl. Tabelle 4 im Text. 782 783
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Das politische Sozialmilieu
jugendgeneration“ oder „Überflüssigen Generation“. 795 Einer Gerontokratie glich die Bamberger Sozialdemokratie definitiv nicht. 796 Als 1926 eine allgemeine Altersstatistik erhoben wurde, betraf dies auch die SPD-Bamberg. 797 Ein Jahr später referierte Josef Dennstädt zufrieden über das Ergebnis, „daß sich die Parteimitglieder aus allen Jahrgängen“ 798 zusammensetzten. Genauere Angaben zur Altersstruktur des Ortsvereins wurden jedoch nicht veröffentlicht. Alles in allem stellten Generationenkonflikte in der Bamberger Sozialdemokratie kein maßgebliches Problem dar, sondern eine ausgewogene Mischung der Altersstufen kennzeichnete die örtliche Organisation. 799
3.2.3 Sozialdemokratische Standpunkte, Veranstaltungen und Treffpunkte Die Aktivitäten und Themen der SPD-Bamberg wurden einerseits von den allgemeinen Richtlinien, Forderungen und Werten der Partei bestimmt, andererseits von der politischen Kultur in Bamberg. 800 Im städtischen Umfeld hob sich die SPD von den anderen Parteien durch spezifische Standpunkte und Themen ab und drückte Bamberg in der Weimarer Republik ihren roten Stempel auf. Die sozialdemokratischen Veranstaltungen wurden in verschiedene Kategorien eingeteilt, deren Anzahl abhängig von den Aufgaben des Jahres schwankte. Es gab Mitgliederversammlungen, öffentliche Versammlungen, Parteiausschusssitzungen, die Jahres-
generalversammlung und Sektionsversammlungen. 801 Während 1921 beispielsweise lediglich drei öffentliche Versammlungen stattfanden, stieg deren Anzahl im Wahljahr 1932 auf zehn Stück an. 802 Im Laufe der Weimarer Republik verschob sich das Gewicht außerdem von den Mitgliederversammlungen zu den Sektionsversammlungen. Die Mitgliederversammlungen sanken von sieben (1921) auf vier (1932), wohingegen die Zusammenkünfte in den einzelnen Stadtteilen 1932 ein Maximum von 56 erreichten. 803 Die vermehrte Konzentration auf die Unterabteilungen war Ausdruck der verbesserten Parteiorganisation und Ausdifferenzierung innerhalb der SPD und entsprach dem Bedürfnis der Mitglieder nach Diskussion, Aussprache und spezifischen Problembehandlungen. 804 Die Bedeutung des Parteiausschusses blieb hingegen mit zwölf bis 16 Sitzungen pro Jahr konstant. 805 Die Themen der sozialdemokratischen Veranstaltungen und Aktivitäten in Bamberg standen auf drei Grundpfeilern: die Verteidigung von Revolution, Verfassung und Republik. 806 Daher wurde die schwarz-rot-goldene Nationalflagge als demokratisches Symbol von der SPD wertgeschätzt, propagiert und hochgehalten. 807 Die Farbenkombination schwarz-rot-gold stand nämlich in Anlehnung an die Fahnen des Hambacher Festes 1832 sinnbildlich für die parlamentarische Republik und die Abkehr vom Deutschen Kaiserreich mit seiner schwarz-weiß-roten Fahne. 808 Obwohl sich die SPD deutschlandweit durch den Republikschutz
Vgl. Einwohnermeldekarte Georg Grosch, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58b; Einwohnermeldekarte Wilhelm Aron, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 7. 2.1933, Nr. 32; Dornheim/Schindler, Aron, S. 21; Herbert, Ulrich: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989. Bonn 21996, S. 43 f.; Peukert, Krisenjahre, S. 91–100; Peukert, Detlev J. K.: Jugend zwischen Krieg und Krise. Lebenswelten von Arbeiterjungen in der Weimarer Republik. Köln 1987, S. 29–56; Wildt, Michael: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburg 22002, S. 23–29, 847–850. Die geburtenstarken Jahrgänge 1900–1910 der Kriegsjugendgeneration wurden von Detlev Peukert als „überflüssige Generation“ bezeichnet, da sie nach ihrer Schulzeit auf einen überfüllten Arbeitsmarkt stießen und in besonderem Maße von der Arbeitslosigkeit der Weimarer Republik betroffen waren und durch die Jugenderwerbslosigkeit und Aussichtslosigkeit ihrer Lage geprägt wurden. 796 Vgl. Mallmann, Radikalismus, S. 27; Weichlein, Sozialmilieus, S. 231; Braun, Generation Ebert, S. 73. Bespiele für eine überalterte SPD-Spitze stellen die Ortsvereine in Penzberg und in Kassel dar. 797 Vgl. FS v. 14. 2.1927, Nr. 36; Mallmann, Radikalismus, S. 12; Winkler, Schein, S. 346 f. 798 FS v. 14. 2.1927, Nr. 36. 799 Vgl. FS v. 14. 2.1927, Nr. 36. 800 Vgl. Faulenbach, SPD, S. 37–56. 801 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 2. 2.1932, Nr. 26; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 802 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 803 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 804 Vgl. FS v. 1.10.1923, Nr. 219; Schneider, Milieu, S. 32. 805 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 806 Vgl. FS v. 7.11.1921, Nr. 256; FS v. 14. 6.1923, Nr. 133; FS v. 1. 3.1928, Nr. 5; FS v. 1. 8.1931, Nr. 173. 807 Vgl. FS v. 14. 7.1922, Nr. 159; Stadtratsprotokoll v. 6. 5.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676. 808 Vgl. Gogos, Manuel: Demokratie, kulturelle Entfaltung und Selbstverteidigung – Die Sozialdemokratie in der Weimarer Republik. In: Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung. 1948–1963–2013. Hg. v. A. Kruke/M. Woyke. Bonn 2012, S. 120. 795
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
auszeichnete, 809 war dieses Bekenntnis in Bamberg von besonderer Brisanz und Wichtigkeit. Schließlich wurde die Demokratie als neue Errungenschaft hier besonders infrage gestellt, sie war unter Beschuss und gefährdet, da sich die Idee der Wiedererrichtung des Königtums großer Popularität erfreute. 810 Allen voran agierte dafür in der Domstadt der Bayerische Heimat- und Königsbund. 811 So wurde anlässlich des Geburtstages des ehemaligen Kronprinzen Rupprecht 1925 in den Luitpoldsälen eine Festveranstaltung abgehalten, in der die „beklagenswerten Folgen“ der Revolution bedauert wurden und die Weimarer Verfassung als „ein fremdes Gebilde“ kritisiert wurde, „das die Eigenart der verschiedenen deutschen Stämme nicht berücksichtige.“ 812 Stattdessen sollte die „angestrebte Rückkehr zur konstitutionellen Monarchie und die Wiedereinsetzung des angestemmten Königshauses Wittelsbach […] mit allen erlaubten Mitteln“ 813
betrieben werden. Den Abschluss solcher Feiern bildete die Königshymne. 814 Enge Verbindungen zu diesen Kreisen unterhielt das katholische Milieu unter Erzbischof Jacobus von Hauck, einem „Monarchist[en] aus tiefer Überzeugung“. 815 Diese Alli-
anz aus Thron und Altar zeigte sich darin, dass der Katholische Arbeiterverein die Luitpoldsäle für monarchische Kundgebungen zur Verfügung stellte. 816 Zusätzlich unterstützen Angehörige des Militärs, sowie damit verbunden der „Veteranen- und Kriegerverein Bamberg“, die Bestrebungen und Bekundungen gegen den Freistaat Bayern. 817 Beispielsweise zelebrierte man 1922 die 200-Jahr-Feier des aufgelösten 5. Infanterie-Regiments als monarchisches und vaterländisches Fest. 818 Ebenso zeigte sich das monarchische Bamberg bei der Austragung des 16. Bayerischen Landesturnerfestes 1926. 819 Dabei erschien der frühere Kronprinz Rupprecht als Ehrengast und „wurde wiederholt begeistert gehuldigt“. 820 Am Bahnhof empfing ihn die Elite Bambergs: Von Erzbischof Hauck, über den Regierungspräsidenten Strößenreuther und die Vorstände der Bezirksämter Köttnitz und von Crailsheim bis hin zu Bürgermeister Weegmann waren alle erschienen. 821 Das katholisch-konservative Bamberg war also vollständig vertreten. Gegen dieses antidemokratische Bollwerk erhob sich der Protest der SPD: Man hisste stattdessen zum Turnfest 1926 „ostentativ die schwarz-rot-goldene Flagge“ 822, berichtete kritisch im Freistaat über die Veranstaltung und verweigerte im Stadtrat finanzielle Hilfen für das Sportereignis. 823 In ähn-
Vgl. Steinbach, Peter: „Aus dem Reichsfeind von früher ist der Verteidiger der Republik geworden.“ Sozialdemokratisches Verfassungsverständnis im Spiegel der Weimarer Verfassungsfeiern. In: Solidargemeinschaft und Klassenkampf. Politische Konzeptionen der Sozialdemokratie zwischen den Weltkriegen. Hg. v. R. Saage. Frankfurt am Main 1986, S. 193–207; Faulenbach, SPD, S. 45. 810 Vgl. Mayershofer, Militär, S. 482–494. 811 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 5.1925, StABa, K 3, Präs. Reg. Nr. 1861; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1877; Weiß, Dieter J.: Bayerischer Heimat- und Königsbund „In Treue fest“ (BHKB) – Bayernbund e.V. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerischer Heimat- und Königsbund „In Treue fest“ (BHKB) – Bayernbund e.V.i (25.1. 2017). 812 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 5.1925, StABa, K 3, Präs. Reg. Nr. 1861. 813 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 5.1925, StABa, K 3, Präs. Reg. Nr. 1861. 814 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 13. 5.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 5.1925, K 3, Präs. Reg. Nr. 1861. 815 Breuer, Wandel, S. 29; vgl. Breuer, Wandel, S. 24–46; Mayershofer, Militär, S. 441 f. 816 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 5.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1877. 817 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 13. 5.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Mayershofer, Militär, S. 482–494. 818 Vgl. Mayershofer, Militär, S. 490. 819 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866. 820 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965. 821 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866. 822 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965. 823 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 7.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866; BT v. 5. 5.1927, Nr. 102; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98. 809
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Das politische Sozialmilieu
licher Weise hatte man 1922 gegen die Regimentsfeier der „Fünfer“ die Stimme erhoben. 824 Die Bamberger Sozialdemokraten beließen es aber nicht nur bei Einwänden, Gegendarstellungen und Reaktionen, sondern sie wurden auch öffentlich aktiv. Man setzte links-demokratische Gegenakzente. Beispielsweise organisierte man am 10. Juni 1923 eine Republikanische Kundgebung auf dem Staffelberg, die zu einer Massenveranstaltung des gesamten Unterbezirks ausgestaltet wurde. 825 Als Redner trat der Reichstagsabgeordneten Hans Vogel auf, der die Erhaltung der Republik in den Fokus nahm. 826 Anschließend spottete das Bamberger Tagblatt: „Die Sozialdemokraten auf dem Staffelberg. Zu einer großen Demonstration für die von Bayern aus wieder einmal ‚gefährdete‘ deutsche Republik waren die Genossen von ganz Nordbayern am letzten Sonntag auf den, ob solcher Ehrung wohl etwas verblüfften, altehrwürdigen Staffelberg entboten worden. Von Bamberg und Lichtenfels, von Thüringen und Koburg kamen sie denn auch unter dem ‚sanften‘ Druck von Partei und Gewerkschaft in ziemlichen, wenn auch nicht in den erhofften und angekündigten Massen (das Staffelsteiner Tagblatt sagt, daß nach vorsichtiger Schätzung 1200 Mann an der Feier teilgenommen haben) mit roten und schwarz-rot-goldenen Fahnen und zogen von Lichtenfels, Staffelstein und Ebensfeld aus in langen Zügen unter Absingen revolutionärer Lieder zum Staffelberg.“ 827
Außerdem pflegte die SPD, besonders Anfang der 1920er Jahre, die Erinnerung an die Ausrufung der Republik am 9. November 1918 durch sogenannte
Revolutionsgedächtnisfeiern. 828 Große Bedeutung hatte für die Sozialdemokraten auch der 11. August, an dem die Unterzeichnung der Weimarer Reichsverfassung von Friedrich Ebert an jenem Tag 1919, gewürdigt wurde. 829 1923 und 1924 mobilisierte die SPD-Bamberg das sozialistische Milieu zu diesen Verfassungsfeiern. 830 Der Freistaat berichtete 1924 darüber: „Unsere Verfassungsfeier. Zur 5-jährigen Wiederkehr jenes Tages, an welchem sich das deutsche Volk in Weimar eine neue Verfassung gegeben hatte, wurde von der Sozialdemokratischen Partei, Unterbezirk Bamberg, am vergangenen Samstag abends 8 Uhr in den Cafe Haas-Sälen eine äußerst gutbesuchte Feier veranstaltet. Der Saal war geschmückt mit leuchtendem Schwarz-RotGold. Die vielen Anwesenden trugen Abzeichen in den Reichsfarben an der Brust.“ 831
Zu diesem Zeitpunkt war die Zurschaustellung der offiziellen Reichsfarben in Bamberg keine Trivialität mehr. 832 Wenige Monate später entbrannte nämlich im Herbst 1924 ein Streit zwischen der SPD und dem Freistaat einerseits und Bürgermeister Weegmann andererseits, denn der Stadtmagistrat hatte die schwarz-rot-goldene Beflaggung zu einer republikanischen Veranstaltung abgelehnt. 833 Im Zuge der sozialdemokratischen Vorwürfe im sogenannten „Flaggenstreit“ 834, sah sich Weegmann zu einer Rechtfertigung im Bamberger Tagblatt genötigt. 835 Darin musste er zugeben, dass die Stadt seit 1920 keine schwarz-rot-goldenen Fahnen mehr gehisst hatte und beim Verleih ein Teil der städtischen Nationalflaggen in schwarz-weiß-rote Banner umge-
Vgl. FS v. 11. 7.1923, Nr. 150; Mayershofer, Militär, S. 490. Vgl. BV v. 12. 6.1923, Nr. 135; FS v. 14. 6.1923, Nr. 133. Je nach parteipolitischer Zugehörigkeit der Zeitungen schwankten die Angaben der Teilnehmerzahlen stark. Während das Bamberger Tagblatt von 1.200 Sozialdemokraten sprach, berichtete der Freistaat von 5.500. Vermutlich liegt die wirkliche Personenzahl zwischen diesen beiden Werten bei etwa 3.000 Besuchern. 826 Vgl. BV v. 12. 6.1923, Nr. 135; FS v. 14. 6.1923, Nr. 133. 827 BV v. 12. 6.1923, Nr. 135. 828 Vgl. FS v. 7.11.1921, Nr. 256; FS v. 7.11.1922, Nr. 256; Schneider, Milieu, S. 86. 829 Vgl. FS v. 4. 7.1923, Nr. 149; FS v. 1. 8.1923, Nr. 168; FS v. 11. 8.1923, Nr. 177; FS v. 13. 8.1923, Nr. 178; FS v. 8. 8.1924, Nr. 182; FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; Porscher, Ralf: Der Verfassungstag. Reden deutscher Gelehrter zur Feier der Weimarer Reichsverfassung. Baden-Baden 1999, S. 11–22. 830 Vgl. FS v. 4. 7.1923, Nr. 149; FS v. 1. 8.1923, Nr. 168; FS v. 11. 8.1923, Nr. 177; FS v. 13. 8.1923, Nr. 178; FS v. 8. 8.1924, Nr. 182; FS v. 12. 8.1924, Nr. 185. Ab 1925 wurden die Verfassungsfeiern in Bamberg federführend vom Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold veranstaltet. 831 FS v. 12. 8.1924, Nr. 185. 832 Vgl. BT v. 3.11.1924, Nr. 255. 833 Vgl. FS v. 24. 10.1924, Nr. 247; BT v. 3.11.1924, Nr. 255; FS v. 5.11.1924, Nr. 256. 834 BT v. 3.11.1924, Nr. 255. 835 Vgl. BT v. 3.11.1924, Nr. 255. 824 825
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
näht worden waren. 836 Auch in den folgenden Jahren fand sich im Bamberger Stadtrat keine Mehrheit für schwarz-rot-goldene Dekorationen. 837 So wurde ein Antrag von Johann Steitz, aus Anlass des Verfassungstages 1928 die Reichsfahnen aufzuziehen, überstimmt. 838 1931 befürchtete die SPD-Bamberg ein lokales Verbot der Verfassungsfeier und drohte im Vorfeld mit einer Eingabe beim Innenministerium. 839 Letztendlich fand das Fest jedoch statt und wurde demonstrativ „mit dem temperamentvoll gespielten Marsch ‚Schwarz-RotGold‘“ 840 eingeleitet. Diese Vorfälle verdeutlichen, dass die Republik in Bamberg während der Weimarer Zeit keine Selbstverständlichkeit war und nur von einer Minderheit, vor allem der linken Bürger, geschätzt und verteidigt wurde. Der Verfassungstag und die Reichsfarben wirkten nicht integrativ, sondern trennend. 841 Überparteilichen Konsens und Identität mit der Weimarer Republik konnte sie nicht stiften. Somit entfaltete sich innerhalb der Gesellschaft eine politische Teilkultur der sozialdemokratischrepublikanischen Bevölkerung, die den Verfassungstag und die Reichsfarben als wichtige Bestandteile einschloss und honorierte. 842 Bamberg war also in den 1920er Jahren keine Stadt ohne Re-
publikaner, 843 aber diese befanden sich in der Defensive. Diese Abwehrhaltung prägte auch die Verfassungsfeiern. So stellte der Stadtkommissar im August 1924 fest, dass die Ansprache des SPD-Politikers Matthäus Herrmann aus Nürnberg „weniger eine Festrede für die Weimarer Verfassung als eine zusammenhängende Kette von Angriffen gegen die alte Wehrmacht, die Monarchie, die bayerische Regierung [gewesen sei].“ 844
Die Massen für die Republik zu mobilisieren, gelang in Bamberg nur selten. Ausnahmen bildeten die Protestveranstaltungen gegen die politischen Morde der rechtsextremen „Organisation Consul“ an Matthias Erzberger 1921 und Walther Rathenau 1922. 845 Zur sozialdemokratischen Kundgebung „gegen den feigen Meuchelmord an dem Abg. Erzberger“ 846 versammelten sich zwischen 600 und 700 Personen auf dem Bamberger Plärrer am Heinrichsdamm. 847 Als ein Jahr später der liberale Außenminister Walther Rathenau ebenfalls Opfer der nationalistischen Gruppe im Kampf gegen die Demokratie wurde, schlossen sich dem Aufruf der SPD in Bamberg auch die DDP und sogar die BVP an. 848 Diese überparteiliche Konstellation war No-
Vgl. BT v. 3.11.1924, Nr. 255: „Tatsächlich hat die Stadtverwaltung seit dem Jahre 1920 vermeiden, bei städt. Dekorationen die Farben schwarz-rotgold oder schwarz-weiß-rot zu verwenden und ich billige dieses Verfahren auch heute noch. […] 1) Der Stadtrat Bamberg hat im Jahre 1919 eine Anzahl schwarz-rot-goldener Fahnen beschafft. Ein Teil dieser Fahnen ging im Laufe der Jahre zu Verlust, die übrigen (25 Stück) sind noch vorhanden. 2) Weder der 1. Bürgermeister noch sonst eine amtliche Stelle hat jemals den Auftrag gegeben, schwarz-rot-goldene Fahnen umzuändern. Tatsächlich hat auch keine Umänderung stattgefunden mit Ausnahme von 3 Fahnen, die ausgeliehen wurden und im umgeänderten Zustand zurückkamen.“ 837 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 6. 5.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676. 838 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 8. 8.1928, StadtABa, C 1, Nr. 685. 839 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 31. 7.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1886. 840 FS v. 13. 8.1931, Nr. 183. 841 Vgl. Poscher, Verfassungstag, S. 19 f. 842 Vgl. Porscher, Verfassungstag, S. 19. 843 Lange Zeit wurde in der Forschung die Meinung vertreten, dass die Weimarer Republik eine „Republik ohne Republikaner“ gewesen sei und an diesem Defizit scheiterte. Diese Einschätzung ist mittlerweile in Frage gestellt worden. Vgl. Megerle, Klaus: Element nationaler Integration und politischer Konsensstiftung? Zum Stellenwert der Außenpolitik für die politische Kultur der Weimarer Republik. In: Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik. Hg. v. D. Lehnert/K. Megerle. Opladen 1990, S. 219; Büttner, Weimar, S. 504; Brandt, Peter/Lehnert, Detlef: „Mehr Demokratie wagen“. Geschichte der Sozialdemokratie 1830–2010. Berlin 2013, S. 125; Böhles, Marcel: Im Gleichschritt für die Republik. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold im Südwesten, 1924 bis 1933 (= Veröffentlichungen des Instituts für soziale Bewegungen, Reihe A, Bd. 62). Essen 2016, S. 315. 844 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 16. 8.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1932. 845 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 8.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1851; FS v. 31. 8.1921, Nr. 199; FS v. 1. 7.1922, Nr. 148; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 6.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 6.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852; Büttner, Weimar, S. 189–193. 846 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 8.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1851. 847 Vgl. FS v. 31. 8.1921, Nr. 199. 848 Vgl. FS v. 1. 7.1922, Nr. 148; Doering-Manteuffel, Anslem: Der politische Mord als Anschlag auf die Demokratie: Das Attentat auf Walther Rathenau. In: Politische Morde in der Geschichte. Von der Antike bis zur Gegenwart. Hg. v. G. Schild/A. Schindling. Paderborn u. a. 2012, S. 113–128; Büttner, Weimar, S. 191. 836
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Das politische Sozialmilieu
vum in Bamberg. In der Berichterstattung machte das Nürnberger Staatspolizeiamt keinen Hehl aus seiner tiefen Abneigung gegen den neuen Zusammenschluss: „Und nun zur betrüblichsten Erscheinung: An der von den sozialistischen Verbänden und Parteien veranstalteten Demonstration am 27. 6. 22 beteiligten sich an manchen Orten auch bürgerliche Parteien. In Regensburg, Helmbrechts, Erlangen, und anderwärts waren es die Demokraten, in Bamberg neben ihnen auch die Bayerische Volkspartei […].“ 849
Insgesamt demonstrierten am 27. Juni 1922 etwa 3.000 Bürger im Garten der „Weißen Taube“ in Bamberg. 850 In seiner Ansprache forderte Josef Dennstädt „Schützt die Republik!“ 851 und rief zu „einem dreifachen Hoch auf die Republik“ 852 auf. Es war eines der seltenen Ereignisse in Bamberg, in denen in den Zwanzigerjahren das sozialistische und das katholische Milieu zueinanderfanden. Während bei den beschriebenen Protestveranstaltungen das Entsetzten und der Widerstand gegen Mord als politisches Kampfmittel im Vordergrund standen, überwog 1925 die Trauer nach dem Tod des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert. 853 Um dem Staatsoberhaupt „die letzte Ehre in würdevoller Weise“ 854 zu erweisen, schlossen sich
in Bamberg SPD und DDP zum „Aufmarsch der Republikaner“ 855 zusammen. Als Ort für die Gedenkfeier wählte man das Theater, dessen Orchester spielte auf und man gelobte, das Erbe des Verstorbenen zu hüten. 856 Obgleich Ebert der Präsident aller Deutschen gewesen war, so wurde er in Bamberg lediglich als Repräsentant des links-demokratischen Lagers wahrgenommen und erfuhr nur von diesem Anerkennung für seine Leistungen. 857 Folglich beschränkte sich die Trauerfeier auf diese Kreise, ohne dass der Stadtrat Bamberg eine offizielle Veranstaltung initiierte. 858 Als Vermächtnis Eberts galt es die Volkssouveränität zu bewahren. Diese wurde von den Sozialdemokraten nicht nur für Deutschland als Ideal gesehen, sondern für ganz Europa und sogar für die gesamte Welt als Ziel definiert. 859 Der Gedanke einer „Union der europäischen Staaten“ in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht wurde daher von der SPD-Bamberg in Versammlungen propagiert. 860 1931 hielt man zusätzlich zur Verfassungsfeier einen „Tag der Republik“ ab, an dem die Aufführung des Sprechchors „Europa“ im Mittelpunkt der Aufführung stand. 861 Ein weiterer Aspekt des sozialdemokratischen Wirkens in Bamberg war die Bildungsarbeit. 862 Bereits 1919 hatte unter Regie des Ratsassessors und Sozialdemokraten Dr. Fritz Löwenthal eine Reihe von Vorträgen stattgefunden, die sich den „wissen-
Lagebericht v. 10. 7.1922, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26. Vgl. FS v. 1. 7.1922, Nr. 148. 851 FS v. 1. 7.1922, Nr. 148. 852 FS v. 1. 7.1922, Nr. 148. 853 Vgl. FS v. 2. 3.1925, Nr. 50; FS v. 4. 3.1925, Nr. 52; FS v. 6. 3.1925, Nr. 54; Blessing, Feier, S. 274–276; Büttner, Weimar, S. 191; Winkler, Schein, S. 229– 234. Zum Tod, der Trauerfeier und Beisetzung von Friedrich Ebert sowie zu den parteipolitischen Unstimmigkeiten nach seinem Tod vgl. Mühlhausen, Walter: Die Republik in Trauer. Der Tod des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert (= Kleine Schriften der Stiftung ReichspräsidentFriedrich-Ebert-Gedenkstätte, Bd. 28). Heidelberg 2005. 854 FS v. 6. 3.1925, Nr. 54. 855 FS v. 6. 3.1925, Nr. 54. 856 Vgl. FS v. 2. 3.1925, Nr. 50; FS v. 4. 3.1925, Nr. 52; FS v. 6. 3.1925, Nr. 54. 857 Vgl. FS v. 2. 3.1925, Nr. 54; FS v. 6. 3.1925, Nr. 54; Blessing, Feier, S. 275; Mühlhausen, Republik, S. 38–53. 858 Vgl. Blessing, Feier, S. 274. 859 Vgl. Behring, Rainer: Weltfriedensordnung durch Parlamentarisierung. SPD und Parlamentarismus in den internationalen Beziehungen 1923–1932. In: SPD und Parlamentarismus. Entwicklungslinien und Problemfelder 1871–1990 (= Historische Demokratieforschung, Bd. 9). Hg. v. D. Lehnert. Köln 2016, S. 163–184. 860 Vgl. FS v. 2.11.1926, Nr. 251; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 861 Vgl. FS v. 1. 8.1931, Nr. 173: „‚Der Tag der Republik‘, wird am Sonntag, den 9. August von allen Republikanern Bambergs festlich begangen. Der gewaltige Sprechchor ‚Europa‘, der hierbei zur Aufführung kommen soll, ist gegenwärtig in Vorbereitung und wird eine Sensation für Bamberg werden.“ 862 Vgl. Hoeft, Christoph: „Wissen ist Macht“ – Arbeiterbildung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Hg. v. F. Walter/F. Butzlaff. Berlin 2013, S. 164–171; Lösche, 150 Jahre, S. 433; Faulenbach, SPD, S. 50; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 252–259. 849 850
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
schaftlichen Grundlagen des Sozialismus“ 863 widmeten und allen Parteimitgliedern kostenlos angeboten wurden. 864 In diesem Rahmen lernten die Teilnehmer Karl Marx’ Biografie und Werke kennen und erhielten Einblick in seine Arbeitswerttheorie. 865 In ähnlicher Weise wurden im Winterhalbjahr 1922/23 jeden Mittwoch Kurse abgehalten, die sich alternierend mit thematischen Fragen beschäftigten oder der Ausbildung von sozialdemokratischen Referenten dienten. 866 Der Freistaat warb dafür: „Bilde sich keiner ein, er brauche keine Aufklärung mehr! Niemand lernt aus. Durch anregende Aussprache kann sich jeder neues Wissen aneignen. Besonders gilt dies für Arbeiter, die Posten innerhalb der Bewegung innehaben.“ 867
Die sozialistische Andragogik war in Bamberg zwar insbesondere für die Funktionäre der Partei gedacht, die Teilnahme wurde jedoch nicht wie in Sachsen streng auf diesen Kreis reglementiert, sondern stand allen Genossen offen. 868 In dieser Hinsicht waren die Sozialdemokraten Bambergs flexibel und versteiften sich nicht auf theoretische Diskussionen zwischen Massen- und Funktionärsbildung. 869 Sozialistische Bildung war in Bamberg Bildung für alle. Darüber hinaus führte der Reichsausschuss für soziale Bildungsarbeit im September 1924 in Bam-
berg einen sechstägigen Reichsferienkurs unter der Losung „Kunst und Sozialismus“ durch. 870 Der Unterricht hierzu wurde vom Berliner Professor und Musikpädagogen Leo Kestenberg erteilt, der durch Kunst und Musik die Emanzipation der Arbeiterschaft anstoßen wollte. 871 So etablierte sich in Bamberg die Abhaltung von Bildungskursen in den Wintermonaten zwischen November und März. 872 Diese Praxis blieb bis 1933 erhalten. Das Spektrum der behandelten Themen reichte von den „Grundlinien der Weltgeschichte“ 873 über „Familien- und Krankenversicherung“ 874 bis zur „Weltwirtschaft in der Gegenwart“ 875 und der „Gesunde[n] Verhütung der Empfängnis“ 876. Dementsprechend lag der Fokus nicht nur auf klassenmäßiger und weltanschaulicher Bildung, 877 sondern umfasste auch lebenspraktische Referate. Oftmals fanden die Lehrstunden in Bamberg unter Leitung des Wanderlehrers Christian Döring aus Bremen statt, der zentral vom Reichsausschuss für sozialistische Bildungsarbeit an einzelne Bezirke und Ortsgruppen nach Bedarf und Interesse vermittelt wurde. 878 Im Laufe der Jahre wurde das pädagogische Angebot seltener von der Partei zusammengestellt als vom Zentralbildungsausschuss Bamberg, vom Kulturkartell der freien Arbeiterorganisation oder von den Freien Gewerkschaften. 879 Es fand auf diesem Gebiet also eine Ausdifferenzierung und Spezialisierung statt, sodass die Partei entlastet wurde. In jedem Fall stellten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen wäh-
FV v. 24. 3.1919, Nr. 68. Vgl. FV v. 24. 3.1919, Nr. 68; FV v. 28. 3.1919, Nr. 72; FS v. 11. 4.1919, Nr. 4; FS v. 14. 4.1919, Nr. 6; FS v. 19. 4.1919, Nr. 10; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 57. 865 Vgl. FV v. 28. 3.1919, Nr. 72; FS v. 11. 4.1919, Nr. 4. 866 Vgl. FS v. 14.11.1922, Nr. 262. 867 FS v. 14.11.1922, Nr. 262. 868 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 256. 869 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 256. 870 Vgl. Lagebericht v. 22. 7.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; FS v. 1. 9.1924, Nr. 201. 871 Vgl. FS v. 1. 9.1924, Nr. 201; Wessely, Othmar: Kestenberg, Leo. In: NDB 11 (1977), S. 552 f.; Gruhn, Wilfried: Wir müssen lernen, in Fesseln zu tanzen. Leo Kestenbergs Leben zwischen Kunst und Kulturpolitik. Hofheim 2015, S. 51–80; Dümling, Albrecht: „Die Kunst dem Volke!“ Kestenberg als Konzertveranstalter an der Freien Volksbühne. In: Leo Kestenberg. Musikpädagoge und Musikpolitiker in Berlin, Prag und Tel Aviv (= Rombach Wissenschaften, Reihe Litterae, Bd. 144). Hg. v. S. Fontaine/U. Mahlert/D. Schenk u. a. Freiburg im Breisgau u. a. 2008, S. 29–46. 872 Vgl. FS v. 2.1.1926, Nr. 1; FS v. 1.12.1926, Nr. 276; FS v. 4.1.1927, Nr. 2; FS v. 1. 2.1927, Nr. 25; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 2.11.1928, Nr. 252; FS v. 28.1.1929, Nr. 23; FS v. 30.1.1933, Nr. 24. 873 FS v. 2.11.1925, Nr. 251. 874 FS v. 1.12.1926, Nr. 276. 875 FS v. 4.1.1927, Nr. 2. 876 FS v. 28.1.1929, Nr. 23. 877 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 255. 878 Vgl. FS v. 2.1.1926, Nr. 1; FS v. 1. 2.1926, Nr. 25; FS v. 4.1.1927, Nr. 2; FS v. 1. 2.1927, Nr. 25; FS v. 27.1.1927, Nr. 21; Korrespondenz des Reichsausschusses für sozialistische Bildungsarbeit 1928–1931, BArch RY 20/II 145/23. 879 Vgl. FS v. 14.11.1922, Nr. 262; FS v. 4.1.1927, Nr. 2; FS v. 13.1.1931, Nr. 9; FS v. 28.1.1932, Nr. 22. 863
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rend der gesamten Weimarer Republik für die Sozialdemokraten und das gesamte sozialistische Milieu eine Konstante da. „Wissen ist Macht“ 880 lautete das Credo. Obwohl generell Unterrichtskurse eher in Ortsvereinen des linken Flügels Anklang fanden, zeichneten sich auch die Bamberger SPD durch ein hohes Maß an Bildungsarbeit aus. 881 Eine weitere Besonderheit der Sozialdemokratie in Bamberg lag in ihrem Verhältnis zur Religion. Die Partei stand weniger für Religionskritik und Antikirchlichkeit, sondern vorrangig für religiöse Toleranz. 882 Die Verbindung zwischen Glauben und Sozialismus war ein wichtiges Thema in Bamberg: „Christentum, Sozialdemokratie und Wahlen“ und „Faschismus, Sozialismus, Christentum“ waren Vortragstitel in der Domstadt. 883 Besonders nach dem sogenannten Magdeburger Toleranzparteitag 1929, auf dem der Reichstagsabgeordnete Wilhelm Sollmann die Vereinbarkeit von Konfession und Sozialismus darlegt hatte, waren religiöse Sozialisten häufig als Redner in Bamberg anzutreffen. 884 Auf der Maifeier 1930 sprach Pfarrer Karl Kleinschmidt aus Gera und im Juni 1931 trat der evangelische Theologe Aurel von Jüchen auf, der als Reichsfunktionär des Bundes der Religiösen Sozialisten vor al-
lem in Thüringen und Oberfranken agierte. 885 Zudem waren viele sozialdemokratischen Parteifunktionäre Mitglieder in der katholischen oder auch evangelischen Kirche. Beispielsweise gehörten die Stadträte Johann Steitz, Hans Rösch, Sebastian Huber, Michael Linsner und Georg Dotterweich der katholischen Konfession an. 886 Julius Rüffer, Johann Ernst Dittmar und Elisabeth Firsching waren protestantisch. 887 Ebenso waren die Parteivorsitzenden Michael Dräßel und Georg Göttling gläubige Christen. 888 Den Sonntag mit Kirchgang einzuläuten und anschließend ein Arbeiterfest zu besuchen, stellte für die Bamberger Sozialdemokraten keinen Widerspruch dar. 889 Aus diesem Grund spottete die kommunistische Nordbayerische Volkszeitung unter der Überschrift „Schwarz-Rot-Goldene Kirchweih“ über die Kombination von Gottesdienst und Verfassungsfeier. 890 Dem Bamberger Sozialdemokraten und Direktor der Ortskrankenkasse Adolf Firsching wurde im Entschädigungsverfahren 1945 bescheinigt, dass er „auch aus seiner positiv christlichen Weltanschauung niemals ein Hehl gemacht“ 891 hätte. Das sozialistische Milieu in Bamberg war kein freidenkerisch-dominiertes Milieu. Freidenker gab es, sie stellten jedoch nicht die Mehrheit in der
FS v. 1.12.1926, Nr. 276. Vgl. Winkler, Schein, S. 640. 882 Vgl. Büttner, Weimar, S. 67; Winkler, Schein, S. 640–642; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 202. Besonders in Sachsen und Thüringen war die Haltung gegen Religion und Kirchen eng mit der SPD verbunden und wurde von den Sozialdemokraten dort gelebt, sodass die SPD im Bezirk Leipzig beispielsweise einer reinen Freidenkerorganisation glich. 883 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bayreuth v. 1. 5.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873; NV v. 22. 8.1929, Nr. 193; FS v. 30. 4.1930, Nr. 98; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 884 Vgl. FS v. 30. 4.1930, Nr. 98; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Lösche/Walter, Klassenpartei, S. 57; Heimann, Siegfried: Der Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands (BRSD): Selbstverständnis, organisatorische Entwicklung und praktische Politik. In: Religiöse Sozialisten und Freidenker in der Weimarer Republik (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 4). Hg. v. P. Lösche. Bonn 1993, S. 13–262. Insgesamt verbuchte der Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands seit der Gründung der Münchner Ortsgruppe 1929 in Bayern erste Erfolge, die 1931 auch eine eigene Organisation in Nürnberg bedingten. Eine Bamberger Ortsgruppe existierte hingegen nicht. 885 Vgl. FS v. 30. 4.1930, Nr. 98; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Peter, Ulrich: Möhrenbach – Schwerin – Workuta – Berlin. Aurel von Jüchen (1902–1991). Ein Pfarrleben im Jahrhundert der Diktaturen. Schwerin 2006, S. 94–108; Heimann, Bund, S. 155–160. 886 Vgl. Einwohnermeldekarte Johann Steitz, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Johann Rösch, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Sebastian Huber, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Michael Linsner, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Georg Dotterweich, StadtABa, C 9, Nr. 58a. 887 Vgl. Einwohnermeldekarten Julius Rüffer, Johann Ernst Dittmar, StadtABa, C 9; Einwohnermeldekarte Adolf und Elisabeth Firsching, StadtABa, C 9, Nr. 58a. 888 Vgl. Einwohnermeldekarte Michael Dräßel, StadtABa, C 9, Nr. 58; Einwohnermeldekarte Georg Göttling, StadtABa, C 9, Nr. 58a. Michael Dräßel war katholisch, Georg Göttling evangelisch. 889 Vgl. NV v. 22. 8. 1929, Nr. 193. 890 Vgl. NV v. 22. 8.1929, Nr. 193: „Schwarz-Rot-Goldene Kirchweih in Bamberg. Auch die Bamberger Sozialdemokraten wollten das 10. Wiegenfest der freiesten Republik würdig begehren. So sah man am 11. August gegen 3 Uhr nach dem Kirchgang, die Elite der SPD. im Schweiße ihres Angesichts sich abmühen, ihre gewichtige Leibesfülle den Stephansberg hinaufwälzen. Aber, was tut man nicht alles für sein Vaterland.“ 891 Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 880 881
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
SPD und Kirchenaustritte gehörten in Bamberg auf keinen Fall zum Pflichtprogramm des Parteieintritts wie etwa in Berlin oder Leipzig. 892 Religiöse Offenheit praktizierte die SPD nicht nur gegenüber christlichen Genossen, sondern lebte diese in besonderem Maße auch gegenüber den jüdischen Mitbürgern. 893 Sozialdemokraten und Juden einte die Erfahrung als gesellschaftliche Außenseiter. 894 Außerdem teilten sie das Streben nach Freiheit und Partizipation. 895 Dies führte dazu, dass Juden generell überproportional in der Sozialdemokratie vertreten waren und diese besonders in den Jahren zwischen 1918 und 1933 die Arbeiterpartei mitgestalteten, sodass „die Weimarer Republik […] der Höhepunkt der jüdischen Prägung der Arbeiterbewegung“ 896 wurde. Dieser Konnex beeinflusste auch die Bamberger SPD. 897 Unter den Sozialdemokraten vor Ort fanden sich mehrere Israeliten: Max Früh und Samuel Rosenfelder kandidierten als jüdische Kaufleute 1919 für die SPD im Stadtrat und Wilhelm Aron fand bereits als Jugendlicher zur Sozialdemokratie. 898 Diese Verbindung war in Bamberg so wichtig, dass 1921 eine spezielle „rotjüdische Maifeier“ abgehalten wurde und ein sogenannter „rot-jüdischer Aktionsausschuss“ bestand. 899 Als Konsequenz kristallisierte sich schon seit Beginn der Weimarer Republik der Kampf gegen den Antisemitismus in Bamberg als wichtige sozialdemokratische Aufgabe heraus. 1919 kritisierte Johann Steitz im Stadtrat die Verbreitung von antise-
mitischen Flugblättern und ermahnte die Polizei zu erhöhter Aufmerksamkeit in diesem Punkt. 900 Im Wahlkampf 1920 sprach Georg Dewald gegen Antisemiten und „wies die ganze Lächerlichkeit und Dummheit dieser Leute nach.“ 901 Sowohl 1921 als auch 1923 veröffentlichte der Freistaat Artikel mit dem Titel „Antisemitische Schmierfinken“, in denen gegen das Beschmieren von Häusern und Geldscheinen protestiert wurde. 902 Besonderes Ziel der Anfeindungen war die Hainstraße in Bamberg, denn in diesem Villenviertel wohnten viele jüdische Bürger und Hopfenhändler: „In der Hainstraße mußte eine ganze Kolonne gearbeitet haben, fast jedes Haus war mit dem Zeichen [d. h. Hakenkreuz teilweise mit Aufschrift ‚Los von Juda‘] dieser Lausbuben geziert.“ 903
Ebenso verurteilte die SPD eine antisemitische Anzeige im Bamberger Volksblatt und erhob gegen die Polizei den Vorwurf der Nachlässigkeit bei Vergehen dieser Art. 904 Folglich gerieten nicht nur jüdische Einwohner in Bamberg ins Kreuzfeuer völkisch-rechter Gruppen, sondern auch die Sozialdemokratie, die als „Judenschutztruppe“ 905 in der Flamme beschimpft wurde. 906 Beispielsweise wurde Josef Dennstädt und die Zeitung Freistaat 1926 in einem Artikel „Dennstädt und die Juden“ 907 angegriffen und diffamiert. 908 Die SPD entwickelte sich in Bamberg zur Fürsprecherin der Juden und nahm diese Rolle sogar im Umland wahr. Zu einer
Vgl. Lösche/Walter, Klassenpartei, S. 56 f.; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 202. Vgl. Butzlaff, Felix: Die jüdischen Wurzeln der Sozialdemokratie – von Vordenkern, Mäzenen und Organisatoren. In: Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Hg. v. F. Walter/F. Butzlaff. Berlin 2013, S. 203–212. 894 Vgl. Butzlaff, Wurzeln, S. 206. 895 Vgl. Butzlaff, Wurzeln, S. 206 f.; Welskopp, Banner, S. 149. 896 Butzlaff, Wurzeln, S. 210. 897 Vgl. Loebel, Juden, S. 171–175. 898 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Einwohnermeldekarte Max Früh, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Samuel Rosenfelder, StadtABa, C 9, Nr. 58; Loebel, Juden, S. 171; Dornheim/Schindler, Aron, S. 21. 899 Vgl. Aufruf des rot-jüdischen Aktionsausschusses zur Maifeier 1921, StadtABa, BS, Nr. 2862/21. 900 Vgl. FS v. 19. 9.1919, Nr. 134. 901 FS v. 8. 6.1920, Nr. 129. 902 Vgl. FS v. 3. 5.1921, Nr. 101; FS v. 11. 7.1923, Nr. 150. 903 FS v. 11. 7.1923, Nr. 150; vgl. Dornheim/Schindler, S. 13; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 565–567; Köhler, Hopfenhändler, S. 15, 20, 43–45, 84. 904 Vgl. FS v. 26.1.1921, Nr. 20; Stadtratsprotokoll v. 17.10.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674. 905 Die Flamme v. 5.1926, Nr. 9. 906 Vgl. Die Flamme v. 5.1926, Nr. 9; Die Flamme v. 5.1926, Nr. 10; Kieszkowska, Flamme, S. 45–51; Ortmeyer, Benjamin/Rhein, Katharina: NS-Propaganda gegen die Arbeiterbewegung 1933–1945. Imitation und Indoktrination. Weinheim u. a. 2015, S. 16 f. 907 Die Flamme v. 5.1926, Nr. 9. 908 Vgl. Die Flamme v. 5.1926, Nr. 9; Die Flamme v. 5.1926, Nr. 10; FS v. 28. 5.1926, Nr. 119. 892 893
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Das politische Sozialmilieu
Veranstaltung von „Bayern und Reich“ in Buttenheim erschienen 1923 Sozialdemokraten aus Bamberg, um gegen die Judenhetze Stellung zu beziehen und die Veranstaltung zu stören. 909 Infolgedessen vermischten sich die Attribute sozialdemokratisch und jüdisch in Bamberg bei ihren Gegnern zu einem einzigen Feindbild. 910 Das rot-jüdische Bündnis war gerade deswegen notwendig und erfolgreich, da sich die Front der Antisemiten und Rechtsextremen in Bamberg früh formierte und breit aufgestellt war. 911 Zu Ihnen zählte beispielsweise der adelige Offizier Konstantin Freiherr von Gebsattel, der als geheimer Vorsitzender des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes fungierte und 1920 in einer antisemitischen Versammlung zum Thema „Deutscher und jüdischer Kommunismus“ auftrat. 912 So führten der Aufstieg und die Stärke der Völkischen und der NSDAP zu einer erhöhten Zusammenarbeit und Identifikation von Juden und Sozialdemokraten in Bamberg. 913 Zwei Mal kam der Bamberger Sozialdemokratie außerdem die Ehre zuteil, Veranstaltungsort des Bezirksparteitags der SPD-Franken zu sein. 914 1920 und 1928 trafen sich die Delegierten in der Regnitzstadt, um den Stand der Organisationen zu erörtern, den Bezirksvorstand zu wählen und Wahlen vorzubereiten. 915 Die Sozialdemokraten vor Ort fassten diese regionale Zusammenkunft 1920 als Chance auf,
„zu beweisen, daß auch in Bamberg ein kräftiges, klassenbewußtes und schaffensfreudiges Arbeitergeschlecht zu Hause ist. Wir wollen und müssen dafür sorgen, daß der alte traurige Ruf Bambergs als einer der dunkelsten Flecken Deutschlands restlos verschwindet.“ 916
Es war den Parteimitgliedern also ein Bedürfnis, das „rote Bamberg“ in seiner neugewonnen Stärke seit der Revolution zu präsentieren und zur Schau zu stellen. Stolz war man auf die Fortschritte der Arbeiterbewegung und man bemühte sich das Inferioritätsgefühl endgültig abzustreifen. In diesem Sinne bot der Ortsverein 1928 alles auf, was das sozialistische Milieu in Bamberg zu bieten hatte. 917 Während eines Begrüßungsabends für die auswärtigen Gäste traten sowohl die Arbeitersänger, Arbeitermusiker, Arbeiterturner und Arbeiterathleten mit Darstellungen auf. 918 Die Bamberger Sozialdemokraten nahmen daran „sehr zahlreich“ 919 mit ihren gesamten Familien teil. Innerhalb des Bezirks hatte man es folglich geschafft, eine neue und angemessene Rolle einzunehmen und Beachtung zu finden. Die SPD-Bamberg war innerhalb der Arbeiterbewegung Frankens als wichtiges Glied angekommen und akzeptiert. Am Anfang der Weimarer Republik befand sich die SPD-Bamberg nicht nur personell in einer Findungsphase, sondern auch hinsichtlich ihres Parteilokals. Das Schützenhaus wurde nach dem Ersten
Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg I v. 14. 8.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885. Vgl. Butzlaff, Wurzeln, S. 203; Ortmeyer/Klein, NS-Propaganda, S. 16 f., 43–47. In der NS-Propaganda wurde versucht, ein einziges Feindbild zu zeichnen und sich auf einen Feind zu limitieren, um die Anhängerschaft nicht zu überfordern. Daher entsprach es der nationalsozialistischen Taktik, die Feindbilder „Arbeiterbewegung“, „Jude“ und „Kapitalismus“ miteinander zu verbinden, zu vermischen und gleichzusetzen. 911 Vgl. das Kapitel 6.1 zur Entwicklung der NSDAP in Bamberg; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 22. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860. 912 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 22. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Schroeckh, Sebastian: Konstantin Freiherr von Gebsattel (1854–1932) – Mentale Prägungen und Einstellungen eines fränkischen Adligen. Unveröffentlichte Bachelorarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg 2012; Jung, Walter: Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund (DVSTB), 1919–1924/35. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund (DVSTB), 1919–1924/35i (1. 2. 2017); Peters, Michael: Konstantin Freiherr von Gebsattel (1854–1932). In: Fränkische Lebensbilder (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe 7, Bd. 16). Hg. v. Alfred Wendehorst. Neustadt an der Aisch 1996, S. 173–187. 913 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 23–33. 914 Vgl. FS v. 23. 8.1920, Nr. 194; FS v. 2.1.1928, Nr. 1; FS v. 1. 2.1928, Nr. 26; Lagebericht v. 9.11.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 714; Lagebericht v. 6. 2.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 718. 915 Vgl. FS v. 2.1.1928, Nr. 1; Lagebericht v. 6. 2.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 718. 916 FS v. 23. 8.1920, Nr. 194. 917 Vgl. FS v. 1. 2.1928, Nr. 26: „Alles in allem hat sich die Bamberger Arbeiterschaft redlich bemüht, den Delegierten und Gästen des Parteitages den Aufenthalt in Bambergs Mauern recht angenehm zu gestalten und zu beweisen, daß auch in Bamberg die Pflege des freien Liedes und des Arbeitersportes mit bestem Erfolg betrieben wird.“ 918 Vgl. FS v. 1. 2.1928, Nr. 26. 919 FS v. 1. 2.1928, Nr. 26. 909 910
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Weltkrieg nicht mehr als Treffpunkt der Arbeiterbewegung wiederbelebt. 920 Ein richtiges Parteilokal war nicht mehr vorhanden. Die sozialdemokratischen Veranstaltungen fanden daher in unterschiedlichen Gasthäusern statt. Zwischen 1918 und 1920 zählten zu den am häufigsten genutzten Veranstaltungsorten der „Erlanger Hof“, der „Eckenbüttnersaal“ und die Brauerei „Weiße Taube“. 921 Zusätzlich wurde das „Nöth“ am Schillerplatz sowohl für Sitzungen als auch für administrative Zwecke genutzt. 922 Einen ersten Fortschritt in der Lokalfrage verbuchte die SPD 1921. Im April schuf man in den Räumen der Hauptwachstraße 7 eine Parteiund Gewerkschaftszentrale. 923 Der Freistaat meldete diese Neuerung: „Freistaat-Redaktion, -Expedition, Parteisekretariat, Arbeitersekretariat, Gausekretariat des Landesarbeiterverbandes und Bureau des Holzarbeiterverbandes befinden sich ab Montag 11. April im Hause Hauptwachstr. 7, 2. Stock. Eingang: Vorderer Graben, gegenüber der Pfälzischen Bank.“ 924
Das sozialistische Milieu hatte mit diesen Räumlichkeiten erstmals in der Weimarer Republik einen Sammelpunkt, an dem die parteilichen und gewerkschaftlichen Organisationen gebündelt waren. Ein großes Manko blieb allerdings bestehen, denn das sogenannte „Parteibureau“ in der Hauptwachstraße 7 eignete sich zwar für Besprechungen in kleinerer Runde beispielsweise für Parteiausschusssitzungen, doch bot das Haus keinen Platz für größere Veranstaltungen. 925 Zu diesen Anlässen etablierte sich ab 1921 vor allem das Café „Haas“ mit den „Haas-Sälen“ in der Oberen Sandstraße 7. 926
Bekannte Sozialdemokraten wie der Reichstagsabgeordnete Hans Vogel oder Reichskanzler Hermann Müller traten hier auf. 927 Daneben fanden sozialdemokratische Versammlungen auch im Zentralsaal oder weiterhin in der „Weißen Taube“ statt. 928 Diese Behelfslösung fand Mitte der Zwanzigerjahre ihr Ende. 1925 wurde für die Bamberger Sozialdemokratie zum Konsolidierungsjahr: Einerseits wählten die Mitglieder Josef Dennstädt erstmals zum Vorsitzenden, andererseits löste man mit dem Umzug in die Restauration „Nöth“ die bislang unbefriedigende Raumfrage. 929 Ab 9. April 1925 befand sich das linke „Hauptstandquartier“ in diesem Gebäude. 930 Alle Arbeiterorganisationen aus der Hauptwachstraße fanden hier Platz und zusätzlich konnten weitere Verbände wie der ASB, die Sozialistische Jugend oder das Reichsbanner unterkommen. 931 Im Unterschied zu den früheren Parteilokalen beschränkte sich das Angebot daher nicht mehr auf Partei, Presse und Gewerkschaften, sondern umfasste das gesamte Arbeitermilieu einschließlich der Sport- und Freizeitvereine, der Wohlfahrtsverbände und Wehrorganisationen. 932 Das „Nöth“ stand somit sinnbildhaft für den Aufbau und die Etablierung des sozialistischen Milieus in Bamberg während der Weimarer Republik. Die Arbeiterbewegung war im Stadtkern und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Während die Büros im sogenannten Rückgebäude lagen (Schillerplatz 11/R), wurde die öffentliche Gastwirtschaft im Vorderhaus für Zusammenkünfte und Aktivtäten genutzt. 933 So hielt der Arbeiterschachklub jeden Dienstag seine Übungsabende ab, der ASB traf sich hier zu medizinischen Vorträgen und richtete seine Nachtwache ein und die Arbeiterathleten trugen Wettkämpfe
Vgl. Link, Katholizismus, S. 307. Vgl. FV v. 7.11.1918, Nr. 258; FV v. 14.11.1918, Nr. 264; BT v. 13.11.1918, Nr. 315; FS v. 10. 6.1919, Nr. 50; FS v. 1. 8.1919, Nr. 118; FS v. 1. 9.1919, Nr. 118; FS v. 3.11.1919, Nr. 171; FS v. 1. 6.1920, Nr. 124; FS v. 12. 5.1920, Nr. 109. 922 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 171; FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 1. 9.1920, Nr. 202; Schneider, Milieu, S. 41. 923 Vgl. FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; Schneider, Milieu, S. 41. 924 FS v. 8. 4.1921, Nr. 80. 925 Vgl. FS v. 10.1.1922, Nr. 7; FS v. 30. 3.1922, Nr. 75; FS v. 11. 7.1923, Nr. 150; FS v. 2.11.1923, Nr. 246. 926 Vgl. FS v. 24. 1.1921, Nr. 18; FS v. 27. 6.1921, Nr. 145; FS v. 11.10.1921, Nr. 234; FS v. 7.11.1921, Nr. 256; FS v. 9.12.1921, Nr. 283; FS v. 17. 8.1922, Nr. 187; FS v. 15.12.1923, Nr. 271. 927 Vgl. FS v. 3.11.1921, Nr. 253; FS v. 15.12.1923, Nr. 271. 928 Vgl. FS v. 29.11.1922, Nr. 275; FS v. 1. 2.1923, Nr. 26; FS v. 9.1.1923, Nr. 6; BT v. 27. 3.1925, Nr. 71. 929 Vgl. FS v. 8. 4.1925, Nr. 81; Beiersdorfer, Milieu, S. 36. 930 Vgl. FS v. 8. 4.1925, Nr. 81; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93. 931 Vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; FS v. 29. 4.1929, Nr. 98; FS v. 1. 2.1930, Nr. 26; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 932 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; FS v. 1.12.1927, Nr. 277; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 658. 933 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 658. 920 921
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Das politische Sozialmilieu
im Garten aus. 934 Außerdem probte das Trommlerund Pfeiferkorps des Reichsbanners und die Arbeiterwohlfahrt hielt Helferkurse ab. 935 Für allgemeine Partei- und Mitgliederversammlungen bedurfte es keiner anderen Räumlichkeiten mehr, sodass alle roten Fäden nun im „Nöth“ zusammenliefen. 936 Hier pulsierte seit 1925 das rote Herz Bambergs. Vom Schillerplatz marschierte die Arbeiterschaft zur Sonnwendfeier ab, traf sich zum Radausflug, feierte Weihnachten und wartete auf die Bekanntgabe der Wahlergebnisse „mittels Radioanlage“. 937 Je nach Parteigliederung oder Verein variierten dabei Funktion und Name des „Nöth“: Die SAJ sprach von ihrem Jugendheim, für den Freistaat war es Geschäftsstelle, die SPD bezog sich darauf als Arbeitersekretariat oder Parteibüro und in den Augen der Athleten war es Klub- und Übungslokal. 938 Ab Dezember 1932 wurde ein neuer Name eingeführt: Das „Nöth“ wurde zum „Volkshaus“. 939 Einerseits unterstrich man damit den sozialistischen Charakter und die linke Ausrichtung, denn das Präfix „Volks-“ war typisch für die Arbeiterbewegung. 940 Zugleich war der Name eine Referenz an das bekannte Volkshaus in Leipzig, das sich seit seiner Errichtung 1906 zu einem Symbol des Machtanspruches der Arbeiterschaft entwickelt hatte. 941 Dieses Gewerkschaftshaus in Leipzig war eine Erfolgs-
geschichte der roten Hochburg Sachsens und die Bamberger Sozialdemokratie zielte darauf ab, ein wenig dieses roten Glanzes in ihre Stadt zu holen. 942 Die organisierten Arbeiter wollten ein öffentliches Zeichen für ihre Präsenz und Stärke im Stadtbild setzen. Vom „Volkshaus“ wehte am Ende der Weimarer Republik die rote Fahne und an der Fassade wurden die zentralen Wahlparolen der SPD angebracht. 943 Den Anstoß zur Umbenennung hatte ein Pächterwechsel gegeben: Ende November 1932 ging das „Nöth“ von Georg Lieb auf Georg Brückner über. 944 Bei der Konzessionserteilung im Stadtrat wurde der „Betrieb der Gastwirtschaft Nöth (jetzt Volkshaus)“ 945 genehmigt. Da Georg Brückner nicht nur selbst Sozialdemokrat und Gewerkschaftler war, sondern auch ein expliziter Gegner des Nationalsozialismus, zielte er mit der Umbenennung vermutlich auch darauf ab, diese Frontstellung deutlich zu machen und nach außen zu transportieren. 946 Dieser Schritt war demnach Ausdruck der sich verhärtenden Fronten zwischen links und rechts. Allerdings war die SPD-Mitgliedschaft der Parteiwirte schon bei den früheren Pächtern üblich. 947 So gehörten auch Sebastian Huber (Pächter von 1924 bis 1926) und Georg Lieb (Pächter von März 1926 bis November 1932) der Sozialdemokratie an. 948
Vgl. FS v. 26. 9.1925, Nr. 220; FS v. 1. 2.1930, Nr. 26; FS v. 6. 2.1930, Nr. 30; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. Vgl. FS v. 1. 7.1931, Nr. 146; FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; FS v. 8. 4.1927, Nr. 81. 936 Vgl. FS. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; FS v. 1.12.1927, Nr. 277; FS v. 8. 5.1930, Nr. 104. 937 FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; vgl. FS v. 1.12.1927, Nr. 277; FS v. 20. 6.1931, Nr. 138; FS v. 1. 7.1931, Nr. 146. 938 Vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; FS v. 2.1.1931, Nr. 1; FS v. 1. 9. 1928, Nr. 200; FS v. 14. 4.1932, Nr. 6; FS v. 13.10.1922, Nr. 236; FS v. 12. 5.1923, Nr. 107. 939 Vgl. FS v. 1.12.1932, Nr. 277; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 1. 2.1933, Nr. 26. Zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Volkshäuser in Deutschland vgl. Hoffsten, Anke: Das Volkshaus der Arbeiterbewegung in Deutschland. Gemeinschaftsbauten zwischen Alltag und Utopie. Wien u. a. 2017, S. 21–66; Novy, Klaus/Prinz, Michael: Illustrierte Geschichte der Gemeinwirtschaft. Wirtschaftliche Selbsthilfe in der Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1945. Berlin u. a. 1985, S. 193–200. 940 Vgl. Kallinich, Daniela: Das Leipziger Volkshaus – „Eigenheim“ der Leipziger Arbeiterschaft. In: Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Hg. v. F. Walter/F. Butzlaff. Berlin 2013, S. 91. 941 Vgl. Kallinich, Volkshaus, S. 87–91; Hoffsten, Volkshaus, S. 469–473. 942 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 248 f.; Walter, Franz: Das „Rote Sachsen“. Der gebrochene Mythos. In: Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Hg. v. F. Walter/F. Butzlaff. Berlin 2013, S. 105–113. 943 Vgl. FS v. 6. 3.1933, Nr. 54; BV v. 10. 3.1933, Nr. 58. 944 Vgl. Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893; FS v. 1. 2.1933, Nr. 26. 945 Vgl. FS v. 1. 2.1933, Nr. 26. Im Stadtratsbericht wurde der Name fälschlicherweise mit Fritz statt Georg Brückner angegeben. 946 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893; Strafsache gegen den Gastwirt Georg Brückner aus Bamberg beim Volksgerichtshof v. 3.10.1944, BArch, Z, R 3017, ZC 06951. Georg Brückner wurde daher nicht nur 1933 in Schutzhaft genommen, sondern er war auch 1944 und Anfang 1945 wegen der Tatbestände der Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung in Untersuchungshaft und sollte dafür beim Volksgerichtshof angeklagt werden. Zur Eröffnung der Hauptverhandlung ist es aber wohl wegen des Anrückens der Amerikaner nicht mehr gekommen. 947 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 7.12.1924, StadtABa, C 2, Nr. 620; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 625. 948 Vgl. Programm zum Gautag des Reichsbanners am 26.10.1924 in Bamberg, StABa, Bezirksamt/Landratsamt Bamberg, K 5 (künftig: StABa, K 5), Nr. 5183; FS v. 25. 3.1926, Nr. 69; Beiersdorfer, Milieu, S. 36; Schmidt, Milieu, S. 63. 934 935
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Als Treffpunkte innerhalb der Stadt spielten neben dem „Nöth“ die Sektionslokale eine wichtige Rolle. Mit der Einrichtung der SPD-Unterabteilungen war die Benennung von zugehörigen Gastwirtschaften einhergegangen. 949 Im Laufe der Jahre wechselten diese jedoch teilweise. In der Inneren Stadt erfüllte durchgängig das „Nöth“ diese Funktion. 950 In der Sektion Bamberg-Ost dienten die Wirtschaft „Zum Hirschen“ in der Kunigundenruhstraße, die Brauerei „Mohrenpeter“ in der Oberen Königstraße und die Lokale „Habsburg“ und „Sedan“ in der Pödeldorferstraße als Versammlungsorte. 951 Bamberg-Nord traf sich in der Brauerei „Großkopf“ in der Oberen Königstraße, im „Roten Hahn“ in der Siechenstraße oder im „Langhirt“ in der Hallstadterstraße. 952 Die SPD-Jakobsberg war in der „Blauen Glocke“ und in der Brauerei „Einhorn“ (Obere Sandstraße) bzw. auf dem dazugehörigen „Einhornskeller“ (Jakobsberg) zu Hause. 953 Wer zur Sektion Kaulberg gehörte, verkehrte in der Restauration „Vier Jahreszeiten“ am Unteren Kaulberg oder auf dem „Maysgarten“ am Stephansberg. 954 In der Wunderburg wurden das Lokal „Rupprecht“ in der Kapellenstraße, die Brauerei „Mahr“ (Wunderburg 4) und das „Weiße Roß“ in der Erlichstraße von der organisierten Arbeiterschaft besucht. 955 Letzteres war unter dem Namen Gasthaus „König“ bekannt, da der Pächter Heinrich König dieses betrieb und folglich auch bewarb: „Für prima Verpflegung und gutes Getränk sorgt Kamerad König“,
hieß es im Freistaat. 956 Hingegen verabredete sich die neugegründete Sektion Gangolf-Bahnhof in der „Müllerschen Wirtschaft“ in der Klosterstraße. 957 So war Bamberg durchzogen von einem Netz an SPDfreundlichen Lokalen, in denen die linke Arbeiterschaft verkehrte, der Freistaat auslag und das sozialistische Milieu wachsen konnte. 958
3.2.4 Die SPD-Zeitung Der Freistaat Der Freistaat war die gedruckte und öffentliche Stimme der SPD-Bamberg während der Weimarer Republik. 959 Sowohl die Zeitung als auch ihr Titel waren im programmatischen Kampf der Regierung Hoffmann gegen die bayerische Räterepublik entstanden. 960 In den Monaten zwischen April und Juni 1919 war der Freistaat die offizielle Regierungszeitung und nannte sich Amtliches Organ der Bayerischen Landes-Regierung. 961 Im Anschluss an die Rückkehr der bayerischen Regierung und des Landtags nach München blieb der Freistaat als republikanische Hinterlassenschaft in Bamberg, indem er von dem Ortsverein der SPD übernommen wurde. 962 Damit hatten die Bamberger Sozialdemokraten ein eigenes Presseorgan erlangt und einen weiteren Anstoß zum Aufbau und zur Entfaltung des sozialistischen Milieus bekommen. Trotz Schwierigkeiten schaffte es die SPD den Freistaat zwischen 1919 und 1933 kontinuierlich am Leben zu halten und dem Arbeitermilieu ein konstantes Medium
Vgl. FS v. 26. 9.1919, Nr. 140; Schneider, Milieu, S. 32. Vgl. FS v. 26. 9.1919, Nr. 140; Schneider, Milieu, S. 32. 951 Vgl. FS v. 26. 9.1919, Nr. 140; FS v. 27. 9.1923, Nr. 216; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; Schneider, Milieu, S. 32, 53; Schmidt, Milieu, S. 29 f.; Fiedler, Bamberg, S. 62–64. 952 Vgl. FS v. 26. 9. 1919, Nr. 140; FS v. 27. 9.1923, Nr. 216; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; Schneider, Milieu, S. 32; Schmidt, Milieu, S. 30; Fiedler, Bamberg, S. 42–44. 953 Vgl. FS v. 26. 9.1919, Nr. 140; FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 27. 4.1924, Nr. 150; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; Schneider, Milieu, S. 32; Schmidt, Milieu, S. 30; Fiedler, Bamberg, S. 76–79. 954 Vgl. FS v. 26. 9. 1919, Nr. 140; FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 27. 9.1923, Nr. 216; FS v. 11. 9. 1930, Nr. 208; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; Schneider, Milieu, S. 32, 53; Schmidt, Milieu, S. 30. 955 Vgl. FS v. 26. 9.1919, Nr. 140; FS v. 27. 9.1923, Nr. 216; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; Schneider, Milieu, S. 32, 53; Schmidt, Milieu, S. 30; Fiedler, Bamberg, S. 104–107. 956 FS v. 1. 6.1928, Nr. 12; vgl. FS v. 30. 3.1929, Nr. 74; FS v. 27.1.1930, Nr. 21; Schmidt, Milieu, S. 64 f. 957 Vgl. FS v. 23. 4.1932, Nr. 93. 958 Vgl. FS v. 1. 9.1924, Nr. 201; Adam, Arbeitermilieu, S. 276 f. 959 Vgl. Oberst, Freistaat, S. 233–258; Merz, Freistaat; Krause, 115 Jahre, S. 54; Frei, Provinzpresse, S. 116. 960 Vgl. Merz, Metamorphosen, S. 127; Merz, Freistaat; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 47; Hennig, Hoffmann, S. 278–280; Koszyk, Deutsche Presse, S. 42. Die Aussagen von Walther, Albart und Stöber entsprechen nicht der historischen Entwicklung, denn der Freistaat war nicht eine Umbenennung und Fortführung des seit 1908 erschienenen Fränkischen Volksfreunds, sondern eine Neugründung der Regierung Hoffmann. Vgl. Stöber, Zeitungen, S. 190; Albart, Rücklichter, S. 23; Walther, Verlage, S. 46. 961 Vgl. FS v. 8. 4.1919, Nr. 1; Merz, Freistaat; Oberst, Freistaat, S. 234. 962 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 54; Merz, Freistaat; Oberst, Freistaat, S. 234 f. 949 950
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Das politische Sozialmilieu
bereitzustellen. 963 Der Name passte gut zur Stoßrichtung der örtlichen SPD und war aufgrund der ersten Ausgaben prestigeträchtig. 964 Schließlich stand der Titel Freistaat als Metapher für die Überwindung der Monarchie, für Neubeginn, Republik und Freiheit – er war der Gegenbegriff zu Kaiserreich, Räterepublik, Diktatur und Gewalt. 965 Gleichzeitig implizierte Freistaat die Volkssouveränität und hielt in Bamberg die Erinnerung an die Verabschiedung der Verfassung vor Ort wach, durch die Bayern erstmals Freistaat geworden war. 966 Daher stand der Name der Zeitung nie zur Diskussion, dieser war seit 1919 gesetzt und prägte identitätsstiftend die SPD-Bamberg. 967 Aufgrund der Tatsache, dass der Freistaat von Anfang an mit der örtlichen Sozialdemokratie eng verbunden war, ähnelten sich die Entwicklungen der Partei und der Tageszeitung. So machte sich auch beim Freistaat die unsichere und wechselhafte Anfangsphase bemerkbar, in der das sozialistische Milieu mit einem Überschuss an Impulsen und Euphorie um seine Stellung in der neuen Gesellschaft rang. Der feste linke Platz musste auch für das Presseorgan erst gefunden werden. Bei der Übernahme des Freistaats von der Regierung hatten sieben Sozialdemokraten am 5. Mai 1919 die „Freistaat-Verlag GmbH“ gegründet. 968 Im Gesellschaftsvertrag wurde als Zweck festgehalten: „Gegenstand des Unternehmens ist die Errichtung und der Betrieb eines Verlagsgeschäftes, eine Buch-
handlung und die Herausgabe der Zeitung ‚Der Freistaat‘.“ 969
Als Gesellschafter aus Bamberg wurden der Gewerkschaftssekretär Johann Steitz und der Kaufmann Max Früh eingetragen. 970 Ebenso beteiligten sich der erste Schriftleiter Hans Dill, Parteisekretär aus Nürnberg, und sein Kollege Max Walther, Parteisekretär aus Laufamholz bei Nürnberg. 971 Letzerer war seit 1914 Aufsichtsrat der Parteidruckereien in Würzburg und Bayreuth, sodass zu diesen Einrichtungen von Anfang an Kontakte bestanden. 972 Darüber hinaus erwarben Melchior Schedel aus Kronach, Leonhard Pröls aus Mühlhausen, Karl Ziegler aus Forchheim und Leonhard Moll aus Lichtenfels Anteile. 973 Diese überörtliche Konstellation spiegelte das künftige Verbreitungsgebiet wider und rechtfertigte den Untertitel Sozialdemokratisches Parteiorgan für den Reichstags-Wahlkreis Bamberg und für das westliche Oberfranken. 974 Insgesamt verfügte die Gesellschaft über ein Stammkapitel von 20.000 Mark, wovon Johann Steitz und Max Früh mit jeweils 4.000 Mark die größten Anteile bereitstellten. 975 Die Gründung der GmbH war eine direkte Auswirkung der Bamberger Regierungszeit und zugleich ein Beleg für die herrschende Hochstimmung innerhalb der SPD-Bamberg 1919. Bald jedoch zeichnete sich ab, dass der Freistaat in dieser Form nicht dauerhaft lebensfähig war. 976 Die Anschaffung einer Setzmaschine konnte bis zum Frühjahr 1920 finanziell nicht realisiert werden, der Wunsch nach einer eigenen Druckerei
Vgl. FS v. 13. 3.1933, Nr. 59; Merz, Freistaat. Vgl. FS v. 25.10.1924, Nr. 248. 965 Vgl. Merz, Metamorphosen, S. 121–142; Dornheim, Andreas: Entwicklung und Bedeutung des Begriffes „Freistaat“ (= Factum, Bd. 8). Erfurt 2001, S. 1–31. 966 Vgl. FS v. 25.10.1924, Nr. 248: „Bamberg ist historischer Boden. Hier war der Ort, an welchem am 14. August 1919 dem bayerischen Volke eine Verfassung, mit Zustimmung auch der heute sich als Feinde der Republik bezeichneten Männer, gegeben wurde.“; Dornheim, Entwicklung, S. 9; Merz, Metamorphosen, S. 126. 967 Vgl. Frei, Provinzpresse, S. 116, 262 f. 968 Als Notar wirkte Justizrat Adolf Strasser aus Bamberg. Vgl. FS v. 8. 4.1919, Nr. 1; Gesellschaftsvertrag der Freistaat-Verlag GmbH, Bamberg v. 5. 5.1919, StABa, Amtsgericht, K 110 (künftig: StABa, K 110), Nr. 81. 969 Gesellschaftsvertrag der Freistaat-Verlag GmbH, Bamberg v. 5. 5.1919, StABa, K 110, Nr. 81. 970 Vgl. Gesellschaftsvertrag der Freistaat-Verlag GmbH, Bamberg v. 5. 5.1919, StABa, K 110, Nr. 81. 971 Vgl. Gesellschaftsvertrag der Freistaat-Verlag GmbH, Bamberg v. 5. 5.1919, StABa, K 110, Nr. 81. 972 Vgl. Götschmann/Henker, Geschichte. 973 Vgl. Gesellschaftsvertrag der Freistaat-Verlag GmbH, Bamberg v. 5. 5.1919, StABa, K 110, Nr. 81. 974 Vgl. FS v. 6. 5.1919, Nr. 22; BT v. 1. 6.1919, Nr. 124; FS v. 2. 6.1919, Nr. 44; Krause, 115 Jahre, S. 54. In der Übergangszeit zwischen dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags am 5. Mai 1919 und der Eintragung ins Handelsregister am 30. Mai 1919 lautete der Untertitel Neben der Bayerischen Staatszeitung bis auf weiteres amtliches Organ der Bayerischen Landes-Regierung. 975 Vgl. Gesellschaftsvertrag der Freistaat-Verlag GmbH, Bamberg v. 5. 5.1919, StABa, K 110, Nr. 81. 976 Vgl. Gesellschaftssitzung des Freistaats v. 17. 6.1920, StABa, K 110, Nr. 81. 963
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
blieb somit unerfüllt und folglich kursierten in Bamberg Gerüchte, dass der Freistaat eingestellt würde. 977 Der Sozialdemokrat und Geschäftsführer Philipp Wirthmann musste bei der Gesellschaftssitzung am 17. Juni 1920 eingestehen, „daß trotz der Hebung des Geschäftes eine Rentabilität nicht zu erzielen gewesen“ 978 sei. Er führte fort: „Aus der Erkenntnis heraus, daß unter den heutigen Verhältnissen diese Rentabilität niemals zu erzielen sein wird […], wurde folgender Beschluss gefasst: 1. Die Gesellschaft Freistaat-Verlag G.m.b.H. wird aufgelöst.“ 979
Die Liquidation wurde schließlich am 15. November 1922 vom Amtsgericht offiziell vorgenommen. 980 Anders als bei der nationalliberalen Bamberger Tageszeitung Neueste Nachrichten wurde die Unwirtschaftlichkeit des Freistaats bereits vor der Hyperinflation erkannt und demnach gehandelt. 981 Die Bamberger Arbeiterzeitung fiel nicht der Geldentwertung zum Opfer und blieb als Presseorgan erhalten, denn ab 2. August 1920 erschien sie als Kopfblatt des Fränkischen Volksfreunds in Würzburg. 982 Trotz dieser Zusammenlegung behielt der Freistaat seinen Namen sowie eine eigene Lokalredaktion und Geschäftsstelle bei. 983 Die Rubrik „Lokales“ wurde in „Bamberger Chronik“ umbenannt, sodass eine Unterscheidung zum Würzburger Teil möglich war. 984 Am Würzburger Verlag be-
teiligte sich die SPD-Bamberg mit einer Kapitaleinlage von 1.500 Mark. 985 Letztendlich bedeutete die Verlegung nach Unterfranken die Rettung des Freistaats und erwies sich als beständige Lösung bis 1933. 986 Die Umstrukturierung zog eine Umstellung der Druckerei nach sich: Im August 1920 ging der Freistaat von der „Bayreuther Druckerei und Verlagsanstalt GmbH“ nach Würzburg zu „M. Walther & Co, Würzburg“ über und verblieb damit in den Händen des früheren Gesellschafters Max Walther. 987 Abgesehen von den Änderungen der Geschäftsform, der Druckerei und des Verlags unterlagen auch die Schriftleiter dem Wechsel der Anfangsjahre. Normalerweise wurde die Aufgabe des örtlichen Redakteurs in Personalunion mit dem Parteisekretariat wahrgenommen. 988 Erster Schriftleiter war der Landtagsabgeordnete und Teilhaber des Freistaat-Verlags Hans Dill, der den Freistaat während der Regierungszeit leitete. 989 Als im Juni 1919 die Neubesetzung des Postens besprochen wurde, standen Ernst Straub und Georg Dewald zur Wahl. 990 Mit Georg Dewald entschied sich die SPD auch in dieser Hinsicht für frischen Wind und einen Neuanfang, anstatt den Sohn des früheren Parteiredakteurs Joseph Straub damit zu betrauen. 991 Dritter und letzter hauptverantwortlicher Journalist wurde im Januar 1922 der neue Parteisekretär Josef Dennstädt, der diese Aufgabe bis zum Verbot der Zeitung im März 1933 ausführte. 992 Außerdem war Georg Grosch zunächst als Lehrling
Vgl. FS v. 31. 3.1920, Nr. 76; FS v. 1. 4.1920, Nr. 77. Im Freistaat selbst wurde zwar berichtet, dass die Errichtung einer Druckerei „finanziell voll gesichert“ sei und die Verzögerungen lediglich durch den „Mangel an Setzmaschinen“ verursacht sein, doch dies war vermutlich nur Propaganda und entsprach der Verschleierungstaktik der SPD, eigene Schwächen niemals öffentlich zuzugeben. 978 Gesellschaftssitzung des Freistaats v. 17. 6.1920, StABa, K 110, Nr. 81. 979 Gesellschaftssitzung des Freistaats v. 17. 6.1920, StABa, K 110, Nr. 81; vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611. 980 Vgl. BT v. 21.11.1922, Nr. 269. 981 Vgl. Frei, Provinzpresse, S. 262; Walther, Verlage, S. 46; Stöber, Zeitungen, S. 192. 982 Vgl. FS v. 2. 8.1920, Nr. 176; Frei, Provinzpresse, S. 116; Krause, 115 Jahre, S. 54. 983 Vgl. FS v. 10. 8.1920, Nr. 183; Oberst, Freistaat, S. 238–243; Frei, Provinzpresse, S. 262 f. 984 Vgl. FS v. 30. 6.1920, Nr. 148; FS v. 6. 8.1920, Nr. 180. 985 Vgl. Frei, Provinzpresse, S. 116. 986 Vgl. FS v. 9. 3.1933, Nr. 57; Frei, Provinzpresse, S. 116. 987 Vgl. FS v. 1. 4.1920, Nr. 77; FS v. 31. 7.1920, Nr. 175; FS v. 2. 8.1920, Nr. 176; FS v. 2.1.1933, Nr. 1. 988 Vgl. FS v. 2. 7.1919, Nr. 68; FS v. 7.11.1921, Nr. 256; FS v. 12.12.1921, Nr. 285; FS v. 24. 7.1924, Nr. 169; FS v. 2.1.1933, Nr. 1; Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 1; Verzeichnis der SPD-Landtagsabgeordneten in Bayern ab 1919 v. 6.11.1936, BArch, R 58, Nr. 3312; Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685. 989 Vgl. FS v. 8. 4.1919, Nr. 1; FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; Oberst, Freistaat, S. 240; Götschmann/Henker, Geschichte. Zur weiteren Biografie von Hans Dill im Nationalsozialismus vgl. Schumacher, M.d.R., S. 179 f. 990 Vgl. Sitzungsprotokoll des Freistaats v. 25. 6.1919, StABa, K 110, Nr. 81. 991 Vgl. FS v. 2. 7.1919, Nr. 68; FS v. 7.11.1921, Nr. 256. 992 Vgl. FS v. 12.12.1921, Nr. 285; FS v. 4.1.1922, Nr. 3; FS v. 9. 3.1933, Nr. 57. 977
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Das politische Sozialmilieu
und später als Mitarbeiter im Freistaat tätig. 993 Insofern wurde auch in Bamberg in den 1920er Jahren offensichtlich, dass sich innerhalb der Sozialdemokratie Parteikarrieren ausbildeten und etablierten, die ein Wirken der sogenannten Parteibeamten in der Arbeiterpresse einschlossen. 994 Im Fall von Josef Dennstädt folgten auf das Amt des Parteisekretärs und Schriftleiters 1922 der Posten des SPD-Vorstands 1925 und 1933 das Mandat im Bayerischen Landtag. 995 Georg Grosch führte seit Mitte der Zwanzigerjahre die Arbeiterjugend an, kam dann zum Freistaat und „verdiente sich gewissermaßen die ersten Sporen in seiner Parteiarbeit“. 996 1933 erhielt er ein Mandat im Stadtrat. 997 Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg er schließlich zum Parteisekretär auf, wurde SPD-Vorsitzender, dritter Bürgermeister und langjähriger bayerischer Landtagsabgeordneter (1952–1966). 998 Diese beiden sozialdemokratischen Lebensläufe zeigen zudem, dass die führenden Bamberger Sozialdemokraten immer Multifunktionäre waren beziehungsweise sein mussten. 999 Keiner war einfach nur Redakteur, sondern diese Tätigkeit war in das weite Aufgabenfeld des gesamten sozialistischen Milieus eingeschlossen. Bedingt durch die Umzüge der sozialdemokratischen Parteizentrale wurde auch die Redaktion
des Freistaats mehrmals innerhalb der Stadt transferiert. 1000 Ihr erster Standort als Lokalzeitung befand sich in der Langestraße 27. 1001 1921 zog die Redaktion zusammen mit Partei und Gewerkschaften in die Hauptwachstraße 7 um. 1002 Vier Jahre später vollzog sie den Wechsel in das Rückgebäude des Schillerplatzes 11 und richtete hier ihre Geschäftsstelle ein. 1003 Im Unterschied zur Organisationsstruktur der SPD lag das Verbreitungsgebiet der Zeitungen Freistaat und Fränkische Volksfreund nicht hauptsächlich in Oberfranken, sondern in Unterfranken. 1004 Coburg, Bayreuth und Hof betrieben jeweils eigene sozialdemokratische Presseorgane. 1005 Der SPDUnterbezirk war folglich nicht deckungsgleich mit dem Gebiet der Leser- und Abonnentenschaft. Stattdessen griff der Freistaat die ursprüngliche mediale Verbindung aus dem Kaiserreich nach Würzburg wieder auf. 1006 Schon zwischen 1908 und 1918 hatte der Fränkische Volksfreund als Tageszeitung die Sozialdemokraten in Unterfranken und im Reichstagswahlkreis Bamberg mit Informationen versorgt. 1007 Neben Bamberg und Würzburg zählte auch Schweinfurt zum Verbund. 1008 Alle drei Städte unterhielten eigene Ortsrubriken; die „Bamberger, Würzburger und Schweinfurter Chronik“ wurden
Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; Einwohnermeldekarte Georg Grosch, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58b; JS v. 1.1927, Nr. 1; JS v. 2.1928, Nr. 2; Götschmann/Henker, Geschichte. 994 Vgl. Schröder, Wilhelm Heinz: Politik als Beruf? Ausbildung und Karrieren von sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: Parteien im Wandel. Vom Kaiserreich zur Weimarer Republik (= Schriftenreihe der Stiftung Reichspräsident-FriedrichEbert-Gedenkstätte, Bd. 7). Hg. v. D. Dowe/J. Kocke/H. A. Winkler. München 1999, S. 51–55. 995 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; FS v. 12.12.1921, Nr. 285; FS v. 4.1.1922, Nr. 3; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; Götschmann/Henker, Geschichte; Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685. 996 Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; FS v. 21.1.1928, Nr. 17. 997 Vgl. Dinkel, Machtergreifung, S. 83; Zehentmeier, Entwicklung, S. 176 f. 998 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 78, 91; Götschmann/Henker, Geschichte. 999 Vgl. Schröder, Politik, S. 54; Weichlein, Multifunktionäre, S. 182–186, 195–209. 1000 Vgl. FS v. 1.10.1919, Nr. 144; FS v. 2.1.1920, Nr. 1; FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; FS v. 8. 4.1925, Nr. 81; FS v. 2. 1.1933, Nr. 1. 1001 Vgl. FS v. 4. 7.1919, Nr. 70; FS v. 1.10.1919, Nr. 144; FS v. 1.12.1919, Nr. 195; FS v. 2.1.1920, Nr. 1; FS v. 1. 4.1920, Nr. 77. Während der Regierungszeit war das Freistaat-Büro im Hotel Bamberger Hof eingerichtet worden. Dies stellte jedoch nur eine Übergangslösung bis Juli 1919 dar. Vgl. FS v. 2. 6.1919, Nr. 44; FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; Oberst, Freistaat, S. 239 1002 Vgl. FS v. 8. 4.1921, Nr. 80. 1003 Vgl. FS v. 8. 4.1925, Nr. 81. 1004 Vgl. Ala-Zeitungskatalog 1928, S. 17; Bericht des Bezirksvorstandes der Sozialdemokratischen Partei Frankens an den Bezirksverbandstag am 4. und 5. September 1920 in Bamberg, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“; FS v. 6. 8. 1920, Nr. 180; Oberst, Freistaat, S. 246– 250; Kletzin, Joachim: Die Würzburger Sozialdemokratie in der Weimarer Republik. In: Würzburger Sozialdemokraten. Vom Arbeiterverein zur Sozialdemokratischen Volkspartei 1868–1978. Hg. v. H. W. Loew/K. Schönhoven. Würzburg 1978, S. 74–76. 1005 Vgl. Ala-Zeitungskatalog 1920, S. 57 f.; Ala-Zeitungskatalog 1928, S. 7–9. Bericht des Bezirksvorstandes der Sozialdemokratischen Partei Frankens an den Bezirksverbandstag am 4. und 5. September 1920 in Bamberg, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“; Frei, Provinzpresse, S. 116. Als SPD-Zeitung erschien in Coburg das Coburger Volksblatt, in Bayreuth die Fränkische Volkstribüne und in Hof die Volksstimme (MSPD) und ab 1922 die Oberfränkische Volkszeitung (SPD). 1006 Vgl. Link, Katholizismus, S. 265 f. 1007 Vgl. Link, Katholizismus, S. 265 f.; Schönhoven, Arbeiterschaft, S. 36; Krause, 115 Jahre, S. 43. 1008 Vgl. FS v. 6. 8.1920, Nr. 180; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. 993
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
sowohl in der unter- als auch in der oberfränkischen Ausgabe abgedruckt und folglich waren die Bamberger Sozialdemokraten über die Ereignisse entlang des Mains gleichfalls im Bilde. 1009 Diese Presseachse hatte Auswirkungen auf Neugründungen, den Austausch von Rednern, Veranstaltungen und Festlichkeiten. 1010 Beispielsweise pflegte der Würzburger Landtagsabgeordnete Fritz Endres engen Kontakt mit Genossen in der Regnitzstadt. 1011 Vom gemeinsamen Kommunikationsraum profitierte am stärksten das Bamberger Milieu, denn traditionell wiesen Würzburg und Schweinfurt stärkere und radikalere Arbeiterbewegungen auf. 1012 Die SPD-Bamberg konnte folglich im starken Strom der unterfränkischen Städte mitschwimmen und erhielt linke Impulse ohne erneut in die Abhängigkeit der Nürnberger SPD zu geraten. Als Konsequenz daraus war der Freistaat in seiner Ausrichtung linksextremer als die SPD vor Ort. 1013 Die besondere Bedeutung des Freistaats für das sozialistische Milieu lag in der Tatsache, dass eine Vielzahl von Funktionen in diesem einen Medium gebündelt wurde. So war der Freistaat das Sprachrohr der Arbeiterschaft für ihre Ideen, Ansichten und Pläne. 1014 Schon zwei Jahre vor der Gründung des Arbeiter-Samariter-Bundes vor Ort warb man in der Tageszeitung für den Eintritt in diese Organisation und erklärte deren Notwendigkeit. 1015 Als sich in Bamberg ein Hallenbadbauverein gründete, wurde dessen Vorhaben 1929 durch einen langen Artikel gewürdigt und unterstützt. 1016 Gerade durch die Auswahl der Themen und durch die Länge der
Artikel wurde Politik im Freistaat gemacht. 1017 Nachrichtenselektion und einseitige Berichterstattung gehörten auch in Bamberg zum Alltag in der Parteipresse. 1018 Darüber hinaus diente die SPDZeitung als Veranstaltungskalender des sozialistischen Milieus und in der Funktion des Informationsträgers berichtete sie über Stadtratssitzungen und Versammlungen. 1019 Zum 1. Mai war der Freistaat Festzeitung und zu Fasching erschien die Unterhaltungsbeilage Der Bamberger Zwiebeltreter. 1020 In diesen Sondernummern zur Fastnacht wurden das Stadtleben, die eigenen Probleme und die politischen Gegner auf den Arm genommen. 1021 Die Ausgabe von 1930 berichtete unter folgender Überschrift von einer fingierten Stadtratssitzung: „Aus dem Inselhaus der Gemeinde Babenberg, der schönen Stadt ohne Hallenbad! Sitzungsbericht vom Tage der Narrenfreiheit. Vorsitz führt der Mann am Weg, Meister der Bürger [= Weegmann, Bürgermeister].“ 1022
In den weiteren Ausführungen des Artikels wurde die Fraktion der Grund- und Hausbesitzer als „Hüttenbesitzer“ verklausuliert und statt von der nationalsozialistischen Zeitung die Flamme sprach der Autor von der Funzel. 1023 Für Gaustadt meldete die Narrenzeitung Zwiebeltreter das Ende der Wohnungsnot durch den Bau eines Wolkenkratzers und dem Reichsfinanzminister empfahl man in einem Gedicht alternative Besteuerungen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise und Geldnot:
Vgl. FS v. 6. 8.1920, Nr. 180. Vgl. Oberst, Freistaat, S. 246–250. 1011 Vgl. FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 14. 3.1932, Nr. 61; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 1012 Vgl. Ramming, Wolfgang/Bonengel, Werner/Wiener, Herbert: 100 Jahre Sozialdemokratische Partei in Schweinfurt. Schweinfurt 1989; Bald, Porzellanarbeiterschaft, S. 245–254; Schönhoven, Arbeiterschaft, S. 1–39; Schäfer, Organisationen, S. 52–57. 1013 Vgl. Lagebericht v. 24. 6.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 750. 1014 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 12. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1015 Vgl. FS v. 1. 6.1920, Nr. 124; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 12. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95; FS v. 7.11.1922, Nr. 256. Die Angabe einer „seit langen Jahren bestehenden Ortsgruppe des Arbeiter-Samariterbundes“ von 1920 war allerdings falsch, vermutlich bestanden zu diesem Zeitpunkt bereits Einzelmitgliedschaften. Die offizielle Gründung des ASB-Bamberg erfolgte am 5. November 1922. 1016 Vgl. FS v. 1. 3.1929, Nr. 51; Bamberger Jahrbuch 1933, Bd. 6. Bamberg 1933, S. 229. 1017 Vgl. Führer, Karl Christian: Politische Kultur und Journalismus: Tageszeitungen als politische Akteure in der Krise der Weimarer Republik 1929– 1933. In: JbKG 10 (2008), S. 34 f. 1018 Vgl. Führer, Kultur, S. 34 f.; Pürer, Heinz/Raabe, Johannes: Presse in Deutschland. Konstanz 32007, S. 66 f. 1019 Vgl. FS v. 28. 2.1921, Nr. 48; FS v. 24. 10.1925, Nr. 244; FS v. 2.1.1930, Nr. 1; FS v. 11. 7.1923, Nr. 150; FS v. 1. 4.1927, Nr. 75; FS v. 13. 6.1922, Nr. 134. 1020 Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 10; FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 30. 4.1931, Nr. 98; FS v. 27.1.1927, Nr. 21; FS v. 2.1.1932, Nr. 1; Der Bamberger Zwiebeltreter. Faschingszeitung des ‚Freistaat‘ v. 1930. 1021 Vgl. Bamberger Zwiebeltreter 1930. 1022 Bamberger Zwiebeltreter 1930. 1023 Vgl. Bamberger Zwiebeltreter 1930. 1009 1010
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„Wo nehmen wir nur neue Steuern her? Das ist doch höchst einfach, seht euch einmal um, Es läuft noch gar viel unbesteuert herum. […] Besteuert den Bubikopf und auch den Zopf, Den Scheitel, die Glatze, vielleicht auch den Kropf, Dazu jede Warze, auf der Backe den Schmiß, Das Loch in der Fers, in der Hose den Riß. Besteuert, was Busen hat, Bucken und Bauch, Das O-Bein, das X-Bein, den Plattfuß dann auch. Den Kuß auf den Lippen, die Watsche im G’sicht, Den Schnupfen, das Bauchweh, den Schweißfuß, die Gicht.“ 1024
So war der Freistaat gleichfalls Satirezeitschrift und half den sozialdemokratischen Anhängern durch Humor, Krisenzeiten zu überstehen. Insbesondere war die SPD-Zeitung aber ein handfestes Mittel gegen andere politische Strömungen und Parteien. 1025 Die sozialdemokratischen Autoren schrieben gegen die Monarchie und den Militarismus, gegen die BVP, NSDAP und KPD, gegen das Bamberger Volksblatt und das Bamberger Tagblatt. 1026 Zum Beispiel kritisierte der Freistaat das Verhalten des Bürgertums zum 1. August 1928, dem 14. Jahrestag des Kriegsbeginns: „Kriegsausbruchtag. Merkwürdig. Der eine Tag, der rührt sie gar nicht! Der geht die Spießbürger gar nichts an! […] Und doch sind sie vor vierzehn Jahren allesamt vollkommen verrückt gewesen! […] Haben Hurra geschrieen und die Kapellen patriotische Lieder spielen lassen von morgens bis abends. […] Der Spießbürger aber hat alles vergessen, was da war vor zehn und vierzehn Jahren und wartet stumpfsinning auf die nächste Mobilmachungs-
1024 1025 1026 1027 1028 1029 1030 1031 1032 1033 1034 1035 1036 1037 1038
ordre für seine Enkel und seine Söhne – und auf den nächsten Krieg.“ 1027
Außerdem machte man darauf aufmerksam, dass die Kapelle des Reiterregiments Mitte der Zwanzigerjahre übermäßig oft das Lied „Stolz weht die Flagge schwarz, weiß, rot!“ zur Verherrlichung der Kaiserzeit spielte und bemerkte dazu: „Es muss mit dem künstlerischen Wert der Kapelle nicht weit her sein, wenn sie kein anderes Lied spielen kann, als dieses.“ 1028 Ebenso wurde die katholische Kirche in Artikeln angegriffen, die zum Beispiel folgende Titel trugen: „ABC-Schützen als Zentrumsagitatoren“ 1029, „Das schwarze Ehrenwort!“ 1030, „Schwindel – nichts als Schwindel“ 1031 oder „Skandal im katholischen Kinderlager“ 1032. Mit solch reißerischen und provokanten Überschriften versuchte die SPD gegen das katholische Milieu zu hetzen. Überdies richtete sich die SPD-Zeitung gegen die Nationalsozialisten, die als „Hakler“ 1033 oder „Hakenkreuzler“ 1034 beschimpft wurden und „deren geistiger Horizont auch tatsächlich nicht so weit reich[en]“ würde, um zu verstehen, was Marxismus bedeutet außer „etwas Bekämpfenswertes“. 1035 Ähnlich wie die rechten Gegner stellte man auch die linken Gegner, die Kommunisten, als geistig minderbemittelt dar. 1036 Als KPD-Mitglieder bei einem Gerichtsprozess Auskunft über den Grund einer Demonstration geben sollten, hätten sie laut Freistaat geantwortet: „Wir sind halt mitgetappt.“ 1037 Besondere Schadenfreude zeigte die SPD-Presse, als das Bamberger Tagblatt und Bamberger Volksblatt sich 1931 wegen gegenseitiger Beleidigungen stritten und prophezeite dazu: „Wenn zwei sich streiten, freut sich gewöhnlich der Dritte!“ 1038 – in diesem Fall der Freistaat.
Bamberger Zwiebeltreter 1930. Vgl. FS v. 1. 8.1919, Nr. 93; FS v. 1.10.1925, Nr. 224; FS v. 1. 3.1928, Nr. 51; FS v. 30.1.1933, Nr. 24; Oberst, Freistaat, S. 250–254. Vgl. FS v. 1. 8.1919, Nr. 93; FS v. 2. 5.1928, Nr. 100; FS v. 1. 6.1926, Nr. 122; FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; FS v. 1. 3.1928, Nr. 51; FS v. 2. 8.1932, Nr. 175. FS v. 1. 8.1928, Nr. 174. FS v. 1. 6.1926, Nr. 122. FS v. 2.11.1920, Nr. 254. FS v. 6. 7.1921, Nr. 152. FS v. 11.10.1921, Nr. 234. FS v. 1. 9.1930, Nr. 199. FS v. 24.1.1931, Nr. 19. FS v. 24.1.1931, Nr. 19. FS v. 22.1.1931, Nr. 17. Vgl. FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. FS v. 27. 2.1931, Nr. 21.
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Diese Beispiele zeigen, dass das Presseorgan der SPD zwar auf tatsächliche gesellschaftliche Probleme wie die ungenügende Verarbeitung des Ersten Weltkriegs verwies, sich jedoch vor allem beleidigend und diffamierend mit seinen Gegnern auseinandersetzte. Der Freistaat war das gedruckte Abbild der gesellschaftlichen und politischen Fraktionierung aus Sicht der SPD. 1039 Einerseits half er somit im Kampf gegen antirepublikanische und antidemokratische Bestrebungen, andererseits trug er seinen Teil dazu bei, das politische Klima aufzuheizen und zu vergiften. 1040 Unterstellungen, Beschimpfungen und Erniedrigungen waren aber wenig geeignet, Vertrauen und Respekt herzustellen oder Kompromisse zu schließen und politische Koalitionen zu fördern. 1041
3.2.5 Kommunalpolitik: Die SPD im Stadtrat Sozialdemokratische Kommunalpolitik in Bamberg setzte Kompromissfähigkeit voraus, denn die SPD verfügte mit sechs bis sieben Stadträten über keine Mehrheit. Explizite linke Politik hatte daher kaum Chancen und reine sozialdemokratische Forderun-
gen und Anträge wenig Aussicht auf Erfolg. So fand weder die Umbenennung der Königstraße in Friedrich-Ebert-Straße Zustimmung noch der Vorschlag, Gustav Stresemann anstelle des deutschen Kaisers Wilhelm zum Namensgeber des früheren Exerzierplatzes zu erheben. 1042 Außerdem wurde ein Zuschuss für die Arbeitersportler zur Teilnahme an der Arbeiter-Olympiade 1925 in Frankfurt abgelehnt und auch der Wassersportverein „Neptun“ musste seine Anlage ohne städtische Gelder finanzieren. 1043 Zum größten Streitthema zwischen der SPDFraktion und dem Bamberger Stadtrat erwuchs allerdings die Frage des Arbeiter-Samariter-Bundes, seine Anerkennung und Einsatzfelder. 1044 Der ASB war bayernweit im Oktober 1923 von Generalstaatskommissar Kahr verboten worden. 1045 Im Gegensatz zu anderen Städten hielt man in Bamberg an dieser Restriktion fest, denn man wollte die linke Konkurrenz zur Freiwilligen Sanitätskolonne 1046 unterbinden und im Zuge der antisozialistischen und reaktionären Periode der „Ordnungszelle Bayern“ 1047 loswerden. 1048 Im November und Dezember 1923 scheiterten alle Versuche des Arbeitermilieus, die Verfügung
Vgl. Führer, Kultur, S. 26–28. Vgl. Führer, Kultur, S. 35, 39. 1041 Vgl. FS v. 28.12.1922, Nr. 297; FS v. 1.10.1927, Nr. 226; FS v. 23. 5.1928, Nr. 117. 1042 Vgl. FS v. 16.10.1929, Nr. 238; Fränkel, Heinz F.: Neue und alte Bamberger Straßen. Bamberg 42002, S. 88. 1043 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 17. 6.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 17. 6.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; Winkler, Schein, S. 124–126. 1044 Der Arbeiter-Samariter-Bund war 1888 als Selbsthilfeorganisation bei Arbeitsunfällen und als Gegenmodell der Arbeiterbewegung zum militärnahen und bürgerlichen Deutschen Roten Kreuz (DRK) gegründet worden. Während der Weimarer Republik bemühte sich der ASB um staatliche Anerkennung als unpolitische und freie Wohlfahrtsorganisation, um ebenso wie das Deutsche Rote Kreuz Fördergelder zu erhalten; dies gelang zumindest teilweise. Eine formale Anerkennung durch die Reichsregierung konnte jedoch nicht erzielt werden. Vgl. Winkler, Schein, S. 126; Wunderer, Arbeitervereine, S. 51–53; Walter, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 293–414. 1045 Vgl. FS v. 29.10.1923, Nr. 243; Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an die Regierung von Oberfranken v. 7.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2586; Walter, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 330 f.; Klüpfel, Thomas/Wohlrab, Moritz: Jubiläumszeitung. 1911 bis 2011: 100 Jahre ASB-Landesverband Bayern. Erlangen 2011. In Bayern wurden zeitweise im Herbst 1923 alle ASB-Kolonnen aufgelöst, nicht nur „etliche Kolonnen“ wie Franz Walter festhielt. 1046 Die Gründung der Freiwilligen Sanitätskolonne wurde 1880 vom Kreisausschuss von Oberfranken angeordnet und 1882 in Bamberg ausgeführt. Die Rettungskräfte der Sanitätskolonne dienten der Bevölkerung bei Katastrophen, Unfällen und Unglücken als Ersthelfer. Außerdem war die Erstversorgung der Soldaten im Kriegsfall ein vorrangiges Ziel. Daher arbeitete man eng mit dem Militär zusammen und unterstellte die Organisation dem Deutschen Roten Kreuz. Die Freiwillige Sanitätskolonne Bamberg zählte 1933 etwa 120 Mann. Ehrenmitglieder waren unter anderem Luitpold Weegmann, Willi Lessing und Rudolf Weyermann. Vgl. Mayershofer, Militär, S. 182 f.; O.V.: 75 Jahre Sanitätskolonne Bamberg. Bamberg 1957; Bamberger Jahrbuch 1933, S. 29–32. 1047 Als „Ordnungszelle Bayern“ bezeichnete man das Streben des bayerischen Ministerpräsidenten und Generalstaatskommissars Gustav von Kahr (BVP) zwischen 1920 und 1924, in Bayern nach der Revolution von 1918/19 Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und zu sichern. Diese Politik hatte eine starke antisozialistische, antisemitische, antirepublikanische und nationalistische Stoßrichtung. Bayern wurde folglich zum Sammelbecken von völkischen und rechtsextremen Gruppen. Diese spezielle regionale Entwicklung mündete schließlich im November 1923 im Hitlerputsch. Zum Begriff der „Ordnungszelle Bayern“ vgl. Gelberg, Karl-Ulrich/Latzin, Ellen: Ordnungszelle Bayern. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www. historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Ordnungszelle Bayerni (18. 2. 2017); Grau, bayerische SPD, S. 54–56. 1048 Vgl. Eingabe des ASB-Bamberg an den Bayerischen Landtag v. 20. 2.1924 und Berichte des Ausschusses für Verfassungsfragen 9. 2.1924– 12. 2.1924, BayHStA, Bayerischer Landtag (künftig: Bayer LT), Nr. 13268: „Ein Bedürfnis für die Tätigkeit des Arbeiter-Samariter-Bundes sei in Bamberg nicht gegeben; im Gegenteil sei festgestellt, dass die Bamberger Sanitätskolonne in der Lage sei, allen Notwendigkeiten gerecht zu werden.“ 1039
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des Stadtkommissars aufzuheben. 1049 Daraufhin richtete der ASB-Bamberg im Januar 1924 eine Eingabe an den Bayerischen Landtag, denn „von den 520 in Deutschland bestehenden Arb. Sam. Kol. [seien] nur die Kolonnen Bamberg und Bayreuth verboten“. 1050 In den Beratungen des Ausschusses für Verfassungsfragen setzte sich der Würzburger Fritz Endres vehement für die Wiederzulassung des ASB ein und bewies somit seine Verbundenheit mit der Bamberger Arbeiterschaft. 1051 In seinem Plädoyer beschied der Sozialdemokrat dem Generalstaatskommissar Kahr „wirklich von allen guten Geistern verlassen zu sein“ 1052 und nannte die Ausführungen der Staatsregierung gegen den ASB „überaus schwach.“ 1053 Unklar blieb in dem Verfahren, inwieweit der Stadtrat Bamberg seit 1923 für die Fortsetzung des Verbots verantwortlich war oder aktiv dahingehend gewirkt hatte. 1054 Definitiv hatte man aber keine Schritte zur Aufhebung unternommen. 1055 Für die Arbeiter-Samariter aus Bamberg erwies sich der eingeschlagene parlamentarische Weg als Erfolg, denn im August 1924 wurde der Stadt Bamberg die Genehmigung des ASB auferlegt. 1056 Dieser Erlass änderte jedoch nichts an der Ablehnung und den Vorbehalten gegen die Arbeiterorganisation in Bamberg, die in den folgenden Jahren im Stadtrat durch eine „Politik der Nadelstiche“ 1057 ausgetragen wurden. Im Januar 1925 unterstellte der Stadtrat Otto Ketscher (Partei: Grundund Hausbesitzer) dem ASB, politisch zu wirken und bei Linksputschen zu helfen. 1058 Ein „Offener
Brief“ im Freistaat wies daraufhin diese Vorwürfe zurück. 1059 In derselben Sitzung empfahl Rechtsrat Franz Wimmer dem ASB, anstatt eine Krankentragbahre beschaffen zu wollen, mit der Freiwilligen Sanitätskolonne zusammenzuarbeiten. 1060 Eine finanzielle Unterstützung zum Erwerb der nötigen Ausrüstung für den ASB wurde abgelehnt. 1061 1926 bildeten die Theatervorstellungen des gewerkschaftlichen Kulturkartells den Stein des Anstoßes, denn der ASB wurde hierzu nicht als Hilfsorganisation zugelassen. 1062 Das Protokoll des Stadtrats im Februar 1926 hielt hierzu fest: „Dienstleistung durch die Arbeiter-Samariter-Kolonne im Stadttheater. Bei dem bisherigen Zustande, wonach die Freiw. Sanitätskolonne allein das Recht hat, im Stadttheater Dienst zu machen, soll es verbleiben. Es besteht nicht der geringste Anlass irgendwelchen Sonderorganisationen, die insbesondere nur von einzelnen Gruppen von Bewohnern gebildet werden, Zugeständnisse zu machen, da das sehr viele Folgerungen nach sich ziehen müsste.“ 1063
Diese Absage wurde zu einem Zeitpunkt erteilt, als deutschlandweit gegenläufige Tendenzen der Öffnung und Lockerung für die Arbeiter-Sanitäter registriert wurden. 1064 In Bamberg blieb der Konflikt zunächst ungelöst, schwelte langsam vor sich hin und loderte immer wieder auf. 1065 Demonstrativ unterstrich die Stadt ihre Verbundenheit mit der
Vgl. Schreiben des ASB-Bamberg an das Generalkommissariat München v. 30.11.1923 u. Schreiben der Regierung von Oberfranken v. 15.12.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2586. 1050 Eingabe des ASB-Bamberg an den Bayerischen Landtag v. 20. 2.1924, BayHStA, LT, Nr. 13268. 1051 Vgl. Berichte des Ausschusses für Verfassungsfragen 9. 2.1924–12. 2.1924, BayHStA, Bayer LT, Nr. 13268. 1052 Fränkische Volkstribüne v. 14. 2.1924, Nr. 38. 1053 Fränkische Volkstribüne v. 14. 2.1924, Nr. 38; vgl. Berichte des Ausschusses für Verfassungsfragen 9. 2.1924–12. 2.1924, BayHStA, Bayer LT, Nr. 13268. 1054 Vgl. Berichte des Ausschusses für Verfassungsfragen 9. 2.1924–12. 2.1924, BayHStA, Bayer LT, Nr. 13268; Fränkische Volkstribüne v. 14. 2.1924, Nr. 38. 1055 Vgl. Berichte des Ausschusses für Verfassungsfragen 9. 2.1924–12. 2.1924, BayHStA, Bayer LT, Nr. 13268; Fränkische Volkstribüne v. 14. 2.1924, Nr. 38. 1056 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Stadtrat Bamberg v. 8. 8.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2586. 1057 Walter, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 334. 1058 Vgl. FS v. 2. 2.1925, Nr. 26. 1059 Vgl. FS v. 2. 2.1925, Nr. 26. 1060 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 28.1.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1061 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 6. 3.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1062 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 10. 2.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 6.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; FS v. 14.10.1926, Nr. 236. 1063 Stadtratsprotokoll v. 10. 2.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1064 Vgl. Walter, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 333 f. 1065 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 2. 6.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 6.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1049
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Freiwilligen Sanitätskolonne im Juni 1926, indem die Stadträte deren renovierten Krankentransportwagen nach einer Verwaltungssitzung besichtigten, ein unverzinsliches Darlehen über 5.000 Mark dafür gewährten und weitere Zuschüsse in Aussicht stellten. 1066 Dieses Entgegenkommen wurde von den Sozialdemokraten als Provokation aufgefasst, die „diese durch nichts mehr zu überbietende Parteilichkeit des Stadtrates“ 1067 anprangerten und eine „Existenzberechtigung“ 1068 für die Arbeiter-Samariter-Kolonne einforderten. Im Oktober kulminierte die Auseinandersetzung, als zur neuen TheaterSpielzeit das Gesuch bezüglich des ASB-Einsatzes von der SPD-Fraktion erneut vorgetragen wurde. 1069 Gleichzeitig drohte das Kulturkartell damit, die Vorführungen für ihre Mitglieder andernfalls einzustellen. 1070 Im Stadtratsprotokoll hieß es am 6. Oktober 1926 zu diesem Punkt: „Beschlußfassung erfolgte mit allen gegen 5 Stimmen – Sozialdemokraten“. 1071 Tatsächlich strich das Kulturkartell daraufhin mit sofortiger Wirkung sein Programm im Stadttheater. 1072 Ein erneuter sozialdemokratischer Vorstoß am 20. Oktober 1926 im Stadtgremium zur Änderung der ersten Entscheidung fand zwar die Zustimmung des Demokraten Dr. Josef Werner und des Stadtrats Franz Emmerling von der Wirtschaftlichen Vereinigung, scheiterte aber dennoch. 1073 Dies bedeutete das endgültige Aus für die Gewerkschaftsvorstellungen, obwohl diese seit 1920 fester Bestandteil des Angebots für die Gewerkschaftsmitglieder gewesen waren. 1074 Eine Neuauflage in dieser Form kam nicht mehr zustande. Letztmalig unternahmen die sozialdemokratischen Stadträte 1931 einen Versuch zur städtischen Aufwertung und Anerkennung des ASB, in-
dem man die Zustimmung zum Haushalt 1931/32 von finanziellen Zuwendungen für die Arbeitersamariter abhängig machte. 1075 Doch auch diese erpresserische Taktik misslang trotz der abermaligen Unterstützung durch die Mandatsträger der Wirtschaftlichen Vereinigung. 1076 Der ASB blieb in Bamberg unerwünscht und eine öffentliche Förderung im Gegensatz zu der Praxis in anderen Gemeinden unerreicht. 1077 Der Verlauf des langjährigen Konflikts zeigt, dass die SPD-Fraktion als Fürsprecherin des gesamten sozialistischen Milieus im Stadtparlament agierte. Gerade diese Rolle rief starke Gegenreaktionen hervor und einte überparteilich die politischen Gegner von der BVP über die DNVP, die Grundund Hausbesitzer bis zur NSDAP. Spielraum zu konstruktiver Politik und Problembewältigung gab es in solchen Weltanschauungsfragen, die sich allgemein gegen die linke Arbeiterbewegung richteten, nicht. Im Fokus der Bemühungen stand, das Vordringen des ASB als Organisation in neue gesellschaftliche Bereiche zu verhindern und das Wachstum des sozialistischen Milieus einzudämmen. Die Arbeiter-Samariter sollten in Bamberg nicht Fuß fassen. Zugleich war die Zurückweisung ein Misstrauensbeweis gegenüber allen roten Verbänden und eine Absage an die Gleichberechtigung der Arbeitervereine. Die SPD-Bamberg kämpfte in diesem Fall auf verlorenem Posten. Anders lagen die Verhältnisse, sobald es um Sozial- und Wohlfahrtspolitik ging. Für diese konnte die SPD oftmals Mehrheiten gewinnen und kooperierte hierzu mit der BVP, den Demokraten, der Wirtschaftlichen Vereinigung oder den Grundund Hausbesitzern. 1078 Dabei war es den Sozialde-
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 2. 6.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. FS v. 22. 9.1926, Nr. 217. 1068 FS v. 22. 9.1926, Nr. 217. 1069 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 6.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1070 Vgl. FS v. 7.10.1926, Nr. 230: „Das Kulturkartell teilte mit, daß bei Nichtannahme seines Antrages die von ihm durchgeführten Montagsvorstellungen aufgegeben würden. Dazu erklärte der Finanzausschuß, daß, wenn das Kulturkartell aus solch nichtigem Anlaß die Vorstellungen aufgibt, es daran nicht gehindert werden kann. Im übrigen glaubt Wimmer nicht, daß es dem Kartell ernst mit dieser Drohung sein könne.“ 1071 Stadtratsprotokoll v. 6.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. Michael Linsner war als sechster SPD-Stadtrat zur Sitzung entschuldigt. 1072 Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236. 1073 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1074 Vgl. FS v. 1. 3.1920, Nr. 50; FS v. 7.11.1921, Nr. 256; FS v. 25.11.1922, Nr. 272; FS v. 26. 2.1923, Nr. 47; FS v. 3.11.1924, Nr. 254; FS v. 2.1.1925, Nr. 1; FS v. 1. 9.1926, Nr. 199. 1075 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 31. 3.1931, StadtABa, C 1, Nr. 698; FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. 1076 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 31. 3.1931, StadtABa, C 1, Nr. 698; FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. 1077 Vgl. Walter, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 371, 412 f. 1078 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20. 8. 1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; Stadtratsprotokoll v. 1.12.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 29. 4.1931, 1066 1067
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mokraten möglich, sich als Vertreter der kleinen Leute und unteren Schichten zu betätigen. 1079 Die linken Stadträte kämpften beispielsweise für die Senkung der Nahrungsmittelpreise, für die ausreichende Versorgung mit Brennmaterial, gegen Mietpreiserhöhungen und die Privatisierung des Gaswerks. 1080 Auf der Jahresgeneralversammlung 1933 fasste Johann Steitz als Fraktionssprecher dieses Ansinnen folgendermaßen zusammen: „Ziel der sozialdemokratischen Stadtratsfraktion war es, den auf der Schattenseite des Lebens Stehenden zu helfen und mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln hat sich die Fraktion gegen jede Kürzung der Richtsätze der Erwerbslosen-, Wohlfahrtsunterstützungs- und Rentenempfänger erfolgreich eingesetzt.“ 1081
Die Zustimmung fanden zum Beispiel Anträge für die Errichtung einer Wärmestube im Winter, für Kleiderzulagen der Kanalarbeiter oder für das Bauprojekt des Volksparks ab 1926 am Rand des Hauptsmoorwalds. 1082 Einig war man sich auch darüber, dass primär die Bamberger Wirtschaft gefördert werden sollte. 1083 Johann Steitz unterbreitete 1920 den Vorschlag, den Weihnachtsmarkt nur mit Bamberger Händlern zu beschicken und erntete dafür breiten Zuspruch. 1084 1928 setzte er sich zusammen mit Hans Rösch dafür ein, dass bei städtischen
Bauten heimische Unternehmen, Arbeiter und Erwerbslose bevorzugt behandelt und engagiert werden. 1085 Diese Direktive wurde im Stadtrat beschlossen und im Bauamt umgesetzt. 1086 Einvernehmlich arbeitete man außerdem daran, die Arbeitslosigkeit als eines der kontinuierlichen Grundprobleme in Bamberg einzudämmen. 1087 So beschlossen die Stadträte im Januar 1921 eine Summe von 663.000 Mark für Notstandsarbeiten an der Kanalisation, im Straßenbau und zur Errichtung der Wasserkraftanlage in Hirschaid. 1088 Zum Winter 1926/27 genehmigte man 494.000 Reichsmark für ähnliche Arbeiten der produktiven Erwerbslosenfürsorge. 1089 Verglichen mit anderen Städten waren dies hohe Beträge, denn die wesentlich größere Stadt Kassel mit über 170.000 Einwohnern bewilligte „lediglich“ 200.000 bis 412.000 Reichsmark in den Jahren 1925 und 1926. 1090 Der Stadtrat Bamberg hielt an dieser Linie der ausgedehnten Erwerbslosenfürsorge fest und verabschiedete jedes Jahr umfangreiche Notstandsprogramme, mit deren Gelder zudem Radund Gehwege angelegt wurden. 1091 Johann Steitz legte dabei Ende der Zwanzigerjahre besonderen Wert auf die Mindestbeschäftigung der Erwerbslosen von 26 Wochen, sodass diese wieder Arbeitslosenunterstützung erhielten und nicht Krisenoder Wohlfahrtsunterstützung beziehen mussten. 1092 Nach dem Willen der SPD sollten bei kommunalen Aufträgen Firmen mit vielen Beschäftig-
StadtABa, C 1, Nr. 698; FS v. 28. 7.1927, Nr. 171; FS v. 1. 8.1928, Nr. 174; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99. Auch auf Reichsebene kooperierte die SPD erfolgreich mit dem Zentrum auf dem Gebiet der Sozialpolitik z. B. in der Frage des Mieterschutzgesetzes oder der Arbeitsbeschaffung. Vgl. Winkler, Schein, S. 293. 1079 Vgl. FS v. 1. 9.1920, Nr. 202; FS v. 1. 2.1922, Nr. 26; FS v. 1. 6.1927, Nr. 124; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 336; Lösche/Walter, Klassenpartei, S. 16. 1080 Vgl. FS v. 8. 2.1922, Nr. 32; FS v. 1. 6.1927, Nr. 124; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112. 1081 FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 1082 Vgl. FS v. 8. 2.1922, Nr. 32; FS v. 18. 5.1925, Nr 112; FS v. 28. 7.1927, Nr. 171; FS v. 11. 2.1929, Nr. 35; FS v. 14.1.1931, Nr. 10; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 630; Winkler, Schein, S. 416. 1083 Vgl. FS v. 1.12.1920, Nr. 278; FS v. 1. 8.1928, Nr. 174. 1084 Vgl. FS v. 1.12.1920, Nr. 279. 1085 Vgl. FS v. 1. 8.1928, Nr. 174. 1086 Vgl. FS v. 1. 8.1928, Nr. 174. 1087 Vgl. Antrag der Stadtgemeinde Bamberg für Notstandsarbeiten v. 10. 3.1919, BayHStA, MFür, Nr. 1146; FS v. 27.1.1921, Nr. 21; FS v. 1. 8.1927, Nr. 175; FS v. 1.12.1928, Nr. 277; Stadtratsprotokoll v. 17. 2.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 5.10.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Stadtratsprotokoll v. 3.10.1928, StadtABa, C 1, Nr. 685; Stadtratsprotokoll v. 30.10.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690; Winkler, Schein, S. 293 f. Für das Engagement der SPDNürnberg in der produktiven Erwerbslosenfürsorge vgl. Bußmann-Strelow: Kommunale Politik im Sozialstaat. Nürnberger Wohlfahrtspflege in der Weimarer Republik (= Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Bd. 58). Nürnberg 1997, S. 312–322. 1088 Vgl. FS v. 27.1.1921, Nr. 21; FS v. 2.1.1922, Nr. 1; FS v. 1. 6.1921, Nr. 123. 1089 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1090 Vgl. Baum, Thomas: Die SPD in der Kasseler Kommunalpolitik zur Zeit der Weimarer Republik. Göttingen 1998, S. 20, 119. 1091 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 17. 2.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 5.10.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Stadtratsprotokoll v. 3.10.1928, StadtABa, C 1, Nr. 685; Stadtratsprotokoll v. 30.10.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690. 1092 Vgl. Bericht zur Stadtratssitzung v. 19. 9.1928, StadtABa, BS, Nr. 226/3; Winkler, Katastrophe, S. 23; Schüller, Alexander: Regensburg in der Weimarer Zeit. Regensburger Kommunalpolitik in der Weimarer Republik. Regensburg 2010, S. 381.
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ten besonders berücksichtigt werden, um möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern oder gar zu schaffen. 1093 Außerdem bezahlte die Stadt Bamberg eine Weihnachtsabgabe für die Hauptunterstützungsempfänger. 1094 Während der Wirtschaftskrise ab 1930 setzte sich die Politik der Arbeitsbeschaffung fort, indem die Stadt neben der Ausführung kleinerer Arbeiten vermehrt Einwohner in der Hochbautätigkeit unterbrachte, beispielsweise beim Bau der Erlöserkirche. 1095 Bei der Vergabe und Einstellung zu Arbeiten an der Wildensorger Straße pochte der Sozialdemokrat Georg Dotterweich 1932 darauf, vor allem Langzeitarbeitslose zu berücksichtigen. 1096 Knapp scheiterte im Juli 1932 das Gesuch des Hauptwohlfahrtsauschusses, die reichsweiten Kürzungen der Sozialrentner von städtischer Seite auszugleichen; die SPD hatte sich für diese Aufstockung ausgesprochen. 1097 Alles in allem drückten die sozialdemokratischen Stadträte der Bamberger Sozialpolitik zwischen 1919 und 1933 einen deutlichen roten Stempel auf. Das zweite Dauerthema der Kommunalpolitik während der Weimarer Republik war der Mangel an Wohnungen: „Die Wohnungsnot in Bamberg ist geradezu fürchterlich“, 1098 stellte Johann Steitz im Sommer 1923 fest. Dabei hatte man von Seiten der Stadt schon zwischen 1918 und 1923 fast 1.000 Unterkünfte geschaffen, viele davon waren allerdings Behelfswohnungen. 1099 Eine Barackenkolonie
befand sich in Bamberg im sogenannten Hüttenlager an der Zollnerstraße. 1100 1921 war außerdem die Gemeinnützige Hausbaugesellschaft mbH unter Vorsitz von Oberbürgermeister Wächter gegründet worden. 1101 Diese wurde von der SPD mitgetragen, Johann Steitz war im Verwaltungsrat tätig. 1102 Ihr erstes Bauprojekt waren zwei Reihenhausgruppen am Oberen Hutanger, es folgten 1924 sechs Einfamilienhäuser Am Hahnenweg. 1103 Gemessen an SPD-regierten Städten blieb der kommunale Wohnungsbau in Bamberg jedoch gering. 1104 32 Wohnungen entstanden 1920 unter städtischer Regie, 27 Einheiten im Jahr 1921 und neun 1930. 1105 Im Vergleich zur Anzahl der Wohnungssuchenden, die 1920 bei 1.326, 1921 bei 1.468 und 1930 bei 3.332 lag, war diese Anzahl verschwindend klein. 1106 Besonders auf diesem Gebiet der Wohnungsfürsorge zeigte sich der geringe Einfluss der Sozialdemokraten in Bamberg, denn viele Neubauten standen nur Beamten zur Verfügung. 1107 Allerdings waren fast 90 % der gemeldeten Familien beim Wohnungsamt auf der Suche nach Kleinwohnungen mit bis zu drei Zimmern. 1108 Determiniert wurde die Bamberger Baupolitik durch die Interessen und Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat, zum Beispiel durch die Gruppe der Grund- und Hausbesitzer, aber auch durch den Einfluss der Gärtner. 1109 Letztere widersetzten sich der Abgabe von großen Grundstücken als Bauland, sodass nur kleinere Siedlungseinheiten ent-
Vgl. FS v. 1. 2.1926, Nr. 276. Vgl. Stadtratsprotokoll v. 15.12.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1095 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 5. 2.1930, StadtABa, C 1, Nr. 694; Stadtratsprotokoll v. 15.10.1930, StadtABa, C 1, Nr. 694; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 2.12.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 4.1.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 631. 1096 Vgl. FS v. 22. 4.1932, Nr. 92. 1097 Vgl. FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. Das Ergebnis im Stadtrat zählte 12:10 Stimmen, sodass neben der SPD noch andere Stadträte dafür gestimmt hatten. 1098 FS v. 11. 7.1923, Nr. 150; vgl. Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 615, 624, 631–635, 1760; Weichlein, Sozialmilieus, S. 244; Haerendel, Ulrike: Wohnungspolitik (Weimarer Republik). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wohnungspolitik (Weimarer Republik)i (14. 2. 2017); Schüller, Regensburg, S. 334–336, 361–364, 387–389; Gerken, Daniel: Die Selbstverwaltung der Stadt Würzburg in der Weimarer Zeit und im „Dritten Reich“ (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 17). Würzburg 2011, S. 135–137. 1099 Vgl. FS v. 2.1.1922, Nr. 1; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 634; Schüller, Regensburg, S. 363 f., 388. 1100 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 1. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849; Stadtratsprotokoll v. 16.10.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690. 1101 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 18. 5.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1761; Adam, Arbeitermilieu, S. 217. 1102 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 18. 5.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671. 1103 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1761–1763. 1104 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 217; Winkler, Schein, S. 408–416; Bußmann-Strelow, Politik, S. 382–390; Saldern, Adelheid von: Sozialdemokratie und kommunale Wohnungsbaupolitik in den 20er Jahren – am Beispiel von Hamburg und Wien. In: AfS 25 (1985), S. 183–237. 1105 Vgl. FS v. 2.1.1922, Nr. 1; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1761. 1106 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 3.1.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1843; Trunk, Bamberg, S. 59; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1765. 1107 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 26. 6.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1846; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1761. 1108 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 27.11.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1846. 1109 Vgl. FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 634; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1762–1764. 1093
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stehen konnten. 1110 Nachdem 1924 in ganz Deutschland die Hauszinssteuer eingeführt worden war, trat ein Bauboom im Siedlungsbau ein, der auch Bamberg teilweise erfasste. 1111 1924 wurde die Kleinwohnungssiedlung Pleinserhof in der Nähe der Heinrichskirche mit 30 Einfamilienhäusern erstellt, zwischen 1926 und 1929 entstand ein Viertel am Heinrichsdamm und im Dezember 1929 wurde die Siedlung Margaretenlaube am Margaretendamm fertiggestellt. 1112 Versuche, eine vorstädtische Kleinstadtsiedlung 1931 in die Wege zu leiten, scheiterten jedoch im Stadtrat ebenso wie die Bereitstellung von Kleingärten für Erwerbslose. 1113 Der für die sozialdemokratische Baupolitik der 1920er Jahre typische Architekturstil des Neuen Bauens prägte folglich nicht das Stadtbild Bambergs. 1114 Ebenso wenig konnten große Arbeitersiedlungen wie in Nürnberg entstehen, sodass eine enge räumliche Konzentration der unteren Schichten ausblieb. 1115 Den SPDStadträten in Bamberg blieb durch ihre Minderheitsposition nur ein begrenzter Betätigungsrahmen, den sie für rote Akzente in der Wohnungspolitik nutzten. So widersprachen sie dem Bau von großen Wohnungen, begrüßten die Pläne für Angestelltenwohnungen von der Schuhfabrik Manz in der Hornthalstraße und kämpften gegen die Bevorzugung von Beamten auf dem Bamberger Wohnungsmarkt. 1116 Als im Stadtrat das Wohnungsbauprogramm für 1930 diskutiert wurde, äußerte sich Steitz laut Bericht folgendermaßen: „Man sollte eine Unterstützung solcher Luxuswohnungen unterlassen und dafür die notwendigen Kleinwohnungen mehr unterstützen. Bei der Bezuschussung sollten in erster Linie solche Wohnun-
gen in Frage kommen, die den notleidenden Wohnungssuchenden in Bamberg Hilfe bringen sollen. Steitz versteht nicht, wie man in diesem Bauprogramm verhältnismäßig viele 5-Zimmerwohnungen vorsieht zum Schaden jener, die gerne kleinere Wohnungen bauen würden und nicht zum Zuge kommen können. Man müßte erst genaue Aufklärung über die Mietgestaltung dieser großen Wohnungen erhalten, um mit ruhigem Gewissen dem Wohnungsbauprogramm in der vorgelegten Form zustimmen zu können.“ 1117
Des Weiteren achteten die SPD-Stadträte darauf, dass gemeinnützige Baugenossenschaften, wie der Siedlungsverein „Eigenheim“ der Kriegsbeschädigten, in den Wohnungsbauprogrammen ausreichend berücksichtigt wurden. 1118 Alles in allem trugen die Sozialdemokraten aber die städtische Wohnungspolitik in Bamberg mit und beließen es bei kleinen Kritikpunkten und Kurskorrekturen. Dies entsprach ihrem gemäßigten und ergebnisorientierten Politikstil. Stärkster Befürworter des Pragmatismus war der Fraktionsvorsitzende Johann Steitz. 1119 Er führte die Sozialdemokraten während der gesamten Weimarer Republik, nahm öffentlich Stellung und berichtete für die Stadtratsfraktion auf den SPD-Generalversammlungen. 1120 Steitz’s Kompromissbereitschaft zeigte sich beispielsweise bei den Haushaltsverhandlungen 1928. Umstritten war dabei die Verwaltungskostenabgabe, die auch Kopf- oder Bürgersteuer genannt wurde. 1121 Im Gegensatz zur BVP stimmte die SPD letztendlich dem Etat zu, obwohl sie mit einzelnen Punkten nicht zufrieden war. Die Aussprache zwischen den jeweiligen Fraktionsvorsit-
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 9.12.1931, StadtABa, C 1, Nr. 698; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 634. Vgl. Fülberth, Beziehungen, S. 155; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 634; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1760–1766. 1112 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1858; Stadtratsprotokoll v. 16.10.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 634 f. 1113 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 9.12.1929, StadtABa, C 1, Nr. 698. 1114 Vgl. Saldern, Wohnungsbaupolitik, S. 185, 208–223; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 635. 1115 Vgl. Groß, Andrea: Arbeitersiedlungen in Nürnberg. Betrachtung der Siedlungen nach kunsthistorischen, sozialpolitischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten. Nürnberg 2009. 1116 Vgl. Bericht zur Verwaltungssenatssitzung v. 21. 6.1928, StadtABa, BS, Nr. 226/3: „Genehmigung findet weiter ein Angestellten-Wohnhausneubau der Firma Manz in der Hornthalstraße unter Einhaltung der baupolizeilichen Vorschriften. Stadtrat Steitz begrüßt, dass nunmehr auch die Industrie für ihre Angestellten Wohnungen erstellt und ersucht das Bauamt in entgegenkommendster Weise den Bauherrn gegenüber zu verfahren.“; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99. 1117 FS v. 2. 5.1930, Nr. 99. 1118 Vgl. FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; FS v. 1. 4.1927, Nr. 75; Stadtratsprotokoll v. 4. 6.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675; Fülberth, Beziehungen, S. 155. 1119 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 1. 6.1922, Nr. 125; FS v. 17. 6.1925, Nr. 135; FS v. 1. 4.1931, Nr. 75; FS v. 2. 2.1932, Nr. 26; Link, Katholizismus, S. 333. 1120 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 25. 6.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; FS v. 1. 9.1920, Nr. 202; FS v. 8. 2.1922, Nr. 32; FS v. 28. 7.1927, Nr. 171; FS v. 2. 2.1932, Nr. 26. 1121 Vgl. FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; Schüller, Regensburg, S. 158, 163. 1110 1111
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zenden Johann Steitz und Georg Rattel gestaltete sich folgendermaßen: „Stadtrat Steitz betonte, er sei furchtbar überrascht, dass die Bayerische Volkspartei den Etat ablehne, nachdem sie sich in der letzten erweiterten Finanzausschußsitzung mit dem Etat, wie er jetzt vorgetragen, einverstanden erklärt habe. Da sei es schon am besten, seine Partei lehne den Etat auch ab und man wurstelt einfach ins neue Jahr hinein. Die Sozialdemokraten stimmen dem Etat zu, nachdem die Verwaltungsabgabe gefallen ist, die eine ungerechte Belastung gerade der kleinen Existenzen wäre. Unter allen Umständen halte auch seine Partei daran fest, dass die Gas- und Strompreise nicht erhöht werden dürfen. Einsparungen seien wohl möglich. Aber wenn schon Stadtrat Rattel den Posten Stadtarzt streichen will und auch die Pflasterung der Altenburger Straße, so halte er es für genau so richtig, wenn die Stadt den Baustein zu der neuen St. Heinrichskirche in Höhe von 10000 M streicht. Seine Partei habe zwar auch manche Bedenken gegen den Etat gehabt, habe aber diese zurückgestellt und nehme ihn an. […] Stadtrat Rattel legte nochmals seine Ansichten dar und bemerkte zu der Bemerkung von Stadtrat Steitz wegen des Kirchenbausteins, das seien Ansichtssachen, da kämen sie beide nie zusammen. […] Stadtrat Steitz bemerkt, dass seine Partei nicht gegen einen Baustein für die St. Heinrichskirche gewesen sei, aber wenn schon Abstriche gemacht werden wie bei Stadtarzt und Pflasterung, so müsse er sagen, daß ihm das Wohl der Kinder, die von einem Arzt betreut werden können, höher stehe als der Baustein zur Kirche. Uebrigens könne er auch nach diesen Ausführungen nicht verstehen, warum die Bayerische Volkspartei, die doch in der letzten Beratungssitzung dem Etat in ihrer Mehrheit zugestimmt habe, heute umgefallen sei. Die Stadträte der Bayerischen Volkspartei seien doch mündig und
müssen wissen, für was sie stimmen. So etwas wie die jetzige nachträgliche Ablehnung sollte man bei fortgeschrittenen Mitgliedern der Bayerischen Volkspartei nicht erwarten.“ 1122
Johann Steitz machte in diesem Schlagabtausch klar, dass er samt der sozialdemokratischen Fraktion zu Eingeständnissen zum Wohle der Stadt bereit war und nicht theoretische und programmatische Fragen in den Vordergrund rückte. Konsequenterweise stellte es für die SPD-Bamberg auch kein Problem dar, 1925 die Erhaltung der Matersäule in der Mittelstraße zu unterstützen, denn auch in Religionsfragen war die SPD im Stadtrat tolerant. 1123 Als 1931 die Finanzlage der Stadt äußerst angespannt war und nur mittels eines Notetats gewirtschaftet werden konnte, lenkte die SPD ein. Sie stimmte schließlich dem Haushalt samt Einführung einer Bürgersteuer zu, obwohl sie diese stets abgelehnt hatte. 1124 Die Sozialdemokraten sprangen damit über ihren eigenen Schatten; denn noch 1928 hatten sie diese direkte Abgabe als „roheste, ungerechteste und unsozialste Steuer“ 1125 charakterisiert. 1126 Bamberg blieb mithilfe der SPD in der Weltwirtschaftskrise handlungsfähig, wohingegen die örtliche NSDAP im Stadtgremium durch antiparlamentarische Destruktivität auffiel. 1127 Die kommunale Kooperation der sozialdemokratischen Fraktion stieß allerdings in den eigenen Reihen wiederholt auf Unmut und es zeigte sich in Mitgliederversammlungen, dass die Basis den moderaten Kurs nur teilweise mittrug. 1128 1922 kam es parteiintern zu Aufregung und Protesten gegen die Einstellung der Straßenbahn, gegen die Erhöhung der Gas-, Wasser- und Elektrizitätspreise sowie gegen die Erhebung einer Mietsteuer. 1129 All diese Maßnahmen waren im Stadtrat von der SPD mitgetragen worden. Steitz musste sein Handeln rechtfertigen und für „mehr Aufklärung“ 1130 sorgen, denn viele Parteimitglieder waren „nicht auf dem Laufenden und
Bericht zur Stadtratssitzung v. 8. 5.1928, StadtABa, BS, Nr. 226/3; vgl. FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 1124 Vgl. FS v. 1. 4.1931, Nr. 75; Zehentmeier, Entwicklung, S. 96–98; Stadtratsprotokoll v. 28. 6.1932, StadtABa, C 1, Nr. 703. Ähnlich war auch die Entwicklung in der Kommunalpolitik in Regensburg, denn der Stadtrat lehnte zwar 1927 die Bürgersteuer ab, führte sie dann aber 1930 ein. Vgl. Schüller, Kommunalpolitik, S. 163. 1125 FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 1126 Vgl. FS v. 26.1.1931, Nr. 20; FS v. 29.1.1931, Nr. 23; FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. 1127 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 97. 1128 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 1129 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; Kopp, Spuren, S. 275 f. 1130 FS v. 13. 6.1922, Nr. 134. 1122 1123
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urteil[ten] in vielen Punkten eben anders“ 1131. Bei der Verteidigung seines Vorgehens führte der SPDStadtrat als Ausgleich für die Eingeständnisse den verabschiedeten Bauplan auf, denn durch diesen würden neue Wohnungen und Arbeitsstellen geschaffen. 1132 In seinem Schlussplädoyer „gab [er] zu verstehen, daß manche Frage nicht rein gefühlsmäßig, sondern mehr vom wirtschaftlichen Standpunkt aus zu behandeln sei.“ 1133 Die neue Rolle der SPD als Staats- und Regierungspartei waren demnach nicht nur überregional schwer zu vermitteln, sondern sorgte auch vor Ort für Irritation und Enttäuschung. 1134 In der städtischen Kulturpolitik bildeten Filme als neues Massenmedium den Stein des Anstoßes. Während die SPD gegen die Vorführung von Kriegsfilmen kämpfte und stattdessen Bildungs-, Aufklärungs- und Sittlichkeitsfilme begrüßte, forderten BVP und katholische Vereine in Bamberg eine Prüfungskommission und innerstädtische Zensur, um die Aufrechterhaltung von Sittlichkeit und Moral zu garantieren. 1135 1919 verursachten der Film „Alraune“, eine Romanverfilmung zur künstlichen Befruchtung, und der Streifen „Hyänen der Lust“ 1136 mit den Themen Mädchenhandel und Prostitution eine erhitzte Diskussion im Stadtrat. 1137 Bereits im Vorfeld hatte man von katholischer Seite eine erste Sitzung des geplanten lokalen Zensurausschusses einberufen und wollte nun durch dessen offizielle Anerkennung im Stadtrat Filme dieser Art in Bamberg unterbinden. 1138 SPD und Demokraten lehnten jedoch den katholischen Alleingang zu einer speziellen örtlichen Filmzensur
vollkommen ab. „Lächerlich“ 1139 mache man sich mit dieser Aktion, urteilte Josef Werner von der DDP. Die Sozialdemokratin Magdalena Wirthmann empfahl statt Verboten die zeitige Aufklärung der Jugendlichen durch die Mütter. 1140 Darüber hinaus kritisierte Hans Rösch, dass „in gewissen Kreisen das Bestreben [bestehe], dem Volke alle Bildungsmöglichkeiten zu rauben.“ 1141 Er selbst beurteilte nach einem Kinobesuch „Hyänen der Lust“ als „sehr belehrend“. 1142 In den Diskussionen wurde von den BVP-Stadträten auch ein Bericht im Freistaat angeprangert, der gerade diese Filme lobend hervorgehoben hatte. 1143 Die freizügige und liberale Haltung der Bamberger SPD war aber auch in der eigenen Partei bemerkenswert, denn im offiziellen Presseorgan Vorwärts wurden die Aufklärungsfilme wegen ihres niedrigen Niveaus skeptisch beurteilt. 1144 Doch je reaktionärer und prüder die katholischen Vertreter auftraten, desto freisinniger und offener artikulierten sich die Sozialdemokraten vor Ort. Letztendlich musste die katholische Fraktion das Filmgremium verwerfen, da sich keine Mehrheit dafür fand. 1145 Allerdings richtete der Bamberger Stadtrat eine Eingabe an das Reichsinnenministerium für ein restriktives Kinogesetz. 1146 Ob die Bitte aus Bamberg bei der Erarbeitung des Lichtspielgesetzes von 1920 beachtet wurde, ist nicht bekannt. 1147 Die SPD verfocht demnach ihre Bildungsbestrebungen nicht nur innerhalb ihrer Parteiorganisationen, sondern bemühte sich darum, Bildung und Aufklärung gesamtgesellschaftlich aufzuwerten. Einspruch erhoben die Sozialdemokraten 1922 im
FS v. 13. 6.1922, Nr. 134. Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134. 1133 FS v. 13. 6.1922, Nr. 134. 1134 Vgl. Miller, Bürde. 1135 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 17; FS v. 1. 2.1922, Nr. 26; FS v. 7.11.1931, Nr. 256; FS v. 19.1.1933, Nr. 15; Ziemann, Benjamin: Veteranen der Republik. Kriegserinnerung und demokratische Politik 1918–1933. Bonn 2014, S. 314. 1136 Dies war der zweite Teil des Films „Der Weg, der zur Verdammnis führt“. 1137 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 17; Murray, Bruce: Film and the German Left in the Weimar Republic. From Caligari to Kuhle Wampe. Austin 1990, S. 27. Die sogenannten Aufklärungsfilme erfreuten sich besonders zwischen 1919 und 1924 großer Beliebtheit. 1138 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 17. 1139 FS v. 3.11.1919, Nr. 17. 1140 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 17. 1141 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 17. 1142 FS v. 3.11.1919, Nr. 17. 1143 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 17. 1144 Vgl. Murray, Film, S. 30. 1145 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 17. 1146 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 17. 1147 Vgl. Murray, Film, S. 29. 1131
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Verwaltungsausschuss, als ein Kriegsfilm zur Westfront genehmigt wurde. 1148 Im Freistaat hieß es: „Wir sind der Anschauung, daß durch Filme dieser Art das Volk nicht moralisch und geistig gesunden kann. Die Nachwirkungen des Völkermordens zeigen sich deutlich in der ungeheuren Zunahme der Verbrechen. Filme belehrenden Inhalts, wie die Schäden ungesunder Wohnungen, Siedlungen, Berufskrankheiten, wären willkommener.“ 1149
Somit zeigte sich auch im Stadtrat die rote Linie der SPD, gegen Militarismus, Gewalt- und Kriegsverherrlichung einzustehen. Differenzen um Filme durchzogen die gesamte kommunale Politik während der Weimarer Republik. 1150 Sie standen im Fadenkreuz der Parteien, weil ihre Handlungen und Genres Weltanschauungen transportierten und die öffentliche Meinung beeinflussten. 1151 Durch ihre Inhalte und Handlungen konnten sie den Ideologien der unterschiedlichen Milieus zugeordnet werden und polarisierten daher. Der Stadtrat diente als Plattform, diese Konflikte offen auszutragen. Kinovorstellungen bildeten zudem eine neue Konkurrenz für die traditionellen Theateraufführungen und standen auch aus diesem Grund in der Kritik. 1152 So erfasste die Theaterkrise der 1920er Jahre auch Bamberg. 1153 Durch Eintrittsgelder und Abonnements konnte das Theater nicht mehr genügend Einnahmen erzielen und war daher auf Subventionen der Stadt angewiesen, die das Theater
seit 1919 übernommen hatte. 1154 Für die Spielzeit 1926/27 musste der Stadtrat einen Zuschuss von 120.000 Reichsmark aufbringen, um das Defizit zu decken und den Betrieb zu garantieren. 1155 Aufgrund dieser hohen Verluste und der städtischen Ausgabe drohte ab Herbst 1927 die Einstellung des Betriebs. 1156 Obwohl die SPD selbst durch ihre Unnachgiebigkeit in der Frage des ASB zur Vergrößerung der Probleme beigetragen hatte, war ihr die Bewahrung des kulturellen Angebots äußert wichtig. 1157 Johann Steitz legte mit folgenden Worten die Überzeugung der Sozialdemokraten dar: „In Frage Erhaltung des Theaters ist die Stellung der Sozialdemokraten klar. Die Erhaltung dieser Kulturstätte ist für die Stadt eine direkte Notwendigkeit, um die geistige Verarmung der Bevölkerung zu verhindern Selbst dann, wenn durch Wegfall der großen Oper und Einschränkung der Spieloper der Spielplan des Theaters eine gewaltige Einschränkung erfährt, wird das Theater trotzdem noch den Bedürfnissen eines Großteils der Bamberger Bevölkerung entsprechen.“ 1158
Außerdem gründete man ein Theaterpatronat, das durch die SPD unter anderem durch die Mitarbeit von Josef Dennstädt unterstützt wurde. 1159 Eine Lösung fand der Stadtrat schließlich durch einen Vertrag mit Schweinfurt: Das Bamberger Ensemble spielte dort dreimal pro Woche und schränkte die Vorführungen in Bamberg ebenfalls auf wöchentlich drei Abende ein. 1160 Durch diesen Zusammen-
Vgl. FS v. 1. 2.1922, Nr. 26; Murray, Film, S. 29, 155–160. Oftmals zeigte sich in der Weimarer Republik, dass Kriegsfilme über den Ersten Weltkrieg und Historienfilme beispielsweise über die preußische Vergangenheit weniger kritisch von der Filmzensur bewertet wurden als Filme mit linksideologischer Tendenz. 1149 FS v. 1. 2.1922, Nr. 26. 1150 Vgl. FS v. 7.11.1931, Nr. 256; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; FS v. 19.1.1933, Nr. 15; FS v. 25.1.1933, Nr. 20. 1151 Vgl. Langewiesche, Massenmedium, S. 114–130. 1152 Vgl. FS v. 1. 9.1927, Nr. 200: „Unser Theater ist in Not, und im Zeichen zunehmender Geldschwierigkeiten des Stadtsäckels in steigendem Maße gefährdet. Es kämpft wie alle anderen einen Existenzkampf mit den Einrichtungen moderner Errungenschaften, die nicht immer zur Vertiefung der Volksseele dienen, oft geradezu zur Verflachung führen.“; Papke, Gabriele: Wenns löfft, donn löfft’s. Die Geschichte des Theaters in Bamberg von 1860 bis 1878. Alltag einer Provinzbühne. Bamberg 1985, S. 253. 1153 Vgl. Papke, Wenns löfft, S. 253. 1154 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 16. 3.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Papke, Wenns löfft, S. 243; Schmidt, Kultur, S. 101. 1155 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 16. 3.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681. Dagegen stimmte geschlossen die Fraktion der Grund- und Hausbesitzer. 1156 Vgl. FS v. 1. 9.1927, Nr. 200; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; NV v. 18. 3.1929, Nr. 65; NZA v. 30.10.1931, Nr. 151. Ebenso wurde in Nürnberg das Theater seit 1920 von der Stadt betrieben. Im Gegensatz zu Bamberg galt dem links-demokratischen Stadtrat unter Oberbürgermeister Luppe das städtische Schauspiel trotz Defizite sogar in den 1930er Jahren als unentbehrlich. Vgl. Schmidt, Kultur, S. 101. 1157 Vgl. FS v. 2. 4.1928, Nr. 77. 1158 Vgl. FS v. 2. 4.1928, Nr. 77. 1159 Vgl. FS v. 1. 9.1927, Nr. 200; Papke, Wenns löfft, S. 258. 1160 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20. 4.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Papke, Wenns löfft, S. 258 f. 1148
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schluss wurden neue Einnahmen aus Unterfranken requiriert und diese sicherten die nächsten Spielzeiten. 1161 Doch während der Wirtschaftskrise stand die Bamberger Bühne erneut auf der Kippe. 1162 Im Stadtrat formierten sich die Theater-Gegner mithilfe der NSDAP und des Bürgerblocks, während die SPD an der Fortführung der Vorstellungen festhielt. 1163 Im Sinne der Sozialdemokraten wurden schließlich bis 1933 die Spielzeiten abgesegnet. 1164 Obendrein erfüllte man die Anregung von Johann Steitz, die Eintrittspreise zu reduzieren und bot Arbeitslosenvorstellungen an. 1165 Der Freistaat beschrieb eine solche Aufführung im Februar 1933 folgendermaßen: „Die Künstler hatten selbstverständlich ein außerordentlich dankbares Publikum, das mit größter Freude die ihm gebotene Abwechslung aus dem sorgenreichen Einerlei seiner unfreiwilligen Feiertage annahm.“ 1166
Der Anspruch der SPD, das Theater als Volksbildungsstätte zu erhalten, glückte letztendlich ohne Unterbrechungen. Selbst während der Dreißigerjahre wurde der Theaterbesuch durch die Hilfe der SPD-Fraktion allen Bevölkerungsschichten ermöglicht. Dies verdankten die Bamberger nicht nur, aber auch dem Einsatz der SPD-Stadtratsfraktion.
3.2.6 Die Jugend der SPD: Arbeiterverein, SAJ und Jungsozialisten Für die Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend in Bamberg war die Freizeit gut strukturiert und ausgefüllt, wie ein Blick auf das Monatsprogramm der SAJ im August 1927 verdeutlicht:
„August-Programm der Sozialistischen ArbeiterJugend Bamberg. Dienstag, 2. August: Vortrag. Dienstag, 9. August: Spielabend im Freien. Dienstag, 16. August: Frageabend. Dienstag, 23. August: Monatsversammlung. Dienstag, 30. August: Liederabend. Wanderungen. Sonntag, 7. August: Ausflug nach Frankendorf (Abmarsch früh 6 Uhr von der Geisfelder Unterführung.) Sonntag, 14. und Montag, 15. August: Wanderung in die Fränkische Schweiz. (Zeit der Abfahrt oder des Abmarsches wird noch bekanntgegeben.) Sonntag, 21. August: Morgenspaziergang in den Hauptsmoorwald (Treffpunkt früh 7 Uhr an der Eisenbahnbrücke – Nachmittags Baden bei den Arbeiter-Wassersportlern.) Sonntag, 28. August: Wanderung nach Würgau. Sonder-Veranstaltungen werden noch bekanntgegeben. Die Zusammenkünfte finden jeden Dienstag von 8 bis 10 Uhr im Jugendheim Nöth (Schillerplatz) statt. Genossen und Genossinnen, werdet fleißige Besucher unserer Veranstaltungen! I. A. der Leitung der S.A.J.-Bamberg: Georg Grosch, 1. Vorsitzender.“ 1167
Diese Zusammenstellung zeigt, dass die SAJ-Bamberg Mitte der 20er Jahre vor allem eine Freizeitund weniger eine Erziehungsorganisation für Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren darstellte. 1168 Der Schwerpunkt der Jugendarbeit lag auf Sport und Unterhaltung, sodass vor allem Ausflüge, Wanderungen und gesellige Abende mit Spiel und Musik dominierten. 1169 Dem 1919 auf der Konferenz
Vgl. Papke, Wenns löfft, S. 258 f. Vgl. NZA v. 30.10.1931, Nr. 151; Stadtratsprotokoll v. 16. 9.1931, StadtABa, C 1, Nr. 698; Stadtratsprotokoll v. 28.10.1931, StadtABa, C 1, Nr. 698; Papke, Wenns löfft, S. 260–262. 1163 Vgl. Papke, Wenns löfft, S. 261. 1164 Vgl. Papke, Wenns löfft, S. 261 f. 1165 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 16. 3.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Papke, Wenns löfft, S. 261; Baum, Kommunalpolitik, S. 200. 1166 FS v. 21. 2.1933, Nr. 43. 1167 JS v. 8.1927, Nr. 8. 1168 Vgl. Walter, Franz: Jugend in der sozialdemokratischen Solidargemeinschaft. Eine organisationssoziologische Studie über die Sozialistische Arbeiterjugend Deutschlands (SAJ). In: IWK 23 (1987), S. 322; Schley, Cornelius: Die Sozialistische Arbeiterjugend Deutschlands (SAJ). Sozialistischer Jugendverband zwischen politischer Bildung und Freizeitarbeit (= Quellen und Beiträge zur Geschichte der Jugendbewegung, Bd. 30). Frankfurt am Main 1987, S. 249; Winkler, Schein, S. 360 f.; Hofmann, Robert: Kritische Geschichte der deutschen Sozialdemokratie 1863–2014. Von der sozialistischen Zukunftshoffnung zur neoliberalen Beliebigkeit (= Studien zur deutschen Sozialdemokratie, Bd. 2). Planegg 2015, S. 183 f. Bis 1927 lag die Altersgrenze der SAJ bei 18 Jahren, auf dem Parteitag in Kiel wurde diese auf 20 Jahre heraufgesetzt. 1169 Vgl. Schley, SAJ, S. 100. 1161
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der Arbeiterjugendvereine formulierten theoretischen Anspruch, die Jugendlichen im Sinne des Sozialismus zu bilden, wurde nur indirekt durch die Vermittlung von Werten wie Solidarität, Gemeinschaft, Internationalität und Eigenverantwortung entsprochen. 1170 Dagegen trat die reine Wissensvermittlung in den Hintergrund. 1171 Dies entsprach den Bedürfnissen der Jugendlichen und war typisch für die Entwicklung der SAJ in ganz Deutschland zu einem „Jugenderziehungsverband der Sozialdemokratie im Freizeitbereich“. 1172 In Bamberg ging diese Phase einher mit der Leitung von Georg Grosch, der zwischen 1924 und 1928 der Jugendorganisation vorstand. 1173 Wie es für den Funktionärskörper der SAJ typisch war, gehörte er nicht zur Handwerkerschaft oder Industriearbeiterschaft, sondern zählte zu den kaufmännischen Angestellten. 1174 Unter seiner Regie setzte ab 1925 ein Aufstieg der Arbeiterjugend ein, der in der Presse mehrfach hervorgehoben wurde. 1175 Umfangreiche Monatsprogramme mit regelmäßigen Treffen und Unternehmungen, aber auch die Abhaltung der SAJ-Bezirkskonferenz in Bamberg im Februar 1927 waren Ausdruck dieser Blütephase. 1176 Bei Letzterer versammelten sich über 60 Funktionäre der SAJ in Bamberg. 1177 Die Unterbringung der auswärtigen Teilnehmer wurde über den Freistaat organisiert und ein Begrüßungsabend im „Nöth“ veranstaltet. 1178 Im Presseorgan Jugend-Stimme schwärmte die Würzburger Arbeiterjugend anschließend von „einem Spaziergang zur Altenburg“ 1179 und der „schön gelegenen Stadt Bamberg“ 1180.
Diese Zeitschrift Jugend-Stimme war eine monatliche Beilage des Freistaats und des Fränkischen Volksfreunds zwischen 1924 und 1929, die vier Seiten umfasste und von der Arbeiterjugend aus Würzburg, Schweinfurt und Bamberg selbst verfasst wurde. 1181 Während des Engagements von Georg Grosch erschienen in der Jugend-Stimme lange Artikel aus Bamberg und zeugten vom positiven Trend der SAJ in der Regnitzstadt. 1182 In seinen Berichten beschrieb Georg Grosch die Aktivitäten der Bamberger Gruppe, beispielsweise die Osterwanderung nach Burgkunstadt, die Sonnwendfeier 1926, die Teilnahme am Reichsspieltag in Fürth 1927 und das oberfränkische Jugendtreffen auf dem Staffelberg 1928. 1183 Im Fokus seiner Schilderungen standen dabei die Aufbruchsstimmung der Jugend, die Abkehr vom Alltag und der Einklang mit der Natur – weniger die Politik: „Fröhliche Stimmung herrschte in dem von Wandererscharen vollbesetzten Zug und aus allen Wagen tönte Liedersang und Mandolinenklang. Nach einer Stunde Bahnfahrt in Scheßlitz angekommen, durchzogen wir mit Sang und Klang die Ortschaft und wanderten Stübig zu. Noch einige Orte passierend, gelangten wir zum Fuße des Wattendorfer Berges. Um uns her ein Sprießen und Keimen, das geheimnisvolle, ewig neue Frühlingswerden, im feschen Grün Berg und Tal, siegend brechen die Knospen die beengenden Hüllen und weiten sich der Sonne entgegen. Zwischen steilabfallenden Ber-
Vgl. Eppe, Heinrich: 100 Jahre Sozialistiche Jugend in Deutschland im Überblick. In: Sozialistische Jugend im 20. Jahrhundert. Studien zur Entwicklung und politischen Praxis der Arbeiterjugendbewegung in Deutschland. Hg. v. H. Eppe/U. Herrmann. München 2008, S. 43–68; Schley, SAJ, S. 97 f., 106. 1171 Vgl. Schley, SAJ, S. 98. 1172 Schley, SAJ, S. 249. 1173 Vgl. Einwohnermeldekarte Georg Grosch, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58b; JS v. 12.1924, Nr. 8; JS v. 11.1928, Nr. 11; Dornheim/Schindler, Aron, S. 25; Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834. Georg Grosch wurde 1924 auf Vorschlag der SAJ-Bamberg zum Unterbezirksleiter gewählt, ab 1926 führte er die Ortsgruppe der SAJ als Vorsitzender an und 1928 gab er dieses Amt an seinen Bruder Hans Grosch ab. 1174 Vgl. Einwohnermeldekarte Georg Grosch, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58b; Walter, Franz: Die SPD. Vom Proletariat zur Neuen Mitte. Berlin 2002, S. 71 f. 1175 Vgl. FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; JS v. 1.1927, Nr. 1; FS v. 9. 2.1927, Nr. 32. 1176 Vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; JS v. 7.1926, Nr. 7; JS v. 8. 1926, Nr. 8; JS v. 5.1927, Nr. 5; JS v. 8.1927, Nr. 8; Lagebericht v. 19. 2.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 696; Der Führer. Monatsschrift für Führer und Helfer der Arbeiterjugendbewegung (künftig: DF) v. 4.1927, Nr. 4; Bezirkskonferenz Franken (13. 2. in Bamberg), Archiv der Arbeiterjugendbewegung, Zeitschrift (künftig: AAJB, ZA), Nr. 648. 1177 Vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr. 22. 1178 Vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr. 22. 1179 JS v. 3.1927, Nr. 3. 1180 JS v. 3.1927, Nr. 3. 1181 Vgl. JS v. 5.1924, Nr. 1. 1182 Vgl. JS v. 5.1927, Nr. 5; JS v. 10.1927, Nr. 10; JS v. 6.1928, Nr. 6. 1183 Vgl. JS v. 7.1926, Nr. 7; JS v. 5.1927, Nr. 5; JS v. 10.1927, Nr. 10; JS v. 8.1928, Nr. 8. 1170
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Das politische Sozialmilieu
gen geht es bergan an weidenden Schafherden vorbei, der Höhe zu.“ 1184
Anhand dieser Erzählungen von 1927 wurde deutlich, dass in Bamberg die positive Stimmung der Anfangsjahre nach dem Reichsjugendtag in Weimar 1920 noch immer lebendig und identitätsstiftend war. 1185 Der sogenannte „Geist von Weimar“ mit dem Leitbild des „Neuen Menschen“ 1186 in einer sozialistischen Gesellschaft prägte die Bamberger Arbeiterjugend bis Ende der 1920er Jahre. 1187 Im Gegensatz zu anderen Ortsgruppen hielt vor 1930 kein militärischer und radikalisierter Charakter Einzug in die SAJ. 1188 Fortwährend sang man beispielsweise die romantische Hymne aus Weimar „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“ und ging nicht zu kämpferischen Liedern wie vom „roten Flieger“ über. 1189 Auffällig war außerdem, dass viele Veranstaltungen der Bamberger SAJ auf christliche Feiertage gelegt wurden, denn man verreiste regelmäßig zu Ostern, Pfingsten, Fronleichnam und Maria Himmelfahrt. 1190 Einerseits bot dies die Möglichkeit eines verlängerten Aufenthalts durch den zusätzlichen freien Tag, andererseits offenbarte dies die Distanz zur Kirche und die Glaubensferne. Wer an diesen Tagen in der Natur wanderte, besuchte keinen Gottesdienst und legte keinen Wert auf christliche Traditionen und Bräuche. Die Bamberger SAJ positionierte sich klar gegen die Kirche. So hatten
auch die jährlichen Sonnwendfeiern der Jugend, die teilweise zusammen mit den Arbeiterwassersportlern des Vereins „Neptun“ ausgetragen wurden, eine antiklerikale Stoßrichtung. 1191 Die Ortsgruppe der SAJ war in dieser Hinsicht radikaler und antichristlicher als die älteren Genossen der SPD-Bamberg. Als Reaktion darauf betrieben Geistliche in Bamberg gezielt Propaganda gegen die SAJ und versuchten, Schüler von dieser Organisation fernzuhalten. 1192 Darüber hinaus legte die Bamberger Arbeiterjugend wie andere Ortsgruppen Wert auf die Abstinenz von Alkohol und Nikotin. 1193 Georg Grosch schrieb dazu 1928 in der Jugend-Stimme: „Auch ist es ein ganz besonderes Verdienst unserer SAJ, daß sie mit aller Schärfe den Kampf gegen die beiden, dem jungen Körper so schädlichen Gifte führt, diese sind Nikotin und Alkohol, die dem jungen Menschen schon frühzeitig Lebensfrische und Jugendkraft nehmen. […] Nein, wir sagen euch, wir haben es satt, unsere kostbare freie Zeit in Wirtschaften bei Alkohol und Nikotin zu verbringen, wir wollen hinaus in die frische, freie Natur.“ 1194
Die Absage an die beiden Suchtmittel gehörte zur alternativen Lebensführung und war der Jugend besonders wichtig. 1195 Gerade aus den Reihen der SAJ-Bamberg wurde daher von Wilhelm Aron 1925 eine „Sozialistische Abstinenzler-Gruppe Bamberg“
JS v. 5.1927, Nr. 5. Vgl. Eppe, 100 Jahre, S. 56; Lorenz, Robert: „Dem Morgenrot entgegen“. Das Weimar der Arbeiterjugend. In: Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Hg. v. F. Walter/F. Butzlaff. Berlin 2013, S. 96–102. 1186 Ursprünglich stammte das Konzept des „Neuen Menschen“ aus dem Christentum, das in der Taufe die Wiedergeburt des Neuen Menschen sah. Infolge der Umbrüche und Krisenerscheinungen im 19. und 20. Jahrhundert adaptierten politische Weltanschauungen und Ideologien den Begriff. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg wuchs die Sehnsucht nach einer erneuerten, egalitären Gesellschaft mit Neuen Menschen. Der Neue Mensch sollte dabei selbstbestimmt und in Einklang mit der Natur leben. Vgl. Poppelreuter, Tanja: Das Neue Bauen für den Neuen Menschen. Zur Wandlung und Wirkung des Menschenbildes in der Architektur der 1920er Jahre in Deutschland (= Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 171). Hildesheim u. a. 2007, S. 9–25. 1187 Vgl. Eppe, 100 Jahre, S. 56; Lorenz, Morgenrot, S. 100 f. 1188 Vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr 32; FS v. 21.1.1928, Nr. 17; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; Lorenz, Morgenrot, S. 103. 1189 Vgl. FS v. 7.11.1923, Nr. 250; JS v. 4.1927, Nr. 4; FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; Lorenz, Morgenrot, S. 103. 1190 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; JS v. 5.1927, Nr. 5; JS v. 8.1927, Nr. 8; JS v. 4.1928, Nr. 4; FS v. 25. 5.1932, Nr. 118. 1191 Vgl. FS v. 23. 6.1922, Nr. 142; FS v. 27. 6.1923, Nr. 144; JS v. 7.1924, Nr. 3; JS v. 7.1926, Nr. 7; FS v. 17. 6.1930, Nr. 136; FS v. 23. 6.1931, Nr. 140; Lösche/ Walter, Klassenpartei, S. 56. 1192 Vgl. FS v. 14. 9.1922, Nr. 211; DF v. 4.1927, Nr. 4; Bezirkskonferenz Franken (13. 2.), AAJB, ZA, Nr. 648. 1193 Vgl. FS v. 7.11.1923, Nr. 250; DF v. 4.1927, Nr. 4; JS v. 2.1928, Nr. 2; JS v. 8.1928, Nr. 8; JS v. 10.1928, Nr. 10; Bezirkskonferenz Franken (13. 2. in Bamberg), AAJB, ZA, Nr. 648; Lorenz, Morgenrot, S. 98; Walter, SPD, S. 69; Dornheim/Schindler, Aron, S. 23. 1194 JS v. 10.1928, Nr. 10. 1195 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 48–51; Walter, Republik, S. 215 f. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts war es eine umstrittene Frage im Deutschen Arbeiter-Abstinenten-Bund, ob man eigene Jugendgruppen bilden sollte. 1923 wurde schließlich ein Jugendwerk der Arbeiter-Abstinenten eingerichtet, dieses fand jedoch wenig Zuspruch und wurde seit 1928 nicht mehr gefördert. In Bamberg ging die Abstinenzbewegung zwar von der Jungend aus, eine eigene Organisation wurde aber nicht erwogen. 1184 1185
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
ins Leben gerufen, die vor allem Vorträge veranstaltete. 1196 Als Redner sprach im Oktober 1925 Gustav Riep, der Vorsitzende des Verbandes sozialistischer Abstinenzler über „Sozialistische Lebensfragen“. 1197 Willy Aron zeichnete für den Vortrag verantwortlich und war außerdem zuständig für Neuaufnahmen in den Kreis der Abstinenten. 1198 Als Aron in den folgenden Jahren jedoch zum Studium nach Würzburg und München ging, waren im Freistaat keine weiteren Meldungen der Bamberger Gruppe zu lesen. 1199 Dieser Lebensreformverband scheint mit seinem Weggang eingeschlafen zu sein. Insgesamt war die Sozialistische Arbeiterjugend in Bamberg ein kleiner eingeschworener Kreis, der immer wieder mit Finanz- und Organisationsproblemen kämpfte. 1200 Aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit war der Kassenbestand stets angespannt und die Gewerkschaften wurden zu Abgaben für die Nachwuchsförderung angehalten. 1201 Bis zur Übernahme des „Nöth“ 1925 blieb zudem die Lokalfrage ein ungelöstes Problem und erschwerte die kontinuierliche Arbeit, sodass die SAJ sich vorwiegend auf Veranstaltungen im Freien spezialisieren musste. 1202 Die SAJ-Bamberg war daher lange Jahre eine „Schön-Wetter-Organisation“ und verfiel
in der kalten Jahreszeit in eine Art „Winterschlaf“. Selbst als das „Nöth“ zum Jugendheim für die SAJ wurde, stieß die eher politische „Winterarbeit“ bestehend aus Vorträgen, Vorleseabenden und Bildungskursen auf wenig Begeisterung. 1203 Berichte in der Jugend-Stimme aus Bamberg finden sich daher in den Wintermonaten nur sehr vereinzelt. 1204 Die Mitgliederstärke der SAJ-Bamberg lag ab 1925 vermutlich zwischen 15 und 30 aktiven Jugendlichen, denn Fotos der Ausflüge zeigen solche Gruppenstärken und in der Jugend-Stimme wurde 1927 bei der Osterwanderung eine Teilnehmerzahl von 30 erwähnt. 1205 Ähnlich wie die sozialdemokratische Arbeiterbewegung im Allgemeinen, durchlief die Jugendorganisation verschiedene Phasen. 1206 Zu Beginn der Weimarer Republik hatte in Bamberg als Vorläufer der SAJ die „Arbeiterjugend“ existiert, die auch als „Freie Jugend-Organisation“ bezeichnet worden war und an den Jugendausschuss aus dem Kaiserreich angeknüpft hatte. 1207 Parallel zum Aufwärtstrend der SPD erhielt diese Gruppe großen Zulauf in den ersten Jahren der Weimarer Republik. 1208 So wurde beispielsweise auf der Parteiversammlung der SPD im Januar 1921 „die erfreuliche Tatsache gemeldet“ 1209, dass sich die Jugend-
Vgl. FS v. 6.10.1925, Nr. 228: „Zahlreiche Aufnahmen wurden gemacht, sodaß auch Bamberg bereits eine Sozialistische Abstinenzler-Gruppe hat. Interessenten an der Abstinenzbewegung wenden sich an Willy Aron, Luitpoldstraße 32.“; Wunderer, Arbeitervereine, S. 48–51; Walter, Franz: Der Deutsche Arbeiter-Abstinenten-Bund (DAAB). In: Sozialistische Gesundheits- und Lebensreformverbände (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 2). Hg. v. P. Lösche. Bonn 1991, S. 97–239. 1197 Vgl. FS v. 6.10.1925, Nr. 228; Walter, Arbeiter-Abstinenten-Bund, S. 154, 221–230. Der Verband sozialistischer Abstinenten wurde 1922 als gemäßigte Abspaltung aus dem Deutschen Arbeiter-Abstinenten-Bund gebildet und war vor allem in Berlin und Westfalen, aber auch in Nürnberg verwurzelt. Gustav Riep war seit 1924 Reichsvorsitzender der sozialistischen Abstinenten und hatte in diesen eine uneingeschränkte Machtposition inne. Bamberg schloss sich vermutlich aufgrund der Nähe zu Nürnberg und der Agitation von Gustav Riep dem Verband sozialistischer Abstinenten an. 1198 Vgl. FS v. 6.10.1925, Nr. 228. 1199 Vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 20; Walter, Arbeiter-Abstinenten-Bund, S. 154. Die Arbeiter-Abstinentenbewegung erwies sich in ganz Deutschland als sehr abhängig von dem Engagement einzelner Funktionäre, da sie zu den kleineren Arbeiterorganisationen zählte. Insoweit war die Entwicklung der Bamberger Abstinenten-Gruppe typisch, da sie auf der Anwesenheit und dem Einsatz von Willy Aron fußte. 1200 Vgl. FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; FS v. 6. 2.1923, Nr. 30; JS v. 7.1925, Nr. 7; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 21.1.1928, Nr. 17. 1201 Vgl. JS v. 7.1925, Nr. 7: „Nicht erfreulich ist der Kassenstand. Vielleicht erinnern sich die Gewerkschaften an den Kartellbeschluß, wonach die Verbände verpflichtet sind, für das Vierteljahr an die Jugend einen Geldbetrag, der den Vereinen festzusetzen selbst überlassen ist, abzuliefern. Damit könnte Vieles geleistet werden.“; FS v. 21.1.1928, Nr. 17: „Der Kassenbestand bleibt infolge der großen Arbeitslosigkeit unserer Mitglieder das Schmerzenskind der Ortsgruppe.“ 1202 Vgl. JS v. 7.1925, Nr. 7: „Bedauerlich ist nur, daß die immer noch nicht gelöste Lokalfrage die geistige Schulung sehr einschränkt; dafür ist der Betrieb im Freien sehr rege.“ 1203 Vgl. JS v. 1.1927, Nr. 1; JS v. 11.1928, Nr. 11. 1204 Vgl. JS v. 1924–1929. 1205 Vgl. Dunkelgrünes Fotoalbum der SPD-Bamberg, SPDBa; JS v. 5.1927, Nr. 5; Dornheim/Schindler, Aron, S. 25; Krause, 115 Jahre, S. 57. 1206 Vgl. Walter, Franz: „Republik, das ist nicht viel“. Partei und Jugend in der Krise des Weimarer Sozialismus (= Studien des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, Bd. 2). Bielefeld 2011, S. 188. 1207 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; FS v. 1.12.1919, Nr. 195; FS v. 24.1.1921, Nr. 18; Link, Katholizismus, S. 306 f. 1208 Vgl. FS v. 24. 1.1921, Nr. 18; Walter, Republik, S. 188; Lorenz, Morgenrot, S. 102. 1209 FS v. 24. 1.1921, Nr. 18. 1196
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Das politische Sozialmilieu
bewegung „um 65 Mitglieder vermehrt hat.“ 1210 Angeleitet wurde sie von Georg Waller und Anton Schlauch. 1211 Gemessen an der Mitgliederzahl waren dies die stärksten Jahre der Arbeiterjugendbewegung – sowohl in Deutschland als auch in Bamberg. Für die Regnitzstadt war vor 1923 von bis zu 150 Jugendlichen die Rede. 1212 Die Hochphase der SPDBamberg nach der Revolution schloss demnach die Jugendbewegung mit ein. Bewusst warb man seit 1919 im Freistaat für die Arbeiterjugend als Organisation für beide Geschlechter: „Frauen und Männer der arbeitenden Jugend! Schickt eure Töchter und Söhne in jugendlichem Alter in die Jugendorganisation.“ 1213 Koedukation war eines der Alleinstellungsmerkmale der linken Jugendorganisationen und unterschied diese grundlegend von der katholischen Jugendpflege, die getrennte Jungmädchen- und Jungmännervereine unterhielt. 1214 Folglich waren auf den Fotografien der Bamberger Arbeiterjugend immer eine ausgeglichene Mischung aus Mädchen und Jungen zu sehen. 1215 Ein Versuch 1923, gesonderte Mädchenabende zu Themen wie Nähen, Kochen und Hausarbeit für die weibliche Arbeiterjugend einzuführen, misslang und wurde wieder durch gemeinsame Veranstaltungen abgelöst. 1216 Zwischen 1921 und 1922 erlebte die Arbeiterjugend Bamberg den Höhepunkt ihres Organisationsaufbaus. 1217 Die Jugend wurde aufgrund der wachsenden Mitgliederzahl in zwei Gruppen namens „Nöth“ und „Wunderburg“ unterteilt, die bis 1924 Bestand hatten. 1218 Außerdem unterstrichen zwei Ereignisse den Bedeutungszuwachs. Im April 1921 beging die Arbeiterjugend im Zentralsaal ihre Fahnenenthüllung, die als Fest des gesamten Milieus inszeniert wurde. 1219 An-
schließend erfolgte im Oktober 1921 der erste große öffentliche Auftritt mit der Veranstaltung eines Jugendtages in Bamberg. 1220 Parteisekretär Dewald betrachtete es in seiner Ansprache „als Anerkennung der geleisteten Arbeit, daß der Bezirksvorstand der Arbeiterjugendvereine ein Treffen nach Bamberg verlegt hat“, 1221 erwähnte aber zugleich die Schwierigkeiten der Freien Jugendbewegung in der hiesigen Stadt. 1222 Der wichtigste Programmpunkt des Jugendtages wurde am Sonntagnachmittag abgehalten: „Das schönste brachte der Nachmittag, wo sich ein Zug von etwa 400 Jugendlichen in schönster Ordnung, Kampflieder singend, zum Bahnhof und dann auf die Spielwiese begab. Zum Schrecken der Spießer, an denen Bamberg ja überreich ist, führten sie ein Viertelhundert rote Fahnen mit sich. Das tat am meisten weh, und man schien es gar nicht begreifen zu können, daß ‚so etwas‘ in Bamberg möglich sei. ‚Wacht auf ihr Arbeitsmänner!‘ so klang ihr frischer Sang.“ 1223
Aus den Zeilen des Autors sprach sowohl der Stolz über die Erfolge der Arbeiterjugend als auch der Spott gegenüber der überwiegend konservativen Einwohnerschaft in Bamberg. 1224 Der Jugendtag 1921 wurde dazu genutzt, die Arbeiterjugend nach außen darzustellen und ihre Vorstellungen in die Gesellschaft hineinzutragen. 1225 Den Behörden hingegen missfielen diese linken Zusammenkünfte der Arbeiterjugend; sie kritisierten einerseits das Herumtreiben, Musizieren und Benehmen und beurteilten andererseits die Wirkung abschätzig und negativ. 1226
FS v. 24.1.1921, Nr. 18; vgl. Schneider, Milieu, S. 39. Vgl. Schneider, Milieu, S. 39 f.; FS v. 14. 7.1922, Nr. 159. 1212 Vgl. Schneider, Milieu, S. 49. 1213 FS v. 1.12.1919, Nr. 195; vgl. FS v. 2.1.1920, Nr. 1; FS v. 2. 2.1920, Nr. 26; FS v. 1. 5.1920, Nr. 101. 1214 Vgl. Reindl, Jugendpflegeverein, S. 96–135, 286 f.; Schley, SAJ, S. 103. 1215 Vgl. Krause, 115 Jahre, S. 57; Dunkelgrünes Fotoalbum der SPD-Bamberg, SPDBa. 1216 Vgl. FS v. 6. 2.1923, Nr. 30. 1217 Vgl. FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; FS v. 11.10.1921, Nr. 234. 1218 Vgl. JS v. 10.1924, Nr. 6; Schneider, Milieu, S. 49. 1219 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; FS v. 14. 4.1921, Nr. 85; Schneider, Milieu, S. 39. 1220 Vgl. FS v. 11.10.1921, Nr. 234. 1221 FS v. 11.10.1921, Nr. 234. 1222 Vgl. FS v. 11.10.1921, Nr. 234. 1223 FS v. 11.10.1921, Nr. 234. 1224 Vgl. FS v. 11.10.1921, Nr. 234. 1225 Vgl. Schley, SAJ, S. 103. 1226 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Kronach v. 27. 9.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1853 zum Jugendtag am 17. September 1922 in Kronach: 1210 1211
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Die Namensänderung des Verbandes der Arbeiterjugendvereine Deutschlands zur Sozialistischen Arbeiter-Jugend durch die Verschmelzung mit der unabhängigen Sozialistischen Proletarierjugend von 1922 fand in Bamberg ein Jahr später Eingang in den Sprachgebrauch. 1227 Weitere Anpassungen mussten nicht vorgenommen werden, da die USPD in Bamberg keine Jugendgruppe unterhalten hatte. 1228 Organisatorisch untergliederte man die Ortsgruppen des Bezirks Oberfranken in vier Unterbezirke, von denen Bamberg neben Bayreuth, Coburg und Kronach einen Zusammenschluss leitete. 1229 Ab 1923 traten zeitgleich mit dem Mitgliederrückgang in der SPD auch Rekrutierungsprobleme in der SAJ zutage. 1230 Folglich wurde auf der Jahresgeneralversammlung eine „Mahnruf“ 1231 an die Mitglieder ausgesprochen, ihre Kinder in die Jugendorganisation zu schicken. 1232 Als Leiter fungierte zu dieser Zeit ein gewisser Kerner und Johann Helldorfer. 1233 Allerdings geriet die Jugendarbeit im Zuge der Parteikrise und Inflation zwischen Herbst 1924 und Sommer 1925 zum Erliegen, sodass die Wiederbelebung 1925 auch als „Neugründung“ interpretiert wurde. 1234. In einer SPD-Versammlung besprach man, wie die SAJ „wieder auf die alte Höhe“ 1235 gebracht werden könnte. Dies gelang in den Folgejahren unter Georg Grosch, obwohl die Mitgliederzahlen wie allgemein
in Deutschland unter den Werten der Anfangsjahre blieben. 1236 Zu Beginn der 1930er Jahre wandelten sich die Aufgaben und die Ausrichtung der SAJ. 1237 Immer bedeutender wurden die politische Erziehungsarbeit und der jugendliche Beitrag zu Wahlkämpfen und Parteiaktionen. 1238 Die SAJ-Bamberg vollzog diese offizielle Änderung in eingeschränktem Maße unter dem Vorsitz von Franz Dietz nach. 1239 Sie wurde nicht zu einer reinen „Jugenderziehungsund Kampforganisation“ 1240, sondern veranstaltete bis März 1933 Wanderungen, Spaziergänge, Badeausflüge, Spiel-, Lieder- und Unterhaltungsabende. 1241 Daneben machte sich aber die Politisierung in Vorträgen wie „Der Ausgang der Reichstagswahlen und die Arbeiterjugend“ von 1930 bemerkbar und steigerte sich ab 1932 bis zur Teilnahme an den Demonstrationszügen und Propagandamärschen der SPD und der Eisernen Front. 1242 Somit wurde auch die Bamberger SAJ als jugendlicher Stoßtrupp der Partei instrumentalisiert. 1243 Der Spagat zwischen politischem Einsatz, Erziehung und Freizeitgestaltung glückte jedoch weder in Bamberg noch in anderen Ortsgruppen. 1244 Anhand von Austritten und sinkenden Mitgliederzahlen wurde deutlich, dass die SAJ ihre Funktion als Hoffnungsträger für viele Jugendliche am Ende der Weimarer Republik eingebüßt hatte: „Der demokrati-
„Am Sonntag 17. wurde hier ein ‚sozialistischer Jugendtag‘ abgehalten; Scharen von Burschen und Mädchen aus dem benachbarten Thüringen, aus Nürnberg, Bamberg, Kulmbach, Coburg u. s.w. hatten sich eingefunden; sie führten teils schwarzrotgelbe teils rote Fahnen und Sowjetsterne mit sich, trieben sich nach Wandervogelart singend in den Strassen und auf der Schützenwiese herum und erregten durch ihr Benehmen unliebsames Aufsehen, auch bei einem guten Teil ihrer hiesigen Parteigenossen. Die sozialistische Sache wird dabei nicht gewonnen haben.“ 1227 Vgl. FS v. 22. 3.1923, Nr. 67; Walter, Republik, S. 159. 1228 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 30.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1229 Vgl. FS v. 14. 7.1922, Nr. 159. 1230 Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; Walter, Republik, S. 188; Schneider, Milieu, S. 54. 1231 FS v. 11. 5.1923, Nr. 106. 1232 Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106. 1233 Vgl. FS v. 14. 7.1922, Nr. 159; FS v. 13.10.1922, Nr. 236; JS v. 7.1924, Nr. 3; Schneider, Milieu, S. 49; Dornheim/Schindler, Aron, S. 25. Der Vorname von Kerner ist nicht bekannt. Teilweise wurde sein Nachname in den Berichten auch als „Körner“ wiedergegeben; er konnte daher nicht genauer identifiziert werden. 1234 Vgl. FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; JS v. 12.1924, Nr. 8; JS v. 7.1925, Nr. 7; JS v. 1.1927, Nr. 1; Beiersdorfer, Milieu, S. 39. 1235 FS v. 18. 5.1925, Nr. 112. 1236 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; Winkler, Schein, S. 364; Walter, Republik, S. 188 f. 1237 Vgl. Schley, SAJ, S. 298–301; Eppe, 100 Jahre, S. 56; Walter, Republik, S. 176 f. 1238 Vgl. Rundschreiben des Hauptvorstandes der SAJ v. 13. 5.1932, BArch, RY 11, II 107/3; Eppe, 100 Jahre, S. 56. 1239 Vgl. FS v. 17.10.1930, Nr. 139; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. Franz Dietz wurde spätestens 1930 zum Vorsitzenden gewählt und übte dieses Amt bis zum Verbot der SAJ 1933 aus. 1240 Schley, SAJ, S. 298. 1241 Vgl. FS v. 2. 2.1931, Nr. 26; FS v. 25. 5.1932, Nr. 118; FS v. 12. 8.1932, Nr. 184; FS v. 1. 2.1933, Nr. 26. 1242 Vgl. FS v. 16. 9.1930, Nr. 212; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 9.1.1933, Nr. 6. 1243 Vgl. Walter, Republik, S. 176 f. 1244 Vgl. Rundschreiben des Hauptvorstandes der SAJ v. 13. 5.1932, BArch, RY 11, II 107/3; Schley, SAJ, S. 298–301; Winkler, Katastrophe, S. 305.
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sche Sozialismus hatte die Jugendlichkeit verloren […]“, 1245 konstatierte Franz Walter. 1246 Infolgedessen traten manche Jugendliche von der SAJ zum Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) oder zur SAJ-Opposition über. 1247 Exemplarisch für die Abkehr der Jugend von der Sozialdemokratie zur linksradikalen Alternative steht der Lebenslauf von Adam Kaim (Geburtsjahrgang 1913) aus Bamberg, den dieser 1985 verfasste: „1929 Mitglied der SAJ in Bamberg. Inspiriert durch ihre Losungen ‚Nie wieder Krieg‘. 1931 Nach Beendigung der Lehre arbeitslos. Wanderschaft, anschließend Eintritt in die [sic] KJVD = kommunistischer Jugendverband Deutschland – in Bamberg. Angeregt durch seinen aktiven Kampf gegen den sich anbahnenden Faschismus, Jugendarbeitslosigkeit, Hunger u. Ausbeutung.“ 1248
Während in den 1930er Jahre der KJVD Zulauf erfuhr und sich die SAJ auf einem absteigenden Ast befand, wurde die zweite Jugendorganisation der SPD, die Jungsozialisten, sogar eingestellt. 1249 Anfang Juni 1931 zementierte nämlich der sozialdemokratische Parteitag in Leipzig das Ende der Jungsozialisten-Gruppen. 1250 In Bamberg hatte sich eine solche verhältnismäßig spät am 3. August 1921 gegründet. 1251 Im Gegensatz zu anderen Städten hatten sich die Bamberger Jungsozialisten aus keinem spontanen Zusammenschluss nach der Revolution gebildet und waren nicht dem Bedürfnis nach Distanzierung zur älteren und eingefahrenen Parteiorganisation entsprungen. 1252 Die gute Inte1245 1246 1247 1248 1249 1250 1251 1252 1253 1254 1255 1256 1257 1258 1259 1260 1261 1262 1263
gration der jüngeren Generationen in die SPD nach 1918 hatte eine separate Organisationseinheit zunächst überflüssig gemacht. 1253 Daher entstanden die Jungsozialisten in Bamberg nicht von innen heraus, sondern wurden von Partei und Gewerkschaften in die Wege geleitet und gefördert. 1254 Diese oktroyierte Gründung entsprach von Anfang an nicht dem Wunsch der Jugend und war dementsprechend wenig erfolgreich. 1255 Im Freistaat beklagte man unverhohlen, dass sich „nur ein kleines Häuflein“ 1256 zur ersten Versammlung zusammengefunden hatte und noch zwei Jahre später thematisierte man den Fehlschlag aufgrund der mangelnden Voraussetzungen. 1257 Zumindest konnte aber eine Vorstandschaft gewählt werden, die sich aus Jakob Kreiner, Michael Schneider, Michael Straub, Andreas Fehler, Julius Wagner, Johann Kreiner und einem weiblichen Mitglied namens Mandel zusammensetzte. 1258 Richtige Aktivitäten, die den Unternehmungen der SAJ ähnelten, entfalteten sich in Bamberg erst ab 1922. 1259 Beispielsweise lud man 1922 zu einer Reigenprobe, zu einem Tagesausflug zur Friesener Warte oder zu Diskussions-, Lieder- und Unterhaltungsabenden ins „Nöth“ ein. 1260 1923 wurde außerdem ein Familienabend veranstaltet, an dem ein sozialkritisches Theaterstück gezeigt wurde. 1261 Obwohl die Jungsozialisten eigentlich eine reine Schulungsorganisation sein sollten, schenkte man diesem Konzept in Bamberg wenig Beachtung. 1262 Zwar gab es auch in der Regnitzstadt Vorträge und Leseabende, doch diese bildeten nicht die wöchentliche Grundlage der Arbeit, sondern stellten Ausnahmen dar. 1263 Statt
Walter, Republik, S. 88. Vgl. Schley, SAJ, S. 300; Büttner, Weimar, S. 265. Vgl. NV v. 22. 2.1930, Nr. 44; Schley, SAJ, S. 300; Walter, Republik, S. 178–187. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, VVN/Hilde Kaim, D 2021 (künftig: StadtABa, D 2021), Nr. 2. Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 331. Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 331; Walter, Republik, S. 330–338. Vgl. FS v. 1. 8.1921, Nr. 174; FS v. 5. 8.1921, Nr. 178; Winkler, Schein, S. 365. Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 365; Walter, Republik, S. 19–22, 339. Vgl. FS v. 1. 7.1919, Nr. 67. Vgl. FS v. 1. 8.1921, Nr. 174; Schneider, Milieu, S. 40. Vgl. FS v. 5. 8.1921, Nr. 178; Jungsozialistische Blätter v. 3.1923, Nr. 3; Schneider, Milieu, S. 40 f. FS v. 5. 8.1921, Nr. 178. Vgl. Jungsozialistische Blätter v. 3.1923, Nr. 3. Vgl. FS v. 5. 8.1921, Nr. 178; Schneider, Milieu, S. 40 f. Vgl. FS v. 1. 6.1922, Nr. 125; FS v. 6. 7.1922, Nr. 152; FS v. 17. 8.1922, Nr. 187; FS v. 14. 9.1922, Nr. 211; FS v. 12.10.1922, Nr. 235. Vgl. FS v. 1. 6.1922, Nr. 125; FS v. 6. 7.1922, Nr. 152. Vgl. FS v. 15.12.1923, Nr. 271. Vgl. Schley, SAJ, S. 328; Walter, Republik, S. 247–250. Vgl. FS v. 1. 6.1922, Nr. 125; FS v. 6. 7.1922, Nr. 152; Winkler, Schein, S. 367.
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eines ambitionierten Bildungsprogramms zu sozialistisch-wissenschaftlichen Themen beschränkten sich die Bamberger Vorträge beispielsweise auf die Fragestellung „Was wollen wir Jungsozialisten?“ 1264 Zudem wurde in Bamberg oftmals nicht klar zwischen Sozialistischer Arbeiterjugend und Jungsozialisten unterschieden, sondern die Veranstaltungen wurden gemeinsam abgehalten, als „Jugendtreffen“ deklariert und eine exakte Trennung weder theoretisch noch praktisch durchgeführt. 1265 Dies war insofern ungewöhnlich, da andernorts SAJ und Jungsozialisten zu keinen gemeinsamen Aktionen zusammenfanden und meist in einem schlechten Verhältnis zueinander standen. 1266 Das verhältnismäßig niedrige Niveau der jungsozialistischen Bildungsarbeit und die zahlenmäßige Überschaubarkeit der linken Jugend in Bamberg ermöglichten die altersunabhängige Zusammenarbeit. Ein elitärer Zirkel waren die Jungsozialisten in Bamberg nicht, vielmehr eine übergangslose Folgeorganisation der SAJ für die höheren Altersstufen. 1267 Gemäß den offiziellen Richtlinien waren die Jungsozialisten die Gemeinschaft für junge Parteimitglieder zwischen 18 und 25 Jahren. 1268 Dies unterschied sie von den Angehörigen der SAJ, die noch vor dem Eintritt in die SPD standen. 1269 Eine Mitarbeit der jungen Parteigenossen bei den Jungsozialisten war zwar erwünscht, sie war aber nicht zwingend notwendig und blieb dem Einzelnen überlassen. 1270 Aus diesem Grund waren die Jungsozialisten in ganz Deutschland lose Zusammenschlüsse, die verglichen mit der SAJ niemals zu einer Massenorganisation wurden, sondern 1924 in 179 Gruppen lediglich 4.000 Mitglieder vereinten, deren Anzahl bis 1930 auf 3.000 zurückging. 1271 Schon diese deutschlandweiten Zah-
len offenbarten ein Rekrutierungsproblem, das speziell im Bezirk Franken evident wurde. 1272 Als 1923 in Bamberg die „Fränkische Jungsozialisten-Tagung“ abgehalten wurde, brachte der Bericht in den Jungsozialistischen Blättern auch diese Schwierigkeit zum Ausdruck: „Sonntag, 11. Februar, fand in Bamberg eine Tagung der fränkischen Jungsozialisten statt. Bei der Beurteilung muß man in erster Linie Rücksicht auf den vorwiegend ländlichen Charakter des Gebietes nehmen. Wer dies tat, wird seine Erwartungen nicht allzu hoch gesteckt haben. Von bewußt jungsozialistischem Streben kann in diesem Bezirk nicht gesprochen werden. Alle Gemeinschaften sind mehr oder weniger Sammelbecken junger Parteimitglieder. Das gab der Tagung das Signum.“ 1273
Diese Aussage charakterisiert in treffender Weise die Bamberger Tätigkeit der Jungsozialisten. Ein Vorteil der Ideologieferne in Bamberg war, dass die Jungsozialisten nicht in die Flügelkämpfe zwischen nationalen und marxistischen Gruppierungen hineingezogen wurden, die sich seit 1923 entspannten und zu einer Teilung zwischen dem sogenannten Hofgeismarkreis und dem Hannoveranerkreis führten. 1274 Anstelle einer aufgeladenen theoretischen Position zwischen Nationalismus und Internationalismus nahm die Bamberger Gruppe eine Mittelstellung ein: Sie blieb unauffällig, entfaltete wenig Ehrgeiz und hinterließ selbst in den Quellen nur geringe Spuren. 1275 Diese pragmatische und undogmatische Haltung war ein häufiges Phänomen, das jedoch selten in der Forschung gewürdigt wird. 1276
FS v. 1. 6.1922, Nr. 125. Vgl. FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 1. 6.1926, Nr. 122; FS v. 2. 5.1927, Nr. 99. 1266 Vgl. Walter, Republik, S. 206 f. 1267 Vgl. Walter, Republik, S. 206. 1268 Vgl. FS v. 2.11.1923, Nr. 246; Winkler, Schein, S. 367; Walter, Republik, S. 206. 1269 Vgl. Winkler, Schein, S. 367. 1270 Vgl. FS v. 1. 8.1921, Nr. 174. 1271 Vgl. Winkler, Schein, S. 364, 367, 375. Zum Vergleich: Die SAJ zählte 1924 hingegen 110.000 Mitglieder. 1272 Vgl. Jungsozialistische Blätter v. 3.1923, Nr. 3. 1273 Jungsozialistische Blätter v. 3.1923, Nr. 3; vgl. Walter, Republik, S. 190. 1274 Vgl. Winkler, Schein, S. 367–378. Hofgeismar ist ein Ort bei Kassel, in dem sich 1923 Jungsozialisten aus ganz Deutschland während der Ruhrbesetzung trafen und nationale und patriotische Töne anschlugen. Der Begriff Hofgeismarkreis wurde daher zum Synonym des rechten Flügels der Jungsozialisten. Demgegenüber stand der linke, marxistische Flügel, der sich 1924 in Hannoversch-Münden traf und als Ziele Marxismus, Internationalismus und Klassenkampf definierte. Bis 1926 schwelte der Konflikt zwischen den beiden Gruppen. Dann gewannen die Linksradikalen die Oberhand und die Hofgeismarer schieden aus der Organisation der Jungsozialisten aus. 1275 Vgl. Walter, Republik, S. 343. 1276 Vgl. Walter, Republik, S. 343. 1264 1265
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Die enge Zusammenarbeit mit der SAJ in Bamberg brachte allerdings den Nachteil, dass die Jungsozialisten zeitgleich mit dem Niedergang der SAJ 1924/25 in die Passivität abrutschten. So wurden zwischen April 1924 und Oktober 1925 keine Treffen der Jungsozialisten in Bamberg angezeigt. 1277 Die Parteileitung hielt sich zunächst zurück und erst nach der Wiederbelebung der SAJ wurden die Jungsozialisten im Oktober 1925 als „ein neues Glied der Parteibewegung“ 1278 im Freistaat angepriesen. 1279 Die unrühmliche Vorgeschichte wurde im Artikel nicht erwähnt, sondern man lobte bei dieser zweiten Gründung die gute Beteiligung und Begeisterung der Anwesenden. 1280 Deutlich wurde zum Ausdruck gebracht, dass die „engste Zusammenarbeit mit der Partei und Einverleiben in dieselbe für unbedingt notwendig“ 1281 erachtet wurden. Einem linksradikalen Abdriften wie bei anderen Gruppen, zum Beispiel in Sachsen und Thüringen, wurde von vornherein Schranken gesetzt. 1282 Ebenso wurde das Streben nach Autonomie und Eigenständigkeit unterbunden und verurteilt. 1283 Dazu erschien ein Artikel im Freistaat mit dem Titel „Ein Wort an unsere jüngeren Parteimitglieder“, in dem es hieß: „Leider mußten wir bei unseren jüngeren Parteimitgliedern schlechte Erfahrungen machen, was nur darauf zurückzuführen ist, daß diese nicht genügend über die Bewegung aufgeklärt sind. […] Immer wieder stoßen wir auf Genossen, die der Meinung sind, es handle sich bei den Jungsozialisten um eine neue, eigene Korporation. Diese Ansicht ist falsch, weil wir nur ein Glied, d. h. eine Abteilung der Partei, oder besser gesagt, die Abteilung der 18- bis 25-jährigen Parteimitglieder sind. […]
Es kann nicht oft genug erklärt werden: Wir gehören zur Partei.“ 1284
Diese Klarstellung der SPD-Bamberg im Anschluss an die erneute Bildung der Jungsozialisten bietet vielerlei Aufschluss. Es überrascht, dass die enge Bindung an die Partei in Bamberg so stark in den Mittelpunkt gestellt und zur Bedingung gemacht wurde. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die jungsozialistische Tätigkeit noch nicht deutschlandweit in diesem Sinne geregelt war. Erst im September 1926 vereinbarte die Juso-Reichsleitung mit dem Parteivorsitzenden die enge Kooperation mit der Partei und die Unterordnung der Nachwuchsorganisation. 1285 Außerdem wurde deutlich, dass Mitte der 1920er auch die SPD in Bamberg mit unterschiedlichen generationellen Vorstellungen kämpfte und die jungen Parteimitglieder nicht mehr auf derselben Linie wie die ältere SPD waren, sondern radikalere Ansichten pflegten. 1286 Des Weiteren zeigte sich die scharfe Frontstellung der Bamberger SPD gegen marxistische Strömungen, Toleranz wurde in dieser Hinsicht nicht geübt, sondern Kontrolle. Der Spielraum und die Entfaltungsmöglichkeit der Jungsozialisten waren demnach ab 1925 stark eingeschränkt. Folglich prägte sich nicht mehr ein eigenständiges und abwechslungsreiches Veranstaltungsleben wie vor 1924 aus. Die Jungsozialisten glichen einem Parteiausschuss, der nur zu speziellen Fragen und Veranstaltungen aktiv wurde. So beteiligten sie sich an einem Jugendherbergs-Abend 1926 im großen Zentralsaal, bei dem die Zukunft der Bamberger Jugendherberge diskutiert wurde. 1287 Ansonsten wurden nur gemeinsame Sitzungen mit der SAJ bekannt oder eine „Aussprache“ im Dezember 1926, die wiederum auf Organisationsschwierigkeiten und Richtungsstreitigkeiten rückschließen lässt. 1288
Vgl. FS v. 1. 4.1924, Nr. 77; FS v. 10.10.1925, Nr. 232. Lediglich im Februar 1925 fand eine einzige „allgemeine Jugendversammlung“ im „Nöth“ statt, an der die Jungsozialisten teilgenommen haben könnten. Vgl. FS v. 2. 2.1925, Nr. 26; Beiersdorfer, Milieu, S. 38. 1278 FS v. 10.10.1925, Nr. 232. 1279 Vgl. FS v. 10.10.1925, Nr. 232; Walter, Republik, S. 235 f. Auch in Würzburg kam es zu einer solchen Neugründung, die allerdings erst 1927 stattfand. Vgl. JS v. 2.1927, Nr. 2. 1280 Vgl. FS v. 10.10.1925, Nr. 232. 1281 FS v. 10.10.1925, Nr. 232. 1282 Vgl. FS v. 10.10.1925, Nr. 232; Walter, Republik, S. 235; Winkler, Schein, S. 371 f. 1283 Vgl. FS v. 28.11.1925, Nr. 274; Walter, Republik, S. 236 f. 1284 FS v. 28.11.1925, Nr. 274. 1285 Vgl. Walter, Republik, S. 236. 1286 Vgl. Walter, Republik, S. 233–237. 1287 Vgl. FS 21.1.1926, Nr. 16; FS v. 22.1.1926, Nr. 17. 1288 Vgl. FS v. 1. 6.1926, Nr. 122; FS v. 1.12.1926, Nr. 276. 1277
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Im Juni 1927 fand ein zweites Mal eine Gaukonferenz der Jungsozialisten in Bamberg statt, allerdings trat die Bamberger Ortsgruppe dabei nicht in Erscheinung. 1289 Der Werbeabend wurde von der Bezirksleitung – statt vom Gastgeber – durchgeführt und die neugewählte Gauleitung bestand ausschließlich aus Nürnberger und Fürther Mitgliedern. 1290 Vorzeigbar waren die Jungsozialisten in Bamberg wohl nicht. Passend dazu sprach der fränkische Gauvorsitzende Reinhard Eisner über „mannigfaltige Schwierigkeiten“, 1291 die sicherlich auch Bamberg betrafen. In ihrem eigenen kleinen Rahmen existierten die Jungsozialisten in Bamberg bis 1930. In jenem Jahr wurden im Sommer mehrere Versammlungen abgehalten, es fand ein Ausflug statt und im November 1930 nahm man zusammen mit der SAJ an einer Jugendfeier in Merkendorf teil. 1292 Während die SAJ für Merkendorf eine eigene Vorführung einstudierte und präsentierte, blieben die Jungsozialisten passiv und besuchten lediglich die Abschlussprobe und die Veranstaltung selbst. 1293 Dies wurde schließlich die letzte bekannte Unternehmung der Bamberg Jungsozialisten. Im Winter 1930/31 spitzten sich die Kämpfe um die Ausrichtung und Autonomie in vielen anderen Ortsgruppen zu und als die linksradikalen Jungsozialisten auf der Reichskonferenz in Leipzig die Oberhand gewannen, zog die Parteileitung die Reißleine und beendete das Kapitel Jungsozialismus im Sommer 1931. 1294 Die Organisation wurde aufgehoben. Ob sich in Bamberg die Jungsozialisten selbst auflösten oder die Liquidation durch die SPD durchgesetzt wurde, ist nicht bekannt. 1295 Nach der „Winterpause“ 1930/31 wurden jedenfalls keine jungsozialistischen Aktivitäten mehr ins Leben gerufen. In Bam-
berg stellte dies aufgrund der langjährigen engen Kooperation der Jungsozialisten und der SAJ keine große Zäsur dar. Die aktiven Mitglieder der Jungsozialisten reihten sich in die SAJ ein. So zeigt ein Foto der „Arbeiterjugend“ von 1931 in Bug bei Bamberg mehrere Jugendliche, die gemäß ihrem Alter nicht mehr Mitglied der SAJ hätten sein dürfen: Wilhelm Aron (geb. 1907), Fritz Dietz (geb. 1910), Jakob Kreiner (geb. 1900) und Georg Grosch (geb. 1906). 1296 Die Bamberger Jungsozialisten wurden in die noch bestehende SAJ problemlos integriert. Zusammenfassend zeigte sich in Bamberg, dass die Entwicklungen der SAJ und der Jungsozialisten einer Berg- und Talfahrt glichen. Beide Organisationen waren keine kontinuierlichen Erfolgsgeschichten während der Weimarer Republik. Die Besonderheit in Bamberg lag jedoch in der Tatsache, dass diese unstete „Fahrt“ gemeinsam unternommen wurde und parallel verlief. SAJ und Jungsozialisten waren keine separaten Organisationen, die sich misstrauisch gegenüberstanden, sondern im Bamberger Umfeld agierten sie als Einheit. „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“ war nicht nur ein programmatischer, illusionärer und verklärender Liedtext, sondern die Wirklichkeit der sozialdemokratischen Jugend in Bamberg.
3.2.7 Die sozialdemokratische Frauensektion Die Dienstage gehörten in Bamberg immer den Frauen der SPD. 1297 An diesem Abend traf sich die Frauensektion im „Nöth“ zu Nähabenden, Vorträgen, Lichtbilderpräsentationen oder allgemeinen Frauenversammlungen. 1298 Thematisiert wurden dabei aktuelle politische Geschehnisse, wie die Juli-
Vgl. FS v. 25. 7.1927, Nr. 168; Jungsozialistische Blätter v. 9.1927, Nr. 9. Vgl. FS v. 25. 7.1927, Nr. 168; Jungsozialistische Blätter v. 9.1927, Nr. 9. 1291 Jungsozialistische Blätter v. 9.1927, Nr. 9. Reinhard Eisner war ein Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Vgl. Walter, Republik, S. 150. 1292 Vgl. FS v. 23. 6.1930, Nr. 140; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147; FS v. 1. 9.1930, Nr. 199; FS v. 19. 8.1930, Nr. 188; FS v. 11.11.1930, Nr. 259. 1293 Vgl. FS v. 11.11.1930, Nr. 188. 1294 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 331 f.; Walter, Republik, S. 322–338. 1295 Vgl. Walter, Republik, S. 322–330. 1296 Vgl. Dunkelgrünes Fotoalbum der SPD-Bamberg, SPDBa; Einwohnermeldekarte Wilhelm Aron, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Georg Grosch, StadtABa, C 9, Nr. 58, 58b; Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 1297 Vgl. FS v. 1. 9.1924, Nr. 201; FS v. 3.11.1924, Nr. 254; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 15. 5.1925, Nr. 109; FS v. 6.10.1925, Nr. 228; FS v. 3.11.1930, Nr. 252; FS v. 1. 9.1931, Nr. 198; FS v. 1. 8. 1932, Nr. 174; FS v. 9.1.1933, Nr. 6. Die Praxis der regelmäßigen Frauenzusammenkünfte am Dienstag lässt sich zwischen 1924 und 1933 in Bamberg nachweisen. 1298 Vgl. FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 15. 5.1926, Nr. 109; FS v. 1. 3.1926, Nr. 49; FS v. 2. 7.1928, Nr. 148; FS v. 2. 6.1930, Nr. 124; Winkler, Schein, S. 352. 1289
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Das politische Sozialmilieu
revolte 1927 in Wien, 1299 geschichtliche Exkurse wie „Die Frau in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ 1300 oder lebenspraktische Fragen wie „Das Versicherungswesen“ 1301. Ins Leben gerufen wurden die gesonderten Frauenzusammenkünfte im April 1920 von Magdalena Wirthmann, die sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg in der SPD-Bamberg betätigt hatte. 1302 Die Gruppe der Sozialdemokratinnen nannte sich zunächst „Sozialdemokratischer Frauenverein“ und traf sich wöchentlich im „Nöth“. 1303 Der Titel der Auftaktveranstaltung lautete „Die Tätigkeit der Frau in den politischen Parteien“. 1304 Damit reagierte die SPD auf den ungünstigen Wahlausgang 1919, in dem sich gezeigt hatte, dass Frauen verhältnismäßig häufig BVP wählten, während die Sozialdemokratie nur wenig von der Einführung des Frauenwahlrechts profitierte. 1305 Es galt daher, die Frauen als Wählerinnen zu mobilisieren und als Parteimitglieder besser zu organisieren und zu integrieren. 1306 Gesonderte Frauengruppen erwiesen sich als adäquates Mittel, um den Anteil an weiblichen Mitgliedern zu steigern und ihre Mitarbeit zu fördern. 1307 In Bamberg war dafür Interesse vorhanden, sodass der Freistaat nach der ersten Frauenversammlung sowohl einen guten Besuch als auch einen großen „Wissensdurst und Verlangen, mitzuarbei-
ten“ 1308 unter den Frauen konstatierte. 1309 Ebenso wurde im Bericht zur Maifeier am 1. Mai 1920 hervorgehoben: „Ein besonderer Lichtblick ist die zahlreiche Teilnahme der Frauen und Mädchen. Diese bilden die Hauptstütze der Zentrumspartei, wenn sie sich abwenden, sind unsere Gegner erledigt.“ 1310
Nach dieser ersten lebhaften Phase 1920 gab es aus unbekannten Gründen 1921 eine Lücke in der Organisationsgeschichte, bevor im Februar 1922 die Frauenversammlungen wieder aufgenommen wurden. 1311 Diese etablierten sich nun endgültig, wobei die regelmäßigen Treffen zwischen einem wöchentlichen, vierzehntätigen oder teilweise auch monatlichen Rhythmus schwankten. 1312 Als Namen führte man seit 1922 „Frauensektion“ oder „Frauenkommission“. 1313 Die Bamberger SPD zählte demnach zu den 141 von insgesamt 493 Ortsgruppen in Franken, die überhaupt Frauenorganisationen unterhielten und verfügte sogar über eine aktive und verhältnismäßig solide Frauenbewegung. 1314 Dazu gehörte die Teilnahme an den Frauenkonferenzen im Bezirk, zu welcher die Bamberger Frauen beispielsweise 1923 vier Vertreterinnen entsandten. 1315 Neben Magdalena Wirthmann hoben sich Elise Firsching, Therese Kempf, Karolina (Lina) Brand und
Vgl. FS v. 2. 8.1927, Nr. 174. Unter der Julirevolte 1927 in Wien versteht man Unruhen im Anschluss an ein als ungerecht empfundenes Gerichtsurteil in Wien. Gegen den Willen der Sozialdemokratie endete ein Prozess mit Freisprüchen für Mitglieder einer Frontkämpfervereinigung, sodass am 15. Juli 1927 vor allem Arbeiter gegen die Staatsmacht protestierten. Die Demonstration mündete in einem Angriff auf den Wiener Justizpalast, der in Brand gesteckt wurde. Die Polizei beendete den Aufstand mit Waffengewalt. Insgesamt starben bei der sogenannten Julirevolte fast 100 Menschen. Vgl. Bruckmüller, Ernst: Die Gewalt der Angst. Lager- und Klassenbildung als Hintergrund des 15. Juli 1927. In: Justizpalast in Flammen. Ein brennender Dornbusch. Hg. v. T. Köhler/Ch. Mertens. Wien 2006, S. 27–40; Berger, Peter: Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert. Wien 22008, S. 104–108. 1300 FS v. 29. 4.1920, Nr. 99. 1301 FS v. 2. 6.1924, Nr. 126. 1302 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; Schneider, Milieu, S. 34; Link, Katholizismus, S. 450; Einwohnermeldekarte Johann und Magdalena Wirthmann, StadtABa, C 9, Nr. 58a. 1303 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; Schneider, Milieu, S. 34. 1304 Vgl. Schneider, Milieu, S. 34. 1305 Vgl. FS v. 15. 2.1919, Nr. 38; FS v. 17.1.1921, Nr. 12; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen, S. 81 f.; Grau, bayerische SPD, S. 44; Falter/Lindenberger/ Schumann, Wahlen, S. 81 f.; Winkler, Geschichte, S. 393. 1306 Vgl. FS v. 4. 6.1920, Nr. 126; Winkler, Schein, S. 350–352. 1307 Vgl. Winkler, Schein, S. 350–352. 1308 FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; vgl. Schneider, Milieu, S. 50. 1309 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; Winkler, Schein, S. 352. 1310 FS v. 4. 5.1920, Nr. 102. 1311 Vgl. FS v. 8. 2.1922, Nr. 32; FS v. 8. 3.1922, Nr. 56. 1312 Vgl. FS v. 28.11.1922, Nr. 274; FS v. 15. 5.1926, Nr. 109; FS v. 2. 5.1925, Nr. 99. 1313 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 14.11.1922, Nr. 262; FS v. 28.11.1922, Nr. 274; Schneider, Milieu, S. 50. 1314 Vgl. Lagebericht v. 16.11.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 665. 1315 Die Namen der ausgewählten Frauen wurden nicht bekannt gegeben. Vgl. FS v. 1. 2.1922, Nr. 26; FS v. 4. 7.1923, Nr. 149; FS v. 11. 7.1923, Nr. 150. 1299
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Margarete Dotterweich als besonders engagierte Sozialdemokratinnen hervor. 1316 Sie alle hatten Ehemänner, die sich ebenfalls aktiv in der SPD betätigten und waren bereits während des Kaiserreichs sozialisiert worden. 1317 Im Vorstand und der Leitung der SPD spielten die Frauen – wie allgemein in Deutschland – nur untergeordnete Rollen als Schriftführerin (Wirthmann und Firsching) oder Pressekommissärin (Brand). 1318 Außerdem übernahmen die beiden Stadträtinnen Magdalena Wirthmann und Elise Firsching Ausschussposten in typisch weiblichen Betätigungsfeldern wie im Armenrat, im Wohlfahrtsausschuss, im Wohnungssenat und im Bereich des Stiftungs-, Ernährungsund Brennstoffwesens. 1319 Im Gegensatz zu den Jugendorganisationen waren die Frauen weniger reise- und unternehmungsfreudig, sondern blieben meist vor Ort in Bamberg. Ausflüge waren höchst selten. 1320 Ein Grund für diese Gewohnheit lag sicherlich in ihren Verpflichtungen als Ehefrauen und Mütter. 1321 Ein weiterer bedeutender Unterschied im Vergleich zu den Jugendorganisationen und zur Gesamtpartei lag in der Konstanz und Persistenz der Sozialdemokratinnen seit 1922. Die weiblichen Mitgliederzahlen lagen zunächst bei 90 (1922) und drei Jahre später bei 81 (1925). 1322 Durch diesen nur geringfügigen Rückgang während des Abwärtstrends der Partei stieg der weibliche Anteil der Mitglieder von 13,3 % (1922) auf 19,3 % (1925) an. 1323 Dies entsprach überdurchschnittlichen Werten, denn die deutsch-
landweite SPD wies zwischen 1923 und 1925 nur 10,3 % bis 17,4 % Frauen auf. 1324 Die roten Bambergerinnen waren also krisenresistenter und treuer als ihre männlichen und jugendlichen Kollegen. Dies wurde auch deutlich in den Ausführungen auf der Jahresgeneralversammlung 1925: „Von der Frauensektion ist zu sagen, daß dieselbe einen sehr guten Aufstieg genommen hat, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß die weiblichen Mitglieder mit seltener Liebe an ihrer Partei hängen.“ 1325
Problematisch war für die Frauenbewegung also nicht der kontinuierliche Einsatz der Genossinnen, sondern die Hemmschwelle lag vor dem Eintritt in die Partei. So klagte der Kölner Reichstagsabgeordnete Wilhelm Sollmann bei einer öffentlichen Versammlung am 15. Januar 1921 in Bamberg über den Frauenmangel und forderte die politische Aufklärung der Frauen. 1326 Waren diese Hürden einmal überwunden, entschied ‚frau‘ sich in Bamberg nicht mehr um. Einmal in der SPD, blieben sie Genossinnen. Vergleicht man die Stärke der sozialdemokratischen Frauensektion mit dem katholischen Arbeiterinnenverein, so gab es zwischen den beiden Organisationen keine erhebliche Diskrepanz. Die christliche Vereinigung zählte nämlich in Bamberg etwa 100 Mitglieder während der Weimarer Republik. 1327 Allerdings blieb die Dominanz des katholischen
Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Einwohnermeldekarte Georg und Margarete Dotterweich, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Krause, 115 Jahre, S. 59. 1317 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Einwohnermeldekarte Georg und Karolina (Lina) Brand, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Georg und Margarete Dotterweich, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Johann und Magdalena Wirthmann, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Adolf und Elisabeth Firsching, StadtABa, C 9, Nr. 58a. Magdalena Wirthmann wurde 1867, Elisabeth Firsching 1891, Therese Kempf 1863 oder 1864, Lina Brand 1881 und Margarete Dotterweich 1885 geboren. Einzig bei Therese Kempf konnte das Engagement des Ehemanns in der SPD nicht nachgewiesen werden. 1318 Vgl. FS v. 13. 7.1920, Nr. 195; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; Winkler, Schein, S. 352; Schmidt, Parteiführungen, S. 258 f. 1319 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20. 6.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; Stadtratsprotokoll v. 28.1.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 17. 2.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676; Winkler, Schein, S. 352. 1320 Vgl. FS v. 23. 6.1931, Nr. 140. 1321 Vgl. Winkler, Schein, S. 353. 1322 Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“. 1323 Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“. Die Gesamtmitgliederzahlen betrugen 768 (1922) und 419 (1925). 1324 Vgl. Winkler, Schein, S. 350. 1325 FS v. 18. 5.1925, Nr. 112. 1326 Vgl. FS v. 17.1.1921, Nr. 12; Sonderbericht der Polizeistelle Nordbayern v. 17.1.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 2. 1327 Vgl. Schematismus der Geistlichkeit des Erzbistums Bamberg 1932. Bamberg 1932, S. 240. Zwar liegen sieben Jahre zwischen der Erhebung der SPD-Frauen (1925) und des katholischen Arbeiterinnenvereins (1932), doch da keine größeren Schwankungen für die Sozialdemokratinnen bekannt sind, geben diese Zahlen dennoch einen guten Anhaltspunkt. 1316
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Frauenbundes unantastbar, denn dieser vereinte 600 Katholikinnen in der Stadt. 1328 Daraus lässt sich schlussfolgern, dass unter den Frauen aus Arbeiterfamilien ein ausgewogenes Verhältnis zwischen kirchlicher und linker Orientierung in Bamberg bestand. Betrachtet man jedoch die Frauen aller gesellschaftlichen Schichten, dann überwog deutlich die Neigung zur katholischen Organisation. Unter den berufstätigen Frauen spielten vor allem die Textilarbeiterinnen eine wichtige Rolle für das sozialistische Milieu. 1329 Aus diesem Grund pflegte die SPD-Frauensektion in Bamberg ein enges Verhältnis zu Gaustadt, dem Textilarbeiterverband des ADGB und den dortigen Sozialdemokratinnen. 1330 Als 1921 die Landtagsabgeordnete Lina Ammon 1331 auf einer öffentlichen Volksversammlung im Fischerhof in Gaustadt auftrat, wurden im Freistaat „besonders die Arbeiterfrauen und Mädchen“ 1332 zur Beteiligung aufgerufen. 1927 hielt der Geschäftsführer des Deutschen Textilarbeiterverbandes Alexander Zwiebel einen Vortrag für die Bamberger Frauen. 1333 1930 wechselte der Frauenverein seinen Versammlungsort, denn anstelle des „Nöths“ trat das neueröffnete Gewerkschaftshaus des Deutschen Textilarbeiterverbandes in der Kleberstraße. 1334 Dieses Textilarbeiterheim blieb bis zum Frühjahr 1933 die wichtigste Anlaufstelle der Sozialdemokratinnen. 1335 Ein weiteres Charakteristikum der Bamberger Frauensektion war ihre Vermittlungs- und Verbindungsrolle zwischen den verschiedenen Einzelorganisationen der linken Arbeiterbewegung. Die Sozialdemokratinnen trugen maßgeblich dazu bei, dass das sozialistische Milieu nicht in getrennte Vereini-
gungen zerfiel, sondern ein zusammenhängendes Netz in Bamberg ausbildete. So halfen die Genossinnen den Arbeiterjugendlichen bei der Ausrichtung eines Familiennachmittags und ihrer Weihnachtsfeier. 1336 Ebenso traf man sich im Vorfeld des Kinderfestes mit den Funktionären der Arbeiterwohlfahrt 1927, um den Arbeitsplan für die Feier zu besprechen und die Zusammenarbeit zu koordinieren. 1337 Außerdem nahmen die Frauen an den Bildungsvorträgen des Kulturkartells teil und beteiligten sich am Zentralbildungsausschuss. 1338 Die Bamberger SPD-Frauen schufen also Zusammenhalt und fungierten als generationen- und organisationsübergreifender Kitt. Allerdings erfasste die Politisierung am Ende der Weimarer Republik auch die Frauengruppe. Folglich engagierten sich die SPD-Frauen verstärkt in den Wahlkämpfen der Partei. 1339 Im Sommer 1932 erschien nach der Juli-Reichstagswahl eine Bekanntmachung im Freistaat: „Soz. Frauensektion. Die auf Dienstag treffende Frauenversammlung fällt diesmal aus, um unseren Genossinnen nach den anstrengenden Wahlvorarbeiten eine kleine Atempause zu gönnen.“ 1340
Das normale gesellige und bildungspolitische Programm wurde dagegen 1932 von den sich zuspitzenden Parteikämpfen und speziell der Auseinandersetzung mit der NSDAP überlagert. Waren Hans Dill und Fritz Endres für die SPDOrtsgruppe durch ihre wiederholten Auftritte in Bamberg die wichtigsten auswärtigen Bezugspersonen, so nahm Lina Ammon diese Rolle für die
Vgl. Schematismus der Geistlichkeit des Erzbistums Bamberg 1932. Bamberg 1932, S. 246. Vgl. Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 47 f.; Adam, Arbeitermilieu, S. 84 f. 1330 Vgl. FS v. 1. 9.1921, Nr. 200; FS v. 1. 8.1927, Nr. 174; FS v. 2. 6.1930, Nr. 124. 1331 Lina Ammon (1889–1969) war eine ungelernte Fabrikarbeiterin aus Nürnberg, die 1910 in die SPD eintrat. 1920 wurde sie als eine der ersten Frauen in den Bayerischen Landtag gewählt und blieb dort bis 1933 SPD-Abgeordnete. Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sie sich vor allem als sozialdemokratische Stadträtin in Nürnberg. Zur Person Lina Ammon vgl. Zwanzig, Nürnberg, S. 36–41. 1332 FS v. 1. 9.1921, Nr. 200: „Gaustadt. Am Samstag, 3. September, spricht die Landtagsabgeordnete Frau Ammon aus Nürnberg in einer öffentlichen Volksversammlung im Fischerhof. Wir machen darauf aufmerksam. Besonders die Arbeiterfrauen und Mädchen sollten sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Frau Ammon ist Fabrikarbeiterin in der Bleistiftfabrik von Faber in Nürnberg und kennt aus eigener Erfahrung die Not der Arbeiterschaft. Deshalb sorgt für Massenbesuch!“ 1333 Vgl. FS v. 1. 8.1927, Nr. 174; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 1334 Vgl. FS v. 27.1.1930, Nr. 21; FS v. 2. 6.1930, Nr. 124; FS v. 17. 6.1930, Nr. 136; FS v. 30. 6.1930, Nr. 146. Die genaue Anschrift lautete Kleberstraße 33a. 1335 Vgl. FS v. 4.11.1930, Nr. 252; FS v. 1. 2.1932, Nr. 25; FS v. 21. 2.1933, Nr. 43. 1336 Vgl. FS v. 23.12.1922, Nr. 295; FS v. 29.12.1923, Nr. 281. 1337 Vgl. FS v. 2. 7.1928, Nr. 148. 1338 Vgl. FS v. 2.11.1925, Nr. 251; FS v. 14.11.1922, Nr. 262. 1339 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174. 1340 FS v. 1. 8.1932, Nr. 174. 1328
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Genossinnen ein. Nach der ersten Versammlung 1921 in Gaustadt sprach sie in einer allgemeinen Frauenversammlung im Juli 1922 in Bamberg. 1341 Das Thema lautete dabei „Die Frau als Staatsbürgerin“, wobei die Einladung um den Nachsatz ergänzt wurde: „Auch Männer haben Zutritt.“ 1342 Im Zentrum ihrer Ausführungen stand Bebels Buch „Die Frau und der Sozialismus“, das auch in Bamberg die wichtigste Lektüre zur sozialistischen Geschlechtertheorie bildete und in der Gewerkschaftsbibliothek ausgeliehen werden konnte. 1343 Erneut trat Lina Ammon am 29. November 1929 in Gaustadt auf, diesmal auf einer Wählerversammlung aus Anlass der bevorstehenden Gemeindewahlen. 1344 Ihren letzten Auftritt hatte Lina Ammon am 21. Februar 1933 in Bamberg, als die Frauengruppe eine August-Bebel-Feier im Saal des Textilarbeiterhauses veranstaltete. 1345 Stolz verkündete der Freistaat, dass „die sozialdemokratische Frauensektion Bamberg […] die Landtagsabgeordnete Lina Amon [sic], Nürnberg, als Referentin gewonnen“ 1346 habe. Zwischen den Zeilen konnte man deutlich lesen, dass es bei dieser Versammlung nicht mehr nur um eine Würdigung der Person Bebels ging, sondern sich dahinter eine Protestveranstaltung gegen den Nationalsozialismus verbarg: „Unsere politische und wirtschaftlich gleich bedeutende Zeit, in der der Nationalsozialismus und seine Hintergestalten es mit allen Mitteln versuchen, das Lebenswerk eines August Bebel zu zertrümmern, muß für uns ein Anlaß sein, dieses Mannes und seiner Verdienste um die deutsche Arbeiterschaft
mehr als bisher zu gedenken und das Gelöbnis zu erneuern, treu zur Fahne des Sozialismus zu stehen, was immer auch kommen mag.“ 1347
Die Sozialdemokratinnen waren 1933 nicht bereit, sich den Vorstellungen der neuen Machthaber unterzuordnen.
3.2.8 Die Kinderfreunde und die Roten Falken Die sozialdemokratische Organisation umfasste während der Weimarer Republik alle Lebensabschnitte: „Von der Wiege bis zur Bahre“ 1348 reichten die Angebote. Nicht nur die Jugendlichen und Erwachsenen waren in die Parteistruktur eingebunden, sondern sogar für die Kinder wurde ein eigener Verband geschaffen, die Kinderfreunde. 1349 Durch diesen Zusammenschluss sollten Kinder der Arbeiterbewegung im sozialistischen Sinne erzogen werden und für den Klassenkampf gewonnen werden. 1350 Seit Januar 1923 bestand eine Ortsgruppe in München und im November 1923 wurde die Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde ins Leben gerufen. 1351 Laut Bamberger Polizei existierte diese Einrichtung jedoch weder 1925, noch 1928 vor Ort, sondern erst am 2. Juli 1929 wurde eine solche Gruppe ausfindig gemacht und gemeldet. 1352 Das sozialistische Milieu in Bamberg schätzte die Situation völlig anders ein. Die interne sozialistische Rezeption und Kommunikation widersprach der Sicht der Behörden, denn schon im April 1927 meldete der Freistaat erste Aktivitäten der Kinderfreunde in Bamberg:
Vgl. FS v. 14. 7.1922, Nr. 159. FS v. 14. 7.1922, Nr. 159. 1343 Vgl. FS v. 21. 7.1922, Nr. 165; FS v. 6. 2.1923, Nr. 30; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 103. 1344 Vgl. FS v. 29.11.1929, Nr. 275; FS v. 2.12.1929, Nr. 277. 1345 Vgl. FS v. 21. 2.1933, Nr. 43. 1346 FS v. 21. 2.1933, Nr. 43. 1347 FS v. 18. 2.1933, Nr. 41. 1348 Winkler, Schein, S. 355. 1349 Vgl. Winkler, Schein, S. 357. 1350 Vgl. Winkler, Schein, S. 358. 1351 Vgl. Spehr, Christoph: Zerstörter Fortschritt. Die bayerische Kinderfreundebewegung – ein sozialdemokratisches Lehrstück (= Leben und Geschichte, Bd. 1). Oer-Erkenschwick 1991, S. 7; Gröschel, Roland: Zwischen Tradition und Neubeginn. Sozialistische Jugend im Nachkriegsdeutschland. Entstehung, Aufbau und historische Wurzeln der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken. Hamburg 1986, S. 60; Seitz, Friedemann: Sozialistische Jugend Deutschlands: Die Falken (Bayern). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Sozialistische Jugend Deutschlands: Die Falken (Bayern)i (21. 3. 2017). Im Gegensatz zu den Angaben von Spehr, Gröschel und Seitz datiert Winkler die Gründung der Kinderfreunde fälschlicherweise auf 1924 mit einer ersten Ortsgruppe in Berlin und der Bildung des Zentralverbandes in demselben Jahr. Vgl. Winkler, Schein, S. 357. 1352 Vgl. Mitwirkung von Schülern an (politischen) Vereinen, StadtABa, C 2, Nr. 5015. 1341
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„Kinderfreunde-Helferkurs für Franken. Am Samstag, d. 9. und Sonntag, d. 10. April findet in Bamberg (Rest. Nöth) der erste KinderfreundeHelferkurs für Franken statt. Tagesordnung: 1. Der organisatorische Aufbau der Kinderfreundebewegung 2. Familie und Kinderfreunde 3. Schule und Kinderfreunde […] (Die Vorstand- und Ausschußmitglieder des Vereins Arbeiterwohlfahrt werden ersucht, am Samstag abends 8 Uhr zu diesem Kurs in der Rest. Nöth zu erscheinen.)“ 1353
Damit war Bamberg der erste Veranstaltungsort eines solchen Helferkurses für Leiter der Kinderfreunde in Franken überhaupt. 1354 Darüber hinaus wurde an diesen Tagen die Gründung des Bezirks Franken der Kinderfreunde vollzogen. 1355 In Nordbayern verbreiteten sich die Kinderfreunde nämlich verstärkt seit Mitte der 1920er Jahre von Nürnberg aus und erreichten im Frühjahr 1927 unter anderem Würzburg und Schweinfurt. 1356 Treibende Kraft der fränkischen Bewegung war Johann Weinberger, ein früherer USPD-Mann, der 1927 in Bamberg den Lehrgang leitete und im selben Jahr zum Sekretär der Reichsarbeitsgemeinschaft aufstieg. 1357 Ob er auch für die neue Arbeiterorganisation in der Regnitzstadt die Verantwortung trug, wurde nicht überliefert. Auf alle Fälle konstituierten sich die Kinderfreunde Bamberg offiziell 1928. 1358 Der zeitliche Verzug gegenüber Städten wie Schweinfurt
war beispielhaft für die Entwicklung der Kinderfreunde, da sich diese aufgrund ihrer personellen Nähe zur USPD zunächst in deren früheren Hochburgen etablierten. 1359 Im Februar 1928 hatte die Arbeiterwohlfahrt Bamberg eine solche Gründung bereits auf ihrer Generalversammlung angekündigt. 1360 Diese erfolgte wie geplant in den nächsten Monaten, denn im August wurde unter der Überschrift „Kinderfreunde“ im Freistaat ein Ausflug nach Forchheim angepriesen. 1361 Es folgten Zusammenkünfte im „Nöth“ unter anderem zur Besprechung des Ferienlagers in Pegnitz, ein Kinderfest am Ende der Sommerferien und eine Weihnachtsfeier im Dezember. 1362 Außerdem wurde eine Musikabteilung zusammengestellt und regelmäßig Musikproben, Spiele- und Bastelnachmittage im Jugendheim „Nöth“ abgehalten. 1363 Das Herzstück der Kinderfreundebewegung waren indes die Ferienlager und die sogenannten Kinderrepubliken. 1364 Letztere waren eine Neuerung durch die konzeptionelle Umstellung der Kinderfreunde auf die Falkenbewegung ab 1926. 1365 Nach österreichischem Vorbild wurden Elemente der Pfadfinder übernommen und an die Ziele der Arbeiterbewegung adaptiert. 1366 Den Kindern sollten demokratische Werte und Verantwortungsbewusstsein vermittelt werden und zugleich eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung geschaffen werden. 1367 Dazu wurden die Kinder je nach ihrer Altersstufe in unterschiedliche Falkengruppen eingeteilt. 1368 In Bamberg vollzog man die vorgesehene Dreiteilung in Nest-, Jung- und Rote Falken jedoch
FS v. 8. 4.1927, Nr. 81. Vgl. Lagebericht v. 13. 6.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 704. 1355 Vgl. Lagebericht v. 13. 6.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 704. 1356 Vgl. Lagebericht v. 13. 6.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 704; Seitz, Sozialistische Jugend. Die Ortsgruppe in Würzburg wurde am 24. März 1927 gegründet, die Schweinfurter Kinderfreunde folgten am 4. April 1927. 1357 Vgl. FS v. 8. 4.1927, Nr. 81; Lagebericht v. 13. 6.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 704; Spehr, Fortschritt, S. 19; Gröschel, Roland: Bedingungen und Aufbau der Sozialistischen Jugend Deutschlands – „Die Falken“ 1945–1952 unter besonderer Berücksichtigung des Landesverbandes Bayern. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Universität Bamberg. Bamberg 1984, S. 234 f. An dieser Stelle herzlichen Dank an Dörte Hein vom Archiv der Arbeiterjugendbewegung, die mir die Diplomarbeit von Roland Gröschel zur Verfügung stellte. 1358 Vgl. FS v. 20. 2.1928, Nr. 42; FS v. 11. 8.1928, Nr. 183; FS v. 28.1.1929, Nr. 23. 1359 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 10; Seitz, Sozialistiche Jugend. 1360 Vgl. FS v. 20. 2.1928, Nr. 42. 1361 Das genaue Gründungsdatum der Bamberger Kinderfreundegruppe ist in den Quellen nicht überliefert worden. Vgl. FS v. 11. 8.1928, Nr. 183. 1362 Vgl. FS v. 21. 8.1928, Nr. 190; FS v. 15. 9.1928, Nr. 212; FS v. 26.11.1928, Nr. 272. 1363 Vgl. FS v. 26.11.1928, Nr. 272; FS v. 3.1.1929, Nr. 2; FS v. 4. 7.1929, Nr. 150; Gröschel, Tradition, S. 66; Seitz, Sozialistische Jugend. 1364 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 21–24; Seitz, Sozialistische Jugend; Gayk, Andreas: Die Rote Kinderrepublik. Ein Buch von Arbeiterkindern für Arbeiterkinder. Berlin 21929; Winkler, Schein, S. 359 f. 1365 Vgl. Seitz, Sozialistische Jugend; Gröschel, Tradition, S. 43; Spehr, Fortschritt, S. 14–16. 1366 Vgl. Gröschel, Tradition, S. 69–72. 1367 Vgl. Winkler, Schein, S. 359. 1368 Vgl. Gröschel, Tradition, S. 71. 1353
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
nicht nach, sondern beließ es bei den Roten Falken, die die Kinder zwischen 10 und 14 Jahren umfassten. 1369 Große Bedeutung maß man nach der neuen Ausrichtung gemeinschaftlichen Erlebnissen und Abenteuern bei, um die emotionale Bindung der Kinder an die Arbeiterbewegung zu stärken. 1370 Zeltlager dienten dafür als probate Methode und eigneten sich zusätzlich, demokratische Lebensformen der Selbstverwaltung zu erproben und praktisch erlebbar zu machen. 1371 Besonders die Nürnberger Kinderfreunde rezipierten –im Gegensatz zu München – die Falkenbewegung sehr stark und passten ihre Arbeit der neuen Reformpädagogik an. 1372 Bei dem Probedurchgang eines Ferienlagers 1927 in Seekamp nahe Kiel beteiligten sich folglich schon mindestens 140 Nürnberger Falken-Kinder. 1373 Obwohl Bamberg nicht vertreten war, wirkte sich der Erfolg des neuen Modells vor Ort aus und die starke mittelfränkische Organisation strahlte auf Oberfranken ab. 1374 Das neue erlebnispädagogische Konzept fand viel Beachtung in der Öffentlichkeit und wurde auch von der Bamberger Arbeiterbewegung positiv aufgenommen und als Erfolg gefeiert. 1375 Aus diesem Grund integrierte man 1929 den Film zur Kinderrepublik Seekamp sogar in den Ablauf der Bamberger Maifeier. 1376 „Allseitigen Beifall“ 1377 rief die Filmvorführung laut Freistaat hervor und brachte die Bilder der Ostsee ins Bamberger Lichtspielhaus. 1378 Ab 1928 fuhren auch die Bamberger Kinder in die überregionalen und teilweise internationalen Zeltlager der Roten Falken. 1379 Als erstes nahmen sie an der Kinderrepublik Franken bei Pegnitz teil, die von Nürnbergern
ausgerichtet wurde und eine bayerische Prämiere darstellte. 1380 Die Organisation und Auswahl der Teilnehmer übernahm in Bamberg die Arbeiterwohlfahrt. 1381 In einem Bericht der Kinderfreunde Bamberg kam die Bedeutung dieses ersten Ferienaufenthalts zum Ausdruck: „Den Stamm dieser Bewegung bilden die Kinder, die vom Verein ‚Arbeiterwohlfahrt‘ im Sommer dieses Jahrs in die ‚Kinderrepublik Franken‘ bei Pegnitz gesandt wurden. Das gesellschaftliche Zusammensein und Zusammenhalten hat einen großen Eindruck bei den Kindern hinterlassen und als sie am Tage des großen Kinderfestes des Vereins ‚Arbeiterwohlfahrt‘ nach Bamberg zurückkamen, waren es die Kleinen, die den Kinderfestzug eröffneten und durch ihr Auftreten allgemein Beachtung fanden.“ 1382
1929 verbrachten 33 Bamberger Kinder vier Wochen ihrer Sommerferien auf der Rheininsel Namedey bei Andernach, die aus ganz Deutschland mit Roten Falken beschickt wurde und insgesamt zehn Zeltdörfer beheimatete. 1383 Der Freistaat veröffentlichte Vorberichte zur Einstimmung. 1384 Vor der Abreise der Kinder mit dem Zug früh um 5 Uhr setzte man obendrein einen Termin „zur photographischen Aufnahme“ 1385 im Garten des „Nöth“ an. 1386 Die Bamberger Teilnahme an den Kinderrepubliken sollte schließlich in besonderer Erinnerung bleiben. Der Aufwärtstrend der Kinderfreunde hielt 1930 weiter an und so wurden alle Vorbereitungen für die nächste Kinderrepublik in Hausham
Vgl. FS v. 3.1.1929, Nr. 2; FS v. 23. 4.1930, Nr. 92; Gröschel, Tradition, S. 71. Theoretisch waren Kinder zwischen sechs bis zehn Jahren bei den Nestfalken, Kinder zwischen zehn bis zwölf Jahren bei den Jungfalken und die 12- bis 14-Jährigen bei den Roten Falken. 1370 Vgl. Gröschel, Tradition, S. 70 f. 1371 Vgl. Gayk, Kinderrepublik, S. 6 f.; Spehr, Fortschritt, S. 21. 1372 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 14–20. 1373 Vgl. Lagebericht v. 1. 8.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 709; Spehr, Fortschritt, S. 21. 1374 Vgl. Gröschel, Bedingungen, S. 235. 1375 Vgl. Lagebericht v. 9.11.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 714; FS v. 2. 5.1929, Nr. 100; Gröschel, Tradition, S. 43. 1376 Vgl. FS v. 2. 5.1929, Nr. 100. 1377 FS v. 2. 5.1929, Nr. 100. 1378 Vgl. FS v. 2. 5.1929, Nr. 100. 1379 Vgl. FS v. 21. 8.1928, Nr. 190; FS v. 26.11.1928, Nr. 272; Spehr, Fortschritt, S. 21–23. 1380 Vgl. FS v. 21. 8.1928, Nr. 190; FS v. 26.11.1928, Nr. 272; Spehr, Fortschritt, S. 21–23. 1381 Vgl. FS v. 26.11.1928, Nr. 272. 1382 FS v. 26.11.1928, Nr. 272. 1383 Vgl. FS v. 10. 7.1929, Nr. 155; FS v. 16.7.1929, Nr. 160; FS v. 19. 7.1929, Nr. 163; FS v. 29. 7.1929, Nr. 171; Spehr, Fortschritt, S. 38. 1384 Vgl. FS v. 19. 7.1929, Nr. 163; FS v. 29. 7.1929, Nr. 171. 1385 FS v. 29. 7.1929, Nr. 171. 1386 Vgl. FS v. 19. 7.1929, Nr. 163; FS v. 29. 7.1929, Nr. 171. 1369
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am Schliersee getroffen. 1387 Die genaue Teilnehmerzahl wurde dieses Mal zwar nicht veröffentlicht, doch die Arbeiten im Vorfeld sprachen für eine Steigerung der Teilnehmerzahlen gegenüber 1929. 1388 Die Ferienlager der Roten Falken in Bamberg erfreuten sich großer Aufmerksamkeit im sozialistischen Milieu und waren eine rote Erfolgsgeschichte. In diesem Zusammenhang ließ sich beobachten, dass die Kinderfreundebewegung in der Regnitzstadt zunehmend selbstbewusster auftrat und agierte. 1389 Ihre Vorläufer lagen in Veranstaltungen der Arbeiterwohlfahrt: Kinderfeste im Sommer und Weihnachtsbescherungen im Dezember bildeten den Ausgangspunkt. 1390 Zu Beginn entwickelte sich daher die Kinderfreundebewegung in Bamberg im Schatten der AWO und wurde von dieser getragen. 1391 Dies mag auch ein Grund für die Unwissenheit der Bamberger Polizei in ihren Berichten gewesen sein. 1392 Ende der 1920er Jahre traten die Kinderfreunde als eigenständige Organisation immer mehr in den Vordergrund und wurden von Parteiund Gewerkschaftsmitgliedern als wichtige Organisation wahrgenommen. 1393 So waren die Kinderfeste 1928 und 1929 mit einem Umzug verbunden, der sich vom Schillerplatz bis zum Wassersportplatz des Vereins „Neptun“ erstreckte. 1394 Außerdem trug man bei Feiern nun das blaue Hemd als demonstratives Kennzeichen und identitätsstiftende Uniform. 1395 Dennoch blieb die starke Verbindung zur AWO ein dauerhaftes Charakteristikum der Kinderfreundebewegung in Bamberg. 1396 In anderen Städten wurde die Kooperation mit der SAJ zur
wichtigsten Grundlage, doch in Bamberg war diese zweitrangig. 1397 So besuchte die Arbeiterjugend wie viele andere Verbände des Milieus beispielsweise die Weihnachtsfeier der Kinderfreunde 1928. 1398 Personell prägte lediglich Franz Dietz die Zusammenarbeit zwischen SAJ und Kinderfreunden, denn er engagierte sich in beiden Organisationen als Helfer und Leiter. 1399 Der Bedeutungszuwachs der Kinderfreunde und die öffentliche Resonanz auf die Zeltlager riefen in Bamberg unterschiedliche Reaktionen hervor. Der katholischen Kirche war die neue linke Massenbewegung ein Dorn im Auge, da den Kindern angeblich ein paradiesisches erfülltes Leben auf Erden suggeriert würde ohne das Jenseits zu bedenken. 1400 So machte man sich nicht nur im Vatikan Sorgen um die antichristliche Erziehung der Kinder, sondern auch das Erzbischöfliche Ordinariat Bamberg wurde gegen die Kinderfreunde aktiv. 1401 In einem Protestschreiben an das Bayerische Kultusministerium bat man um Maßnahmen gegen die sozialistische Pädagogik und prangerte die Kinderrepubliken als antireligiöses und unsittliches Sammelbecken an, in denen vermeintlich der staatliche Autoritätsverlust gefördert wurde. 1402 Im Kreuzfeuer der Kritik standen darüber hinaus die Koedukation und die leichte Badebekleidung der Kinder. 1403 Die Eingabe der Geistlichkeit datierte auf den 8. August 1928, sodass sie vermutlich eine Reaktion auf den Durchbruch der Kinderfreunde in Bamberg war, die im August ihr Kinderfest mit Umzug feierten und die Teilnahme an der Kinderrepublik in Pegnitz vorbereiteten. 1404
Vgl. FS v. 1. 8.1929, Nr. 174; FS v. 23. 4.1930, Nr. 92; FS v. 21. 5.1930, Nr. 115; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147; Spehr, Fortschritt, S. 41–46. Vgl. FS v. 16.7.1929, Nr. 160; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147. Hatten man 1929 die medizinischen Untersuchungen der Ferienkinder an einem Nachmittag erledigt, so wurden 1930 dafür zwei Termine angesetzt und die Kinder nach alphabetischer Reihenfolge in zwei Gruppen eingeteilt. 1389 Vgl. FS v. 16.7.1929, Nr. 160. 1390 Vgl. FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 20. 2.1928, Nr. 42. 1391 Vgl. FS v. 8. 4.1927, Nr. 81; FS v. 28.1.1929, Nr. 23; Seitz, Sozialistische Jugend. 1392 Vgl. Mitwirkung von Schülern an (politischen) Vereinen, StadtABa, C 2, Nr. 5015; FS v. 25. 7.1930, Nr. 168. 1393 Vgl. FS v. 26.11.1928, Nr. 272; FS v. 18.12.1928, Nr. 291. 1394 Vgl. FS v. 16. 7.1929, Nr. 160. 1395 Vgl. FS v. 22.12.1928, Nr. 295; Winkler, Schein, S. 359. 1396 Vgl. FS v. 25. 7.1930, Nr. 168. 1397 Vgl. FS v. 19.12.1928, Nr. 292; Gröschel, Bedingungen, S. 237; Gröschel, Tradition, S. 79; Spehr, Fortschritt, S. 19. 1398 Vgl. FS v. 18.12.1928, Nr. 291; FS v. 19.12.1928, Nr. 292. 1399 Vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; FS v. 21.1.1928, Nr. 17; FS v. 6. 4.1929, Nr. 79. 1400 Vgl. Seitz, Sozialistische Jugend; Spehr, Fortschritt, S. 25–29. 1401 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 22; Gröschel, Bedingungen, S. 228. 1402 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 22; Gröschel, Bedingungen, S. 228. 1403 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 22. 1404 Vgl. FS v. 21. 8.1928, Nr. 190; FS v. 28.1.1929, Nr. 23. 1387
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Andererseits stieß die Kinderbewegung auch auf Zuspruch in Bamberg. In den Berichten der Kinderfeste wurde nämlich „den Bamberger Geschäftsleuten, die in günstigem Verstehen durch Bereitstellung von Lebensmitteln das Fest ausgestalten halfen“, 1405 gedankt. Explizit als Spender wurden 1926 die Hofbräu AG, die Brauerei „Maisel“ und die Bäcker- und Metzgerinnung genannt. 1406 So bildeten „Wurstschnappen“ 1407 oder die Ausgabe von Knackwürsten, Weißbrot und Milch an etwa 1.000 Kinder wichtige Programmpunkte bei den Feiern. 1408 Desweiteren zeigten sich die Zustimmung und Sympathie angesehener Bürger darin, dass der jüdische Arzt und Spezialist der Kinderheilkunde Dr. Paul Dessauer sowohl 1929 als auch 1930 alle medizinischen Voruntersuchungen für die Zeltlager übernahm. 1409 Allgemein verstärkte sich in Bayern der Druck der Gegner nochmals 1929, indem Hans Schemm als kulturpolitischer Sprecher der NSDAP im Landtag gegen die Kinderfreunde wetterte. 1410 Obendrein sammelte die Polizeidirektion NürnbergFürth Beweise zur Rechtfertigung eines künftigen Verbots. 1411 In Bamberg selbst war der zunehmende Gegenwind ab 1930 zu spüren. 1412 In einem Monatsvortrag in der St. Martinskirche thematisierte der Jesuitenpater Born die Kinderfreunde und unterstellte, dass es nicht um das Wohl des Kindes, sondern nur um die „Eroberung der Kinderwelt für den Sozialismus“ 1413 gehe. Das Bamberger Volksblatt forcierte in Artikeln die Stimmung gegen die Kinderfreunde. 1414 Dennoch liefen die Vorbereitun-
gen für das Ferienlager in Hausham auf Hochtouren: Im Mai trafen sich alle Teilnehmer im „Nöth“, im Juli führte Dr. Dessauer die ärztlichen Untersuchungen durch und am Sonntag, 26. Juli erfolgte die Kleiderausgabe. 1415 Zwei Tage später wurde der Prozess unterbrochen, denn mit der „Bekanntgabe über das Verbot der Teilnahme von Schülern der Volksschulen und Berufsfortbildungsschulen an Veranstaltungen der ‚Arbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde‘“ vom bayerischen Kultusministerium wurden die Aktivitäten der Kinderfreunde unterbunden. 1416 Die Genehmigung für die Kinderrepublik am Schliersee wurde entzogen. 1417 In Bamberg reagierte man schnell, um das Verbot zu umgehen und den Kindern dennoch einen Ferienaufenthalt zu ermöglichen. Das bereits geplante Zeltlager wurde für die Bamberger Kinder kurzerhand in Aufenthalte im Naturfreundehaus Wiesentfels oder in der Schweiz umgewandelt. 1418 Da die Schweiz vom Verbot nicht tangiert war, konnten 20 Kinder nochmals an einer Kinderrepublik am Thuner See teilnehmen. 1419 Im Freistaat hob man heraus, dass „der Verein Arbeiterwohlfahrt, nicht die Ortsgruppe der Kinderfreunde, wie fälschlicherweise behauptet“ 1420 zuständig war und die Verantwortung trug. Im Unterschied zu anderen Städten gelang in Bamberg eine weitere Fortführung der Kinderarbeit unter dem Deckmantel der Arbeiterwohlfahrt nach August 1930 nicht mehr. 1421 Das Verbot wurde effektiv durchgesetzt und beendete die Aktivitäten und die Organisationsgeschichte. 1422 So zeigte sich in Bamberg im Fall der Kinderfreunde 1930, dass das so-
FS v. 5. 8.1929, Nr. 177. Vgl. FS v. 2. 8.1926, Nr. 173. 1407 FS v. 2. 8. 1926, Nr. 173. 1408 Vgl. FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 3. 8.1929, Nr. 176. 1409 Vgl. FS v. 16. 7.1929, Nr. 160; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147; Loebl, Juden, S. 325 f. 1410 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 32 f. 1411 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 29–32. 1412 Vgl. FS v. 17.1.1930, Nr. 13. 1413 FS v. 17.1.1930, Nr. 13. 1414 Vgl. FS v. 17.1.1930, Nr. 13; FS v. 11. 8. 1930, Nr. 182. 1415 Vgl. FS v. 21. 5.1930, Nr. 115; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147; FS v. 25. 7.1930, Nr. 168. 1416 Vgl. Spehr, Fortschritt, S. 51; Winkler, Schein, S. 360; Seitz, Sozialistische Jugend. 1417 Vgl. Seitz, Sozialistische Jugend. 1418 Vgl. FS v. 11. 8.1930, Nr. 182; Spehr, Fortschritt, S. 59 f. 1419 Vgl. FS v. 11. 8.1930, Nr. 182; Spehr, Fortschritt, S. 59 f. 1420 FS v. 11. 8.1930, Nr. 182. 1421 Vgl. Seitz, Sozialistische Jugend; Winkler, Schein, S. 360; Gröschel, Bedingungen, S. 231 f.; Spehr, Fortschritt, S. 58 f. 1422 In der Forschung ist es umstritten, ob das Verbot Wirkung zeigte oder nicht. Für Bamberg jedenfalls ist kein weiteres Lebenszeichen der Kinderfreunde belegt, sodass die Untersagung vor Ort effizient und durchschlagend war. Vgl. Gröschel, Bedingungen, S. 231 f.; Spehr, Fortschritt, S. 58. 1405
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zialistische Milieu in der Auseinandersetzung gegen die NSDAP und die katholische Kirche chancenlos unterlag.
3.2.9 Selbstschutz und Kampfbünde der SPD 3.2.9.1 Freie Volkswehr, Bürgerwehr und Einwohnerwehr Die Militarisierung der Gesellschaft in Form von paramilitärischen Organisationen war eine Neuerung der Politik während der Weimarer Republik. 1423 Diese Entwicklung betraf auch die Arbeiterbewegung seit Ende des Ersten Weltkrieges. Einen ersten Schritt in diese Richtung bildete in Bamberg seit März 1919 die Aufstellung einer Freien Volkswehr durch die SPD. 1424 Forciert wurde deren Aufbau durch die Ausrufung der Räterepublik in München und das Exil der Regierung Hoffmann in Bamberg, denn zur Niederschlagung der südbayerischen Unruhen benötigte man dringend regierungstreue Truppen. 1425 Im Freistaat riefen die örtliche SPD und Freien Gewerkschaften am 14. April 1919 zur Einschreibung ihrer Mitglieder auf: „Bekanntmachung. Wir machen unsere Partei- und Gewerkschaftsmitglieder hiermit auf den Aufruf zur Bildung einer freien Volkswehr aufmerksam. Meldungen können täglich nachmittags von 3– 6 Uhr unter Vorlage der Mitgliedsbücher und Mi-
litärpapiere bei der von uns eingesetzten Werbekommission in der Restauration Nöth, Schillerplatz 11, umgehend erfolgen. Für das Gewerkschaftskartell der freien Gewerkschaften: Rösch Für die sozialdemokratische Partei Mörsberger.“ 1426
Außerdem musste in Bamberg der Schutz der Regierung gewährleistet werden, sodass man ab 12. April 1919 in der Stadt eine Bürgerwehr aufstellte. 1427 Vom Stadtrat wurden besonders Beamte und Arbeiter zu diesem freiwilligen Dienst aufgefordert. 1428 Ihre Aufgabe bestand aus einem „ausgedehnten Wachdienst“ 1429, der die Sicherung der öffentlichen Gebäude, die Bewachung des Landtags, Bahnpolizeidienst und Straßensperren umfasste. 1430 1.700 Mann waren in der auch als Stadtwehr bezeichneten Organisation zusammengeschlossen. 1431 Im August 1919 löste man im Anschluss an die Rückkehr der Regierung nach München die Bürgerwehr wieder auf. 1432 Teilweise wurden deren Angehörige ab September 1919 in die neugebildeten Einwohnerwehren überführt. 1433 In den ersten Monaten warben der Freistaat und die Gewerkschaften für den Verband und Ende 1919 meldete man aus Bamberg einen großen Zulauf von Seiten der Arbeiterschaft. 1434 Infolge der zunehmenden konservativ-nationalen Ausrichtung der Einwohnerwehren unter Georg Escherich und Gustav Ritter von Kahr wandten sich jedoch auch in Bamberg die lin-
Vgl. Mommsen, Hans: Militär und zivile Militarisierung in Deutschland 1914 bis 1938. In: Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert (= Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, Bd. 58). Hg. v. U. Frevert. Stuttgart 1997, S. 265–276; Bessel, Richard: Militarismus im innenpolitischen Leben der Weimarer Republik. Von den Freikorps zur SA. In: Militär und Militarismus in der Weimarer Republik. Hg. v. K.-J. Müller/E. Opitz. Düsseldorf 1978, S. 193–222; Hübner, Christoph: Wehrverbände in Bayern, 1918/19–1933. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp:// www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wehrverbände in Bayern, 1918/19–1933i (24. 3. 2017). 1424 Vgl. FV v. 28. 3.1919, Nr. 72. 1425 Vgl. FS v. 14. 4.1919, Nr. 6; Protokoll des Stadtmagistrats v. 25. 4.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 50. 1426 FS v. 14. 4.1919, Nr. 6. 1427 Vgl. Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 50. 1428 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 9. 5.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668: „Bezüglich der Bürgerwehr wird wiederholt ausgesprochen, daß der Dienst bei der Bürgerwehr allen Beamten und Arbeitern dringend nahe gelegt wird.“ 1429 Schreiben des Ministerium des Innern an das Heeresabwicklungsamt Bayern v. 24. 1.1920, BayHStA, MInn, Nr. 47381. 1430 Vgl. Schreiben des Ministerium des Innern an das Heeresabwicklungsamt Bayern v. 24. 1.1920, BayHStA, MInn, Nr. 47381. 1431 Vgl. Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 51. 1432 Vgl. Schreiben des Ministerium des Innern an das Heeresabwicklungsamt Bayern v. 24. 1.1920, BayHStA, MInn, Nr. 47381; Wochenbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 8.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 831, Bd. 20. 1433 Vgl. Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 63; Hartmann, Weg, S. 475. Die Einwohnerwehren wurden am 17. Mai 1919 von den beiden Ministern Segitz und Schneppenhorst der Regierung Hoffmann ins Leben gerufen und sollten vor allem der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung dienen. 1434 Vgl. Wochenbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 6.12.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1843; Geyer, Welt, S. 118; Kritzer, Sozialdemokratie, S. 175– 178. 1423
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ken Kreise ab. 1435 Beispielsweise kritisierte man im Sommer 1920 die Bewaffnung der jugendlichen Mitglieder als eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ 1436 und plädierte gegen deren fortgesetzten Militarismus. 1437 Als ein Jahr später die Einwohnerwehren unter dem Druck der Alliierten zur Auflösung gezwungen wurden, triumphierte die SPD in Bamberg über Kahr und forderte die „schleunige Entwaffnung“. 1438 Die SPD war infolge der geänderten Umstände vom Befürworter zum Kritiker der Einwohnerwehren mutiert. Allerdings gelang es vielfach unter dem Schutz der Behörden und der Reichswehr, sowohl die Mitglieder als auch die Waffenbestände in nationale Wehrverbände zu überführen. 1439 3.2.9.2 Sozialdemokratischer Ordnungsdienst 1923 sah sich die SPD in der paramilitärischen Frage zum Handeln gezwungen, um die politische und bewaffnete Agitation nicht allein den gegnerischen Wehrverbänden zu überlassen. 1440 Am 30. April 1923 meldete der Bamberger Stadtrat, dass die hiesige SPD „mit der Bildung von sogenannten Stosstrupps beschäftigt“ 1441 sei. 1442 In Erscheinung getreten waren diese bislang jedoch nicht. 1443 Die Gründung des Sozialdemokratischen Ordnungsdienstes (SOD) war eine Reaktion auf das Erstarken und den Zusammenschluss der vaterländischen
Wehrorganisationen zur Arbeitsgemeinschaft der Kampfverbände im Februar 1923. 1444 In Bamberg dominierte vor allem der Bund Oberland das rechte Spektrum der Kampfbünde, welcher seine Wurzeln im 1919 gegründeten Deutschvölkischen Schutzund Trutzbund hatte. 1445 Seine enge Verflechtung mit Militär und Staat wurde offen in einer Meldung der Landepolizei Bamberg kommuniziert. 1446 Die exekutive Staatsmacht hatte nämlich im April 1923 die Ausbildung des Schutz- und Trutzbundes vom Reiterregiment 17 übernommen. 1447 Auf bürgerlicher Seite wirkte in Bamberg darüber hinaus der Bund Bayern und Reich, wohingegen die NSDAP erst im Mai 1923 auf die politische Bühne trat. 1448 Während in München bereits seit 1919 eine Auergarde als Versammlungsschutz der SPD Bestand hatte und diese 1922 zu Sicherheitsabteilungen (mit der bewusst gewählten Abkürzung: SA) umstrukturiert worden war, setzte in Nordbayern die Bildung der Selbstschutzorganisationen erst im März 1923 ein. 1449 Anders als in Südbayern war der Hauptgegner anfangs nicht die SA (Sturmabteilung) der NSDAP, sodass ein anderer Name als Sicherheitsabteilung gewählt wurde. 1450 Das Konzept der sozialdemokratischen Selbsthilfe durch eine eigene Schutzorganisation stieß in Bamberg unverzüglich auf große Resonanz und wurden in einer SPD-Versammlung mit „ungeteilte[m] Beifall“ 1451 aufge-
Vgl. Nußer, Horst: Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918–1933 (= Moderne Geschichte, Bd. 1). München 1973; Hartmann, Weg, S. 475; Hambrecht, Aufstieg, S. 16; Geyer, Welt, S. 118. 1436 FS v. 8. 6.1920, Nr. 129. 1437 Vgl. FS v. 8. 6.1920, Nr. 129. 1438 FS v. 6. 6.1921, Nr. 127. 1439 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 15 f. 1440 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; FS v. 14. 5.1923, Nr. 108. 1441 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 1442 Vgl. Geyer, Welt, S. 120 f. 1443 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 1444 Vgl. Kritzer, Sozialdemokratie, S. 195. 1445 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 16; Bamberger Jahrbuch 1934, S. 12 f.; Zehentmeier, Entwicklung, S. 25; Fichtl, Franz: Das Wirken des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes in Bamberg 1919/20 oder die Wurzeln der Bamberger NSDAP. In: Geschichte quer 13 (2006), S. 19–21. 1446 Vgl. Schreiben der Landespolizei Bamberg an den Stadtkommissar Bamberg v. 6.12.1923, StABa, K 5, Nr. 5238. 1447 Vgl. Schreiben der Landespolizei Bamberg an den Stadtkommissar Bamberg v. 6.12.1923, StABa, K 5, Nr. 5238. 1448 Vgl. FS v. 14. 5.1923, Nr. 108; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Zehentmeier, Entwicklung, S. 25. 1449 Vgl. Gärtner, Georg: Mit uns zieht die neue Zeit. Geschichte der Nürnberger Arbeiterbewegung von ihren Anfängen bis zum Jahr 1928. Nürnberg 1928, S. 337 f.; Gerstenberg, Günther: Freiheit! Sozialdemokratischer Selbstschutz im München der zwanziger und frühen dreißiger Jahre, Bd. 1. Andechs 1997, S. 91 f.; Hofmann, Robert: Auergarde, 1919–1924. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/ Lexikon/Auergarde, 1919–1924i (22. 3. 2017); Kritzer, Sozialdemokratie, S. 200 f. 1450 Vgl. Kritzer, Sozialdemokratie, S. 200 f.; Gerstenberg, Freiheit, S. 91 f. 1451 FS v. 11. 5.1923, Nr. 106. 1435
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Das politische Sozialmilieu
nommen. 1452 Die Mitglieder erachteten es als eine Notwendigkeit, aktiv zu werden und ihre Position und Institutionen zu verteidigen. 1453 Dennstädt führte diesen Standpunkt im Mai 1923 mit folgenden Worten aus: „Unsere Selbstschutzorganisationen haben keinen anderen Zweck, als den Bestand der Republik zu sichern, unsere Einrichtungen zu schützen und zu ermöglichen, wieder ruhige Versammlungen abzuhalten.“ 1454
Binnen weniger Monate wurde Bamberg zu einer Hochburg des Sozialdemokratischen Selbstschutzes, der sich in Hundertschaften, Zügen und Gruppen untergliederte. 1455 Im Bezirk Franken oblag die Kreisleitung zwar Nürnberg, doch diese zählte mit 24 Hundertschaften weniger Einheiten als Bamberg, das insgesamt 28 Hundertschaften aufgestellt hatte. 1456 Das enorme Wachstum erklärte sich einerseits mit dem schnellen Aufstieg der Hitler-Bewegung und der Begeisterung für die NSDAP im Sommer 1923. 1457 Dieser neuen rechten Gefahr sowie den bereits starken völkischen Verbänden wollte man im Falle eines Bürgerkrieges Einheiten entgegenzusetzen haben. 1458 Linke und rechte Kreise rüsteten in Bamberg also parallel auf. 1459 Andererseits wirkte sich auch der Status von Bamberg als
Garnisonsstadt aus, denn die Stadt bekam eine spezielle technische Truppe des SOD. 1460 Darüber hinaus war Bamberg eingebunden in das Netz des Nachrichten- und Kurierdienstes zwischen Ober-, Unter- und Mittelfranken. 1461 Folglich war der Freistaat im Sommer 1923 voll von Meldungen des SOD, insbesondere welche Züge, wann zum Appell anzutreten hätten. 1462 Während zum Beispiel am 30. Mai 1923 die Züge 2 und 4 Übung hatten, waren am 2. Juni Nummer 5, 9 und 10 an der Reihe, am 4. Juni folgten 3 und 1 und am 5. Juni 11 und 6. 1463 Zusätzlich fanden Sitzungen und Besprechungen der Zugführer statt sowie Mitgliederversammlungen des SOD. 1464 Die Quellen aus Bamberg im Sommer 1923 erwecken den Eindruck, dass ein Großteil der Sozialdemokratie zur Selbstschutzorganisation mutiert war. 1465 Ab Juni 1923 trat der SOD öffentlich in Erscheinung. 1466 Drei Züge waren am 8. Juni im Dienst, als der SPD-Landtagsabgeordnete Albert Roßhaupter aus München bei einer öffentlichen Versammlung für die Republik auftrat. 1467 Zwei Tage später marschierte der Bamberger SOD zur oberfränkischen Massenversammlung auf den Staffelberg. 1468 Dabei wurde auch die Uniformierung in Form von Mützen zur Schau gestellt: Die „mit gleicher Kopfbedeckung versehenen Angehörigen des SOD (Sozialdemokratischen Ordnungsdienstes) gaben dem
Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 30. 5.1923, Nr. 121; Bericht der Landesversicherungsanstalt Oberfranken an den Generalstaatskommissar Kahr v. 1.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 4; Geyer, Welt, S. 120 f., 328–337. 1453 Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 9. 8.1923, Nr. 175. 1454 FS v. 11. 5.1923, Nr. 106. 1455 Vgl. FS v. 6. 4.1923, Nr. 78; FS v. 30. 5.1923, Nr. 121; Bericht der Landesversicherungsanstalt Oberfranken an den Generalstaatskommissar Kahr v. 1.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 4. 1456 Hof hingegen verfügte über 23 Hundertschaften, Bayreuth über 4 Hundertschaften und Erlangen lediglich über 3 Ortsgruppen. Vgl. Bericht der Landesversicherungsanstalt Oberfranken an den Generalstaatskommissar Kahr v. 1.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 4. 1457 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 25–27. 1458 Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 14. 5.1923, Nr. 108. 1459 Vgl. Gerstenberg, Freiheit, S. 97; Geyer, Welt, S. 120 f. 1460 Vgl. Bericht der Landesversicherungsanstalt Oberfranken an den Generalstaatskommissar Kahr v. 1.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 4. Genauere Angaben zu den Aufgaben der technischen Truppen wurden nicht gemacht. 1461 Vgl. Bericht der Landesversicherungsanstalt Oberfranken an den Generalstaatskommissar Kahr v. 1.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 4. 1462 Vgl. FS v. 26. 5.1923, Nr. 118; FS v. 30. 5.1923, Nr. 121; FS v. 4. 6.1923, Nr. 124; FS v. 22. 6.1923, Nr. 140; FS v. 11. 7.1923, Nr. 150. 1463 Vgl. FS v. 30. 5.1923, Nr. 121. 1464 Vgl. FS v. 22. 6.1923, Nr. 140; FS v. 11. 8.1923, Nr. 177; FS v. 31. 8.1923, Nr. 193. 1465 Vgl. FS v. 30. 5.1923, Nr. 121; FS v. 11. 7.1923, Nr. 150. 1466 Vgl. FS v. 11. 6.1923, Nr. 130: „Die Parteileitung hatte drei Züge des S.O.D. (Sozialdemokratischer Ordnungsdienst) zum Schutz der Versammlung aufgeboten, die durch ihr erstes Auftreten in der Oeffentlichkeit den Beweis erbracht haben, daß die Partei stark genug ist, für Ruhe und Ordnung in ihren Versammlungen selbst zu sorgen.“ 1467 Vgl. FS v. 7. 6.1923, Nr. 127; FS v. 11. 6.1923, Nr. 130. Zur Person Albert Roßhaupter vgl. Warnecke, Klaus: Albert Roßhaupter – Ein Leben für Freiheit und soziale Gerechtigkeit. München 1982. 1468 Vgl. FS v. 15. 6.1923, Nr. 134. 1452
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
ganzen ein wohlgefälliges Bild“, 1469 bemerkte der Freistaat. Es folgten Teilnahmen bei der Sonnwendfeier der Arbeiterjugend und der Verfassungsfeier. 1470 Außerdem stellte man Posten zur Bewachung des sozialdemokratischen Aushängekastens an der Parteizentrale in der Hauptwachstraße ab. 1471 Als problematisch erwies sich allerdings bald die Finanzierung der sozialdemokratischen Truppen, die durch die steigende Inflation immer schwieriger wurde: „Diese [Abwehrorganisation] zu unterhalten, erfordert viel Geld. Die Beiträge der Partei reichen dazu nicht mehr aus. Aus diesem Grund wurde ein Fonds gebildet unter der Bezeichnung: ‚Vaterländischer Kampffonds‘.“ 1472
Daraufhin wurden Geldsammlungen bei SPD-Zusammenkünften, Gewerkschaftsveranstaltungen und auch bei einzelnen Genossen durchgeführt. 1473 Den neuesten Zwischenstand gab man im Freistaat unter den Überschriften „Gegen die Hakenkreuzseuche“ 1474 oder „Vaterländischer Kampffonds“ 1475 bekannt. So vermeldete man Ende September 1923 eine Summe von 58.110.304 Mark. 1476 Allein schon die Bezeichnung „Vaterländischer Kampffonds“ stand im Widerspruch zum angeblich defensiven sozialistischen SOD und offenbarte die verhältnismäßig rechte Ausrichtung der SPD-Bamberg – be-
sonders 1923 während des Aufstiegs der NSDAP und der Ruhrbesetzung. 1477 Die SPD als Partei des Pazifismus und der Internationalität hatte in Bamberg Erfolg, indem sie paramilitärischen Aktionismus entfaltete und das Nationalbewusstsein propagierte. 1478 Demnach war die SPD-Bamberg 1923 nicht nur eine Getriebene der militärischen Mobilisierung, sondern sie förderte diese aktiv in ihren Reihen und wirkte letztendlich bei der Destabilisierung der politischen Ordnung durch Kampfbünde mit. 1479 Der Hauptunterschied zu den rechten Verbänden lag nicht in der Disziplin und Zurückhaltung bei öffentlichen Auftritten, wie die SPD-Presse vorgab, sondern in der differenzierten Behandlung durch die Behörden und den Staat. 1480 Am 29. September 1923 erließ der neueingesetzte Generalstaatskommissar Kahr bereits nach sechstägiger Amtszeit ein Verbot der sozialdemokratischen Sicherheits- und Selbstschutzorganisationen. 1481 Daraufhin fanden am 2. Oktober in Bamberg Durchsuchungen der Gewerkschaftsbüros und der Freistaat-Räume nach Waffen statt. 1482 Ebenso wurden verdächtige Privatpersonen kontrolliert. 1483 Im Visier des Vorgehens der Stadt- und Landespolizei standen außerdem die Schuhfabrik Neuburger und ihre Beschäftigten. 1484 Stadtkommissar Fackelmann nahm den Erlass des Generalstaatskommissars zum Anlass für ein besonders scharfes Vorgehen gegen die Arbeiterbewegung. 1485 Aufgrund der vermute-
FS v. 15. 6.1923, Nr. 134; vgl. Bericht der Landesversicherungsanstalt Oberfranken an den Generalstaatskommissar Kahr v. 1.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 4. 1470 Vgl. FS v. 22. 6.1923, Nr. 140; FS v. 11. 8.1923, Nr. 177. 1471 Vgl. FS v. 4. 9.1923, Nr. 196. 1472 FS v. 4. 9.1923, Nr. 196; vgl. Kritzer, Sozialdemokratie, S. 205. 1473 Vgl. FS v. 4. 9.1923, Nr. 196; FS v. 13. 9.1923, Nr. 204. 1474 FS v. 1. 6.1923, Nr. 122; FS v. 27. 6.1923, Nr. 144; FS v. 1. 9.1923, Nr. 194. 1475 FS v. 13. 9.1923, Nr. 204; FS v. 27. 9.1923, Nr. 216. 1476 Vgl. FS v. 27. 9.1923, Nr. 216. 1477 Aufgrund rückständiger Reparationsleistungen besetzten französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923 das Ruhrgebiet. Deutschland reagierte im sogenannten „Ruhrkampf“ mit passivem Widerstand. Die Stimmung in der Bevölkerung war stark kämpferisch und antifranzösisch geprägt, sodass es auch zu aktivem Widerstand kam. Infolge des Ausstandes schritt die Inflation schnell voran und es kam zu Energie- und Kohlenmangel in der Industrie. Schließlich musste die deutsche Regierung am 26. September 1923 den Widerstand bedingungslos aufgeben. Vgl. Büttner, Weimar, S. 164 f.; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; Winkler, Schein, S. 367–378. 1478 Vgl. Winkler, Schein, S. 367–378. 1479 Vgl. Kritzer, Sozialdemokratie, S. 202 f.; Geyer, Welt, S. 121. 1480 Vgl. FS v. 4. 9.1923, Nr. 196; Kritzer, Sozialdemokratie, S. 203. 1481 Vgl. Schreiben des Generalstaatskommissars an die Regierungen v. 11.10.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4851; Hartmann, Weg, S. 483 f.; Gerstenberg, Freiheit, S. 142 f. 1482 Vgl. FS v. 3.10.1923, Nr. 221; Kritzer, Sozialdemokratie, S. 207–209. 1483 Vgl. FS v. 3.10.1923, Nr. 221. 1484 Vgl. FS v. 3.10.1923, Nr. 221. 1485 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Stadtrat Bamberg v. 24. 10.1923, StABa, K3/1967, Nr. 4851; FS v. 27.10.1923, Nr. 242; Kritzer, Sozialdemokratie, S. 208. 1469
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Das politische Sozialmilieu
ten Verbindung zwischen SOD und dem ASB wurde dieser mit aufgelöst. 1486 Während das Bezirksamt Bayreuth eine Liste von fünf konfiszierten Waffenarten an die Regierung übermittelte und von der Behörde in Münchberg beispielsweise Fehlanzeige gemeldet wurde, 1487 legte Fackelmann eine lange Aufzählung aller Beschlagnahmungen in Bamberg vor: „Gewehre: 5 Karabiner: 1 Gewehrmunition: ca 300 Schuß Pistolen: 3 Revolver: 11 Pistolen- u. Revolver Mun. ca 600 Schuß Flobertstutzen: 5 mit etwas Mun. Feuerstutzen: 2 Messer u. Dolche: 18 Seitengewehre: 18 Schlagringe: 2 Handgrantensprenkapseln [sic]: 2 Schachteln Gummiknüttel: 3 Fernglas: 08 1 Pistolentasche: 08 1 Reservemagazine für Pistolen: 08 2 Leuchtpistolen: 1 Drehschere: 1 1 Ring Zündschnur 1 Hülse Schwarzpulver“ 1488.
Diese Liste bewies, dass der SOD entgegen seiner offiziellen Selbstdarstellung durchaus über Waffen verfügte. 1489 In Bamberg hatte er einen wichtigen Stützpunkt aufgebaut. Die große Anzahl sichergestellter Waffen ließ aber auch das penible Vorgehen gegen den SPDVerband in Bamberg zutage treten und brachte die
stark ausgeprägte antisozialistische Stimmung zum Vorschein. Teilweise förderten die Behörden unverhohlen die rechte Bewegung. 1490 Stadtkommissar Fackelmann bemühte sich persönlich um die Einigung der zersplitterten und zerstrittenen vaterländischen Verbände. 1491 Im Halbmonatsbericht hielt er fest, dass er am sogenannten Deutschen Tag 1492 „die erfreuliche Wahrnehmung machen konnte, dass alle von einer erquickenden vaterländischen Begeisterung erfüllt waren.“ 1493 Die Sozialdemokraten waren gegen die einseitige, ungerechte Behandlung und das Verbot machtlos und verärgert. 1494 Bei einer SPD-Versammlung Ende Oktober 1923 in Oberhaid versuchte Dennstädt die Mitglieder zu beschwichtigen, dass „die Organisation sofort wieder da [sei], wenn man sie braucht.“ 1495 Dies war wohl eher Wunschdenken als die Realität, denn das Verbot des SOD erwies sich für die SPD-Bamberg als schwerer Rückschlag. Der Arbeiterpartei wurde die Möglichkeit genommen, sich weiterhin aktiv und gleichberechtigt am politischen und paramilitärischen Wettstreit zu beteiligen. Der linke Auswuchs dieser allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung wurde nicht geduldet und dem sozialistischen Milieu eine damals attraktive Organisation genommen. 3.2.9.3 Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und seine Unterabteilungen Jungbanner und Kleinkaliberschützen Das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner“ wurde am 22. Februar 1924 in Magdeburg als überparteiliche Massenorganisation der Republikaner zum Schutz der Demokratie und des Weimarer Staates gegründet. 1496 Noch bevor die Ortsgruppe des
Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Stadtrat Bamberg v. 24. 10.1923, StABa, K3/1967, Nr. 4851; Geyer, Welt, S. 121. Vgl. Bericht des Bezirksamts Bayreuth an die Regierung von Oberfranken v. 24.10.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4851; Bericht des Bezirksamts Münchberg an die Regierung von Oberfranken v. 19.10.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4851. 1488 Bericht des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 26.10.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4851. 1489 Vgl. FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; Kritzer, Sozialdemokratie, S. 202. 1490 Vgl. FS v. 3.10.1923, Nr. 221; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 1491 Vgl. FS v. 3.10.1923, Nr. 221; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 1492 Die „Deutschen Tage“ waren vaterländische Massenveranstaltungen der rechten Verbände, die mithilfe von Feiern darauf abzielten, das Nationalbewusstsein aufzuwerten und eine rechte Einheitsfront zu demonstrieren. Vgl. Thoß, Bruno: Deutscher Tag/Deutsche Tage. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutscher Tag/Deutsche Tagei (18. 4. 2018). 1493 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 1494 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 22.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 1. 1495 Bericht des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 22.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 1. 1496 Vgl. Rohe, Karl: Das Reichsbanner Schwarz Rot Gold. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur der politischen Kampfverbände zur Zeit der Weimarer Republik (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 34). Düsseldorf 1966, S. 69; Winkler, Schein, S. 378. 1486 1487
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Reichsbanners offiziell ins Leben gerufen war, bekam Bamberg bereits den Sitz der Kreisleitung des neuen republikanischen Veteranenbundes zugesprochen. 1497 Ausgehend von der Regnitzstadt sollten sowohl die Bezirksämter Bamberg I und II als auch Lichtenfels und Staffelstein erfasst und die demokratische Selbstschutzorganisation aufgebaut werden. 1498 Die Nürnberger Gauleitung hielt den Bamberger Boden für „republikanisch-fruchtbar“ und erkannte zugleich die Notwendigkeit eines schwarz-rot-goldenen Gegenstücks zu den bestehenden Kriegervereinen und Kampfbünden vor Ort. 1499 Im Sommer 1924 entfaltete vor allem der Hubertusring als Nachfolgeorganisation des Bunds Oberland und als Tarnorganisation der NSDAP große Aktivitäten. 1500 Der Vertrauensvorschuss für das Reichsbanner Bamberg war darüber hinaus dem erfolgreichen SOD geschuldet, denn das Reichsbanner galt als Nachfolgeorganisation und setzte dessen Tradition fort. 1501 Erstmals zeigte sich die wichtige Rolle Bambergs wenige Monate nach der formellen Gründung in Deutschland. 1502 Im August 1924 traf sich der Gauvorstand Franken im Maiselbräu in Bamberg
zur Besprechung der Kreiseinteilung, der Aufgaben und der Mitwirkung an Republikanischen Tage außerhalb Bayerns. 1503 An der Zusammenkunft vor Ort nahm Parteisekretär Dennstädt mit den fränkischen Gauvorständen Karl Reitz und Karl Bröger aus Nürnberg teil. 1504 Dennstädt verfügte damit über gute Kontakte bis zur Bundesleitung, denn der Arbeiterdichter Karl Bröger 1505 gehörte dem Reichsauschuss an. 1506 Drei Wochen später wurde schließlich mit Unterstützung aus Nürnberg das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Ortsgruppe Bamberg ins Leben gerufen. 1507 Oberbürgermeister Hermann Luppe 1508 wirkte als Taufpate der Bamberger Selbstschutzorganisation und hielt die Festrede. 1509 Da das Reichsbanner eine parteiübergreifende Abwehrorganisation der Republikaner war, setzte sich die Spitze aus Vertretern der SPD und DDP zusammen. 1510 In Bamberg war das Verhältnis drei zu zwei zugunsten der Sozialdemokraten, sodass die Arbeiterpartei zwar mehr Gewicht hatte, aber keineswegs das Reichsbanner im Alleingang führte. 1511 Die SPD stellte in der Vorstandschaft Adolf Firsching, Georg Göttling und Josef Dennstädt. 1512 Militärisch lag die Leitung in den Händen des Demokraten Ludwig
Vgl. Lagebericht v. 9. 7.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236; FS v. 15. 9.1924, Nr. 213; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1498 Vgl. Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 1499 Vgl. Lagebericht v. 9. 7.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365. 1500 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 6.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg I v. 14.7.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1858; Hambrecht, Aufstieg, S. 60. 1501 Vgl. Lagebericht v. 9. 7.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; Gerstenberg, Reichsbanner. 1502 Vgl. Rohe, Reichsbanner, S. 69; Winkler, Schein, S. 378. 1503 Vgl. Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 1504 Vgl. Lagebericht v. 9. 7.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 1505 Zum Leben und Wirken des Sozialdemokraten und Arbeiterdichters Karl Bröger (1886–1944) vgl. Kett, Siegfried/Scholz, Manfred/Zintl, Harald: Karl Bröger. Arbeiterdichter, Journalist und Politiker. Dokumentation zum Symposium am 4. Oktober 2008 in Nürnberg. Nürnberg 2008. 1506 Vgl. Bericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 6.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1507 Vgl. FS v. 15. 9.1924, Nr. 213; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Oberst, Freistaat, S. 248 f. 1508 Der Demokrat Hermann Luppe (1874–1945) war von 1920 bis 1933 Oberbürgermeister von Nürnberg, Gründungsmitglied der DDP und ein entschiedener Verteidiger der Weimarer Republik. Zu seiner Biografie vgl. Hanschel, Hermann: Oberbürgermeister Hermann Luppe. Nürnberger Kommunalpolitiker in der Weimarer Republik (= Nürnberger Forschungen, Bd. 21). Nürnberg 1977. 1509 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1510 Im Gegensatz zum Zentrum beteiligte sich die BVP nicht am Reichsbanner. Vgl. Gerstenberg, Reichsbanner; Rohe, Reichsbanner, S. 66–71; Böhles, Gleichschritt, S. 189–191, 308 f.; Winkler, Schein, S. 378–381. 1511 Vgl. Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236; Winkler, Schein, S. 379; Voigt, Carsten: Republik und Sozialismus. Am Beispiel des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold in Sachsen (1924–1933). In: Kommunistische und sozialdemokratische Wurzeln (= Die Linke. Tradition und Erbe, Bd. 1). Hg. v. K. Kinner. Berlin 2010, S. 139. 1512 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236; Karteikarte Josef Dennstädt, BArch, Kartei zu Personen des antifaschistischen Widerstandskampfes. 1497
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Das politische Sozialmilieu
Kraus, eines früherer Postinspektors und Majors. 1513 Außerdem gehörte der Lehrer Franz Xaver Schäfer von der DDP dem obersten Gremium vor Ort an. 1514 Einen Monat später stand Bamberg im Mittelpunkt der fränkischen Reichsbannerorganisation, denn am 26. Oktober fand der erste Gautag in der Domstadt statt. 1515 Die Republikaner wollten für die Demokratie aufmarschieren, doch Polizei, Behörden und Regierung zeigten sich sichtlich nervös vor der Massenveranstaltung. 1516 So fürchtete der Nürnberger Polizeipräsident Gareis: „Es erscheint nach dem augenblicklichen Stand der Bewegung und der Intensität der Werbung nicht zweifelhaft, dass in dem Reichsbanner SchwarzRot-Gold eine militärische Organisation von einer Kampfkraft im Entstehen begriffen ist, die dank ihrer inneren Geschlossenheit derjenigen der vaterländischen Verbände […] bei weitem überlegen ist.“ 1517
In Eilbriefen traf man daher Sicherheitsvorkehrungen und strich wesentliche Punkte aus dem ursprünglichen Programm. 1518 Alle Versammlungen unter freiem Himmel wurden mit Bezug auf den Ausnahmezustand untersagt: kein An- und Abmarsch zum Bahnhof – kein Festzug – keine Gefallenenehrung auf dem Friedhof – keine gemeinsame Stadtbesichtigung. 1519 Der Gautag des Reichsbanners wurde im Prinzip auf die Bannerweihe der Ortsgruppe Bamberg im Zentralsaal reduziert. 1520
Der Freistaat erboste sich im Nachhinein unter der sarkastischen Überschrift „Der gefährliche Kranz“: „So wurde dem Reichsbanner in Bamberg jedes öffentliche Auftreten durch die Regierung von Oberfranken verboten, selbst die Niederlegung eines Kranzes für die Gefallenen der Stadt Bamberg auf dem dortigen Ehrenfriedhof. […] Von auswärts wurden zwei Hundertschaften Landespolizei herangeholt, die den ganzen Tag alarmbereit standen, mit Stahlhelm und in schwerster Bewaffnung durch die Straßen patrouillierten und dadurch eine unerhörte Herausforderung aller jener Bevölkerungskreise bildeten, die nichts weiter wollten, als ein Bekenntnis für die deutsche Republik abzulegen. Am meisten Angst hatte das Staatskommmissariat vor der Kranzniederlegung auf dem Soldatenfriedhof. Maschinengewehrposten sperrten die Flußübergänge und alle Straßen zum Friedhof. […]“ 1521
Heikel waren diese Einschränkungen vor allem deshalb, weil eine Woche vorher das militärische und nationale Bamberg den Ulanentag gefeiert hatte und dazu ein Festumzug und die öffentliche Denkmalsenthüllung auf dem Obstmarkt gestattet worden war. 1522 Selbst Bürgermeister Weegmann kritisierte daher die strikten Verbote und sprach sich für eine gelockerte Handhabung aus, um nicht dem Reichsbanner „mit anderem Maße“ 1523 zu begegnen. Seine Vorschläge und Bedenken prallten allerdings ungeprüft an Stadtkommissar Fackelmann und Regierungspräsident Strößenreuther ab. 1524
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 1514 Vgl. Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 1515 Vgl. BT v. 27.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5183; BV v. 26.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5183; FS v. 23.10.1924, Nr. 246; FS v. 24. 10.1924, Nr. 247; FS v. 28.10.1924, Nr. 250; Bericht des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Bericht des Kriminalsekretärs Krapp v. 27.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1516 Vgl. Schriftverkehr zum Gautag des Reichsbanners 1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1517 Lagebericht v. 9. 7.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365. 1518 Vgl. Eilbrief des Stadtkommissars Bamberg v. 22.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Anweisung des Staatskommissars für Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; FS v. 23.10.1924, Nr. 246; FS v. 28.10.1924, Nr. 250. 1519 Vgl. Eilbrief des Stadtkommissars Bamberg v. 22.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Anweisung des Staatskommissars für Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Kommando der Landespolizei v. 24. 10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1520 Vgl. Anweisung des Staatskommissars für Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; FS v. 28.10.1924, Nr. 250. 1521 FS v. 28.10.1924, Nr. 250. 1522 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1523 Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1524 Vgl. Anweisung des Staatskommissars für Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1513
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Zum Nachteil gereichte die staatliche Verbotspraxis dem Reichsbanner jedoch nicht, seine Entwicklung in Bamberg wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Im Gründungsmonat September 1924 zählte das Reichsbanner mit 384 eingeschriebenen Mitgliedern umgehend so viele Anhänger wie die SPD-Bamberg. 1525 Es kann davon ausgegangen werden, dass infolge des Ausbaus der Organisation die Reichsbanner-Kameraden schließlich die Parteigenossen zahlenmäßig überholten. 1526 Dafür sprechen die Teilnehmerzahlen bei Versammlungen, zu denen oftmals mehrere hundert Personen erschienen. 1527 In Bamberg war das Reichsbanner keine sozialdemokratische Vorfeldorganisation, sondern seine Ziele des Republikschutzes und der Abwehr antidemokratischer Bewegungen zogen auch andere gesellschaftliche Gruppen und Schichten außer der Arbeiterbewegung an. 1528 In einem Bericht des Stadtkommissars hieß es 1925 über eine Veranstaltung des Reichsbanners: „Die Versammlung war von etwa 300 Personen besucht, darunter eine größere Anzahl von Juden.“ 1529
Fanden sich schon in den Reihen der SPD-Bamberg jüdische Mitbürger, so traten diese noch stärker im Reichsbanner auf. 1530 Prominentester Vertreter war Willy Aron 1531 Namentlich bekannt ist außerdem der Kaufmann und Kriegsbeschädigte Nathan Rimpel. 1532 Folglich drangen in Bamberg keine antise-
mitischen Stimmen aus dem Reichsbanner, wie dies zum Beispiel in Würzburg der Fall war. 1533 Das Reichsbanner Bamberg war ein demokratischer, linker und auch jüdischer Zusammenschluss. Breite Unterstützung erfuhr das republikanische Bündnis darüber hinaus von der Bamberger Geschäftswelt: Viele Selbständige, Kaufleute und Gastwirte schlossen sich an und druckten ihre Werbung auf das Programm des Gautages 1924. 1534 Schuhhäuser, Wäscheanstalten, Schlosser und Schneider suchten so die Verbindung zum Reichsbanner. 1535 Einige unter ihnen wie Georg Göttling und Johann Willner waren in der SPD tätig, andere wie Gottlieb Renner (Kunst- und Bauschlosserei), Adam Maßmann (Schneiderei) oder Karl Baumer (Wäscheanstalt) entstammten nicht dem Kreis der aktiven Sozialdemokraten. 1536 Manche Pächter von Gaststätten beließen es nicht nur bei einem einfachen Inserat, sondern versahen solches mit dem Zusatz „Mitglied des Reichsbanner [sic]“ wie beispielsweise Michael Förtsch von der „Hopfenhalle“ an der Frauenstraßen. 1537 Die Ziele des Reichsbanners stießen in Bamberg also auf hohe Zustimmung. 1924 entstand eine Hochstimmung um die neue Organisation, getragen von dem breiten Konsens, dass man sich den Gegnern der Weimarer Republik entgegenstellen musste und ihnen nicht das Agitationsfeld überlassen durfte. 1538 Obwohl die BVP das Reichsbanner offiziell ablehnte und sich nicht daran beteiligte, berichtete doch das Bamber-
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. Für andere Städte wie Weiden oder Nordhausen konnte dies anhand besserer Datengrundlagen nachgewiesen werden. Vgl. Großmann, Milieubedingungen, S. 497, 499; Ziemann, Benjamin: Republikanische Kriegserinnerung in einer polarisierten Öffentlichkeit. Das Reichsbanner SchwarzRot-Gold als Veteranenverband der sozialistischen Arbeiterschaft. In: HZ 267 (1998), S. 369; Walter/Dürr/Schmidtke, SPD, S. 239. 1527 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.12.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; FS v. 5. 6.1926, Nr. 125; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1528 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.12.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Walter/ Dürr/Schmidtke, SPD, S. 239–243; Böhles, Gleichschritt, S. 126–127. 1529 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.12.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1530 Genaue Mitgliederlisten sind für das Reichsbanner Bamberg jedoch nicht überliefert, sodass der jüdische Anteil nicht mit Zahlen belegt werden kann. Vgl. Toury, Jacob: Deutschlands Stiefkinder. Ausgewählte Aufsätze zur deutschen und deutsch-jüdischen Geschichte (= Schriftenreihe des Instituts für Deutsche Geschichte, Universität Tel Aviv, Bd. 18). Gerlingen 1997, S. 100–104; Böhles, Gleichschritt, S. 127. 1531 Vgl. Terror-Bilanz des Faschismus in Deutschland 1919–1935, BArch, RY 1, I 2/3/48; Grosch, Aron, S. 27; Loebl, Juden, S. 175; Dornheim/Schindler, Aron, S. 35 f. 1532 Vgl. Antrag Nathan Rimpel an das Einwohnermeldeamt Bamberg v. 16. 5.1938, StadtABa, C 9, Nr. 245; Auskunft des Stadtpolizeiamts Bamberg v. 20. 5.1938, StadtABa, C 9, Nr. 245. 1533 Vgl. Flade, Roland: Juden in Würzburg 1918–1933 (= Mainfränkische Studien, Bd. 34). Würzburg 1985, S. 296 f. 1534 Vgl. Walter/Dürr/Schmidtke, SPD, S. 239–243; Programm zum fränkischen Gautag des Reichsbanners 1924, StABa, K 5, Nr. 5183. 1535 Vgl. Walter/Dürr/Schmidtke, SPD, S. 239–243; Programm zum fränkischen Gautag des Reichsbanners 1924, StABa, K 5, Nr. 5183. 1536 Vgl. Programm zum fränkischen Gautag des Reichsbanners 1924, StABa, K 5, Nr. 5183. 1537 Vgl. Programm zum fränkischen Gautag des Reichsbanners 1924, StABa, K 5, Nr. 5183. 1538 Vgl. Walter/Dürr/Schmidtke, SPD, S. 240; Gotschlich, Helga: Zwischen Kampf und Kapitulation. Zur Geschichte des Reichsbanners Schwarz-RotGold. Berlin 1987, S. 31–33. 1525
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ger Volksblatt wohlwollend über den Republikanertag 1924. 1539 Die katholische Tageszeitung zollte dem republikanischen Kampfbund Respekt, indem sie den „eindrucksvollen und ungestörten Verlauf“ 1540 der Veranstaltung hervorhob und die Teilnahme „aus allen Ständen und Berufen“ 1541 erwähnte. Das katholische Milieu Bambergs respektierte demnach das demokratische Bündnis. Gewinnbringend für die Ortsgruppe des Reichsbanners war aber besonders die Kooperation zwischen SPD und DDP in Bamberg. 1542 Die Einbindung der Liberalen war nicht nur „ornamental“ 1543 wie in anderen Städten und überdauerte zudem die Anfangszeit. 1544 Wichtigste Integrationsfigur der rot-demokratischen Zusammenarbeit war von Anfang an der Nürnberger Oberbürgermeister Hermann Luppe, der zum Beispiel 1928 die Rede zur Verfassungsfeier in Bamberg hielt. 1545 Des Weiteren stand die Person von Thomas Dehler charakteristisch für das Reichsbanner Bamberg: Liberaler, Reichsbannermitglied und durch seine jüdische Ehefrau eng mit der israelitischen Gemeinde verbunden. 1546 Unter diesen Voraussetzungen konnte sich das Reichsbanner in Bamberg fortwährend weiterentwickeln. Seit 1925 gab es eine eigene Radfahrerabteilung und ab 1926 marschierte man „unter den schneidigen Klängen des erst seit Kurzem gebildeten Trommler- und Pfeiferchors“. 1547 Dieser spielte nicht nur zu politischen Aufmärschen wie der Maifeier, der Gefallenenehrung oder im Wahlkampf,
sondern begleitete auch das gesellige Reichsbanner-Leben und stellte die Musik bei Familienausflügen und Arbeiterfesten. 1548 Bezeichnet wurde die Musikabteilung später mit dem stärker militärischen Substantiv Trommler- und Pfeiferkorps. 1549 Als weiterer Schritt konstituierte sich am 30. Januar 1927 der Republikanische Kleinkaliberschützenverein: „Republikaner, die Lust haben, den Schießsport auszuüben, werden freundlichst eingeladen, zu erscheinen“, 1550 lautete der Aufruf im Freistaat. 1926 hatte das Reichsbanner deutschlandweit begonnen, ein Netz des Bundes republikanischer Kleinkaliberschützen aufzubauen, um damit abwehrbereit gegen rechte Kampfbünde zu sein und die Republik im Ernstfall innenpolitisch verteidigen zu können. 1551 Mit dieser Entscheidung entfernte man sich vom pazifistischen Leitgedanken als unbewaffnete Defensivorganisation. 1552 Während in anderen Städten der Aufbau von Schießabteilungen misslang, zählte Bamberg mit Nürnberg und Treuchtlingen zu den Vor- und Spitzenreitern. 1553 Drei Wochen nach der Gründungsversammlung richtete der örtliche Kleinkaliberschützenbund ein Gesuch an den Stadtrat „um baupolizeiliche Genehmigung zur Errichtung eines Schießstandes in der Kegelbahn des Anwesens: Erlichstraße No. 52.“ 1554 Diese Adresse war gleichbedeutend mit der Gastwirtschaft „Weißes Roß“ von Pächter Heinrich König, die als Stammlokal der SPD-Wunderburg diente. 1555 Da sich das Reichsbanner in seiner Glie-
Vgl. BV v. 26.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5183; Gerstenberg, Reichsbanner. BV v. 26.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5183. 1541 BV v. 26.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5183. 1542 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 8.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 8.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1878; Walter/Dürr/Schmidtke, SPD, S. 239–243. 1543 Winkler, Schein, S. 380. 1544 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 8.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1878. 1545 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 8.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874. 1546 Vgl. Wengst, Udo: Thomas Dehler 1897–1967. Eine politische Biographie. München 1997, S. 36–55; Gerstenberg, Reichsbanner. 1547 FS v. 5. 6.1926, Nr. 125; vgl. FS v. 1. 9.1925, Nr. 198; FS v. 1. 6.1926, Nr. 122; Böhles, Gleichschritt, S. 121 f. 1548 Vgl. FS v. 5. 6.1926, Nr. 125; FS v. 2.11.1926, Nr. 251; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174. 1549 Vgl. FS v. 1. 6.1928, Nr. 124. 1550 FS v. 27.1.1927, Nr. 21. 1551 Vgl. Lagebericht v. 18.12.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 693; Rohe, Reichsbanner, S. 166; Winkler, Schein, S. 381 f. 1552 Vgl. Rohe, Reichsbanner, S. 166–168. 1553 Vgl. Lagebericht v. 13. 6.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 704: „Die Organisierung der Kleinkaliberschützenvereine in Nordbayern geht nur langsam vorwärts. Neben Nürnberg sind Ortsgruppen in Bamberg und Treuchtlingen bereits in Tätigkeit, in Schwabach und Hof sind solche in Bildung begriffen. Der Schießplatz des Nürnberger Vereins – eine vorbildliche Anlage – wurde am 24. 4. 27 eröffnet.“; Voigt, Kampfbünde, S. 281 f.; Böhles, Gleichschritt, S. 314. 1554 Antrag des Republikanischen Kleinkaliber-Schützenvereins Bamberg v. 22. 2.1927, StadtABa, C 2, Nr. 30138. 1555 Vgl. FS v. 1. 2.1930, Nr. 26; Krause, 115 Jahre, S. 58. 1539
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derung nach den SPD-Sektionen richtete, war das „Weiße Roß“ zu diesem Zeitpunkt bereits Stammlokal der Kameradschaft Wunderburg des Reichsbanners. 1556 Die städtische Genehmigung der Schießbahn erfolgte Anfang März, worauf der Schießstand am 20. April 1927 überprüft und abgenommen werden konnte. 1557 Folglich konnte man die Anlage in der Sommersaison 1927 schon vollständig nutzen und veranstaltete Ehrenscheibenschießen, Preisschießen und Bockpreisschießen. 1558 Bis 1933 blieb der Schießsport im Namen der Republik eine wichtige und beständige Komponente des Bamberger Reichsbanners. 1559 Damit unterschied sich Bamberg und Franken deutlich vom Reichsbanner anderer Orte und Gegenden wie Sachsen, Baden und Württemberg, die beim Aufbau der Kleinkaliberschützenvereine keine nennenswerten Erfolge verbuchten. 1560 Während im übrigen Deutschland der Schießsport „am Rande des Geschehens“ 1561 stand, bildete er in Bamberg ein Hauptbetätigungsfeld der Mitglieder. 1562 Die Gründe dafür waren sowohl die schwache USPDTradition und die geringe linksradikale und zugleich pazifistische Ausrichtung der Sozialdemokratie als auch Bambergs enge Verbindung zum Militär, sodass sich die Prägung der Garnisonsstadt bis in die Arbeiterbewegung auswirkte. 1563 1931 veranstaltete man an Maria Himmelfahrt sogar ein „Verfassungsschießen“, zu dem man sich erfolgreich für die Ehrenpreise des Reichspräsidenten Hindenburg beworben hatte. 1564 Andere Arbeitermilieus
zauderten mit der Rolle des Feldmarschalls als Hüter der Weimarer Verfassung, doch die Bamberger Republikaner schossen in seinem Namen und ihm zu Ehren. 1565 Gelebter Militarismus in republikanischem Gewand fand in Bamberg viele Anhänger. Die Bewaffnung des Reichsbanners über die Institution des Schützenbundes stieß also nicht auf Skepsis, sondern wurde als logische Konsequenz zur Aufrüstung der Gegner gesehen und begrüßt. 1566 Durch den Kleinkaliberschützenverein erweiterte und militarisierte man schließlich nicht nur das Reichsbanner, sondern das gesamte sozialistische Milieu in Bamberg. Anders als die offiziellen Richtlinien vorsahen, übernahm nicht der Vorstand des Reichsbanners Bamberg, sondern ein führendes Mitglied der SPD-Wunderburg den Vorsitz der Kleinkaliberschützen. 1567 1928 war dies der Maurer Karl Zettelmaier, 1930 Andreas Zettelmeier. 1568 Obwohl das „Nöth“ als offizielles Lokal und Leitungsbüro des Reichsbanners fungierte, verlagerte sich das Reichsbanner-Leben durch den Kleinkaliberschützenverein zunehmend in die Wunderburg. 1569 Beim „Weißen Roß“ besprach sich beispielsweise die Radfahrerabteilung und probte das Trommler- und Pfeiferkorps. 1570 Als Konsequenz wurden im Sprachgebrauch die Gäste des „Königs“ zum Synonym für Reichsbanner-Mitglieder. 1571 Die Ausdifferenzierung des Reichsbanners setzte sich Ende der Weimarer Republik fort. Am 22. Februar 1931 wurde auf der Generalversamm-
Vgl. Lagebericht v. 9. 7.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; FS v. 25. 2.1925, Nr. 46; FS v. 27. 8.1925, Nr. 194; FS v. 1. 4.1927, Nr. 75; Rohe, Reichsbanner, S. 71. 1557 Vgl. Beschluss des Verwaltungssenats v. 8. 3.1927 u. Vermerk zur Kontrolle der Schießanlage v. 20. 4.1927, StadtABa, C 2, Nr. 30138. 1558 Vgl. FS v. 1. 7.1927, Nr. 148; FS v. 1. 9.1927, Nr. 200; FS v. 1.10.1927, Nr. 226. 1559 Vgl. FS v. 28. 4.1928, Nr. 98; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 1. 6.1929, Nr. 123; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; FS v. 30. 4.1931, Nr. 98; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 25.1.1933, Nr. 20. 1560 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 267 f., 281; Böhles, Gleichschritt, S. 314. 1561 Rohe, Reichsbanner, S. 168. 1562 Vgl. FS v. 28. 4.1928, Nr. 98; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 1. 6.1929, Nr. 123; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; FS v. 30. 4.1931, Nr. 98; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 25.1.1933, Nr. 20. 1563 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 267 f., 281. 1564 Vgl. FS v. 1. 8.1931, Nr. 173; FS v. 13. 8.1931, Nr. 183. 1565 Vgl. FS v. 1. 8.1931, Nr. 173; FS v. 13. 8.1931, Nr. 183; Rohe, Reichsbanner, S. 417 f. 1566 Vgl. Rohe, Reichsbanner, S. 167 f. 1567 Vgl. Lagebericht v. 18.12.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 693; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 11. 8.1930, Nr. 182. 1568 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Einwohnermeldekarte Karl Zettelmaier, StadtABa, C 9, Nr. 58b; Einwohnermeldekarte Andreas Zettelmeier, StadtABa, C 9, Nr. 58. Der Beruf von Andreas Zettelmeier ist nicht bekannt; auch auf seiner Einwohnermeldekarte ist keine Angabe dazu vermerkt. 1569 Vgl. FS v. 17. 2. 1925, Nr. 39; FS v. 1. 9.1927, Nr. 200; FS v. 29. 4.1929, Nr. 98. 1570 Vgl. FS v. 1. 9.1927, Nr. 200; FS v. 1. 6.1931, Nr. 123; FS v. 1. 7.1931, Nr. 146. 1571 Vgl. NZA v. 15. 4.1930, Nr. 87. 1556
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Das politische Sozialmilieu
lung die Gründung des Jungbanners verkündet, das nun häufig eigene Veranstaltungen und Versammlungen abhielt. 1572 Man kam damit den offiziellen Anforderungen nach, doch eine sogenannte Jugendabteilung hatte in Bamberg bereits seit 1925 Bestand. 1573 Die Neugründung vor Ort entsprach wohl eher einer Umbenennung und bedeutete die Verstärkung – nicht die Erfindung – der Jugendarbeit. 1574 Allgemein nahmen nach den Gewinnen der NSDAP bei der Reichstagswahl 1930 die Aktivitäten des Jungbanners zu, ein Trend der sich auch in Bamberg niederschlug. 1575 Unstimmigkeiten und Feindseligkeiten zwischen dem Jungbanner und der SAJ wurden für Bamberg im Gegensatz zu anderen Städten nicht überliefert. 1576 Die beiden Jugendorganisationen kooperierten und besuchten beispielsweise 1931 gemeinsam die Sonnwendfeier auf dem Wassersportplatz am Bughof. 1577 Vermutlich wiesen beide Zusammenschlüsse in Bamberg eine große Schnittmenge hinsichtlich ihrer Mitglieder auf und verstanden sich als unterschiedliche Ausdrucksformen der organisierten Arbeiterjugend statt als Konkurrenz. Konkrete Namen von eingeschriebenen Jungbanner-Mitgliedern wurden nicht überliefert. Bekannt ist jedoch die Größe der Nachwuchsabteilung, die 1931 bei etwa 30 Jugendlichen lag und demnach mit der SAJ-Stärke vergleichbar war. 1578 Eine weitere Auswirkung des nationalsozialistischen Aufstiegs 1930 war die Formierung von mi-
litärischen Eliteeinheiten innerhalb des Reichsbanners, die Schutzformationen oder abgekürzt Schufos genannt wurden. 1579 Eine solche wurde auch in Bamberg gebildet und war insbesondere 1931 und 1932 bei Veranstaltungen des Arbeitermilieus präsent. 1580 Als der Reichstagsabgeordnete Wilhelm Hoegner 1581 im Mai 1931 im Bamberger Zentralsaal auf einer sozialdemokratischen Versammlung über die innen- und außenpolitischen Gefahren des nationalsozialistischen Dritten Reiches sprach, versah die Schufo den Dienst zur Sicherung der Versammlung. 1582 Angetreten war sie „in Bundeskleidung“. 1583 Die militärische Ausrichtung des Reichsbanners erhöhte sich mit den Schufos weiter, denn auch der sogenannte Schutzsport wurde nun zusätzlich zu den Schießübungen betrieben. 1584 Darüber hinaus verstärkte man musikalisch den soldatischen Charakter durch die Bildung eines Fanfarenkorps im Reichsbanner. 1585 Das Reichsbanner war Anfang der Dreißigerjahre in Bamberg keine überwiegend friedliebende Veteranenorganisation mehr, sondern der sozialdemokratische Auswuchs des alltäglichen Kriegsgebärdens. Es war die Vorbereitung und Aufrüstung des Arbeitermilieus auf einen möglichen Bürgerkrieg. 1586 Unter schwarz-rot-goldener Flagge wurde durch das Reichsbanner, den Kleinkaliberschützenverein und die Schutzformationen die Militarisierung des sozialistischen Milieus und seiner politischen Kultur vorangetrieben. 1587
Vgl. Bericht zur Generalversammlung des Reichsbanners v. 22. 2.1931, StadtABa, BS, Nr. 2834; FS v. 18. 3.1931, Nr. 64; FS v. 1. 7.1931, Nr. 146; FS v. 2. 2.1932, Nr. 26. 1573 Vgl. FS v. 26. 9.1925, Nr. 220; Böhles, Gleichschritt, S. 112–117. 1574 Vgl. Lagebericht v. 1. 8.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 709; Böhles, Gleichschritt, S. 112–117. 1575 Vgl. FS v. 1. 6.1931, Nr. 123; FS v. 20. 6.1931, Nr. 138; FS v. 1. 7.1931, Nr. 146; FS v. 25. 5.1932, Nr. 118; Böhles, Gleichschritt, S. 118 f. 1576 Vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 112 f. 1577 Vgl. FS v. 20. 6.1931, Nr. 138; FS v. 23. 6.1931, Nr. 140. 1578 Vgl. Bericht zur Generalversammlung des Reichsbanners v. 22. 2.1931, StadtABa, BS, Nr. 2834. 1579 Vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 68–71; Rohe, Reichsbanner, S. 365–379; Gerstenberg, Reichsbanner. 1580 Vgl. Bericht zur Generalversammlung des Reichsbanners v. 22. 2.1931, StadtABa, BS, Nr. 2834; FS v. 4. 5.1931, Nr. 100; FS v. 5. 5.1931, Nr. 101; FS v. 1. 9.1932, Nr. 200. 1581 Der Jurist und Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner (1887–1980) aus München gehörte zwischen 1924 und 1932 dem Bayerischen Landtag an und war seit 1930 Reichstagsabgeordneter. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er zweimal Ministerpräsident, nämlich zwischen 1945 und 1946 und von 1954 bis 1957. Zu seiner Biografie vgl. Rumschöttel, Hermann: Wilhelm Hoegner (1887–1980). In: Große Gestalten der bayerischen Geschichte. Hg. v. K. Weigand. München 2012, S. 441–459. 1582 Vgl. FS v. 5. 5.1931, Nr. 101; FS v. 7. 5.1931, Nr. 103; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 1583 FS v. 5. 5.1931, Nr. 101. 1584 Vgl. FS v. 1. 9.1932, Nr. 200; Böhles, Gleichschritt, S. 115 f.; Voigt, Kampfbünde, S. 280 f. Bewusst grenzte sich das Reichsbanner mit dem Wort „Schutzsport“ vom „Wehrsport“ der rechten Verbände ab. 1585 Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 50; FS v. 1. 9.1932, Nr. 200. 1586 Vgl. Gerstenberg, Reichsbanner; Voigt, Kampfbünde, S. 268; Bessel, Militarismus, S. 221. 1587 Vgl. Rohe, Reichsbanner, S. 125; Mommsen, Militär, S. 270; Gerstenberg, Reichsbanner; Böhles, Gleichschritt, S. 274–284. Rohe konstatiert ab 1930 1572
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Die Jahrespläne des Reichsbanners richteten sich nach den Hauptzielen der Organisation: Gefallenengedenken, Republikschutz und demokratische Machtdemonstration. 1588 Da es während der Weimarer Republik keinen festen gesetzlichen Volkstrauertag als Feiertag gab, wurde dieser in Bayern entweder an Allerheiligen, Allerseelen oder am zweiten Sonntag im November begangen. 1589 Als demokratischer und neuer Kriegsteilnehmerverband war das Reichsbanner bei der öffentlichen Trauerfeier nicht erwünscht, da die kollektive Erinnerung an die Gefallenen durch den Bayerischen Kriegerbund vereinnahmt war. 1590 Das Reichsbanner musste sich seine Position mühsam erkämpfen. 1925 fanden folglich am 8. November zwei getrennte Totenehrungen in Bamberg statt, obwohl Bürgermeister Weegmann und Stadtkommissar Köttnitz versucht hatten zwischen den Lagern zu vermitteln. 1591 Im Bericht an die Regierung hieß es dazu: „Betreff: Gefallenengedenkfeier des bayer. Kriegerbundes. […] Der Bayer. Kriegerbund, Obmannsbezirk Bamberg, veranstaltete gestern eine Gedenkfeier für die im Weltkrieg Gefallenen. An der Veranstaltung nahmen außer den Spitzen der Behörden teil die Kriegerbundvereine, Reichswehr und Landespolizei, Schützenvereine, Feuerwehr, Turnvereine, Gesang-
vereine, Studentenvereinigungen, Heimat- u. Königsbund, Innungen, Turn- u. Sportvereine, Heinrichsverein, Gärtnervereine, Bund Oberland, Frontkriegerbund, Marienritterorden. […] Reichsbanner Schwar[z]-Rot-Gold hatte beim Kriegerbund nachgesucht an der Feier teilnehmen zu dürfen, wurde aber nach Rücksprache des Bamberger Obmanns mit dem Bundespräsidium in München abgewiesen; es hielt eine eigene Feier (s. Sonderbericht).“ 1592
Während die Mehrheit der lokalen Verbände die Totenfeier des Kriegerbundes im Dom, am Maxplatz und in der Infanteriekaserne besuchte und zusammen zelebrierte, gedachten das Reichsbanner und die ihm nahestehenden Vereine mit einem Zug vom Schillerplatz zum Friedhof der Kriegsopfer. 1593 Dort veranstaltete man eine eigene Feier. Die Teilnehmeranzahl stand etwa im Verhältnis drei zu eins, denn das Reichsbanner vereinigte circa 800 Personen, während die übrigen Verbände 2.500 Anhänger aufboten. 1594 Angesichts der Vielzahl an Beteiligten bei der offiziellen Veranstaltung des Kriegerbundes war deren Dominanz zwar deutlich, aber nicht übermäßig. Das Reichsbanner wurde in Bamberg 1925 ausgegrenzt und ausgeschlossen, doch dies stärkte die Gegenreaktion und den Zusammenhalt der sozialistisch-demokratischen Kräfte. Sie sammelten sich und machten durch ihre Feier den
die Entwicklung des Reichsbanners „zu einem wirklichen Wehr- und Kampfverband“, der sich dem Zeitgeist öffnete und die Methoden der Rechten adaptierte. Ebenso stellte Böhles für den Südwesten Deutschlands fest, dass sich das Gewicht des Reichsbanners seit September 1930 vom republikanisch-sozialdemokratischen Verein immer stärker zum paramilitärischen Verband verschob. Im Widerspruch dazu steht die Aussage von Benjamin Ziemann, der das Fazit zieht, dass trotz Uniformierung und Aufmärschen „das Reichsbanner nicht zur Militarisierung der politischen Kultur bei [trug].“, vgl. Ziemann, Veteranen, S. 307. 1588 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 293–322; Böhles, Gleichschritt, S. 129–149, 263–269. 1589 Vgl. FS v. 24. 10.1922, Nr. 245; FS v. 2.11.1926, Nr. 251; FS v. 2.11.1928, Nr. 252; Eckert, Konstantin Franz: Die Entwicklung deutscher Gefallenengedenktage im Spiegel des „Bamberger Tagblatts“ und seiner Nachfolger. Unveröffentlichte Bachelorarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg 2014, S. 12–14; Kaiser, Alexandra: Von Helden und Opfern. Eine Geschichte des Volkstrauertags (= Campus Historische Studien, Bd. 56). Frankfurt am Main 2010, S. 112, 124–129. 1590 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2594; Eckert, Gefallenengedenktage, S. 17; Kaiser, Helden, S. 130 f. In ganz Bayern übernahm der Bayerische Kriegerbund federführend die Organisation und Interpretation des Gefallenengedenkens, wohingegen im restlichen Deutschland dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge diese Aufgabe zukam. 1591 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2594; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; FS v. 7.11.1925, Nr. 256; Kaiser, Helden, S. 133; Böhles, Gleichschritt, S. 263. Ebenso im Alleingang entschied der Bayerische Kriegerbund in München über die Zulassung der Teilnehmer. 1592 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2594. 1593 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2594; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1594 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2594; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960.
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Das politische Sozialmilieu
angestammten Vereinen die Deutungshoheit über das Fronterlebnis streitig. 1595 In ähnlicher Weise fanden 1926 erneut zwei separate Gefallenengedenken in Bamberg statt und zementierten somit die Fragmentierung der politischen Kultur. 1596 1927 war dies anders: Am 6. November wurde der Ehrenfriedhof mit dem Denkmal „Ruhender Krieger“ eingeweiht und eine Woche später versammelte sich
Im Unterschied zum Volkstrauertag wurden an den Republikanertagen die Aspekte Verteidigung und Schutz der Demokratie herausgestellt. 1602 Das Bamberger Reichsbanner richtete nicht nur 1924 den Gau- und Republikanertag aus, sondern 1929 kamen erneut die schwarz-rot-goldenen Vereine Frankens in der oberfränkischen Stadt zusammen. 1603 In der Zeitung Das Reichsbanner wurde folgende Meldung veröffentlicht:
„eine gewaltige Menschenmenge, Tausende von Männern verschiedener Konfessionen und aller Parteirichtungen zur gemeinsamen wirklich erhebenden Totenfeier.“ 1597
„Gau Franken. Zum 21. April sind die Kameraden nach Bamberg aufgerufen, um dort in einer Kundgebung ein Treuegelöbnis zur Republik abzulegen. – Gleichzeitig findet eine wichtige Führerbesprechung statt.“ 1604
Dieser Gedenkakt war eine Prämiere, denn erstmals war das Reichsbanner nach 3-jähriger Existenz eingeladen worden. 1598 Der republikanische Bund marschierte inmitten staatlicher Behörden, Reichswehr, Landespolizei und vaterländischer und katholischer Verbände auf dem Friedhof auf. Anschließend berichtete der Freistaat von der „aufrichtigen, tiefempfundenen Volkstrauer, die keine Gegensätzlichkeiten kennt“ und lobte die Zusammenkunft der unterschiedlichen Kooperationen „ohne Unterschied der politischen und konfessionellen Einstellung“. 1599 Das Reichsbanner hatte damit 1927 in Bamberg die Anerkennung als Veteranenverein erlangt. 1600 Dennoch währte die gesellschaftliche Einigkeit nicht lange, denn 1931 scherten die NSDAP und der Stahlhelm aus der gemeinsamen Trauerfeier aus und veranstalteten ihrerseits eine eigene Kundgebung. 1601 Das Gefallenengedenken blieb umstritten und umkämpft, ein Minenfeld der politischen Kultur während der Weimarer Republik.
Die entspannte politische Lage sowie die errungene Wertschätzung ermöglichten auch die Durchführung eines Festumzuges durch die Stadt. 1605 Das Reichsbanner konnte sich erstmals öffentlichkeitswirksam im großen Rahmen präsentieren und nutzte diese Chance, wie der Stadtkommissar festhielt: „Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold veranstaltete am 20. u. 21. April 1929 in Bamberg einen Gautag, verbunden mit Republikanerfeier. […] Die Veranstaltung sollte eine Demonstration sein, diesem Zwecke diente es, daß sich die Teilnehmer möglichst viel auf der Straße zeigten, ferner daß in dem Festzug etwa 12 Musikkapellen eingesetzt waren, die einen Heidenlärm vollführten. Wohl die Hälfte der Festteilnehmer betätigte sich als Musikanten bezw. Pfeifer und Trommler.“ 1606
Vgl. Ziemann, Kriegserinnerung, S. 357–362, 389–398. Vgl. FS v. 2.11.1926, Nr. 251; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867; Ziemann, Kriegserinnerung, S. 361. 1597 FS v. 2.1.1928, Nr. 1; vgl. FS v. 4.11.1927, Nr. 254; Eckert, Gefallenengedenktage, S. 26. 1598 Vgl. FS v. 11.11.1927, Nr. 260. 1599 FS v. 15.11.1927, Nr. 263. 1600 Vgl. FS v. 12.11.1927, Nr. 261. 1601 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 13.11.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1887. 1602 Vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 129–142; Voigt, Kampfbünde, S. 293–297. 1603 Vgl. Das Reichsbanner v. 13. 4.1929, Nr. 15; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; FS v. 20. 4.1929, Nr. 91. Als Teilnehmer listete der Freistaat u. a. Nürnberg, Schweinfurt, Coburg, Neustadt, Erlangen, Fürth, Forchheim, Haßfurt und Bayreuth. 1604 Das Reichsbanner v. 13. 4.1929, Nr. 15. 1605 Vgl. FS v. 20. 4.1929, Nr. 91. 1606 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1595
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Wie allgemein üblich verband das Fest 1929 militärische, politische und gesellige Programmpunkte miteinander. 1607 So folgte auf den Umzug durch die Stadt, die Ansprache durch den SPD-Reichstagsabgeordneten Hans Vogel und ein Ausklang mit Festkonzert. 1608 Insgesamt beteiligten sich etwa 1.500 Reichsbannerkameraden am Aufmarsch und setzten mit 35 schwarz-rot-goldenen Fahnen symbolisch ein Zeichen für die Weimarer Republik. 1609 Das Reichsbanner Bamberg war aber nicht nur Gastgeber, sondern es besuchte ebenfalls auswärtige Republikanertage. 1610 Die Bamberger Mitglieder fuhren nach Neuensorg bei Coburg, nach Schweinfurt, Redwitz, Wonfurt bei Haßfurt und Marktgraitz. 1611 Besonders in kleineren Orten wie Redwitz war die Unterstützung aus der Regnitzstadt für die republikanischen Kundgebungen essentiell: Die Ortsgruppe Bamberg stellte nicht nur den Redner, sondern auch den Großteil der Teilnehmer. 1612 So hielt Josef Dennstädt in Redwitz 1927 die Ansprache und das Bezirksamt Lichtenfels berichtete, dass „am Sonntag, den 31. Juli in Redwitz eine von etwa 1.000 Personen hauptsächlich aus Bamberg besuchte Republikanische Kundgebung des Reichsbanners SchwarzRot-Gold stattgefunden“ 1613 habe. Wie im Falle von Bamberg lag der Schwerpunkt der Mitglieder des Reichsbanners generell in den Städten, sodass diese Gruppen die Führungsrolle einnahmen. 1614 Obwohl andernorts nach der Anfangseuphorie 1924/25 die Begeisterung für das Reichsbanner nachließ und zum Beispiel die Kreise Aschaffenburg, Würzburg und Schweinfurt 1927 gegen das Aus kämpften, war Bamberg kontinuierlich eine
feste Bastion des Bundes. 1615 Die Zeit Ende der Zwanzigerjahre war in der Regnitzstadt nicht von Passivität bestimmt, sondern Teilnahmen an Arbeiterfesten, republikanischen Kundgebungen und Verfassungsfeiern wechselten sich ab mit lokalen Appellen, Treffen und Sitzungen. 1616 Beschwerden in Bamberg betrafen nicht den mangelnden Aktionismus, sondern die zu hohe Schlagzahl der Reichsbanner-Veranstaltungen. Vor allem gab es Kritik wegen der häufigen auswärtigen Feiern, zu denen die Bamberger Mitglieder reisen sollten. 1617 Im Freistaat sah sich die Vorstandschaft daher 1927 zu einer Erklärung genötigt: „Nach einem Beschluß der Leitung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Ortsgruppe Bamberg, wird von sämtlichen Einladungen, die an die Ortsgruppe ergangen sind, nur noch der nach Redwitz Folge geleistet.“ 1618
In den folgenden Jahren wurden keine weiteren Klagen bekannt. Erst Anfang der 1930er Jahre traten auch im Reichsbanner Bamberg Schwierigkeiten zutage. 1619 Auf der Generalversammlung 1930 sprach Dennstädt als Vorsitzender von einer gehemmten Entfaltung, Veränderungen in der Leitung und als Gegenmaßnahme beschloss man die Befreiung der Arbeitslosen von der Beitragspflicht. 1620 Im Unterschied zu der Anfangszeit des Reichsbanners war der Kampfbund mittlerweile auch in Bamberg stark „sozialdemokratisiert“. 1621 Alle wichtigen Posten wurden von Parteigenossen der SPD besetzt: Dennstädt war erster Vorsitzender,
Vgl. FS v. 20. 4.1929, Nr. 91; Böhles, Gleichschritt, S. 129. Vgl. FS v. 20. 4.1929, Nr. 91. 1609 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Böhles, Gleichschritt, S. 160–167. 1610 Vgl. FS v. 1. 9.1925, Nr. 198; FS v. 1. 7.1927, Nr. 148; FS v. 26. 7.1927, Nr. 169; FS v. 29. 4.1929, Nr. 98; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147. 1611 Vgl. FS v. 1. 9.1925, Nr. 198; FS v. 1. 7.1927, Nr. 148; FS v. 26.7.1927, Nr. 169; FS v. 29. 4.1929, Nr. 98; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147. 1612 Vgl. Nachtrag zum Halbmonatsbericht des Bezirksamts Lichtenfels v. 16. 8.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1870. 1613 Nachtrag zum Halbmonatsbericht des Bezirksamts Lichtenfels v. 16. 8.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1870. 1614 Vgl. Rohe, Reichsbanner, S. 270; Böhles, Gleichschritt, S. 124. 1615 Vgl. Lagebericht v. 1. 8.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 709; FS v. 1. 7.1927, Nr. 148; FS v. 26. 7.1927, Nr. 169; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147; Böhles, Gleichschritt, S. 309. 1616 Vgl. FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 26. 7.1927, Nr. 169; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 1. 8.1928, Nr. 174; FS v. 2. 5.1928, Nr. 100. 1617 Vgl. FS v. 26. 7.1927, Nr. 169. 1618 FS v. 26. 7.1927, Nr. 169. 1619 Vgl. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64; FS v. 26.1.1931, Nr. 20; Das Reichsbanner. Zeitung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Bund Deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner E.V. v. 26.12.1931, Nr. 52. 1620 Vgl. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64. Die Namen der geänderten Leitung wurden jedoch nicht im Freistaat publiziert. 1621 Vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 309. In Baden und Württemberg wurde ebenfalls seit den 1930er Jahren eine starke „Sozialdemokratisierung“ des Reichsbanners festgestellt, obwohl zuvor die Demokraten und das Zentrum eingebunden waren. 1607
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Das politische Sozialmilieu
der Maschinist Christoph Scheler zweiter Vorsitzender, Georg Dotterweich verwaltete die Kasse und Georg Grosch besetzte das Amt des Schriftführers. 1622 Die Demokraten waren aus der Führungsriege verschwunden, womit zwangsläufig eine Schwächung der republikanischen Sammlungsbewegung verbunden war. 1623 Im Bamberger Tagblatt schrieb der leitende Redakteur Dietrich 1931 unter der Überschrift „Neues vom Reichsbanner“ von „stark gelichteten“ Reihen und thematisierte den Rückgang der republikanischen Organisation. 1624 Trotz dieser inneren Probleme schaffte es das Reichsbanner Bamberg, seine Unterabteilungen und Aktivitäten auch in anderen Städten aufrechtzuerhalten. 1625 Anfang der Dreißigerjahre fuhr eine Abordnung zur Befreiungsfeier des Rheinlandes nach Mainz, man beteiligte sich am Reichstreffen in Bayreuth und meldete Kameradschaftsführer zur Gefallenenehrung an den Kriegsgräbern in Frankreich an. 1626 Dabei kam es dem Bamberger Kampfbund zugute, dass das Reichsbanner deutschlandweit einer nach rechts verschobenen Sozialdemokratie glich. 1627 Dies harmonierte nämlich gut mit der SPD-Bamberg. Aufgrund der moderaten Ausrichtung der Sozialdemokratie vor Ort hatte das Reichsbanner in Bamberg fortwährend einen starken Kern, der es durch Krisenphasen trug, weiter auf- und ausbaute. 1628 „Das Banner steht!“, 1629 lautete nicht nur die Propaganda im Freistaat, sondern in Bamberg traf dies die Organisationsgeschichte der schwarz-rot-goldenen Schutztruppe. Alles in allem war und blieb das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold eine Erfolgsgeschichte
in Bamberg und trug zur Stärkung des sozialistischen Milieus bei. 3.2.9.4 Die Eiserne Front Seit März 1932 existierte die Eiserne Front in Bamberg, ein Zusammenschluss der SPD, des Reichsbanners, der Freien Gewerkschaften und der Arbeitersportvereine. 1630 Als Gegenmaßnahme zur rechten Allianz der Harzburger Front vom Oktober 1931 hatte man am 16. Dezember 1931 in Berlin das reichsweite Abwehrkartell gegen den Faschismus ins Leben gerufen. 1631 Im Reichspräsidentenwahlkampf im März und April 1932 trat die Eiserne Front in der Regnitzstadt erstmals hervor und unterstützte die Kandidatur Hindenburgs durch das Verteilen von Flugblättern, das Bewachen der Plakatsäulen und bei der Durchführung von Wahlkundgebungen. 1632 Vor allem aber dominierte die Eiserne Front im Juli 1932 die Aktivitäten des sozialistischen Milieus. 1633 Eine Veranstaltung, egal ob Kundgebung, Aufmarsch, Demonstration oder Fackelumzug, jagte die nächste und die Schlagzeilen im Freistaat übermittelten Kampfeswille, Zuversicht und Begeisterung: „Eiserne Front – Gegen Hitlerbarone! Die Sozialdemokratie eröffnet den Wahlkampf!“ 1634 „Das Bamberger Arbeitsvolk marschiert! Eine wuchtige Demonstration der Eisernen Front.“ 1635 „Auf zum letzten Gefecht! Eiserne Front – Antreten!
Vgl. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. Vgl. FS v. 26.1.1931, Nr. 20; Böhles, Gleichschritt, S. 309. 1624 Vgl. FS v. 26.1.1931, Nr. 20. 1625 Vgl. FS v. 1. 3.1930, Nr. 50; FS v. 3. 5.1930, Nr. 100; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147; FS v. 7.1.1931, Nr. 4; FS v. 1. 7.1931, Nr. 146. 1626 Vgl. FS v. 1. 3.1930, Nr. 50; FS v. 3. 5.1930, Nr. 100; FS v. 26. 6.1930, Nr. 143; Bericht zur Generalversammlung des Reichsbanners v. 22. 2.1931, StadtABa, BS, Nr. 2834. 1627 Vgl. Rohe, Reichsbanner, S. 324. 1628 Vgl. FS v. 7.1.1931, Nr. 4; FS v. 25.7.1931, Nr. 167; FS v. 13. 8.1931, Nr. 183; Bericht zur Generalversammlung des Reichsbanners v. 22. 2.1931, StadtABa, BS, Nr. 2834; Gerstenberg, Günther: Eiserne Front, 1931–1933. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/ Lexikon/Eiserne Front, 1931–1933i (19. 4. 2017). 1629 FS v. 18. 3.1930, Nr. 64. 1630 Vgl. FS v. 14. 3.1932, Nr. 61; Voigt, Kampfbünde, S. 456–458. 1631 Vgl. Das Reichsbanner. Zeitung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Bund Deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner E.V. v. 26.12.1931, Nr. 52; Rohe, Reichsbanner, S. 392–403; Voigt, Kampfbünde, S. 456–458; Gotschlich, Kampf, S. 101–108. 1632 Vgl. FS v. 14. 3.1932, Nr. 61; FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; Büttner, Weimar, S. 456; Gotschlich, Kampf, S. 115–117. 1633 Vgl. FS v. 1. 7.1932, Nr. 148; FS v. 2. 7.1932, Nr. 149; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Gerstenberg, Eiserne Front. 1634 FS v. 1. 7.1932, Nr. 148. 1635 FS v. 11. 7.1932, Nr. 156. 1622 1623
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
Volk hüte deine Freiheit!“ 1636 „Die letzte Wahlkundgebung im Stadion. Am Samstag abend sammelten sich mehrere tausend Republikaner im Stadion, um dort der letzten Kundgebung der ‚Eisernen Front‘ vor der Wahl beizuwohnen.“ 1637
Außerdem kam es den Mitgliedern der Eisernen Front darauf an, den öffentlichen Raum als neue politische Bühne der Weimarer Republik nicht bereitwillig der Bayernwacht und NSDAP zu überlassen. 1638 Vehementer als das Reichsbanner trug die Eiserne Front den Kampf des Arbeitermilieus auf die Straße und politisierte den Alltag und das Gemeinwesen. 1639 Das neue Credo lautete: Offensive statt Verteidigung. 1640 Der Bundesvorsitzende des Reichsbanners Karl Höltermann aus Magdeburg formulierte dies in der Zeitschrift Das Reichsbanner folgendermaßen: „Nicht einen Tag, nicht eine Stunde mehr wollen wir in der Defensive bleiben – wir greifen an!“ 1641 Gezielt versuchte die Eiserne Front in Bamberg größere und imposantere Veranstaltungen auf die Beine zu stellen als die NSDAP. 1642 In einem Aufruf vom Sommer 1932 hieß es daher: „Wir marschieren morgen Samstag. […] Kommt in Massen und zeigt, welche Macht wir darstellen! Der Naziaufmarsch war 300 Mann stark. Wir müssen 1000 Frauen und Männer werden, die für die Freiheit des deutschen Volkes demonstrieren!“ 1643
Nicht nur durch Menschenmassen versuchte man zu beeindrucken, sondern auch durch den Einsatz moderner Ton- und Lichttechniken. 1644 Fackelaufmärsche und die Übertragung mithilfe von Lautsprecheranlagen intensivierten das gemeinsame Erlebnis und luden die Atmosphäre emotional auf. 1645 Dabei erwies sich das Bamberger Stadion im Volkspark als idealer Ort für die neuen Propagandaformen, um Einheit und Stärke spürbar zu vermitteln. 1646 Bewusst bediente sich die Eiserne Front dabei der erfolgreichen Methoden der Nationalsozialisten und adaptierte diese für die eigene Ideologie. 1647 Im Kampf der Fahnen und Symbole wurden dem Hakenkreuz die drei silbernen Pfeile auf rotem Grund entgegengesetzt und das nationalsozialistische Kennzeichen bildlich durchbohrt und unschädlich gemacht. 1648 Seit 8. Juli 1932 ergänzte das Drei-Pfeil-Symbol außerdem die Kopfzeile des Freistaats und führte dem Leser durch die Aufschrift derselben täglich die drei elementaren Tugenden Einigkeit, Aktivität und Disziplin der Eisernen Front vor Augen. 1649 Zusätzlich entwickelte man einen eigenen Gruß: den Ruf „Freiheit“ zusammen mit einer emporgestreckten Faust als performatives Element. 1650 Diesen neuen Gruß verbreitete man durch Zeichnungen in der sozialdemokratischen Presse. 1651 All diese deutschlandweiten Neuerungen entstammten der Feder des Exilrussen Sergej Tschachotin und des SPD-Reichstagsabgeordneten Carlo Mierendorff. 1652 Ihre Reform prägte die Wahlkämpfe 1932 und 1933 – auch in Bamberg.
FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174. 1638 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 2.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Mennen, Kristian: Selbstinszenierung im öffentlichen Raum. Katholische und sozialdemokratische Repertoirediskussionen um 1930 (= Zivilgesellschaftliche Verständigungsprozesse vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Deutschland und die Niederlande im Vergleich, Bd. 12). Münster 2013, S. 162–169; Häberlen, Class War, S. 33–41. 1639 Vgl. FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 19.1.1933, Nr. 15; FS v. 13. 2.1933, Nr. 36. 1640 Vgl. Gotschlich, Kampf, S. 105. 1641 Zit. n. Gotschlich, Kampf, S. 105; vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 456 f. 1642 Vgl. FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; Mennen, Selbstinszenierung, S. 115. 1643 FS v. 8. 7.1932, Nr. 154. 1644 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Mennen, Selbstinszenierung, S. 105–116, 152–162. 1645 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Böhles, Gleichschritt, S. 178–180. 1646 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Mennen, Selbstinszenierung, S. 106. 1647 Vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 180; Mennen, Selbstinszenierung, S. 169. Die neueste Forschung betont dabei, dass die Nationalsozialisten neue Propagandaarten und -elemente nicht erfanden, sondern lediglich früher und konsequenter einführten als andere Parteien. Ihre Wahlerfolge ab 1930 bewirkten ein Umdenken bei ihren Gegnern und schließlich einen Wandel der politischen Kultur während der Endphase der Weimarer Republik. 1648 Vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 178–180. 1649 Vgl. FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; Böhles, Gleichschritt, S. 180. 1650 Vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 180–183. 1651 Vgl. FS v. 28. 7.1932, Nr. 171; FS v. 16. 2.1933, Nr. 39. 1652 Vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 178–180. 1636 1637
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Das politische Sozialmilieu
Zu einem Umzug der Eisernen Front im Juli 1932 schrieb der Freistaat: „Mit wehenden roten und schwarzrotgoldenen Fahnen kamen sie daher, singend und zum Freiheitsrufe die kräftigen Fäuste reckend, ein Anblick, der wohl die Herzen der Freunde erheben, die der Feinde aber zittern machen konnte. […] Alle schmückte das Zeichen der Eisernen Front, die silbernen drei Pfeile. […] Ein dreimaliger Freiheitsruf dröhnte über den Platz und die schwieligen Fäuste reckten sich hoch empor.“ 1653
Das Verdienst der Eiserne Front war die Wiederbelebung und Mobilisierung des gesamten sozialistischen Milieus. 1654 In Bamberg lag der Höhepunkt der Organisation nicht wie in Sachsen im Frühjahr, sondern im Sommer 1932. 1655 Nach den flauen Jahren des Reichsbanners Bamberg 1930/31 wirkte die Gründung der Eisernen Front wie das langersehnte Aufbruchsignal. Im Freistaat war wiederholt von über tausend Teilnehmern die Rede. 1656 Versammlungsorte wie der Zentralsaal oder das Stadion sprechen für den großen Zulauf. 1657 Als im März 1933 der Eisernen Front die Benutzung des Zentralsaals untersagt wurde, musste man die Wahlkundgebung auf mehrere Orte, den „Schwarzen Adler“ und den „Eckenbüttner“, aufteilen. 1658 Ebenfalls gehörte es zum neuen Konzept, besonders zugkräftige Redner für die Massenveranstaltungen zu akquirieren. 1659 In Bamberg sprachen Wilhelm Hoegner, Ernst
Schneppenhorst, der preußische Landtagsabgeordnete Emil Stahl und der frühere Reichsinnenminister Carl Severing zum sozialistischen Milieu. 1660 Nicht nur mit ihren Propagandamitteln beschritt die Eiserne Front neue Wege, sondern man erschloss mit Aufmärschen auch neue Stadtviertel. 1661 Im Gegensatz zu den Umzügen der Maifeiern, die sich meist vom Schönleinsplatz oder Schillerplatz, über den Bahnhof zum Residenzplatz oder dem Hain bewegten, überschritt man Grenzen und „eroberte“ neue Gebiete. 1662 Ein Demonstrationszug der Eisernen Front führte am 11. Februar 1933 durch das Berggebiet Bambergs. 1663 Außerdem nutzte man die Wunderburg als rote Hochburg und veranstaltete im Juli 1932 einen Umzug nur im Süden der Stadt zwischen Kunigundendamm, Luitpold-, Nürnberger- und Theresienstraße. 1664 Bei diesem Anlass hielt Josef Dennstädt, als lokaler Leiter der Eisernen Front, die Ansprache am Hochgericht. 1665 Er sowie weitere Führungspersonen der SPD betätigten sich als „Kampfleitung der Eisernen Front“. 1666 Neben Dennstädt gehörten diesem Gremium der SPD-Vorsitzende Georg Göttling und der frühere Gewerkschaftssekretär Johann Engert an. 1667 Im Unterschied zur Organisation des Reichsbanners und zur Eisernen Front in manch anderen Städten integrierte man keine bürgerlichen Demokraten der Deutschen Staatspartei. 1668 In Bamberg verstand man die Eiserne Front als Bündnis der proletarischen und organisierten Arbeiterschaft und richtete Aufforderungen zur Teilnahme explizit
FS v. 11. 7.1932, Nr. 156. Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 460–464; Böhles, Gleichschritt, S. 184 f. 1655 Vgl. FS v. 1. 7.1932, Nr. 148; FS v. 2. 7.1932, Nr. 149; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Voigt, Kampfbünde, S. 461–464. 1656 Vgl. FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 1.10.1932, Nr. 226. 1657 Vgl. FS v. 28. 7.1932, Nr. 171; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 3. 9.1932, Nr. 202. 1658 Vgl. FS v. 3. 3.1933, Nr. 52. 1659 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 460 f. 1660 Vgl. FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 1. 9.1932, Nr. 200; FS v. 1.10.1932, Nr. 226; FS v. 17.10.1932, Nr. 239; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Zwanzig, Nürnberg, S. 63 f. Ernst Schneppenhorst hatte sich nach seiner Amtszeit als Minister unter Regierungspräsident Hoffmann ab 1919/20 aus der aktiven Politik zurückgezogen und war erst 1931 wieder hervorgetreten, indem er Führungspositionen in der SPD und in der Eisernen Front in Nürnberg übernahm. 1661 Vgl. FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 8. 2.1933, Nr. 32; Mennen, Selbstinszenierung, S. 115. 1662 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 29. 4.1921, Nr. 98; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98; FS v. 28. 4.1928, Nr. 98; Mennen, Selbstinszenierung, S. 115. 1663 Vgl. FS v. 8. 2.1933, Nr. 32: „Eiserne Front marschiert am Samstag auf dem Berggebiet. Raus aus den Wohnungen, auf die Straßen.“ 1664 Vgl. FS v. 11. 7.1932, Nr. 156. 1665 Vgl. FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; Liste der führenden Männer der Systemzeit des Reichsführers der SS v. 6.1939, BArch, R 58, Nr. 3566. 1666 FS v. 9. 2.1933, Nr. 33; vgl. FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 14. 2. 1933, Nr. 37; FS v. 18. 2.1933, Nr. 41; Gotschlich, Kampf, S. 106. 1667 Vgl. FS v. 14. 2.1933, Nr. 37; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 1668 Vgl. Gotschlich, Kampf, S. 111. 1653
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Die Sozialdemokratische Partei Bamberg
an „alle Parteimitglieder [der SPD], Gewerkschaftskollegen und Sportler“. 1669 Das „Nöth“ wurde zum Stammlokal der Eisernen Front und der „König“ in der Wunderburg zum wichtigsten Nebenschauplatz, denn hier fand das gesellige Beisammensein nach den Aufmärschen statt. 1670 Parolen und Slogans der Eisernen Front Bamberg mit linksextremer Wortwahl wie „Der Marxismus lebt!“ 1671, „Der Faschismus bedroht die Arbeiterklasse!“ 1672 oder „Proletarier seid einig, ihr habt zu viel zu verlieren“ 1673 richteten sich gezielt und ausschließlich an die Arbeiterbewegung. 1674 Als Motivation der eigenen Anhänger zeigten sie Wirkung, neue Wählerschichten außerhalb des sozialistischen Milieus konnten damit jedoch nicht erschlossen werden – sie wurden eher abgeschreckt. 1675 Abweichend vom Reichsbanner bemühte man sich allerdings um die Frauen und bezog sie in die Eiserne Front mit ein. 1676 Ein Zeitungsbericht zu einer Kundgebung im Juli 1932 aus Bamberg führte dazu aus: „Auch unsere Frauen waren mit dabei, als es galt, zu zeigen, daß sie treu zum roten und schwarzrotgoldenen Banner stehen. Welche Partei kann das noch von sich behaupten, daß die Frauen mit solchem Bekennermut in Reih und Glied mit den Männern marschieren, unangefochten von den Bosheiten, in denen die Gegner der Arbeiterschaft da und dort ihrer ohnmächtigen Wut Ausdruck verliehen?“ 1677
Absichtlich hob man sich von der männerdominierten NSDAP ab und revidierte den Ausschluss der Frauen vom Republikschutz im Reichsbanner, das als Kriegsteilnehmerbund die weibliche Mitgliedschaft untersagt hatte. 1678 Die Ambivalenz zwischen der Frauenemanzipation in der SPD und der Ausrichtung des Reichsbanners als Männerbund konnte am Ende der Weimarer Republik durch die Eiserne Front überwunden werden. 1679 Eine Anzeige im Freistaat zeigte eine junge Kämpferin der Eisernen Front mit der Unterschrift: „Jede Genossin trägt unser Abzeichen! Jede Genossin grüßt mit unserem Freiheitsgruß!“ 1680 Getragen von den Männern und Frauen des sozialistischen Milieus in Bamberg lebte die Eiserne Front selbst nach dem sogenannten Preußenschlag der NSDAP am 20. Juli 1932 1681 ungehemmt weiter. 1682 Während in anderen Städten das Ende der preußischen SPD-Regierung eine tiefe Schneise in die Organisation des antifaschistischen Zusammenschlusses schlug, hinterließ der Staatsstreich in Bamberg keine Zäsur und verminderte nicht den Aktionismus der Eisernen Front. 1683 Im Wahlkampf der zweiten Reichstagswahl im Herbst 1932 wurden erneut große Wahlkundgebungen der Eisernen Front im Zentralsaal organisiert. 1684 Eines der Veranstaltungsthemen lautete: „Vorwärts, zum Sozialismus im Zeichen des sieghaften Dreipfeils!“ 1685 Hierfür verwies man in der Zeitungsankündigung da-
FS v. 11. 2.1933, Nr. 35; vgl. FS v. 10. 2.1933, Nr. 34; FS v. 11. 2.1933, Nr. 35. Vgl. FS v. 9. 2.1933, Nr. 33; FS v. 11. 2.1933, Nr. 35; Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893. 1671 FS v. 15. 2.1933, Nr. 38. 1672 FS v. 25. 2.1933, Nr. 48. 1673 FS v. 10. 2.1933, Nr. 34. 1674 Vgl. Gotschlich, Kampf, S. 106; Voigt, Kampfbünde, S. 462. 1675 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 462. 1676 Vgl. FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 16. 2.1933, Nr. 39; Böhles, Gleichschritt, S. 294 f. 1677 FS v. 11. 7.1932, Nr. 156. 1678 Vgl. Ziemann, Benjamin: Die Zukunft der Republik? Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold 1924–1933 (= Gesprächskreis Geschichte, Bd. 91). Bonn 2011, S. 44–49; Böhles, Gleichschritt, S. 292–295; Falter, Hitlers Wähler, S. 145. 1679 Böhles und Ziemann hingegen bewerten die Eingliederung der Frauen als Misserfolg; sie beziehen sich dabei aber hauptsächlich auf das Reichsbanner und weniger die Eiserne Front; vgl. Böhles, Gleichschritt, S. 295; Ziemann, Zukunft, S. 48 f. 1680 FS v. 16. 2.1933, Nr. 39. 1681 Als Preußenschlag bezeichnet man die Absetzung der preußischen Regierung mit dem SPD-Ministerpräsidenten Otto Braun am 20. Juli 1932 durch Reichspräsident Hindenburg per Notverordnung. Durch diesen gewaltlosen Staatsstreich endete die Regierungsbeteiligung der SPD in Preußen. Franz von Papen wurde daraufhin als Reichskommissar eingesetzt und Hindenburg sicherte so konservativen Kräften eine Machtbasis, von der 1933 die NSDAP profitierte. Vgl. Büttner, Weimar, S. 470–473. 1682 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 1. 9.1932, Nr. 200; FS v. 3. 9.1932, Nr. 202; FS v. 1.10.1932, Nr. 226; FS v. 2.11.1932, Nr. 252. 1683 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 1. 9.1932, Nr. 200; FS v. 3. 9.1932, Nr. 202; FS v. 1.10.1932, Nr. 226; FS v. 2.11.1932, Nr. 252; Voigt, Kampfbünde, S. 465– 468; Böhles, Gleichschritt, S. 187. 1684 Vgl. FS v. 3. 9.1932, Nr. 202; FS v. 1.10.1932, Nr. 226; FS v. 2.11.1932, Nr. 252. 1685 FS v. 1.10.1932, Nr. 226. 1669 1670
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Das politische Sozialmilieu
rauf, dass man extra alle Tische aus dem großen und kleinen Saal räumen werde, um genug Platz für bis zu 2.000 Menschen zu schaffen. 1686 Darüber hinaus wurde am 4. September 1932 ein „Ehrentag der Republik“ im Stadion von der Eisernen Front veranstaltet, bei dem zum krönenden Abschluss ein Feuerwerk abgeschossen wurde. 1687 Eingeladen waren alle, die für „Freiheit, Frieden und Arbeit“ 1688 kämpften. Die Demonstrationsfreiheit war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon beschnitten, denn aufgrund der Notverordnung wurde der geplante Umzug der Eisernen Front von Gaustadt zum Volkspark untersagt. 1689
Letztendlich bestand die Eiserne Front in Bamberg genau ein Jahr lang, nämlich von März 1932 bis März 1933. 1690 In diesen zwölf Monaten mobilisierte sie auf zuvor unbekannte Weise die Kräfte der Arbeiterbewegung für die Republik. Mit ihren eigenen Methoden und Symbolen versuchte sie die NSDAP zu schlagen und setzte auch in Bamberg zahlreiche neue Propagandamittel ein. Vor allem aber erbrachte die Eiserne Front den Beweis, dass sich das sozialistische Milieu Bambergs in der Endphase der Weimarer Republik aktiv, kraftvoll und zuversichtlich gegen den Machtanspruch der NSDAP stemmte.
3.3 Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Bamberg Charakteristisch für die im Januar 1919 gegründete Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Ortsgruppe Bamberg ist folgende Aussage eines ihrer Mitglieder zur Räterepublik: „Als die Räterepublik in München ausgerufen war, trat auch an uns, die Mitglieder der U.S.P. die Frage heran, was in Bamberg in dieser Richtung geschehen solle. Es fanden mehrere Besprechungen, vielmehr zwei Besprechungen statt. Die eine in der ‚Hopfenhalle‘, die andere in der Wirtschaft ‚Justiz‘. […] Das Resultat aller Besprechungen war das, dass wir uns allein für zu schwach hielten, um etwas zu unternehmen; wir wollten die Räterepublik nur dann ausrufen, wenn auch die Mehrheitssozialisten auf unsere Seite träten.“ 1691
Die USPD-Bamberg sah sich im April 1919 selbst nicht in der Lage, die Revolution voranzutreiben und die Räterepublik anzustoßen. 1692 Man war sich seiner eigenen Schwäche, dem mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung und den organisatorischen Defiziten bewusst und überließ das Heft des Handelns bereitwillig anderen. 1693 Einerseits wartete man, wie im Zitat angesprochen, auf die Aktionen der SPD-Bamberg, andererseits auf ein Signal aus anderen Städten mit stärkerer USPD-Basis. Sobald Nürnberg, München, Hof oder Schweinfurt erfolgreich die Räterepublik eingeführt hatten, würde diese automatisch auch in Bamberg entstehen, so die Annahme. 1694 In der Zwischenzeit nahm man eine gemütliche fränkische Haltung ein, ohne selbst aktiv zu werden – eine spezielle und ungewöhnliche Haltung während der Revolutionsmonate. 1695 Die Bamberger Unabhängigen zogen weder die Anwen-
Vgl. FS v. 3. 9.1932, Nr. 202. Vgl. FS v. 1. 9.1932, Nr. 200. 1688 FS v. 1. 9.1932, Nr. 200. 1689 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Ortspolizeibehörde Gaustadt v. 3. 9. 1932, StadtABa, Gaustadt, C 51 (künftig: StadtABa, C 51), Nr. 1504. 1690 Vgl. Gerstenberg, Eiserne Front. Am 11. März 1933 wurde die Eiserne Front allgemein verboten. 1691 Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. Das genaue Gründungsdatum der USPD-Bamberg sowie die Umstände der Entstehung sind nicht bekannt. In einem Prozess gegen Mitglieder der USPD im Mai 1919 gaben diese an, dass sich die Partei im Januar 1919 in Bamberg gebildet habe. Vgl. Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1692 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73; Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73; Bericht über die Mitgliederversammlung der USPD v. 29. 8.1919, StadtABa, C 2, Nr. 11960. 1693 Vgl. Grau, Bernhard: Parteiopposition – Kurt Eisner und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei. In: Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 1892–1992 (= Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5). Hg. v. H. Mehringer. München u. a. 1992, S. 133. 1694 Vgl. Bericht über die Mitgliederversammlung der USPD v. 29. 8. 1919, StadtABa, C 2, Nr. 11960; Gärtner, Mit uns, S. 202 f.; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 311 f.; Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 36 f. 1695 Vgl. Bericht über die Mitgliederversammlung der USPD v. 29. 8.1919, StadtABa, C 2, Nr. 11960. 1686 1687
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Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Bamberg
dung von Gewalt noch die Absetzung der Regierung Hoffmann ernsthaft in Erwägung. 1696 Ein einziges Mal brach sich die Unzufriedenheit in den Kreisen der USPD Bahn und es zeigte sich der Veränderungswille während der Revolution in Bamberg: beim Glockensturm am 26. Februar 1919. 1697 Dabei erzwangen einzelne Teilnehmer im Anschluss an die Trauerkundgebung für den ermordeten Ministerpräsidenten Kurt Eisner das Glockengeläut in den Bamberger Kirchen. 1698 Zunächst verschafften sich die Demonstranten Zugang zu den Glockentürmen der St. Martinskirche und des Domes. 1699 Anschließend wurden die anwesenden Franziskanermönche in der Jakobskirche zum Läuten gezwungen. 1700 Informiert über diese Vorgänge veranlassten die Kirchen St. Otto, St. Gangolf, St. Michael und St. Stephan selbständig das Trauergeläut. 1701 Die Glocken für Kurt Eisner waren zuvor zum Politikum geworden, da der Zentralrat der bayerischen Republik die Staatstrauer angeordnet hatte, wohingegen der Klerus diese verweigerte. 1702 Betont stellten die Kirchen ihre Geringschätzung für den Revolutionär und jüdischen Atheisten Eisner zur Schau. 1703 Der spätere Erzbischof Joseph Kolb, der 1919 als Inspektor am Knabenseminar Ottonianum wirkte, betonte seine Verachtung für Eisner und dessen Trauerfeier in seinen Aufzeichnungen:
„Am 26. II. war ein schulfreier Tag, weil Kurt Eisner, der durch Anmaßung u. Gewalt in der Revolution erhobene bayer. Ministerpräsident und, der am 21. II. ermordet wurde, der Einäscherung zugeführt wurde. Den großen Umzug der Sozialisten am Morgen um ½ 10 Uhr, der auf dem Maxplatz endete, wobei Trauermusik erklang u. Reden stiegen, wurde von uns vollständig ignoriert. Kein Fenster stand offen, kein Zögling schaute zu.“ 1704
Die offene kirchliche Abneigung und Ignoranz provozierten die Kundgebungsteilnehmer und führten zu den beschriebenen Vorfällen in Bamberg. Im Anschluss kam es vor dem Volksgericht Bamberg zu einem Prozess gegen 14 Verdächtige wegen Landfriedensbruchs. 1705 Als einer der Hauptangeklagten musste sich der USPD-Mann und Sattler Ludwig Ulrich verantworten. 1706 Offiziell war zwar keine der beiden Arbeiterparteien, SPD oder USPD, für den Glockensturm verantwortlich, doch distanzierten sich die Sozialdemokraten öffentlich im Fränkischen Volksfreund, während die USPD einen solchen Schritt unterließ. 1707 Es wurde in den nächsten Monaten zu einem Merkmal der USPD, dass sie weniger Wert auf die Disziplin ihrer Mitglieder legte und den politischen Kampf schon in den ersten Jahren der Weimarer Republik auf der Straße austrug. 1708 In einer USPD-Mitgliederversammlung in Bamberg vor den Reichstagswahlen 1920 hieß es: „Die Wahlen
Vgl. Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. Vgl. Mayershofer, Militär, S. 449–451; Blessing, Werner K.: Kirchenglocken für Eisner? Zum Weltanschauungskampf in der Revolution von 1918/19 in Bayern. In: JfL 52 (1992), S. 403–420; Theuerer/Zink, Regierungshauptstadt, S. 43 f.; Miller, Bürde, S. 271–274. 1698 Vgl. Bericht zum Prozess wegen Landfriedensbruchs v. 16. 3.1919, BayHStA, ASR, Nr. 36. 1699 Vgl. Bericht zum Prozess wegen Landfriedensbruchs v. 16. 3.1919, BayHStA, ASR, Nr. 36. 1700 Vgl. Bericht zum Prozess wegen Landfriedensbruchs v. 16. 3.1919, BayHStA, ASR, Nr. 36. 1701 Vgl. Bericht zum Prozess wegen Landfriedensbruchs v. 16. 3.1919, BayHStA, ASR, Nr. 36. 1702 Vgl. Bekanntmachung der Räte zum Landestrauertag am 26. 2.1919, BArch, SgY 10, V 236/7/30; Blessing, Kirchenglocken, S. 403–411. 1703 Vgl. Grau, Eisner, S. 49–56; Blessing, Kirchenglocken, S. 407; Mayershofer, Militär, S. 451. Ebenso wie die Kirchen lehnten auch national-konservative Kreise das Glockenläuten zu Ehren Eisners ab. Als ein Beispiel kann die Äußerung von Erich Freiherr von Guttenberg gelten, der in seinem Tagebuch zu Eisners Trauerfeier schrieb: „Welch eine blödsinnige Begriffsverwirrung dieses Glockenläuten im ganzen Land für den Juden und Atheisten!“ Vgl. Nöth, Stefan: „Schmähliche Fortsetzung meiner Kriegstagebücher“. Das Revolutionstagebuch des Erich Frhr. von Guttenberg von 1919. In: JfL 72 (2012), S. 294. 1704 Aufzeichnungen zum 26. 2.1919 von Joseph Kolb als Inspektor des Knabenseminars, AEB, Ottonianum, Rep. 29/4 (künftig: AEB, Rep. 29/4), Nr. 5; vgl. Kerner, Elmar: Joseph Kolb. Titularbischof von Velicia (1935–1943). In: Die Weihbischöfe in Bamberg. Hg. v. A. Hölscher/N. Jung. Augsburg 2013, S. 235–251. 1705 Vgl. Bericht zum Prozess wegen Landfriedensbruchs v. 16. 3.1919, BayHStA, ASR, Nr. 36. 1706 Vgl. Bericht zum Prozess wegen Landfriedensbruchs v. 16. 3.1919, BayHStA, ASR, Nr. 36; Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1707 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 28. 2.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; FV v. 27. 2.1919, Nr. 47; Mayerhofer, Militär, S. 451. 1708 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 5. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Häberlen, Class War, S. 34. Häberlen attestierte diesen Unterschied auch für die SPD und die KPD in Leipzig. 1696 1697
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können ausfallen wie sie wollen, sie werden doch auf der Straße ausgefochten werden.“ 1709 Ein Jahr zuvor, im Frühjahr 1919, stand allerdings die Frage der Revolution und Räterepublik im Vordergrund der USPD-Arbeit. 1710 Auf Anregung von auswärts durch den Gausekretär der USPD-Nordbayern, Johann Baier 1711 aus Nürnberg, beschäftigten sich die Bamberger Oppositionellen zumindest mit Personalien für den Fall einer Räterepublik. 1712 Nicht ein eigenes Parteimitglied, sondern der Sozialdemokrat Dr. Fritz Löwenthal wurde für den Bürgermeisterposten in Erwägung gezogen. 1713 Die Presse hingegen sollte in den Händen der USPD unter Leitung des Kaufmanns Gustav Schlee und des Buchhändlers Paul Fritsch liegen. 1714 Wie wenig realistisch und durchdacht das Konzept war, zeigte jedoch die Tatsache, dass Dr. Löwenthal umgehend seine angeblichen Absichten im Freistaat dementierte und das USPD-Mitglied Gustav Schlee gar nicht informiert wurde. 1715 Als Paul Fritsch wenige Tage nach der besagten Sitzung zufällig Gustav Schlee auf dem Markt traf, weihte er diesen erstmals ein. 1716 Dieser wies daraufhin jegliche Verpflichtung von sich und lehnte den Posten unter Hinweis auf seine schlechte Gesundheit ab. 1717 Es wirkte im Nachhinein so, als hätten die Bamberger USPD-Mitglieder in der Versammlung nur dem Gausekretär zuliebe Namen genannt. Baier selbst wurde als „der geistige Urheber der Zusammenkunft“ 1718 bezeichnet und lenkte als auswärtiger Leiter die schlecht organisierte USPDBamberg. 1719 Konkrete Pläne steckten jedenfalls nicht hinter den Überlegungen. Man besprach nicht
einmal, wie man überhaupt die Gewalt in die Hände bekommen wollte. 1720 Dies sei schließlich die Aufgabe des Soldatenrates Franz Pötz, so die Meinung der USPD-Anhänger. 1721 Damit entzog man sich auch in diesem Punkt jeglicher Verantwortung. So wirkte die USPD-Bamberg von Beginn an nicht wie eine eigenständig agierende Partei, sondern wie ein kleiner fremdgesteuerter Zirkel an Unzufriedenen, die weder über den Willen und die Fähigkeiten noch die Persönlichkeiten und Ressourcen verfügten, die lokalen Verhältnisse zu gestalten und ihnen Gepräge zu verleihen. 1722 Entscheidende Schritte und Entwicklungen wurden normalerweise von außen angestoßen, zum Beispiel aus Nürnberg oder Schweinfurt. 1723 Deren oppositionelle Ortsgruppen versuchten als radikale Triebkräfte in Bamberg zu operieren. Durch die Initiative der USPD-Schweinfurt hatte im Januar 1918 die erste Versammlung stattgefunden, die Gründung der Ortsgruppe erfolgte jedoch erst ein Jahr später. 1724 Während in anderen Städten die USPD 1919 darunter litt, dass das Kriegsende als ihr Hauptziel eingetreten war und sie ihre Existenzgrundlage verloren hatte, bestand in Bamberg wegen der verspäteten Gründung keine enge Verbindung zwischen USPD und Pazifisten. 1725 Wie in vielen Kleinstädten fehlte in Bamberg die Aktivierung während der vorrevolutionären Phase. 1726 Dies hatte zur Folge, dass USPD-Anhänger keine Rolle während des ersten Umbruchs zwischen November und Januar 1919 spielten. 1727 Im Arbeiter- und Bürgerrat fanden sich kaum spätere USPD-Funktionäre, sodass
Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 5. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. Vgl. Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1711 Zur Biografie des Johann (Hans) Baier vgl. Krause, USPD, S. 350. 1712 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73; Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 37. 1713 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1714 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1715 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73; FS v. 12. 4.1919, Nr. 5. 1716 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1717 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1718 Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1719 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1720 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1721 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1722 Vgl. Mehringer, KPD, S. 10; Krause, USPD, S. 267. 1723 Vgl. Wochenbericht des Stadtmagistrats Bamberg v. 19.1.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835; Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1724 Vgl. Wochenbericht des Stadtmagistrats Bamberg v. 19.1.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835; Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1725 Vgl. Krause, USPD, S. 272; Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 42 f. 1726 Vgl. Stand der unabhängigen Sozialdemokratie in Bayern v. 13. 9.1918, StABa, K 3/1967, Nr. 4844; Müller-Aenis, Sozialdemokratie, S. 43. 1727 Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313. 1709 1710
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dieser keine Machtbasis für die Linksextremen darstellen konnte. 1728 Des Weiteren war es untypisch, dass sich die USPD-Bamberg nicht schwerpunktmäßig aus Fabrikarbeitern oder speziell Metallarbeitern zusammensetzte. 1729 Unter den zwölf Kandidaten der USPD für die Kommunalwahl 1919 befanden sich mit dem Hilfsarbeiter Franz Clajus und dem Fabrikarbeiter Josef Rappel nur zwei Vertreter des Industrieproletariats. 1730 Drei Parteigenossen entstammten der Gruppe der Selbständigen, während die überwiegende Mehrheit einen Handwerksberuf erlernt hatte. 1731 Diese soziale Zusammensetzung bedingte sich einerseits aus dem wirtschaftlichen Profil Bambergs und der geringen Rüstungsproduktion, andererseits war sie Ausdruck der Spezifika der USPD-Bamberg. Die lokale Oppositionspartei war ein inhomogenes Konglomerat aus linken Protestlern, Eigenbrötlern und Radikalen. 1732 Beispielhaft steht die Person des Buchhändlers Paul Fritsch, der schilderte, dass er weder durch Versammlungen noch durch Aufrufe zur USPD gefunden habe, sondern „durch das Lesen sozialdemokratischer Literatur zur Überzeugung gekommen [sei], daß der von der U.S.P. vertretene pol. Standpunkt richtig sei.“ 1733 Auf diese Weise wurde er zum Gründungsmitglied der Partei in Bamberg. 1734 Ab 1919 zogen die Unabhängigen vermehrt junge und gelernte Arbeiter an; dies war eine allgemeine Entwicklung, die sich aber in Bamberg durch die verspätete Gründung Anfang 1919 sehr stark nieder-
schlug. 1735 Das Durchschnittsalter der USPD-Bewerber in der Regnitzstadt lag bei etwa 37 Jahren und war damit besonders jung, nämlich sechs Jahre unter dem Reichsdurchschnitt der Führungskräfte. 1736 Mit Hans Wicht (29 Jahre), Franz Clajus (28 Jahre) und Johann Engert (25 Jahre) hatten drei Anwärter für den Stadtrat das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht und kein einziger USPD-Kandidat war über 50 Jahre alt. 1737 Frauen hingegen waren sowohl deutschlandweit als auch vor Ort Mangelware – in Bamberg wurde kein weibliches Mitglied zur Wahl aufgestellt. 1738 Ihre Beteiligung beschränkte sich auf die Teilnahme an einzelnen Versammlungen. 1739 Die Stadtratswahl im Juni 1919 brachte der USPD ein Mandat, doch war sie dieser Aufgabe mangels Strategie und einer passenden Führungsperson nicht gewachsen. 1740 Als Spitzenkandidat und USPD-Vorsitzender wurde Josef Pfaff Stadtrat. 1741 In den ersten Monaten seiner Tätigkeit erhob er selten das Wort und fiel nicht durch radikale oder linke Positionen auf. 1742 Beispielsweise brachte er sich in einer Sitzung Anfang November weder bei der Diskussion um die Grundsteuer, noch zur Schulpolitik oder bezüglich der Kinovorstellungen ein. 1743 Stattdessen beschränkte er sich darauf, beim Tagesordnungspunkt zur Einrichtung von elektrischem Licht in der Elisabethenkirche, diese Neuerung abzulehnen und forderte mehr Disziplin von den Schülern. 1744 Eine konkrete antikirchliche Haltung artikulierte er in diesem Zusammenhang je-
Ausnahmen bildeten die Arbeiter Sebastian Zimmerer und Johann Schmitt, die im Arbeiterrat vertreten waren und später USPD- bzw. KPDMitglieder wurden. Vgl. BT v. 11.11.1918, Nr. 313; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 11. 7.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; KPD-Mitgliedskarte und Mitgliedsbuch von Sebastian Zimmerer, StABa, K 5, Nr. 5174; Wheeler, Robert F.: USPD und Internationale. Sozialistischer Internationalismus in der Zeit der Revolution. Frankfurt am Main u. a. 1975, S. 113–123; Grau, Parteiopposition, S. 131–133. 1729 Vgl. Winkler, Revolution, S. 251; Grau, USPD; Krömker, Nürnberger USPD, S. 46. 1730 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49. 1731 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49. 1732 Vgl. Mehringer, KPD, S. 10. 1733 Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1734 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1735 Vgl. Winkler, Revolution, S. 251; Grau, USPD; Krause, USPD, S. 337–340. 1736 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Krause, USPD, S. 337. Das Durchschnittsalter der USPD-Funktionäre in ganz Deutschland lag bei 43 Jahren. 1737 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Krömker, Nürnberger USPD, S. 46. 1738 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Grau, USPD; Krömker, Nürnberger USPD, S. 46. 1739 Vgl. Berichte zur USPD 1919–1921, StadtABa, Handakten, C 50 (künftig: StadtABa, C 50), Nr. 409; Berichte zur USPD 1919–1920, StadtABa, C 50, Nr. 410/1. 1740 Vgl. BV v. 16. 6.1919, Nr. 137; Trunk, Bamberg, S. 56; Krause, USPD, S. 267–272; Grau, Parteiopposition, S. 133. 1741 Vgl. BV v. 16. 6.1919, Nr. 137; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17.1.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1742 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 171. 1743 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 171. 1744 Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 171: „Rat Pfaff wundert sich, daß die Schüler so wenig Disziplin haben. Sie können auch ohne Licht Disziplin halten.“ 1728
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doch nicht. 1745 Bereits im Dezember 1919 richtete die USPD-Bamberg ein Schreiben an den Stadtrat mit der Bitte um die Enthebung Josef Pfaffs. 1746 Die eigene Partei war also unzufrieden mit seiner Mandatsausübung. In der nächsten Sitzung ersuchte er selbst darum, aus dem städtischen Gremium offiziell ausscheiden zu dürfen. 1747 Beide Anträge wurden indes zurückgewiesen. 1748 Anschließend fiel Pfaff nur noch durch konstante Abwesenheit auf. 1749 Die Ursache dieser Protesthaltung lag in parteiinternen Streitigkeiten, denn die USPD-Ortsgruppe war enttäuscht von seinem Wirken und Auftreten als Stadtrat und wollte dies nach einem halben Jahr nicht mehr mittragen. 1750 Die Gelegenheit zu linksextremer Politik in Bamberg scheiterte demnach, bevor sie überhaupt artikuliert worden war. 1751 Ob sich der Konflikt zwischen Pfaff und seiner Partei nur an persönlichen und lokalen Problemen entbrannt hatte oder auch das Thema der Dritten Internationale betraf, wird in den Überlieferungen nicht erwähnt. 1752 Seit September 1919 spaltete nämlich die Frage, ob sich die USPD der neuen Internationale unter russisch-bolschewistischer Führung anschließen sollte, die Mitglieder. 1753 Zum Zwist in Bamberg mag der ungelöste Zusammenschluss beigetragen haben, Auslöser war er wohl nicht. Ein halbes Jahr verging in dem Schwebezustand des ungenutzten Mandats, bis im Juli 1920 Paul Fritsch für die USPD in den Stadtrat aufgenommen und eingeführt wurde. 1754 Er hatte Josef Pfaff außer-
dem als erster Vorsitzender abgelöst. 1755 Das Vertrauen der Bamberger Lokalpolitiker in die USPD und ihre konstruktive Mitarbeit war zu diesem Zeitpunkt gleichwohl verspielt. 1756 Alle Ausschussposten von Pfaff wurden nicht Fritsch, sondern Mitgliedern der Mehrheitssozialdemokratie übertragen und der neue linksextreme Stadtrat wurde somit von vornherein politisch kaltgestellt. 1757 Allerdings war die Neubesetzung der USPD wiederum nur ein kurzes Intermezzo, denn Paul Fritsch wechselte Anfang 1921 zur KPD. 1758 Der rechte Flügel der USPD sprach ihm daraufhin das Recht ab, das Amt im Stadtrat fortzuführen. 1759 Dennoch behielt Fritsch den Posten, ohne jedoch nennenswerte Akzente zu setzen oder an Einfluss zu gewinnen. 1760 Von einer linksextremen Kommunalpolitik in Bamberg kann daher trotz eines Mandats im Stadtrat nicht gesprochen werden. Eine neue Chance verhinderten die Wähler bei den folgenden Stadtratswahlen sowohl 1924 als auch 1929: Die Linksradikalen gingen jeweils leer aus. Parallel zur Ausübung der USPD-Vertretung durch Paul Fritsch im Stadtrat lag die Hochphase der Unabhängigen Sozialdemokratie. 1761 Sie profitierte dabei weniger von ihren eigenen Leistungen als vielmehr von der Schwäche der SPD und der Enttäuschung der sozialdemokratischen Mitglieder über die antirevolutionäre und reaktionäre Politik. 1762 Im September 1919 meldete die Stadtverwaltung Bamberg erstmals nach Bayreuth, dass „die Rührigkeit der U.S.P. Partei […] stärker“ 1763 werde
Vgl. FS v. 3.11.1919, Nr. 171. Vgl. Stadtratsprotokoll v. 17.12.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669. 1747 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 30.12.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669. 1748 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 17.12.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; Stadtratsprotokoll v. 30.12.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669. 1749 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 7. 4.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670; Stadtratsprotokoll v. 5. 5.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670; Stadtratsprotokoll v. 19. 5.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670; Stadtratsprotokoll v. 9. 6.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670; Trunk, Bamberg, S. 56. 1750 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17.1.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1751 Vgl. Kachel, Steffen: Die USPD – Versuch eines dritten Weges? In: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung 3 (2007), S. 26– 32. 1752 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17.1.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1753 Vgl. Winkler, Revolution, S. 253–255; Wheeler, USPD. 1754 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 21. 7.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670. 1755 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17.1.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1756 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 4. 8.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670. 1757 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 4. 8.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670. Michael Linsner rückte in den Verwaltungsausschuss nach und Georg Wallner in den Personalausschuss. 1758 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26.1.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671. 1759 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 20.12.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1760 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 9. 2.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671; Stadtratsprotokoll v. 23. 4.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675. 1761 Vgl. Grau, Parteiopposition, S. 133–135; Krause, USPD, S. 275. 1762 Vgl. Grau, Parteiopposition, S. 133–135; Winkler, Revolution, S. 345 f., 350–355; Krause, USPD, S. 167–186. 1763 Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 27. 9.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1841. 1745
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und eine Versammlung mit dem Abgeordneten der Nationalversammlung, Curt Geyer aus Leipzig „stark besucht“ 1764 war. Zwei Monate später, am 8. November 1919, veranstaltete die USPD-Bamberg eine eigene Revolutionsfeier im „Schwarzen Adler“ – getrennt von der SPD. 1765 Zu diesem Anlass erschien erneut Johann Baier aus der mittelfränkischen Metropole und sprach vor etwa 100 Anhängern. 1766 Gezielt richtete er seine Angriffe gegen die SPD-Politiker Gustav Noske und Fritz Endres und machte sich über die Reichswehr lustig. 1767 Die USPD-Bamberg war zu diesem Zeitpunkt zahlenmäßig soweit angewachsen, dass sie ihre Selbständigkeit zur Schau stellen konnte. Diesen Kurs verfolgte sie weiter, indem sie auch zum Ersten Mai 1920 nach dem Festzug der gesamten Arbeiterbewegung eine separate Nachmittagsfeier abhielt. 1768 Wie üblich erschien dabei ein Funktionär aus Nürnberg als Redner. 1769 In den Sommermonaten 1920 erfolgte nochmals ein rasanter Anstieg der Unabhängigen, die aus den Vorgängen des KappPutsches Vorteile für sich ziehen konnten und die Rolle der SPD in der Regierung dekretierten. 1770 Dies zeigte sich nicht nur bei den Reichstagswahlen am 6. Juni, sondern auch in den Versammlungen. 1771 Obwohl der Wahlkampf am 17. Juni erst seit Kurzem beendet war und die politische Agitation in Bamberg daher merklich nachgelassen hatte, zog die USPD mehr als 800 Personen bei einer Veranstaltung im „Eckenbüttnersaal“ an. 1772 Typischerweise ging es dabei um die verfehlte Politik der
SPD, ein Thema mit großem Wiederhall in Bamberg. 1773 Wenig Begeisterung entfachte der Berliner Stadtverordnete und Referent Emil Lampe jedoch mit seiner Forderung, dass alle für den sozialistischen Aufbau „Mehrarbeit“ 1774 leisten müssten und eine acht- oder zehnstündige Arbeitszeit dazu nicht ausreiche. 1775 Dies hatte zur Folge, „dass manche Versammlungsteilnehmer schon während des Vortrags den Saal verliessen und dass der Applaus am Schlusse sehr gering war.“ 1776 Die Bamberger Arbeiterbewegung suchte 1920 eine Alternative zur Mehrheitssozialdemokratie, zu deren Zurückhaltung, vermeintlicher Passivität und eingefahrenen Methoden – kommunistisch überzeugt und radikalisiert war man deswegen aber noch lange nicht. Die Distanz zur SPD war in Bamberg angewachsen, aber nicht unüberwindbar. 1777 Fortschritte erzielte die USPD-Bamberg im Sommer 1920 auch organisatorisch. 1778 Erstmals baute man Ansätze einer Parteistruktur auf, unterteilte die Stadt in fünf Bezirke und wählte Bezirksobmänner und Vertrauensleute. 1779 Außerdem wurde man in paramilitärischer Hinsicht aktiv und erfasste die Stadt dementsprechend. 1780 Im August führte man einen Probeappell an verschiedenen Stützpunkten durch, um die Einsatzbereitschaft und Wehrhaftigkeit der USPD-Anhänger zu prüfen. 1781 Dadurch wurden die Behörden in Alarmbereitschaft versetzt. Sogleich wurde die Existenz einer Roten Armee in Anlehnung an die Rote Ruhrarmee für Bamberg befürchtet. 1782 Im Wochenbe-
Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 27. 9.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1841. Vgl. Sonderbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 12.11.1919, StABa, K 87, Nr. 95. 1766 Vgl. Sonderbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 12.11.1919, StABa, K 87, Nr. 95. 1767 Vgl. Sonderbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 12.11.1919, StABa, K 87, Nr. 95. 1768 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 1. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1769 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 8. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1770 Vgl. Krause, USPD, S. 169–186. 1771 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1772 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1773 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Krause, USPD, S. 275. 1774 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1775 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1776 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1777 Vgl. Matthiesen, Radikalisierungen, S. 38–52. Das Gegenbeispiel einer Radikalisierung des proletarischen Milieus von der SPD über die USPD zur KPD liefert Gotha zwischen 1918 und 1920. Dort fand die Radikalisierung in zwei Etappen, nämlich während der Revolution und infolge des KappPutsches, statt. Die KPD riss schließlich alle Schlüsselpositionen und Institutionen an sich, wohingegen die SPD schwach verankert war und ein reformistischer Kurs nach den Bürgerkriegskämpfen 1920 keine Chance hatte. 1778 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 8.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1779 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 8.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1780 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 8. 1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1781 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 8.1920, StABa, K 87, Nr. 99; FS v. 11. 8.1920, Nr. 184; SO v. 19. 8.1920, Nr. 193. 1782 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 8.1920, StABa, K 87, Nr. 99; FS v. 11. 8.1920, Nr. 184. 1764 1765
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richt der Polizeistelle für Nordbayern beschrieb man die Vorgänge folgendermaßen: „Am 6. 8. 20 vormittags gegen 8 und 10 Uhr wurden bestimmte Angehörige der U.S.P. durch Kurier für abends 9 Uhr an einen bestimmten Platz des Stadtbezirkes, so an den Löwensteg, zur Hirtenwiese, zum Schrannenplatz u. S. w. beordert. Die Parole sollte von den Führern am Sammelplatze ausgegeben werden. Die Vorstandschaft hatte einen Probeappell angeordnet, um zu sehen, wie sich die neugeschaffene Organisation [d. h. die Rote Armee] bewährt. Der Alarm soll die Schlagfertigkeit der Gruppen erwiesen haben. Ueber die Zusammensetzung und Stärke der einzelnen Gruppen sind die Erhebungen noch nicht abgeschlossen.“ 1783
Selbst wenn die Bedenken übertrieben waren und die Operation in der Presse daraufhin stark aufgebauscht wurde, so war der Appell doch ein Beweis für den Rückhalt und die Ausbreitung der USPD in Bamberg 1920. 1784 Eine wirkliche Rote Armee bestand aber wohl nicht in Bamberg. 1785 Die Quellen liefern jedenfalls keine weiteren Hinweise zu einer Form von Arbeiterwehr der USPD. Neben dem Zulauf zu Versammlungen und dem strukturellen Aufbau der Partei zeigte sich das Wachstum der USPD-Bamberg auch im zuständigen Presseorgan, dem Sozialdemokrat, Zeitung der Unabhängigen Sozialdemokratie. 1786 Diese diente der USPD in Nordbayern bereits seit 1918 als Medium, doch erschienen erst 1920 regelmäßige Artikel über Bamberg. 1787 Darin wurden der Freistaat, das Bamberger Volksblatt und das Tagblatt angegrif-
fen und von Veranstaltungen wie einem USPDSommerfest oder einer Arbeitslosendemonstration berichtet. 1788 Ansonsten schilderte die Redaktion Unfälle in der Regnitzstadt und interpretierte diese als proletarische Schicksalsschläge. 1789 Die Sprache und Wortwahl war wesentlich provokanter und polemischer als im Freistaat; kaum ein Artikel versuchte den Anschein eines objektiven Berichts zu erwecken. 1790 Beispielhaft ist eine Meldung über die Stadtratssitzung zur Reform der Besoldungsordnung im Oktober 1920: „Die neue Besoldungsordnung. Nichts zeigt wohl besser die Verkommenheit der bürgerlichen und mehrheitssozialistischen Moral und des Rechtes, als dieses traurige und unfertige Machwerk der Bamberger Rathausjesuiten, zu denen ja auch die Mehrheitler gehören. Die ganze Besoldungsordnung ist so unreif, wie ihre geistigen Urheber. Keine Spur von Konsequenz. Willkür wo man hinsieht. […]“ 1791
Man nutzte folglich die städtische Neuregelung der Bezüge zu einem Rundumschlag gegen alle anderen Parteien, vornehmlich hetzte man aber gegen die SPD. Selbst der Artikel über das Garten-Sommerfest der USPD beinhaltete Sticheleien gegen „das wahrheitssozialistische ‚Freistaat‘-Organ“ 1792. In Ergänzung zu eigenen Artikeln übernahm der Sozialdemokrat Nachrichten aus dem Bamberger Tagblatt zu Themen wie dem geplanten Kanalbau. 1793 Diese wurden als einzige Meldungen sachlich gehalten. Urheber der sonstigen Bamberger Artikel war das USPD-Vorstandsmitglied Jodokus (genannt: Otto) Geyer, der mehrfach Mitteilungen mit seinem Namen kennzeichnete. 1794 Unter anderem beschäftigte er sich mit dem Polizeidirektor Grafen von
Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 8.1920, StABa, K 87, Nr. 99. Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 8.1920, StABa, K 87, Nr. 99; FS v. 11. 8.1920, Nr. 184; SO v. 19. 8.1920, Nr. 193; Gerstenberg, Günther: Arbeiterwehren. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Arbeiterwehreni (4. 5. 2017). 1785 Vgl. Gerstenberg, Arbeiterwehren. In der Forschung ist bayernweit keine Bildung einer Arbeiterwehr nach dem Kapp-Putsch bekannt. 1786 Vgl. SO v. 7.1920–12.1920; Grau, USPD; Rückel, Gert: Die Fränkische Tagespost. Geschichte einer Parteizeitung (= Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Nürnberg, Bd. 8). Nürnberg 1964, S. 79–81; Meier, Zeitungsstadt, S. 51. 1787 Vgl. SO v. 12. 8. 1920, Nr. 187; SO v. 19. 8.1920, Nr. 193; SO v. 20. 8.1920, Nr. 194; SO v. 24. 8.1920, Nr. 197; SO v. 10. 9.1920, Nr. 212. Zuvor konzentrierten sich die Berichte auf USPD-Zentren wie Nürnberg, Aschaffenburg, Schweinfurt und Röthenbach an der Pegnitz. Vgl. SO v. 1918. 1788 Vgl. SO v. 19. 8.1920, Nr. 193; SO v. 20. 8.1920, Nr. 194; SO v. 10. 9.1920, Nr. 212; SO v. 20. 9.1920, Nr. 220; SO v. 27. 9.1920, Nr. 226. 1789 Vgl. SO v. 19. 8.1920, Nr. 193; SO v. 20. 8.1920, Nr. 194; SO v. 10. 9.1920, Nr. 212; SO v. 20. 9.1920, Nr. 220; SO v. 27. 9.1920, Nr. 226. 1790 Vgl. SO v. 20. 8.1920, Nr. 194; SO v. 10. 9.1920, Nr. 212. 1791 SO v. 27.10.1920, Nr. 252. 1792 SO v. 10. 9.1920, Nr. 212. 1793 Vgl. SO v. 27.10.1920, Nr. 252. 1794 Vgl. SO v. 23. 7.1920, Nr. 170; SO v. 19. 8.1920, Nr. 193; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 5. 6.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 1783
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Soden, den er als „Leiter der staatl. Spitzelorganisation in Bamberg“ 1795 diffamierte und ihn der Beauftragung von Informanten und Beschattern beschuldigte. 1796 Als gelernter Maurer und Steinhauer hatte Otto Geyer keinerlei journalistische Erfahrung und seine Artikel waren zwar radikal, aber schlecht strukturiert, kaum informativ und wenig aussagekräftig. 1797 Die Bamberger USPD zählte keinen einzigen früheren Arbeitersekretär oder Redakteur in ihren Reihen, sondern rekrutierte sich im Gegensatz zur SPD aus politischen Amateuren. 1798 Eine souveräne oder erfahrene Integrationsfigur wie sie Kurt Eisner in München oder Johann Baier in Nürnberg darstellte, fand sich in Bamberg nicht. 1799 Daher litt die Unabhängige Sozialdemokratie sowohl unter dem Mangel an einer Führungsperson als auch unter der unzureichenden Ausbildung ihrer Funktionäre und Mitglieder. Innerhalb der Partei war man sich dieser Defizite bewusst und versuchte durch Schulungen gegenzusteuern. 1800 Der Kaufmann und Schriftführer Anton Höllinger bot im Januar 1920 an, Diskussionsabende in seiner Privatwohnung abzuhalten, um Gegenredner für Versammlungen der SPD und der bürgerlichen Parteien auszubilden. 1801 Neben dem Bedarf an kompetenten Mitgliedern entlarvte dieser Vorschlag eine weitere Schwierigkeit der USPD in Bamberg: Wo traf man sich überhaupt? Ein Parteilokal als solches existierte nicht. Für Versammlungen wechselte man zwischen dem „Eckenbüttner“, dem „Erlanger Hof“, dem „Schwarzen Adler“ und der „Blauen Glocke“. 1802 Da Mitglie-
derversammlungen häufig in der „Blauen Glocke“ in der Unteren Sandstraße abgehalten wurden, kann diese Gastwirtschaft noch am ehesten als Stammlokal angesehen werden. 1803 Die Lage der Gaststätte bot den Vorteil der Nähe zu Gaustadt, das „eine Hauptdomäne der U.S.P. bildet[e]“, 1804 sodass die Gaustadter USPD-Mitglieder mühelos an Sitzungen teilnehmen konnten. Über ein offizielles Parteibüro verfügte man nicht; stattdessen wickelte man die Parteienkorrespondenz über die Privatanschrift des Vorsitzenden ab. 1805 Im November 1920 endeten die ausführlichen Berichte im Sozialdemokrat abrupt und beschränkten sich fortan nur noch auf kleine allgemeine Notizen aus Bamberg. 1806 Diese Zäsur in der Presse sowie die misslungene Stadtrats-Episode offenbarten, dass innerparteiliche Kämpfe die Tätigkeit der USPD-Bamberg lähmten und erstarren ließen. 1807 Ein erster Schritt in Richtung Trennung war die Unstimmigkeit über den Beitritt zur Dritten Internationale, doch fatal wirkte sich vor allem die Diskussion um die Annahme der 21 Bedingungen des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) aus, die im August 1920 auf dem Zweiten Weltkongress verabschiedet wurden. 1808 Diese bedeuteten den Bruch mit den demokratischen Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung, eine Abkehr der eigenständigen USPDPolitik und eine völlige Unterordnung unter die bolschewistische Politik aus Moskau. 1809 Die erfolgreiche Revolution in Russland sollte als Vorbild für die kommunistischen Parteien aller anderen Länder
SO v. 19. 8.1920, Nr. 193. Vgl. SO v. 19. 8.1920, Nr. 193. 1797 Vgl. SO v. 23. 7.1920, Nr. 170; SO v. 19. 8.1920, Nr. 193. 1798 Vgl. Krause, USPD, S. 340–345. 1799 Vgl. Grau, Parteiopposition, S. 126–128, 135; Krömker, Nürnberger USPD, S. 45. 1800 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17.1.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1801 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17.1.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 1802 Vgl. Wochenbericht des Stadtmagistrats Bamberg v. 19.1.1918, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1835; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 8.11.1919, StABa, K 87, Nr. 95; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17. 6.1919, StABa, K 87, Nr. 95; Bericht zur USPD-Versammlung am 21. 7.1919, StadtABa, C 2, Nr. 11960; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 9.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1803 Vgl. Anmeldung einer USPD-Mitgliederversammlung v. 15.10.1919, StadtABa, C 56, Nr. 1025; Anmeldung einer USPD-Mitgliederversammlung v. 31.10.1919, StadtABa, C 56, Nr. 1025; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 9.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1804 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 2.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1805 Vgl. Anmeldung einer USPD-Mitgliederversammlung v. 15.10.1919, StadtABa, C 56, Nr. 1025; Anmeldung einer USPD-Mitgliederversammlung v. 31.10.1919, StadtABa, C 56, Nr. 1025. 1806 Vgl. SO v. 10.1920–11.1920. 1807 Vgl. Winkler, Revolution, S. 468–477; Wheeler, USPD, S. 213–268. 1808 Vgl. Winkler, Revolution, S. 468–477; Kachel, USPD, S. 30. 1809 Vgl. Winkler, Revolution, S. 469 f.; Kachel, USPD, S. 30. 1795
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dienen, ohne dass man den unterschiedlichen ökonomischen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen Beachtung zollte. 1810 Mithilfe von Urabstimmungen in den USPD-Ortsgruppen entschied man über die zukünftige Politik und Ausrichtung. 1811 In Bamberg erfolgte die entscheidende Mitgliederversammlung am 8. Oktober 1920. 1812 Dabei ergriffen wiederum nicht lokale Politiker das Wort, sondern stellvertretend für die beiden Positionen sprachen Johann Baier aus Nürnberg als Befürworter des Anschlusses und Max Blumtritt aus Hof als Gegner: 1813
eine linke USPD und eine rechte USPD im Verhältnis von sieben zu drei. 1818 Georg Göttling leitete daraufhin den schwächeren rechten Flügel, während der linke Flügel von Paul Fritsch und Otto Geyer angeführt wurde. 1819 Ein Bericht des Bamberger Stadtrats charakterisierte Geyer später folgendermaßen:
„Die Meinungen platzten scharf auf einander; es wird berichtet, dass es zu einer ‚Kraftprobe‘ gekommen wäre, wenn das Bier noch etwas stärker wäre. Die Abstimmung ergab, […] eine Mehrheit für den Anschluss: von 126 Teilnehmern stimmten 55 für und 33 gegen den Anschluss bei 38 Stimmenthaltungen.“ 1814
Eigentlich sahen die Bestimmungen aus Moskau vor, dass nach der Annahme der Bedingungen und dem Anschluss an die Dritte Interanationale obligatorisch der Name „Kommunistische Partei“ geführt wurde. 1821 In Bamberg konnte diese Vorgabe zunächst nicht erfüllt werden, da zum Zeitpunkt der Spaltung, im Gegensatz zu anderen Städten, überhaupt noch keine Ortsgruppe der KPD vorhanden war. 1822 Beide Parteigruppen nannten sich daher weiterhin USPD, wobei die Berichte der Polizeistelle für Nordbayern nun zwischen der rechten RUSPD und der linken LUSPD unterschieden. 1823 Sarkastisch schrieb der Freistaat 1921:
Die Bamberger USPD stimmte damit radikaler ab als der reichsweite Durchschnitt. 1815 Normalerweise neigten gerade Textilzentren zu einer Ablehnung der Bedingungen, doch die Bamberger USPD entsprach nicht diesem Schema. 1816 Möglicherweise orientierte man sich an der Empfehlung des Nürnberger „Mentors“ Johann Baier, der seine Vorbildfunktion und Führungsrolle in Bamberg weiterhin behaupten konnte. 1817 Entsprechend dem Abstimmungsergebnis teilte sich die USPD-Bamberg in
„Jodokus Geyer, einer der radikalsten Vorkämpfer der Moskauer Richtung […] [, der] sich gegenüber anderen durch zielbewußtes, scharfes und brutales Arbeiten nach dieser Richtung auszeichnet.“ 1820
„Wir sind nun glücklich auch in Bamberg soweit, drei Arbeiterparteien zu besitzen. Haben wir es nicht herrlich weit gebraucht? Ist daran die alte Partei schuld oder jene, welche die Spalterei begonnen
Vgl. Winkler, Revolution, S. 470. Vgl. Winkler, Revolution, S. 472–474; Wheeler, USPD, S. 246–258. 1812 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 9.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1813 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 9.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1814 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 9.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99; vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 53. 1815 Vgl. Wheeler, USPD, S. 246–258; Winkler, Revolution, S. 473. Das Gesamtergebnis lautete 57,8 % (Bamberg: 62,5 %) für die Annahme der Bedingungen und 42,2 % (Bamberg: 37,5 %) gegen die Annahme. Die hohe Anzahl der Enthaltungen und die niedrige Wahlbeteiligung bei dieser Frage war ein landesweites Phänomen und kein Bamberger Spezifikum. 1816 Vgl. Winkler, Revolution, S. 473; Wheeler, USPD, S. 254. 1817 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Ulrich Ludwig v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 1818 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 20.11.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Bericht des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18.12.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 2. 1819 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 20.11.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 7.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1850. 1820 Schreiben des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1821 Vgl. Winkler, Revolution, S. 469. 1822 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 20.12.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 1823 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 20.12.1920, StABa, K 87, Nr. 99: „Die Verhältnisse bei den linksradikalen Parteien in Bamberg sind noch nicht ganz geklärt. Da eine Ortsgruppe der K.P.D. hier nicht bestand, kam lediglich eine Trennung der bisherigen U.S.P. in ihre beiden Flügel in Frage […]. Infolge dessen nennen sich beide vorerst noch U.S.P.“ 1810 1811
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Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Bamberg
und solange fortgesetzt haben, bis sie selber zerspalten waren, und die fortfahren, sich zu spalten?“ 1824
Zu weiteren Spaltungen kam es allerdings nicht mehr. Die linke USPD ging schließlich 1921 unter dem Vorsitz von Paul Fritsch in der neugegründeten Sektion der KPD auf. 1825 Die rechte Gruppe um Georg Göttling zählte bei ihren Versammlungen noch zwischen 50 und 200 Teilnehmer, wobei auch KPD-Mitglieder weiterhin anwesend waren sowie Neugierige aus dem Bürgertum als Zuhörer erschienen. 1826 Der Grund für das Interesse an den Zusammenkünften war nicht nur die Politik, sondern die heftigen Wortgefechte bei Auftritten von auswärtigen Referenten. 1827 Diese galten laut Auskunft der Polizei in der Bamberger Gesellschaft als gutes Unterhaltungsprogramm. 1828 Selbst Anhänger der Arbeiterbewegung amüsierten sich über das politische Schauspiel der unterschiedlichen Richtungen und besuchten die Veranstaltungen teilweise als günstigen Theaterersatz. 1829 Gegenüber den theoretischen und programmatischen Auseinandersetzungen nahm die Mehrheit der linken Bevölkerung Bambergs eine indifferente Haltung ein. 1830 Man fühlte sich eher als Zuschauer denn als Mitwirkender auf der politischen Bühne. Von Seiten der SPD-Führung bemühte man sich seit Sommer 1921 verstärkt um eine Annäherung und Wiedervereinigung mit dem rechten Flügel der USPD. 1831 Besonders der Parteisekretär
Georg Dewald engagierte sich bei Rückgewinnung der Deutungshoheit und der Mitglieder. 1832 Im Freistaat veröffentlichte er sogar Ankündigungen für eine Versammlung der USPD. 1833 Schließlich glückte der deutschlandweite Zusammenschluss im Rahmen des Einigungsparteitages der SPD und USPD am 24. September 1922 in Nürnberg, zu dem die Bamberger Genossen mit einem umgebauten Lastkraftwagen und Fahrrädern fuhren. 1834 Georg Göttling begrüßte die Verschmelzung mit „warme[n] Worte[n]“ und forderte dazu auf, „geeint den Sozialismus zu erkämpfen“. 1835 Die Eingliederung der ehemaligen USPD-Anhänger bereitete in Bamberg keine Probleme. Im Laufe der Weimarer Republik stieg Georg Göttling zu einer Führungsperson der SPD und des Reichsbanners auf und wurde schließlich sogar erster Vorsitzender der Sozialdemokratie. 1836 Ebenso durchlief der Friseur Johann Georg Ritz den Wechsel von der USPD zur SPD und dem Reichsbanner. 1837 Es erwies sich als Vorteil, dass sich die Trennung zwischen USPD und SPD in Bamberg niemals besonders tief eingekerbt hatte und die Übergänge innerhalb der Arbeiterbewegung fließend geblieben waren. Dies führte zu ungewöhnlichen Konstellationen und Situationen: So hatten die drei Arbeiterparteien SPD, USPD und KPD nach dem Mord an Karl Gareis 1921 1838 nicht nur eine gemeinsame Kundgebung im Zentralsaal organisiert, sondern in der Frage des Generalstreiks waren die Rollen diametral vertauscht gewesen. 1839
FS v. 21.1.1921, Nr. 16. Vgl. FS v. 21.1.1921, Nr. 16; Stadtratsprotokoll v. 26.1.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671; Mehringer, KPD, S. 14 f. 1826 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 7.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 7.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1850; Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104. 1827 Vgl. Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104. 1828 Vgl. Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104. 1829 Vgl. Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104: „Der herrschenden Stimmung dürfte am besten eine Gruppe älterer Arbeiter Ausdruck gegeben haben, die auf dem Nachhausewege sich darüber unterhielt, dass die Versammlung viel schöner gewesen sei wie ein Theater und dabei nur 50 ₰ [= Pfennig] gekostet habe.“ 1830 Vgl. Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104. 1831 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15.7.1921, StABa, K 87, Nr. 100; SO v. 26.7.1922, Nr. 172. 1832 Vgl. Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104. 1833 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 7.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1834 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834; SO v. 20. 9. 1922, Nr. 216; Gärtner, Mit uns, S. 327–329. 1835 FS v. 13.10.1922, Nr. 236. 1836 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9. 1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 1837 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 1838 Der USPD-Landtagsabgeordnete Karl Gareis wurde am 9. Juni 1921 vor seinem Haus in München erschossen. Er hatte sich für die Auflösung der Einwohnerwehren eingesetzt. Sein Mord gilt als eine der Fememorde und Racheakte der vaterländischen Organisationen gegen Linksradikale infolge der Revolutionszeit. Die Tat wurde nie richtig aufgeklärt. Vgl. Hofmann, Ulrike Claudia: Fememorde. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Fememordei (14. 5. 2017). 1839 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 6.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Schreiben des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 8. 1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1824 1825
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Das politische Sozialmilieu
Während sich Johann Steitz im Namen der SPD für die Arbeitseinstellung stark machte, sprachen sich die linksradikalen Parteien gegen eine solche aus. 1840 Letztendlich stimmte die Mehrheit der Anwesenden gegen einen Streik und es blieb bei einer Protestkundgebung in Bamberg. 1841 Diese Vorgänge zeigten, dass die Fronten 1921 auf lokaler Ebene nicht verhärtet und manifestiert waren. Ein kleiner Rest an Anhängern der Unabhängigen Sozialdemokratie sah 1922 weder in der KPD
noch in der SPD eine adäquate Vertretung. 1842 Diese kleine Gruppe führte den Namen USPD fort und wurde in Bamberg vom Fabrikarbeiter Ludwig Freidhöfer geleitet. 1843 Einfluss hatte diese Splitterpartei keinen mehr, bei den Reichstagswahlen 1924 erhielt sie in Bamberg noch 0,4 % (Mai) bzw. 0,5 % (Dezember). 1844 1930 fand sich schließlich auch Ludwig Freidhöfer in den Reihen der SPD-Wahlbeisitzer. 1845
3.4 Die Kommunistische Partei Bamberg 3.4.1 Kommunistische Entwicklungsphasen, Akteure und Aktivitäten Als dritte linke Partei war die Kommunistische Partei Bamberg eine elementare Komponente der Arbeiterbewegung während der Weimarer Republik. Allerdings spielte sie im Gegensatz zur SPD die untergeordnete und sekundäre Rolle. Dies lag sowohl an der Partei selbst als auch an den äußeren Determinanten. Bedingt durch reichsweite Verbote, bayerische Unterdrückungsmaßnahmen, lokale Einschränkungen und innerparteiliche Differenzen entwickelte sich die KPD-Bamberg nicht stringent und konstant. Sie war vielmehr das Stiefkind der Bamberger Parteien. Ihre Geschichte gleicht daher einer ausgeprägten Berg- und Talfahrt, die sich in vier Phasen unterteilen lässt: 1846 1) 2) 3) 4)
die Gründungsphase 1921 bis 1923 die Verbotsphase 1923 bis 1925 die Stabilitätsphase 1925 bis 1929 die „Sozialfaschismus“-Phase 1929 bis 1933.
Jeder dieser Abschnitte hatte eigene Akteure, Aktivitäten und Charakteristika in Bamberg, die im Folgenden beschrieben und analysiert werden. Die Gründungsphase: Ohne den Vorläufer einer Spartakus-Gruppe rekrutierte sich die KPDBamberg ausschließlich aus dem linken Flügel der USPD. 1847 Von Anfang an wies sie daher zahlreiche Verbindungen und Parallelen mit der USPD auf – sowohl personell als auch organisationsgeschichtlich. Erster Vorsitzender der KPD-Ortsgruppe wurde der früherer USPD-Vorsitzende und Stadtrat Paul Fritsch, der während der Aufbauphase die treibende Kraft und wichtigste Bezugsperson darstellte. 1848 Trotz der Gründung der KPD in Nürnberg und Nordbayern 1919 war Bamberg kommunistisch betrachtet noch Anfang 1921 ein weißes Blatt: ungeordnet, unwissend und naiv. 1849 Dies zeigte vor allem die erste Versammlung der Partei am 19. Januar 1921 im „Eckenbüttnersaal“, in der zugleich die Gründung der Ortsgruppe voll-
Vgl. Schreiben des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 6.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Schreiben des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 8. 1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1842 Vgl. Grau, USPD; Wheeler, USPD, S. 262. 1843 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 1844 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,2, S. 57; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,4, S. 54. 1845 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 14. 9.1930, StadtABa, C 2, Nr. 632. 1846 Vgl. Mühldorfer, Friedbert: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), 1919–1933/1945–1956. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www. historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), 1919–1933/1945–1956i (29. 5. 2017); Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 7 f. 1847 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 20.12.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Winkler, Revolution, S. 504 f.; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 52 f. 1848 Vgl. FS v. 21.1.1921, Nr. 16; FS v. 27.1.1921, Nr. 21; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 20.12.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 21.1.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 9. 1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1849 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 21–29. 1840 1841
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Die Kommunistische Partei Bamberg
zogen wurde. 1850 Angekündigt war als Referent der Landtagsabgeordnete Otto Graf 1851, der allerdings parallel am selben Abend in Nürnberg auf der Luxemburg- und Liebknecht-Gedächtnisfeier sprechen sollte und folglich nicht in Bamberg erschien. 1852 Als Ersatz schickte die Bezirksleitung „den bekannten Karl Grönsfelder (Nürnberg)“ 1853. Dieser war Mitbegründer der KPD-Nürnberg, vorübergehend deren Vorsitzender und schließlich seit 1920 oder 1921 erster Leiter des Bezirks Nordbayern. 1854 In Bamberg identifizierten die Versammlungsteilnehmer Grönsfelder allerdings nicht, sodass über die Person des Redners Unklarheit herrschte. 1855 Der Stadtrat ging weiterhin davon aus, dass Graf gesprochen habe; die Neue Zeitung veröffentlichte einen Bericht, in dem von einem „Greusfelder“ aus Nürnberg die Rede war und der Freistaat beschrieb die Verwirrung folgendermaßen: „War es Graf oder nicht. [fett im Original] In der Stadt kursieren Gerüchte, daß in der EckenbüttnerVersammlung der Kommunisten nicht der Abg. Graf, sondern der Kommunist Grünsfelder [= Grönsfelder] gesprochen habe. Der Versammlungsleiter erteilte auch keinem Abgeordneten Graf, sondern nur ‚dem Redner‘ das Wort; man dachte allerdings, das erkläre sich aus mangelnder Uebung. Graf selbst ist der Arbeiterbewegung herzlich unbe-
kannt […], sodaß keiner der Zuhörer nun weiß: war es Graf oder nicht?“ 1856
Einzig die Polizeistelle für Nordbayern verfügte über die nötigen Kenntnisse und war über den Referentenwechsel Graf-Grönsfelder korrekt unterrichtet. 1857 Ob Paul Fritsch als Versammlungsleiter ebenfalls aus Unwissenheit oder Unsicherheit den Personenwechsel unerwähnt ließ oder sich scheute die Verschiebung zu benennen, bleibt unklar. Offensichtlich wurde jedoch die Tatsache, dass die Bamberger Genossen solche kommunistischen „Neulinge“ waren, dass sie nicht einmal die wichtigsten Personen der KPD-Bezirksleitung kannten oder gar auseinanderhalten konnten. Wie zuvor schon bei der USPD zu beobachten war, kam die linksradikale Aufbauhilfe, Koordination und Schwungkraft aus Nürnberg nach Bamberg. Die ehemalige Reichsstadt war das kommunistische Zentrum Nordbayerns und beheimatete den Sitz der Bezirksleitung. 1858 Zwei Monate nach dem Auftritt Karl Grönsfelders sprach seine Frau Emma Grönsfelder vor der KPD-Bamberg. 1859 Zu den wichtigsten Referenten aus Nürnberg zählten außerdem der Reichstagsabgeordnete und Politische Leiter (Polleiter) Johann Meyer, der Organisationsleiter (Orgleiter) Jakob Boulanger und Anton Hausladen, ebenfalls Mitglied der Bezirksleitung. 1860 Die kommunistische Unbedarftheit war jedoch
Vgl. FS v. 21.1.1921, Nr. 16; FS v. 25.1.1921, Nr. 19; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 21.1.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 1. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849. 1851 Der Lehrer, Redakteur und Schriftsteller Otto Graf (1892–1971) trat 1919 der KPD bei. Er arbeitete als Redakteur für die kommunistische Neue Zeitung. Zwischen 1920 und 1924 gehörte er als Abgeordneter dem Bayerischen Landtag an. 1921 wurde er aus der KPD ausgeschlossen, wechselte zunächst zur USPD, dann zur SPD und war in den folgenden Jahren vor allem als Schriftsteller und Korrespondent verschiedener Zeitungen tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er von 1949 bis 1953 Mitglied des Bundestages für die SPD. Zu seiner Biografie vgl. Pilwousek, Ingelore: Otto und Wolfgang Graf. Leben in bewegter Zeit 1900–2000 (= Schriftenreihe des Archivs der Münchner Arbeiterbewegung, Bd. 5). München 2003; Götschmann/Henker, Geschichte; Weber/Herbst, Kommunisten, S. 261. 1852 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 21.1.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1853 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 21.1.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1854 Der Mechaniker Karl Grönsfelder (1882–1964) war 1908 der SPD beigetreten, 1917 zur USPD gewechselt und gründete 1919 in Nürnberg die KPD. Ab 1923 gehörte er bis 1928 dem Bayerischen Landtag an. 1930 wurde er aus der KPD ausgeschlossen und wechselte zur KPO in Nürnberg, als deren Leiter er aktiv war. Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte er sich wieder für die KPD in Bayern, wurde aber 1949 erneut ausgeschlossen. Vgl. Mehringer, KPD, S. 23 f., 39; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 21, 37, 44; Weber/Herbst, Kommunisten, S. 265 f.; Weber, Wandlung, Bd. 2, S. 143 f. Während NeuhäußerWespy die Übernahme des Vorsitzes der KPD-Nordbayern auf August 1920 datiert, gehen Weber und Herbst davon aus, dass Grönsfelder 1920 nur in die Bezirksleitung gewählt wurde und erst 1921 Vorsitzender wurde. 1855 Vgl. NZ v. 25.1.1921, Nr. 633; FS v. 25.1.1921, Nr. 19; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 21.1.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 1. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849. 1856 FS v. 25.1.1921, Nr. 19. 1857 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 21.1.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1858 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 22, 238; Mühldorfer, KPD. 1859 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 3.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1850; Bericht zur Versammlung am 21. 3.1921, StadtABa, C 2, Nr. 11586; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 23. 3.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1860 Vgl. NV v. 5. 4.1928, Nr. 79; NV v. 25.1.1929, Nr. 21; NV v. 3. 7.1929, Nr. 151; Lagebericht v. 4. 4.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 724; Sonderbericht v. 1850
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Das politische Sozialmilieu
nicht gleichzusetzen mit Indifferenz, Ignoranz oder Ablehnung. Im Gegenteil – die KPD weckte 1921 durchaus Interesse und Neugier, die neue Partei stieß auf Zustimmung, fand Anhänger und verbuchte Rekrutierungs- und Organisationserfolge in Bamberg. 1861 Hatte die erste Versammlung der KPD zwischen 300 und 400 Zuhörer erreicht, so waren es im Februar 1921 bei der zweiten Veranstaltung sogar 800 Teilnehmer. 1862 Auch der Halbmonatsbericht des Stadtrates brachte den Zustrom zum Ausdruck: „Die Versammlung der Komm. Partei am 10. 2. 21 im oberen Eckenbüttnersaale war sehr gut besucht und zwar aus allen Schichten der Bevölkerung. Es waren nicht nur alle Stühle besetzt, sondern die Besucher standen auch dicht gedrängt in den noch freien Gängen zwischen den Tischen und auf der Bühne. Sehr viele Leute konnten wegen der Überfüllung überhaupt nicht mehr in den Saal gelangen.“ 1863
Bedingt war dieser Andrang nicht nur parteipolitisch, sondern auch thematisch und personell, denn letztgenannter Vortrag behandelte „Christentum und Sozialismus“ und wurde vom ehemaligen Franziskanerpater Johann Amon gehalten, der zeitweise
selbst in Bamberg als Geistlicher gewirkt hatte. 1864 Gerade Reden und Fragestellungen zum Komplex „Religion und Kirche“ trieben in Bamberg die gesamte Arbeiterbewegung um, sodass sowohl Vorträge der SPD als auch der KPD jedes Mal überdurchschnittlich viele Besucher anzogen. 1865 Normale Mitgliederversammlungen der KPD wiesen hingegen zwischen 50 und 60 Teilnehmer auf. 1866 Angaben zum Mitgliederstand schwankten stark zwischen Schätzungen der Sicherheitsbehörden und offiziellen Angaben der KPD, doch nimmt man die Mitgliederversammlungen als Indikator, dann erscheinen 60 bis 80 Parteimitglieder 1921 für Bamberg realistisch. 1867 Auf dieser Basis vollzog man in Bamberg die geforderte Einteilung der Partei in Bezirke und Zehnerräte, die der Parteitag im August 1921 in Jena beschlossen hatte. 1868 Die Stadt wurde in vier Bezirke mit jeweils einem Führer und zwei bis drei Zehnerräten eingeteilt. 1869 Als Vorsteher der Stadtgebiete fungierten neben Paul Fritsch der Bierbrauer Josef Sufa, der Eisenbahnarbeiter Peter Fack und der Brauer Kaspar Weinkauf. 1870 Als man diese Parteistruktur einrichtete, befand sich die KPD allerdings zum ersten Mal in der Illegalität. 1871 Schließlich war die Partei in Bayern nach dem erfolglosen kommunistischen Märzaufstand 1872 in Mitteldeutschland bis Oktober 1921
15. 5.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 786; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 27. 2.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1872; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9. 2.1932, StABa, K 3/1967, Nr. 4960; Weber/Herbst, Kommunisten, S. 116, 292 f., 504; Mehringer, KPD, S. 24 f. 1861 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 21.1.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 9.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Bericht zur Versammlung am 10. 2.1921, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 52–54; Mehringer, KPD, S. 14 f. 1862 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 1. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 21.1.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Bericht zur Versammlung am 10. 2.1921, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849. Im Gegensatz zu den Erfolgen der KPD in Bamberg 1921 konnte die KPD in Augsburg „bei eigenen Versammlungen und Umzügen selten mehr als 300 Anhänger“ aufbieten. Vgl. Hetzer, Augsburg, S. 51. 1863 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849. 1864 Vgl. Sonderbericht zur öffentlichen Versammlung der KPD am 10. 2.1921, AEB, Rep. 60 18.1, Nr. 40.00/2; Bericht zur Versammlung am 10. 2.1921, StadtABa, C 2, Nr. 11587. 1865 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849; Sonderbericht zur öffentlichen Versammlung der KPD am 10. 2.1921, AEB, Rep. 60 18.1, Nr. 40.00/2; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bayreuth v. 1. 5.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873; NV v. 22. 8.1929, Nr. 193; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 1866 Vgl. KPD-Mitgliederversammlungen v. 14. 3.1921 u. 27. 8.11921, StadtABa, C 2, Nr. 11587. 1867 Vgl. Halbmonatsberichte der Sicherheitspolizei v. 1921, StadtABa, C 2, Nr. 11587. 1868 Die neuen Zehnergruppen lösten die früheren Straßengruppen der KPD ab, die allerdings für Bamberg nicht belegt sind. Ziel der Umstrukturierung war eine verstärkte Zentralisierung und Kontrolle von oben. Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 27. 5.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 3. 6.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Winkler, Revolution, S. 527–530. 1869 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 9.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1870 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 9.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1871 Vgl. Mehringer, KPD, S. 15; Mühldorfer, KPD. 1872 Der sogenannte Märzaufstand oder Märzaktion in Mitteldeutschland 1921 war ein kommunistischer Umsturzversuch vor allem in der Region Halle-Merseburg gegen die Weimarer Republik. Die KPD rief dabei zum Generalstreik für ganz Deutschland auf, doch außer in Hamburg fand der
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Die Kommunistische Partei Bamberg
verboten, obwohl es im Freistaat und auch in Bamberg nicht einmal zu Streiks gekommen war. 1873 In Bamberg blieb die KPD in den ersten Monaten des Verbots aktiv, doch agierte sie zunehmend vorsichtiger und zurückhaltender. 1874 Beispielsweise beteiligte sie sich noch an einem allgemeinen Probealarm des Bezirks Nordbayern im Juni 1921. 1875 Dabei prüfte die KPD die neue Einteilung der Zehnergruppen und zugleich zeigte sich in Bamberg, dass die Trennlinie zwischen der USPD und der KPD weiterhin unscharf war. 1876 Viele Unabhängige wirkten nämlich bei der Probe ohne Anordnung ihrer Partei mit und letztendlich konnte der Testlauf von der KPD als Erfolg gewertet werden. 1877 Darüber hinaus machte sich die geheime Fortführung der Partei im Auftauchen von Flugblättern bemerkbar. 1878 Anfang April stellte die Polizei etwa 1.000 Exemplare einer kommunistischen Schrift sicher, die in Bamberg nachts von der Eisenbahnbrücke an der Pfisterstraße abgeworfen oder in den umliegenden Straßen verteilt worden waren. 1879 Beim Mord an Karl Gareis im Juni 1921 nahm die KPD-Bamberg eine defensive Haltung ein und ver-
hinderte durch ihre Ablehnung einen Streik. 1880 Als das Verbot der Partei und der Ausnahmezustand im Oktober 1921 aufgehoben wurden, war die KPDBamberg deutlich geschwächt und konnte nicht an ihre alte Stärke anknüpfen. 1881 Ihr schneller und euphorischer Aufbruch Anfang 1921 war der Desillusion gewichen und viele Mitglieder hatten sich in Bamberg wie auch im gesamten nordbayerischen Bezirk abgewandt. 1882 Enttäuscht waren die Linksradikalen sowohl über die fortwährenden Parteistreitigkeiten wegen der sogenannten Märzaktion als auch über die zunehmende Fremdsteuerung aus Moskau. 1883 Als lokales Beispiel der enttäuschten Mitgliedschaft kann die Biografie von Johann Engert gelten, der von der USPD zunächst zur KPD übergetreten war, sich jedoch seit der Reichstagswahl im Mai 1924 als Sozialdemokrat engagierte. 1884 Andere zogen sich vollständig aus der Politik zurück und beendeten ihre Mitarbeit in der Arbeiterbewegung. Dies galt für die drei kommunistischen Bezirksführer Sufa, Fack und Weinkauf, zu denen keine weiteren Hinweise im sozialistischen Milieu gefunden wurden.
Aufstand kaum Unterstützer. Infolgedessen wurde die Revolte von der preußischen Polizei in brutalen Kämpfen Ende März niedergeschlagen. Vgl. Büttner, Weimar, S. 80 f. 1873 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 31. 3.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1850. Stadtkommissar Fackelmann beschrieb die ruhige Lage im Bezirk folgendermaßen: „Der Bezirk ist bislang von der Aufruhrbewegung in Mittel- und Norddeutschland unberührt geblieben. Alle Volkskreise verurteilen aufs schärfste die revolutionären Umtriebe der Kommunisten und freuen sich in ihren Einwohnerwehren einen wirksamen Schutz gegen kommunistischen Terror zu haben.“; Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 4.1921, StABa, K 87, Nr. 104; Mehringer, KPD, S. 15; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 56–61; Winkler, Revolution, S. 515–520. 1874 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 4. 4.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 1. 7.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Schreiben des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Mehringer, KPD, S. 15 f. 1875 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 1. 7.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1876 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 1. 7.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1877 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 1. 7.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1878 Vgl. BV v. 2. 4.1921, Nr. 76; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 4. 4.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Bericht des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 4.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 2; Meldung der Bayerischen Staatszeitung v. 24. 5.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 2. 1879 Vgl. BV v. 2. 4.1921, Nr. 76; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 4. 4.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 1880 Vgl. Schreiben des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Winkler, Revolution, S. 426. 1881 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 3.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. 1882 Vgl. Mehringer, KPD, S. 16; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 56. 1883 Diese Fremdsteuerung aus Russland ist von Herman Weber in seinem Werk „Die Wandlung des deutschen Kommunismus“ als „Stalinisierung“ bezeichnet und die von Moskau ausgehende Disziplinierung und Zentralisierung der KPD analysiert worden. Gegen die Thesen von Weber sowie die frühere Forschung von Ossip K. Flechtheim zu diesem Thema stellt sich Klaus-Michael Mallmann. Mallmann betont in seiner Sozialgeschichte der KPD „von unten“ die Zentralisierung der Partei als eine innerparteiliche Entwicklung in Deutschland. Zu diesem Forschungsstreit vgl. Wirsching, Andreas: „Stalinisierung“ oder entideologisierte „Nischengesellschaft“? Alte Einsichten und neue Thesen zum Charakter der KPD in der Weimarer Republik. In: VfZ 45 (1997), S. 449–466; Mallmann, Kommunisten; Weber, Wandlung; Flechtheim, Ossip K.: Die KPD in der Weimarer Republik. Hamburg 1986. Vgl. Mehringer, KPD, S. 15 f.; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 56–61; Weichlein, Sozialmilieus, S. 293–295. 1884 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 4. 5.1924, StadtABa, C 2, Nr. 615; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849.
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Das politische Sozialmilieu
Die Zeit der legalen KPD-Existenz zwischen Januar und März 1921 war in Bamberg zu kurz gewesen, um ein kommunistisches Fundament zu legen, die Partei zu etablieren und die Mitglieder zu binden. Daher stürzte die KPD-Bamberg – trotz ihrer anfänglichen Erfolge – wie ein instabiles Kartenhaus durch das Verbot zusammen. 1885 Die Partei war zwar schnell und hoch aufgebaut worden, doch der Rückschlag 1921 genügte, um sie ebenso schnell zu entwurzeln. Eine einzige Versammlung wurde 1922 in den Halbmonatsberichten erwähnt, die „sehr schwach besucht“ 1886 war und „ein förmliches Fiasko der Bewegung“ 1887 darstellte. Ähnliche interne Krisen zeigten sich auch in anderen bayerischen Ortsgruppen. 1888 So erschienen zu einer Generalversammlung der KPD-Regensburg im August 1922 nur acht Mitglieder und in Penzberg löste sich die kommunistische Partei sogar selbst auf. 1889 Bis 1923 finden sich nur noch marginale Hinweise zum Fortbestand der KPD-Bamberg. 1890 So plante die Ortsgruppe im Rahmen des Antifaschistentages am 29. Juli 1923 einen Umzug oder ein Gartenfest zusammen mit Kommunisten aus Gaustadt und Viereth. 1891 Letztendlich gelangte jedoch keiner dieser Pläne zur Ausführung und Bamberg blieb von linksradikalen Aktionen unberührt, wie der Halbmonatsbericht festhielt. 1892 Ebenso wenig fanden größere Versammlungen statt, sodass der Freistaat im Mai 1923 schrieb:
„In Bamberg besteht von den Linksparteien nur die Vereinigte Sozialdemokratische Partei. Die kommunistische Gruppe ist zahlenmäßig so klein, daß ihr keine Bedeutung beigemessen werden kann.“ 1893
Obwohl bei einer solchen Aussage des sozialdemokratischen Gegners Vorsicht geboten ist und die KPD-Bamberg weiterhin existierte, ergibt sich auch aus dem Quellenbefund das Bild einer überschaubaren und passiven kommunistischen Gruppe in Bamberg. Aufgrund unklarer Machtverhältnisse in der Bezirksleitung fehlten außerdem die Anstöße von außen, um die KPD-Bamberg wieder in Bewegung zu setzen. 1894 Die Verbotsphase: Noch bevor sich vor Ort ein Aufwärtstrend infolge der Inflation und der steigenden Arbeitslosigkeit bemerkbar machen konnte, wurde die Partei ab 11. November 1923 aufgrund der Umsturzpläne des „deutschen Oktobers“ 1895 erneut verboten. 1896 Im Unterschied zum restlichen Deutschland, in dem die KPD ab Ende Februar 1924 wieder einen legalen Status zugesprochen bekam, hielt Bayern ein Jahr länger an der Unterdrückung fest. 1897 Bis Februar 1925 war die politische Agitation lediglich in Form von Wahlwerbung erlaubt, da sich die KPD in Bayern weiterhin an Wahlen beteiligen durfte. 1898 Das Verbot rechtfertigte eine engmaschige und penible Überwachung der KPD-Funktionäre. 1899 In Bamberg wurden diese Möglichkeiten ausgeschöpft und der kleine verblie-
Vgl. Mehringer, KPD, S. 16. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 3.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. 1887 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 3.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. 1888 Vgl. Mehringer, KPD, S. 16. 1889 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 114; Mehringer, KPD, S. 16; Tenfelde, Provinz, S. 152. 1890 Vgl. Registrierung von Personen durch die KPD 1922, StAN, Rep. 218/8, Nr. 40; Halbmonatsberichte der Sicherheitspolizei v. 1922 u. 1923, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Lagebericht v. 22. 3.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Protokoll zum Antifaschistentag der KPD vom 27. bis 29. 7.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1929. 1891 Vgl. Protokoll zum Antifaschistentag der KPD vom 27. bis 29. 7.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1929. 1892 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II zum Antifaschistentag der KPD v. 31. 7.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1929. 1893 FS v. 14. 5.1923, Nr. 108. 1894 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 112–116. 1895 In Anlehnung an die russische Oktoberrevolution 1917 versuchte die KPD in Sachsen und Thüringen im Oktober 1923 die Revolution in Mitteleuropa anzustoßen. Aufgrund der krisenhaften Lage des Reiches schien der Zeitpunkt günstig. In beiden Ländern war die KPD zu diesem Zeitpunkt an der Regierung beteiligt. Die Regierung in Berlin verhängte aber umgehend die Reichsexekution über Sachsen und marschierte mit der Reichswehr ein. Noch bevor der Aufstand begann, erkannte die KPD folglich ihre isolierte und aussichtslose Lage und zog die Pläne zurück. Nur in Hamburg kam es zu Umsturzversuchen. Die Arbeiterregierungen aus SPD und KPD in Sachsen und Thüringen wurden daraufhin abgesetzt bzw. lösten sich auf. Vgl. Büttner, Weimar, S. 200–203. 1896 Vgl. Lagebericht v. 22. 3.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Mühldorfer, KPD; Mehringer, KPD, S. 18; Tenfelde, Penzberg, S. 152; Weichlein, Sozialmilieus, S. 296. 1897 Vgl. Mühldorfer, KPD; Mehringer, KPD, S. 17 f. 1898 Vgl. Mühldorfer, KPD; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 153–157. 1899 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 146–153. 1885
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Die Kommunistische Partei Bamberg
bene kommunistische Kern genau unter die Lupe genommen. Bestärkt wurden die lokalen Behörden in den antikommunistischen Maßnahmen durch die linksfeindliche Haltung der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth, die ihrerseits Ansatzpunkte und Vorwände für Kontrollen nach Bamberg meldete. 1900 Direkt im Anschluss an das Parteiverbot führte die Bamberger Polizei eine Hausdurchsuchung beim Vorsitzenden Paul Fritsch durch, die allerdings ergebnislos verlief. 1901 Fritsch verblieb daraufhin unter strengster Beobachtung. 1902 Darüber hinaus ordnete der Regierungspräsident von Oberfranken im Juli 1924 die Postüberwachung für Fritsch an, nachdem dessen Name in einem kommunistischen Adressenverzeichnis gefunden worden war. 1903 Infolgedessen wurde nicht nur die parteiliche, sondern auch die private Korrespondenz von der Bamberger Polizei abgefangen und penibel abgeschrieben. 1904 So wurde beispielsweise ein Brief der Ehefrau Maria Fritsch abgetippt und polizeilich ausgewertet, in dem es um die Familie, ihre Bekannten und das Geschäft des Buchhandels ging. 1905 Im Oktober 1924 vermutete die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth eine illegale Fortführung der KPD-Bamberg durch Paul Fritsch und ordnete erneut eine Hausdurchsuchung an. 1906 Abgesehen
von Paul Fritsch wurde auch Otto Geyer observiert. 1907 Ihm legte man im Juni 1924 zur Last, einen Streik der Bauarbeiter im Sinne der KPD zu beeinflussen. 1908 Daraufhin erfolgte auch in seiner Wohnung eine Razzia, die jedoch keine kommunistischen Beweise zutage förderte, sodass von der vorgesehenen Festnahme Geyers abgesehen werden musste. 1909 Neu zum Zirkel der führenden Kommunisten in Bamberg stieß 1924 der Anwalt Dr. Josef Dietz. 1910 Der gebürtige Bamberger hatte 1919 die juristische Abschlussprüfung an der Universität Erlangen abgelegt und 1921 dort promoviert. 1911 Nach dem bayerischen Vorbereitungsdienst als Referendar wechselte er 1923 als Regierungsassessor ins Justizministerium nach Thüringen, wo eine Koalition aus SPD und KPD erstmals eine Arbeiter- bzw. Linksregierung gebildet hatte. 1912 Ab 1924 betätigte sich Dietz außerdem als Verteidiger für Kommunisten im Bezirksamt Forchheim. 1913 In Bamberg organisierte er seit März 1924 kommunistische Wahlversammlungen und stieg zum „geistige[n] Leiter der KPD in Bamberg“ 1914 auf. 1915 Er kandidierte im April 1924 bei den Landtagswahlen und nahm zusammen mit Otto Geyer im November 1924 an einer Wahlleiterkonferenz in Nürnberg teil. 1916 Sein
Vgl. Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Stadtkommissar Bamberg v. 6.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5174; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 103–109. 1901 Vgl. Bericht der Kriminalpolizei Bamberg v. 10.12.1923, StABa, K 5, Nr. 5174. 1902 Vgl. Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an den Stadtkommissar Bamberg v. 18. 7.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 1903 Vgl. Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an den Stadtkommissar Bamberg v. 18. 7.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 1904 Vgl. Bericht der Polizeiinspektion Bamberg v. 29. 7.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 1905 Vgl. Brief der Maria Fritsch an Paul Fritsch v. 25. 7.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 1906 Vgl. Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Stadtkommissar Bamberg v. 6.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. Das Ergebnis dieser Hausdurchsuchung ist in den Akten nicht überliefert worden. 1907 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeiinspektion Bamberg v. 11. 6.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 1908 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeiinspektion Bamberg v. 11. 6.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 1909 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeiinspektion Bamberg v. 11. 6.1924, StABa, K 5, Nr. 5174; Bericht der Polizeiinspektion v. 16. 6.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 1910 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 3.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859. 1911 Vgl. Personalakt Dr. Joseph Dietz, BayHStA, MJu, Nr. 20532; Einwohnermeldekarte Josef Dietz, StadtABa, C 9, Nr. 58b; Schneider, Heinz-Jürgen/ Schwarz, Erika/Schwarz, Josef: Die Rechtsanwälte der Roten Hilfe Deutschlands. Politische Strafverteidiger in der Weimarer Republik. Geschichte und Biografien. Bonn 2002, S. 111 f. Josef Dietz wurde im Personalakt des Justizministeriums fälschlicherweise mit „ph“ (Joseph) geschrieben. 1912 Vgl. Personalakt Dr. Joseph Dietz, BayHStA, MJu, Nr. 20532; Winkler, Revolution, S. 531; Kachel, Sonderweg, S. 160–163. 1913 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Forchheim, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860; Karteikarte Dr. Josef Dietz, BArch, Kartei zu Personen des antifaschistischen Widerstandskampfes. 1914 Entschädigungsakte Josepha Dietz, 25.10.1899, Dr. Josef Dietz, 16. 2.1895, BayHStA, MF, LEA, Nr. 722. 1915 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 3.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29.11.1924, StABa, K 3, Nr. 1860. 1916 Vgl. FS v. 7. 4.1924, Nr. 82; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859. 1900
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Das politische Sozialmilieu
Engagement trug maßgeblich dazu bei, dass die KPD-Bamberg vom allgemeinen Aufwärtstrend 1924 profitierte und erneut Zulauf erhielt. 1917 Etwa 150 Anhänger besuchten seine Veranstaltung vor der Landtagswahl und letztendlich erlangte er in Bamberg 786 Stimmen. 1918 Folglich leitete die Staatsanwaltschaft Bamberg, auf Drängen der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth, ein Verfahren gegen Dietz „wegen Aufrechterhaltung der kommunistischen Partei“ 1919 ein. Im Zuge dessen wurden auch seine Wohnung und die Geschäftsräume seines Vaters durchsucht, die polizeiliche Überwachung angeordnet und seine Post kontrolliert. 1920 Das übliche antikommunistische Prozedere in Bamberg wurde in Gang gesetzt. Geschickt verteidigte er sich selbst vor dem Amtsgericht Bamberg, indem er folgende Angaben machte: „Eine kommunistische Partei besteht in Bamberg nicht. Ich selbst bin zwar Kommunist aber ich bin nicht Mitglied der kommunistischen Partei, ich kann ja auch gar nicht Mitglied einer solchen sein, da diese nicht mehr besteht.“ 1921
Resigniert mussten daher im Winter 1924 die Behörden feststellen, dass Dietz aus seiner kommunistischen Gesinnung überhaupt kein Geheimnis machte und seine Tätigkeiten den Rahmen der erlaubten kommunistischen Wahlagitation nicht überschritten: 1922 „Daß die früheren Mitglieder der aufgelösten KPD, insbesondere der Dr. J. Dietz sich heute noch aktiv betätigen, ist zwar anzunehmen, ein Beweis konnte jedoch noch nicht erbracht werden. Häufige und
gründliche Haussuchungen bei verschiedenen führenden hiesigen Kommunisten verliefen stets resultatlos. Da und dort vorgefundene Mitgliedsbücher waren seit Auflösung der Partei ohne jeden Eintrag bezw. Zustellungsvermerk.“ 1923
Die Periode der Illegalität führte in Bamberg schließlich weder zu einer Stärkung noch zu einer Schwächung der KPD. 1924 Der Anstieg im Frühjahr 1924 erwies sich als kurzzeitiges Phänomen und zugleich war die Bamberger Partei zu instabil, um durch das Verbot und den Druck von außen wie andere Ortsgruppen an Zusammenhalt zu gewinnen. 1925 Die KPD stand organisatorisch nach Aufhebung des bayerischen Verbots im Frühjahr 1925 genauso schlecht da wie 1923. 1926 In einem Reorganisationsvorschlag des Bezirks Nordbayern vom Februar 1925 wurde zum Arbeitsgebiet Bamberg ausgeführt: „Unser Einfluß ist im gesamten Arbeitsgebiet sehr gering; die einzige Ortsgruppe – Bamberg – ist sehr passiv – Mangel an Funktionären. Es bestehen in Bamberg weder Fraktionen noch Betriebszellen. Auch ist unser Einfluß in den übrigen Arbeiterkorporationen sehr gering. Mitgliederzahl des Arbeitsgebietes: 10 Genossen.“ 1927
Die Stabilitätsphase: Angegliedert wurde das Arbeitsgebiet Bamberg an den Unterbezirk Oberfranken-West, der zusätzlich aus den Ortsgruppen Schney, Kronach, Coburg und Neustadt bei Coburg bestand und sich spätestens seit 1927 Unterbezirk Bamberg nannte. 1928 Als Vorstand der KPD-Bam-
Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 3.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856; FS v. 7. 4.1924, Nr. 82; Mehringer, KPD, S. 18–22; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 53. 1918 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 3.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924, S. 468 f.; FS v. 7. 4.1924, Nr. 82. Im Freistaat wurden fälschlicherweise 787 Stimmen für Dietz genannt. 1919 Protokoll des Amtsgerichts Bamberg v. 16. 9.1924, StABa, K 105, Nr. 142; vgl. Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Stadtkommissar Bamberg v. 19. 7.1924, StABa, K 105, Nr. 142. 1920 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 11. 6.1924, StABa, K 105, Nr. 142; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Bezirksamt Bamberg II v. 24. 7.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 1921 Protokoll des Amtsgerichts Bamberg im Verfahren gegen Dr. Josef Dietz v. 7. 7.1924, StABa, K 105, Nr. 142. 1922 Vgl. Schreiben im Verfahren gegen Dr. Josef Dietz v. 6.12.1924, StABa, K 105, Nr. 142. 1923 Schreiben des Amtsgerichts Bamberg v. 10.11.1924, StABa, K 105, Nr. 142. 1924 Vgl. Sonderbericht v. 8. 3.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 652. 1925 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 248–250; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 320 f. 1926 Vgl. Sonderbericht v. 8. 3.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 652. Inwieweit die Verfolgungsmaßnahmen demoralisierend und frustrierend auf Anhänger in Bamberg wirkten, ist hingegen schwer zu beurteilen. Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 248–250. 1927 Sonderbericht v. 8. 3.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 652. 1928 Vgl. Sonderbericht v. 8. 3.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 652; NZ v. 10. 6.1925, Nr. 8; Sonderbericht v. 13. 7.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 708; Sonderbericht 1917
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Die Kommunistische Partei Bamberg
berg fungierte seit 1925 Otto Geyer, während Paul Fritsch – gesundheitlich oder altersmäßig bedingt – mehr in den Hintergrund trat. 1929 Mit dieser Neubesetzung kam ein Führungs- und Generationenwechsel bei der KPD zum Abschluss, der sich bereits während der Phase der Illegalität abgezeichnet hatte. 1930 Der 1873 geborene Fritsch wurde von Otto Geyer (geb. 1888) und Josef Dietz (geb. 1895) abgelöst. 1931 Beide neuen Leiter gehörten dem allgemeinen Generationen-Schwerpunkt der KPD an, nämlich den Jahrgängen zwischen 1887 und 1897. 1932 Folglich war die KPD in Bamberg in den 1920er Jahren keine ausgesprochene Jugendpartei, sondern hatte eine Führungsriege aus Männern zwischen 30 und 40 Jahren. 1933 Typisches und verbindendes Merkmal der Parteimitglieder mittleren Alters war die Fronterfahrung. 1934 Dem entsprach der Werdegang von Josef Dietz: Er hatte sich im September 1914 als Kriegsfreiwilliger gemeldet und bis zu einer Erkrankung 1916 im Ersten Weltkrieg gekämpft. 1935 Gewalterfahrung, hierarchische Strukturen und die Aufteilung der Welt in ein Freund-Feind-Schema gehörten somit zu seinem Weltbild. Auch die Biografie von Otto Geyer wies diese Merkmale auf. Er hatte zwischen 1906 und 1910 als Torpedo-Matrose gedient, war dann allerdings straffällig geworden und verbüßte zwischen 1912 und 1914 eine 2-jährige Gefängnisstrafe we-
gen verschiedener Delikte. 1936 Für ihn wurde die kommunistische Partei zur neuen Heimat und diente als Art „Resozialisierungsinstanz“ 1937, ohne dass er seinen Hang zur Brutalität und zu „seinen bekannten Wutausbrüchen“ 1938 aufgab. Als die Polizei Bamberg 1925 eine Geldsammlung der Kommunisten aufdeckte, erklärte Geyer beispielsweise bei seinem Verhör: „Der Lump, der dies an die Polizei verraten hat, wird der erste sein, der an einem Laternenpfahl baumeln wird“ 1939. Zwischen 1925 und 1929 verkörperte überwiegend Geyer die KPD-Bamberg, wohingegen sich Dietz um sein Staatsexamen und die Zulassung als Rechtsanwalt bemühte und deshalb seltener in Erscheinung trat. 1940 In einem Schreiben aus Bamberg wurde Geyer als „die Seele der Kommunistischen Partei“ 1941 charakterisiert und die Bedeutung seiner Person für die KPD betont: „Derselbe leitet die Versammlungen, verteilt auch während oder vor der Versammlung Zeitungen an die Mitglieder der K.P.D. Geyer ist bei der Komm. Partei Führer und auch politischer Leiter in einer Person.“ 1942
Nicht nur vor Ort agierte Geyer als „Haupthetzer“ 1943 der KPD – so der sozialdemokratische Freistaat, sondern er vertrat die Partei auch auf al-
v. 29. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 797. Ursprünglich war geplant, dass auch Schweinfurt und Mellrichstadt zum Unterbezirk Oberfranken-West gehörten, doch diese bildeten ab Sommer 1925 einen eigenen Unterbezirk, den späteren Unterbezirk Schweinfurt. 1929 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1863; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 2.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; NV v. 26.7.1929, Nr. 171. 1929 verstarb Paul Fritsch an einem Herzinfarkt. In der Nordbayerischen Volkszeitung widmete ihm die KPD-Bamberg einen Nachruf. Ein Zerwürfnis ist daher unwahrscheinlich. 1930 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859. 1931 Vgl. Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73; Einwohnermeldekarte Josef Dietz, StadtABa, C 9, Nr. 58b; Einwohnermeldekarte Jodokus (Otto) Geyer, StadtABa, C 9, Nr. 58. 1932 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 107. 1933 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 106–108. Die KPD war zwar im Durchschnitt etwas jünger als die SPD, aber die Differenz war nicht wesentlich. 1934 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 107–110. 1935 Vgl. Personalakt Dr. Joseph Dietz, BayHStA, MJu, Nr. 20532; Einwohnermeldekarte Josef Dietz, StadtABa, C 9, Nr. 58b. 1936 Vgl. Auszug aus der Marinestammrolle für Jodokus Otto Geyer v. 6. 8.1926, StABa, K 105, Nr. 210; Auszug aus dem Strafregister für Jodokus/Otto Geyer v. 27.7.1926, StABa, K 105, Nr. 210; Mallmann, Kommunisten, S. 109. 1937 Mallmann, Kommunisten, S. 101. 1938 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 26. 8.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 1939 Auszug aus dem Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 1940 Vgl. Schreiben an den Oberreichsanwalt in Leipzig v. 11. 9.1926, StABa, K 105, Nr. 210; Personalakt Dr. Joseph Dietz, BayHStA, MJu, Nr. 20532; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 2.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Schneider/Schwarz/ Schwarz, Rechtsanwälte, S. 111 f. Am 3. Januar 1927 wurde Dietz als Rechtsanwalt beim Landgericht Bamberg zugelassen, am 14. Januar 1932 erfolgte seine Zulassung beim Oberlandesgericht Bamberg. 1941 Schreiben an den Oberreichsanwalt in Leipzig v. 11. 9. 1926, StABa, K 105, Nr. 210. 1942 Schreiben an den Oberreichsanwalt in Leipzig v. 11. 9.1926, StABa, K 105, Nr. 210. 1943 FS v. 1.10.1926, Nr. 225.
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Das politische Sozialmilieu
len Bezirkskonferenzen zwischen 1926 und 1929. 1944 1928 wurde er sogar in die erweiterte Bezirksleitung Nordbayerns aufgenommen. 1945 Unter seiner Führung bemühte sich die KPD-Bamberg ab 1926 besonders um die Gewinnung und Vereinnahmung der Erwerbslosen. 1946 Diese Agitationsweise war in anderen Städten wie Erlangen, Bayreuth oder Würzburg vor allem während der Illegalität betrieben worden. 1947 Bamberg folgte deren Beispielen mit Verspätung. So wurden Flugblätter vor dem Rathaus verteilt, Erwerbslosenversammlungen abgehalten, Demonstrationen geplant und ein Erwerbslosenausschuss gewählt. 1948 Zugleich versuchte die KPD, Einfluss in den Gewerkschaften zu gewinnen und diesen die Rolle als Vertreter der Arbeitslosen streitig zu machen. 1949 Auf die Ankündigung einer Erwerbslosenversammlung des Gewerkschaftskartells Bamberg im September 1926 reagierte die KPD, indem sie einen Tag früher eine eigene entsprechende Veranstaltung ansetzte. 1950 Es kam also zu einer kommunistischen Gegenveranstaltung. In einer anderen solchen Zusammenkunft des ADGB forderte Geyer die Zulassung eines kommunistischen Redners aus Nürnberg. 1951 Als dies nicht gestattet wurde, verließ er mit 60 Anhängern demonstrativ den Saal. 1952 Im April 1927 erschien Karl Grönsfelder als Referent für die KPDBamberg, um in einer öffentlichen Erwerbslosenversammlung gegen ein neues Arbeitszeitgesetz zu sprechen. 1953 Die kommunistische Nordbayerische
Volkszeitung warf der SPD-Fraktion im Bamberger Stadtrat vor, sich nicht für die Belange und Forderungen der Unbeschäftigten einzusetzen, sondern Gelder lieber für das „bürgerliche“ Theater zu verwenden beziehungsweise zu verschwenden. 1954 Außerdem kritisierte die KPD-Presse wiederholt das Arbeitsamt Bamberg, dessen Vorgehen gegen die Erwerbslosenbewegung vor Ort und seine Haltung zur Arbeitslosenversicherung. 1955 Obwohl neuere Forschungen ergeben haben, dass die KPD vor der Weltwirtschaftskrise keineswegs eine Partei der Arbeitslosen war, spielte dieses Thema in der Propaganda und Tätigkeit der Bamberger Kommunisten schon vor 1930 eine herausragende Rolle. 1956 Zum einen förderte die Bezirksleitung in Nürnberg dieses Vorgehen, indem sie beispielsweise 1926 einen Arbeitsplan herausgegeben hatte, der die Ortsgruppe Bamberg für die Zusammenfassung der Erwerbslosen im Unterbezirk verantwortlich erklärt hatte. 1957 Andererseits trug auch der persönliche Werdegang von Geyer dazu bei, denn er selbst war als gelernter Maurer in den 1920er zeitweise von Arbeitslosigkeit betroffen, sodass ihm die Unterstützung dieser Personengruppe besonders am Herzen lag. 1958 Dauerhafte Erfolge brachte diese Strategie jedoch nicht, denn obwohl bereits 1927 eine Erwerbslosenkommission in Bamberg auf Initiative von Grönsfelder gebildet worden war, wurde die Bamberger Ortsgruppe Anfang 1929 von der Bezirksleitung erneut angehalten, einen solchen Aus-
Vgl. Lagebericht v. 24. 9.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 686; Lagebericht v. 19. 2.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 696; Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717; Lagebericht v. 27.12.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 736; Sonderbericht v. 8. 4.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 743. 1945 Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717. 1946 Vgl. FS v. 1.10.1926, Nr. 225; FS v. 2. 2.1929, Nr. 28; NV v. 11. 2.1926, Nr. 28; NV v. 9. 4.1927, Nr. 84; Hetzer, Augsburg, S. 59. 1947 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 152. 1948 Vgl. FS v. 1.10.1926, Nr. 225; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30.1.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; NV v. 9. 4.1927, Nr. 84. 1949 Vgl. FS v. 1.10.1926, Nr. 225; Protokoll des Bezirksparteitages der KPD-Nordbayern v. 23. 5.1926, BArch, RY 1, I 3/27/1. 1950 Vgl. FS v. 1.10.1926, Nr. 255. 1951 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 2.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 1952 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 2.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 1953 Vgl. NV v. 9. 4.1927, Nr. 84; Winkler, Schein, S. 310. Das sogenannte Arbeitszeitnotgesetz wurde am 8. April 1927 gegen die Stimmen der SPD, KPD, DDP und Wirtschaftlichen Vereinigung im Reichstag beschlossen und erleichterte die gesetzliche Mehrarbeit, die mit Lohnzuschlägen abgeglichen wurde. 1954 Vgl. NV v. 2.11.1926, Nr. 28. 1955 Vgl. NV v. 22. 4.1929, Nr. 68; NV v. 19. 9.1929, Nr. 217; NV v. 12. 2.19230, Nr. 35. 1956 Vgl. Hetzer, Augsburg, S. 59; Mallmann, Kommunisten, S. 101–105. Im Gegensatz zu den Ergebnissen von Mallmann stehen die Forschungen von Winkler und Weitz; vgl. Winkler, Schein, S. 447: „Sie [die KPD] war die Arbeitslosenpartei der Weimarer Republik.“; Weitz, Eric D.: Creating German Communism, 1890–1990. From popular protests to socialist state. Princeton 1997, S. 119–122, 144–146. Weitz unterscheidet stark zwischen der sozialdemokratischen und beschäftigten Arbeiterschaft und der kommunistischen und arbeitslosen Arbeiterschaft. 1957 Vgl. Sonderbericht v. 17. 9.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 687. 1958 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 23. 9.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 1944
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Die Kommunistische Partei Bamberg
schuss ins Leben zu rufen. 1959 Die erste Gründung war wohl wirkungslos geblieben oder wieder eingeschlafen. 1960 Insgesamt konnte die KPD-Bamberg während der Phase ab 1925 eine Konsolidierung und Stärkung verzeichnen. 1961 So wurden 1928 der Mitgliederstand mit 60 bis 70 Personen angegeben und hatte folglich wieder die ungefähre Größe von 1921 erreicht. 1962 Ähnliche Werte meldeten auch die Städte Würzburg (76 Mitglieder) und Regensburg (74 Mitglieder). 1963 Das kommunistische Anwachsen in dieser Phase war ein bayernweites Phänomen, das sowohl durch die kontinuierliche Führung der Ortsgruppe Bamberg als auch des Bezirks Nordbayern gestützt wurde. 1964 Differenzen oder Säuberungen infolge der zunehmenden Stalinisierung der Partei ab 1925 tangierten Bamberg hingegen nicht. 1965 Die Ursache für die ausbleibenden theoretischen Streitigkeiten lag darin, dass die KPD-Bamberg in diesen Jahren weniger einer revolutionären Kampftruppe ähnelte als einem familiären Kreis an Gleichgesinnten. Dies zeigte ein amtlicher Bericht über die kommunistische Maifeier 1926: „Nachmittags ab 3 Uhr waren im Schlüsselskeller etwa 35 Kommunisten und 15 Frauen mit Kindern beisammen, die Zusammenkunft trug ausschließlich familiären Charakter, nicht den einer Versammlung, sodaß zu einem Einschreiten kein Anlaß war. Für die musikalische Unterhaltung hatte der
Kommunist Strobel eine Ziehharmonika und der ehem. Hainwärter Bühner eine Bassgeige mitgebracht; damit erfolgten abwechslungsweise musikalische und humoristische Einzelvorträge. Auch verschiedene Bierlieder wurden stimmungsgemäß dazwischen gesungen.“ 1966
Die KPD-Bamberg bereitete also keine Revolution vor, sondern pflegte nette Gesellschaftsveranstaltungen. Innerhalb des sozialistischen Milieus in Bamberg waren die Rollen klar vergeben: Die KPD war die schwächere Arbeiterpartei, sie musste sich der SPD unterordnen und trat bei parteiübergreifenden Veranstaltungen als Bittstellerin auf. 1967 Dieses hierarchische Verhältnis bildete die Basis für gemeinsame Aktionen und Auftritte der Arbeiterbewegung Mitte der 1920er Jahre. 1968 Ein Beispiel stellte die Maifeier 1926 dar. Bei dem Umzug wurden die Kommunisten zwar als Gruppe zugelassen, sie wurden jedoch von der SPD und den Freien Gewerkschaften an das Ende des Marsches verwiesen und somit sichtbar herabgestuft. 1969 1927 war vonseiten der linken Parteien dieselbe Einteilung vorgesehen und abgestimmt worden, doch die Polizei unterband einen geschlossenen Auftritt der Kommunisten vollständig, sodass diese gezwungen waren, sich innerhalb ihrer Gewerkschaftsgruppen einzureihen. 1970 Dies zeigt, dass Verbindungen zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten bestanden und partiell genutzt wurden. Die traditionellen Ge-
Vgl. NV v. 9. 4.1927, Nr. 84; Lagebericht v. 21. 2.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 739. Vgl. Hetzer, Augsburg, S. 59. 1961 Vgl. FS v. 21. 3.1925, Nr. 66; FS v. 1. 6.1926, Nr. 122; FS v. 1.10.1926, Nr. 225; Mehringer, KPD, S. 26; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 185 f. 1962 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 23. 9.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717. 1963 Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717. 1964 Vgl. Mehringer, KPD, S. 24–26. 1965 Vgl. Winkler, Schein, S. 417–465; Kinner, Klaus: Die Weimarer Zeit (= Der deutsche Kommunismus. Selbstverständnis und Realität, Bd. 1). Berlin 1999, S. 90–96; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 186; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 120–185. 1966 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 5.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. Mit dem genannten „Schlüsselskeller“ war vermutlich der Keller am Oberen Stephansberg 39 und 41 gemeint. Da die Brauerei „Schlüssel“ bereits 1921 ihren Betrieb eingestellt hatte, ist aber nicht klar, wer den Keller 1926 betrieb. Vgl. Fiedler, Bamberg, S. 80–82. Die beiden genannten Kommunisten Bühner und Strobel konnten nicht eindeutig identifiziert werden. Bei dieser Quelle wurde der familiäre Charakter der KPD vom Stadtkommissar besonders stark betont, da er die Zulassung der kommunistischen Versammlung gegenüber der oberfränkischen Regierung rechtfertigen musste. 1967 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 5.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 2.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; Mallmann, Kommunisten, S. 386. 1968 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 5.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Mallmann, Kommunisten, S. 386. 1969 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 5.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1970 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Lagebericht v. 1. 6.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 702. 1959
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Das politische Sozialmilieu
meinsamkeiten und Wurzeln der zwei „sehr ungleiche[n] Brüder“ 1971 wurden im sozialistischen Milieu Bamberg zunächst aufrechterhalten und vor Ort gelebt. 1972 Die „Sozialfaschismus“-Phase: 1929 fand die verhältnismäßig stabile und ruhige Phase der KPD-Bamberg ihr Ende. Die „Sozialfaschismusthese“ erklärte die SPD zum neuen Hauptgegner und untermauerte theoretisch die ultralinke Wende der KPD gegen die reformistische Sozialdemokratie und den rechten Flügel der Kommunisten. 1973 Dies bedeutete das Ende jeglicher innerparteilichen Demokratie der KPD und die vollständige Unterordnung unter die Kommunistische Internationale (Komintern) und die sowjetrussischen Belange. 1974 Gegen diesen Kurs regte sich Widerstand und parteiinterne Konflikte und Streitigkeiten brachen aus, die sich auch auf Bamberg auswirkten und die Partei belasteten. 1975 Verhältnismäßig früh, nämlich im April 1929, erwähnte ein Bericht „Parteidifferenzen“, die Otto Geyer dazu veranlassten, sich aus der Politik zurückzuziehen. 1976 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich eine Kommunistische Partei-Opposition noch nicht einmal in Nürnberg formiert. 1977 Für etwa ein Jahr übernahm der selbständige Bildhauer Anton Riel die Führung der KPD-
Bamberg – bevor auch er der KPD den Rücken kehrte. 1978 Ihm folgte der Bauarbeiter Alex Barth nach. 1979 Diese internen Wechsel und Unruhen führten zu einer erneuten Destabilisierung des Kommunismus in Bamberg. 1980 Folglich war die letzte Phase der KPD ab 1929 kein kontinuierlicher Aufstieg während der Weltwirtschaftskrise, sondern glich einer unruhigen Schiffsfahrt mit unstetem Wellengang, stürmischen Böen, Gewitterzellen, aber auch Lichtblicken und hoffnungsvollen Abschnitten. 1981 Der Parteiaustritt von Otto Geyer stürzte die KPD zunächst in eine Krise. 1982 Eine bereits angekündigte Mitgliederversammlung wurde ersatzlos gestrichen. 1983 Anstelle eigener Veranstaltungen lehnte man sich nunmehr an die verhältnismäßig starke und aufstrebende kommunistische Ortsgruppe in Bischberg an. 1984 Diese veranstaltete im April 1929 eine Gedächtnis-Kundgebung zum 10-jährigen Jubiläum der Räterepublik. 1985 Während Nürnberg und Fürth 150 Teilnehmer aufboten, marschierte aus Bamberg nur „ein Zug von 18 Mann“ 1986 über Gaustadt nach Bischberg. 1987 Dies spricht für den geringen Rückhalt der Partei und die Missstimmung unter den Bamberger Mitgliedern. Ebenso offenbarte eine Arbeitsgebietskonferenz im Juli 1929 den Niedergang, denn trotz
Mallmann, Kommunisten, S. 386. Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 381–383. 1973 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 224 f.; Winkler, Schein, S. 679–683; Kinner, Weimarer Zeit, S. 122–134. Bereits 1924 war die Behauptung und Anschuldigung des „Sozialfaschismus“ entstanden, mit der die SPD als Flügel und Zwillingsbruder des Faschismus gebrandmarkt wurde. Bis 1928/ 29 fand diese Kampfansage aber keinen Widerhall an der Basis und wurde nicht propagiert. Dies änderte sich durch die Ereignisse des „Berliner Blutmais“ 1929, als die SPD-Regierung gegen kommunistische Demonstranten vorging. Daraufhin wurde die Sozialfaschismusthese auf dem KPDParteitag im Juni 1929 zur offiziellen Parteilinie erhoben. Zum „Berliner Blutmai“ vgl. Kurz, Thomas: „Blutmai“. Sozialdemokraten und Kommunisten im Brennpunkt der Berliner Ereignisse von 1929. Berlin u. a. 1988. 1974 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 224 f.; Kinner, Weimarer Zeit, S. 122–132; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 186–238. 1975 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30. 4.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1976 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30. 4.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1977 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 223–227. 1978 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30. 4.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Entschädigungsakte Anton Riel, 1. 2.1897, BayHStA, MF, LEA, Nr. 2958. 1979 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 1980 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 11. 7.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1981 Vgl. FS v. 8. 5.1930, Nr. 104; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 1982 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 11. 7.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 225 f. 1983 Vgl. NV v. 21. 3.1929, Nr. 67; NV v. 22. 3.1929, Nr. 68. 1984 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Spies, Bischberg, S. 151–153, 161. Im Gegensatz zu Bamberg hatte die KPD in Bischberg größeren Einfluss auf die Arbeiterschaft und erzielte zum Beispiel 1924 und im Juli 1932 bei den Wahlen bessere Ergebnisse als die SPD. 1985 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1986 Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1987 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1971
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Die Kommunistische Partei Bamberg
mehrmaliger Zeitungsankündigungen und des Besuchs von Anton Hausladen aus der Bezirksleitung Nürnberg fanden sich nur vier Bamberger Kommunisten ein. 1988 Neben den beiden Führern Riel und Barth waren dies der Appreteur Sebastian Zimmerer und ein Arbeiter namens Johann Schmitt. 1989 Daraufhin berichtete der Stadtkommissar von Bamberg nach Bayreuth, „daß die KPD in Bamberg keinen Boden mehr hat.“ 1990 Diese Ansicht teilte auch der Freistaat, der den Mitgliederstand der KPD 1929 mit 30 Anhängern angab. 1991 Selbst während der Phase des Wahlkampfes zu den Kommunalwahlen in Bayern trat die KPD-Bamberg nicht in Erscheinung: Keine einzige Wahlversammlung wurde in der Nordbayerischen Volkszeitung angekündigt. Die Meldungen der kommunistischen Presse zu Bamberg reduzierten sich auf alltägliche Unfälle und Kriminaldelikte vor Ort. 1992 Erst im März 1930 stellten die Bamberger Kommunisten wieder eine eigene Veranstaltung auf die Beine und erinnerten an die Pariser Kommune von 1871 als Vorreiter des Sozialismus und der Diktatur des Proletariats. 1993 Dafür holte man sich sowohl für den Umzug als auch für die Programmgestaltung Unterstützung aus Nürnberg. 1994 Alleine wäre man zu einer würdigen Feier nicht in der Lage gewesen. Zwei Monate später startete die Bamberger KPD unter Führung von Alex Barth den Versuch einer Demonstration zum Ersten Mai. 1995 Als „6 Radfahrer mit Kommunistenmützen, Russenkittel und Leibriemen“ 1996 von der Königsstraße mit einer
Sowjetfahne in Richtung des Grünen Marktes aufbrachen, wurden sie am Maxplatz von der Polizei verhaftet und bis in die Nacht hinein festgehalten. 1997 Diese staatliche Vorsichtsmaßnahme erstickte die Kundgebung im Keim. 1998 Beide Ereignisse weisen auf eine langsame Aufwärtsentwicklung hin, die durch einen Artikel im Freistaat über den Mitgliederzuwachs der KPD zusätzlich Bestätigung findet. 1999 Desweiteren meldete die Neue Zeitung unter der Überschrift „Die Partei marschiert! Unsere Erfolge im Monat November 1930“ 2000, dass unter anderem die Ortsgruppe Bamberg das Ziel der Mitgliederwerbung mit drei Neuaufnahmen bereits erreicht habe. 2001 Gleichermaßen veröffentlichte man im Juli 1931 die Einschreibung von vier neuen Parteigenossen. 2002 Durch den allgemeinen kommunistischen Zulauf und dessen Auswirkungen auf Bamberg gewann die Partei langsam nicht nur Mitglieder, sondern auch Selbstbewusstsein, Entschlossenheit und Kampfeswillen. Im Nachgang zur Reichskonferenz der Erwerbslosen verbreitete die KPD im Dezember 1930 folgenden Aufruf: „Am 24. 12. 1930 nachmittags sind allgemein im ganzen Reiche, in allen Orten Hungerdemonstrationen zu organisieren mit dem Ziele, die christliche Weihnachtsideologie zu zerstören und an deren Stelle den Kampf gegen Hunger, für Freiheit und Brot zu organisieren.“ 2003
Vgl. NV v. 3. 7.1929, Nr. 151; NV v. 4. 7.1929, Nr. 152; NV v. 5. 7.1929, Nr. 153; NV v. 6. 7.1929, Nr. 154; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 11. 7.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 228, 234; Weber/Herbst, Kommunisten, S. 293. Anton Hausladen saß für die KPD im Stadtrat Fürth und gehörte seit 1927 der Bezirksleitung-Nordbayern an. 1989 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 11. 7.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; KPD-Mitgliedskarte und Mitgliedsbuch von Sebastian Zimmerer, StABa, K 5, Nr. 5174. Sebastian Zimmerer war Jahrgang 1867 und bereits seit Gründung der KPD-Bamberg als Mitglied aktiv. Johann Schmitt konnte in der Einwohnermeldekartei des Stadtarchivs Bamberg nicht eindeutig identifiziert werden. Mündliche Auskunft von Barbara Eckstein am 4. 7. 2018. 1990 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 11. 7.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1991 Vgl. FS v. 2. 2.1929, Nr. 28. 1992 Vgl. NV v. 10.1929–12.1929. 1993 Vgl. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64; NZA v. 24. 3.1930, Nr. 68; Grams, Florian: Die Pariser Kommune. Köln 2014, S. 118 f. 1994 Vgl. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64; NZA v. 24. 3.1930, Nr. 68. 1995 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1996 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1997 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1998 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 1999 Vgl. FS v. 8. 5.1930, Nr. 104; Hetzer, Augsburg, S. 60; Mehringer, KPD, S. 26 f.; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 229; Winkler, Katastrophe, S. 595. 2000 NZA v. 21.11.1930, Nr. 258. 2001 Vgl. NZA v. 21.11.1930, Nr. 258. 2002 Vgl. NZA v. 3. 7.1931, Nr. 99. 2003 Schreiben des Staatsministeriums des Innern v. 16.12.1930, Staatsarchiv Amberg (künftig: STAAm), Bezirksamt Parsberg, Nr. 2989. 1988
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Das politische Sozialmilieu
Während andere Ortsgruppen nicht wagten den Weihnachtsfrieden tatsächlich zu stören und sich damit den Verboten der Behörden fügten, schreckte die KPD-Bamberg vor dieser Provokation in der katholischen Domstadt nicht zurück: 2004 „Auf den heiligen Abend hatten die Kommunisten zu einer Massendemonstration aufgerufen. Trotz Verbots des Stadtkommissariats veranstalteten etwa 30–40 Kommunisten einen Zug. Sie sangen die Internationale und schrien: ‚Hunger, Brot, Arbeit etc.‘“ 2005
Der Stadtkommissar fügte seinem Bericht noch hinzu, dass die Bevölkerung „bedauerlicherweise“ 2006 den Protestmarsch verstärkt und die Aktion noch dazu nachmittags um 5 Uhr stattgefunden habe. 2007 Beendet wurde der kommunistische Aufruhr schließlich durch das Eingreifen der Polizei mit Gummiknüppeln und der Festnahme von drei Personen. 2008 Im Anschluss kam es zu einem Prozess wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und groben Unfugs. 2009 Die Richter verurteilten zwei der Beteiligten im März 1931 zu kurzen Haftstrafen von sieben bzw. zehn Tagen. 2010 Schwerer wog allerdings der psychologische Effekt der Kundgebung – sowohl für die KPD als auch deren Gegner. 2011 Dass ausgerechnet in der vermeintlich ruhigen Bischofsstadt ein solcher kommunistischer Aufstand erprobt worden war, schockierte die Behörden und beschäftigte die Zeitungen noch mehrere Monate. 2012 Zudem bot
die sogenannte „Weihnachtsdemonstration“ 2013 einen willkommenen Grund für ein verschärftes Vorgehen gegen die KPD und die Arbeiterbewegung vor Ort. 2014 So wurde beispielsweise ein angemeldeter Protestumzug von Erwerbslosen und Wohlfahrtsempfängern am 25. Februar 1931 unter Hinweis auf die Vorkommnisse am 24. Dezember verboten. 2015 Als Veranstalter trat zwar nicht die KPD, sondern ein Erwerbslosenausschuss und Gewerkschaftsverbände auf, doch der Verdacht, dass es sich letztendlich um eine kommunistische Kundgebung handeln könnte, reichte für die Aussetzung der Versammlungsfreiheit. 2016 Der Stadtkommissar setzte jegliche KPD-Veranstaltung in seiner Argumentation mit der Störung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit gleich und schloss kategorisch einen friedlichen Ablauf aus. 2017 Dagegen echauffierte sich die Neue Zeitung über die exzessive Handhabe und die scharfen Vorkehrungen gegen die KPD „Unser Alex B. [d. h. Alex Barth] wird von der Polizei wie ein Wild gehetzt und wenn er gar mit einer Mappe – mögen darin die Reste seiner Brotzeit oder einige harmlose Broschüren sein – auf der Bildfläche erscheint, so verfällt diese bestimmt der Beschlagnahmung.“ 2018
Im selben Artikel beschrieb und wertete der kommunistische Redakteur die Vorgänge am Heiligen Abend als Erfolg und ergötzte sich am „panischen Schrecken“ 2019 des Oberregierungsrats Köttnitz,
Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 23.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.1.1931, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1883; Zehentmeier, Entwicklung, S. 95. 2005 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1883. 2006 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 2007 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 2008 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 2009 Vgl. FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. 2010 Vgl. FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. 2011 Vgl. NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34. 2012 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.1.1931, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1883; NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34; FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. 2013 NZA v. 23. 2. 1931, Nr. 34. 2014 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 21. 2.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2015 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 21. 2.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2016 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 21. 2.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2017 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 21. 2.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2018 NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34. 2019 NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34. 2004
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Die Kommunistische Partei Bamberg
dem er wegen seiner lokalen Unterdrückungspolitik den Spottnamen „Metternich von Bamberg“ 2020 verpasste. Trotz der antimarxistischen Maßnahmen mehrten sich in Bamberg die unkontrollierten und unangekündigten kommunistischen Aktionen. 2021 Im Juli 1931 hissten Unbekannte am alten Priesterseminar beim Maxplatz, das vom Arbeitsamt genutzt wurde, eine Sowjetfahne mit den Aufschriften „Nieder mit der Brüningregierung“ und „Kämpft für Sowjet-Deutschland“. 2022 Außerdem warfen sie Flugblätter über den Marktständen am Grünen Markt ab. 2023 Desweiteren tauchten kommunistische Handzettel in der Kaserne der Schutzpolizei und im Kasernenhof des 17. Reiter-Regiments auf. 2024 Diese riefen ebenfalls zum Kampf gegen Reichskanzler Brüning auf und forderten den revolutionären Klassenkampf des geeinten Proletariats. 2025 Daraufhin suchte man in Bamberg vehement nach den linksradikalen Tätern. Der Verdacht für die „kommunistische Zersetzungstätigkeit bei der Polizei und der Reichwehr“ 2026 fiel auf den Hilfsarbeiter Georg Böhm, der seit 1930 als zweiter Vorstand der KPD-Ortsgruppe hinter Alex Barth wirkte. 2027 Die Taten konnten ihm jedoch nicht nachgewiesen werden, sodass er nach zweimonatiger Untersuchungshaft wieder aus dem Landgerichtsgefängnis entlassen wurde. 2028 Der Aufstieg der KPD-Bamberg ab 1930 veränderte nicht nur das Auftreten der Partei, sondern
auch ihren Charakter und ihre Mitgliederbasis. 2029 Die KPD war nicht mehr ein kleiner familiärer Kreis marxistischer Anhänger mittleren Alters, sondern stand als Arbeiter- und Arbeitslosenpartei für den Sozialprotest gegen die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Missstände. 2030 Ihr Sozialprofil ähnelte nun der Arbeiterbewegung der Kaiserzeit. 2031 Das bedeutete: Im Durchschnitt waren die Kommunisten jünger und unqualifizierter als die Sozialdemokraten, sie entstammten den unteren proletarischen Schichten, waren stärker von Arbeitslosigkeit betroffen oder waren oftmals fachfremd als Hilfsarbeiter eingestellt. 2032 Auf den Listen der Wahlbeisitzer der KPD-Bamberg für 1932 und 1933 fanden sich dementsprechend fast ausschließlich Arbeiter, Handwerker oder untere Bedienstete. 2033 Angestellte, Akademiker oder Selbständige waren in ihren Reihen kaum mehr zu finden. 2034 Ausnahmen bildeten der Kaufmann und Schriftsteller Ludwig Bertuch, der Kaufmann Wilhelm Hellmann und der Theatermaler Michael Schmitt. 2035 Im Gegensatz zur SPD wies die KPD keine volksparteilichen Züge auf. 2036 Sie war in Bamberg am Ende der Weimarer Republik eine relativ homogene Arbeiterpartei der Unterprivilegierten und Verzweifelten – insofern unterschied sie sich auch von der USPD und der KPD Mitte der 1920er Jahre. 2037 Kommunistische Artikel beschimpften die Sozialdemokraten daher als Bonzen
NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34. Vgl. Büttner, Weimar, S. 442; Hetzer, Augsburg, S. 59. 2022 Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 17. 7.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2023 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 17. 7.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2024 Vgl. NZA v. 14.11.1931, Nr. 164; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 19.11.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2025 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 19.11.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2026 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9. 1.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8. 2027 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9. 1.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 2028 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.1.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg v. 6. 2.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8. 2029 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 595 f.; Mallmann, Kommunisten, S. 103 f. 2030 Vgl. Mehringer, KPD, S. 32, 55; Mallmann, Kommunisten, S. 103 f.; Winkler, Katastrophe, S. 596. 2031 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 94–100. 2032 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 94–105, 111–113; Winkler, Schein, S. 445 f. 2033 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647. 2034 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; Mallmann, Kommunisten, S. 99. 2035 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; FS v. 7. 5.1931, Nr. 103. 2036 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 97–100. 2037 Vgl. Mehringer, KPD, S. 55. 2020 2021
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Das politische Sozialmilieu
mit bürgerlichen Attitüden. 2038 Personifiziert wurde das Feindbild der KPD in Bamberg beispielsweise durch den Gewerkschaftssekretär Alexander Zwiebel, der als „Herr Zwiebel, wohlsituierter Geschäftsführer des Textilarbeiter-Verbandes“ 2039 beschrieben wurde. Noch besser eignete sich Wilhelm Aron zum Zweck der antisozialdemokratischen Propaganda. 2040 Ihm widmete die Neue Zeitung in der Rubrik „Stimmen der Werktätigen“ eine Passage unter der Überschrift „Aron der Vielseitige. Sowas kann bei der SPD. eine Rolle spielen.“ 2041 Darin wurde er als arroganter und intellektueller „Salonheld“ 2042 verunglimpft, der „Schauermärchen über Sowjetrußland erzählt[e]“ 2043 und seine revolutionäre Gesinnung nur vortäuschen würde. 2044 Zudem machte der Artikelschreiber ihn dafür verantwortlich, den Nationalsozialisten „täglich Vorwände [zu geben], ihre Judenhetze zu bestreiten.“ 2045 So bediente die KPD-Bamberg antisemitische und antiintellektuelle Vorurteile gleichermaßen, um sich mit den Feindbildern des „Juden“ und „Akademikers“ gegen die SPD abzusetzen. 2046 Deutlich entfernte sie sich damit von ihrer gemäßigten und teilweise kooperativen Haltung unter Dietz und Geyer Mitte der 1920er Jahre. Ein weiteres neues Merkmal der KPD seit der Weltwirtschaftskrise in Bamberg war ihre Jugend-
lichkeit. 2047 Auffällig viele Kommunisten gehörten in den 1930er Jahren zur „Generation Schuhmacher“ der Frontkriegsteilnehmer oder zur überflüssigen und vaterlosen Jahrhundertgeneration. 2048 Bekannte aktive KPD-Mitglieder, die 1896 oder 1897 geboren wurden, sind: der Hilfsarbeiter Georg Böhm, der Fläschner Karl Göppner, der Glaser Georg Schumm, der Arbeiter Johann Pickel und Bildhauer Anton Riel. 2049 Noch stärker präsent waren die Vertreter der Kriegsjugendgeneration, der nach 1900 Geborenen. 2050 Zu diesen Jungkommunisten zählten: Alex Barth (geb. 1903), der Arbeiter Balthasar Bayer (geb. 1907), der Vergolder Wilhelm Decker (geb. 1911), der Hilfsarbeiter Peter Förtsch (geb. 1908), der Arbeiter Wilhelm Frisch (geb. 1904), der Arbeiter Michael Hollfelder (geb. 1916), der Schreiner Adam Kaim (geb. 1913), der Arbeiter Johann Karl (geb. 1905), der Maurer Gottfried Moritz (geb. 1905), der Flaschner Adolf Müller (geb. 1904), der Arbeiter Lorenz Müller (geb. 1902), der Küfer Anton Nossol (geb. 1902), der Schuhmacher Johann Schenkel (geb. 1906), der Arbeiter Josef Schöpf (geb. 1903), der Maurer Konrad Seelmann (geb. 1903), der Arbeiter Emil Seidler (geb. 1904), der Arbeiter Johann Stöcklein (geb. 1905) und der Kürschner Johann Syroka (geb. 1909). 2051 Obwohl statistische Unterlagen fehlen,
Vgl. NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34; Mallmann, Kommunisten, S. 85. NZA v. 5. 9.1930, Nr. 200. 2040 Vgl. NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2041 NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2042 NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2043 NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2044 Vgl. NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2045 NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2046 Vgl. NZA v. 11.1.1932, Nr. 1; Büttner, Weimar, S. 292; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 46 f.; Kistenmacher, Olaf: Arbeit und „jüdisches Kapital“. Antisemitische Aussagen in der KPD-Tageszeitung Die Rote Fahne während der Weimarer Republik (= Die jüdische Presse – Kommunikationsgeschichte im Europäischen Raum, Bd. 19). Bremen 2016, S. 221–228. 2047 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Weichlein, Gegensätze, S. 171. 2048 Vgl. Weichlein, Gegensätze, S. 182; Mallmann, Kommunisten, S. 106–117. 2049 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 2050 Vgl. Weichlein, Gegensätze, S. 171, 183. 2051 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Volksgerichtshof Berlin v. 16. 4.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833; Anklageschrift gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 18. 8.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 2038
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Die Kommunistische Partei Bamberg
offenbart diese Liste die große Anziehungskraft der KPD auf die proletarische Jugend in Bamberg. 2052 Von der SPD-Bamberg sind weitaus weniger Mitglieder dieser Jahrgänge in den Quellen überliefert. Die KPD-Bamberg verjüngte sich also stark in den Krisenjahren der Republik; andere Untersuchungen haben einen entsprechenden Trend auch für die bayerischen Städte Penzberg und Augsburg oder die Bezirke Berlin und Sachsen belegt. 2053 Neuere Forschungen beispielsweise von Mallmann und Weichlein warnen jedoch davor, die KPD mit einer „Jugendsekte“ 2054 oder einer Ansammlung von „Grünschnäbeln“ 2055 gleichzusetzen. 2056 Dieses Bild habe zwar der Propaganda während der Weimarer Republik entsprochen, nicht jedoch der Realität. 2057 Die generationelle Distinktion zwischen der reformistischen SPD und der radikalen KPD ist auch in Bamberg kein festes Charakteristikum der Weimarer Kommunisten, aber ein markanter Trend seit 1930. Parallel zum Aufstieg der NSDAP wurde die KPD-Bamberg jünger und kompromissloser. Ihre Anhänger waren nicht nur von dem Krisenbewusstsein und der drohenden und wachsenden Arbeitslosigkeit geprägt, sondern auch von der Erfahrung der beruflichen Dequalifikation. 2058 Viele der Jungkommunisten in Bamberg mussten aufgrund der Rationalisierung und der Weltwirtschaftskrise fachfremd und durch Gelegenheitsarbeiten ihr Geld verdienen oder waren direkt nach der Lehre arbeitslos. 2059 So betätigten sich Georg Böhm und Peter Förtsch ab 1930 entweder als Hilfsarbeiter oder
sie bezogen Arbeitslosenunterstützung. 2060 Adam Kaim beendete 1931 seine Schreinerlehre und fand anschließend keine weitere Anstellung. 2061 Ebenso war Alex Barth längere Phasen von Erwerbslosigkeit betroffen. 2062 Der gelernte Weinküfer Anton Nossol verdiente als ungelernter Reichsbahngehilfe sein Geld und Georg Schumm wechselte zwischen Glaser- und Schreinereibeschäftigungen. 2063 So wurde die ökonomische Modernisierung nach dem Ersten Weltkrieg „zum zweiten kollektiven Trauma der Kommunisten“ 2064. Die Weimarer Republik bedeutete für diese jugendlichen Arbeiter nicht Aufstieg, sondern einen Abstieg mit vielen negativen Sozialerfahrungen. 2065 Umso attraktiver erschienen die marxistischen Versprechungen einer neuen Gesellschaftsordnung als vermeintlicher Ausweg aus der Misere und als linksextreme Not-Lösung. Die marxistische Ideologie wurde zur Ersatzreligion. Inwieweit diese Hinwendung bei den Bamberger Mitgliedern von Dauer war, ist aufgrund der lückenhaften Quellenlage nicht feststellbar. 2066 Da sich generell der Bezirk Nordbayern durch eine sehr hohe Mitgliederfluktuation auszeichnete, ist davon auszugehen, dass diese auch die Bamberger Ortsgruppe betraf und manche Neumitglieder nur temporär ein politisches Zuhause in der KPD fanden. 2067 Für andere war es jedoch nicht nur ein Zwischenstopp, sondern vielmehr der Beginn eines lebenslangen kommunistischen Engagements, wie beispielsweise für Adam Kaim, der bis zu seinem
Vgl. Weichlein, Gegensätze, S. 171. Vgl. Weichlein, Gegensätze, S. 171; Tenfelde, Penzberg, S. 189 f.; Hetzer, Augsburg, S. 60–62. 2054 Mallmann, Kommunisten, S. 107. 2055 Mallmann, Kommunisten, S. 107. 2056 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 106–118; Weichlein, Gegensätze, S. 167–171. Im Gegensatz dazu stehen die früheren Forschungen von Rohe und Winkler, die die Jugendlichkeit in der KPD hervorheben, diese als „Jugendpartei“ charakterisieren und die SPD als „eindeutig überaltert“ beschreiben. Vgl. Rohe, Wahlen, S. 123; Winkler, Schein, S. 445. 2057 Vgl. Weichlein, Gegensätze, S. 167. 2058 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 110–118. 2059 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 110 f.; Hetzer, Augsburg, S. 60. 2060 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 2061 Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Pierdzig, Günter: Adam Kaim. Ein Leben im Widerstand gegen Faschismus und Krieg. Bamberg 2014, S. 3. 2062 Vgl. Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263. 2063 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Auskunft des Stadtpolizeiamtes Bamberg v. 4. 8.1938, StadtABa, C 9, Nr. 245. 2064 Mallmann, Kommunisten, S. 111. 2065 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 110–112. 2066 Vgl. Mehringer, KPD, S. 26–30. 2067 Vgl. Mehringer, KPD, S. 26–30. 2052 2053
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Tod 1999 überzeugter Kommunist und Antifaschist blieb. 2068 Folglich hatte die KPD-Bamberg während der Weimarer Republik nicht nur ein Gesicht, sondern änderte ihre Erscheinung im Laufe ihres 12-jährigen Bestehens in vielerlei Hinsicht. Eine Facette war jedoch beständig: Die KPD war sowohl deutschlandweit als auch vor Ort eine ausgeprägte Männerpartei. 2069 Sie wurde nicht nur unterdurchschnittlich „selten“ von Frauen gewählt, sondern zog auch nur wenige Frauen zu ihren Versammlungen an oder zählte diese gar als Mitglieder. 2070 Zwischen 9 % (1920) und 17 % (1929) schwankte der Anteil der Kommunistinnen deutschlandweit. 2071 Solch präzise Prozentsätze lassen sich für Bamberg nicht berechnen, doch die zeitgenössischen Quellen vermitteln das Bild eines Männerbundes, in dem vereinzelt Ehefrauen oder weibliche Familienangehörige Aufnahme fanden. 2072 Bei der ersten Veranstaltung der kommunistischen Frauenagitation in Bamberg sprach deren Bezirksleiterin Emma Grönsfelder 1921 zum Thema „Die Frau und die Einheitsfront des Proletariats“. 2073 160 Personen wohnten der Veranstaltung bei, tatsächlich befanden sich darunter jedoch nur fünf Frauen, sodass Grönsfelder „eingangs ihrer Ausführungen […] ihr Bedauern darüber aus[sprach], dass die Parteigenossen und insbesondere die Frauen in zu geringer Zahl erschienen wären.“ 2074 Das weibliche Defizit blieb selbst während des Anwachsens der Partei Anfang der 1930er Jahre
eklatant, denn von 32 Neuaufnahmen im Januar 1932 im Unterbezirk Bamberg entfiel nur eine Mitgliedschaft auf eine Frau. 2075 Als die Bezirksleitung einen Wettbewerb der Parteiorganisationen Nordbayern gegen Baden-Pfalz ausrief, wurde für Bamberg die Abhaltung einer einzigen Frauenversammlung als Zielvorgabe ausgegeben. 2076 Des Weiteren fand der Reichskongress der werktätigen Frauen 1931 ohne Bamberger Beteiligung statt, obwohl Nordbayern Delegierte entsandte. 2077 Einzig für den kommunistischen Frauen-Bezirkskongress im August 1931 in Nürnberg ist die Bamberger Teilnahme belegt. 2078 Dabei wurde im Bericht neben den weiblichen Abteilungen anderer Städte wie Nürnberg, Fürth, Würzburg, Schweinfurt und Hof auch ein „Ortskomitee“ aus Bamberg erwähnt. 2079 Als organisatorische Einheit trat dieses jedoch ansonsten nicht in Erscheinung, sodass vermutlich einfach Kommunistinnen aus Bamberg in Nürnberg anwesend waren und daraufhin als solches bezeichnet wurden. 2080 Selbst konkrete Namen von Genossinnen sind für Bamberg Mangelware. Bekannt ist die Mitgliedschaft von Christine Barth, der Ehefrau von Alex Barth, die „jahrelang in der K.P.D. organisiert und Funktionärin war.“ 2081 Als solche nahm sie auch an kommunistischen Versammlungen teil. 2082 Ebenso wurde die Ehefrau von Anton Riel als „politisch gleichgesinnt […]“ 2083 beschrieben und eine Verwandte von Wilhelm Hellmann war 1932 als KPD-Wahlbeisitzerin eingetragen. 2084 Desweiteren waren die Arbeiterfrauen Eleo-
Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim von 1913 bis 1999, StadtABa, D 2021, Nr. 26. Vgl. Winkler, Schein, S. 445; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 282. 2070 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 131–133. 2071 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 131; Winkler, Schein, S. 445; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 282. 2072 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 3.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1850; Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 2073 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 3.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1850; vgl. Bericht zur Versammlung am 21. 3.1921, StadtABa, C 2, Nr. 11586, 11587; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 23. 3.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 2074 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 23. 3.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 2075 Vgl. NZA v. 15. 2.1932, Nr. 31. 2076 Vgl. NZA v. 29.1.1931, Nr. 22. 2077 Vgl. Lagebericht v. 4. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 784. 2078 Vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791. 2079 Vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791. 2080 Vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791. 2081 Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 2082 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 2083 Entschädigungsakte Anton Riel, 1. 2.1897, BayHStA, MF, LEA, Nr. 2958. 2084 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644. Als Vorname wurde „Tilly“, als Beruf „Angestellte“ verzeichnet. Anhand der Einwohnermeldekarten konnte die Person im Stadtarchiv Bamberg nicht ausfindig gemacht werden. Mündliche Auskunft von Barbara Eckstein am 4. 7. 2018. 2068
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Die Kommunistische Partei Bamberg
nore Hollfelder und Elise Pickel sowie die Maurersfrau Grete Seelmann im Umfeld der KPD aktiv. 2085 Ihnen allen war gemeinsam, dass sie mit Kommunisten verwandt oder verheiratet waren. 2086 Die familiäre Prägung war demnach ausschlaggebend für die parteipolitische Bindung dieser Frauen. 2087 Im Umkehrschluss bedeutete dies aber, dass alleinstehende Betriebsarbeiterinnen nicht den Weg in die KPD fanden. 2088 Obwohl die Agitation am Arbeitsplatz in der Propaganda der KPD eine herausragende Rolle spielte, war sie in der Praxis erfolglos. 2089 Entgegen der offiziellen Parteibemühungen beruhte die Organisation der KPD-Bamberg demnach nicht auf dem Prinzip der Betriebszellen. 2090 Obwohl seit 1926 die Umstellung auf diese Einheiten verlangt worden war, konnte die firmeninterne Struktur nicht durchgesetzt werden. 2091 Für Bamberg liegen keine Angaben vor, wo überhaupt Betriebszellen existierten. 2092 Im August 1932 wurden zwar Zellensitzungen in Bamberg und Gaustadt veranstaltet und im Laufe des Jahres die Gründung einer neuen Betriebszelle als Erfolg gemeldet, doch weitere Angaben und Details wurden nicht veröffentlicht. 2093 Auf keinen Fall verfügten die Kommunisten in Bamberger Firmen über entscheidenden Einfluss, denn als im September 1932 die Schaffung von sogenannten Abteilungszellen von
der Bezirksleitung anordnet wurde, tauchte kein Bamberger Unternehmen in der Liste auf. 2094 Stattdessen findet sich häufig die Aufforderung an den Unterbezirk Bamberg, neue Betriebszellen ins Leben zu rufen und in den Firmen zu werben. 2095 Die Betriebszellenorganisation war also Wunsch und nicht Realität. So diente Bamberg im Januar 1932 gar in einem Artikel der Neuen Zeitung als Negativbeispiel: Unter der Überschrift „So soll nicht geworben werden!“ 2096 wurde die oberfränkische Ortsgruppe der Regnitzstadt an den Pranger gestellt, denn von zehn Neuaufnahmen hatte man nur einen Betriebsarbeiter gewonnen. 2097 Selbst die KPDBamberg war also keine typische Fabrikarbeiterpartei. Insgesamt blieb die KPD-Bamberg trotz ihres Aufstiegs während der Weltwirtschaftskrise eine verhältnismäßig schwache und kleine Ortsgruppe innerhalb des Bezirks Nordbayern, der ohnehin im Reichsmaßstab nur geringes Gewicht besaß. 2098 „Schweinfurt hält die Spitze, Bamberg schläft noch“, 2099 lautete beispielsweise das Ergebnis eines organisatorischen Wettstreits 1931 in der Region. Man warf den Bamberger Kommunisten vor, „das Aufgebot der Hunderttausend durch andere bewerkstelligen [zu] lassen“ 2100 und nicht einmal die Literaturgelder abzurechnen. 2101 Im Zusammenhang mit Unterbezirkskonferenzen im Sommer
Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Zeitungskopie v. 3.1933, SPDBa, Ordner „Geschichte SPD II“; Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647. 2086 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen, StadtABa v. 1934, C 9, Nr. 79; Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647. 2087 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 131, 135. 2088 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 131. 2089 Vgl. Mehringer, KPD, S. 39–42; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 187–197. 2090 Vgl. NZA v. 16.1.1933, Nr. 12; NZA v. 6. 2. 1932, Nr. 24; NZA v. 24. 2.1932, Nr. 39; Sonderbericht v. 29. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 797; NeuhäußerWespy, KPD, S. 187–197. 2091 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 187–197. Im gesamten Bezirk Nordbayern war die Einführung der Betriebszellen ein Misserfolg. Als Gründe gelten die hohe Fluktuation der Mitglieder, der abnehmende Anteil an Betriebsarbeitern in der Partei, der passive Widerstand gegen diese Maßnahme und die fehlenden Entfaltungsmöglichkeiten innerhalb der Firmen. 2092 Vgl. NZA v. 16.1.1933, Nr. 12; NZA v. 6. 2.1932, Nr. 24; NZA v. 24. 2.1932, Nr. 39; Sonderbericht v. 29. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 797. 2093 Vgl. Sonderbericht v. 29. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 797; NZA v. 30.12.1932, Nr. 287. 2094 Vgl. Sonderbericht v. 29. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 797: „Schaffung von Abteilungszellen. In den Betrieben S.S.W. [d. h. Siemens-Schuckertwerke], Heimann, Gaswerk-Nürnberg, Neue Baumwollspinnerei Hof, Hutschenreuther Selb, Fichtel und Sachs, Schweinfurt, müssen Abteilungszellen geschaffen werden.“ 2095 Vgl. NZA v. 6. 2.1932, Nr. 24; NZA v. 24. 2.1932, Nr. 39; Sonderbericht v. 29. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 797. 2096 NZA v. 16.1.1933, Nr. 12. 2097 Vgl. NZA v. 16.1.1933, Nr. 12. 2098 Vgl. NZA v. 23.11.1931, Nr. 171; NZA v. 3.12.1931, Nr. 180; NZA v. 5.12.1932, Nr. 182; NZA v. 28. 6.1932, Nr. 136; Mühldorfer, KPD. 2099 NZA v. 23.11.1931, Nr. 171. 2100 NZA v. 5.12.1931, Nr. 182. 2101 Vgl. NZA v. 21. 3.1932, Nr. 60. 2085
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Das politische Sozialmilieu
1932 drückte die kommunistische Presse die Lage in Bamberg folgendermaßen aus: „Zu unseren schwächsten Positionen im Gesamtbezirk zählte bisher noch Bamberg. Aber auch hier unterschied sich die Konferenz von den früheren durch eine regere Anteilnahme und eine positive Diskussion. Der UB. Bamberg wird bald nicht mehr zu den schlechtesten gehören.“ 2102
Diese Hoffnung sollte sich während der Weimarer Republik nicht mehr erfüllen. Eine dominante Position erlangte die KPD innerhalb des sozialistischen Milieus nicht, sondern ihre Gewinne waren ein Aufstieg auf niedrigem Niveau. Die Kommunistische Partei Bamberg blieb bis zuletzt zweitrangig verglichen mit der SPD. Als Konsequenz dieser Außenseiterrolle verfügte sie – wie zuvor schon die USPD – nicht über ein eigenes Parteilokal. Stattdessen knüpfte sie an die Gewohnheiten der Unabhängigen an und nutzte oftmals die „Blaue Glocke“ als Versammlungsstätte. 2103 Darüber hinaus diente in der Unteren Sandstraße auch die Gastwirtschaft „Wilder Mann“ als wichtiger kommunistischer Stützpunkt. 2104 Beide Lokale wiesen als „Standortvorteil“ die Nähe zu Gaustadt auf und konnten somit von den dortigen Parteigenossen ebenfalls mühelos erreicht werden. Dies war ein wichtiger Aspekt, denn die Kommunisten aus Gaustadt zählten bis 1932 zur Orts-
gruppe Bamberg. 2105 In Bamberg-Nord traf man sich im „Goldenen Löwen“, deren Pächter durch Anzeigen in der Nordbayerischen Volkszeitung bewusst um linksradikale Besucher warben. 2106 Willkommene Gäste waren die Bamberger Kommunisten auch im „Schwarzen Adler“. 2107 Außerdem etablierte sich 1932 die Wirtschaft „Zur Eisenbahn“ als Treffpunkt und Alex Barth bemühte sich sogar darum, diese als Pächter zu übernehmen. 2108 Die Konzession wurde ihm 1932 nicht erteilt und schließlich nach der Machtübernahme durch die NSDAP 1933 endgültig verweigert. 2109 Sonst wäre möglicherweise der Grundstein für ein Parteizentrum gelegt worden und die KPD-Bamberg hätte ein Stück weit ihren organisatorischen Rückstand aufholen können. So aber blieb sie das „Stiefkind“ unter den Parteien des sozialistischen Milieus in Bamberg.
3.4.2 Die KPD-Presse: Arbeiterkorrespondenzen und die Zeitungen Neue Zeitung, Nordbayerische Volkszeitung und Rotes Echo In der kommunistischen Nordbayerischen Volkszeitung von 1930 war zu lesen: „Es lebe die kollektiv geschriebene kommunistische Zeitung.“ 2110 Gemeint waren damit die Arbeiterkorrespondenzen, nämlich Berichte von KPD-Mitgliedern und Anhängern, die einen zentralen Bestandteil der kommunistischen Tagespresse ausmachten. 2111 Entstanden war die sogenannte Arbeiterkorrespondenz-
NZA v. 28. 6.1932, Nr. 136. Vgl. Meldung der Bayerischen Staatszeitung v. 24. 5.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 2; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 3.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 27. 2.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1872; NV v. 15. 2.1929, Nr. 39. 2104 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Fiedler, Bamberg, S. 87. Der „Wilder Mann“ wurde 1540 in der Unteren Sandstraße 9 gegründet und war bis 1877 eine Brauerei. Anschließend führte man den Betrieb als normale Gastwirtschaft weiter. 2105 Vgl. Sonderbericht v. 8. 3.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 652; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. Anfang 1932, vermutlich im Februar, wurde in Gaustadt eine eigenständige Ortsgruppe der KPD gegründet. 2106 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; NV v. 22. 4.1927, Nr. 93; NV v. 5. 4.1928, Nr. 79; NV v. 4. 7.1929, Nr. 152. 2107 Vgl. NV v. 12. 2.1930, Nr. 35; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 1. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 2108 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9. 2.1932, StABa, K 3/1967, Nr. 4960; Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Anklageschrift gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 18. 8.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 2109 Vgl. Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263. 2110 NV v. 1. 3.1930, Nr. 50. 2111 Vgl. Hempel-Küter, Christa: Die kommunistische Presse und die Arbeiterkorrespondentenbewegung in der Weimarer Republik. Das Beispiel „Hamburger Volkszeitung“ (= Hamburger Beiträge zur Germanistik, Bd. 11). Frankfurt am Main u. a. 1989, S. 149; Koszyk, Deutsche Presse, S. 325 f.; Führer, Kultur, S. 38. 2102 2103
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Die Kommunistische Partei Bamberg
bewegung als politische Bewegung zwischen 1917 und 1923 in Russland. 2112 Anschließend erfolgte im Dezember 1924 die Gründungskonferenz der Arbeiterkorrespondenzbewegung der deutschen Roten Fahne, dem Zentralorgan der KPD. 2113 Ausgehend von dieser Zeitung verbreitete sich die Idee der aktiven Lesermitarbeit in alle Parteibezirke und erreichte schließlich 1927 auch die Bamberger Ortsgruppe. 2114 Generell zielte die Arbeiterkorrespondenzbewegung darauf ab, durch die ehrenamtliche Berichterstattung „von unten“ über die verschiedensten Bereiche der Arbeiterbewegung zu informieren, unabhängig von anderen Pressediensten zu sein und Redaktionskosten einzusparen. 2115 Anhand von alltäglichen Erlebnissen sollte die kapitalistische Realität aufgezeigt werden und im Vergleich zwischen Wirklichkeit und sozialistischem Ideal die Massen für den Klassenkampf gewonnen werden. 2116 Artikel wurden daher am Ende meist mit Kommentaren versehen, die das „System“ der Weimarer Republik kritisierten und dem Leser eine kommunistische Interpretation lieferten. 2117 Durch dieses Konzept sollte die kommunistische Presse einerseits als Waffe im politischen Kampf dienen und andererseits durch die breite Basis der Mitarbeiter zur Volkspresse werden, die möglichst viele Leser ansprach. 2118 Das Verfahren brachte kleineren Ortsgruppen wie Bamberg den Vorteil, dass die überregionalen KPD-Zeitungen dennoch über lokale Zustände und Ereignisse informierten. Zwischen 1927 und 1932 wurde diese Möglichkeit von den Bamberger Kommunisten rege genutzt, sodass sowohl in der Nordbayerischen Volkszeitung als auch in dem Nachfolgeorgan Neuen Zeitung ab 1930 zahlreiche Arbeiterkorrespondenzen aus Bamberg veröffentlicht wurden. 2119 Die KPD-Bamberg wirkte
folglich aktiv an der kommunistischen Pressearbeit in Nordbayern mit und brachte sich in den Diskurs ein. Oftmals wurden die Arbeiterkorrespondenzen in der Nordbayerischen Volkszeitung unter der Rubrik „Stimmen der Werktätigen“ abgedruckt. 2120 Die örtliche Distanz zu den Redaktionen in Nürnberg bzw. München konnte somit ein Stück weit überwunden werden. 2121 Thematisch umfassten die Amateur-Berichte aus Bamberg ein breites Spektrum von Betriebs-, Versammlungs-, Gewerkschafts- und Demonstrationskorrespondenten und schlossen damit alle Aufgabenbereiche der Partei ein. 2122 Geschildert wurde beispielsweise ein Arbeitskampf in der Schuhfabrik Manz: „Lederarbeiter im Streik Bamberg (AK.-Bericht.) Seit letzten [sic] Donnerstag stehen die Zuschneider der Schuhfabrik Manz im Streik. In dieser Knochenmühle wird versucht, allgemein bei den Zuschneidern einen 10-prozentigen Lohnabbau durchzuführen, nachdem ein solcher bei fünf Zuschneidern bereits zur Anwendung kam. In der Spartenversammlung beschlossen die Zuschneider einstimmig diese Lohnabbauanordnung mit dem Streik zu beantworten. Die Streikstimmung ist gut. Eine selbständige Kampfleitung, innere Geschlossenheit der Streikfront und stärkste Agitation außerhalb dem Rahmen [sic] der Streikenden für die Weckung der Solidarität bei der übrigen Arbeiterschaft und einer Brandmarkung der Lohnabbaufirma sind die ersten Voraussetzungen für einen siegreichen Ausgang des Kampfes.“ 2123
Dieser Artikel befolgte den vorgeschriebenen Aufbau, der vorsah, von den Tatsachen über die Pro-
Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 161 f. Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 178. 2114 Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 184; NV v. 15. 3.1927, Nr. 62; NV v. 1. 4.1927, Nr. 77. 2115 Vgl. Koszyk, Deutsche Presse, S. 325 f.; Hempel-Küter, Presse, S. 149–152, 184–189. 2116 Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 179. 2117 Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 179. 2118 Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 149. 2119 Vgl. NV v. 1. 4.1927, Nr. 77; NV v. 12. 9.1928, Nr. 210; NV v. 21.1.1929, Nr. 17; NV v. 22. 3.1929, Nr. 68; NV v. 15. 4.1929, Nr. 87; NV v. 17. 2.1930, Nr. 39; NV v. 3. 3.1930, Nr. 51; NZA v. 14.11.1931, Nr. 164; NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2120 Vgl. NV v. 21.1.1929, Nr. 17; NV v. 22. 3.1929, Nr. 68; NV v. 25. 4.1929, Nr. 96. 2121 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 217 f. 2122 Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 152; NV v. 1. 4.1927, Nr. 77; NV v. 12. 9.1928, Nr. 210; NV v. 17. 2.1930, Nr. 39; NZA v. 14. 6.1930, Nr. 134; NZA v. 19.12.1932, Nr. 278. 2123 NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2112 2113
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Das politische Sozialmilieu
paganda zur kommunistischen Beurteilung überzuleiten. 2124 Darüber hinaus offenbarte er den polemischen und aggressiven Ton, der typisch für die späte Weimarer Presse und insbesondere die der KPD war. 2125 Im Duktus der Linksextremen wurde daher für die Fabrik die Metapher „Knochenmühle“ verwendet. 2126 Außerdem brachte der Arbeiterkorrespondenzbericht durch die wiederholt fehlerhafte Verwendung der Fälle den Mangel an sprachlichen und grammatikalischen Kenntnissen zum Vorschein. Dies war eine logische Konsequenz der amateurhaften Partei-Journalisten, denn fast 95 % der KPD-Mitglieder hatten lediglich die Volksschule besucht und verfügten folglich nur über einen geringen Bildungsstand. 2127 Durch Schulungen der Arbeiterkorrespondenten versuchte man zwar ein gewisses Niveau zu sichern und die Qualität zu verbessern, doch war die Kluft zwischen den Arbeiterkorrespondenten und den hauptamtlichen Redakteuren damit nicht zu überwinden. 2128 Außerdem warnte die Nordbayerische Volkszeitung die LaienJournalisten vor zu großen und unwahren Übertreibungen und verurteilte es, persönliche Streitereien in den Berichten auszutragen. 2129 Dieses Phänomen zeigte sich in Bamberg in Bezug auf den Gewerkschaftssekretär und ehemaligen KPD-Genossen Johann Engert, der als „der Bonze und Kommunistenfresser“ 2130 beschimpft wurde und dessen Maßnahmen im Rahmen von Notstandsarbeiten kritisiert wurden. 2131 In ähnlich persönlicher Weise hetzten Arbeiterkorrespondenten aus Bamberg gegen den Vorstand des Arbeitsamtes und gegen Johann Baptist Dietrich vom Bamberger Tagblatt. 2132
Ab 1930 richteten sich die Angriffe außerdem gegen die abtrünnigen Mitglieder Otto Geyer („Arbeiterverräter“) und Anton Riel („Denunziant und Wachsweib“). 2133 Immer mehr wurde die kommunistische Berichterstattung damit zur „Schlammschlacht“ 2134. In den ersten Jahren waren die katholische Kirche und das Bürgertum die Hauptgegner der Artikel aus Bamberg. 2135 Im Fokus standen die kirchlichen Strukturen, Machtmittel und Einflussmöglichkeiten und die Forderung nach einer strikteren Trennung zwischen Staat und Kirche. 2136 Eines der umstrittenen Aufgabengebiete war die Pflege im Allgemeinen Krankenhaus, mit der in Bamberg der Orden der Barmherzigen Schwestern betraut war. 2137 Die Nordbayerische Volkszeitung erhob den Vorwurf, dass atheistische Patienten schlechter behandelt und versorgt wurden und forderte: „Es wäre wirklich Zeit, daß der Stadtrat und die zuständigen Behörden hier nach dem Rechten sehen. Wir sind der Meinung, daß das Krankenhaus eine städtische Anstalt ist und nicht die Propagandaeinrichtung der Römlinge. Jeder Zwang in religiöser Beziehung hat zu unterbleiben. Wir hoffen, daß diese unerhörten Zustände alsbald abgestellt werden.“ 2138
Des Weiteren waren den Kommunisten die Schulpolitik und die Rekonfessionalisierung des Bildungswesens ein Dorn im Auge. 2139 Eine Tagung der katholischen Lehrerinnen Deutschlands in Bamberg bot 1929 den Anlass, diese zu beleidigen
Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 179. Vgl. Führer, Kultur, S. 26, 37. 2126 Vgl. NZA v. 11.1.1932, Nr. 1. 2127 Vgl. Winkler, Schein, S. 446. 2128 Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 152, 186–189; Lagebericht v. 21. 2.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 739. 2129 Vgl. NZA v. 1. 3.1930, Nr. 50; Führer, Kultur, S. 38. 2130 NZA v. 14. 6.1930, Nr. 134. 2131 Vgl. NZA v. 14. 6.1930, Nr. 134. 2132 Vgl. NV v. 22. 3.1929, Nr. 68; NV v. 6. 3.1929, Nr. 55. 2133 NZA v. 14. 6.1930, Nr. 134; vgl. NZA v. 26. 5.1930, Nr. 119. 2134 Führer, Kultur, S. 29. 2135 Vgl. NV v. 15. 3.1927, Nr. 62; NV v. 12. 9.1928, Nr. 210; NV v. 21.1.1929, Nr. 17; NV v. 6. 3.1929, Nr. 55; NV v. 22. 3.1929, Nr. 68; NV v. 15. 4.1929, Nr. 87. 2136 Vgl. NV v. 15. 3.1927, Nr. 62. 2137 Vgl. NV v. 15. 3.1927, Nr. 62; Stollberg, Gunnar/Tamm, Ingo: Die Binnendifferenzierung in deutschen Krankenhäusern bis zum Ersten Weltkrieg (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte, Beiheft Nr. 17). Stuttgart 2001, S. 137–140. Der Orden der Barmherzigen Schwestern stellte seit 1854 im Allgemeinen Krankenhaus Bamberg das Pflegepersonal. 2138 NV v. 15. 3.1927, Nr. 62. 2139 Vgl. NV v. 15. 4.1929, Nr. 87; Großpietsch, Lydia: Schulpolitik (Weimarer Republik). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Schulpolitik (Weimarer Republik)i (8. 7. 2017). 2124 2125
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Die Kommunistische Partei Bamberg
und sie mit anstößigen Bemerkungen über ihr Sexualleben zu verhöhnen. 2140 Als Parole gab der Arbeiterkorrespondent Folgendes aus: „Daher unserer Losung: Die Hirne immun machen gegen den Bazillus christlich-bürgerlicher Ideologie, indem wir keine der uns anvertrauten Kinderseelen nur für einen Tag diesen katholischen Lehrerinnen überantworten.“ 2141
Das Bürgertum Bambergs wurde stellvertretend durch Artikel gegen das Bamberger Tagblatt, gegen Beamte oder gegen die theologische Hochschule attackiert. 2142 Betont wurde zudem die Diskrepanz zwischen der Kultur der Bourgeoisie und des Proletariats. 2143 Ab 1929/30 drehte sich der Wind und ins Kreuzfeuer gerieten die Nationalsozialisten, aber vor allem die Sozialdemokraten. 2144 Angeprangert wurden die Verflechtungen der NSDAP-Ortsgruppe mit dem Bamberger Tagblatt und die Zurückhaltung der Polizei bei rechten Aufmärschen. 2145 Man verurteilte darüber hinaus Zusammenkünfte nationalistischer Gruppen wie dem Stahlhelm, indem dessen Kundgebung als ein „Trauerzug“ 2146 degradiert wurde, der „vom Bahnhof hergeschlichen“ 2147 kam. Der SPD warf ein Arbeiterkorrespondent vor, dass „die sozialdemokratische Biertischpolitik […] einen großen Teil Schuld daran [trägt], daß die Jugend heute so ausgebeutet“ 2148 würde. Wiederholt handelten Berichte von
Unterschlagungen der Arbeitervereinsgelder durch SPD-Mitglieder, thematisierten die verfehlte Erwerbslosenpolitik oder richteten sich explizit gegen den Freistaat. 2149 In Zusammenhang mit den Bemühungen der KPD um die Jugend wurde 1930 als neue Kategorie die „Jungarbeiterkorrespondenz“ eingeführt. 2150 Deren Ausführungen aus Bamberg konzentrierten sich insbesondere auf die Erfolge des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland und die abnehmende Popularität der SAJ. 2151 Namentlich bekannt wurden die Arbeiterkorrespondenten nicht, ihre Meldungen erschienen oftmals unter dem Kürzel „AK“ und waren mit einer fortlaufenden Nummer versehen. 2152 Hinweise lassen vermuten, dass Otto Geyer einer der Autoren war. 2153 Seit Beginn der Nordbayerischen Volkszeitung im Oktober 1926 bemühte er sich nämlich um die kommunistische Presse. 2154 Bei ihm konnten Abonnements bestellt werden und er lancierte Artikel gegen den Freistaat und den Bauhandwerkerverband. 2155 Außerdem hatte er sich bereits für die USPD im Sozialdemokrat journalistisch betätigt, nahm jährlich an den Bezirkskonferenzen teil, verfügte über eine umfangreiche Bibliothek von über 300 Werken und eine Schreibmaschine. 2156 Als sich Geyer im April 1929 von der KPD zurückzog, herrschte auch in der Arbeiterkorrespondenzbewegung Flaute: Bis Februar 1930 wurde nur ein einziger Artikel aus der Regnitzstadt veröffentlicht. 2157 Anschließend setzte die regelmäßige Berichterstat-
Vgl. NV v. 15. 4.1929, Nr. 87. NV v. 15. 4.1929, Nr. 87. 2142 Vgl. NV v. 12. 9.1928, Nr. 210; NV v. 21.1.1929, Nr. 17; NV v. 6. 3.1929, Nr. 55; NV v. 22. 3.1929, Nr. 68; NV v. 25. 4.1929, Nr. 96. 2143 Vgl. NV v. 22. 3.1929, Nr. 68. 2144 Vgl. NV v. 4. 3.1929, Nr. 53; NV v. 28. 3.1929, Nr. 73; NV v. 20. 9.1929, Nr. 218; NV v. 3. 3.1930, Nr. 51; NZA v. 15. 4.1930, Nr. 87; NZA v. 15. 5.1930, Nr. 116; NZA v. 14. 6.1930, Nr. 134; NZA v. 28. 7.1930, Nr. 170. 2145 Vgl. NV v. 25. 4.1929, Nr. 96; NZA v. 28. 7.1930, Nr. 170. 2146 NZA v. 15. 5.1930, Nr. 116. 2147 NZA v. 15. 5.1930, Nr. 116. 2148 NZA v. 15. 4.1930, Nr. 87. 2149 Vgl. NV v. 20. 9.1929, Nr. 218; NZA v. 14. 6.1930, Nr. 134; NV v. 4. 3.1929, Nr. 53; NV v. 3. 3.1930, Nr. 51; NZA v. 14. 6.1930, Nr. 134. 2150 Vgl. NV v. 22. 2.1930, Nr. 44; NZA v. 15. 4.1930, Nr. 87; Lagebericht v. 6.10.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 775. 2151 Vgl. NV v. 22. 2.1930, Nr. 44; NZA v. 15. 4.1930, Nr. 87. 2152 Vgl. NV v. 21.1.1929, Nr. 17; NV v. 4. 3.1929, Nr. 53; NV v. 6. 3.1929, Nr. 55. 2153 Vgl. NV v. 25.10.1926, Nr. 21; NV v. 3.11.1926, Nr. 29; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 2154 Vgl. NV v. 25.10.1926, Nr. 21; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 2155 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 2156 Vgl. SO v. 23. 7.1920, Nr. 170; Bericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an das Staatsministerium des Innern v. 26.11.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; Entschädigungsakte Otto Geyer, 2.11.1888, BayHStA, MF, LEA, Nr. 1156. 2157 Vgl. NV v. 20. 9.1929, Nr. 218; NV v. 17. 2.1930, Nr. 39. 2140 2141
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Das politische Sozialmilieu
tung wieder ein, wofür möglicherweise der zweite Vorsitzende Georg Böhm verantwortlich war. 2158 Im Gegensatz zu den anonymisierten Autorenschaften der Arbeiterkorrespondenzen waren Werbeanzeigen aufgrund ihrer Genese immer unmissverständlich mit Namen verbunden. 2159 Durch Inserate von Bamberger Geschäften und Gastwirtschaften in der Nordbayerischen Volkszeitung und in der Neuen Zeitung bemühten sich Ladenbesitzer und Unternehmer um die Gunst der kommunistischen Leser. 2160 Diese Selbständigen unterstützten das kommunistische Pressewesen und drückten zugleich eine gewisse Nähe zur Bamberger Arbeiterbewegung aus. 2161 Als Gegenleistung forderte die Nordbayerische Volkszeitung dazu auf, speziell die inserierenden Läden beim Einkauf zu berücksichtigen, sodass letztendlich beide Seiten profitieren konnten. 2162 In der Nordbayerischen Volkszeitung existierte ab 1926 eine eigene Spalte mit Annoncen aus Bamberg. 2163 Neben KPD-Mitgliedern wie dem Fahrradhändler Fritz Müller warben Sozialdemokraten und Gewerkschaftsangehörige wie der Schuhhändler Hans Hofstädter und der Kaufmann Hans Willner für ihre Geschäfte. 2164 So spiegelte die Werbung die guten Beziehungen zur SPD und den Berufsverbänden wider und zeigt die gegenseitige Unterstützung und die Solidarität innerhalb des sozialistischen Milieus. 2165 Nach der ultralinken Wende fielen diese Kreise weg und dennoch blieben die kommunistischen Tageszeitungen
für Bamberger Einzelhändler, Kaufhäuser und Gastwirtschaften als Werbeplattform attraktiv. 2166 Die unterschiedlichsten Branchen waren dabei vertreten und bildeten das breite Spektrum der Bamberger Geschäftswelt ab: vom Sporthaus Beckmann, über das Sanitätshaus Fritz Kakerbeck, das Textilhaus der Gebrüder Reus bis zur Drogerie Rothkeppel. 2167 Langjährige Inserenten waren außerdem die Familie Metzner mit ihrem Geschäft „Da-am-Eckda“, die häufig mit dem Slogan „Augen auf! Bei Metzner kauf!“ 2168 auf sich aufmerksam machte. 2169 Ebenso schalteten über längere Zeiträume der Malerbetrieb Joseph Leicht, die Molkerei Albert und die Wäschehandlung Emanuel Merel Anzeigen. 2170 Seit 1932 beteiligte sich das neue Kaufhaus „Rekord“ am Maxplatz mit dem Spruch „Das Kaufhaus des Arbeiters“ 2171 und die Gastwirtschaft „Weidenhof“ am Löwensteg betitelte sich als „Verkehrslokal der Arbeiter“ 2172. Von den Brauereien warben das „Blaulöwenbräu“, das „Röckeleinsbräu“ und das „Maisel-Bier“ in der Nordbayerischen Volkszeitung. 2173 Die Vielzahl der Bamberger Anzeigen zeigt, dass die KPD-Leserschaft als Kundschaft wahrgenommen wurde und auch als Wirtschaftsfaktor Geltung besaß. Ohne die Kommunisten Bambergs wollten oder konnten viele Geschäfte nicht auskommen. Zugleich unterlag die Anzahl der Inserate aber großen Schwankungen und war Ausdruck der unsteten Partei-, Presse- und Wirtschaftsentwicklung. 2174 Besonders viele Annoncen
Vgl. NV v. 3. 3.1930, Nr. 51; NZA v. 14. 4.1930, Nr. 86; NZA v. 15. 4.1930, Nr. 87; NZA v. 28. 4.1930, Nr. 96; NZA v. 26. 5.1930, Nr. 119; Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. Zumindest für 1932 konnte nachgewiesen werden, dass sich Georg Böhm um die kommunistische Pressearbeit in Bamberg kümmerte. 2159 Vgl. NV v. 23.10.1926, Nr. 20; NV v. 4. 2.1927, Nr. 29; NV v. 8. 9.1928, Nr. 207; NZA v. 10. 4.1931, Nr. 54; NZA v. 16.1.1932, Nr. 6. 2160 Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 272–274. 2161 Vgl. NV v. 25.10.1926, Nr. 21. 2162 Vgl. NV v. 25.10.1926, Nr. 21. 2163 Vgl. NV v. 23.10.1926, Nr. 20. 2164 Vgl. NV v. 23.10.1926, Nr. 20; NV v. 18. 2.1927, Nr 41; NV v. 8. 9.1928, Nr. 207; Schreiben der Kriminalpolizei Bamberg an die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 14.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5174; FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 625; FS v. 11. 8.1930, Nr. 180. 2165 Vgl. NV v. 23.10.1926, Nr. 20; NV v. 18. 2.1927, Nr. 41; NV v. 25. 3.1927, Nr. 71. 2166 Vgl. NZA v. 23.1.1931, Nr. 17; NZA v. 10. 4.1931, Nr. 54; NZA v. 16.1.1932, Nr. 6. 2167 Vgl. Hempel-Küter, Presse, S. 272; NZA v. 23.1.1931, Nr. 17; NZA v. 23.1.1931, Nr. 17; NZA v. 29.1.1932, Nr. 17. 2168 NZA v. 14.11.1931, Nr. 164; NZA v. 19. 2.1932, Nr. 35; NZA v. 8. 2.1933, Nr. 32. 2169 Vgl. NV v. 29. 4.1927, Nr. 99; NZA v. 13. 3.1931, Nr. 50; NZA v. 8. 2.1933, Nr. 32. 2170 Vgl. NV v. 25. 3.1927, Nr. 71; NZA v. 23.1.1931, Nr. 17; NV v. 18. 3.1927, Nr. 65; NV v. 13.12.1928, Nr. 289; NZA v. 7. 2.1932, Nr. 32; NZA v. 18. 3.1927, Nr. 65; NZA v. 18. 9.1931, Nr. 127; NZA v. 29.1.1932, Nr. 17. 2171 NZA v. 1.10.1932, Nr. 17; vgl. NZA v. 7.1.1933, Nr. 5; Fichtl/Link/May, Judenfrei, S. 367 f. 2172 NZA v. 23.1.1931, Nr. 17. 2173 Vgl. NV v. 31.12.1926, Nr. 77; NV v. 18. 2.1927, Nr. 41; NV v. 29. 4.1927, Nr. 99; NV v. 4. 2.1927, Nr. 29; NV v. 18. 3.1927, Nr. 65; Fiedler, Bamberg, S. 119–121, 146–148, 193–197. Die Brauerei „Röckelein“ lag am Unteren Kaulberg 36, die Brauerei „Blauer Löwe“ in der Judenstraße 2. 2174 Vgl. NV v. 18. 3.1927, Nr. 65; NV v. 10.1.1929, Nr. 8; NZA v. 18. 9.1931, Nr. 127; NZA v. 7.1.1933, Nr. 5. 2158
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Die Kommunistische Partei Bamberg
aus Bamberg wurden 1927 in der Nordbayerischen Volkszeitung und 1931 in der Neuen Zeitung abgedruckt. 2175 In diesen Jahren erlebte schließlich die Ortsgruppe eine stabile und aufwärtssteigende Phase. Anders 1930: Der Wechsel zur Neuen Zeitung, die vorangegangenen Konflikte in Bamberg, der Rückzug von Geyer 1929 und der Beginn der Wirtschaftskrise führten dazu, dass ein Jahr lang keinerlei Werbeaufrufe aus Bamberg erschienen. 2176 Ähnlich lagen die Verhältnisse 1932 und 1933, denn die relative geringe Fülle der Kleinanzeigen war eine Konsequenz der Wirtschaftskrise und der sich verschlechternden Finanzlage der Geschäfte, Zeitungen und Parteimitglieder. 2177 Weder Anzeigen noch Abonnements gehörten schließlich zu den Lebensnotwendigkeiten und wurden daher eingespart. Neben den Inseraten schlugen sich die unstete Entwicklung und die Schwankungen der KPDBamberg auch in der normalen Berichterstattung nieder, die zusätzlich durch die Veränderungen der KPD-Organe in Bayern tangiert wurde. 2178 In den ersten Jahren der KPD-Ortsgruppe konnte sich keine regelmäßige Nachrichtentätigkeit etablieren. 2179 Die Meldungen aus Bamberg blieben sporadisch und unregelmäßig. Zwar berichtete man im Januar 1921 über die erste öffentliche Versammlung der KPD, doch anschließend klaffte eine Lücke bezüglich Nachrichten aus der Bamberger Arbeiterbewegung. 2180 Erst im Oktober 1921 erschien unter der Sparte „Provinznachrichten“ wieder eine Mitteilung zur Bierstreikbewegung der Arbeiter in Bamberg und Oberfranken. 2181 In der Zwischenzeit
konnte der kommunistische Leser nur Notizen über Hochwasser, Kriminaldelikte oder die Generalversammlung des Überlandwerkes aus Bamberg lesen. 2182 Letztgenannte Information stammte ursprünglich aus dem Bamberger Tagblatt und wurde mit dem Nebensatz „wie das Bamberger Tagblatt meldet“ 2183 wiedergegeben. 2184 Diese Methode der Nachrichtenübernahme aus der konservativen Bamberger Tageszeitung wurde auch in den folgenden Jahren praktiziert und sowohl von der Nordbayerischen Volkszeitung als auch von der Neuen Zeitung ab 1930 betrieben. 2185 Man „schrieb vom Bamberger Tagblatt ab“, kopierte dessen Inhalte und versuchte somit den Defiziten in der eigenen Redaktion entgegenzutreten. 2186 Dieses Vorgehen war insofern kontraproduktiv und widersprüchlich, da man das Bamberger Tagblatt zugleich bekämpfte und die Bamberger zum „Hinausschmeißen“ 2187 dieses Presseorgans aufforderte. Im Unterschied dazu machte man sich Artikel aus dem katholischen Bamberger Volksblatt nicht zu eigen und nur sehr selten benutzte man den Freistaat als Quelle. 2188 Das Parteiverbot ab 1923 unterbrach das kommunistische Pressewesen, sodass erstmals am 17. März 1925 wieder die Neue Zeitung erscheinen konnte. 2189 Mit dem Appell „Vorwärts mit aller Kraft! […] Es lebe die Kommunist. Partei in Bayern!“ 2190 startete die Redaktion in München in die neue Phase der Legalität. 2191 Aus Bamberg hatte man jedoch 1925 nichts von der eigenen Partei zu berichten, sodass man tatsächlich nur den Wechsel des BVP-Landtagsabgeordneten (!) im November
Vgl. NV v. 8. 4.1927, Nr. 83; NV v. 29. 4.1927, Nr. 99; NZA v. 10. 4.1931, Nr. 54; NZA v. 18. 9.1931, Nr. 127. Vgl. NV v. 1.–3.1930; NZA v. 3.–12.1930. 2177 Vgl. NZA v. 16.1.1932, Nr. 6; NZA v. 2. 4.1932, Nr. 65; NZA v. 7.1.1933, Nr. 5; Koszyk, Deutsche Presse, S. 326; Hempel-Küter, S. 269. 2178 Vgl. Mehringer, KPD, S. 37 f. 2179 Vgl. NZ v. 1921 bis 1923. 2180 Vgl. NZ v. 27.1.1921, Nr. 635; NZ v. 3.10.1921, Nr. 32. 2181 Vgl. NZ v. 3.10.1921, Nr. 32. 2182 Vgl. NZ v. 27.1.1921, Nr. 635; NZ v. 29.1./30.1.1921, Nr. 637; NZ v. 1. 2.1921, Nr. 639. 2183 NZ v. 1. 2.1921, Nr. 639. 2184 Vgl. NZ v. 1. 2.1921, Nr. 639. 2185 Vgl. NV v. 23. 8.1928, Nr. 193; NV v. 31.10.1928, Nr. 253; NV v. 26.10.1929, Nr. 249; NV v. 2.1.1930, Nr. 1; NZA v. 22. 7.1930, Nr. 165; NZA v. 18. 9.1930, Nr. 211. 2186 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 217 f. 2187 NV v. 4. 3.1929, Nr. 53. 2188 Vgl. NZ v. 15. 9.1922, Nr. 189. 2189 Vgl. NZ v. 17. 3.1925, Nr. 1. 2190 NZ v. 17. 3.1925, Nr. 1. 2191 Vgl. NZ v. 17. 3.1925, Nr. 1; NZ v. 10. 6.1925, Nr. 70: „Für die Redaktion verantwortlich: Albert Buchmann, München/Verlag und Inseratenteil: Wilhelm Olschewski, München/Druck: Hanns Leib, München 50.“ 2175
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vermeldete. 2192 Sowohl die Partei als auch die Pressearbeit lag in Bamberg darnieder und aufgrund von fehlenden Abonnements-Abrechnungen unterbrach der Verlag zeitweilig sogar die Zustellung in die Regnitzstadt. 2193 Als 1926 die KPD-Bamberg verstärkt Aktivitäten entfaltete und sich um die Erwerbslosen bemühte, wurde dies in der Neuen Zeitung sofort aufgegriffen und hervorgehoben. 2194 Langsam entwickelte sich nun ein besserer Informationsaustausch mit der Ortsgruppe Bamberg. 2195 Durch die Gründung der Nordbayerischen Volkszeitung 1926 samt Einrichtung einer eigenen Redaktion in Nürnberg gewann Bamberg an Gewicht und profitierte durch vermehrte und detailliertere Reportagen im neuen Presseorgan. 2196 Die KPDZeitung setzte ihre Anhänger nun über die schlechten Zustände in der Bamberger Fleischhalle in Kenntnis, sie berichtete vom Prozess des Bamberger Stadtrats gegen Julius Streicher 2197 und kritisierte die Fahnenpolitik des Stadtrats und die Diskriminierung von KPD-Mitglieder. 2198 Die anfänglich sehr hohe Anzahl an Meldungen nahm im Laufe der nächsten Jahre wieder etwas ab und variierte teilweise stark hinsichtlich Qualität und Quantität. Beispielsweise erschienen im März und April 1927 kontinuierlich Artikel oder Arbeiterkorrespondenzen, wohingegen zwischen September und November keine einzige Nachricht aus Bamberg zu lesen war. 2199 Auch 1929 zeigte sich diese große Unstetig-
keit: Zwischen 21. Januar und 31. Januar 1929 fanden sich fünf Artikel und ein Parteiaufruf, während im Juni desselben Jahres insgesamt nur drei kurze allgemeine Nachrichtenmeldungen veröffentlicht wurden. 2200 Waren 1929 die Parteistreitigkeiten um Geyer Ursache des Einbruchs, so lagen 1927 strukturelle und finanzielle Probleme in der Redaktion und im Verlag zugrunde. 2201 Infolgedessen gab man die Nordbayerische Volkszeitung ab Januar 1928 nur noch als Kopfblatt der Neuen Zeitung heraus und verlegte die Schriftleitung nach München. 2202 Zusätzlich wechselte der Druck von „Peuvag“ in Jena, über „Kaspeizer & Olschewski“ zu der „BajuvarenDruck G.m.b.H.“, beide ansässig in München. 2203 In Nürnberg verblieb eine Geschäftsstelle, die in der Keßlerstraße und ab 1932 in der Kopernikusstraße ihren Sitz hatte und zunächst von Hermann Schirmer, dann von Jean Wohlfahrt geführt wurde. 2204 1930 verlor die KPD außerdem in einem Gerichtsstreit die Namensrechte an der Nordbayerischen Volkszeitung und musste sich dem südbayerischen Namen Neue Zeitung anpassen – versehen mit dem Zusatz „Ausgabe A“. 2205 All diese Schritte erschwerten fortlaufend die Pressearbeit, sodass keine der beiden Zeitungen für die ohnehin instabile Bamberger Ortsgruppe zum Versammlungsanzeiger werden konnte oder als beständiges Informationsmedium für Vorkommnisse in der Stadt dienen konnte. Kommunistische Mitgliederversammlungen oder
Vgl. NZ v. 12.11.1925, Nr. 201: „Ein neuer Landtagsabgeordneter. Als Nachfolger des verstorbenen Abgeordneten der Bayer. Volkspartei Wilh. Vielberth tritt Landwirtschaftsrat Dörfler von Bamberg als Abgeordneter in den bayerischen Landtag ein.“ 2193 Vgl. NZ v. 24. 11.1925, Nr. 211. 2194 Vgl. NZ v. 17./18.1.1926, Nr. 13; NZ v. 20.1.1926, Nr. 15. 2195 Vgl. NZ v. 31.1.1926, Nr. 25; NZ v. 6./7. 6.1926, Nr. 127; NZ v. 11. 6.1926, Nr. 131. 2196 Vgl. NZ v. 24. 9.1926, Werbenummer; NZ v. 1.10.1926, Nr. 1: „Verantwortlich für den Gesamtinhalt: Hermann Schirmer, für Verlag: Xaver Büchs, beide in Nürnberg, Prechtelsgasse 16, 1. Etage. Druck: Peuvag, Druckerei-Filiale Jena.“ 2197 Julius Streicher (1897–1946) war ein aus Schwaben stammender Lehrer, der in Nürnberg und Franken die NSDAP seit Oktober 1922 aufbaute und mit seiner Mitgliedsnummer 17 zu den frühesten Unterstützern von Adolf Hitler zählte. Er beteiligte sich am Hitlerputsch 1923 und stieg zum Gauleiter von Franken auf. Dabei stilisierte er sich selbst zum „Frankenführer“. Er war ein fanatischer Antisemit und hetzte in seiner Zeitung Der Stürmer gegen die Juden. 1940 wurde er aufgrund von Korruptionsvorwürfen entmachtet. Im Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg wurde Streicher 1946 zum Tode verurteilt. Vgl. Greif, Wallfahrt, S. 71–127; Hambrecht, Aufstieg; Ziegler, Walter: Das Selbstverständnis der bayerischen Gauleiter. In: Staat und Gaue in der NS-Zeit. Bayern 1933–1945 (= ZBLG, Reihe B, Bd. 21). Hg. v. H. Rumschöttel/W. Ziegler. München 2004, S. 99–101; Roos, Streicher. 2198 Vgl. NV v. 5.10.1926, Nr. 4; NV v. 7.10.1926, Nr. 6; NV v. 10.10.1926, Nr. 9; NV v. 15.10.1926, Nr. 13. 2199 Vgl. NV v. 1. 3.1927, Nr. 50; NV v. 5. 3.1927, Nr. 54; NV v. 7. 3.1927, Nr. 55; NV v. 15. 3.1927, Nr. 62; NV v. 1. 4.1927, Nr. 77; NV v. 9. 4.1927, Nr. 84; NV v. 26. 4.1927, Nr. 96; NV v. 27. 4.1927, Nr. 97; NV v. 9.–11.1927. 2200 Vgl. NV v. 21.1.1929, Nr. 17; NV v. 24. 1.1929, Nr. 20; NV v. 25.1.1929, Nr. 21; NV v. 26.1.1929, Nr. 22; NV v. 29.1.1929, Nr. 24; NV v. 31.1.1929, Nr. 26; NV v. 3. 6.1929, Nr. 125; NV v. 14. 6.1929, Nr. 135; NV v. 25. 6.1929, Nr. 144. 2201 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 217 f.; Mehringer, KPD, S. 38. 2202 Vgl. NV v. 30.12.1927, Nr. 305; Mehringer, KPD, S. 38. 2203 Vgl. NV v. 6. 7.1927, Nr. 155; NV v. 3.1.1928, Nr. 1; NV v. 21.1.1928, Nr. 16; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 275. 2204 Vgl. NZA v. 3.1.1931, Nr. 1; NZA v. 11.1.1932, Nr. 1; NZA v. 1. 7.1932, Nr. 139; NZA v. 2.1.1933, Nr. 1; NZA v. 22. 3.1930, Nr. 67; NZA v. 11. 4.1931, Nr. 55. 2205 Vgl. NZA v. 17. 3.1930, Nr. 63; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 218. 2192
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Die Kommunistische Partei Bamberg
Erwerbslosenversammlungen wurden zwar gelegentlich in der Nordbayerischen Volkszeitung unter der Überschrift „Aus der Partei“ angekündigt, doch deckten diese vereinzelten Meldungen nicht alle Aktivitäten der KPD-Bamberg ab. 2206 Als der Reichstagsabgeordnete Johann Meyer beispielsweise im Februar 1928 die Regnitzstadt besuchte und eine Versammlung abhielt, wurde dies in der Nordbayerischen Volkszeitung mit keinem Wort aufgegriffen. 2207 Ebenso wenig erwähnte man im Vorfeld die Beteiligung an der Maifeier 1927. 2208 Erst mit zweiwöchiger Verspätung brachte man einen kritischen Artikel zu dem sozialdemokratisch dominierten Umzug und stellte dem die kommunistische Feier „im würdigen revolutionären Sinne“ gegenüber. 2209 Ihre Informationen zu Treffen, Veranstaltungen und Aktionen gab die KPD-Bamberg folglich über andere Kommunikationswege als in den Tageszeitungen bekannt. Dies wurde noch deutlicher, als ab 1930 mit dem Übergang zur Neuen Zeitung jegliche Ankündigung für Veranstaltungen aus Bamberg entfiel. Im Gegensatz zum Freistaat erfüllten die KPDOrgane folglich nicht die Aufgabe als Versammlungsanzeiger, sondern beschränkten sich darauf propagandistisch zu berichten, allgemeine oder überregionale Nachrichten widerzugeben und das Sprachrohr des Zentralkomitees zu sein. 2210 Den Anspruch Lenins, der die Tagespresse als „kollektiven Organisator“ definiert hatte, erfüllten die KPDZeitungen für Bamberg definitiv nicht. 2211 Es ist davon auszugehen, dass die Bamberger Kommunisten ihre innerstädtischen Nachrichten persönlich und informell weitergaben. Für parteiübergreifende Veranstaltungen des Milieus griffen sie vermutlich wie die Sozialdemokraten auf den Freistaat zurück, der
regelmäßig alle Versammlungen der Arbeitervereine auflistete. 2212 Dieser Zustand wurde in den 1930er Jahren im verstärkten Kampf gegen die SPD untragbar. Seit Februar 1932 gab die KPD-Bamberg daher zusammen mit der KPD-Gaustadt eine eigene Zeitung namens Rotes Echo. Organ der KPD Unterbezirk Bamberg heraus. 2213 In seinem Halbmonatsbericht vom März 1932 vermerkte der Regierungspräsident von Oberfranken diese Neuerscheinung: „In Bamberg gibt die KPD. seit 20. 2. eine Zeitung heraus ‚Rotes Echo von Bamberg und Gaustadt.‘ Die Zeitung erscheint nach Bedarf, bisher wöchentlich.“ 2214
Die kommunistische Wochenzeitung verlängerte jedoch schon bald den offiziellen zeitlichen Abstand ihrer Ausgaben auf zwei Wochen. 2215 Zudem verdiente sie kaum die Klassifikation „Zeitung“, sondern sollte vielmehr als eine Art örtliches ParteiBlatt verstanden werden. Schließlich entsprachen der Umfang von sechs Seiten sowie das kleine Format keiner üblichen Zeitung, auch Druck, Layout und Aufmachung hatten ein unprofessionelles Erscheinungsbild. 2216 Der Titel sowie alle Überschriften waren von Hand gemalt und mit den maschinengeschriebenen Passagen zusammengesetzt. 2217 Wie häufig das Rote Echo tatsächlich publiziert wurde, bleibt ungewiss, denn nur ein einziges Exemplar vom Juni 1932 blieb zufällig in der Sammlung zur KPD im Bamberger Stadtarchiv erhalten. 2218 Auf alle Fälle erschien die Bamberger KPD-Zeitung bis Anfang 1933, also etwa ein Jahr lang. 2219 Der Freistaat veröffentlichte noch am
Vgl. NV v. 23. 3.1928, Nr. 68; NV v. 5. 4.1928, Nr. 79; NV v. 25.1.1929, Nr. 21; NV v. 26.1.1929, Nr. 22; NV v. 15. 2.1929, Nr. 39; NV v. 21. 3.1929, Nr. 39. Vgl. Lagebericht v. 4. 4.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 724. 2208 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; NV v. 12. 5.1927, Nr. 110. 2209 NV v. 12. 5.1927, Nr. 110. 2210 Vgl. Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 272–275. 2211 Vgl. Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 273; Mallmann, Kommunisten, S. 215. 2212 Vgl. FS v. 5. 7.1924, Nr. 153; FS v. 3.1.1928, Nr. 2. 2213 Vgl. Rotes Echo. Organ der KPD Unterbezirk Bamberg v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 2214 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 3.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 2215 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2216 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2217 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2218 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. Alle anderen Versuche, die KPD-Zeitung aus Bamberg in Archiven oder in Bibliotheken ausfindig zu machen, blieben erfolglos. 2219 Vgl. FS v. 30.1.1933, Nr. 24. 2206 2207
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Das politische Sozialmilieu
30. Januar 1933 eine Gegendarstellung zu einem Artikel des Roten Echos. 2220 Am 3. März 1933 verkündete das Bamberger Tagblatt letztendlich das Zeitungsverbot gegen das kommunistische Nachrichtenblatt. 2221 Als Initiatoren, Herausgeber und Schriftleiter fungierten Georg Böhm aus Bamberg und Nikolaus Böhnlein aus Gaustadt, der vermutlich die Seite namens „Gaustadter Echo“ gestaltete. 2222 Ihr Engagement stand für die junge und aufstrebende KPD-Entwicklung am Ende der Weimarer Republik. 2223 Dazu passte es, dass auch Adam Kaim bei der Vervielfältigung und Verbreitung des linksextremen Heftes half. 2224 Inhaltlich konzentrierte sich das Rote Echo auf Vorfälle und Gegebenheiten in Bamberg und der näheren Umgebung wie Stegaurach und Mühlendorf. 2225 Die Reichspolitik fand hingegen nur spärlich Erwähnung. 2226 In erster Linie stellten die Artikel Angriffe gegen die NSDAP, die SPD und die Freien Gewerkschaften dar oder man verteidigte das Verhalten der eigenen Parteimitglieder. 2227 Im Fadenkreuz der Kritik des Roten Echos standen die Verantwortlichen der nationalsozialistischen Zeitung Bamberger Beobachter, Hans Müller und Alfons Haustein, und der SPD-Sekretär Josef Dennstädt. 2228 Darauf antwortete der Freistaat mit ähnlich ausfälligen Artikeln gegen die „hiesigen Salonkommunisten“ 2229 oder gegen den „Wetterfahenenpolitiker Böhnlein“ 2230, der als „kleiner ‚Gernegroß‘ aus Gaustadt revolutionäre Sprüche aus ir-
gendeinem Buch abschreibt“ 2231. Folglich wurde durch die lokale KPD-Zeitung der „Kreislauf aus der Polemik und der Beleidigungen“ 2232 mit der SPD-Presse forciert, die politische Auseinandersetzung noch stärker auf persönlicher und städtischer Ebene ausgetragen und das Klima zwischen den beiden Arbeiterparteien zunehmend vergiftet. Man drohte damit, kolportierendes Material über den jeweils anderen bekannt zu machen und rechtfertigte vehement eigene Positionen und das Verhalten der Mitglieder. 2233 Abgesehen von der persönlichen Fehde gegen die SPD diente das Rote Echo dazu, die massive Verbotspraxis gegen die überregionalen KPD-Zeitungen zu umgehen. 2234 Die Neue Zeitung war nämlich 1931 insgesamt sechs Mal von der Polizeidirektion verboten worden. 2235 Mitunter dauerte die Einschränkung der Pressefreiheit vier Wochen an. 2236 Obwohl Ersatzdrucke untersagt waren, konnten die Kommunisten durch Ausgabe einer anderen Zeitung die Verbote unterlaufen. 2237 Als solche konnte das Rote Echo die Lücken im Erscheinungsverlauf der Neuen Zeitung füllen. 2238 Alles in allem bleibt festzuhalten, dass die kommunistische Presse in Bamberg zwar nicht über solch großen Einfluss wie der Freistaat verfügte, aber durchaus als „politisch-sozialer Unruhestifter“ 2239 wirkte. Die Zeitungen der KPD manipulierten unregelmäßig und auf ihre eigene Weise den
Vgl. FS v. 30.1.1933, Nr. 24. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 152. 2222 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 30.1.1933, Nr. 24. 2223 Vgl. Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263. Nikolaus Böhnlein war Jahrgang 1897; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2. 2224 Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2. 2225 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 30.1.1933, Nr. 24. 2226 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2227 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 30.1.1933, Nr. 24; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 325–327. 2228 Vgl. Rotes Echo v. 2. 6.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 14. 5.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2663; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 30.1.1933, Nr. 24. 2229 FS v. 11. 7.1932, Nr. 156. 2230 FS v. 30.1.1933, Nr. 24. 2231 FS v. 11. 7.1932, Nr. 156. 2232 Führer, Kultur, S. 30. 2233 Vgl. FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 30.1.1933, Nr. 24. 2234 Vgl. Koszyk, Deutsche Presse, S. 327 f.; Führer, Kultur, S. 38 f. 2235 Vgl. NZ v. 3. 2.1931, keine Nr.; NZA v. 14. 3.1931, keine Nr.; NZA v. 2. 5.1931, keine Nr.; NZA v. 15. 7.1931, keine Nr.; NZA v. 7.10.1931, keine Nr.; NZA v. 28.12.1931, Nr. 272; Führer, Kultur, S. 38. Die Hamburger KPD-Zeitung war 1931 „lediglich“ vier Mal verboten worden. Demgegenüber war die bayerische Verbotspraxis besonders streng. 2236 Vgl. NZA v. 15. 7.1931, keine Nr. Beispielsweise war die Neue Zeitung vom 15. Juli 1932 bis 16. August 1931 verboten. 2237 Vgl. Führer, Kultur, S. 39. 2238 Vgl. NZA v. 6.12.1931, Nr. 272; NZA v. 18. 2.1933, Nr. 41. 2239 Führer, Kultur, S. 39. 2220 2221
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Die Kommunistische Partei Bamberg
innerstädtischen Diskurs. Schließlich gaben die Neue Zeitung und Nordbayerische Volkszeitung den KPD-Mitgliedern nicht nur die Möglichkeit, sich über die Parteientwicklung und überregionale Vorkommnisse zu informieren, sondern sich auch aktiv durch die Arbeiterkorrespondenzbewegung einzubringen. Dies war das Alleinstellungsmerkmal der KPD-Zeitungen. Ab 1932 spitzten sich die publizistischen Konflikte innerhalb Bambergs zu, wozu die KPD mit ihrer Zeitung Rotes Echo beitrug. Einziger Inhalt war die schriftliche Aggression gegen alle Gegner. So verwandelte sich die Zeitungslandschaft Bambergs immer mehr in eine „Schlangengrube“ 2240.
3.4.3 Die Jugend der KPD: KJD, KJVD und der Internationale Jugendtag 1928 Anfang September 1928 erschien in der Nordbayerischen Volkszeitung folgende Anzeige: „Arbeitende Jugend! Heraus zum Internationalen Jugendtag in Bamberg! Demonstriert unter dem Banner der Komm. Jugendinternationale, dem Banner Karl Liebknechts gegen Panzerkreuzerbau u. Panzerkreuzersozialisten!“ 2241
Bamberg wurde tatsächlich zum Schauplatz des 14. Internationalen Jugendtages des Kommunistischen Jugendverbands Deutschlands, Gau Nord-
bayern. 2242 Während sich in Augsburg die südbayerischen KJVD-Ortsgruppen sammelten, reisten die kommunistischen Jugendlichen aus Nürnberg, Hof, Schweinfurt und Würzburg nach Bamberg, um dort ihre Kundgebung abzuhalten. 2243 Ein Großteil der Teilnehmer traf am Samstag, 1. September ein und wurde feierlich mit Musik vom Bahnhof abgeholt. 2244 Einen ersten Aufmarsch veranstaltete man durch die Arbeiter-Vororte Gaustadt und Bischberg zum Begrüßungsabend im „Eckenbüttner“. 2245 Dort folgte die kommunistische Festinszenierung in ihrer ganzen Bandbreite: 2246 Im Saal hingen Stoffplakate mit Sprüchen wie „Gegen Faschismus und Kriegsgefahr für die Sowjetunion“ oder „Gegen Koalition für Klassenkampf“, die Portraits von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg umrahmten die Bühne und mit Agitprop 2247-Theatervorstellungen und Sprechchören vermittelte man die Grausamkeiten des Krieges und die Ungerechtigkeit der Justiz. 2248 Zum Abschluss sangen alle Teilnehmer die „Internationale“. 2249 Am Sonntag erschienen noch mehr KJVD-Mitglieder aus der Umgebung in Bamberg und gemeinsam zogen etwa 250 Kommunisten in einem Demonstrationszug mit Musikkapellen, Plakaten, Sowjetfahnen und Wimpeln durch die Stadt (Abbildung 14). 2250 Dieser endete auf dem Leichtskeller der Brauerei „Wilde Rose“ am Stephansberg mit der Ansprache eines Nürnberger Jugendfunktionärs. 2251 Bamberg mutierte somit zwei Tage lang zum Zentrum des KJVD-Nordbayern. Die Ent-
Führer, Kultur, S. 28. NV v. 1. 9.1928, Nr. 201. 2242 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 2243 Vgl. Hetzer, Augsburg, S. 59; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9. 1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2244 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2245 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; NV v. 5. 9.1928, Nr. 204; Spies, Bischberg, S. 152. 2246 Vgl. Köster, Barbara: „Die Junge Garde des Proletariats“. Untersuchungen zum Kommunistischen Jugendverband Deutschlands in der Weimarer Republik. Bielefeld 2005, S. 219–222. 2247 Agitprop war eine Wortneuschöpfung aus den Begriffen Agitation und Propaganda. Agitprop sollte die Massen ideologisch im Sinne des Marxismus-Leninismus für die KPD durch neue unterhaltsame Formen wie das Theater schulen und für Aktionen und Kampagnen mit dem Endziel der Revolution aktivieren. Vgl. Hoffmann-Ostwald, Daniel/Behse, Ursula: Agitprop 1924–1933 (= Kulturelle Traditionen der Arbeiterbewegung, Bd. 1). Leipzig 1960, S. 32; Kalnins, Bruno: Agitprop. Die Propaganda in der Sowjetunion. Wien 1966, S. 17–19. Zu der Agitprop-Theaterbewegung während der Weimarer Republik vgl. Bodek, Richard: Proletarian Performance in Weimar Berlin: Agitprop, Chorus, and Brecht. Columbia 1997, S. 80–136. 2248 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2249 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2250 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2251 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; Fiedler, Bamberg, S. 166–169. Der Nürnberger Kommunist trat unter dem Namen „Nero“ auf. Sein wirklicher Name wurde nicht bekannt gegeben und auch die Polizei brachte diesen für ihren Bericht nicht in Erfahrung. 2240 2241
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Das politische Sozialmilieu
Abbildung 14: Polizeiliche Fotos des Umzugs zum Jugendtag des KJVD-Nordbayern am 2. September 1928 in Bamberg. 2252
scheidung für Bamberg als Austragungsort des ersten legalen und öffentlichen kommunistischen Jugendtages offenbarte drei Aspekte: Erstens war der KJVD-Bamberg 1928 organisatorisch gefestigt und stark genug, ein solches Ereignis auszurichten. 2253 Schließlich mussten nicht nur mehrere Gastwirtschaften als Standquartiere gebucht, Ablauf und Programm geplant werden, sondern die kommunistische Ortsgruppe hatte vor allem die Aufgabe, Übernachtungsmöglichkeiten für alle Teilnehmer zu stellen. 2254 Während die männlichen Jugendlichen in Massenlagern unterkamen, besorgte man für die weiblichen Anhängerinnen einzelne private Unterkünfte. 2255 Nach den Zählungen des Stadtkommissars beteiligten sich etwa 50 Frauen, sodass diese Anzahl an Besucherinnen für die Bamberger KPD und KJVD eine gewisse Herausforderung darstellte, wie die Nordbayerische Volkszeitung ausführte:
„Die Ortsgruppe Bamberg, unter Leitung des Genossen Riehl [d. h. Anton Riel], hatte unter mancherlei Schwierigkeiten Massenquartiere besorgt, die in vollster Ordnung und Disziplin von unseren Pionieren aufgesucht wurden. Die Genossinnen bekamen sämtliche Einzelquartiere und hier sei allen Genossen Bambergs, die oft unter Opfern sich zur Einquartierung bereit erklärten, nochmals gedankt.“ 2256
Voraussetzungen waren demnach der Zusammenhalt und die Gastfreundschaft der Bamberger Kommunisten. 2257 Zweitens benötigte der KJVD-Bamberg die Unterstützung, Hilfe und Anwesenheit der anderen Ortsgruppen, um sich zu präsentieren und auf offener Straße effektvoll in Szene zu setzen. 2258 Alleine wäre ein solcher Protestmarsch lächerlich und unbedeutend erschienen, denn zum Stamm der offi-
Die Fotos entstammen dem Bericht des Stadtkommissars Köttnitz zum Jugendtag. Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2253 Vgl. NV v. 4. 9. 1928, Nr. 203; NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 2254 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; NV v. 5. 9.1928, Nr. 204; Köster, Garde, S. 226. 2255 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9. 1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 2256 NV v. 5. 9.1928, Nr. 204; vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2257 Vgl. Köster, Garde, S. 226. 2258 Vgl. Köster, Garde, S. 225, 231 f.; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 2252
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ziellen Jugendmitglieder zählten nur etwa 25 bis 30 Personen. 2259 Der Umzug hätte demnach kaum als solcher gelten können und keinen Eindruck in der Stadt hinterlassen. So aber setzte der KJVD-Nordbayern bewusst in Bamberg ein linksradikales Zeichen, das sich ebenso gegen das katholische Milieu richtete wie gegen das Bürgertum, die NSDAP und die Sozialdemokratie. 2260 Prompt reagierte der Bayerische Heimat- und Königsbund mit einem Schreiben an den Stadtrat und das Stadtkommissariat, in dem gefordert wurde, die Meinungsfreiheit einzuschränken und „derartige kommunistische Veranstaltungen überhaupt nicht mehr [zu] gestatten und so die Bürgerschaft gegen eine Wiederholung dieser Provokation seitens einer geringen, aber in ihrer Brutalität und Roheit [sic] ungemein gefährlichen Minderheit [zu] schützen.“ 2261
In ähnlicher Weise reagierte das Bamberger Tagblatt durch die Veröffentlichung eines Artikels aus München, der sich unter der Überschrift „Warum kein behördliches Einschreiten?“ 2262 gegen die Aufmärsche und das Erstarken der Kommunisten „in der Provinz“ 2263 wie Bamberg richtete. Der Jugendtag verfehlte demnach nicht seine Wirkung, selbst wenn die Sonder- und Halbmonatsberichte das Gegenteil glauben machen wollten und dem Regierungspräsidenten vor allem die Passivität und das Desinteresse der Bevölkerung schilderten. 2264
Augenscheinlich zielte der KJVD-Auftritt außerdem gegen die Sozialdemokratie, denn im Umzug führte man das Modell eines Panzerkreuzers mit der Aufschrift „SPD“ mit und in der kommunistischen Presse wurde explizit darauf hingewiesen, dass man durch die sozialdemokratischen Vororte Gaustadt und Wunderburg der „irregeleitete[n] Proleten“ 2265 marschiert wäre. 2266 Es ging der KPD und dem KJVD darum, das vorhandene kommunistische Potenzial zum Leben zu erwecken, die eigene Bewegung zu fördern und den Kommunisten Auftrieb und Selbstbewusstsein zu verleihen. 2267 So sahen es auch die Genossen vor Ort, indem sie einen Bericht zum Jugendtag in der Tageszeitung mit folgenden Worten schlossen: „Ihr habt den zähen Boden hier gelockert. Wir werden nun säen, sorgsam, emsig und ernten werden wir.“ 2268 Bamberg sollte „kommunistisch“ erwachen. Des Weiteren brachte der Jugendtag die guten Beziehungen zwischen dem KJVD-Nürnberg, der dortigen Bezirksleitung und dem KJVD-Bamberg zum Ausdruck. 2269 Maßgeblich half die mittelfränkische Metropole bei der Ausgestaltung und Durchführung des Programms mit. 2270 Sowohl die Agitprop-Theatergruppe namens „Rote Trichter“ als auch die Schalmeienkapelle zur musikalischen Begleitung kamen von dort. 2271 Am Begrüßungsabend selbst wechselten sich Redner aus Bamberg und Nürnberg ab. 2272 Ohne den mittelfränkischen Einsatz hätte man in Bamberg keinen unterhaltsamen Abend auf die Beine stellen können, da solche Un-
Vgl. Sonderbericht v. 26. 5.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 787. Diese einzig überlieferte konkrete Zahl stammt allerdings aus dem Jahr 1931 und nicht von 1928. Zwar hatte sich 1931 der Kreis der Anhänger vergrößert, durch die hohe Arbeitslosigkeit waren jedoch viele Sympathisanten nicht als zahlende Mitglieder registriert, sodass die offizielle Zahl von 1931 durchaus als Anhaltspunkt für 1928 dienen kann. Vgl. Mehringer, KPD, S. 43. 2260 Vgl. NV v. 5. 9.1928, Nr. 204; NV v. 23. 9.1928, Nr. 220; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874; Schreiben des Bayerischen Heimat- und Königsbundes an den Stadtkommissar Bamberg v. 14. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874. 2261 Schreiben des Bayerischen Heimat- und Königsbundes an den Stadtkommissar Bamberg v. 14. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874. 2262 BT v. 24. 9.1928, Nr. 220. 2263 BT v. 24. 9.1928, Nr. 220. 2264 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4: „Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die ganze Veranstaltung, besonders aber der sogen. Demonstrationszug, ohne Wirkung auf die Oeffentlichkeit verlaufen ist. Die Bevölkerung hat sich kaum Zeit genommen den kleinen Zug im Vorbeigehen anzusehen.“; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874: „In der Stadt hat die Tagung tatsächlich wenig Aufsehen erregt.“ 2265 NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 2266 Zum Modell des Panzerkreuzers mit SPD-Aufschrift vgl. Abbildung 14; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 2267 Vgl. NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 2268 NV v. 5. 9. 1928, Nr. 204. 2269 Vgl. Lagebericht v. 11. 9.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 730. 2270 Vgl. Lagebericht v. 11. 9.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 730. 2271 Vgl. Programm des 14. Internationalen Jugendtages in Bamberg, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2272 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2259
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Das politische Sozialmilieu
tergliederungen wie Theater- oder Musikgruppen in der Regnitzstadt überhaupt nicht existierten. Somit war der KJVD-Bamberg abhängig von der Nürnberger Führungsstärke und profitierte zugleich davon. Die Bindung ging dabei weit über die Zusammenarbeit am Jugendtag hinaus: Während der Weimarer Republik gehörte der KJVDBamberg nämlich nicht zum Unterbezirk Oberfranken, sondern war immer an Nürnberg oder Fürth angeschlossen. 2273 Dies ist insbesondere 1932 erstaunlich, als der Gau Nordbayern aus fünf Unterbezirken (Mittelfranken, zweimal Oberfranken, Unterfranken und Oberpfalz) bestand. 2274 Obwohl man Oberfranken in einer Neuordnung in die zwei Bereiche Hof und Lichtenfels unterteilt hatte, verblieb der KJVD-Bamberg bei Mittelfranken und unter der Führung Nürnbergs. 2275 Die Symbiose Nürnberg-Bamberg war beständig und vorteilhaft – für alle Beteiligten. Folgt man dabei der These des Historikers Klaus-Michael Mallmann, dass die KPD der früheren Arbeiterbewegung in der Kaiserzeit geähnelt habe, so ist diesem Befund in Bezug auf den KJVD in Bamberg zuzustimmen. 2276 Schließlich ordneten sich die Jungkommunisten Bambergs, wie die SPD in ihren Anfängen, dem „roten Nürnberg“ völlig unter und leisteten den Vorgaben Folge. Eine emanzipatorische Bewegung und Hinwendung zu anderen oberfränkischen oder unterfränkischen KPD-Hochburgen fand nicht statt. Zudem verstärkten die hierarischen Strukturen des KJVD die Abhängigkeit von der Bezirksleitung in Nürnberg. 2277 Außerdem zeigte sich auf dem Jugendtag das gute Zusammenspiel mit der KPD-Bamberg. 2278 Die erwachsenen Parteimitglieder halfen bei der
Organisation der Quartiere, sie stellten am Begrüßungsabend mit Josef Pfaff den Hauptredner, der „als ältester Kommunist Bambergs“ 2279 seinen Werdegang und seine Überzeugung schilderte, sie besuchten die Veranstaltungen und marschierten beim Umzug mit. 2280 Im Bericht des Stadtkommissars wurden namentlich Anton Riel, Otto Geyer, Fritz Müller, Josef Dietz und Sebastian Zimmerer als Teilnehmer aufgeführt, sodass die gesamte Führungsriege der Partei anwesend war. KJVD und KPD waren in Bamberg eng miteinander verwoben und agierten harmonisch miteinander. 2281 Die Kehrseite der Medaille war, dass die Jugend kein eigenständiges Organisationsleben entfalten konnte und in ihren Aktivitäten von den Bedürfnissen und Anforderungen der Partei geleitet wurde. 2282 So zählte Adam Kaim seine Tätigkeiten als Mitglied des KJVD 1932 folgendermaßen auf: „1932 Bamberg. Das ganze Jahr Wahlkämpfe. Aktive Zusammenarbeit mit der KPD u. der kommunistischen Jugend. Flugblattverteilung, illegales Plakatkleben, Wand- u. Straßenmalereien mit Parolen z. B.: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler u. Hitler bedeutet Krieg. Druck u. Verbreitung unserer örtlichen Zeitung: ‚Rotes Echo‘.“ 2283
Der KJVD-Bamberg diente als Handlanger, Agitationstrupp und Wahlhelfer der KPD. 2284 Jugendspezifische Arbeit hingegen fand nicht statt. 2285 Für Bamberg existieren keine Belege, dass der KJVD auch gesellige oder sportliche Freizeitbeschäftigungen wie Wanderungen, Spiele oder Sonnwendfeiern
Vgl. Bezirkseinteilung der kommunistischen Jugend Nordbayerns v. 7. 4.1924, StABa, K 5, Nr. 5174; Lagebericht v. 28.10.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 798. Die einzige andere Ausnahme bildete der KJVD-Bischberg, der 1932 auch Nürnberg zugeordnet war. Dies erfolgte aber vermutlich aufgrund der bereits feststehenden Zuweisung von Bamberg zu Nürnberg. 2274 Vgl. Lagebericht v. 28.10.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 798; Mehringer, KPD, S. 44. 2275 Vgl. Lagebericht v. 28.10.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 798. 2276 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 100, 381. 2277 Vgl. Mehringer, KPD, S. 44; Köster, Garde, S. 55. 2278 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4; NV v. 5. 9.1928, Nr. 204. 2279 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2280 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 2281 Köster hingegen vertritt die Meinung, dass KJVD und KPD „an der Basis nie zu einer funktionierenden Kooperation“ zusammenfanden. Diesem Urteil muss widersprochen werden, wie das Beispiel Bamberg zeigt. Vgl. Köster, Garde, S. 123. 2282 Vgl. Köster, Garde, S. 108–112, 122–127. 2283 Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2. 2284 Vgl. Köster, Garde, S. 108; Mehringer, KPD, S. 44 f. 2285 Vgl. Mehringer, KPD, S. 44. 2273
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Die Kommunistische Partei Bamberg
durchgeführt hat. 2286 Anlehnungen an die bürgerliche Jugendbewegung wie bei anderen kommunistischen Ortsgruppen gab es nicht. 2287 Die linksradikale Jugend Bambergs konzentrierte sich ausschließlich auf politische Feste und Veranstaltungen, propagandistische Aufgaben und die Teilnahme an Verbandskonferenzen und Jugendtagen. 2288 Inwieweit es überhaupt regelmäßige Zusammenkünfte gab und wo diese stattgefunden hätten, bleibt daher unklar. Möglicherweise trafen sich die Jungkommunisten Bambergs einfach parallel oder bei den allgemeinen Parteiversammlungen der KPD. Die starke Fokussierung der KJVD-Bamberg auf die Politik war eine Konsequenz der späten Entstehung und Belebung der kommunistischen Jugendarbeit in Bamberg. 2289 Vorläuferorganisationen wie die USPD-nahe Sozialistische Proletarierjugend oder die kommunistische Freie Sozialistische Jugend hatten sich in Bamberg nicht gebildet. 2290 Erst zwei Jahre nach der Gründung der KPD-Bamberg trat die damals noch unter dem Namen Kommunistische Jugend Deutschlands (KJD) agierende Vereinigung zum Vorschein. 2291 Auf der Bezirkskonferenz der KJD am 28. März 1923 in Fürth nahmen neben Delegierten aus Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schweinfurt auch Bamberger Jugendliche teil. 2292 Thematisiert wurden der Kampf gegen den Militarismus und gegen die politische Reaktion der fortschrittsfeindlichen Kräfte sowie die Aufgaben in den Gewerkschaften und Betrieben. 2293 Redner aus Oberfranken äußerten sich jedoch nicht, sodass
keine Namen überliefert wurden. 2294 1924 setzte sich trotz der Illegalität der Partei das Bestehen der KJD-Bamberg fort. 2295 Im September hielt der Bezirk, versteckt im Wald bei Forchheim, eine getarnte Tagung ab, zu der wiederum Bamberger Delegierte erschienen. 2296 Zwei Wochen später traf sich der Bezirksausschuss der kommunistischen Jugend direkt in Bamberg. 2297 Besprochen wurde vor allem der Rückgang der KJD-Mitglieder und Gegenmaßnehmen zum Erstarken der SAJ. 2298 De facto betrafen genau diese Probleme die Arbeiterjugend vor Ort: 1925 gab es kein Lebenszeichen der Jungkommunisten aus Bamberg mehr, während die SAJ aufblühte. 2299 Ebenso wie die erwachsenen Parteimitglieder waren auch die Heranwachsenden passiv. Auf Anfrage der Behörden meldete der Stadtrat: „Mir ist nichts von einer kommunistischen Jugendbewegung von der angedeuteten Art in Bamberg bekannt. Eine Anfrage bei der Polizei hat ergeben, daß auch dort nichts nach dieser Richtung bekannt geworden ist.“ 2300
Desgleichen äußerte sich der Rektor des Alten Gymnasiums, indem er jegliche kommunistische Propaganda unter den Schülern negierte. 2301 Außerdem fehlte die Bamberger Ortgruppe bei einem Jugendtreffen in Lichtenfels im Sommer 1925 und bei der folgenden Bezirkskonferenz im März 1926 wurde festgehalten, dass Bamberg nichts von sich hören
Vgl. Köster, Garde, S. 207–218. Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 186. 2288 Vgl. Lagebericht v. 22. 3.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; NV v. 26. 4.1929, Nr. 97; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Lagebericht v. 21.10.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 713. 2289 Vgl. Lagebericht v. 22. 3.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26. 2290 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 30.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Köster, Garde, S. 35–39. 2291 Vgl. Lagebericht v. 22. 3.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Köster, Garde, S. 39–45. Die Kommunistische Jugend Deutschlands hatte sich im September 1920 auf dem Reichskongress der Freien Sozialistischen Jugend gegründet und sich dabei der Dritten Internationale angeschlossen. 2292 Vgl. Lagebericht v. 22. 3.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26. 2293 Vgl. Lagebericht v. 22. 3.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26. 2294 Vgl. Lagebericht v. 22. 3.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26. 2295 Vgl. Lagebericht v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236; Lagebericht v. 15.10.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 2296 Vgl. Lagebericht v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 2297 Vgl. Lagebericht v. 15.10.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 2298 Vgl. Lagebericht v. 15.10.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236. 2299 Vgl. Schreiben des Stadtrats Bamberg an Oberregierungsrat Fackelmann v. 13. 5.1925, StABa, K 5, Nr. 5174; Schreiben des Alten Gymnasiums Bamberg an das Bezirksamt Bamberg II v. 27. 4.1925, StABa, K 5, Nr. 5174; Bericht des Bezirksamts Lichtenfels an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 6.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 2. 2300 Schreiben des Stadtrats Bamberg an Oberregierungsrat Fackelmann v. 13. 5.1925, StABa, K 5, Nr. 5174. 2301 Vgl. Schreiben des Alten Gymnasiums Bamberg an das Bezirksamt Bamberg II v. 27. 4.1925, StABa, K 5, Nr. 5174. 2286 2287
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Das politische Sozialmilieu
ließe. 2302 Daraus resultierte erneut die starke Abhängigkeit der Parteijugend von einer funktionierenden KPD vor Ort. Ohne den Rückhalt und die Unterstützung der Parteiführung bestand die kommunistische Jugend höchstens auf dem Papier, sie war dann aber eine Organisation ohne Mitglieder, Auftrag und Aufgaben und verfiel in einen Dornröschenschlaf. „Wachgeküsst“ wurde sie erst 1927, nachdem die KPD-Bamberg seit 1926 wieder öffentlich wirkte. 2303 Mittlerweile hatte sich der Verband von KJD in Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD) umbenannt und rief als solcher die Arbeiterjugend dazu auf, zum 20. Jubiläum der Jugendinternationale in die Gründungsstadt Stuttgart zu kommen. 2304 Fünf Jugendliche aus Bamberg folgten dieser Aufforderung, sodass die Regnitzstadt nach Nürnberg, Würzburg und Hof die stärkste Abordnung des Gaus Nordbayern stellte. 2305 Diese Konferenz markierte für den linksextremen Jugendverband Bamberg den Beginn der kontinuierlichen Existenz und leitete eine allmähliche Aufwärtsentwicklung ein. 1928 folgte die Veranstaltung des Internationalen Jugendtages, 1929 die Gründung der KJVD-Bischberg, 1930 erschienen Berichte über Übertritte von der SAJ zur KJVD, 1931 kam es zur Teilnahme am Reichsjugendtreffen
in Frankfurt und 1932 besuchte man den Bezirksjugendtag in Nürnberg. 2306 Entscheidend war, dass diese beständige und langanhaltende Phase zwischen 1927 und 1932 mit der zunehmenden Politisierung der Jugend einherging. 2307 Der KJVD definierte sich einzig und allein ideologisch-politisch und ordnete alle Tätigkeiten dem Kampf für den Kommunismus unter. 2308 Insofern war er die „Miniaturausgabe der KPD“ 2309 für alle Mitglieder im Alter von 14 bis 23 Jahren. 2310 Durch diese stark theoretische Ausrichtung erfüllte der KJVD niemals seinen eigenen Anspruch einer Massenorganisation. 2311 Stattdessen zeigte sich auch in Bamberg, dass der linksextreme Verband ein kleiner exklusiver Kreis an überzeugten Jungkommunisten war, der bedingungslos seine Mitglieder als Arbeitskräfte der Partei zur Verfügung stellte und konsequent für seine Ideen und Ideale eintrat. 2312 Die starke kommunistische Prägung innerhalb der KJVD-Bamberg erwies sich noch Jahre später als ausschlaggebende und bestimmende Handlungsmaxime: 1937 brachen vier Jugendliche aus Bamberg auf, um im Spanischen Bürgerkrieg für die Internationalen Brigaden gegen Franco zu kämpfen. 2313 Neben dem ehemaligen Organisationsleiter der KJVD Adam Kaim entstammten auch
Vgl. Bericht des Bezirksamts Lichtenfels an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 6.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 2; Lagebericht v. 1. 3.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 673. 2303 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.1.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 4. 2.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. 2304 Vgl. NV v. 29. 7.1927, Nr. 175; Lagebericht v. 21.10.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 713; Köster, Garde, S. 45. 2305 Vgl. Lagebericht v. 21.10.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 713. Nürnberg schickte 80, Würzburg 20 und Hof 25 Mitglieder. Andere Ortsgruppen schickten weniger Jugendliche als Bamberg wie beispielsweise Selb drei und Amberg zwei Jungkommunisten. 2306 Vgl. Lagebericht v. 11. 9.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 730; Lagebericht v. 24. 6.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 750; NV v. 22. 2.1930, Nr. 44; NZA v. 15. 4.1930, Nr. 87; FS v. 8. 5.1930, Nr. 104; Mitteilung der Polizeidirektion Nürnberg v. 1. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Rundschreiben der KPD- und KJVD-Nordbayern v. 1931 zum Reichsjugendtag, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2. 2307 Vgl. Krabbe, Wolfgang R. (Hg.): Parteijugend zwischen Wandervogel und politischer Reform. Eine Dokumentation zur Geschichte der Weimarer Republik (= Geschichte der Jugend, Bd. 24). Münster 2000, S. 16–26. 2308 Vgl. Mehringer, KPD, S. 44. 2309 Mallmann, Kommunisten, S. 182; vgl. Köster, Garde, S. 189. 2310 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 182–193. Für Kinder unter 14 Jahre, die sogenannten Jungpioniere, gründete die KPD die Organisation des Jungspartakusbundes, der jedoch in Bamberg nie ins Leben gerufen wurde und in Nordbayern nur in Nürnberg, Fürth und Würzburg in Erscheinung trat. Vgl. Sonderbericht v. 26. 5.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 787; Mehringer, KPD, S. 44. 2311 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 602. 2312 Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Mallmann, Kommunisten, S. 186 f. 2313 Vgl. Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Volksgerichtshof Berlin v. 16. 4.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833; Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht Bamberg v. 11. 9.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833; Kaim, Adam, BArch, R 58, Nr. 2060a; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Pierdzig, Adam Kaim, S. 5; Pierdzig, Günter: Erinnern statt Vergessen. Zeugnisse von Verfolgung und Widerstand im Bamberger Friedhof. Ein Rundgang. Bamberg 2006, S. 7–12. Alle vier wurden an der Grenze abgefangen ohne nach Spanien zu gelangen. Gegen sie wurde ein Verfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat eingeleitet, dieses wurde mangels Beweisen eingestellt. Vgl. Schreiben des Stadtpolizeiamts an den Oberstaatsanwalt am Landgericht Bamberg v. 24. 9.1937, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Epstein, Catherine: The last revolutionaries. German communists and their century. Cambridge u. a. 2003, S. 63–66. 2302
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Die Kommunistische Partei Bamberg
die anderen Beteiligten dem kommunistischen Jugendkreis Bambergs. 2314 Der Vergolder Wilhelm Decker (geb. 1911) war eingeschriebenes KJVDMitglied, während der Elektromonteur Eduard Eger (geb. 1913) und der Arbeiter Johann Baptist Konrad (geb. 1914) „Anhänger des Kommunismus“ 2315 waren. 2316 Gerade am Ende der Weimarer Republik trugen sich schließlich nicht alle Jugendlichen in die offiziellen Parteilisten ein, um Kosten zu sparen und beteiligten sich dennoch als Aktivisten. 2317 Abgesehen von den bereits genannten Jugendlichen wurde für Bamberg nur ein weiterer Name des KJVD überliefert: Der Schlosser Eberhard Bergmann (geb. 1914) leitete 1931 vor Adam Kaim die Organisation. 2318 Sie alle kannten sich durch den kommunistischen Jugendverband Bamberg, der den Grundstock gelegt hatte für das noch jahrelang nachwirkende Gemeinschaftsgefühl und ihre kommunistische Gesinnung. 2319 Insofern war der KJVD-Bamberg zwar klein, aber effizient in der Rekrutierung standfester Kommunisten und erfüllte seine Aufgabe als „Kaderschmiede“ der Partei. 2320
3.4.4 Der Bund der Freunde der Sowjetunion Der Bund der Freunde der Sowjetunion (BdFSU) hatte sich mit seiner Gründung 1928 das Ziel gesetzt, die Sowjetunion vor einem Krieg der kapitalistischen Länder zu schützen und durch kulturpolitische Aufklärungsarbeit ein realistisches Bild über die dortigen Verhältnisse zu vermitteln. 2321 Mit Vorträgen, Filmen und Veröffentlichungen trat man der öffentlichen Kritik an Russland entgegen und versuchte vor allem Intellektuelle und Pazifisten für die „Sozialismuspanegyrik“ 2322 zu gewinnen und in den Bund zu integrieren. 2323 So gehörten beispielsweise Helene Stöcker, Kurt Hiller, Emil Julius Gumbel und Ernst Toller zu dessen Mitgliedern. 2324 Sogenannte Arbeiterdelegationen aus Teilnehmern verschiedener Parteien reisten nach Russland und verbreiteten anschließend ihre Eindrücke und Erlebnisse. 2325 Einer dieser Referenten war der Nürnberger Volkshochschuldozent Dr. Theo Malkmus, der am 11. Juni 1931 in Bamberg über „Das neue Russland“ sprechen sollte. 2326 Der Bund der Freunde der Sowjetunion hatte durch seinen Vorsitzenden, den Bamberger Architekten Wilhelm Heizer, in die Gaststätte „Tambosi“ (Promenadestraße) eingeladen: 2327 „Ungefähr sechzig Zuhörer,
Vgl. Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht Bamberg v. 11. 9.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833; Pierdzig, Adam Kaim, S. 5. 2315 Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht Bamberg v. 11. 9.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833. 2316 Vgl. Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Volksgerichtshof Berlin v. 16. 4.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833; Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht Bamberg v. 11. 9.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833. 2317 Vgl. Mehringer, KPD, S. 43. 2318 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 2319 Vgl. Mehringer, KPD, S. 45, 104–109. 2320 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 191; Köster, Garde, S. 92–95. 2321 Vgl. NV v. 5.1.1929, Nr. 4; Remer, Claus: Der Bund der Freunde der Sowjetunion und seine Tätigkeit auf kulturellem Gebiet. In: Deutschland, Sowjetunion. Aus fünf Jahrzehnten kultureller Zusammenarbeit. Berlin 1966, S. 117 f.; Wunderer, Arbeitervereine, S. 211. 2322 Wunderer, Arbeitervereine, S. 211. Wunderer benennt als zentrale Aufgabe des Bundes der Freunde der Sowjetunion „die Institutionalisierung einer Sozialismuspanegyrik als Stimulans politischer Aktivität der Arbeiterklasse“. Als Sozialismuspanegyrik bezeichnet man alle Lobreden auf den Sozialismus. 2323 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 209–212; Winkler, Schein, S. 699. 2324 Vgl. Winkler, Schein, S. 699 f. 2325 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 209; Remer, Bund, S. 120. 2326 Vgl. NZA v. 22. 6.1931, Nr. 89; BV v. 12. 6.1931, Nr. 132; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 16. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885; Arend, Annette: Zwischen Programm und Praxis. Die Volkshochschule Nürnberg in der Weimarer Republik unter Berücksichtigung von Teilnehmer- und Dozentenperspektiven (= Erlanger Beiträge zur Pädagogik, Bd. 5). Münster u. a. 2008; Oberst, Julia: Das proletarische Milieu in Röthenbach an der Pegnitz von 1928 bis 1933 (= Bamberger Historische Studien, Bd. 11). Bamberg 2013, S. 135. 2327 Vgl. BV 12. 6.1931, Nr. 132. Die Quellen und Literatur widersprechen sich darin, ob die Ortsgruppe des BdFSU in Bamberg zu diesem Zeitpunkt schon bestand oder erst durch die Versammlung gegründet werden sollte. Die Berichte im Bamberger Volksblatt und in der Neuen Zeitung erwähnen eine existierende Ortsgruppe Bamberg mit einem Vorsitzenden Wilhelm Heizer. Das Bezirksamt Bamberg spricht von einer „ersten Versammlung“ des BdFSU. Spätere Darstellungen gehen davon aus, dass die Ortsgruppe des BdFSU erst gegründet werden sollte. Möglicherweise war die angeblich 2314
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bunt zusammengewürfelt nach ihrer gesellschaftlichen Stellung und politischen und weltanschaulichen Einstellung, hatten sich eingefunden“, 2328 berichtete das Bamberger Volksblatt. Neben bekannten und aktiven Kommunisten wie Josef Dietz oder Alex Barth erschienen zahlreiche Akademiker unterschiedlicher Gesinnung: die Rechtsanwältin Dr. Margarete Schuberth, der Studienrat Dr. Friedrich Reuss mit Ehefrau Anja Reuss, der Rechtsanwalt Dr. Thomas Dehler mit Ehefrau Irma Dehler, der Kaufmann Dr. Albert Kerschbaum, die Referendare Wilhelm Aron und Franz Hundt, der Elektroingenieur Ludwig Schmitt, der Berufsvormund Dr. Josef Laub und der Redakteur Dr. Otto Pfleiderer. 2329 Verwundert bemerkte der Vorstand des Bezirksamts: „[…] es ist unglaublich, was für Kreise sich […] beteiligten.“ 2330 Die Veranstaltung führte also Bamberger Bürger der verschiedensten politischen Couleur zusammen – von der SPD über die Staatspartei bis zum aufgelösten Bund Oberland. 2331 Sie alle wollten die Chance nutzen, aus erster Hand Informationen über die Verhältnisse in der Sowjetunion zu erhalten und sich mit der dortigen Entwicklung auseinanderzusetzen. 2332 Die breite Resonanz gebildeter Kreise in Bamberg spricht dafür, dass man tatsächlich einen wissenschaftlich-kulturellen Vortrag erwartete und keine kommunistische Propagandaveranstaltung. 2333 Des Weiteren zeigte der Teilnehmerkreis, dass die Realität des Sozialismus Interesse weckte und der BdFSU Anknüpfungspunkte für neue Schichten und Personen mit dem Kommunismus bot. 2334 Berührungsängste mit den kommunistischen Kreisen in Bamberg herrschten nicht vor.
Gerade 1931, in Zeiten der hohen Arbeitslosigkeit und politischen Instabilität, wandte man den Blick nach Russland, das zunehmend als Arbeiterparadies verklärt wurde und mit seiner Wirtschaftsund Kulturpolitik neue Wege beschritt. 2335 Die Tatsache, dass der Bund eine kommunistische Organisation war, schreckte zwar die Zuhörer nicht ab, rief aber das Misstrauen und den Eingriff der Behörden in Bamberg hervor. 2336 Eine Trennung zwischen einer Schilderung über die Sowjetunion und einer KPD-Parteiagitation hielt Stadtkommissar Köttnitz auch im Nachhinein für ausgeschlossen: „Dass die Versammlung politisch war, ergibt sich aus folgendem: Die Freunde der Sowjet-Union – nach den Nachrichtenblättern der Polizeidirektion NürnbergFürth eine rein kommunistische Bewegung – erstrebt [sic] zweifellos in Deutschland Propaganda für Sowjetrussland und die dort herrschenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu machen. Dass Dr. Malkmus über das Thema rein wirtschaftlich sprechen sollte, ist ausgeschlossen, dazu ist ein Mitglied der K.P.D. gar nicht in der Lage.“ 2337
Zudem stufte er die Versammlung als öffentlich ein und leitete davon das Versäumnis ab, diese nicht gemäß der Notverordnung angemeldet zu haben. 2338 Folglich wurde die Zusammenkunft nach wenigen Minuten und ersten einleitenden Worten von der Kriminalpolizei gestürmt und aufgelöst. 2339 Alle Anwesenden mussten ihre Personalien aufnehmen lassen und der Versammlungsleiter Wilhelm
noch nicht erfolgte Gründung im Nachhinein Teil der Verteidigungsstrategie im Prozess gegen Wilhelm Heizer und wurde dadurch in Umlauf gesetzt. Vgl. BV v. 12. 6.1931, Nr. 132; NZA v. 22. 6.1931, Nr. 89; Wengst, Dehler, S. 53; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 13. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885. 2328 BV v. 12. 6.1932, Nr. 132; vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 2329 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 2330 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 13. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885. 2331 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; NZA v. 22. 6.1931, Nr. 89; BV v. 12. 6.1931, Nr. 132. Von der SPD nahm Wilhelm Aron teil, von der Deutsche Staatspartei Thomas Dehler und vom aufgelösten Bund Oberland der Kaufmann Robert Leicht. 2332 Vgl. BV v. 12. 6.1931, Nr. 132; NZA v. 22. 6.1931, Nr. 89; Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 2333 Vgl. Beschwerde von Wilhelm Heizer an den Stadtkommissar Bamberg v. 13. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 2334 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 211. 2335 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 211; Remer, Bund, S. 126. 2336 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 13. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885; Remer, Bund, S. 118 f. 2337 Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 2338 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 2339 Vgl. BV 12. 6.1931, Nr. 132.
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Die Kommunistische Partei Bamberg
Heizer sowie der Referent Theo Malkmus wurden vorläufig festgenommen. 2340 Gegen Heizer wurde sodann Strafantrag gestellt und ein Gerichtsverfahren eröffnet. 2341 Der sofortige Protest und Einspruch des Rechtsanwaltes Josef Dietz half dabei nichts. 2342 Unter keinen Umständen wollten die Behörden in Bamberg eine Verbindung zwischen intellektuellen und kommunistischen Kreisen akzeptieren, wie dies in anderen Städten erfolgreich praktiziert wurde. 2343 Eine Einbindung von Teilen der städtischen Elite in das sozialistische Milieu und noch dazu auf Seiten der KPD war in Bamberg unakzeptabel. Diese Schnittmenge sollte durch den Polizeieinsatz unterbunden werden. Davon zeugte auch das Verbot einer anderen geplanten Zusammenkunft des Bundes der Freunde der Sowjetunion im Januar 1931. 2344 Sechs Monate nach dem verhinderten Treffen ließ man trotz Kenntnis über den Vortrag von Theo Malkmus die Teilnehmer zusammenkommen, um alle Sympathisanten des BdFSU zu erfassen und erst dann die Veranstaltung zu unterbinden. 2345 Weitere öffentliche Versuche für Veranstaltungen des Bundes wurden in Bamberg nicht unternommen. Im Mai 1932 endete der Prozess gegen Heizer mit einem Freispruch. 2346 Als Anwalt hatte Thomas Dehler erfolgreich die Strategie verfolgt, die Versammlung als geschlossen und privat darzulegen. 2347 In der kurzen Episode des Bundes der Freunde der Sowjetunion sind typische Merkmale für Bamberg und dessen Arbeiterbewegung zu verzeichnen. Einerseits zeigte sich das rigorose und kompromisslose Vorgehen der lokalen Behörden. 2348 Selbst gegen die friedliche Versammlung des andernorts akzeptierten Bundes wurde eingeschritten – ohne eine
solche je zugelassen zu haben. Man war an einem objektiven Urteil über die tatsächliche Propaganda und kommunistische Ausrichtung also gar nicht interessiert. Andererseits erfolgte das Hervortreten des BdFSU verhältnismäßig spät, nämlich erst 1931 und damit drei Jahre nach der allgemeinen Gründung in Deutschland. 2349 Zu diesem Zeitpunkt hatten sich infolge der ultralinken Wende viele Intellektuelle von dem Bund bereits wieder distanziert, da nun ein uneingeschränktes Bekenntnis zur Sowjetunion gefordert wurde. 2350 Die Linksextremen Bambergs hingegen liefen der allgemeinen Entwicklung hinterher und zeigten sich weniger radikal. Dies ermöglichte die parteiübergreifende friedliche Kooperation im Namen des Bundes der Freunde der Sowjetunion während einer späten Phase der Republik. Die wissenschaftliche und kulturelle Ausrichtung der kommunistischen Organisation sprach in Bamberg verschiedenste kritische Köpfe der Bamberger Gesellschaft an. Sie alle sammelten sich aus Neugier und Interesse im Sommer 1931, um das verbreitete negative Bild über die Sowjetunion und den Marxismus zu hinterfragen. Die Nachwirkungen dieses Treffens erschöpften sich nicht im Misserfolg des BdFSU in Bamberg, sondern offenbarten sich erst während des Nationalsozialismus. Als Thomas Dehler 1937 begann, in Bamberg den Widerstand im Rahmen der Robinsohn-Strassmann-Gruppe zu organisieren, konnte er auf die persönlichen Erfahrungen und Kontakte der Weimarer Republik zurückgreifen. 2351 In dieser liberalen Widerstandsgruppe vereinigte Thomas Dehler unter anderem Josef Dietz, Franz Hundt und Margarete Schuberth – allesamt Teilnehmer an der Versammlung des Bundes der
Vgl. NZ v. 22. 6.1931, Nr. 89. Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Wengst, Dehler, S. 53. 2342 Vgl. NZ v. 22. 6.1931, Nr. 89. 2343 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Remer, Bund, S. 122. 2344 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 2345 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044: „Nun war es für das Amt von Interesse zu erfahren, wer eigentlich hinter dem ‚Bund der Freunde der Sowjet-Union‘ steht. Es wurde deshalb vereinbart, dass die Polizei die Besucher der Versammlung zusammenkommen liess, dann aber unmittelbar nach Beginn der Versammlung zur Auflösung schritt. Besonderes Gewicht wurde darauf gelegt, dass die Polizei so stark auftrat, um auf jeden Fall Herr der Lage zu bleiben.“ 2346 Vgl. Wengst, Dehler, S. 53. 2347 Vgl. Wengst, Dehler, S. 53. 2348 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 2349 Vgl. Remer, Bund, S. 117–119; Wunderer, Arbeitervereine, S. 212–218. 2350 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, 213–216; Remer, Bund, S. 118 f. 2351 Vgl. Sassin, Horst R.: Liberale im Widerstand. Die Robinsohn-Strassmann-Gruppe 1934–1942 (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 30). Hamburg 1993, S. 107–111, 400 f. 2340 2341
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Das politische Sozialmilieu
Freunde der Sowjetunion 1931. 2352 Während also die mutigen und unbequemen Querdenker Bambergs Anfang der 30er Jahre den Verleumdungen gegen die Sowjetunion entgegentraten, wurden sie wenige Jahre später zur geheimen Vorbereitung eines Deutschlands nach dem Hitlerregime gebraucht. 2353
3.4.5 Die Kampfbünde der KPD: Roter Frontkämpferbund, Kampfbund gegen den Faschismus, Antifaschistische Aktion Besteht in Bamberg die kommunistische Wehrorganisation Roter Frontkämpferbund (RFB) oder nicht? An dieser Frage entzündete sich 1928 ein Schlagabtausch zwischen der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth auf der einen Seite und den Bamberger Behörden sowie der Regierung Oberfrankens auf der anderen Seite. 2354 Im Juni 1928 berichtete die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth nicht nur von der erfolgreichen Gründung des RFB im Gau Nordbayern und seiner zunehmenden Ausbreitung, sondern meldete dem Bayerischen Innenministerium in München auch den Aufbau von Ortsgruppen in Nürnberg, Aschaffenburg, Würzburg, Hof, Sulzbach und eben in Bamberg. 2355 „Unverkennbar“ 2356 seien „die Fortschritte des Roten Frontkämpferbundes sowohl hinsichtlich seines äussern Umfangs als auch seiner inneren Festigung“ 2357, betonte der Polizeidirektor Heinrich Gareis. Im Widerspruch dazu stand die Aussage des Stadtkommissars Bamberg, der etwa drei Wochen später verlauten ließ:
„Der rote Frontkämpferbund als solcher hat sich bis heute in hiesiger Stadt noch nicht gezeigt. Eine rote Jungfront existiert hier bestimmt nicht. Irgendwelche Märsche und Exerzierübungen in hiesiger Stadt und deren Umgebung haben seitens der KPD. bislang nicht stattgefunden.“ 2358
Dezidiert vermerkte auch das Polizeiamt Bamberg: „Die Meldung wegen Gründung einer Ortsgruppe in Bamberg ist jedenfalls erstattet auf Grund einer falschen Information.“ 2359 Daraufhin konterte Anfang Oktober die Nürnberger Dienststelle: „Unter Bezugnahme auf meine Mitteilung vom 3. 9. 28 gestatte ich mir darauf hinzuweisen, dass der ‚Rote Tag‘ in Nürnberg am 22. und 23. 9. 28 einen weiteren Beweis dafür erbracht hat, dass in Bamberg eine Ortsgruppe des RFB besteht und die Informationen der Polizeidirektion NürnbergFürth demnach – entgegen der Annahme des Polizeiamts Bamberg – den Tatsachen entsprachen. In dem am Sonntag, den 23. 9. 28 nachm. abgehaltenen Umzug von der Deutschherrnwiese zum Luitpoldhain war die Ortsgruppe Bamberg des RFB mit 10 Mann vertreten. Eine grosse mit Blumen umkränzte Tafel mit der Aufschrift ‚RFB-Bamberg‘ wurde durch einen uniformierten RFB-Kameraden der Bamberger Ortsgruppe getragen.“ 2360
Zusätzlich nahm die Bamberger Ortsgruppe des Roten Frontkämpferbundes drei Monate später auch an der Gaukonferenz im Dezember 1928 in Nürnberg teil. 2361 Insgesamt zählte der Kampfbund in Nordbayern zum damaligen Zeitpunkt 33 lokale
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044; Sassin, Liberale, S. 400 f.; Bald, Widerstand, S. 100–103. Vgl. Bald, Widerstand, S. 100–103. 2354 Vgl. Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an das Staatsministerium des Innern v. 8. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; Lagebericht v. 18. 6.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 726; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 26. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; Vermerk des Polizeiamts Bamberg an den Stadtkommissar Bamberg v. 22. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 26. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2.10.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; Sonderbericht v. 14.12.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 734; Lagebericht v. 27.12.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 736. 2355 Vgl. Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an das Staatsministerium des Innern v. 8. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; Lagebericht v. 18. 6.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 726; Mühldorfer, Friedbert: Roter Frontkämpferbund, 1924–1929. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp:// www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Roter Frontkämpferbund, 1924–1929i (1. 8. 2017). 2356 Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an das Staatsministerium des Innern v. 8. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969. 2357 Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an das Staatsministerium des Innern v. 8. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969. 2358 Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 26. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969. 2359 Vermerk des Polizeiamts Bamberg an den Stadtkommissar Bamberg v. 22. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969. 2360 Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2.10.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969. 2361 Vgl. Sonderbericht v. 14.12.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 734. 2352 2353
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Die Kommunistische Partei Bamberg
Vereinigungen mit etwa 1.500 Mitgliedern. 2362 Die Diskrepanz zwischen den Meldungen aus Oberfranken und Nürnberg erklärte sich vermutlich aus der unterschiedlichen Auftritts- und Verhaltenspraxis des Bundes innerhalb und außerhalb Bambergs. Während man in Nürnberg demonstrativ im Rahmen der Massenveranstaltung des Roten Tages aufmarschierte und sich der RFB-Bamberg in die Front der kommunistischen Kämpfer einreihte, agierte man in der Heimatstadt passiver, zurückhaltender und nur versteckt im Schatten der KPD. 2363 Leiter des Roten Frontkämpferbundes in Bamberg war Alex Barth, einer der führenden kommunistischen Funktionäre und seit 1930 auch Vorsitzender der Partei. 2364 Folglich entwickelte der RFB in Bamberg kein autonomes Eigenleben wie in anderen Städten, sondern blieb eine Art Unterorganisation der KPD. 2365 Die RFB-Treffen fanden vermutlich, ebenso wie die Zusammenkünfte des KJVD, im Rahmen von allgemeinen kommunistischen Versammlungen statt. Separate Ankündigungen dazu gab es jedenfalls nicht. Ebenso rekrutierte sich der Personenkreis des Bundes in Bamberg wohl ausschließlich aus Mitgliedern der KPD. Eintritte von Parteilosen oder Übertritte von Reichsbanner-Mitgliedern sind jedenfalls nicht überliefert. 2366 Schließlich war das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold schon seit 1924 erfolgreich auf dem Feld des Arbeiterkampfbundes vertreten, während der Rote Frontkämpferbund mit seiner späten Ausbreitung in Bayern die propagierte „Einheitsfront von unten“ nicht erreichte und keine neuen Schichten für den Kommunismus
gewinnen konnte. 2367 Somit kann für Bamberg eine kleine RFB-Gruppe angenommen werden, die jedoch im städtischen Bild nicht in Erscheinung trat. 2368 Aus organisatorischer Schwäche und zugleich Angst vor behördlichen Maßnahmen hielt man sich im Hintergrund. Ein uniformierter Aufmarsch der „Roten Armee“ mit etwa zehn Mann hätte auch kaum Eindruck hinterlassen und die Organisation lächerlich gemacht. Ebenso wenig zeigte sich eine Ortsgruppe der Roten Jungfront in Bamberg. 2369 Offiziell richtete diese jugendliche Variante des Wehrverbandes den Internationalen Jugendtag im September 1928 in Bamberg mit aus, doch wurden im Bericht nur für Nürnberg und Fürth solche Abteilungen in RFBUniform erwähnt. 2370 Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass Bamberg über diese Organisation verfügte. Insgesamt war die Zeitspanne der legalen Existenz des Roten Frontkämpferbundes in Bamberg äußerst kurz, denn nach dem sogenannten „Berliner Blutmai“ 1929 wurde die Organisation reichsweit verboten und aufgelöst. 2371 In Bamberg durchsuchte man daraufhin die Wohnung von Alex Barth am 13. Mai 1929 nach Papieren und Stempeln, ohne jedoch fündig zu werden. 2372 In der Folgezeit wurde der RFB illegal weitergeführt; eine Aufgabe, die wiederum Barth übernahm. 2373 Die Aktivitäten limitierten sich nun aber auf kleinere Sabotageakte vor Ort – öffentliche Demonstrationen oder Auftritte wie in Nürnberg unterblieben. 2374 Beispielsweise demolierte man im November 1931 sowohl
Vgl. Sonderbericht v. 14.12.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 734. Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 26. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; NV v. 25. 9.1928, Nr. 221; Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2.10.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969. 2364 Vgl. Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Überwachung der anarchistischen Bewegung, Kommunisten, Bd. 2, StadtABa, C 2, Nr. 57124; Öffentliche Ruhe und Sicherheit, Streiks, Politische u. Sonstige Verbrecher, Bd. 2, StadtABa, C 2, Nr. 11940. 2365 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 85–95. 2366 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 193–197. 2367 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 94. 2368 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 26. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; Schreiben des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 21. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1882. 2369 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 26. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969; Schreiben des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 21. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1882. 2370 Vgl. Lagebericht v. 11. 9.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 730. 2371 Vgl. Winkler, Schein, S. 673–679; Voigt, Kampfbünde, S. 495–500; Kurz, Blutmai, S. 68–74. 2372 Vgl. Schreiben des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 21. 5.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1882; Überwachung der anarchistischen Bewegung, Kommunisten, Bd. 2, StadtABa, C 2, Nr. 57124. 2373 Vgl. Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Mehringer, KPD, S. 51; Voigt, Kampfbünde, S. 500–503. 2374 Vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791; Mühldorfer, Frontkämpferbund. 2362 2363
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Das politische Sozialmilieu
den Aushängekasten des Freistaats als auch zwei Schaufenster des Bamberger Volksblatts. 2375 Mit Steinen warf man die Scheiben ein, an die man Zettel folgenden Inhalts befestigt hatte: „Wegen des Verbots der Neuen Zeitung! Rot Front! RFB lebt!“ 2376 Neben der geheimen Fortführung des Kampfbundes kam es außerdem zu Ersatzgründungen. 2377 In Franken wurde zunächst der Antifaschistische Schutzbund, Landeskartell Nordbayern ins Leben gerufen, der sich im Oktober 1930 dem reichsweiten Kampfbund gegen den Faschismus anschloss. 2378 Federführend in Nordbayern war wiederum der Verband in Nürnberg, dem in den nächsten Monaten weitere Orte wie Würzburg, Bayreuth, Regensburg oder Amberg folgten. 2379 Für Bamberg ordnete die Bezirksleitung im Dezember 1930 die Gründung des Kampfbundes gegen den Faschismus an, der als überparteiliche „Aktionseinheit von unten“ auch sozialdemokratische und parteilose Arbeiter gewinnen sollte und zum Ziel hatte, der NSDAP öffentlichkeitswirksam entgegen zu treten. 2380 Ein Propagandaideal, das in Bamberg nie erreicht wurde. 2381 Nach einem gewaltsamen Vorfall zwischen der nationalsozialistischen SA und Bamberger Arbeitern wiederholte die Neue Zeitung im August 1932 die Forderung nach Schaffung der kommunistischen Wehrorganisation: „Die Bamberger Arbeiterschaft muß aus diesen Vorfällen die Lehren ziehen, sofort die antifaschistische Front zu stärken und vor allem den Kampfbund gegen den Faschismus ins Leben zu rufen.“ 2382
Konkrete Anhaltspunkte für die Erfüllung dieser Vorgabe gibt es nicht. Die KPD-Bamberg blieb ohne den Kampfbund gegen den Faschismus. Dafür beteiligte man sich 1932 an der Gründung der Antifaschistischen Aktion. 2383 Diese war realiter ein Zusammenschluss aller kommunistischen Organisationen unter neuem Namen, um den Kampf gegen den Nationalsozialismus effektiver zu gestalten. 2384 Außerdem verfolgte man damit das Ziel, eine Einheitsfront aller Arbeiter zusammen mit der SPD und den Freien Gewerkschaften zu schaffen und den Fokus auf die NSDAP als gemeinsamen Hauptgegner zu richten. 2385 Otto Geyer ergriff hierzu die Initiative und vereinigte neben den Parteien KPD und KPO die Internationale Hilfsvereinigung, die Rote Hilfe, den KJVD und den Zentralverband der Arbeitsinvaliden in Bamberg. 2386 Sozialdemokratische Organisationen unterschrieben hingegen den Aufruf zur Antifaschistischen Aktion vor Ort nicht. 2387 Eine Eingliederung der SPD in die kommunistischen Reihen und in Konkurrenz zur eigenen Eisernen Front kam in Bamberg, wie in vielen anderen Städten Bayerns, nicht zustande. 2388 Folglich war diese Sammlung relativ klein und die Antifaschistische Aktion blieb ein theoretisches Konstrukt, das entgegen ihrem Namen nie in Aktion trat. Während sie bayernweit zumindest eine untergeordnete Position einnahm, spielte sie in Bamberg gar keine Rolle in der Endphase der Weimarer Republik: Weder Aufrufe noch Umzüge oder Kundgebungen sind überliefert. 2389 Alles in allem lässt sich daher in Bezug auf die
Vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791. 2377 Vgl. Winkler, Schein, S. 679. 2378 Vgl. Lagebericht v. 6. 9.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 756; Sonderbericht v. 1.11.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 778; Winkler, Katastrophe, S. 311; Voigt, Kampfbünde, S. 527–532. Umstritten ist in der Forschung die Frage, inwieweit der Kampfbund gegen den Faschismus eine Gegenmaßnahme der KPD zur Gründung der Schufos des Reichsbanners darstellte. Winkler sieht in der sozialdemokratischen Neuorganisation die wichtigste Ursache für die kommunistische Gründung, während Voigt dieser nur sekundäre Bedeutung beimisst. Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 311; Voigt, Kampfbünde, S. 527. 2379 Vgl. Sonderbericht v. 1.11.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 778; Lagebericht v. 9. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 785; Mühldorfer, Friedbert: Kampfbund gegen den Faschismus, 1930–1933. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kampfbund gegen den Faschismus, 1930–1933i (1. 8. 2017). 2380 Vgl. Lagebericht v. 9. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 785; Winkler, Katastrophe, S. 311; Mühldorfer, Kampfbund; Voigt, Kampfbünde, S. 531 f. 2381 Vgl. NZA v. 12. 8.1932, Nr. 175. 2382 NZA v. 12. 8.1932, Nr. 175. 2383 Vgl. Gründungsaufruf der Antifaschistischen Aktion Bamberg v. 1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2384 Vgl. Mühldorfer, Kampfbund; Mehringer, KPD, S. 51 f.; Voigt, Kampfbünde, S. 541–549. 2385 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 543–548; Büttner, Weimar, S. 82. 2386 Vgl. Gründungsaufruf der Antifaschistischen Aktion Bamberg v. 1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2387 Vgl. Gründungsaufruf der Antifaschistischen Aktion Bamberg v. 1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; Mehringer, KPD, S. 52. 2388 Vgl. Mehringer, KPD, S. 51 f. 2389 Vgl. Mehringer, KPD, S. 52. 2375
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Die Kommunistische Partei-Opposition Bamberg
kommunistischen Wehrorganisationen in Bamberg das Fazit ziehen: Diese waren Misserfolge. Egal ob sie unter dem Namen Roter Frontkämpferbund, Kampfbund gegen den Faschismus oder Antifaschistische Aktionseinheit agierten, gelang ihnen weder der Aufbau von Strukturen noch der Auftritt in der Stadt. Einfluss und Wirkung konnten sie so naturgemäß nicht entfalten. Bezeichnend für die Schwäche der kommunistischen Kampfbünde ist die Tatsache, dass der einzige öffentliche Auftritt
nicht in Bamberg, sondern im Schutz des „roten Nürnbergs“ stattfand. Nur mit der Rückendeckung des Gaus Nordbayern traute man sich aus dem Versteck. Galt der Rote Frontkämpferbund als „Privatarmee der KPD“ 2390, so trifft auf Bamberg nur das Präfix „Privat-“ zu, denn abgesehen von dem engsten Kreis der Bamberger Kommunisten wusste und vernahm kein Bamberger etwas von den linksextremen Wehrorganisationen.
3.5 Die Kommunistische Partei-Opposition Bamberg Durch die enge Verbindung und Abhängigkeit der Bamberger Kommunisten von der KPD-Nürnberg und der dortigen Bezirksleitung wurde die KPDBamberg umgehend in die dortige Parteikrise seit 1928 mitgerissen, die letztendlich in der Abspaltung der KPO mündete. 2391 Obschon die linken Flügelkämpfe seit 1925 Bayern nicht berührt hatten, 2392 wirkten sich die darauffolgenden Auseinandersetzungen um die „Ausschaltung der Rechten und ‚Versöhnler‘“ 2393 zur Vollendung der Stalinisierung stark auf den Gau Nordbayern aus. 2394 Da die Bamberger KPD Mitte der 1920er Jahre gemäßigt ausgerichtet war und sich kooperativ gegenüber der SPD verhielt, bargen der ultralinke Kurs und die Sozialfaschismusthese Konfliktpotenzial in sich. Schließlich bedeutete die neue Parteilinie eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis der friedlichen Koexistenz und der Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie und beendete gemeinsame Auftritte wie zum Beispiel beim Maiumzug 1927. 2395
Anders als die Parteidoktrin vorgab, sahen ein Teil der Kommunisten die größte Gefahr der Zukunft aber im Faschismus und nicht in der Sozialdemokratie – und das auch in Bamberg. 2396 Unter den Bamberger Linksradikalen verfügte der Parteivorsitzende Otto Geyer über die besten Kontakte zu Nürnberg, da er sowohl im November 1928 als auch im März 1929 als Delegierter an den Bezirkskonferenzen teilgenommen hatte und dementsprechend über die Entwicklung und Resolution des VI. Weltkongresses der Komintern zur „rechten Gefahr“ innerhalb der Partei frühzeitig und umfassend informiert war. 2397 Er war daher das erste Parteimitglied in Bamberg, das sich offensichtlich gegen die neue Ausrichtung stellte und im April 1929 von der aktuellen kommunistischen Politik distanzierte und zurückzog. 2398 Ihm folgten mit Anton Riel und Josef Dietz weitere Führungskräfte der KPD. 2399 Folglich war die Oppositionsgruppe in Bamberg personell gut aufgestellt. 2400 Dieser Vorteil
Winkler, Schein, S. 458. Vgl. Mehringer, KPD, S. 39; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 223–227. Zur KPO allgemein vgl. Bergmann, Strom; Tjaden, Karl Hermann: Struktur und Funktion der „KPD-Opposition“ (KPO). Eine organisationssoziologische Untersuchung zur „Rechts“-Opposition im deutschen Kommunismus zur Zeit der Weimarer Republik. Erlangen 1970. 2392 Allgemein zur linken Opposition der KPD sowie deren Schwäche in Nordbayern vgl. Bois, Marcel: Kommunisten gegen Hitler und Stalin. Die linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik. Eine Gesamtdarstellung. Essen 2014. 2393 Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 186. 2394 Vgl. Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 186–238; Mehringer, KPD, S. 38 f. 2395 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 2396 Vgl. Bergmann, Strom, S. 52–55, 76–78. Zur Faschismustheorie der KPO von August Thalheimer vgl. Tjaden, Struktur, S. 271–282. 2397 Vgl. Lagebericht v. 27.12.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 736; Sonderbericht v. 8. 4.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 743; Bergmann, Strom, S. 36–39; Weber, Wandlung, Bd. 1, S. 195–199. 2398 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 30. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 2399 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Personalakt Dr. Joseph Dietz, BayHStA, MJu, Nr. 20532. 2400 Vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 225; Bavaj, Riccardo: Von links gegen Weimar. Linkes antiparlamentarisches Denken in der Weimarer Republik (= Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 67). Bonn 2005, S. 130 f. 2390 2391
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Das politische Sozialmilieu
zeigte sich beim zügigen Aufbau und der Etablierung der neuen Partei. 2401 Zwei Monate nach der Gründung der KPO-Nürnberg fand in Bamberg die erste offizielle Besprechung aller aus der KPD ausgetretenen Mitglieder am 4. Mai 1930 im „Wilden Mann“ statt, die sich daraufhin zur KPOBamberg zusammenschlossen. 2402 Als Versammlungsleiter und neuer Parteivorsitzender fungierte Otto Geyer, der im Anschluss daran aus der KPD verbannt wurde. 2403 Zweiter Vorsitzender der KPO wurde der Bildhauer Anton Riel. 2404 In den nächsten Monaten trugen beide kommunistischen Parteien harte Kämpfe um ihre Mitglieder, die richtigen Positionen und Maßnahmen aus, die oftmals sehr emotional aufgeladen waren und zudem auf persönlicher Ebene ausgetragen wurden. 2405 Auf einer Wahlversammlung der KPD im August 1930 kam es beispielsweise zu einem Wortgefecht zwischen Otto (Jodokus) Geyer (KPO) und Georg Böhm (KPD): „Der Führer der kommunistischen Opposition Jodokus Geyer, welcher mit 14 Mann anwesend war, trat als Diskussionsredner auf. Er ging jedoch nicht auf die Ausführungen seines Vorredners ein, sondern behandelte lediglich seinen ungerechtfertigten Ausschluss aus der Ortsgruppe Bamberg. Als Geyer interne Parteiangelegenheiten besprechen wollte, wurde ihm vom Versammlungsleiter Böhm das Wort entzogen. Geyer liess sich aber zunächst nicht
beirren, weshalb er vom Vorstandstisch aus mit Schwindler und Lügner betitelt wurde. Daraufhin erklärte Geyer, dass die KPD Ortsgruppe Bamberg zum grössten Teil auch nur aus Lumpen zusammengesetzt ist und forderte die anwesenden Kommunisten auf, weil er vorher mit Schlägen bedroht wurde, nur her zu ihm zu gehen, er werde sich schon zu verteidigen wissen.“ 2406
Abgesehen von den persönlichen Konflikten ging es in den Zusammenkünften der KPO um die allgemeinen Probleme der Arbeitslosigkeit und Weltwirtschaftskrise, aber besonders beschäftigte man sich mit der linken Einheitsfront – eine der Kernforderungen der KPO. 2407 Dieses Thema traf in Bamberg den wunden Punkt des Arbeitermilieus: Während bei manchen Veranstaltungen der KPO kein Diskussionsredner der anderen linken Parteien auftrat, erschienen sowohl die SPD als auch die KPD April 1931, als eine öffentlichen Versammlung zum Thema „Parlamentsbankrott – die Zerrissenheit der Arbeiterklasse – der Weg in die Einigkeit“ stattfand. 2408 Für die Sozialdemokraten bezog Wilhelm Aron argumentativ gegen die KPO Stellung, wohingegen Wilhelm Hellmann (KPD) die Mitglieder der KPO als „Arbeiterverräter“ 2409 beschimpfte. 2410 Durch den Auftritt Hellmanns offenbarte sich ein Unterscheidungsmerkmal zwischen den kommunistischen Parteien in Bamberg, denn stärker als die KPD achtete die KPO darauf, sachliche und disziplinierte Versammlungen mit freier
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 2402 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; FS v. 8. 5.1930, Nr. 104. 2403 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 8.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; FS v. 22.1.1931, Nr. 17; Gründungsaufruf der Antifaschistischen Aktion Bamberg v. 1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2404 Vgl. Bericht der Bayerischen Politischen Polizei an das Geheime Staatspolizeiamt v. 27. 7.1934, BArch, R 58, Nr. 3230; Karteikarte Anton Riel, BArch, Kartei zu Personen des antifaschistischen Widerstandskampfes. 2405 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 8.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 223 f.; Bergmann, Strom, S. 97. 2406 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 8.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 2407 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Bavaj, von links, S. 130 f.; Bergmann, Strom, S. 55–58, 84–86. 2408 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Bois, Kommunisten, S. 529 f.; Büttner, Weimar, S. 82. 2409 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2410 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. Zu den Ausführungen von Wilhelm Aron heißt es im Bericht lediglich: „Seine Ausführungen waren sehr verworren und er zeigte damit, dass er von der Politik noch herzlich wenig versteht.“ 2401
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Die Kommunistische Partei-Opposition Bamberg
Diskussion abzuhalten. 2411 Diese Taktik stieß auf Zuspruch und hatte zur Folge, dass KPO-Versammlungen seltener als KPD-Veranstaltungen verboten wurden, da erstere meist ruhig verliefen und störungsfrei beendet wurden. 2412 Vor allem 1930 und 1931 wuchs die Opposition in Bamberg zu einer ernsthaften kommunistischen Konkurrenz vor Ort an, denn zu ihren Treffen erschienen beständig zwischen 50 und 90 Personen. 2413 Dabei etablierte sich die Brauerei „Weiße Taube“ im Zinkenwörth zu einer Art Parteilokal und die KPO rückte damit in die Innenstadt und Nähe zur SPD-Zentrale vor. 2414 Die KPD sah sich hingegen in der Defensive und versuchte mit hetzerischen Artikeln in der Neuen Zeitung die neue Parteirichtung zu diskreditieren und insbesondere Geyer und Riel in Verruf zu bringen. 2415 Die Organisationserfolge der KPO bewirkten zudem, dass namhafte Redner die Regnitzstadt besuchten und somit zur Attraktivität der Partei beitrugen. 2416 1930 besuchte Erich Hausen von der Reichsleitung die Bamberger Ortsgruppe im Wahlkampf. 2417 Gleichfalls gehörten die Referenten August Thalheimer und Hans Beck zu den höchsten Führungskräften der KPO und traten 1931 auf. 2418 Thalheimer und Hausen waren überdies Heraus-
geber der KPO-Zeitschrift Gegen den Strom und Hans Beck als Redakteur der KPO-Tageszeitung Arbeiterpolitik tätig. 2419 Obwohl Bamberg ebenso wenig wie Franken ein KPO-Zentrum war, 2420 verfügte die Ortsgruppe über gute Kontakte und Beziehungen innerhalb der reichsweiten Organisation. So schafften es die Bamberger Oppositionellen ein solides Fundament ihrer Partei aufzubauen, das verhältnismäßig lange Bestand hatte und bis 1933 wirksam blieb. 2421 Als verfrüht erwies sich dagegen die Meldung der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth, die bereits im Herbst 1930 in ihrem Lagebericht den Niedergang der KPO mit folgenden Worten angekündigt hatte: „Die KPD-Opposition in Nordbayern (ein kleiner Kreis um Karl Grönsfelder – Nürnberg) vegetiert noch dahin und macht sich in der Hauptsache durch einen lebhaften Papierkrieg (‚Rundschreiben‘) gegen die KPD bemerkbar.“ 2422
Im genannten Bericht waren nur noch zwei Versammlungen der KPO verzeichnet, nämlich in Nürnberg und eben in Bamberg. 2423 Diese Entwicklung setzte sich 1931 fort: Im April galt die kommunistische Opposition in Nordbayern als „voll-
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9. 1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Bergmann, Strom, S. 78. 2412 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; FS v. 22.1.1931, Nr. 17; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 2.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1880. 2413 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9. 1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2414 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; FS v. 22.1.1931, Nr. 17. 2415 Vgl. NZA v. 26. 5.1930, Nr. 119; NZA v. 14. 6.1930, Nr. 134. 2416 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2417 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Weber/Herbst, Kommunisten, S. 291 f. 2418 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Weber/ Herbst, Kommunisten, S. 79 f., 785–787. 2419 Vgl. Tjaden, Struktur, S. 128–136. 2420 Vgl. Bavaj, von links, S. 131; Tjaden, Struktur, S. 119–121. Die Hochburgen der KPO lagen in Thüringen, Sachsen, Hessen, Württemberg, Berlin und im Ruhrgebiet. 2421 Vgl. Lagebericht v. 6.10.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 775; Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; Verbot der KPO-Veranstaltung mit Heinrich Brandler im Januar 1933, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2422 Lagebericht v. 6.10.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 775; vgl. Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 327. 2423 Vgl. Lagebericht v. 6.10.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 775. 2411
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kommen bedeutungslos“ 2424. Wiederum fanden lediglich zwei öffentliche Veranstaltungen statt und erneut bildete Bamberg, dieses Mal neben Röthenbach an der Pegnitz, eine der beiden Ausnahmen. 2425 Der KPO-Leiter Paul Frölich sprach vor 68 Zuhörern im Saal der „Weißen Taube“ über „Faschistenterror und Bergarbeiterkampf“. 2426 Somit war abermals ein bekannter Spitzenfunktionär in Bamberg aufgetreten. 2427 Die Bedeutung der KPO-Bamberg kann man außerdem daran ermessen, dass die Ortsgruppe Nürnberg bei ihrer Weihnachtsfeier Ende 1930 „nur“ etwa 120 Teilnehmer zählte, während Bamberg einen Monat später fast 70 Anhänger mobilisierte. 2428 Präzisere Angaben zu Mitgliederzahlen fehlen jedoch für die bayerischen Gaue. 2429 Dennoch wird ersichtlich, dass die Differenz zwischen der mittelfränkischen Metropole und der oberfränkischen Domstadt hinsichtlich der KPO relativ gering ausgeprägt war. Bamberg hatte den Status einer regionalen Bastion der Kommunistischen Partei-Opposition in Nordbayern. Nicht nur die regelmäßigen Versammlungen und die hochrangigen Redner lassen darauf schließen, sondern auch die ortseigene Zeitung Der rote Scheinwerfer, die seit April 1931 in Bamberg erschien. 2430 Insgesamt sind hiervon drei Exemplare überliefert, die sich alle aus elf bis 13 kleinformatigen Seiten zusammensetzen. 2431 Herausgegeben wurde das Parteiblatt von Otto Geyer, der zusammen mit Anton Riel die Re-
daktion bildete und das Organ für 10 Pfennige verkaufte. 2432 Neben normalen Ausgaben gab es zusätzlich Sonderausgaben wie beispielsweise zum 1. Mai 1932. 2433 Aufgrund einer Beschlagnahmung durch den Stadtkommissar Bamberg wurde außerdem die Auflagenhöhe bekannt: 274 Exemplare waren im Mai 1931 gedruckt worden. 2434 Gemessen an der Mitgliederzahl, die deutschlandweit auf maximal etwa 6.000 im Jahr 1930 angegeben wurde, war dies eine gewichtige Anzahl. 2435 Wie das später gegründete Rote Echo der KPD war Der rote Scheinwerfer eine Kombination aus maschinenschriftlichen Texten, Zeichnungen und Karikaturen sowie handgeschriebenen Überschriften. 2436 Die unprofessionelle Herstellung mit geringen finanziellen und technischen Mitteln trat deutlich hervor. Als Erkennungsmerkmal und Logo diente ein in der linken unteren Ecke nach oben rechts gerichteter Scheinwerfer. Außerdem befand sich auf der Titelseite ein kleines Inhaltsverzeichnis. Von seinem Erscheinungsbild her ähnelte Der rote Scheinwerfer zwar der lokalen KPD-Zeitung, allerdings war er vom Umfang her doppelt so groß, abwechslungsreicher aufgebaut, strukturierter und informativer. Auf der zweiten Seite wurde jeweils ein „proletarisches“ Gedicht veröffentlicht, das beispielsweise Klassenunterschiede sowie die Armut und Ausbeutung der Arbeiter thematisierte. 2437 Es folgten die eigentlichen Artikel, die sowohl reichs- als auch lokalpolitische Vorgänge behandelten und diese im
Lagebericht v. 9. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 785. Vgl. Lagebericht v. 9. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 785; FS v. 22.1.1931, Nr. 17. 2426 Vgl. FS v. 22.1.1931, Nr. 17. 2427 Vgl. FS v. 22.1.1931, Nr. 17; Weber/Herbst, Kommunisten, S. 223–225. 2428 Vgl. Lagebericht v. 9. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 785. 2429 Vgl. Tjaden, Struktur, S. 119 f.; Mehringer, KPD, S. 39. 2430 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Tjaden, Struktur, S. 138 f.; Bergmann, Strom, S. 194. 2431 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2432 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2433 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2434 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2435 Vgl. Tjaden, Struktur, S. 118–120; Bergmann, Strom, S. 166 f.; Bavaj, von links, S. 131; Winkler, Schein, S. 670. Die KPO gab auf ihrer dritten Reichskonferenz im Dezember 1930 selbst die Mitgliederzahl von 6.085 an. Möglicherweise war diese Zahl aus propagandistischen Zwecken übertrieben. In der Forschung divergieren die Einschätzungen zur wirklichen Mitgliederzahl sehr stark zwischen den Zahlen 3.500 und 6.000. 2436 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2437 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. Die Titel der Gedichte lauteten: „I. und III. Klasse“, „Knüppel aus dem Sack“ und „Was ist gottlos?“. Der Verfasser wurde nicht genannt. 2424 2425
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Sinne der kommunistischen Propaganda deuteten. 2438 Die Mehrheit der Texte richtete sich gegen die NSDAP, wie beispielsweise die Berichte „Adolf der Einzige“, „Göbbels vor Gericht“ oder „Hintergründe der S. A. Revolte“. 2439 Man wurde also dem theoretischen Postulat der KPO gerecht, vorrangig den Nationalsozialismus zu bekämpfen. 2440 Des Weiteren polemisierte man gegen die SPD, die KPD und gegen die mit ihr verbundene Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition (RGO) und den KJVD. 2441 So behandelte ein Artikel „Die Bamberger RGO Hampelmänner heben den Betriebsfaschismus aus der Taufe“ die verfehlte Gewerkschaftspolitik von Alex Barth und der RGO und rief dazu auf, die Spaltung der Freien Gewerkschaften zu verhindern. 2442 Außerdem lag ein Schwerpunkt des Presseorgans auf der Kirchenkritik und diese wurde durch Werbung und Beitrittsaufforderungen für den Freidenker-Verband ergänzt. 2443 Einer der antireligiösen Artikel namens „Der Papst lebt herrlich in der Welt“ veranlasste die Behörden 1931 gegen die KPO-Zeitschrift vorzugehen und die gesamte Auflage einzubehalten. 2444 Als Gründe gab das Stadtkommissariat an, dass „durch den bezeichneten Artikel […] die kath. Kirche, das Papsttum, die Heiligen- insbes. die Marienverehrung beschimpft und verächtlich gemacht [würden]“. 2445 Geyer und Riel wehrten sich prompt mit offiziellen Beschwerden bei der Regierung von Oberfranken. 2446 Mit zwei Hauptargumenten widersprachen sie dem Verbot: Einerseits sei der Artikel wörtlich
aus der KPO-Tageszeitung Arbeiterpolitik entnommen worden und hätte die dortige Zensur passiert. 2447 Andererseits würde der Stadtkommissar mit seinem Vorgehen die Autorität der Regierung untergraben, wenn er andere Maßstäbe ansetzte als die Staatsgewalt in Berlin. 2448 Zugleich boten sie aber einen Kompromiss an, der für beide Seiten Vorteile bot: „Sollte sich das Stadtkommissariat und die Regierung auf den Standpunkt stellen, daß fraglicher Artikel auf Grund bayerischer Verhältnisse Anstoß errege, so haben wir bereits das Stadtkommissariat darauf hingewiesen, daß fraglicher Artikel unbrauchbar gemacht oder aus der Zeitung genommen wird.“ 2449
Tatsächlich ging Regierungspräsident Strößenreuther am 18. Mai 1931 auf diesen Vorschlag ein und gestattete die Herausgabe des roten Scheinwerfers unter der Auflage, den beanstandeten Artikel zu entfernen. 2450 Die KPO-Bamberg hatte durch ihren besonnenen Kurs einen Teilerfolg erzielt und konnte den roten Scheinwerfer mit Verzögerung und einer Entschuldigung an die Leserschaft publizieren. 2451 Im Mai 1932 führte erneut ein antichristlicher Beitrag zum Verbot der Zeitung. 2452 Gerade die religiösen Strukturen und Verhaltensweisen waren für die KPO-Bamberg unakzeptabel, sodass sie trotz der Schwierigkeiten und der Zensur nicht von deren Kritik in ihrem eigenen Presseorgan abließ.
Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2439 Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2440 Vgl. Bergmann, Strom, S. 84 f., 108. 2441 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Tjaden, Struktur, S. 224– 230. 2442 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2443 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2444 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2445 Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2446 Vgl. Schreiben von Anton Riel an die Regierung von Oberfranken v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Schreiben von Otto Geyer und Anton Riel an die Regierung von Oberfranken v. 17. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2447 Vgl. Schreiben von Anton Riel an die Regierung von Oberfranken v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Schreiben von Otto Geyer und Anton Riel an die Regierung von Oberfranken v. 17. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Tjaden, Struktur, S. 132–136. 2448 Vgl. Schreiben von Anton Riel an die Regierung von Oberfranken v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Schreiben von Otto Geyer und Anton Riel an die Regierung von Oberfranken v. 17. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2449 Schreiben von Anton Riel an die Regierung von Oberfranken v. 15. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2450 Vgl. Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an den Stadtkommissar Bamberg v. 18. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 2451 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2452 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 9. 5.1932, StABa, K 3/1967, Nr. 4962. 2438
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Weitere Elemente der Zeitung waren politische Karikaturen, Witze und ein Anzeigenteil auf den letzten beiden Seiten. 2453 Dieser umfasste sowohl bekannte Inserenten, die auch im Freistaat oder den KPD-Zeitungen auftauchten, als auch neue Namen. 2454 Darüber hinaus wechselten manche frühere Geschäftsleute wohl ebenso wie die Parteimitglieder von der KPD zur KPO: Der Schuhhändler Hans Hofstädter hatte 1927 noch in der Nordbayerischen Volkszeitung geworben, diese Anzeigen ab 1928 nach der ultralinken Wende jedoch eingestellt und brachte sich erst 1931 im roten Scheinwerfer wieder mit einer Annonce ein. 2455 All dies verdeutlicht, dass das Arbeitermilieu in Bamberg für gemäßigte und versöhnliche Positionen selbst am Ende der Weimarer Republik leichter
zu gewinnen war als für radikale Parolen. Überlegtes und beherrschtes Handeln sowie ein Miteinander statt des Gegeneinanders wurden von der Arbeiterbewegung honoriert. Zudem ist das verhältnismäßig lange Wirken und Bestehen der KPOOrtsgruppe bis 1933 ein Indiz dafür, dass viele Angehörige des sozialistischen Milieus weder in der SPD noch in der KPD Anfang der 1930er ihre politische Heimat gefunden hatten. 2456 Sie waren auf der Suche nach einem Mittelweg, den zeitweise die KPO bot. Deren Bamberger Ortsgruppe vertrat klar zwei Positionen: Die NSDAP musste an erster Stelle bekämpft werden und die Macht der Kirche galt es einzudämmen. Mit diesem Standpunkt erreichte man verhältnismäßig viele Angehörige des Arbeitermilieus.
Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; FS v. 1. 2.1932, Nr. 25; NZA v. 23.1.1931, Nr. 17. Zu den bereits erwähnten Inserenten zählt Josef Leicht, der sowohl im Freistaat als auch in der Neuen Zeitung und zusätzlich im Roten Scheinwerfer Anzeigen für sein Malergeschäft schaltete und somit alle linken Parteizeitungen bediente. Neu und erstmals tauchten hingegen auf: Betty Leuxner mit einem Spezereiwaren-Laden in der Erlichstraße und der Friseur Anton Vogel in der Unteren Sandstraße. 2455 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 1, StadtABa, BS, Nr. 2835; NV v. 18. 2.1927, Nr. 41; NV v. 29. 4.1927, Nr. 99. 2456 Vgl. Verbot der KPO-Veranstaltung mit Heinrich Brandler im Januar 1933, StadtABa, BS, Nr. 2835. 2453
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4 Das sozialistische Organisationsmilieu 4.1 Die Freien Gewerkschaften Gewerkschaftlich organisiert zu sein, erschöpfte sich nicht in der Arbeits-, Betriebs- und Wirtschaftspolitik, sondern beinhaltete ebenso kulturelle, pädagogische, soziale und gesellige Komponenten. 1 Es kam nicht nur darauf an, bei Lohn- und Arbeitskämpfen zusammenzustehen, sondern fortwährend pflegte man Solidarität und Gemeinschaftsgeist im Rahmen der Arbeitnehmervertretungen. In den Fokus rückte dieser Aspekt vor allem beim alljährlichen Gewerkschaftsfest, wie der Bericht aus dem Jahr 1926 zeigt: „Das Fest der freien Gewerkschaften, das am gestrigen Sonntag nachmittags ab 3 Uhr in den Gartenlokalitäten der ‚Weißen Taube‘ stattfand, nahm bei außerordentlich gutem Besuch einen glänzenden Verlauf. Alle Kollegen und Kolleginnen hatten sich mit ihren Familienangehörigen im schön geschmückten Garten zusammengefunden. […] Der reichausgestattete Glückshafen hatte einen regen Absatz; für die Kinder wurden Kinderbelustigungen durchgeführt, welche hellen Jubel und große Begeisterung auslösten. Alles in allem war, wie alljährlich, so auch diesmal das Gewerkschaftsfest dazu angetan, das Zusammengehörigkeitsgefühl der arbeitenden Klasse zu fördern und sie zu noch engerem Zusammenschluß im Rahmen ihrer Berufsorganisationen zu veranlassen.“ 2
Die Mitgliedschaft in den Freien Gewerkschaften prägte demnach nicht nur das Berufsleben, sondern griff in viele verschiedene – auch private – Lebensbereiche über. 3 Aufgrund der wirtschaftlichen Diversifizierung und der zahlreichen Klein- und Mittelbetriebe in Bamberg war die Verbindung und Zusammenführung der Arbeiterbewegung durch die Organisation und Einrichtungen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) 4 von essenzieller Bedeutung. 5 Schließlich schufen weder eine gemeinsame Arbeitswelt in Großbetrieben noch die gespaltenen linken Parteien die konstante Basis des Arbeitermilieus, sondern die Freien Gewerkschaften führten während der Weimarer Republik alle roten Fäden in Bamberg zusammen: Sozialdemokraten und Kommunisten, Arbeitersportler und Arbeitersänger, Theaterbesucher und Jugend – sie alle waren gewerkschaftlich miteinander verbunden. 6 Die Einzelgewerkschaften des ADGB reichten in Bamberg von den Sattlern über die Hutmacher und Tabakarbeiter bis zu den Malern, Brauerei- und Textilarbeitern. 7 Insgesamt existierten zwischen 35 (1920) und 29 (1933) Verbände der Freien Gewerkschaften in Bamberg. 8 Sie alle waren im Ortskartell zusammengeschlossen, das dem Bundesvorstand des zentralistisch ausgerichte-
Vgl. Schönhoven, Klaus: Geschichte der Gewerkschaften in Bayern: Forschungsergebnisse und Fragestellungen. In: Acht Stunden sind kein Tag. Geschichte der Gewerkschaften in Bayern (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 34). Hg. v. L. Eiber/R. Riepertinger/ E. Brockhoff. Augsburg 1997, S. 27. 2 FS v. 12. 7.1926, Nr. 155. 3 Vgl. Schönhoven, Geschichte, S. 27. 4 Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund war auf dem Kongress am 5. Juli 1919 in Nürnberg als Dachverband aller Einzelgewerkschaften gegründet worden, löste die frühere Generalkommission ab und stellte während der Weimarer Republik die übergeordnete Organisation der Freien Gewerkschaften dar. Vgl. Brunner, Detlev: Bürokratie und Politik des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes 1918/19 bis 1933 (= Schriftenreihe der Otto Brenner Stiftung, Bd. 55). Frankfurt am Main 1992, S. 57–59; Schneider, Gewerkschaften, S. 155–157. 5 Vgl. Schönhoven, Geschichte, S. 29. 6 Vgl. Gewerkschaften, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; FS v. 31. 8.1921, Nr. 199; FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 29. 3.1926, Nr. 72; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 3.12.1931, Nr. 278; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 5.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1869; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; Mallmann, Radikalismus, S. 9. 7 Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18. 8 Vgl. FS v. 5. 3.1920, Nr. 54; Schneider, Milieu, S. 58; Eintrag v. 3. 5.1933, StadtABa, BS, Nr. 6941. Die Anzahl der Einzelverbände nahm durch Zusammenschlüsse einzelner Berufsorganisationen reichsweit im Laufe der Weimarer Republik ab. Dies war eine Konsequenz aus dem 1922 beschlossenen Weg von den Berufsorganisationen zum Industrieverband. Vgl. Winkler, Revolution, S. 419 f.; Winkler, Schein, S. 227 f.; Potthoff, Heinrich: Freie Gewerkschaften 1928–1933. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund in der Weimarer Republik (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 82). Düsseldorf 1987, S. 38–42. 1
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Das sozialistische Organisationsmilieu
ten ADGB als Untereinheit diente. 9 Offiziell nannten sich die regionalen Zusammenschlüsse seit 1919 Ortsausschüsse, doch in Bamberg führte man den früheren Namen „Gewerkschaftskartell“ aus dem Kaiserreich weiter. 10 Die zahlenmäßig stärksten Gewerkschaftsgruppen stellten die Bau-, Textil-, Holzund Metallarbeiter. 11 Insgesamt waren die Freien Gewerkschaften mit mehreren tausend Mitgliedern die größte linke Massenorganisation in Bamberg. 12 Ihre Entwicklungskurve glich den deutschlandweiten Phasen: Nach der offiziellen Anerkennung der Gewerkschaften durch die Arbeitgeber im StinnesLegien-Abkommen vom 15. November 1918 erlebten sie eine Hochphase am Anfang der Weimarer Republik. 13 Darauf folgte ein drastischer Niedergang ab 1923, der von einer Phase der Stabilität und des langsamen Aufstiegs abgelöst wurde, bevor die Mitgliederzahlen im Laufe der Weltwirtschaftskrise wieder sanken. 14 So zählten die Freien Gewerkschaften Bambergs im November 1919 etwa 7.000 Arbeitnehmer; diese vermehrten sich 1921 auf 8.500 und erreichten 1922 mit 10.025 ihren Spitzenwert. 15 Während diese organisatorischen Erfolgsmeldungen bereitwillig der Öffentlichkeit mitgeteilt wurden, schwieg man über die genauen Zahlen bzw. Verluste der nächsten Jahre. 16 Zur Jahresgeneralversammlung im März 1925 hieß es: „Die Gewerkschaften Bambergs haben die schlimmste Zeit hinter sich. Alle Organisationen können Mitgliederzuwachs aufweisen.“ 17 Diese Angabe ohne
weitere Details diente der Verschleierung des tatsächlichen Niedergangs. 18 Ähnlich vage blieb man auch im Jahresbericht 1926 und sprach erneut von einem „Mitgliederzuwachs“ – gemessen allerdings am Wert von 1924. 19 Erst 1928 publizierte man wieder genaue Zahlen: 6.617 abgerechnete Beitragsmarken und eine 18 % Steigerung an Mitgliedern verzeichnete der Kassenbericht. 20 Bis zum Beginn der Wirtschaftskrise stiegen die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter des ADGB in Bamberg auf 7.796 an, sodass man nochmals ähnliche Werte wie 1919/20 erreichte. 21 Über den Niedergang während der Weltwirtschaftskrise fehlen hingegen erneut Zahlen für Bamberg. 22 Trotz dieser großen Schwankungen in der Mitgliederentwicklung blieb der ADGB fortwährend die wichtigste Arbeitnehmervertretung in Bamberg. 23 Die christlichen Gewerkschaften folgten an zweiter Stelle mit deutlichem Abstand: Sie zählten 1929 beispielsweise 1.882 Mitglieder. 24 In Anbetracht dieser linken Dominanz tolerierte das Bamberger Ordinariat teilweise sogar die Zugehörigkeit der Kirchenmitglieder in den Freien Gewerkschaften. 25 Die dritte Richtung der liberalen Gewerkschaften spielte allgemein in Bayern nur eine marginale Rolle; Mitgliederzahlen hierzu fehlen für Bamberg. 26
Vgl. Brunner, Bürokratie, S. 63–65; Schneider, Gewerkschaften, S. 156. Vgl. Gewerkschaften, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; Brunner, Bürokratie, S. 63. 11 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; FS v. 1. 4.1925, Nr. 75; FS v. 1. 7.1926, Nr. 146. 12 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; Gewerkschaften, StadtABa, BS, Nr. 6941. 13 Vgl. Büttner, Weimar, S. 51 f.; Butterwegge, Krise, S. 48 f. 14 Vgl. Büttner, Weimar, S. 226; Potthoff, Gewerkschaften, S. 42–44. 15 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; FS v. 14. 4.1923, Nr. 85; Schneider, Milieu, S. 58–62. 16 Vgl. FS v. 29. 3.1926, Nr. 72; Schneider, Milieu, S. 63 f.; Beiersdorfer, Milieu, S. 52; Potthoff, Gewerkschaften, S. 43. Allgemein erreichte der ADGB im Dezember 1924 mit etwa vier Millionen seinen absoluten Tiefstand, während man 1922 noch fast acht Millionen eingeschriebene Gewerkschafter gezählt hatte. Vgl. Winkler, Schein, S. 466. 17 FS v. 25. 3.1925, Nr. 69. 18 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 1. 19 Vgl. FS v. 29. 3.1926, Nr. 72. 20 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; Potthoff, Gewerkschaften, S. 44. 21 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941; Schneider, Milieu, S. 58 f. 22 Vgl. Gewerkschaften, StadtABa, BS, Nr. 6941; Potthoff, Gewerkschaften, S. 44 f. 23 Vgl. Göldel, Carolin: Kontinuität oder Neubeginn. Die Katholische Arbeiterbewegung im Erzbistum Bamberg während der Weimarer Republik und in der Nachkriegszeit. In: Interessenvertretung in göttlicher Ordnung? Katholische Gewerkschaftspolitik nach 1945 zwischen Politik und Seelsorge. Hg. v. H. Ludwig/W. Schroeder. Düsseldorf 1993, S. 26–28, 35–39; Krenn, Dorit-Maria: Die christliche Arbeiterbewegung in Bayern vom Ersten Weltkrieg bis 1933 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 57). Mainz 1991, S. 554–556. 24 Vgl. Göldel, Kontinuität, S. 28. 25 Vgl. Göldel, Kontinuität, S. 38 f. 26 Vgl. Schönhoven, Geschichte, S. 29. 9
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Die Freien Gewerkschaften
4.1.1 Die gewerkschaftlichen Einrichtungen: Bibliothek und Arbeitersekretariat Die zentrale Arbeiterbibliothek wurde in Bamberg nicht von der SPD, sondern von den Freien Gewerkschaften betrieben und verwaltet. 27 Sonntags zwischen 10 und 12 Uhr fanden die sogenannten Ausgabestunden statt und im Geschäftsjahr 1927 verzeichnete man beispielsweise 3.820 Ausleihen. 28 Als Bibliothekar wirkte der Brauer Josef Grassl, der wiederholt Anträge für Neuanschaffungen auf den Kartellversammlungen stellte. 29 Überdies bemühte man sich in Jugendversammlungen, den Nachwuchs zur Benutzung der Bücherei zu animieren. 30 Die Bibliothek war eine der beständigen Einrichtungen der Gewerkschaften vor Ort, wichtiger jedoch war das Arbeitersekretariat. 31 Bis 1919 standen beide Stellen den Mitgliedern zu den selben Öffnungszeiten zur Verfügung, doch durch den starken Zuwachs der Gewerkschaften am Anfang der Weimarer Republik war dies nicht mehr praktikabel und im Sommer 1919 trennte man die Besuchszeiten voneinander. 32 Als Sekretär fungierte zunächst Konrad Mörsberger, der diesen Posten noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 1. April 1914 erhalten hatte. 33 Im Mai 1919 wechselte er als Angestellter in die Gauleitung des Holzarbeiterverbandes nach Nürnberg und ihm folgte für etwa ein Jahr Ernst Straub nach, der anschließend zum Vorstand des Allgemeinen Konsumvereins gewählt wurde. 34
Daraufhin wurde die Stelle im Freistaat am 1. März 1920 wieder neu ausgeschrieben: „Arbeitersekretär gesucht. Das Gewerkschaftskartell Bamberg sucht zum sofortigen Eintritt einen Arbeitersekretär. Reflektiert wird nur auf eine tüchtige, erfahrene Kraft, die in der Lage ist, alle Rechtsauskünfte zu erteilen und Vertretungen zu übernehmen.“ 35
Die Wahl fiel auf den gelernten Tüncher Hans Rösch, der 1874 in Bamberg geboren war, als Vorsitzender des Deutschen Malerverbandes Erfahrungen in der Arbeitnehmervertretung gesammelt hatte und seit 1919 für die SPD im Stadtrat saß. 36 Er erfüllte damit das ungeschriebene Gesetz, sich zunächst ehrenamtlich innerhalb der Gewerkschaftsbewegung betätigt zu haben, bevor er zum Angestellten befördert wurde. 37 Damit hatte er den Karriereweg der alten Sorte beschritten: Vom gelernten Handwerker und Praktiker war er ohne Ausbildung und Schulung zum hauptamtlichen Funktionär aufgestiegen und hatte sich stets innerhalb der Arbeiterorganisationen hochgearbeitet. 38 Ihm oblag es, „den Mitgliedern der freien Gewerkschaften Rat und Hilfe zu gewähren“ 39 und als „Berater und Helfer“ 40 der Arbeitenden zu wirken. Seine Aufgaben umfassten die Auskunftserteilung zu den Sozialversicherungen, also zu der Kranken-, Invaliden- und Unfallversicherung sowie seit 1927 zu der Arbeitslosenversicherung. 41 Auf juristischem Gebiet war er
Vgl. Gewerkschaften, StadtABa, BS, Nr. 6941; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 56–67. Im Unterschied zu Bamberg dominierten beispielsweise in Leipzig die parteieigenen Bibliotheken der Sozialdemokratie, während auch in Dresden und Berlin die Büchereien in den Händen der Gewerkschaften lagen. 28 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941. 29 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 23. 3.1929, StadtABa, BS, Nr. 6941. 30 Vgl. FS v. 6. 2.1923, Nr. 30. 31 Vgl. FV v. 23.12.1918, Nr. 297; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 32 Vgl. FV v. 23.12.1918, Nr. 297; FV v. 8.1.1919, Nr. 5; FS v. 16. 6.1919, Nr. 55; FS v. 1. 8.1919, Nr. 93; Potthoff, Gewerkschaften, S. 42 f. 33 Vgl. Schreiben zum Fall von Konrad Mörsberger v. 27.7.1914, StadtABa, C 2, Nr. 4182. 34 Vgl. FS v. 10. 4.1919, Nr. 3; FS v. 1. 7.1919, Nr. 67; FS v. 5. 3.1920, Nr. 54; FS v. 1. 4.1930, Nr. 75; Schneider, Milieu, S. 31, 59. 35 FS v. 1. 3.1920, Nr. 50. 36 Vgl. Einwohnermeldekarte Johann Rösch, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Eintrag zum 9.1.1933, StadtABa, BS, Nr. 6941. 37 Vgl. Brunner, Bürokratie, S. 90 f. 38 Vgl. Eintrag zum 9.1.1933, StadtABa, BS, Nr. 6941; Brunner, Bürokratie, S. 87–95. 39 FS v. 2.10.1922, Nr. 226. 40 FS v. 1. 4.1921, Nr. 77. 41 Vgl. FS v. 30. 4.1925, Nr. 98; FS v. 10. 4.1928, Nr. 82; Winkler, Schein, S. 311–314. 27
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Das sozialistische Organisationsmilieu
für Fragen des Arbeitsrechts und für die Vertretung der Mitglieder vor dem Arbeitsgericht oder bei Tarif- und Schlichtungsverfahren zuständig. 42 Darüber hinaus half er bei „Mietstreitigkeiten, Gemeinde-, Steuer-, Militärrenten-, Dienstbotenangelegenheiten“ 43. Sowohl Bamberger als auch Bewohner des Umlands konnten sich persönlich oder schriftlich an den Arbeitersekretär wenden; für Beratungen war nicht einmal eine Mitgliedschaft notwendig, sondern die „unentgeltliche Auskunftserteilung an jedermann“ 44 stand auch Personengruppen außerhalb des Arbeitsprozesses wie Kriegsversehrten, Invaliden, Sozialrentnern und Witwen zur Verfügung. 45 Dieses umfassende Angebot wurde rege genutzt, sodass das Arbeitersekretariat beispielsweise 5.561 Mal (1920) oder 2.317 Mal (1927) persönliche Informationen erteilte. 46 Die Vertretungen vor Rechtsinstanzen bewegten sich in Bamberg bei circa 100 pro Jahr. 47 Die örtliche Statistik zeigt, dass sowohl die Institution des Arbeitersekretariats als auch die Person Hans Rösch in Bamberg geschätzt wurden und anerkannt waren. 48 Als „segensreiche Einrichtung der Bamberger Gewerkschaften“ 49 wurde das Sekretariat im Freistaat gepriesen und war definitiv eine der wichtigsten Anlaufstelle des roten Bambergs. Neben den genannten Funktionen diente das Büro auch als Verkaufsstelle, so konnten dort 1920 Textilien und 1926 sogenannte Burschenanzüge für 20 Mark erworben werden. 50 Bei einem großen Streik der englischen Arbeiter organisierte Hans Rösch eine Hilfssammlung in allen Gewerkschaftsverbänden. 51 Außerdem
trat er als Redner bei Versammlungen des sozialistischen Milieus auf. 52 Beispielsweise hielt er am 1. Mai 1921 die Festansprache, 1925 referierte er in einer SPD-Frauenversammlung über das Versicherungswesen und 1929 sprach er in einer Sektionsversammlung zum Fürsorgewesen in Bamberg. 53 Einen hohen Stellenwert nahm auch die Arbeitslosenfürsorge ein: Hans Rösch organisierte Erwerbslosenversammlungen und setzte sich in seiner Funktion als Stadtrat für deren Belange ein, indem er beispielsweise Notstandsarbeiten forderte. 54 So verknüpfte der Arbeitersekretär viele unterschiedliche Bereiche der Arbeiterbewegung miteinander und diente als Schnittstelle zwischen Gewerkschaftsangelegenheiten einerseits und Parteiarbeit, Kommunal- und Sozialpolitik andererseits. Durch diese Stellung und mannigfaltige Tätigkeit wurde Hans Rösch zur prägenden Führungsfigur der Freien Gewerkschaften während der Weimarer Republik in Bamberg und war eine der wichtigsten Personen des sozialistischen Milieus. 55 Ununterbrochen leitete er zwischen 1920 und 1932 das Arbeitersekretariat und stand somit für Erfahrung und Kontinuität. 56 Vergleichbar war seine Position innerhalb der Gewerkschaften mit der Rolle von Josef Dennstädt für die SPD-Bamberg. 57 Wie Letztgenannter wirkte auch Hans Rösch nicht nur innerhalb der Stadt, sondern vertrat die Belange der Bamberger Arbeiterschaft auch auswärts: als Delegierter auf Gewerkschaftskongressen und Parteitagen im Bezirk sowie als Abgeordneter im Kreistag von Oberfranken zwischen 1922 und 1928. 58 Im Gegen-
Vgl. FS v. 1. 8.1919, Nr. 93; FS v. 2. 10.1922, Nr. 226; Brunner, Bürokratie, S. 89. FS v. 30. 4.1925, Nr. 98. 44 FS v. 1. 2.1926, Nr. 25. 45 Vgl. FS v. 10. 4.1928, Nr. 82. 46 Vgl. FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. 47 1920 waren es 122 Fälle, 1928 insgesamt 107 und ein Jahr später 91 Vertretungen in den Rechtsinstanzen. Vgl. FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 23. 3.1929, StadtABa, BS, Nr. 6941; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 48 Vgl. FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. 49 FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. 50 Vgl. FS v. 23. 8.1920, Nr. 194; FS v. 1. 4.1926, Nr. 75. 51 Vgl. FS v. 1. 9.1926, Nr. 199. 52 Vgl. FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 16.10.1929, Nr. 238. 53 Vgl. FS v. 3. 5.1921, Nr. 101; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 16.10.1929, Nr. 238. 54 Vgl. FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; FS v. 1.10.1926, Nr. 225; FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; FS v. 2.11.1922, Nr. 252; FS v. 10. 4.1928, Nr. 82. 55 Vgl. Eintrag zum 16. 8.1932, StadtABa, BS, Nr. 6941; Eintrag zum 9.1.1933, StadtABa, BS, Nr. 6941; Gewerkschaften, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 1. 4.1930, Nr. 75; FS v. 9.1.1933, Nr. 6. 56 Vgl. Eintrag zum 16. 8.1932, StadtABa, BS, Nr. 6941. 57 Vgl. Gewerkschaften, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 1. 4.1930, Nr. 75; FS v. 9.1.1933, Nr. 6. 58 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 42 43
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Die Freien Gewerkschaften
satz zu Josef Dennstädt wirkte Hans Rösch aber weniger als Agitator in der Öffentlichkeit, bei Massenveranstaltungen trat er nur selten auf, sondern er konzentrierte sich auf die formale Büro- und Vertreterarbeit. 59 Dennstädt stand für Partei, Propaganda, Presse und große Auftritte – Rösch war vor allem Gewerkschafter, Vertrauensperson, Praktiker und Helfer. 60 Er betätigte sich lieber im Hintergrund. 61 Insoweit ergänzte sich das Gespann Dennstädt-Rösch in ihren Rollen als hauptamtliche Funktionäre des sozialistischen Milieus sehr gut. Da das Parteisekretariat erst im August 1920 entstanden war, die Einrichtung des Sekretariats des ADGB aber schon aus der Kaiserzeit stammte, bezeichnete man in Bamberg weiterhin die ursprüngliche Einrichtung mit dem allgemeinen Begriff des Arbeitersekretariats anstatt es offiziell als Gewerkschaftssekretariat zu betiteln. 62 Räumlich war das Gewerkschaftsbüro stetig mit der Parteizentrale der SPD verbunden und vollzog deshalb alle Umzüge mit: Vom Schillerplatz 11 wechselte man 1921 in die Hauptwachstraße und 1925 wieder in die Gastwirtschaft „Nöth“ am Schillerplatz. 63 Folglich waren die Freien Gewerkschaften und die Sozialdemokratie in Bamberg während der Weimarer Republik in vielfacher Hinsicht untrennbar miteinander verbunden und durch die Personalunion von Hans Rösch als Gewerkschaftssekretär und SPD-Politiker verflochten. Gewerkschafts- und Parteipolitik gingen oft ineinander über und wurden nicht eindeutig differenziert – es bestand keine Notwendigkeit zu einer klaren Trennung, denn beide waren im Arbeitermilieu beheimatet. 64 Aufgrund dieser gewerkschaftlich-sozialdemokratischen Konnexion hatten es die Kommunisten schwer, ihre Positionen einzubringen und Mitte der
Zwanzigerjahre vermerkten die Jahresberichte explizit den geringen Einfluss der KPD: „Als besonders erfreulich ist festzustellen, daß mit ganz wenigen Ausnahmen die ‚Kommunisten‘ […] innerhalb der Organisationen keinerlei Bedeutung mehr besitzen.“ 65
4.1.2 Das Gewerkschaftskartell und das Jugendkartell Gewerkschaftsvorstellungen im Stadttheater, Bildungsvorträge, Kundgebungen, Maifeiern, Gewerkschaftsfeste, Gewerbegerichtswahlen, Wahlen zur Ortskrankenkasse und Schulungen der Betriebsräte – all diese Bereiche fielen in die Zuständigkeit des Gewerkschaftskartells. 66 Zur Bewältigung der Aufgaben und Koordination der Aktionen bildete man Gremien: die Theaterkommission, den Bildungsausschuss, die Festkommission und den allgemeinen Kartellausschuss. 67 Letztgenannter stellte die lokale Institution des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes dar und setzte sich aus zehn Delegierten der verschiedenen und wichtigsten Einzelverbände zusammen. 68 Vertreten waren in Bamberg normalerweise die Bauarbeiter, Gemeinde- und Staatsarbeiter, Holzarbeiter, Nahrungsund Genussmittelarbeiter, Verkehrsarbeiter, Metallarbeiter, Schuhmacher, Textilarbeiter, Fabrikarbeiter und Zimmerer. 69 Zu den einflussreichsten Gewerkschaftern in Bamberg zählten – abgesehen von Hans Rösch – Georg Dotterweich (Metallarbeiterverband), Alexander Zwiebel, Johann Jehnes, Bernhard Schlauch (Textilarbeiterverband), Johann Engert (Bauarbeiterverband), Michael Dräßel (Holzarbeiterverband), Josef Grassl (Nahrungs-
Vgl. FS v. 3. 5.1921, Nr. 101; FS v. 9.1.1933, Nr. 6. Vgl. FS v. 9. 1.1933, Nr. 6. 61 Vgl. FS v. 9.1.1933, Nr. 6. 62 Vgl. FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; FS v. 1. 2.1926, Nr. 25; FS v. 1. 7.1930, Nr. 174; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154. 63 Vgl. FV v. 23.12.1918, Nr. 297; FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; FS v. 8. 4.1925, Nr. 81. 64 Vgl. FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; FS v. 2.11.1922, Nr. 252; FS v. 29. 5.1925, Nr. 121. 65 FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; vgl. 29. 3.1926, Nr. 72. 66 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 30. 6.1930, Nr. 146; Gewerkschaften, StadtABa, BS, Nr. 6941; Potthoff, Gewerkschaften, S. 35. 67 Vgl. FS v. 2.11.1920, Nr. 254; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. 68 Vgl. FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 27. 3.1925, Nr. 71; FS v. 29. 3.1926, Nr. 72; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941; Potthoff, Gewerkschaften, S. 35. 69 Vgl. FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 27. 3.1925, Nr. 71; FS v. 29. 3.1926, Nr. 72; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941. 59
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Das sozialistische Organisationsmilieu
und Genussmittelverband) und Johann Waßmann (Gemeinde- und Staatsarbeiter). 70 Frauen waren hingegen in den Reihen der Freien Gewerkschaften nicht unter den Führungskräften vertreten. 71 Der Kartellausschuss wählte aus seinen Reihen die örtliche Vorstandschaft, traf sich regelmäßig zu Kartellausschusssitzungen oder zu kombinierten Parteiund Kartellzusammenkünften und legte die generellen Richtlinien und tagespolitischen Maßnahmen fest. 72 Soziale, arbeitsrechtliche und republikanische Initiativen standen dabei paritätisch nebeneinander. So wurde in einer Besprechung im November 1922 „das Treiben der Rechtsbolschewisten verurteilt“, 73 die tägliche Verteuerung der Lebensmittel behandelt und die „Angriffe gegen den Achtstundentag“ 74 thematisiert. 75 Konkret trat man in Aktion, indem man im Juli 1922 eine Kundgebung zur Verteidigung der Republik mit der SPD veranstaltete, während der Inflation 1923 eine Holzverteilung für Gewerkschaftsangehörige organisierte oder 1930 gegen den Abbau der Arbeitslosenversicherung protestierte. 76 Im Kampf um bessere Arbeitszeiten unterstützte man 1922 die Friseurgehilfen durch einen Aufruf: „Achtung Gewerkschaftskollegen! Das Gewerkschaftskartell macht unsere Kollegen auf den Beschluß des Kartells erneut aufmerksam, daß die Friseurgeschäfte, die heute noch an den Sonntagen offen halten, von unseren Mitgliedern unter allen Umständen zu meiden sind. Unterstützt
die Friseurgehilfen in ihrem Kampf um Sonntagsruhe!“ 77
Folglich nutzte das Gewerkschaftskartell die Organisationsstärke der Freien Gewerkschaften in einzelnen gravierenden Fällen, um vor Ort Verbesserungen für die Arbeiterschaft durchzusetzen, die Errungenschaften der Revolution wie den Achtstundentag zu verteidigen und die Staatsform der Republik zu sichern. 78 Man beteiligte sich an den Revolutionsgedächtnisfeiern und an den Veranstaltungen des Reichsbanners und der Eisernen Front. 79 Wie innerhalb der SPD hatte der Schutz der Republik oberste Priorität. Des Weiteren forderte man 1928 die Mitglieder dazu auf, Mehrarbeit über acht Stunden aus Solidarität mit anderen Arbeitern zu verweigern. 80 Außerdem gründete man 1926 eine Bauarbeiterschutzkommission, die „in Dutzenden von Kontrollen der Baustellen die vorhandenen Mängel“ 81 aufdeckte, beseitigte und versuchte, Arbeitsunfälle zu verhindern. 82 Hierdurch leistete man einen wichtigen Schritt in Richtung Arbeitssicherheit. Auf kulturellem Gebiet kümmerte sich die Theaterkommission um vergünstigte Tickets für Gewerkschaftsmitglieder und spezielle Angebote. 83 1922 nutzten durchschnittlich 100 ADGB-Angehörige die sogenannten Gewerkschaftsvorstellungen, die elf Opern, acht Operetten und zwei klassische Stücke umfassten. 84 Opern wie „Carmen“ konnten folglich mit einem 50-prozentigen Rabatt am Mon-
Vgl. FV v. 21. 2.1919, Nr. 43; FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 20. 4.1923, Nr. 90; FS v. 27. 3.1925, Nr. 71; FS v. 6. 4.1925, Nr. 79; FS v. 29. 3.1926, Nr. 72; FS v. 9. 4.1926, Nr. 80; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 71 Generell war während der Weimarer Republik die Integration der Frauen in die Gewerkschaftsbewegung sehr schwach ausgeprägt. Der Anteil weiblicher Mitglieder lag bei den Freien Gewerkschaften zwischen 21,6 % (1923) und 15,2 % (1928). Vgl. Winkler, Schein, S. 495–497; Potthoff, Gewerkschaften, S. 47–49. 72 Vgl. FS v. 14. 4.1921, Nr. 85; FS v. 25.11.1922, Nr. 272; FS v. 29.10.1923, Nr. 243; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 23. 3.1929, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 9. 4.1926, Nr. 80. 73 FS v. 25.11.1922, Nr. 272. 74 FS v. 25.11.1922, Nr. 272. 75 Vgl. FS v. 25.11.1922, Nr. 272. 76 Vgl. FS v. 6. 7.1922, Nr. 152; FS v. 29.10.1923, Nr. 243; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147. 77 FS v. 12.10.1922, Nr. 235. 78 Vgl. FS v. 25.11.1922, Nr. 272; FS v. 10. 4.1928, Nr. 82. 79 Vgl. FS v. 7.11.1921, Nr. 256; FS v. 7.11.1922, Nr. 256; FS v. 4. 3.1925, Nr. 52; FS v. 1. 9.1932, Nr. 200; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 1. 4.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1880; FS v. 1. 9.1932, Nr. 200. 80 Vgl. FS v. 10. 4.1928, Nr. 82. 81 Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941. 82 Vgl. FS v. 20. 3.1926, Nr. 65; FS v. 29. 3.1926, Nr. 72; NZA v. 27. 4.1931, Nr. 68. 83 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 2.1.1925, Nr. 1; FS v. 1. 9.1926, Nr. 199. 84 Vgl. FS v. 13. 6.1922, Nr. 134. 70
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Die Freien Gewerkschaften
tagabend durch die Vorverkauf-Tickets der Gewerkschaften besucht werden. 85 Zugleich unterstützte man damit die Erhaltung des Stadttheaters, für die sich die SPD im Stadtrat einsetzte, wie die Ankündigung zur Spielzeit 1926/27 zeigte: 86 „Gewerkschaftsvorstellungen werden wieder durchgeführt. An die gesamte Arbeiter-, Angestelltenund Beamtenschaft, soweit diese einer freien Gewerkschaft angehören, ergeht die Aufforderung, sich sofort für die während der kommenden Spielzeit 1926/27 an den Montagen stattfindenden Gewerkschaftsvorstellungen beim Freistaat-Verlag, Schillerplatz 11, zu melden. Die Plätze werden nach der Anmeldung der Reihe nach vergeben. Für jeden unserer Freunde, der nur einigermaßen in der Lage ist, besteht die Pflicht, auch seinerseits dazu beizutragen, durch Besuch der Gewerkschaftsvorstellungen die Erhaltung des Stadttheaters zu sichern.“ 87
Sogar dezidierte Kindervorstellungen wie „Schneewittchen“ konnten von den Familien der Gewerkschafter angesehen werden. 88 Ein weiterer Aspekt war die Unterstützung des Theaterpersonals, zu deren Gunsten die Theaterkommission Benefizveranstaltungen organisierte. 89 Schließlich gehörten zum ADGB-Ortskartell auch der Chor- und Musikerverband, der sich seinerseits beispielsweise 1922 an der Maifeier beteiligten. 90 Gefördert wurden durch die Freien Gewerkschaften auch Kunstausstellungen, wie 1929 eine graphische Schau des Künstlerbundes Isar mit 200 Werken, für die Mitglieder einen Zuschuss zum Eintritt erhielten. 91 Im Bereich der neuen Massenmedien engagierte sich
das Gewerkschaftskartell dafür, Filme mit sozialistischer Botschaft in Bamberg zu zeigen und die Mitglieder zum Besuch zu bewegen: „Film ‚Freies Volk‘. Dieser gewaltige Film ist vom 16. mit 22. Juli in den Alhambra-Lichtspielen zu sehen. Das Kartell hat den Verkauf der Karten übernommen. Der Preis beträgt 50 und 80 Pfg. Die Gewerkschaftsvorstände, Betriebsräte und Vertrauensleute werden gebeten, ab Samstag nachmittag die Vorverkaufskarten im Arbeitersekretariat abzuholen. Kein Arbeiter, Angestellte [sic] und Beamter soll versäumen, den Film zu sehen.“ 92
Zum festen Bestandteil der Gewerkschaftsarbeit zählten außerdem Bildungsvorträge. 93 Die thematische Spannbreite reichte dabei von der Entstehungsund Entwicklungsgeschichte der Erde, über Verhütungsempfehlungen bis zum Bauarbeiterschutz und dem Betriebsrätegesetz. 94 Demnach konnten die Angehörigen der Freien Gewerkschaften in Bamberg je nach individuellen Interessen und Bedürfnissen aus einem breiten Programm an Veranstaltungen und Offerten des Kartells schöpfen. Sämtliche Lebensbereiche und Altersstufen wurden durch die Freien Gewerkschaften berücksichtigt, organisiert und in sozialistische Bahnen gelenkt. Das gewerkschaftliche Netz bildete folglich ein wichtiges Fundament des Arbeitermilieus und man bemühte sich, auch die Jugend in dieses zu integrieren. 95 Deutschlandweit gründeten die Freien Gewerkschaften seit 1921 separate Jugendabteilungen, die den 14- bis 18-Jährigen Arbeitnehmern offen standen. 96 In Bamberg existierte ein solcher Ausschuss im August 1922, denn Vertreter des Ju-
Vgl. FS v. 2.1.1925, Nr. 1. Vgl. FS v. 2. 4.1928, Nr. 77. 87 FS v. 1. 9.1926, Nr. 199. 88 Vgl. FS v. 3.1.1921, Nr. 1. 89 Vgl. FS v. 2. 5.1921, Nr. 100; FS v. 2. 5.1923, Nr. 99. 90 Vgl. FS v. 29. 4.1922, Nr. 99. 91 Vgl. FS v. 27. 9.1929, Nr. 222. 92 FS v. 1. 7.1926, Nr. 146; vgl. FS v. 1. 9.1926, Nr. 199; Korte, Helmut: Film und Realität in der Weimarer Republik. Mit Analysen der Filme „Kuhle Wampe“ und „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“. Frankfurt am Main 1980, S. 96 f.; Kester, Bernadette: Film Front Weimar. Representations of the First World War in German films of the Weimar period (1919–1933). Amsterdam 2003, S. 49–53. Der Film „Freies Volk“ entstand als Eigenproduktion der SPD im Rahmen der filmpolitischen Arbeit der SPD seit Mitte der 1920er Jahre unter Regie von Martin Berger. Der Film sollte einen Gegenpol zu Kriegsfilmen wie „Namenlose Helden“ oder „Volk in Not“ setzen und enthielt eine antimilitärische und pazifistische Botschaft. 93 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 28.1.1929, Nr. 23. 94 Vgl. FS v. 2. 5.1922, Nr. 100; FS v. 28.1.1929, Nr. 23; FS v. 2.11.1928, Nr. 252; FS v. 13.1.1931, Nr. 9; FS v. 27.1.1931, Nr. 1. 95 Vgl. FS v. 31. 8.1922, Nr. 199; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 2.12.1932, Nr. 278. 96 Vgl. Winkler, Schein, S. 498 f.; Krabbe, Wolfgang R.: Kritische Anhänger – Unbequeme Störer. Studien zur Politisierung deutscher Jugendlicher im 85
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Das sozialistische Organisationsmilieu
gendkartells nahmen an einem Treffen des Bildungsausschusses teil. 97 Eigene Veranstaltungen oder Sitzungen der Gewerkschaftsjugend fanden allerdings nicht statt, sodass das Gremium eher formelle Bedeutung und wenig Einfluss hatte. Als Konsequenz dieser geringen Ausprägung kam das Jugendkartell im Laufe der 1920er Jahre zum Erliegen. 98 Auf der Jahresgeneralversammlung der Freien Gewerkschaften im März 1930 wurde jedoch „von den Textilarbeitern die Mitteilung gemacht, dass sie eine starke Jugendgruppe“ hätten und es notwendig wäre, „an die Gründung eines Jugendkartells heranzugehen.“ 99 Zugleich forderte man die örtlichen Leiter der gewerkschaftlichen Jugendgruppen auf, sich an der Jugendleiterkonferenz in München zu beteiligen. 100 Abgesehen von den Textilarbeitern bestanden zu diesem Zeitpunkt also weitere Nachwuchsabteilungen von anderen Einzelverbänden. 101 Richtig zum Leben erweckt wurde das Jugendkartell in Bamberg allerdings erst im Winter 1932/33. 102 Mehrmals im Monat fanden Veranstaltungen statt, die von Vorträgen über Spielund Unterhaltungsabende mit Liedern bis zu einem Tagesauflug zum Pfisterberg in Rothensand bei Hirschaid reichten. 103 Als Referenten engagierten sich Alexander Zwiebel vom Textilarbeiterverband und die Sozialdemokraten Georg Bittel und Wilhelm Aron. 104 Angepasst an das Zielpublikum behandelte man Themen wie „Werkjugend und Werkjugend-
pflege“ oder „Jugendrecht und Jugendschutz“. 105 Der Zeitpunkt dieser aktiven Phase des Bamberger Jugendkartells ist ungewöhnlich, denn andere Ortskartelle büßten während der Wirtschaftskrise Mitglieder ein und allgemein verloren die Freien Gewerkschaften durch die hohe Arbeitslosigkeit besonders jugendliche Mitglieder. 106 In Bamberg war jedoch gerade das Gewerkschaftskartell 1932 noch stark genug, um in der Not den Jugendlichen ein sozialistisches Beschäftigungsprogramm anzubieten und den allgemeinen Trend zu durchkreuzen. 107 Die örtlichen Freien Gewerkschaften traten als Protagonisten auf und waren nicht die Getriebenen wie der Bundesausschuss des ADGB in der Frage des freiwilligen Arbeitsdienstes 1932. 108 Nicht die SPD, sondern der ADGB schaffte es in Bamberg, dem wachsenden Extremismus von links und rechts neue gemäßigte, sozialistische Angebote entgegenzustellen. 109
4.1.3 Die wichtigsten Einzelverbände: Metallarbeiter-, Bauarbeiter- und Textilarbeiterverband Metallarbeiter, Bauarbeiter, Textilarbeiter und Holzarbeiter teilten in Bamberg während der Weimarer Republik das Privileg, eigene Büros und hauptamtliche Angestellte für ihre Bedürfnisse und Belange zu haben. 110 Rat und Auskunft holten sie nicht im allgemeinen Arbeitersekretariat, sondern
20. Jahrhundert. Berlin 2010, S. 64–67; Tilsner-Gröll, Rotraud: Die Jugendbildungsarbeit in den freien Gewerkschaften 1919–1933. Frankfurt am Main 1982, S. 92–94, 111–123. 97 Vgl. FS v. 31. 8.1922, Nr. 199. 98 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 99 Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 100 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 101 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 102 Vgl. FS v. 8.11.1932, Nr. 257; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 25.1.1933, Nr. 20; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; FS v. 21. 2.1933, Nr. 43. 103 Vgl. FS v. 8.11.1932, Nr. 257; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 25.1.1933, Nr. 20; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; FS v. 21. 2.1933, Nr. 43; Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 133–141. 104 Vgl. FS v. 8. 11.1932, Nr. 257; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 9.1.1933, Nr. 6. 105 Vgl. FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 9.1.1933, Nr. 6. 106 Vgl. Krabbe, Anhänger, S. 66; Winkler, Katastrophe, S. 604 f. 107 Vgl. FS v. 8.11.1932, Nr. 257; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 25.1.1933, Nr. 20; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; FS v. 21. 2.1933, Nr. 43. 108 Vgl. Heupel, Eberhard: Reformismus und Krise. Zur Theorie und Praxis von SPD, ADGB und AfA-Bund in der Weltwirtschaftskrise 1929–1932/33 (= Campus Forschung, Bd. 179). Frankfurt am Main u. a. 1981, S. 195–198; Winkler, Katastrophe, S. 604 f. 109 Im Gegensatz dazu steht die Schwäche, Passivität und Zurückdrängung des ADGB in der Auseinandersetzung gegen Faschismus und Kommunismus, die allgemein in der Forschung für Deutschland angenommen wird. Vgl. Kaiser, Claudia: Gewerkschaften, Arbeitslosigkeit und Politische Stabilität. Deutschland und Großbritannien in der Weltwirtschaftskrise seit 1929 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 923). Frankfurt am Main 2002, S. 293–329; Winkler, Katastrophe, S. 604 f.; Potthoff, Gewerkschaften, S. 204–206; Hetzer, Augsburg, S. 56. 110 Vgl. FS v. 23.12.1922, Nr. 295; FS v. 1. 4.1925, Nr. 75; FS v. 2. 5.1928, Nr. 100; FS v. 27.1.1930, Nr. 21.
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Die Freien Gewerkschaften
bei ihren eigenen Gewerkschaftssekretariaten. Diese Anlaufstellen waren infolge des Mitgliederwachstums zu Beginn der Weimarer Republik eingerichtet worden und markierten einen Meilenstein für die gewerkschaftliche Organisation vor Ort. 111 Metall-, Holz- und Textilarbeiter erhielten 1919 ihre Geschäftsstellen, während die Bauarbeiter nach ihrer Neuorganisation als Industrieverband namens „Deutscher Baugewerksbund“ 1924 folgten. 112 Als einzige Vertretung musste der Deutsche Holzarbeiterverband infolge der Inflation die Stelle des Lokalbeamten aufgeben, hielt aber sein Büro mit regelmäßigen Sprechstunden für die Mitglieder durch ehrenamtliche Arbeit aufrecht. 113 Unter der Überschrift „Wer vertritt deine Interessen?“ 114 schalteten die Verbände im Freistaat regelmäßig gemeinsame Anzeigen: „Der Deutsche Metallarbeiter-Verband. Schillerplatz 11. Parteiverkehr von 11–12 und von 5–6 Uhr. Reisegeld von 11–12 Uhr. Deutsche Bauarbeiter-Verband. Rest. Nöth am Schillerplatz. Sprechstunden von 9–1 Uhr und von 3–½ 7 Uhr. Deutsche Holzarbeiter-Verband. Schillerplatz 11. Sprechstunden: Mittwoch, Donnerstag und Freitag ½ 6–½ 7 Uhr. Samstag 2–½ 5 Uhr.“ 115
Als sogenannte Gewerkschaftsbeamten dienten Alexander Zwiebel für den Textilarbeiterverband, Georg Dotterweich für den Metallarbeiterverband, Johann Engert für den Baugewerksbund und Ludwig Wirth für den Holzarbeiterverband. 116 Sie alle engagierten sich obendrein als aktive Mitglieder in der SPD und trugen erheblich zur engen Verzahnung zwischen den Freien Gewerkschaften und der Sozialdemokratie in Bamberg bei. 117 Durch ihre langjährige und konstante Tätigkeit zwischen 1919 und 1933 waren insbesondere Alexander Zwiebel und Georg Dotterweich feste Stützen des sozialistischen Milieus. 118 Auch in festlicher Hinsicht leisteten die Gewerkschaften ihren Beitrag: Anlässlich ihres 25-, 35- beziehungsweise 40-jährigen Bestehens zelebrierten die Verbände große Jubiläumsfeste in Bamberg, bei denen sie ihre gewerkschaftlichen Traditionen, Entwicklungslinien und Erfolge betonten. 119 Der Freistaat nutzte diese Anlässe, um in langen Artikeln die Verbandsgeschichten darzustellen und als Sieg Bebels gegen Bismarck zu glorifizieren. 120 Ein Bestandteil der Feiern waren die Ehrungen der Jubilare, die bereits seit 25 oder mehr Jahren den Verbänden angehörten. Außerdem integrierte man linke Gesang- und Musikgruppen in das Festprogramm. 121 Zu diesen Gelegenheiten erging Einladung an die gesamte organisierte Arbeiterschaft Bambergs, sodass die Jubiläen in „Tanzkränzchen“ 122 des ganzen Milieus mündeten und teilweise sogar mit Feuerwerken abschlossen. 123 Allerdings gaben die wichtigsten Ein-
Vgl. FS v. 8.11.1926, Nr. 256; FS v. 5. 7.1930, Nr. 151; FS v. 27.1.1930, Nr. 21; Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. Vgl. FS v. 8.11.1926, Nr. 256; FS v. 27.1.1930, Nr. 21; FS v. 5. 7.1930, Nr. 151; Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. Der Deutsche Bauarbeiterverband beschloss auf dem Verbandstag im Mai 1922 in Leipzig die Umwandlung der Organisation von der Berufsgewerkschaft zur Industriegewerkschaft und führte folglich den neuen Namen Deutscher Baugewerksbund. Vgl. John, Peter: „Kein Zögern, kein Schwanken! Her zu uns, wer noch abseits steht!“ Die Bauarbeitergewerkschaften in der Weimarer Demokratie. In: Hand in Hand. Bauarbeit und Gewerkschaften. Eine Sozialgeschichte. Hg. v. A. Klönne/H. Reese/I. Weyrather u. a. Frankfurt am Main 1989, S. 106–123. 113 Vgl. FS v. 5. 7.1930, Nr. 151. 114 FS v. 3.1.1927, Nr. 1. 115 FS v. 1. 7.1926, Nr. 146; vgl. FS v. 1. 4.1925, Nr. 75; FS v. 2. 5.1927, Nr. 99; FS v. 1. 9.1927, Nr. 200; FS v. 2. 5.1928, Nr. 100; FS v. 2.1.1929, Nr. 1. 116 Vgl. FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; Fränkischer Tag v. 17. 4.1948, StadtABa, BS, Nr. 483; FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. 117 Vgl. FS v. 18. 5.1925, Nr. 112; FS v. 9.12.1929, Nr. 283; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 7.12.1924, StadtABa, C 2, Nr. 620. 118 Vgl. FS v. 9. 6.1922, Nr. 131; FS v. 22. 8. 1922, Nr. 191; NZA v. 13. 2.1933, Nr. 36; Entschädigungsakte Georg Dotterweich, 16. 9.1884, BayHStA, MF, LEA, Nr. 744. 119 Der Textilarbeiterverband feierte 1922 sein 25-jähriges Stiftungsfest, der Metallarbeiterverband 1926 sein 30-jähriges Bestehen, der Baugewerksbund 1927 sein 40. Jubiläum und der Holzarbeiterverband blickte 1930 ebenfalls auf 40 Jahre Gewerkschaftsgeschichte vor Ort zurück. Vgl. FS v. 22. 8.1922, Nr. 191; FS v. 8.11.1926, Nr. 256; FS v. 2. 5.1929, Nr. 100; FS v. 5. 7.1930, Nr. 151. 120 Vgl. FS v. 13.11.1926, Nr. 261; FS v. 5. 7.1930, Nr. 151. 121 Vgl. FS v. 22. 8.1922, Nr. 191; FS v. 16.11.1926, Nr. 263; FS v. 3. 9.1929, Nr. 201; FS v. 8. 7.1930, Nr. 153. 122 FS v. 11.11.1926, Nr. 259. 123 Vgl. FS v. 3. 9.1929, Nr. 201. 111
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Das sozialistische Organisationsmilieu
zelgewerkschaften nicht nur den festlichen Takt vor, sondern ihre Beschlüsse dienten oftmals als Anstoß und Grundlage für Entscheidungen des gesamten Gewerkschaftskartells. 124 So reichten 1927 die Metallarbeiter einen Antrag ein, mit einer gemeinsamen Aktion der Freien Gewerkschaften Bambergs gegen die Lebensmittelverteuerung zu protestieren. 125 Dieser Vorstoß fand die allgemeine Zustimmung des Ortskartells. 126 Für mehr Transparenz bei den Tarifverträgen sorgte der Textilarbeiterverband, indem er veranlasste, alle Übereinkommen am Arbeitsgericht zu hinterlegen. 127 Federführend wirkten die großen Arbeitnehmerorganisationen auch bei Protestveranstaltungen gegen den Lohnabbau oder im Kampf gegen untertarifliche Bezahlungen. 128 Abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten gab es jedoch gravierende Unterschiede bei den vier verschiedenen Interessengruppen. Augenscheinlich divergierten sie stark hinsichtlich ihrer Mitgliederstärke und ihrer Organisationsprinzipien, aber auch in ihrer Mitgliederstruktur. Das schwächste Glied war der Holzarbeiterverband, der zwischen 450 (1919) und 250 (1930) Mitglieder in Bamberg zählte und fest mit tradierten Handwerks- und Berufsvorstellungen verbunden blieb. 129 Damit einher ging das Festhalten an dem Prinzip des Berufsverbandes, obwohl der ADGB schon 1922 den Weg zum Industrieverband beschlossen hatte. 130 Fortschrittlich in dieser Hinsicht war der Deutsche Metallarbeiterverband, der seit seiner Gründung 1891
bereits als Zusammenschluss verschiedener Berufsgruppen fungierte. 131 Auf die moderne Struktur war auch die Bamberger Verwaltungsstelle stolz und stellte diese bei der Maifeier 1923 zur Schau: „Die Metallarbeiter hatten durch Stellung einer Handwerksgruppe dem Zug ein besonderes Gepräge gegeben. Auf einem Lastauto waren aufgestellt der Beruf der Former, Schlosser, Klempner mit den wichtigsten Handwerkszeugen.“ 132
Zahlenmäßig entwickelte sich der Metallarbeiterverband von etwa 700 Mitgliedern 1919 auf über 1.000 im Jahr 1926. 133 Auf noch höherem Niveau bewegte sich der Baugewerksbund, der 1930 in Bamberg 1.357 Gewerkschafter zählte. 134 Im Gegensatz zu den anderen Verbänden litt er besonders unter überdurchschnittlichen Arbeitslosenquoten seiner Mitglieder seit Mitte der 1920er Jahre. 135 So beklagte man auf der Bamberger Jahresversammlung 1930, dass selbst im Mai 1929 noch fast 500 organisierte Bauarbeiter ohne Beschäftigung gewesen waren. 136 Fast 700 Mitglieder hatten im Kalenderjahr 1929 nicht die Grenze von 26 Wochen versicherungspflichtiger Beschäftigung als Voraussetzung für die Arbeitslosenversicherung erreicht. 137 Der Baugewerksbund Bamberg bestand folglich schon zu Beginn der Wirtschaftskrise aus circa 50 % Arbeitslosen und Hilfsbedürftigen. Resultierend aus dieser Sozialstruktur bemühte sich die Ortsgruppe mit Nachdruck im Stadtrat um Kleider-
Vgl. FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. Vgl. FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. 126 Vgl. FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. 127 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941. 128 Vgl. Sozialdemokrat v. 29. 6.1921, Nr. 149; FS v. 5.12.1932, Nr. 280. 129 Vgl. FS v. 5. 7.1930, Nr. 151; Winkler, Revolution, S. 419; Schneider, Gewerkschaften, S. 156. 130 Vgl. Winkler, Schein, S. 501. 131 Vgl. Schmitz, Kurt Thomas: 100 Jahre Industriegewerkschaft 1891 bis 1991. Vom Deutschen Metallarbeiter-Verband zur Industriegewerkschaft Metall. Ein Bericht in Wort und Bild. Köln 1991, S. 94–96; Kassel, Brigitte: Frauen in einer Männerwelt. Frauenerwerbsarbeit in der Metallindustrie und ihre Interessenvertretung durch den Deutschen Metallarbeiter-Verband (1891–1933) (= Schriftenreihe der Otto Brenner Stiftung, Bd. 66). Köln 1997, S. 170–173; Goers, Marion: Der freigewerkschaftliche Deutsche Metallarbeiter-Verband in Berlin. In: Der vergessene Widerstand der Arbeiter. Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialdemokraten, Trotzkisten, Anarchisten und Zwangsarbeiter (= Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus, Bd. 16). Hg. v. H. Coppi/S. Heinz. Berlin 2012, S. 17–26. 132 FS v. 4. 5.1923, Nr. 101. 133 Vgl. FS v. 8.11.1926, Nr. 256. 134 Vgl. FS v. 18. 2.1930, Nr. 40. 135 Vgl. FS v. 18. 2.1930, Nr. 40; Winkler, Schein, S. 490–492; Zollitsch, Wolfgang: Einzelgewerkschaften und Arbeitsbeschaffung: Zum Handlungsspielraum der Arbeiterbewegung in der Spätphase der Weimarer Republik. In: GG 8 (1982), S. 90 f. 136 Vgl. FS v. 18. 2.1930, Nr. 40. 137 Vgl. FS v. 18. 2.1930, Nr. 40; Winkler, Katastrophe, S. 23. 124 125
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Die Freien Gewerkschaften
zulagen für eingestellte Arbeiter und die Forcierung von Notstandsarbeiten in Bamberg. 138 Unter den Bauarbeitern der Freien Gewerkschaften fanden sich außerdem viele Jugendliche. 139 Wie beim Textilarbeiterverband war an die Baugewerkschaft eine starke Jugendgruppe angeschlossen. 140 Bereits 1925 hatte unter Leitung des Gewerkschaftssekretärs Johann Engert die Bezirksjugendkonferenz des Baugewerksbundes in Bamberg stattgefunden, sodass alle Nachwuchsabteilungen Nordbayerns in der Regnitzstadt zusammenkamen. 141 Die lokale Organisation fungierte dabei nicht nur als Ausrichter, sondern mehrere Bamberger beteiligten sich auch an der Diskussion. 142 Aus diesem Verhalten kann gefolgert werden, dass die Bauarbeiter bereits Mitte der 1920er Jahre eine aktive und engagierte Jugendsektion in Bamberg betrieben. Zwischenzeitlich ebbte diese Tatkraft in der Phase der allgemeinen Schwäche der gewerkschaftlichen Jugendarbeit ab, um Ende der 1920er Jahre wieder forciert zu werden. 143 So veröffentlichte das Presseorgan des Baugewerksbundes Jungvolk vom Bau 144 1929 folgende Notiz: „Bamberg. In der letzten Jugendversammlung wurde beschlossen, von nun ab die Jugendversammlungen wieder regelmäßig stattfinden zu lassen. Wir wollen uns sachlich und gewerkschaftlich besser ausbilden, um, wenn wir die Lehrzeit hinter uns haben, als gute Facharbeiter und Gewerkschaftler unsern Mann stehen zu können.“ 145
Diese Ankündigung lehnte sich an den Duktus und die Zielsetzung des ADGB an, der vorrangig die „Erziehung zum tüchtigen Gewerkschafter“ 146 und die Gewinnung der Jugend für die Freien Gewerkschaften durch Bildung und Freizeitangebote zu erreichen suchte – ohne diese Absichten zu präzisieren. 147 Viele Einzelverbände, darunter eben auch der Deutsche Baugewerksbund, legten großen Wert auf die fachliche und berufsbezogene Schulungsarbeit. 148 Durch verstärkte Bildung und Qualifikation sollten den Jugendlichen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bereitet werden. 149 Zugleich umging man mit einer solchen Ausrichtung mögliche Konflikte und Reibungen mit der SAJ, die sich stärker auf sportliche, gesellige und kulturelle Aktivitäten konzentrierte. 150 Diese Schwerpunkte der gewerkschaftlichen Jugendarbeit spiegelten sich im Programm der Bauarbeiterjugend Bambergs zum Jahreswechsel 1930/31 wider: „Bamberg. Programm: 4. Dezember, Lichtbilder: Bauarbeiterschutzfragen der Gegenwart, Bilder aus dem Harz; 8. Januar, Vortrag: Rechte der Lehrlinge aus dem Reichstarifvertrag; 22. Januar, Lichtbilder: Die Jugend in unserem Bund. Eine Rheinreise von Mainz nach Köln; 5. Februar, Verbändelegen; 19. Februar, Vortrag: Unsere Bundessatzung; 31. Februar, Modellierarbeit; 19. März, Vortrag: Zum Abschluß der Lehrverträge.“ 151
Die Jugendgruppe des Baugewerksbundes in Bamberg erfüllte damit die Richtlinien des Verbandes, den Nachwuchs ergänzend zur Lehre sowohl beruf-
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 9. 2.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Stadtratsprotokoll v. 16. 3.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Stadtratsprotokoll v. 15.10.1930, StadtABa, C 1, Nr. 694; Zollitsch, Einzelgewerkschaften, S. 91. 139 Vgl. FS v. 18. 2.1930, Nr. 40. 140 Vgl. Jungvolk vom Bau v. 1925, Nr. 15, AAJB, ZA, Nr. 842; Jungvolk vom Bau v. 1929, Nr. 8, AAJB, ZA, Nr. 842; Jungvolk vom Bau v. 1930, Nr. 9, AAJB, ZA, Nr. 842; FS v. 18. 2.1930, Nr. 40; Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 96–99. Im gesamten ADGB waren zahlenmäßig am stärksten die Jugendlichen im Metallarbeiterverband, im Baugewerksbund und im Textilarbeiterverband vertreten. 141 Vgl. Jungvolk vom Bau v. 1925, Nr. 15, AAJB, ZA, Nr. 842. 142 Vgl. Jungvolk vom Bau v. 1925, Nr. 15, AAJB, ZA, Nr. 842. Genannt wurden vier Diskussionsredner aus Bamberg. 143 Vgl. Jungvolk vom Bau v. 1929, Nr. 8, AAJB, ZA, Nr. 842; Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 284. 144 Die Jugendzeitschrift Jungvolk vom Bau erschien seit 1922 alle zwei Wochen und wurde zum Beispiel 1930 in einer Auflage von 43.000 Exemplaren herausgegeben. Vgl. Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 103–108. 145 Jungvolk vom Bau v. 1929, Nr. 8, AAJB, ZA, Nr. 842. 146 Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 139. 147 Vgl. Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 133–141. 148 Vgl. Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 142–145. 149 Vgl. Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 142. 150 Vgl. Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 140–144. 151 Jungvolk vom Bau v. 1930, Nr. 9, AAJB, ZA, Nr. 842. 138
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Das sozialistische Organisationsmilieu
lich als auch gewerkschaftlich zu unterrichten. 152 Zugleich zeigte sich, dass man auch in Bamberg in der Jugendarbeit verstärkt auf neue Medien durch Lichtbilder und Film setzte; eine Methode, die besonders der Baugewerksbund einsetzte. 153 So organisierte die Ortsgruppe im Dezember 1932 einen Abend für alle Mitglieder samt Angehörigen, um im „Nöth“ den Film „Bau der bayerischen Zugspitzbahn“ vorzuführen, der sowohl die Gefahren der Arbeit als auch die Schönheit der Alpenwelt demonstrierte. 154 An der Spitze der Einzelverbände des ADGB stand in Bamberg jedoch der Deutsche Textilarbeiterverband, der bei seinem Stiftungsjubiläum 1922 knapp 3.000 Mitglieder zählte, wovon etwa zwei Drittel weiblich waren. 155 Deutschlandweit wies die Textilarbeitergewerkschaft mit etwa 59 % (1927) den höchsten Frauenanteil im ADGB auf und lag damit etwas unter dem für Bamberg fünf Jahre zuvor angegebenen Wert. 156 Entscheidend für die Organisationsstärke in Bamberg war die Tatsache, dass auch die Gaustadter Textilarbeiter zum Bamberger Verband zählten. 157 So hatte die „Filiale Bamberg“ des Deutschen Textilarbeiterverbands 1922 mit Konrad Bähr sogar einen Ersten Vorsitzenden aus Gaustadt. 158 Bei dem hohen Frauenanteil müsste man wohl eher vom „Deutschen Textilarbeiterinnenverband Bamberg-Gaustadt“ sprechen. Die Quote weiblicher Mitglieder manifestierte sich auch bei den Vorstandswahlen, denn regelmäßig erhielten Frauen dabei Posten zugesprochen. 159 So gelangten Maria Neppel und Katharina Böhnlein
1922 bzw. 1925 in das Amt der Zweiten Schriftführerin und 1930 wurde Lina Meisel zur Stellvertretung des Kassiers Alexander Zwiebel ernannt. 160 Frauen waren demnach in den Führungspositionen vor Ort zwar vertreten, aber gemessen an ihrer Mitgliederstärke unterrepräsentiert und zudem erhielten sie nur nachrangige Ämter. Bamberg bestätigte somit trotz hoher weiblicher Mitgliedszahlen den ungelösten Problemkomplex „Frauen und Freie Gewerkschaften“. 161 Frauen ließen sich nur schwer in die Strukturen der Arbeitnehmervertretungen einbinden und fühlten sich von diesen schlecht repräsentiert, vor allem in der Frage der Lohngleichheit. 162 Im Unterschied zum Baugewerksbund kämpfte der Textilarbeiterverband nicht vorrangig gegen Arbeitslosigkeit, sondern gegen Rationalisierungsbestrebungen wie die zunehmende Erhöhung der Arbeitszeiten, Lohnabbau und Kurzarbeit. 163 So stand 1921 die 46-Stunden-Woche auf dem Spiel, die im Januar 1919 von der zentralen Kommission für die Textilindustrie auf Basis des Achtstundentages plus sechs Stunden Samstagsarbeit festgesetzt worden war. 164 In der Krise Mitte der 20er Jahre versuchte die Gewerkschaftsorganisation durch Kurzarbeit, von teilweise nur noch 24 Stunden pro Woche, der Not zu begegnen. 165 Dieses Thema beherrschte auch Anfang der Dreißigerjahre den Textilarbeiterverband Bamberg, wozu allerdings verstärkt politische Aspekte hinzutraten. 166 Auf der Generalversammlung 1930 informierte man daher nicht nur über gewerkschaftliche Fragen, sondern
Vgl. Jungvolk vom Bau v. 1930, Nr. 9, AAJB, ZA, Nr. 842; Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 143 f. Vgl. Jungvolk vom Bau v. 1930, Nr. 9, AAJB, ZA, Nr. 842; Tilsner-Gröll, Jugendbildungsarbeit, S. 145. 154 Vgl. FS v. 1.12.1932, Nr. 277. 155 Vgl. FS v. 22. 8.1922, Nr. 191. Die Veröffentlichung dieser Zahlenangabe erfolgte zum Jubiläumsfest während der Hochphase der Gewerkschaften am Anfang der Weimarer Republik. Daher stellt die Summe von knapp 3.000 Mitglieder einen Höchstwert dar und es ist davon auszugehen, dass diese sowohl in den folgenden Jahren zum Teil deutlich unterschritten wurde. Vgl. Potthoff, Gewerkschaften, S. 42 f. 156 Vgl. Winkler, Schein, S. 493–495. 157 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 158 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 159 Vgl. FS v. 23.12.1922, Nr. 295; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 27.1.1930, Nr. 21. 160 Vgl. FS v. 23.12.1922, Nr. 295; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 27.1.1930, Nr. 21. 161 Vgl. Winkler, Schein, S. 495–497; Schneider, Geschichte, S. 157–160; Potthoff, Gewerkschaften, S. 47–49. 162 Vgl. Winkler, Schein, S. 495. 163 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 100; FS v. 23.12.1922, Nr. 295; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 27.1.1930, Nr. 21; NZA v. 5. 9.1930, Nr. 200. 164 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Clasen, Claus-Peter: Streikgeschichten. Die Augsburger Textilarbeiterstreiks 1868–1934 (= Studien zur Geschichte des bayerischen Schwaben, Bd. 38). Augsburg 2008, S. 240; Schönhoven, Geschichte, S. 29; Potthoff, Gewerkschaften, S. 108–111; Winkler, Revolution, S. 393–399. 165 Vgl. FS v. 17. 2.1925, Nr. 39. 166 Vgl. FS v. 27.1.1930, Nr. 21. 152 153
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Die Freien Gewerkschaften
referierte auch über „Young-Plan und Textilindustrie“ und warb für die Akzeptanz der Reparationsregelung. 167 Das bedeutendste Ereignis des Textilarbeiterverbandes in Bamberg fand 1930 statt: „Die Textilarbeiter im eigenen Heim“, 168 jubelte der Freistaat zur Einweihung des verbandseigenen Gewerkschaftshauses. 169 Als einziger Verband hatten die Textilarbeiter unter der Führung von Alexander Zwiebel nicht nur Räumlichkeiten angemietet, sondern ein eigenes Haus erbaut. 170 Die Errichtung eines Gewerkschaftshauses war auch vom Kartell während der Weimarer Republik mehrmals erwogen worden, da man fortwährend sowohl in der Hauptwachstraße als auch am Schillerplatz unter Raumnot litt. 171 Letztendlich scheiterten alle Pläne an Schwierigkeiten bei der Finanzierung. 172 Das Haus der Freien Gewerkschaften blieb ein unerfüllter Traum, nicht jedoch für den Textilarbeiterverband. 173 In der Verwaltungssenatssitzung der Stadt Bamberg wurde am 11. Juni 1929 das Gesuch „Wohnhausneubau des Deutschen Textilarbeiterverbandes an der Kleberstraße“ 174 genehmigt. Vorausgegangen war für die Textilarbeitergewerkschaft eine Odyssee auf der Suche nach geeigneten Büroräumen in den 1920er Jahren. 175 Von einem Nebenzimmer in der Genossenschaftsbrauerei in der Oberen Sandstraße 18 war man in die Kapuzinerstraße gezogen, hatte anschließend wieder ein Gasthauszimmer, nämlich in der Brauerei „Schlüssel“ (Obere Sandstraße 20), bezogen. 176 Von dort war man 1923 in die Hauptwachstraße gewechselt und 1925 zusammen mit SPD, Freistaat und den anderen Gewerkschaften im „Nöth“ angekom-
men. 177 Mittlerweile hatten sich, abgesehen von Gaustadt, auch Erlangen, Forchheim und Zeil an die Filiale des Textilarbeiterverbandes in Bamberg angeschlossen, sodass man über eine breite Mitgliederdecke und hohe Einkünfte verfügte. 178 Diese günstige Entwicklung veranlasste den Gewerkschaftssekretär Alexander Zwiebel das Bauprojekt voranzutreiben, um die ungenügende Raumfrage abschließend zu lösen und ein eigenes Heim zu schaffen, wie es beispielsweise der Textilarbeiterverband in Augsburg bereits seit 1919 besaß. 179 Als Architekt wurde Regierungsbaumeister Wilhelm Sachs herangezogen, der in diesen Jahren auch eine Gartensiedlung am Mannlehenweg und eine Hausgruppe in der Schellenbergerstraße in Bamberg erbaute. 180 Im Unterschied zu den katholischen Luitpoldsälen war der proletarische Bau nicht repräsentativ, sondern schlicht und funktional, wie auch ein Artikel im Freistaat ausführte: „Was die Inneneinrichtung wie überhaupt die Raumaufteilung betrifft, so ist diese äußerst glücklich gelöst worden, wenn auch für den ersten Augenblick demjenigen, der sich an die neue Bauweise noch nicht gewöhnt hat, das Ganze einen nicht gerade günstigen Eindruck macht. Aber gerade dadurch, daß sorgfältig jede Ecke ausgenutzt ist, alles Ueberflüssige vermieden wurde, konnte der Zweckdienlichkeit nach Kräften Rechnung getragen werden.“ 181
Diese Bauweise entsprach nicht nur dem Zeitgeist und der Ideologie der Arbeiterbewegung, sondern sie ermöglichte es auch, den Bau allein mit den Gel-
Vgl. FS v. 27.1.1930, Nr. 21. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 169 Vgl. FS v. 27.1.1930, Nr. 21; FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 170 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 171 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 8. 2. 1930, Nr. 32. 172 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 173 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 174 Bericht zur Verwaltungssenatssitzung v. 11. 6.1929, StadtABa, BS, Nr. 226/4. Die genaue Anschrift lautete Kleberstraße 33a. 175 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 176 Vgl. Fiedler, Bamberg, S. 80–86. 177 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 178 Vgl. FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 27.1.1930, Nr. 21; FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. In der Jahresgeneralversammlung wurden Einnahmen in Höhe von 118.867 Mark gemeldet. Im selben Jahr verzeichnete der Baugewerksbund in Bamberg 60.384 Mark an Einkünften, also etwa die Hälfte des Textilarbeiterverbandes. 179 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32; Hoffsten, Volkshaus, S. 278 f. 180 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1316, 1399. 181 FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 167
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Das sozialistische Organisationsmilieu
dern des Textilarbeiterverbandes zu bestreiten und im Rahmen des Budgets zu bleiben. 182 Eine Tatsache, die der Gauleiter des Textilarbeiterverbandes Schönleben bei der Eröffnung besonders betonte. 183 Das neue Arbeiterheim war damit ausschließlich das Werk der Textilarbeiter und zugleich Sinnbild für die Solidarität und gemeinsame Stärke des Arbeitermilieus. Daher feierte man die Einweihung als Festakt des gesamten Milieus. 184 Als Gratulanten reihten sich Redner der SPD, des ADGB, des Konsumvereins, der Sportvereine und der sozialdemokratischen Stadtratsfraktion aneinander. 185 Die Realisierung des Baus – gerade in der wirtschaftlich kritischen Phasen des Winters 1929/30 – wurde als ein Fortschritt in der Geschichte der Bamberger Arbeiterschaft gedeutet. 186 Man hoffte auf eine Fortsetzung mit weiteren Bauten des sozialistischen Milieus und konnte somit den Rückstand zu den christlichen Vereinen sowie anderen Städten aufholen. 187 Das Textilarbeiterheim sollte nicht nur die gewerkschaftliche Geschäftsstelle beheimaten, sondern primär „die Möglichkeit zu gemeinsamen Zusammenkünften“ 188 schaffen. Aus diesem Grund holte man bereits im Februar 1930 die Konzession zum Ausschank von Getränken durch den Hausmeister ein. 189 In den nächsten Jahren wurde das Haus zu einem wichtigen Stützpunkt und Versammlungsort des gesamten Milieus: Von den Arbeiterturnern bis zum Konsumverein und der SPD nutzten alle die neuen Räume. 190 Es waren aber vor allem die sozialdemokratische Arbeiterjugend und die Frauensektion, die nun turnusmäßig ihre Treffen in der Kleberstraße abhielten. 191 Die Mitglieder beider Gruppen waren zum großen Teil auch im Textilarbeiterverband organisiert, sodass die dorti-
gen Versammlungen sinnvoll erschienen und sich etablierten. Folglich wurde das Textilarbeiterheim neben dem „Nöth“ zum zweiten Zentrum des sozialistischen Milieus. Als Anerkennung der Leistung und des Durchsetzungsvermögens von Alexander Zwiebel galt es auch als „dauerndes Denkmal“ 192 für den Gewerkschaftssekretär.
4.1.4 Betriebsräte Im Wochenbericht des Bezirksamts Bamberg II im Oktober 1920 beklagte Oberregierungsrat Fackelmann die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Textilindustrie und die vielen negativen Erscheinungen seit dem Ersten Weltkrieg in der Baumwollspinnerei Gaustadt. 193 Dabei teilte er die Belegschaft in zwei Gruppen: die unmotivierten und streiklustigen Arbeiter im Gegensatz zu den vernünftigen und besonnenen Beschäftigten. 194 Mit gewissem Erstaunen vermerkte er dabei, dass der Betriebsrat dem gemäßigten Teil zuzurechnen sei und sich gegen radikale Forderungen stellte: „Was der Industrie weiter fehlt, ist das Wiedererwachen der alten Arbeitslust bei den Arbeitern und Angestellten. Ebenso sehr bedauerlich als der Mangel an Arbeitslust ist die Leichtigkeit, mit der bei jedem geringsten Anlaß gestreikt wird, wie man das in jüngster Zeit leider auch in Gaustadt erfahren mußte, wo die vernünftigen Elemente der Arbeiterschaft, ja selbst der Betriebsrat, der zur Weiterarbeit und zur Ruhe mahnte, als ‚bestochen‘ niedergeschrieen wurden.“ 195
Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32: „Besonders bedeutend ist, daß das Haus aus eigener Kraft von den Textilarbeitern geschaffen wurde ohne von irgendeiner Seite einen Zuschuß zu erhalten.“ 183 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 184 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 185 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 186 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 187 Vgl. FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 188 FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 189 Vgl. FS v. 5. 2.1930, Nr. 29. 190 Vgl. FS v. 17.10.1930, Nr. 239; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 17.10.1932, Nr. 239; FS v. 2.11.1932, Nr. 252. 191 Vgl. FS v. 3.11.1920, Nr. 252; FS v. 1. 9.1931, Nr. 198; FS v. 21. 2.1933, Nr. 43; FS v. 26. 4.1932, Nr. 95; FS v. 25. 5.1932, Nr. 118; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 192 FS v. 8. 2.1930, Nr. 32. 193 Vgl. Wochenbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.10.1920, StABa, K 3, Präs. Reg, Nr. 1847. 194 Vgl. Wochenbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.10.1920, StABa, K 3, Präs. Reg, Nr. 1847. 195 Wochenbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.10.1920, StABa, K 3, Präs. Reg, Nr. 1847. 182
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Die Freien Gewerkschaften
In diesem Zitat tritt die schwierige Vermittlerposition des Betriebsrats zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zutage. 196 Schließlich hatten die Betriebsräte durch das entsprechende Gesetz vom 4. Februar 1920 nach Paragraf 66 die Pflicht bekommen, „das Einvernehmen innerhalb der Arbeitnehmerschaft sowie zwischen ihr und dem Arbeitgeber zu fördern“ 197 und „den Betrieb vor Erschütterungen zu bewahren“ 198. Damit war ihre betriebsrätliche Rolle auf Kooperation und Kompromiss ausgerichtet und bahnte den Weg zur geregelten innerbetrieblichen Zusammenarbeit. 199 Trotz der Entlehnung des Namens aus der Rätebewegung war das Betriebsrätegesetz weniger eine revolutionäre als eine sozialreformerische Neuerung, die sich aus den Arbeiterausschüssen entwickelt hatte. 200 Den Gewerkschaften erwuchs daraus ein neuer Aufgaben- und Einflussbereich, denn durch die Einführung des dualen Systems von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung waren Betriebsräte und Gewerkschaften eng miteinander verzahnt. 201 Während die Aushandlung der Tarifverträge in den Händen der Gewerkschaften lag, überwachten die Betriebsräte als innerbetriebliches Kontrollorgan deren Einhaltung. 202 Zudem waren Gewerkschaftsvertreter bei Betriebsratssitzungen oder Betriebsversammlungen involviert. 203 Die Integration der betrieblichen Interessenvertretung in die Gewerkschaftsbewegung war somit garantiert. 204 Im Alltag bedeutete dies, dass die Freien Gewerkschaften vordringlich die Betriebsräte schulen
mussten, beispielsweise in Fragen des Arbeitsschutzes, des Arbeitsrechtes und der Tarifverträge. 205 Folglich stellten Betriebsrätekurse während der Weimarer Republik eine Konstante im gewerkschaftlichen Leben Bambergs dar. 206 Diese behandelten auf der einen Seite allgemeine Fragen wie in einer Gewerkschafts- und Betriebsräteversammlung im Januar 1922 mit der Tagesordnung: „1. Wege zum Ziele der Gewerkschaftsbewegung. 2. Grundlagen der Betriebsorganisation. 3. Kann der Betriebsrat auf Grund seiner Tätigkeit entlassen werden?“ 207
Andererseits wurden auch Unterrichtsstunden zu speziellen Themen, zum Beispiel Besteuerung und Grundrente, Kranken- und Altersversicherung oder die Geschäftsführung der Betriebsräte, angesetzt. 208 Als Referenten traten sowohl Arbeiterführer aus Nürnberg und Bamberg auf als auch Studienprofessor Dr. Josef Stimpfl, der den Bund der Bodenreformer in Bamberg leitete und nicht dem Arbeitermilieu zuzurechnen war. 209 Das Gewerkschaftskartell war folglich bemüht, in erster Linie gut ausgebildete Dozenten zu besorgen und stellte dabei die Zugehörigkeit zur Arbeiterbewegung als zweitrangig zurück. Insgesamt lässt sich in Bamberg wie im gesamten Reich beobachten, dass besonders in den ersten Jahren den Betriebsräten große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, während ab Mitte der Zwanziger-
Vgl. Milert, Werner/Tschirbs, Rudolf: Die andere Demokratie. Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland, 1948 bis 2008 (= Veröffentlichungen des Instituts für soziale Bewegungen, Bd. 52). Essen 2012, S. 165. 197 Betriebsrätegesetz v. 4. Februar 1920. Textausgabe. Berlin 1920, S. 17. 198 Betriebsrätegesetz v. 4. Februar 1920, S. 17; vgl. Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 134. Das Betriebsrätegesetz wurde am 18. Januar 1920 von der Nationalversammlung angenommen und am 4. Februar 1920 vom Reichspräsidenten Ebert ratifiziert. 199 Vgl. Winkler, Revolution, S. 283; Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 166. 200 Vgl. Plumpe, Werner: Betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik. Fallstudien zum Ruhrbergbau und zur Chemischen Industrie (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 45). München 1999, S. 37–45. Kontrovers wird in der Forschung die Frage diskutiert, inwieweit das Betriebsrätegesetz „die einzige wirkliche Errungenschaft der Rätebewegung“ darstellte oder keine „Wurzeln aus der Rätebewegung“ habe beziehungsweise „nur das Wort ‚Räte‘ […] eine Konzession“ an die Rätebewegung war. Vgl. Winkler, Revolution, S. 293; Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 155–157; Potthoff, Gewerkschaften, S. 160–162. 201 Vgl. FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 149; Potthoff, Gewerkschaften, S. 163–170. 202 Vgl. Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 156. 203 Vgl. Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 156 f. 204 Vgl. Potthoff, Gewerkschaften, S. 163 f. 205 Vgl. Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 156. 206 Vgl. FS v. 13. 7.1920, Nr. 159; FS v. 4.1.1922, Nr. 3; FS v. 10.1.1922, Nr. 7; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 13.1.1931, Nr. 9; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 207 FS v. 4.1.1922, Nr. 3. 208 Vgl. FS v. 25. 7.1923, Nr. 168; Schneider, Milieu, S. 63. 209 Vgl. FS v. 13. 7.1920, Nr. 159; FS v. 10. 9.1920, Nr. 210; FS v. 4.1.1922, Nr. 3; Wochenbericht des Bezirksamts Pegnitz v. 4. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849; Schneider, Milieu, S. 63. 196
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Das sozialistische Organisationsmilieu
jahre die Thematik in den Hintergrund rückte und nur noch beiläufig behandelt wurde. 210 In der Anfangszeit offenbarten zahlreiche Vorgänge die Unsicherheit und fehlende Erfahrung mit den neuen Bestimmungen. Alle beteiligten Parteien tarierten ihre neuen Spielräume aus und versuchten ihre Befugnisse und Interessen möglichst umfassend durchzusetzen. 211 So wandten sich die Funktionäre der Freien Gewerkschaften in mehreren Fällen mit Beschwerden und Verstößen gegen das Betriebsrätegesetz an den Stadtrat Bamberg. 212 Gewerkschaftssekretär Ludwig Wirth bemängelte beispielsweise im Mai 1921, dass die Holzwarenfabrik „Franke & Finkenwirth“ bislang keinen Betriebsrat gewählt habe und Georg Dotterweich forderte sein Recht ein, an Betriebsversammlungen der Metallwarenfabrik „Kaufmann & Sohn“ teilnehmen zu dürfen. 213 In der Kalikofabrik entspann sich hingegen 1920 ein Streit um das Ergebnis der Wahlen, es kursierten verschiedene Auswertungen per Anschlag und binnen zwei Wochen wurde infolge der Verwirrungen zwei Mal über den neuen Betriebsrat abgestimmt. 214 Das Chaos bezüglich der innerbetrieblichen Interessenvertretung wurde schließlich in einer Verwaltungsausschusssitzung des Stadtrats geklärt und die Gültigkeit des ersten Votums bescheinigt. 215 Ein anderes Problem trat im „Dorko-Werk“ auf: Dort wählte man 1922 drei Kandidaten, die jedoch noch nicht die gesetzlich vorgeschriebene Frist von sechs Monaten Betriebszugehörigkeit erfüllt hatten. 216 In diesem Fall erhob das Unternehmen Einspruch und veranlasste den Rücktritt des Gremi-
ums. 217 Außer den formalen Streitigkeiten ging es auch um das Ansehen und die Stellung der Betriebsräte in der demokratischen Gesellschaft. 218 Stadtrat und Bäckermeister Heinrich Römer von der BVP hatte zum Beispiel in einer Verwaltungssitzung den Verdacht geäußert, dass Betriebsräte der Baumwollspinnerei den Einwohnern in der Schweinfurterstraße Hamsterwaren abgenommen hätten. 219 Diese Unterstellung löste einen Aufschrei im sozialistischen Milieu und Freistaat aus. 220 Die Generalversammlung der Betriebsräte verabschiedete daraufhin nachfolgende Erklärung: „Die Versammelten erhoben einmütig schärfsten Protest gegen ein solches Gebaren und erklärten, daß in Zukunft solche völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen nicht mehr ruhig hingenommen werden.“ 221
Zudem verlangte man eine öffentliche Richtigstellung des Stadtrats in den Zeitungen, „daß an diesen Beschuldigungen kein wahres Wort“ 222 sei. „Die Ehre der angegriffenen Betriebsräte“ 223 müsse gewahrt werden und diese könnten nicht „einfach als Straßenräuber bezeichnet“ 224 werden. Unterschwellig ging es in diesem Streitfall nicht nur um falsche Äußerungen und das Prestige der Betriebsräte, sondern um die Konkurrenz der verschiedenen Richtungsgewerkschaften um die Betriebsratsposten. 225 Bezogen auf das Werk in Gaustadt versteckte sich dahinter der Konflikt katholisches gegen sozialistisches Milieu. Besonders bei den Betriebsratswahlen am Anfang der Weimarer
Vgl. FS v. 1. 4.1921, Nr. 74; FS v. 10.1.1922, Nr. 7; FS v. 1. 9.1923, Nr. 194; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 13.1.1931, Nr. 9; Potthoff, Gewerkschaften, S. 164; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 211 Vgl. Dornheim, Sachs, S. 146–151. 212 Vgl. Schreiben von Ludwig Wirth an den Stadtrat Bamberg v. 12. 5.1921, StadtABa, C 2, Nr. 57666; Schreiben von Georg Dotterweich an den Stadtrat Bamberg v. 27.10.1921, StadtABa, C 2, Nr. 57666. 213 Vgl. Schreiben von Ludwig Wirth an den Stadtrat Bamberg v. 12. 5.1921, StadtABa, C 2, Nr. 57666; Schreiben von Georg Dotterweich an den Stadtrat Bamberg v. 27.10.1921, StadtABa, C 2, Nr. 57666. 214 Vgl. Schreiben des Stadtrats Bamberg an die Kalikofabrik v. 26. 4.1920, StadtABa, C 2, Nr. 14331. 215 Vgl. Sitzungsbeschluss des Verwaltungsausschusses Bamberg v. 27. 7.1920, StadtABa, C 2, Nr. 14331. 216 Vgl. Schreiben des Dorko-Werks an den Stadtrat Bamberg v. 19.12.1922, StadtABa, C 2, Nr. 14330. 217 Vgl. Meldung von Georg Dotterweich v. 23.1.1923, StadtABa, C 2, Nr. 14330. 218 Vgl. FS v. 2. 8.1920, Nr. 175; FS v. 6. 8.1920, Nr. 180. 219 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 220 Vgl. FS v. 2. 8.1920, Nr. 175; FS v. 6. 8.1920, Nr. 180. 221 FS v. 6. 8.1920, Nr. 180. 222 FS v. 6. 8.1920, Nr. 180. 223 FS v. 6. 8.1920, Nr. 180. 224 FS v. 6. 8.1920, Nr. 180. 225 Vgl. Potthoff, Gewerkschaften, S. 165. 210
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Die Freien Gewerkschaften
Republik verzeichneten die Freien Gewerkschaften Erfolge in unbekannten Höhen. 226 So wurde 1921 in der Baumwollspinnerei Gaustadt kein einziger Vertreter der Christlichen Gewerkschaften in den Betriebsrat gewählt. 227 In der Seilerwarenfabrik hatten die christlichen Vertreter 1920 zumindest einen Posten, den sie jedoch ebenfalls 1921 an die Freien Gewerkschaften verloren. 228 Etwas ausgeglichener fiel die Wahl in der Kalikofabrik 1920 aus: Drei Betriebsräte des ADGB und zwei der Christlichen Gewerkschaften repräsentierten die Interessen der Arbeitnehmer. 229 Damit war die Textilindustrie Bamberg-Gaustadt weitgehend in roter Hand. Diese Dominanz schwächte sich in den nächsten Jahren zwar etwas ab, aber am verhältnismäßig geringen klerikalen Einfluss änderte sich nichts. 230 1926 entfielen bei der Baumwollspinnerei von insgesamt 1.277 Stimmen 84,2 % auf die Liste des ADGB und 15,8 % auf die christlichen Vorschläge. 231 1928 votierten in der Gaustadter Fabrik 1.149 Arbeiter für den Deutschen Textilarbeiterverband und 149 für den Zentralverband Christlicher Textilarbeiter. 232 Als „glänzenden Sieg“ 233 feierte der Freistaat diesen Wahlausgang. In der Tat lagen die Ergebnisse der Freien Gewerkschaften etwas über dem bayerischen Durchschnitt, der 1930/31 bei 81,8 % lag. 234 Die
Stärke der linken Verbände in der Textilindustrie Bamberg-Gaustadt wird auch im Vergleich mit Augsburg deutlich, einem anderen bayerischen und überwiegend katholischen Textilzentrum. 235 In der schwäbischen Stadt erreichten die Christlichen Gewerkschaften 1929 etwa 22 %, wohingegen die sozialistischen Kandidaten circa 78 % erzielten. 236 Im betrieblichen Alltag in Gaustadt bedeutete dies, dass von zwölf Betriebsratsmitgliedern 1926 insgesamt elf den Freien Gewerkschaften angehörten und nur ein Vertreter auf die Christlichen Gewerkschaften entfiel. 237 Mit der Weberin Lina Meisel, der Flyerin Katharina Böhnlein und der Spinnerin Margarethe Giel bestand der Arbeiterrat 238 immerhin zu einem Drittel aus Frauen des Deutschen Textilarbeiterverbandes, die auch im Bamberger Gewerkschaftskartell als Funktionärinnen Posten bekleideten. 239 Durch das Übergewicht der sozialistischen Betriebsräte stellten diese auch das Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer. 240 Mehrere Jahre, mindestens zwischen 1923 bis 1926, war der Schleifer Max Erhard in dieser verantwortungsvollen Position tätig. 241 Ebenso wie der Deutsche Textilarbeiterverband in der Gruppe der Arbeiter den Ton angab, führte der Deutsche Werkmeister-Verband die Angestellten an. 242 Die christliche Variante
Vgl. FS v. 6. 4.1921, Nr. 78; Schneider, Milieu, S. 61; Potthoff, Gewerkschaften, S. 165 f. Vgl. FS v. 6. 4.1921, Nr. 78; Schneider, Milieu, S. 61. 228 Vgl. FS v. 6. 4.1921, Nr. 78; Schneider, Milieu, S. 61. 229 Vgl. Sitzungsbeschluss des Verwaltungsausschusses Bamberg v. 27. 7.1920, StadtABa, C 2, Nr. 14331. 230 Vgl. Betriebsrat (Erba), StadtABa, D 5011, Nr. 233. 231 Vgl. Niederschrift über das Wahlergebnis v. 31. 3.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233. Für Liste 1 der Freien Gewerkschaften stimmten 1.075, für Liste 2 der Christlichen Gewerkschaften 202 Arbeiter. 232 Vgl. FS v. 2. 4.1928, Nr. 77. Der Freistaat nannte zu dieser Wahl nur die Anzahl der Wahlberechtigten (1.435), nicht aber die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen, sodass kein Prozentsatz errechnet werden konnte. 233 FS v. 2. 4.1928, Nr. 77. 234 Vgl. Winkler, Katastrophe, S. 958. Allgemeine Durchschnittswerte der Betriebsratswahlen fanden sich nur für die Wahlen 1930 und 1931. Vgl. Potthoff, Gewerkschaften, S. 372. 235 Vgl. Hetzer, Augsburg, S. 8, 66. 236 Vgl. Hetzer, Augsburg, S. 66. 237 Vgl. Niederschrift über das Wahlergebnis v. 31. 3.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233. 238 Der Betriebsrat setzte sich aus zwei Gruppenräten, dem Arbeiterrat und dem Angestelltenrat zusammen, die getrennt gewählt wurden und das Verhältnis Arbeiter-Angestellte im Betrieb widerspiegelten. Diese Bestimmung erfüllte eine Forderung der DDP von 1919, die sich damit für ihre Wählergruppe der Angestellten einsetzte. In der Baumwollspinnerei Gaustadt waren 1926 von den zwölf Betriebsratsmitglieder zehn Arbeiterräte und zwei Angestelltenräte. Vgl. Wahlausschreibung der Betriebsratswahl 1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233; Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 159–161; Winkler, Revolution, S. 288. 239 Vgl. Vorschlagsliste des Deutschen Textilarbeiterverbands 1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233; Niederschrift über das Wahlergebnis v. 31. 3.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 27.1.1930, Nr. 21. Lina Meisel und Katharina Böhnlein kamen aus Gaustadt (Gaustadt 109 und Gaustadt 102), während Margarethe Giel in Bamberg wohnte (Oberer Stephansberg). 240 Vgl. Wahl der Betriebsräte in den Aufsichtsrat v. 5. 5.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233. 241 Vgl. Geschäftsbericht der Baumwollspinnerei 1923, StadtABa, D 5011, Nr. 122; FS v. 2.1.1925, Nr. 1; Wahl der Betriebsräte in den Aufsichtsrat v. 5. 5.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233; Milert/Tschirbs, Demokratie, S. 187–195. 242 Vgl. Vorschlagsliste des Deutschen Textilarbeiterverbands 1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233; Niederschrift über das Wahlergebnis v. 31. 3.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233. 226 227
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Das sozialistische Organisationsmilieu
blieb hingegen chancenlos. So reichte der christliche Gesamtverband deutscher Angestelltengewerkschaften 1926 überhaupt keinen Wahlvorschlag ein, sondern es kandidierten nur Vertreter des sozialistischen Milieus. 243 Von diesen wurden die beiden Gaustadter, der Webermeister Georg Hohl und der Spinnermeister Georg Pfuhlmann, mit dem Amt betraut. 244 Georg Hohl übernahm zusätzlich die Angestelltenvertretung im Aufsichtsrat. 245 Während die Textilindustrie folglich eine Domäne der Freien Gewerkschaften in Bamberg war, stellte sich das Verhältnis in anderen Branchen umgekehrt da. 246 In der Hauptwerkstätte für Kraftpostwagen der Reichspost in Bamberg überwog bei den Betriebsräten die christliche Deutsche Postgewerkschaft die freigewerkschaftliche Allgemeine Deutsche Postgewerkschaft im Verhältnis vier zu zwei. 247 Dieses Phänomen war allgemein unter Verbänden mit Beamten zu beobachten, deren Mitglieder sich besonders nach 1922 von den Freien Gewerkschaften abwandten. 248 Allerdings liegt für Bamberg keine Statistik zur Anzahl der Betriebsräte in allen Industriezweigen vor, sodass eine Übersicht zur Entwicklung und dem Verhältnis der Richtungsgewerkschaften nicht möglich ist. 249 Anhaltspunkte bieten lediglich die Auskünfte auf den Generalversammlungen des Gewerkschaftskartells. Ende der 1920er Jahre ver-
öffentlichte der ADGB dazu die Anzahl der eigenen Betriebsräte. 250 Diese stieg von 143 Betriebsräten (1928) auf 187 (1929) an. 251 Der Freistaat sah in den Betriebsräten folglich die „Pioniere des Kampfes um die Wirtschaftsdemokratie“ 252, vor allem aber waren die Betriebsräte ein neuer und gewichtiger Faktor der Arbeiterbewegung während der Weimarer Republik. Innerhalb des sozialistischen Milieus schlugen sie die Brücke zwischen den einzelnen Betrieben und den Freien Gewerkschaften und hatten daher eine essentielle Mittler- und Verbindungsfunktion. Der Ausbau des Arbeitermilieus auf Basis des Gewerkschaftskartells in Bamberg war eng mit den Erfolgen der freigewerkschaftlichen Betriebsräte verbunden, die gerade in den großen und wichtigen Textilfirmen das Zepter in der Hand hielten.
4.1.5 Für höhere Löhne und billigeres Bier: Streiks in Bamberg Gestreikt wurde während der Weimarer Republik in Bamberg besonders im Baugewerbe: 253 „Die Arbeiter bei dem Autohauptwerkstättenbau im Streik“, 254 lautete im Juni 1923 eine Schlagzeile. „Der Bauarbeiterstreik dauert unvermindert an“, 255 meldete im April 1924 die Stadt Bamberg nach Bayreuth und 1926 berichtete das Bamberger Volksblatt über
Vgl. Vorschlagsliste des Deutschen Werkmeister-Verbandes 1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233; Niederschrift über das Wahlergebnis v. 31. 3.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233. 244 Vgl. Niederschrift über das Wahlergebnis v. 31. 3.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233. 245 Vgl. Wahl der Betriebsräte in den Aufsichtsrat v. 5. 5.1926, StadtABa, D 5011, Nr. 233. 246 Vgl. NV v. 2. 6.1928, Nr. 125; Winkler, Revolution, S. 430–433. 247 Vgl. NV v. 2. 6.1928, Nr. 125. Zu den verschiedenen Gewerkschaften bei der Deutschen Post vor 1933 vgl. Lauschke, Karl: „Zusammenhalten und gestalten“. Die Deutsche Postgewerkschaft bis zur Bildung von ver.di. Hamburg 2009, S. 13–15; Glasbrenner, Walter: Die Geschichte der Deutschen Postgewerkschaft und ihrer Vorläuferorganisationen. 1890–1990. 100 Jahre Postgewerkschaft. Frankfurt am Main 1990, S. 93–105. 248 Vgl. Winkler, Revolution, S. 430–433; Krenn, Arbeiterbewegung, S. 525. 249 Die Quellenlage im Stadtarchiv zum Themenkomplex der Betriebsräte ist äußert dünn und bruchstückhaft und beschränkt sich auf folgende Akten: Betriebsrat (Erba), StadtABa, D 5011, Nr. 233; Betriebsratswahl bei der Firma Dorn & Companie (Dorko-Werk), StadtABa, C 2, Nr. 14330; Betriebsrätewahl in der Kalikofabrik (Beiakt), StadtABa, C 2, Nr. 14331; Betriebsrätegesetz (1. Band) (Generalakte), StadtABa, C 2, Nr. 57665; Vollzug des Betriebsrätegesetzes, StadtABa, C 2, Nr. 57666. 250 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 23. 3.1929, StadtABa, BS, Nr. 6941. 251 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 5. 4.1928, StadtABa, BS, Nr. 6941; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 23. 3.1929, StadtABa, BS, Nr. 6941. 252 FS v. 1. 3.1928, Nr. 51. Das Konzept der „Wirtschaftsdemokratie“ war eines der beherrschenden Themen des ADGB seit 1925. Auf dem Bundeskongress der Freien Gewerkschaften 1928 in Hamburg wurde ein ausgearbeitetes Programm von Fritz Naphtali, dem Leiter der freigewerkschaftlichen Forschungsstelle für Wirtschaftsdemokratie, präsentiert und angenommen, das den reformerischen Weg zum Sozialismus durch die Demokratisierung der Wirtschaft aufzeigte. Vgl. Winkler, Schein, S. 607–613; Potthoff, Gewerkschaften, S. 181–185. 253 Vgl. NZ v. 3.10.1921, Nr. 32; FS v. 28. 2.1921, Nr. 48; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 6.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; FS v. 4. 6.1923, Nr. 124; FS v. 30. 4.1925, Nr. 98; BV v. 9. 8.1926, Nr. 181. 254 FS v. 5. 6.1923, Nr. 124. 255 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857. 243
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Die Freien Gewerkschaften
den „Streik bei den Kabelverlegungsarbeiten der ‚Frankenluk‘“. 256 In den 1920er Jahren waren Ausstände auf den Baustellen regelmäßig wiederkehrende Ereignisse – kaum ein Jahr verging ohne entsprechende Meldungen. 257 In den meisten Fällen ging es um Lohnforderungen der Arbeiter, so beispielsweise beim Hausbau in der Egelseestraße 1921 oder beim Bauschlosserstreik 1925. 258 Zu dieser Kategorie zählte auch der Arbeitskampf 1926 bei der Firma „Fränkische Licht- und Kraftversorgung AG“ (Frankenluk), in dem es bei der Verlegung eines Hochspannungskabels in der Luitpoldstraße um die Einstufung der Arbeiter in den Bauarbeiteroder Elektrizitätsarbeitertarif ging. 259 Dabei hatte Gewerkschaftssekretär Johann Engert den Streik ausgerufen, nachdem eine Klage vor dem Gewerbegericht gescheitert war. 260 Das Ziel des Deutschen Baugewerksbundes war es, durch die Einordnung als Bauarbeiter und nicht Elektrizitätsarbeiter eine höhere Bezahlung der Beschäftigten zu erzwingen. 261 Allerdings fand die Firma neue Arbeiter, die als Streikbrecher tätig wurden und konnte mit diesen den Auftrag vollenden. 262 Anschließend wurde die „Unüberlegtheit“ 263 und „unverantwortliche Handlungsweise“ 264 von Engert im Bamberger Volksblatt kritisiert. Im Freistaat hingegen entrüstete man sich über den fehlenden Zusammenhalt der Arbeiterschaft und forderte zur Werbung aller Unorganisierten auf. 265 Andere Streiks waren durchaus
von Erfolg gekrönt, so setzten sich die Maurer, Zimmerer, Stuckateure und Bautagelöhner im Juni 1923 mit ihrer Forderung nach höheren Stundenlöhnen durch. 266 Bewilligt wurden ihre Ansprüche durch einen Schiedsspruch des Landeseinigungsamtes Nürnberg. 267 Eine völlig andere Ursache hatte die Arbeitseinstellung 1928 beim Bau des neuen Priesterseminars: „Die Firma Kuntze & Co., Leipzig, hat die Austrocknungsarbeiten des Neubaues übernommen und zu diesem Zwecke eine Reihe offener Koksöfen aufgestellt. Die Arbeiterschaft fühlte sich durch die ausströmenden Koksgase in ihrer Gesundheit geschädigt und forderte von der Bauleitung die Entfernung der Öfen, wenigstens aus den Räumen, wo gearbeitet wurde. Da die Bauleitung diesem Wunsche nicht nach kam, wurde in den Streik getreten.“ 268
Arbeitsschutz und Gesundheitsprävention waren folglich neben dem Einkommen die umstrittenen Fragen in der Baubranche. Einen der Hauptschauplätze von Arbeitsniederlegungen bildete der Flugplatz an der Breitenau, der zwischen 1923 und 1925 teilweise zur Hauptkraftwagenstätte für den überregionalen Busverkehr umgestaltet wurde. 269 Eine Reihe von Baufirmen war dabei involviert und mehrmals traten deren Arbeiter geschlossen in den
BV v. 9. 8.1926, Nr. 181. Vgl. FS v. 28. 2.1921, Nr. 48; FS v. 31. 8.1922, Nr. 199; Bericht des Bezirksamts Bamberg I an den Staatskommissar für den Regierungsbezirk Oberfranken v. 5. 6.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Bericht des Bezirksamts Bamberg I an den Staatskommissar für den Regierungsbezirk Oberfranken v. 8. 4.1924, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 25. 5.1925, StABa, Regierung von Oberfranken, K 3, Kammer des Innern, F I (künftig: StABa, K 3, F I), Nr. 2675; BV v. 9. 8.1926, Nr. 181; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 27. 2.1928, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. Ausnahme bildeten lediglich die Jahre 1927 und 1929. 258 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 28. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 23. 4.1925, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. 259 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 6. 8.1926, StABa, K 3, F I, Nr. 2675; FS v. 6. 8.1926, Nr. 177; BV v. 9. 8.1926, Nr. 181; Leistungskampf der deutschen Betriebe, Fränkische Licht- und Kraftversorgung AG v. 1943, StABa, M 36, Nr. 103. 260 Vgl. BV v. 9. 8.1926, Nr. 181. 261 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 6. 8.1926, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. 262 Vgl. FS v. 6. 8.1926, Nr. 177; BV v. 9. 8.1926, Nr. 181; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 6. 8.1926, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. 263 BV v. 9. 8.1926, Nr. 181. 264 BV v. 9. 8.1926, Nr. 181. 265 Vgl. FS v. 6. 8.1926, Nr. 177. 266 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 6. 6.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 267 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 6. 6.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 268 Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 27. 2.1928, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. 269 Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg I an den Staatskommissar für den Regierungsbezirk Oberfranken v. 5. 6.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Bericht des Bezirksamts Bamberg I an den Staatskommissar für den Regierungsbezirk Oberfranken v. 8. 4.1924, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1588, 1614. 256 257
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Streik. 270 Die dortigen Arbeiter bestanden 1923 infolge der Inflation auf einer Lohnerhöhung, um mit dem Preisanstieg der Lebensmittel Schritt halten zu können. 271 Diese Forderung entfaltete von der Memmelsdorfer Straße eine Signalwirkung auf ganz Bamberg, sodass sich schließlich 1.710 Arbeiter in 29 Betrieben daran beteiligten. 272 Dies war einer der zahlenmäßig größten Streiks während der Weimarer Republik in Bamberg. Eine andere brisante Baustelle bildete der Wehr- und Schleusenbau bei Viereth unter Leitung der Kanalbauinspektion Bamberg. 273 Insgesamt drei Monate dauerte einer der dortigen Streiks 1921, bei dem zur Bewachung der Anlage sogar die Landespolizei abgestellt worden war. 274 Anders als im Baugewerbe konzentrierten sich die Arbeitskämpfe in der Textilindustrie nur auf die ersten Jahre der Weimarer Republik. 275 Dies waren zugleich in ganz Bayern die Jahre mit den höchsten Streikzahlen. 276 Besonders das Jahr 1920 sticht in der Statistik heraus, denn im Freistaat wurden insgesamt 500 Ausstände registriert und fast eine halbe Million Arbeiter nutzten dieses Kampfmittel. 277 Nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch waren die Gewerkschaften auf dem Höhepunkt ihrer Macht und Organisationsstärke angekommen und versuchten dies wirtschaftlich zu ihren Gunsten zu nutzen. 278 Am Generalstreik im März 1920 hatte sich die Arbeiterschaft Bambergs zwar nicht beteiligt, doch im Herbst 1920 führte die Unzufriedenheit in der
Baumwollspinnerei Gaustadt zur Arbeitsniederlegung. 279 Bei der vorangegangenen Abstimmung hatten sich 665 Arbeiter für den Streik ausgesprochen, wohingegen nur 23 dagegen stimmten. 280 Folglich trat die gesamte Belegschaft ab dem 27. September 1920 in den Ausstand und verlangte „die Gleichstellung des Lohns mit den in Südbayern gewährten Sätzen“. 281 Dieser sogenannte „Augsburger Tarif“ war 1919 von den dortigen Textilarbeitern erstritten worden und hatte eine deutliche Lohndifferenz von einer Mark pro Stunde zwischen Süd- und Nordbayern zementiert. 282 Mit ihrem Protest gegen diese Ungerechtigkeit lösten die Bamberger und Gaustadter Textilarbeiter eine Streikwelle in Nordbayern aus: „Der in Gaustadt bei Bamberg entstandene und zunächst nur auf Erlangen übergesprungene Textilarbeiterstreik hat sich, wie zu befürchten stand, weiter ausgebreitet. Die Bewegung hat sich nunmehr auch auf Bayreuth, Hof, Münchberg erstreckt.“ 283
Dies meldete die Polizeidirektion Nordbayern am 9. Oktober 1920 in ihrem Wochenbericht. 284 Die Belegschaft aus Gaustadt und Bamberg wirkte demnach als Schrittmacher für das gesamte Gebiet. Endgültig vorbei waren die Zeiten des Kaiserreichs, als Direktor Semlinger 1908 über die Baumwollspinnerei geschrieben hatte:
Vgl. Bericht des Bezirksamts Bamberg I an den Staatskommissar für den Regierungsbezirk Oberfranken v. 5. 6.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Bericht des Bezirksamts Bamberg I an den Staatskommissar für den Regierungsbezirk Oberfranken v. 8. 4.1924, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 271 Vgl. FS v. 5. 6.1923, Nr. 124. 272 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 6. 6.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 273 Vgl. BT v. 10. 3.1921, Nr. 57; Bericht der Kanalbauinspektion Bamberg an das Bezirksamt Bamberg II v. 25. 5.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 2; Bericht des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 25. 6.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 1; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1568. 274 Vgl. Bericht der Kanalbauinspektion Bamberg an das Bezirksamt Bamberg II v. 25. 5.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 2. 275 Vgl. SO v. 22.10.1920, Nr. 297; Bericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Bezirksamt Bamberg II v. 19.12.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Winkler, Revolution, S. 400. 276 Vgl. Bayerisches Statistisches Landesamt (Hg.): Bayern im Lichte seiner hundertjährigen Statistik (= Beiträge zur Statistik Bayerns, Heft 122). München 1933, S. 84; Jüngling, Elisabeth: Streiks in Bayern – Grundmuster und Beispiele. In: Acht Stunden sind kein Tag. Geschichte der Gewerkschaften in Bayern (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 34). Hg. v. L. Eiber/R. Riepertinger/E. Brockhoff. Augsburg 1997, S. 76. 277 Vgl. Landesamt, Bayern im Lichte, S. 84; Jüngling, Streiks in Bayern, S. 76. 278 Vgl. Potthoff, Gewerkschaften, S. 42; Winkler, Revolution, S. 320. 279 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 3. 4.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 2.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 280 Vgl. BV v. 28. 9.1920, Nr. 222. 281 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 9.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 282 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 2.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Clasen, Streikgeschichten, S. 186–190. 283 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 9.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 284 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 9. 10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 270
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Die Freien Gewerkschaften
„Streik und Aussperrung waren Dinge, die bei uns nur dem Namen nach bekannt waren; gleich dem Schiffer, der sich vor ausbrechendem Wetter in sicheren Port gerettet hat und von da die stürmende Brandung der erregten See ruhig beobachten kann, durften wir uns, abseits des sozialen Kriegsschauplatzes, der Fortdauer voller Eintracht in unseren Werken erfreuen.“ 285
Infolge der Revolution, dem Aufbau des sozialistischen Milieus und dem Erstarken des Deutschen Textilarbeiterverbandes hatte sich der ruhige oberfränkische Hafen in eine Fabrik voller freigewerkschaftlicher und linksstehender Arbeiternehmer verwandelt, die nicht nur zur SPD, sondern vor allem zur USPD tendierten. 286 Das Bamberger Volksblatt sprach daher auch vom „roten Terror in der Spinnerei Bamberg“. 287 Parallel zum Streik organisierte die Textilarbeitergewerkschaft im „Eckenbüttnersaal“ eine Mitgliederversammlung, in der Hermann Jäckel, USPD-Reichstagsabgeordneter und Vorstand des Zentralverbandes der Textilarbeiter, vor 500 Anwesenden „die möglichst baldige Verstaatlichung der Textilindustrie“ 288 propagierte. Der ökonomische Streik erhielt somit eine politische Note, die sowohl die Behörden als auch die Firmenleitung beunruhigte. 289 Unter diesen Umständen erreichte die Belegschaft tatsächlich ihr Streikziel und am 19. Oktober endete der Arbeitskampf, nachdem der südbayerische Tarif erfolgreich als neuer Maßstab für die Löhne in Nordbayern durchgesetzt worden war. 290
Zwei Jahre später hatte sich das Blatt zugunsten der Unternehmer gewendet. 291 Aufgrund der fortschreitenden Inflation und hohen Arbeitslosigkeit waren die Gewerkschaften sowohl finanziell als auch organisatorisch geschwächt. 292 Die Errungenschaft des Achtstundentages war bereits 1922 von der Metallindustrie aufgekündigt worden und wurde 1923 durch eine neue Arbeitszeitverordnung torpediert, die zahlreiche Ausnahmen zur Erhöhung der Arbeitszeit zuließ. 293 Außerdem galt eine neue Schlichtungsverordnung, die das Mittel der staatlichen Zwangsschlichtung einführte und Schiedssprüche durch eine Verbindlichkeitserklärung des Reichsarbeitsministeriums durchsetzen konnte. 294 Als Konsequenz wuchs sowohl die Macht des Staates in Lohnfragen als auch die Abhängigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber vom Wohlwollen des Reichsarbeitsministeriums, während der Einigungszwang der Tarifpartner aufgehoben wurde und die Kompromissbereitschaft folglich sank. 295 Obwohl die Arbeitnehmer anfangs die Schlichtungsverordnung begrüßt hatten, wurde bald offensichtlich, dass das Einvernehmen zwischen Staat und Industrie den Gewerkschaften zum Nachteil gereichte. 296 In dieser Situation endete ein Streik der Textilarbeiterschaft der Baumwollspinnerei Ende 1923 „mit einer vollständigen Niederlage der irregeleiteten Arbeitnehmer“ 297, wie Oberregierungsrat Fackelmann festhielt. Der Grund des Ausstandes lag in der Preissteigerung insbesondere der Lebensmittel. 298 Als die Belegschaft während der Arbeitszeit die Maschinen stoppte und damit die Direktion zu
Semlinger, Heinrich: Beitrag zur Geschichte der Mech. Baumwollspinnerei und Weberei Bamberg. Aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens am 12. Juni 1908. Bamberg 1908, S. 48; vgl. Blessing, Werner K.: Unternehmer in Oberfranken. Zu einer industriellen Lebenswelt des frühen 20. Jahrhunderts. In: JfL 60 (2000), S. 582. 286 Vgl. BV v. 2. 4.1921, StABa, K 105, Nr. 91; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 2.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 287 BV v. 2. 4.1921, StABa, K 105, Nr. 91. 288 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 16.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 289 Vgl. Jüngling, Streiks; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 2.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 16.10.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 290 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 23.10.1920, StABa, K 3, Präs. Reg, Nr. 1847. 291 Vgl. Schneider, Geschichte, S. 167–173. 292 Vgl. Schneider, Geschichte, S. 171; Winkler, Schein, S. 211. 293 Vgl. Schneider, Geschichte, S. 170 f.; Schönhoven, Geschichte, S. 29. 294 Vgl. Schneider, Geschichte, S. 171 f.; Kittner, Michael: Arbeitskampf. Geschichte, Recht, Gegenwart. München 2005, S. 458–460; Winkler, Revolution, S. 684–689. 295 Vgl. Schneider, Geschichte, S. 171 f.; Winkler, Revolution, S. 684–689. 296 Vgl. Winkler, Revolution, S. 687 f. 297 Halbmonatsbericht v. 30.12.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 298 Vgl. Fränkische Volkstribüne v. 21.12.1923, Nr. 297. 285
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Verhandlungen mit den Betriebsräten zwingen wollte, lehnte diese ab und beorderte stattdessen die Landespolizei in die Fabrik. 299 Eigentlich fielen Lohnstreitigkeiten nicht in die Zuständigkeit der Landespolizei, doch erfüllte diese den Auftrag und veranlasste die Räumung der Firma. 300 Dieses unverhältnismäßig harte Vorgehen der Firmenleitung offenbarte deren wiedererlangte Überlegenheit und Selbstbewusstsein gegenüber den Gewerkschaften. Zugleich zeigte es die problematische Konstellation der Nähe zwischen Arbeitgebern und staatlichen Behörden. Selbst Regierungspräsident Strößenreuther sah sich veranlasst, zu intervenieren und das Vorgehen in einem Schreiben an das Bezirksamt Bamberg II zu verurteilen: „Es besteht Veranlassung darauf hinzuweisen, daß die Führung von Verhandlungen mit den Streikenden nicht Aufgabe der L. P. [d. h. Landespolizei] ist, vielmehr in die Zuständigkeit des Bez. Amts selbst fällt, das erforderlichenfalls hiezu einen beamteten Vertreter abzusehen hätte.“ 301
Die Gewerkschaften mussten schließlich notgedrungen den Ausstand beenden, ohne eine Erhöhung der Löhne erreicht zu haben. 302 Zusätzlich wurden zehn Arbeiter als Anführer des Aufstands entlassen und folglich auch neue Streiks vereitelt. 303 Während die Arbeiterbewegung somit in die Defensive geriet, konnten die Unternehmer dies als Sieg verbuchen, der sich gepaart mit der Inflation und der schlechten Wirtschaftslage der folgenden Jahre nachhaltig auswirkte. 304 Zusammen mit den
Behörden hatten sie einen Sieg gegen die Arbeitnehmer errungen. Anschließend fanden in der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei Bamberg während der gesamten Weimarer Republik keine größeren Streiks mehr statt. 305 Die revolutionäre Aufbruchsstimmung Anfang der Zwanzigerjahre hatte sich notgedrungen wieder beruhigt. Im Unterschied zur Textilindustrie erlahmte die Streiklust in anderen Branchen deutlich weniger. 306 Zwar ließ in Bamberg die Streikfrequenz Mitte der 1920er Jahre dem allgemeinen Trend folgend ebenfalls nach, doch verglichen mit der bayerischen Gesamtzahl der Ausstände, die von 500 (1920), über 126 (1925) auf 42 (1928) und 24 (1929) abrutschte, kam es noch verhältnismäßig häufig zu Arbeitskämpfen. 307 So vielfältig wie die Wirtschaft insgesamt in Bamberg aufgebaut war, so unterschiedlich waren die Streiks in ihrem Umfang, in ihrer Ausprägung und Dauer. 1924 streikten beispielsweise 275 Arbeitnehmer der Schuhfabrik Neuburger, während die Möbelfabrik Müller ihrerseits 51 Arbeiter wegen Lohndifferenzen aussperrte. 308 Im Schlosserhandwerk protestierten 1925 die Gesellen gegen den „Unfug, keinen Gehilfen, dafür aber ein Dutzend Lehrlinge zu halten“ 309 und damit Kosten zu sparen. Der Streik richtete sich speziell gegen drei Schlossermeister und betraf lediglich 16 Gesellen, doch dauerte es fast einen Monat bis die Arbeit wieder aufgenommen wurde. 310 In der Zwischenzeit unterstützte der Freistaat die Forderungen der Gesellen, indem man dazu aufrief, keine Lehrlinge bei Aufträgen zu akzeptieren und den Streikenden Aufträge durch die Zeitung vermittel-
Vgl. Fränkische Volkstribüne v. 21.12.1923, Nr. 297; Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Bezirksamt Bamberg II v. 19.12.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 300 Vgl. Fränkische Volkstribüne v. 21.12.1923, Nr. 297; Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Bezirksamt Bamberg II v. 19.12.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 301 Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Bezirksamt Bamberg II v. 19.12.1923, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 302 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.12.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 303 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.12.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 304 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.12.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 305 Ein ähnliches Resultat erzielte auch eine Untersuchung zur Textilindustrie Augsburg, in der ebenfalls zwischen 1925 und 1930 nicht mehr im größeren Umfang gestreikt wurde. Vgl. Clasen, Streikgeschichten, S. 263–267, 301. 306 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 5.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857; FS v. 30. 4.1925, Nr. 98; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 25. 5.1925, StABa, K 3, F I, Nr. 2675; BV v. 7. 3.1925, Nr. 55; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 24. 9.1928, StABa, K 3, F I, Nr. 2675; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 9. 9.1929, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. 307 Vgl. Jüngling, Streiks; Jüngling, Streiks in Bayern, S. 76 f.; Winkler, Schein, S. 476. 308 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 5.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857. 309 FS v. 30. 4.1925, Nr. 98. 310 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 23. 4.1925, StABa, K 3, F I, Nr. 2675; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 25. 5.1925, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. 299
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Die Freien Gewerkschaften
te. 311 Auf der Gegenseite half das Bamberger Tagblatt den Handwerksmeistern bei der Suche nach neuen arbeitswilligen Gehilfen, sodass der wirtschaftliche Konflikt auch die Ebene der Presse und der Milieus erreichte. 312 Öffentliche Aufmerksamkeit erregte des Weiteren ein Streik des Orchesters im Stadttheater 1925, bei dem 36 Musiker die Arbeit verweigerten. 313 Durch erhöhte Zulagen und eine einmalige Entschädigung für die Instrumentenabnutzung konnte die Stadt eine Einigung erzielen. 314 Erfolgreich für die Arbeitnehmer verliefen zudem zwei Arbeitskämpfe im Jahr 1928, bei denen sowohl die Eisengießerei und Maschinenfabrik „Gramss & Thomas“ sowie die Kleiderfabrik Georg Schwert Lohnerhöhungen bewilligten. 315 Ein Jahr darauf stellten ein Teil der Glaser Bambergs die Arbeit ein, doch ihr Anliegen nach höherer Bezahlung wurde abgewehrt. 316 Die beiden ersten Jahre der Wirtschaftskrise 1930 und 1931 blieben in Bamberg streikfrei, erst 1932 brachen Abwehrkämpfe auf, in denen Lederarbeiter der Schuhfabrik Manz versuchten, Lohnkürzungen rückgängig zu machen. 317 Infolgedessen kündigte die Firma drei Arbeitern, wogegen diese vor dem Arbeitsgericht Einspruch erhoben. 318 Ein letztes Mal in der Weimarer Republik konnten die Freien Gewerkschaften mit dem Deutsche Schuhmacherverband einen Teilsieg erringen, da zwei der Entlassenen wieder eingestellt werden mussten. 319 All diese einzelnen Streikfälle verdeutlichen, dass der Aufstieg der Freien Gewerkschaften und des sozialistischen Milieus ein gestärktes Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft in Bamberg und eine erhöhte Streikbereitschaft in allen Branchen
nach sich zog. Diese beschränkte sich nicht nur auf die Anfangsphase der Weimarer Republik, sondern der eingeläutete Mentalitätswechsel der Arbeiterschaft prägte die Arbeitsbeziehungen bis 1933. Bamberg wurde nicht zum Schauplatz eines riesigen oder besonders langwierigen Streiks wie beispielsweise Augsburg oder Schweinfurt, doch gerade dies barg die Chance, in vielen kleinen und weniger beachteten Ausständen spürbare Verbesserungen für die Arbeitnehmer zu erzielen. 320 Diese Möglichkeiten wurden genutzt. Einzig in der Textilindustrie waren die Fronten durch die Ausstände der ersten Jahre so verhärtet, dass anschließend der Weg des Streiks keine Option mehr darstellte. Alles in allem sind die Bamberger „Streikgeschichten“ der Weimarer Republik ein Beleg der erfolgreichen Arbeit der Freien Gewerkschaften und ihres Rückhalts im sozialistischen Milieu. Viele der Arbeitsniederlegungen betrafen nur einzelne Industriegruppen und wenige Arbeitnehmer, doch in einer Sache, zogen alle Arbeiter an einem Strang: beim Bierpreis. 321 Im Frühjahr 1926 organisierten die Freien Gewerkschaften zusammen mit weiteren Verbänden einen allgemeinen Bierstreik in Bamberg. 322 Der Freistaat gab die Losung „Meidet den Biergenuß!“ 323 aus und berichtete von leeren Wirtschaften in Bamberg. 324 Um nicht ganz auf den Konsum verzichten zu müssen, fuhr man gemeinsam am Wochenende in die umliegenden Ortschaften, in denen das Bier für 40 Pfennig oder weniger ausgeschenkt wurde. 325 Letztendlich beugten sich viele der Gastwirtschaften dem Druck, sodass auch in Bamberg Bier wieder für 40 Pfennig genossen werden konnte. 326
Vgl. FS v. 30. 4.1925, Nr. 98. Vgl. FS v. 30. 4.1925, Nr. 98. 313 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 26. 2.1925, StABa, K 3, F I, Nr. 2675; BV v. 7. 3.1925, Nr. 55. 314 Vgl. BV v. 7. 3.1925, Nr. 55. 315 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 22. 3.1928, StABa, K 3, F I, Nr. 2675; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 24. 9.1928, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. 316 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 25.7.1929, StABa, K 3, F I, Nr. 2675; Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 9. 9.1929, StABa, K 3, F I, Nr. 2675. 317 Vgl. FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; NZA v. 19.12.1932, Nr. 278. 318 Vgl. FS v. 28. 2.1933, Nr. 49. 319 Vgl. FS v. 28. 2.1933, Nr. 49. 320 Vgl. Dornheim, Sachs, S. 146–151; Clasen, Streikgeschichten, S. 212–262. 321 Vgl. FS v. 12. 4.1926, Nr. 82. 322 Vgl. FS v. 12. 4.1926, Nr. 82; FS v. 17. 4.1926, Nr. 87; FS v. 20. 4.1926, Nr. 89; FS v. 22. 4.1926, Nr. 91; FS v. 24. 4.1926, Nr. 93; FS v. 27. 4.1926, Nr. 95. 323 FS v. 17. 4.1926, Nr. 87. 324 Vgl. FS v. 20. 4.1926, Nr. 89. 325 Vgl. FS v. 20. 4.1926, Nr. 89. 326 Vgl. FS v. 22. 4.1926, Nr. 91; FS v. 27. 4.1926, Nr. 95; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 14. 3.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864. 311
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4.1.6 Gewerkschaftliche Konflikte Differenzen in und zwischen den Gewerkschaften waren ein ständiges Phänomen während der Weimarer Republik. 327 Allerdings verschoben sich in Bamberg die Fronten sehr stark innerhalb weniger Jahre, die Freien Gewerkschaften hatten keinen eindeutigen und konstanten Antagonisten, sondern wechselnde Gegner. Den Anfang machten die Christlichen Gewerkschaften. Hatten sie im Kaiserreich Betriebe wie die Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Bamberg dominiert, so ging diese Vormachtstellung im Ersten Weltkrieg und der Revolutionszeit verloren. 328 Erbittert bekämpften sich daher Freie und Christliche Gewerkschaften in den Jahren zwischen 1918 und 1922. 329 „Man hat einen Geschäftsführer, aber keine Mitglieder.“, 330 spottete der Freistaat 1921, um auf die Mitgliederverluste der christlichen Organisation aufmerksam zu machen und das eigene Wachstum zu unterstreichen. Die Angegriffenen konterten ihrerseits mit einem Aufruf im Bamberger Volksblatt: „Christlich gesinnte Arbeiter und Arbeiterinnen! Laßt euch von den Phrasendreschern der Sozialdemokratie nicht länger am Galgenband herumführen und erklärt samt und sonders euren Uebertritt zu den christlichen Gewerkschaften […].“ 331
Mithilfe der konfessionellen Vereine startete das katholische Milieu eine Offensive, um die Christlichen Gewerkschaften zu stärken. 332 In diesem Sinne wirkte auch der katholische Pfarrer Hermann Madlener, der beispielsweise auf der Generalversammlung des St.-Josef-Vereins den Austritt aller Mitglie-
der aus den roten Gewerkschaften verlangte. 333 Allerdings agierten die Freien Gewerkschaften ebenfalls mit fraglichen Methoden, um ihren Einfluss und ihre Basis zu vergrößern. 334 1921 ermittelte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Bamberg im Fall des Fabrikarbeiters Johann Alt, der nach seinem Arbeitsbeginn bei der Baumwollspinnerei in Gaustadt bedrängt wurde, dem Deutschen Textilarbeiterverband beizutreten. 335 Da er zögerte, besuchte man seine Ehefrau und erreichte schließlich bei ihr die Zustimmung zum Eintritt in die linke Gewerkschaft. 336 Johann Alt war durch diesen Schritt jedoch nicht gewonnen, sondern er trat nun bewusst zum christlichen Verband über. 337 Infolgedessen streikten am 1. April 1921 eine Stunde lang die freigewerkschaftlich organisierten Arbeiter in Gaustadt, um ihren Unmut mit dem Wechsel von Johann Alt zu bekunden und ihre Stärke zu demonstrieren. 338 Das Verfahren in dieser Angelegenheit wurde schließlich eingestellt, da die genauen Vorgänge aufgrund der verworrenen Aussagen aller Beteiligten nicht rekonstruiert werden konnten. 339 Ähnliche Fälle von erzwungenen Eintritten in den ersten Jahren der Weimarer Republik wurden auch aus anderen bayerischen Firmen gemeldet. 340 Die Textilarbeiterschaft in Gaustadt und Bamberg war demnach nicht übertrieben empfindlich, doch sie agierte zielbewusst und stand bei den erbitterten gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen in keinster Weise zurück. Neben dem Kampf um Mitglieder und Betriebsräte führten die unterschiedlichen Ideologien, Ansätze und Weltanschauungen zu Differenzen zwischen den Arbeitnehmervertretungen. 341 Bereits im November 1918 zeigte sich dies bei der Gewich-
Vgl. Krenn, Arbeiterbewegung, S. 575–579; Schneider, Geschichte, S. 186–193. Vgl. FV v. 15. 3.1919, Nr. 61; FV v. 19. 3.1919, Nr. 64; Dornheim/Gierse/Kießling, Erba, S. 58. 329 Vgl. FV v. 26.11.1918, Nr. 274; FV v. 13. 3.1919, Nr. 59; FS v. 18. 3.1921, Nr. 64; BV v. 29. 4.1921, Nr. 99; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 4.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. 330 FS v. 18. 3.1921, Nr. 64. 331 VB v. 29. 4.1921, Nr. 99. 332 Vgl. FS v. 18. 3.1921, Nr. 64. 333 Vgl. FV v. 13. 3.1919, Nr. 59. 334 Vgl. Strafverfahren Alt Johann von Gaustadt, StABa, K 105, Nr. 91; Krenn, Arbeiterbewegung, S. 575 f. 335 Vgl. Ermittlungsprotokoll v. 14. 4.1921, StABa, K 105, Nr. 91. 336 Vgl. Ermittlungsprotokoll v. 14. 4.1921, StABa, K 105, Nr. 91. 337 Vgl. Ermittlungsprotokoll v. 14. 4.1921, StABa, K 105, Nr. 91. 338 Vgl. BV v. 2. 4.1921, StABa, K 105, Nr. 91; Ermittlungsprotokoll v. 14. 4.1921, StABa, K 105, Nr. 91. 339 Vgl. Strafverfahren Alt Johann von Gaustadt, StABa, K 105, Nr. 91. 340 Vgl. Krenn, Arbeiterbewegung, S. 575. 341 Vgl. Sitzungsbeschluss des Verwaltungsausschusses Bamberg v. 27. 7.1920, StadtABa, C 2, Nr. 14331; FV v. 26.11.1918, Nr. 274; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 4.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852; Winkler, Revolution, S. 430. 327
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Die Freien Gewerkschaften
tung des Achtstundentages. 342 Während diese Forderung für die Freien Gewerkschaften oberste Priorität hatte, verhielten sich die christlichen Vertreter zurückhaltend. 343 So fehlte der christliche Gewerkschaftsführer bei einer örtlichen Abstimmung zum Achtstundentag unentschuldigt und rief damit die Kritik des Fränkischen Volksfreunds hervor. 344 Ein anderer Streitpunkt war der Erste Mai. 345 1922 warb insbesondere der SPD-Bürgermeister Johann Steitz um die Beteiligung der Arbeiterschaft an der Feier samt Demonstrationszug, wohingegen die Gegenseite in der Bamberger Tagespresse erklärte, „daß in der heutigen wirtschaftlichen Not gar kein Anlaß bestehe, neue Feiertage einzuschalten.“ 346 Grundsätzlicher Natur war die Frage nach der richtigen Staatsform, ob die Republik zu verteidigen oder die konstitutionelle Monarchie zu bevorzugen sei. 347 Dieser heikle Punkt führte in Bamberg zu der kuriosen Situation, dass sich nach dem Mord an Walther Rathenau zwar die BVP an der Protestkundgebung beteiligte, die christlichen Gewerkschaften der Veranstaltung aber fernblieben. 348 Bei der Absenz der christlichen Verbände spielte außer dem umstrittenen Republikschutz die Haltung zum Streik eine Rolle, denn die konfessionellen Zusammenschlüsse lehnten den politischen Streik generell ab. 349 Diese theoretischen Überlegungen überzeugten im Juli 1922 die Arbeiterschaft wenig, denn an der Demonstration gegen den Rathenau-Mord nahmen letztendlich etwa 5.000 Bamberger teil. 350 Daraufhin schlussfolgerte der Freistaat:
„Der plakatierte Aufruf der ‚christlichen‘ Gewerkschaften, der Demonstration fernzubleiben, hatte keine Bedeutung. Die Erregung unter den christlich organisierten Arbeitern ist ebenso groß wie in der gesamten übrigen Arbeiterschaft.“ 351
Im Gegensatz zu diesen ideologisch aufgeladenen Streitigkeiten arbeiteten Freie und Christliche Gewerkschaften im Alltag meist eng und effektiv zusammen. 352 So beschloss man 1921 die Besetzung des Gewerbegerichts anstatt durch Wahlen nach einem bestimmen Verteilungsschlüssel miteinander zu regeln. 353 Immer stärker prägten diese Formen der praktischen Kooperation das Verhältnis der Richtungsgewerkschaften zueinander und nach den unruhigen Anfangsjahren wurden nur noch vereinzelt Differenzen in der Presse thematisiert. 354 Dafür beschäftigte Mitte der Zwanzigerjahre „Kommunistische Zerstörungsarbeit“ 355 das Gewerkschaftskartell des ADGB in Bamberg. 356 Dienten die Freien Gewerkschaften bis 1926 als gemeinsame Basis des Arbeitermilieus und blieben „von dem Kampf in ihren eigenen Reihen verschont“ 357, so endete diese Phase des Konsenses mit dem Aktionismus der KPD in der Legalität. 358 Gemäß der allgemeinen Linie der Komintern in diesen Jahren versuchte die KPD-Bamberg von innen heraus die Gewerkschaften für sich zu gewinnen und eigene Fraktionen aufzubauen. 359 Auf dem Bezirksparteitag im Mai 1926 vermerkte das abschließende Protokoll:
Vgl. FV v. 26.11.1918, Nr. 274; Winkler, Revolution, S. 430. Vgl. FV v. 26.11.1918, Nr. 274; Krenn, Arbeiterbewegung, S. 189–193. 344 Vgl. FV v. 26.11.1918, Nr. 274. 345 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 4.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 4.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. 346 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 4.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852; vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 4.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. 347 Vgl. Winkler, Revolution, S. 281, 428 f. 348 Vgl. FS v. 6. 7.1922, Nr. 152; Lagebericht v. 10. 7.1922, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Winkler, Revolution, S. 429. 349 Vgl. Krenn, Arbeiterbewegung, S. 201, 578. 350 Vgl. FS v. 6. 7.1922, Nr. 152. 351 FS v. 6. 7.1922, Nr. 152. 352 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77; NZ v. 3.10.1921, Nr. 32. 353 Vgl. FS v. 5. 4.1921, Nr. 77. 354 Vgl. NV v. 2. 6.1928, Nr. 125. 355 FS v. 2.10.1926, Nr. 226. 356 Vgl. FS v. 2.10.1926, Nr. 226; NV v. 3.11.1926, Nr. 29; NV v. 8.11.1926, Nr. 33; FS v. 19. 4.1927, Nr. 88; NV v. 27. 4.1927, Nr. 97; Sonderbericht v. 14.12.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 692. 357 FS v. 2.10.1926, Nr. 226. 358 Vgl. Mallmann, Radikalismus, S. 9; FS v. 2.10.1926, Nr. 226; Sonderbericht v. 14.12.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 692. 359 Vgl. NV v. 20.10.1926, Nr. 17; NV v. 3.11.1926, Nr. 29; Protokoll des Bezirksparteitages der KPD-Nordbayern v. 23. 5.1926, BArch, RY 1, I 3/27/1; Deppe, Frank/Roßmann, Witich: Kommunistische Gewerkschaftspolitik in der Weimarer Republik. In: Solidarität und Menschenwürde. Etappen der deut342 343
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Das sozialistische Organisationsmilieu
„Trotz des harten Kampfes, den wir Kommunisten, in den Gewerkschaften zu führen haben, können wir Fortschritte aufweisen. In Orten, wo wir seit Jahren keinen Kommunisten mehr in der Verwaltung hatten, sind wir in der letzten Zeit wieder eingedrungen. In Regenburg, Schweinfurth [sic], Rehau, Selb, Bamberg, Marktredwitz und Issigau können wir jetzt einen starken Einfluss ausüben.“ 360
Im Bezug auf Bamberg war damit Otto Geyer gemeint, der sich 1926 zum Vorsitzenden der Fachgruppe Bauhilfsarbeiter im lokalen Baugewerksbund hatte wählen lassen. 361 Während in anderen Städten besonders die Metallarbeiter durch linksradikale Bestrebungen innerhalb des ADGB auffielen, 362 bestanden in der Regnitzstadt seit Anfang der Weimarer Republik enge Verbindungen zwischen den linksradikalen Parteien, USPD beziehungsweise KPD, und dem Bauarbeiterverband. 363 So warnte Johann Steitz bereits im August 1919 auf einer Versammlung vor einer „Zersplitterung in den Reihen der Bauarbeiter“ 364. Zwei Jahre später kursierten kurz nach der Gründung der KPD-Bamberg Gerüchte, dass diese den Bauarbeiterverband an sich zu reißen plante. 365 Außerdem stellte man 1924 mit Johann Engert einen Vertreter des linken Flügels der Sozialdemokratie als Geschäftsführer ein, der zuvor sowohl der USPD als auch der KPD angehört hatte. 366 Schließlich eskalierte 1926 die Si-
tuation im Baugewerksbund, als Otto Geyer den von der KPD dominierten Kongress der Werktätigen in Berlin beschicken wollte. 367 In der Nordbayerischen Volkszeitung verkündete man: „Bamberg. Die Bauhilfsarbeiter beschicken den Kongreß der Werktätigen. Die Bauhilfsarbeiter haben in einer Mitgliederversammlung beschlossen, den Kongreß der Werktätigen zu beschicken. Trotz aller Sabotage der SPD und der Führer des Bamberger Baugewerksbundes ist es nicht gelungen, die Arbeiter von dieser Versammlung abzuhalten und einen solchen Beschluß zu fassen.“ 368
Anders sah dies naturgemäß die SPD: Schon die genannte Mitgliederversammlung war „ohne ihr Einverständnis erfolgt“ 369 und sie rief dazu auf, „der Parole der Hand voll Kommunisten unter keinen Umständen Folge zu leisten.“ 370 In der kommunistischen Initiative des Kongresses der Werktätigen sah man einzig den Versuch, die Gewerkschaftsorganisation zu zersplittern. 371 Auf persönlicher Ebene spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen Johann Engert und Otto Geyer zu, die jeweils zur Unterstützung ihrer Position übergeordnete Funktionäre aus Nürnberg kommen ließen. 372 Dabei ging es längst nicht mehr um die Teilnahme am Kongress, sondern um die Frage: SPD oder KPD?
schen Gewerkschaftsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hg. v. E. Matthias/K. Schönhoven. Bonn 1984, S. 209–231; Potthoff, Gewerkschaften, S. 212–214. 360 Protokoll des Bezirksparteitages der KPD-Nordbayern v. 23. 5.1926, BArch, RY 1, I 3/27/1. 361 Vgl. NV v. 3.11.1926, Nr. 29; NV v. 8.11.1926, Nr. 33; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3. Fälschlicherweise nannte Stadtkommissar Köttnitz in seinen Ausführungen einen nicht existierenden Bauhandwerkerverband statt des Deutschen Baugewerksbundes. 362 Vgl. Deppe/Roßmann, Gewerkschaftspolitik, S. 223–225; Heinz, Stefan: Moskaus Söldner? Der „Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins“: Entwicklung und Scheitern einer kommunistischen Gewerkschaft. Hamburg 2010, S. 50–68; Goers, Metallarbeiter-Verband, S. 18; Zollitsch, Einzelgewerkschaften, S. 92 f. Zollitisch attestierte in seiner Untersuchung zu den Einzelverbänden beispielsweise: „Der Baugewerksbund und der Holzarbeiter-Verband boten am meisten das Bild einer geschlossenen Organisation. Verbandinterne Opposition war kaum in nennenswertem Umfang anzutreffen. Es bestanden keine Tendenzen zur ‚Radikalität‘, wie sie z. B. beim Deutschen Metallarbeiter-Verband zu beobachten waren.“ Für Bamberg muss diesem Fazit widersprochen werden. 363 Vgl. FS v. 1. 9.1919, Nr. 118. 364 FS v. 1. 9.1919, Nr. 118. 365 Vgl. FS v. 2.10.1926, Nr. 226; Berichte zur KPD v. 1921, StadtABa, C 50, Nr. 410/1; Potthoff, Gewerkschaften, S. 210 f. 366 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849. 367 Der Kongress der Werktätigen wurde 1926 erstmals von der KPD organisiert mit dem Ziel, die Einheitsfront des Volksentscheids für die Fürstenabfindung weiterzuführen und politisch-gewerkschaftlich zu nutzen. Vgl. Heer-Kleinert, Lore: Die Gewerkschaftspolitik der KPD in der Weimarer Republik. Frankfurt am Main 1983, S. 317–321. 368 NV v. 20.10.1926, Nr. 17. 369 FS v. 2.10.1926, Nr. 226. 370 FS v. 2.10.1926, Nr. 226. 371 Vgl. FS v. 2.10.1926, Nr. 226. 372 Vgl. NV v. 3.11.1926, Nr. 29.
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Die Freien Gewerkschaften
Wer behält die Oberhand und vereint mehr Mitglieder auf sich? 373 So veranstaltete die Fachgruppe der Bauhilfsarbeiter unter Otto Geyer am 23. Oktober 1926 einen Tanzabend in der Brauerei „Murrmann“ am Jakobsberg. 374 Propagandistisch unterstellte die kommunistische Presse Unterschlagungen von Seiten der Sozialdemokraten unter anderem bei den Verbandskassen der Gewerkschaften und forderte: „Heraus aus der SPD und hinaus aus euren Wohnungen mit dem ‚Freistaat‘ !“ 375 Diese Angriffe vereitelten zusätzlich die Chancen auf eine friedliche Lösung und letztendlich wurde Otto Geyer im November 1926 komplett aus dem Deutschen Baugewerksbund ausgeschlossen. 376 Die SPD hatte damit ihre Superiorität innerhalb der Freien Gewerkschaften unter Beweis gestellt und Alleingänge der KPD abgestraft. Die Bamberger Kommunisten wurden zwar weiterhin in den Einzelverbänden des ADGB geduldet, aber mit der Causa Otto Geyer hatte man einen Präzedenzfall zur Abschreckung geschaffen. 377 Opponierende Kommunisten wurden nicht mehr toleriert. Als Nachwirkung traten bis 1930 keine weiteren kommunistischen Vorstöße innerhalb der Gewerkschaften in Bamberg auf, sondern die Nordbayerische Volkszeitung beschränkte sich darauf, die ungenügende Gewerkschaftspolitik zu kritisieren. 378 Ähnlich wie bei den Maifeiern ordnete sich die KPD unter und gliederte ihre Mitglieder zugunsten der gemeinsamen Organisation ein. In diese Lücke an linksextremen Aktivitäten stieß ab 1927 eine neue radikale Gruppe: die anar-
cho-syndikalistische Freie Arbeiter-Union. 379 Diese bereits 1919 gegründete Vereinigung lehnte jede Form des Parlamentarismus und des Parteiensystems ab und gab dem wirtschaftlichen Kampf zur Sozialisierung mithilfe des Rätewesens den Vorrang. 380 In Bamberg hatte sie während ihrer eigentlichen Blütephase in den Nachkriegsjahren nicht Fuß fassen können. 381 Eine einzige Versammlung der Syndikalisten am 20. August 1921 war in einem „Fiasko“382 geendet, da der Redner Franz Josef Gampe aus Nürnberg nicht gegen das Aufgebot der Freien Gewerkschaften ankam und von deren Sekretären öffentlich widerlegt wurde. 383 Folglich scheiterte die Gründung einer Bamberger Ortsgruppe 1921 und die etwa sechs Anhänger aus Bamberg blieben Mitglieder in der Föderation Nürnberg-Fürth. 384 Auch Ende der Zwanzigerjahre war Nürnberg unter den Anarcho-Syndikalisten Nordbayerns tonangebend und organisierte zahlreiche Veranstaltungen, so auch in Bamberg. 385 Unter dem Schreiner Andreas Heller als Bamberger Ortsführer entwickelte sich daraufhin eine Versammlungstätigkeit im kleinen Rahmen. 386 Höhepunkt des Engagements der örtlichen Freien Arbeiter-Union war die Abhaltung der Frühjahrskonferenz der Kreisarbeitsbörse Nordbayern im März 1929 in Bamberg. 387 Dabei wurde insbesondere die Verbindung zur KPD thematisiert und herausgehoben. 388 Folglich kann für Bamberg angenommen werden, dass sich einige Kommunisten nun in den Reihen der Anarcho-Syndikalisten betätigten. Bei einer Agitati-
Vgl. NV v. 3.11.1926, Nr. 29. Vgl. NV v. 22.10.1926, Nr. 19. Die Brauerei „Murrmann“ befand sich auf dem Jakobsberg 7–11 und wurde während der Weimarer Republik von Johann Baptist Rippstein geführt. Fiedler, Bamberg, S. 94–96. 375 NV v. 3.11.1926, Nr. 29. 376 Vgl. NV v. 8.11.1926, Nr. 33; Sonderbericht v. 14.12.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 692. 377 Vgl. NV v. 8.11.1926, Nr. 33; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 378 Vgl. NV v. 27. 4.1927, Nr. 68; NV v. 2. 8.1927, Nr. 178; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 5.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1869; NV v. 17. 2.1930, Nr. 39. 379 Vgl. Lagebericht v. 11. 2.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 695; Lagebericht v. 1. 8.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 753; Bavaj, von links, S. 174–182. 380 Vgl. Bavaj, von links, S. 174–180. 381 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 1. 7.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 8.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1851; Bavaj, von links, S. 175; Winkler, Revolution, S. 424. 382 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 9.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 383 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 8.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1851; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 9.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 384 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 9.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 385 Vgl. Lagebericht v. 11. 2.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 695. 386 Vgl. FS v. 6. 4.1929, Nr. 79; Lagebericht v. 1. 8.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 753. 387 Vgl. Lagebericht v. 1. 8.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 753. 388 Vgl. Lagebericht v. 1. 8.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 753. 373
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Das sozialistische Organisationsmilieu
onstour im Mai 1929 besuchte der Berliner Syndikalist Eugen Betzer neben Nürnberg und Röthenbach an der Pegnitz als dritten Standort Bamberg und sprach über „Die 2. und 3. Internationale im Schlepptau der Hochfinanz“. 389 Bamberg spielte folglich vor Beginn der Weltwirtschaftskrise in der Bewegung der Region eine gewisse Rolle. Allerdings endete dies in den Dreißigerjahren im Zuge des syndikalistischen Niedergangs in Nordbayern. 390 Die Anarcho-Syndikalisten bildeten im Hinblick auf die gesamte Gewerkschaftsgeschichte Bambergs lediglich eine kleine Randnotiz, doch belegt ihre Existenz vor allem das Bestehen linksradikaler Strömungen in der Regnitzstadt. Diese Tendenzen wurden anschließend wieder von der KPD bedient, denn mit der ultralinken Wende hatte man eine eigene Gewerkschaftsorganisation, die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition, geschaffen. 391 Wie im überwiegenden Teil Bayerns machte sich die RGO in Bamberg Anfang der 1930er Jahre bemerkbar. 392 In einem Artikel des roten Scheinwerfers wurde 1931 die Agitation des Alex Barth für die kommunistische Arbeiternehmervertretung verurteilt und verunglimpft. 393 „Die Bamberger RGO Hampelmänner heben den Betriebsfaschismus aus der Taufe“, 394 lautete die Überschrift eines zweiseitigen Berichts. Demzufolge hatte die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition in der Kalikofabrik erste Betriebsratsposten gewonnen, ohne jedoch eine eigene sogenannte „rote Liste“ eingereicht zu haben. 395 Die Kommunisten kandidierten also auf den Wahlvorschlägen der Freien
Gewerkschaften, wobei sie die geforderte organisatorische Spaltung der Verbände in Bamberg nicht vollzogen. 396 Einzig Sebastian Zimmerer war aus dem ADGB ausgetreten, da ihm „sein Geld zu schade [sei] […] zum Bauen von Gewerkschaftshäusern“. 397 Hiermit protestierte er als Färbereiarbeiter gegen den Bau des Textilarbeiterheims in Bamberg und setzte zugleich ein Zeichen für den separaten RGO-Aufbau. 398 Sein Beispiel blieb jedoch ein Einzelfall, denn mehrheitlich zogen die kommunistischen Anhänger die innergewerkschaftliche Opposition in den angestammten Verbänden vor. 399 Für die Verselbständigung der „roten Gewerkschaften“ mangelte es in Bamberg an KPD-Mitgliedern; außerdem machten sowohl die KPO als auch die SPD gegen die RGO publik. 400 Innerhalb der Bamberger Textilindustrie wurden Vorstöße der kommunistischen Fraktion ebenso aus der „Erba“ bekannt. 401 Die RGO verfügte 1930 in der Gaustadter Firma über mindestens einen Betriebsrat. 402 Dieser setzte sich vehement gegen den Lohnabbau während der Weltwirtschaftskrise ein und hetzte gegen den Gewerkschaftssekretär Alexander Zwiebel. 403 Während die Freien Gewerkschaften Kompromissbereitschaft zeigten und teilweise Kürzungen aufgrund der Rezension akzeptierten, rief die RGO in der Neuen Zeitung zum Streik auf: „Die Textilarbeiterschaft muß sofort zum Gegenstoß übergehen. Organisiert den Kampf gegen Lohnabbau. Unter Führung der revolutionären Gewerkschaftsopposition muß sofort der Streik orga-
Lagebericht v. 1. 8.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 753; vgl. Oberst, proletarische Milieu, S. 94 f. Vgl. Bavaj, von links, S. 175; Oberst, proletarisches Milieu, S. 95. 391 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Sonderbericht v. 31. 7.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 789; Mehringer, KPD, S. 50; Deppe/ Roßmann, Gewerkschaftspolitik, S. 227–230; Müller, Werner: Lohnkampf, Massenstreik, Sowjetmacht. Ziele und Grenzen der „Revolutionären Gewerkschafts-Opposition“ (RGO) in Deutschland 1928 bis 1933. Köln 1988, S. 56–72. 392 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Mehringer, KPD, S. 50. 393 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 394 Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 395 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 396 Vgl. Müller, Lohnkampf, S. 117–126. 397 Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. Ein freiwilliger Austritt aus den Freien Gewerkschaften wurde von der KPD eigentlich abgelehnt, fand in der Praxis aber durchaus statt. Vgl. Heinz, Stefan: Der kommunistische Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins (1930–1935). In: Der vergessene Widerstand der Arbeiter. Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialdemokraten, Trotzkisten, Anarchisten und Zwangsarbeiter (= Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus, Bd. 16). Hg. v. H. Coppi/S. Heinz. Berlin 2012, S. 29 f. 398 Vgl. KPD-Mitgliedskarte und Mitgliedsbuch von Sebastian Zimmerer, StABa, K 5, Nr. 5174. 399 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 400 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; FS v. 27. 2.1931, Nr. 21. 401 Vgl. NZA v. 12. 8.1930, Nr. 183. 402 Vgl. NZA v. 12. 8.1930, Nr. 183; NZA v. 5. 9.1930, Nr. 200. Der Name wurde nicht bekannt gegeben. 403 Vgl. NZA v. 12. 8.1930, Nr. 183; NZA v. 5. 9.1930, Nr. 200. 389
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Die Freien Gewerkschaften
nisiert werden. Das ist die einzig richtige Antwort auf die Unternehmerwillkür, die einzig mögliche Antwort an sozialfaschistische und verräterische christliche Betriebsräte. Gebt diesen Unternehmerlakaien die Quittung für ihre Judasrolle. Reiht Euch ein in die Kampffront der RGO.“ 404
Diese Aufforderung entsprach der theoretischen Taktik der RGO, Arbeitskämpfe zu forcieren und durch diese Mobilisierung den Weg vom Wirtschaftskampf zum politischen Massenstreik zu erzwingen. 405 In Bamberg fruchtete diese Strategie jedoch nicht, für einen Streik im Sommer 1930 in der „Erba“ gibt es keine Belege. Ein Jahr später gab die RGO einen Sturmplan für Nordbayern heraus, der auch für Bamberg festlegte, in welchen Branchen man kommunistische Zellen bilden sollte. 406 Die Zielsetzung sah linksradikale Industriegruppen für die Bereiche Holz, Verkehr, Nahrung, Erwerbslose, Angestellte, Metall, Bau, Eisenbahn, Textil und Leder in Bamberg vor. 407 Abgesehen von der erwähnten Textilindustrie konnte die RGO allerdings nur unter den Erwerbslosen und den Lederarbeitern Erfolge aufweisen. 408 Der kommunistische Erwerbslosenausschuss versuchte verstärkt ab 1930 Versammlungen und Demonstrationen zu organisieren, die aber meist am Verbot der Behörden scheiterten. 409 In der Schuhfabrik Neuburger warb die RGO 1931 mit einer Flugblattaktion um Mitglieder und stieß dabei auf Zustimmung. 410 Außerdem führten die kommunis-
tischen Aktivitäten unter den Zuschneidern im Dezember 1932 zu einem Streik in der Schuhfabrik Manz. 411 Wiederum ging es um einen Abwehrkampf von Lohnkürzungen, der auch von den Freien Gewerkschaften unterstützt wurde und insgesamt 140 Arbeiter betraf. 412 Konkrete Verbesserungen für die Arbeiterschaft durch die RGOAgitation konnten jedoch nicht erzielt werden. Folglich blieb von der kommunistischen Gewerkschaftspolitik in Bamberg vor allem die Zersplitterung der Arbeiterbewegung. 413 Der ADGB als gemeinsame Basis des sozialistischen Milieus wurde ab 1926 wiederholt in Frage gestellt und die sozialdemokratische Führungsrolle bekämpft. Dies geschah unter verschiedenen Vorzeichen, KPD und Syndikalisten wechselten sich als Protagonisten des Kampfes gegen die Freien Gewerkschaften ab. Das gewachsene Fundament des Gewerkschaftskartells wurde dadurch zwar nicht gefährdet, doch erfuhr das sozialistische Milieu durch diese inneren Konflikte eine Schwächung, denn man trat in den Betrieben nicht mehr als Einheit auf und band Energien durch den gegenseitigen Kampf. 414 Dabei hatte Georg Dotterweich im März 1930 in der Jahresgeneralversammlung des ADGB zur linken Geschlossenheit gemahnt, denn er sah die Gewerkschaften der Arbeiterbewegung durch die Nationalsozialisten und ihre Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) bedroht. 415 Der rechte Verband sei der „neue Bundesgenosse“ 416 der Unternehmer und gegen ihn müsse man sich gemeinsam zur Wehr setzen. 417
NZA v. 12. 8.1930, Nr. 183. Vgl. Müller, Lohnkampf, S. 128, 140–150, 258–269, 318–336. 406 Vgl. Sonderbericht v. 31. 7.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 789. 407 Vgl. Sonderbericht v. 31. 7.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 789. 408 Vgl. Lagebericht v. 31. 7.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 772; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 15. 4.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 6.12.1932, Nr. 281. 409 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 7. 2.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 21. 2.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Lagebericht v. 31. 7.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 772. 410 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 411 Vgl. FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; NZA v. 19.12.1932, Nr. 278. 412 Vgl. FS v. 6.12.1932, Nr. 281; NZA v. 19.12.1932, Nr. 278. 413 Vgl. Bald, Albrecht: Gewerkschaften und Arbeiterparteien der nordostfränkischen Industriestädte Hof und Selb im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. In: Acht Stunden sind kein Tag. Geschichte der Gewerkschaften in Bayern (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Bd. 34). Hg. v. L. Eiber/R. Riepertinger/E. Brockhoff. Augsburg 1997, S. 88. 414 Vgl. Bald, Gewerkschaften, S. 88. 415 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 416 Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 417 Vgl. Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 404 405
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Das sozialistische Organisationsmilieu
4.2 Arbeitersport Sport und Weimarer Republik waren untrennbar miteinander verbunden. 418 Die 1920er Jahre verdienen eigentlich die Bezeichnung „Goldene Jahre des Sports“, denn aus einer Randerscheinung wurde ein Massenphänomen. 419 Der sportliche Aufschwung betraf in besonderem Maße das Arbeitermilieu. 420 Durch den Rückgang der täglichen Arbeitszeit stand den unteren Schichten mehr Freizeit zur Verfügung, die zunehmend in Turnhallen und auf Sportplätzen verbracht wurde. 421 Dabei determinierte die Milieuzugehörigkeit die Faktoren Sportart, -ort und -weise, denn trotz einer beginnenden gesellschaftlichen Nivellierung behielt der Sport seinen Klassencharakter. 422 Den bürgerlichen Disziplinen Reiten, Autorennen, Tennis und Golf standen die eher proletarischen Gattungen Turnen, Radfahren, Wandern und Schwimmen gegenüber. 423 Während Erstgenannte auf Wettkämpfe, Leistungen und Rekorde setzten, stellten die Verbände der Arbeiterbewegung Gemeinschaftserlebnisse, Massenübungen und Gruppenerfahrungen heraus. 424 Für das sozialistische Milieu war Sport nicht nur physische Bewegung und Training, sondern er verband Gesundheitsförderung, Erziehung, Bildung und Emanzipation mit Zusammenhalt, Solidarität und Geselligkeit. So hieß es bereits in den Statuten der Freien Turnerschaft Bamberg bei der Gründung 1900:
„§ 1. Die ‚Freie Turnerschaft Bamberg‘ hat ihren Sitz in Bamberg und erstrebt eine schulgerechte allseitige Ausbildung des Körpers durch das Turnen, durch Abhalten von Vorträgen die geistige Ausbildung ihrer Mitglieder. Durch Abhalten von Bällen, Familien-Abenden, Gartenfesten, Turnfahrten etc. soll dem geselligen Teil Rechnung getragen werden.“ 425
Darüber hinaus wurde in der Weimarer Republik der Aspekt des Antimilitarismus vom linken Milieu betont. Folglich vermied man bewusst den Begriff der Körperertüchtigung, da dieses Nomen mit Wehrertüchtigung assoziiert wurde, und ersetzte es durch Körperkultur. 426 Insofern sah die SPD in der Arbeitersportbewegung einen Teil der proletarischen Kultur. 427 Ziel war die Heranbildung eines Neuen Menschen, der gesund und selbstbewusst aus eigener Kraft den Kapitalismus überwinden würde. 428 In dieser Hinsicht wurden auch von der Arbeitersportbewegung die Ideale Volksgesundheit und Volkskraft angestrebt und propagandiert. 429 Im Gegensatz zur heutigen negativen Konnotation waren sie nicht ausschließlich mit dem Nationalsozialismus verbunden. 430 In Bamberg wurde beispielsweise 1921 in einer öffentlichen Turner- und Sportlerversammlung der Freien Turnerschaft das Thema „Turnen, Spiel und Sport im Dienste der
Vgl. Peukert, Krisenjahre, S. 177–178; Dinçkal, Noyan: Von Zuschauern und Gästen: Sportkonsum und Sportraum in der Weimarer Republik. In: Die Spiele gehen weiter. Profile und Perspektiven der Sportgeschichte. Hg. v. F. Becker/R. Schäfer. Frankfurt am Main 2014, S. 335; Rossol, Nadine: Performing the nation in interwar Germany. Sport, spectacle and political symbolism, 1926–1936. Basingstoke 2010, S. 34 f. Umstritten sind hingegen die Gründe, warum Sport während der Weimarer Republik einen solch hohen Stellenwert bekam. Teilweise wird Sport als Weiterführung des Krieges interpretiert oder als Identifikationsmöglichkeit mit der Nation. Sport schuf außerdem ein Gemeinschaftsgefühl, das von allen Parteirichtungen angestrebt wurde. Die klaren Regelwerke und Prinzipien des Sports standen zudem im Kontrast zu den vielen Unsicherheiten und Schwankungen des alltäglichen Lebens, der Politik und Wirtschaft und boten somit Halt. 419 Vgl. Hoeres, Peter: Die Kultur von Weimar. Durchbruch der Moderne (= Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, Bd. 5). Berlin 2008, S. 121; Müller, Martin L.: Turnen und Sport im sozialen Wandel. Körperkultur in Frankfurt am Main während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. In: AfS 33 (1993), S. 109; Eisenberg, Christiane: Massensport in der Weimarer Republik. Ein statistischer Überblick. In: AfS 33 (1993), S. 137–177. 420 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 338–340; Wheeler, Robert F.: Organisierter Sport und organisierte Arbeit. Die Arbeitersportbewegung. In: Arbeiterkultur (= Neue wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 104). Hg. v. G. A. Ritter. Königstein im Taunus 1979, S. 58–73; Müller, Turnen, S. 130. 421 Vgl. Müller, Turnen, S. 129 f.; Adam, Arbeitermilieu, S. 131. 422 Vgl. Eisenberg, Massensport, S. 171; Peukert, Krisenjahre, S. 178; Dinçkal, Zuschauern, S. 333. 423 Vgl. Wheeler, Sport, S. 62; Eisenberg, Massensport, S. 171. 424 Vgl. SO v. 20. 8.1920, Nr. 194; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 178; Saldern, Arbeiterkulturbewegung, S. 70 f.; Winkler, Schein, S. 124. 425 Statuten der Freien Turnerschaft Bamberg v. 1900, StadtABa, C 2, Nr. 59727. 426 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 351, 356. 427 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 352. 428 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 356 f. 429 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 352–356. 430 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 352. 418
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Arbeitersport
Volksgesundheit“ 431 behandelt. Für die Arbeiterjugend befand Georg Grosch 1928, dass „gerade das Wandern in freier, frischer Natur […] eine wertvolle Kraftquelle zur Hebung unserer Volkskraft und Volksgesundheit“ 432 sei. Mit dieser Perspektive trieb das sozialistische Milieu während der Weimarer Republik Sport.
4.2.1 Arbeitersportler: Mitglieder, Funktionäre und Treffpunkte Hatte sich der Arbeitersport im Kaiserreich in Bamberg auf die Bereiche Turnen, Radfahren und Athletik beschränkt, so wuchs er während der Weimarer Republik zur zweitstärksten Säule der Arbeiterbewegung in Bamberg nach den Gewerkschaften an. 433 Anfang der Dreißigerjahre zählten die drei Vereine Freie Turnerschaft, Wassersportverein „Neptun“ und Spielvereinigung Bamberg nach einer Erhebung des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (ATSB) zusammen 375 Mitglieder. 434 In Würzburg existierten ebenfalls drei Vereine des ATSB, die mit 394 Sportlern eine ähnliche Organisationsstärke aufwiesen, wohingegen Regensburg beispielsweise nur zwei Vereine mit 244 Personen verzeichnete. 435 Zusätzlich zu diesen Statistiken wurden Mitgliederzahlen für Bamberg nur noch für den Touristenverein „Die Naturfreunde“ überliefert. 436 Die Bamberger Naturfreunde gehörten 1925 mit 79 Mitgliedern zu den größten Ortsgruppen
des Gaus Nordbayern und rangierten hinter Nürnberg, Würzburg, Schweinfurt und Bayreuth auf dem fünften Platz von insgesamt 47 Vereinen. 437 Zusätzlich zu den vier genannten Organisationen bestand seit Anfang des 20. Jahrhunderts der Arbeiter-Radfahrer-Bund „Solidarität“, Ortsgruppe Bamberg, der aus dem 1904 gegründeten „Arbeiterradfahrerverein Bamberg“ hervorgegangen war. 438 Vor dem Ersten Weltkrieg waren bis zu 225 Radfahrer in der „Solidarität“ organisiert, deren Anzahl bis 1918 auf 83 Sportler absank. 439 Während der Weimarer Republik gelang es, den Verein wieder aufzubauen und „zu alter Macht und Größe“ 440 zu führen, sodass von etwa 200 Arbeiterradfahrern ausgegangen werden kann. 441 Vor 1914 hatte sich außerdem der Arbeiter-Athletenklub „Lassallia“ gegründet, der sich während der Weimarer Republik „1. ArbeiterAthleten-Club Bamberg“ nannte. 442 Dieser hatte den Berichten nach mindestens 50 Mitglieder, 443 sodass für die Arbeitersportbewegung in Bamberg ein Minimum von 700 Mitgliedern angenommen werden kann. Damit waren Mitte der 1920er Jahre mehr Milieuangehörige durch einen Sportverein in das Milieu eingebunden und integriert als durch die Arbeiterparteien. 444 Vor allem aber waren diese Mitglieder jünger und weiblicher. 445 Besonders unter den Jugendlichen entfalteten die Arbeitersportvereine große Anziehungskraft. 446 Im Gegensatz zu den Parteien hatten sie keine Schwierigkeiten, spezielle Kinder-, Schüler- oder Jugendgruppen zu
Schreiben der Freien Turnerschaft Bamberg an den Stadtrat Bamberg v. 10. 5.1921, StadtABa, C 2, Nr. 59727. JS v. 10.1928, Nr. 10. 433 Vgl. Link, Katholizismus, S. 306; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 345; Wheeler, Sport, S. 58. 434 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, Archiv der sozialen Demokratie, Abteilung IV, Arbeiter-Turn- und Sportbund, (künftig: AdsD, 4/ATSB), Nr. 56. 435 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. 436 Vgl. Ortsgruppen im Gau Nordbayern, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 437 Vgl. Ortsgruppen im Gau Nordbayern, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 438 Vgl. Vereinsanzeige von Wilhelm Kleinhenz v. 29. 8.1904, StadtABa, C 2, Nr. 59531. 439 Vgl. FS v. 8. 6.1929, Nr. 129. 440 FS v. 8. 6.1929, Nr. 129. 441 Im Arbeiter-Radfahrer-Bund „Solidarität“, Gau Nordbayern waren 1922 etwa 12.000 Radfahrer in 258 Vereinen organisiert, sodass durchschnittlich jeder Verein etwa 46 Mitglieder zählte. Bamberg als Stadt lag über diesem Durchschnittswert, da auch viele kleine Orte mit geringen Mitgliederzahlen im Bund vertreten waren. Vgl. SO v. 7. 2.1922, Nr. 32. 442 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1911, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 443 Vgl. FS v. 29. 4.1921, Nr. 98; FS v. 31. 8.1922, Nr. 199; FS v. 19. 5.1923, Nr. 113; FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 444 Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“; Sonderbericht v. 8. 3.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 652. 445 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. 446 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 384–390; Adam, Arbeitermilieu, S. 134 f.; Eisenberg, Massensport, S. 153–158. Eisenberg warnt in ihrer Studie davor, die Sportvereine mit Jugendorganisationen gleichzusetzen, wie dies bereits in der zeitgenössischen Literatur erfolgte. Die Mehrheit der Mitglieder waren Erwachsene. 431
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Das sozialistische Organisationsmilieu
unterhalten. 447 So gab es auf alle Fälle bei der Freien Turnerschaft, der Spielvereinigung, dem Wassersportverein „Neptun“ und den Naturfreunden eigene Nachwuchsabteilungen, die von gewählten Jugendleitern geführt wurden. 448 Gezielt bemühten sich die Bamberger Vereine um die Jugend und versuchten, diese für den Arbeitersport und das -milieu zu gewinnen. 449 Die Freie Turnerschaft veranstaltete beispielsweise 1927 sowohl einen Werbeabend der Jugend als auch eine Schulentlassungsfeier für die „Arbeiterkinder“ und ihre Familien. 450 Zugleich veröffentlichte der Freistaat einen Artikel „Die Jugend dem Arbeitersport!“ 451, in dem mit Nachdruck darauf hingewiesen wurde, dass „Arbeiterjungens und –Mädels […] nur in die Arbeitersportvereine [gehören und] […] nicht ein einziger Arbeiterjunge, ein einziges Arbeitermädel […] in die gegnerischen Organisationen und in die bürgerlichen Sportvereine geraten [dürfe]!“ 452
Erfolgreich verband das sozialistische Milieu in Bamberg parteipolitische und sportliche Jugendarbeit mit dem Ziel, aus aktiven Arbeitersportlern schließlich engagierte Gewerkschafter und Parteimitglieder zu machen. 453 Besonders eng entwickelte sich die Beziehung zwischen der SAJ und dem Wassersportverein „Neptun“. 454 So veranstaltete man gemeinsame Sonnwendfeiern auf dem sogenannten Wassersportplatz bei Bug. 455 Darüber hinaus unterstützte die Arbeiterjugend den „Neptun“ bis zu
zweimal monatlich durch ihren „Arbeitsdienst bei den Wassersportlern“. 456 Arbeitersport war in Bamberg aber nicht nur das Territorium der Jugend, sondern auch der Frauen. 457 Zwar zeigte sich vor Ort ebenso wie im Rest des Deutschen Reiches, dass weibliche Mitglieder unterrepräsentiert waren, doch partizipierten sie während der Zwanzigerjahre vermehrt am Vereinsleben. 458 Immerhin 28 % der Freien Turner in Bamberg waren weiblich und bei den Schwimmern betrug ihr Anteil etwa 24 %. 459 Nicht zugelassen waren Frauen allerdings beim Fußball, sodass die Spielvereinigung Bamberg in ihren Reihen nur eine einzige Frau als passives Mitglied zählte. 460 Addiert man alle Sportlerinnen der ATSB-Vereine in Bamberg, so erhält man Anfang der 1930er Jahre insgesamt 82 Frauen und einen Anteil von fast 22 % an der Gesamtmitgliederzahl. 461 Würzburg verzeichnete zum selben Zeitpunkt nur etwa 19 % an weiblichen Mitgliedern in den Arbeitersportvereinen.462 Sachsen hingegen lag bei 21 % und die Stadt Berlin bildete mit 25 % den Spitzenreiter unter den „weiblichen Sportstädten“. 463 Das sozialistische Milieu Bambergs konnte sich demnach hinsichtlich der Frauenquote in Sportvereinen durchaus mit anderen Arbeiterhochburgen messen und übertraf diese sogar zum Teil. Überdies hatte die sportliche Betätigung der Frauen emanzipatorische Funktionen. 464 Nach den Vorstellungen des Arbeiter-Turn- und Sportbundes sollte Sport dabei helfen, die Selbständigkeit und
Vgl. FS v. 17. 8.1922, Nr. 187; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 29.11.1930, Nr. 275. Vgl. FS v. 17. 8.1922, Nr. 187; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 29.11.1930, Nr. 275; FS v. 10.1.1931, Nr. 7; FS v. 17.10.1930, Nr. 239. 449 Vgl. FS v. 8. 4.1927, Nr. 81. 450 Vgl. FS v. 8. 4.1927, Nr. 81. 451 FS v. 8. 4.1927, Nr. 81. 452 FS v. 8. 4.1927, Nr. 81. 453 Vgl. FS v. 8. 4.1927, Nr. 81; JS v. 5.1927, Nr. 5; JS v. 9.1927, Nr. 9. 454 Vgl. JS v. 7.1926, Nr. 7; JS v. 5.1927, Nr. 5; JS v. 9.1927, Nr. 9. 455 Vgl. JS v. 7.1926, Nr. 7; FS v. 23. 6.1931, Nr. 140. 456 JS v. 5.1927, Nr. 5. 457 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56; FS v. 1. 2.1928, Nr. 26; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 7.1.1931, Nr. 4. 458 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56; FS v. 1. 2.1928, Nr. 26; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 7.1.1931, Nr. 4; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 375–384; Müller, Turnen, S. 131; Eisenberg, Massensport, S. 158–162. 459 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. 460 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 375; Müller, Turnen, S. 131. 461 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. 462 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. 463 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 375. 464 Vgl. Ueberhorst, Horst: Frisch, frei, stark und treu. Die Arbeitersportbewegung in Deutschland 1893–1933. Düsseldorf 1973, S. 129–140. 447
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das Selbstbewusstsein der Arbeiterinnen zu stärken und sie zu klassenbewussten Kämpferinnen zu erziehen. 465 Für den Sport bedurfte es auch einer entsprechenden Sportbekleidung und genau dieser Aspekt wurde kontrovers diskutiert und völlig unterschiedlich ausgelegt. 466 Die Arbeiterbewegung hatte schon im Kaiserreich Hosen statt Röcke beim Sport gefordert und war für ein Verbot des Korsetts eingetreten. 467 Dennoch erregten Sportlerinnen in Turnkostümen noch Mitte der 1920er Jahre in Bamberg Aufsehen und führten zu öffentlichen Debatten. 468 Den Auslöser bildete 1924 ein Stiftungsfest des Radfahrvereins „Solidarität“ Gaustadt, das dieser zusammen mit der Freien Turnerschaft Bamberg und der „Solidarität“ Bamberg abhielt. 469 Nach der Feier verurteilte und missbilligte ein Leserbrief im Bamberger Volksblatt den Festzug. 470 Der Autor beschwerte sich darin über die freizügige Kleidung der Turner und Turnerinnen, „sämtliche im Turnkostüm, auch die weiblichen im männlichen Turnkostüm (!) nur noch enger anliegend als dieses.“ 471 Die Kritik mündete in der rhetorischen Frage: „Soll der letzte Rest öffentlicher Scham der Bevölkerung mit Gewalt ausgetrieben werden?“ 472 In ähnlicher Weise echauffierte sich ein Jahr später ein Bürger im Bamberger Volksblatt über das 25-jährige Jubiläum der Freien Turnerschaft Bamberg: 473 „Viel Aufsehen, aber auch viel Kopfschütteln hat der sogenannte Festzug der freien Turnerschaft am Sonntag erregt. Unter einem Festzug versteht man doch etwas anderes, als was da zu sehen war. Aber wenn Menschen, besonders Frauenzimmer (Die Benennung Damen ist hier nicht angebracht) sich innerhalb der Stadt so zu zeigen wagen, daß es aller Beschreibung spottet, dann pfeift Sitte und Moral 465 466 467 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478
aus dem letzten Loch. ‚Frei Heil‘ hörte man wohl hie und da aus dem Zuge rufen, mein stiller Gegengruß aber war ‚Pfui Teufel‘. Germania verhülle dein Haupt!“ 474
Demnach stießen sich Vertreter des katholischen Milieus an dem neuen – sportlichen – Frauenbild und dem Geschlechterverhältnis, das die Arbeitersportvereine vertraten und vorführten. 475 Sie sahen durch die Sportmode nicht nur ihre Sittlichkeitsund Moralvorstellungen in Frage gestellt, sondern auch die tradierte Ordnung angegriffen. 476 Die Emanzipation der Frau wurde mit dem gesellschaftlichen Niedergang während der Weimarer Republik gleichgesetzt. Damit einhergehend zweifelte man die Durchsetzungskraft und die Ordnungsmaßnahmen der Demokratie an. 477 Ähnliche Streitfälle wurden während der Weimarer Jahre auch in anderen katholischen Regionen und Städten, beispielsweise in Ettlingen, ausgetragen. 478 Das Auftreten von Arbeitersportlerinnen bot dabei den Anstoß, um die kulturelle Deutungshoheit zwischen katholischem und sozialistischem Milieu zu diskutieren. Folglich war weiblicher Sport in den linken Vereinen Ausdruck des Kampfes um Gleichstellung und Gleichberechtigung – besonders im katholisch dominierten Bamberg. Die roten Turnerinnen Bambergs dienten bei den Festzügen als Repräsentantinnen und Botschafterinnen einer neuen sozialen Ordnung. Sie waren gerade deswegen für die Arbeiterbewegung wichtig und zugleich aus eben diesem Grund umstritten. Der Arbeitersport band in Bamberg aber nicht nur viele Jugendliche und Frauen in die Milieustrukturen ein, sondern er erreichte auch unter den Männern andere Anhänger als die Parteien und Gewerkschaften. Während nämlich zwischen
Vgl. Ueberhorst, Frisch, S. 130. Vgl. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158; FS v. 21. 7.1924, Nr. 166; BV v. 19. 8.1925, Nr. 188; Ueberhorst, Frisch, S. 132; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 157–168, 180. Vgl. Ueberhorst, Frisch, S. 132. Vgl. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158; FS v. 21. 7.1924, Nr. 166; BV v. 19. 8.1925, Nr. 188. Vgl. FS v. 5. 7.1924, Nr. 153; FS v. 12. 7.1924, Nr. 159. Vgl. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158. Vgl. BV v. 19. 8.1925, Nr. 188. BV v. 19. 8.1925, Nr. 188. Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 162–168. Vgl. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158; BV v. 19. 8.1925, Nr. 188; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 165. Vgl. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 165. Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 162–168, 180.
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Das sozialistische Organisationsmilieu
der SPD und den Freien Gewerkschaften in Bamberg enge personelle Verflechtungen bestanden und sich Führungskräfte oft überschnitten, waren die Arbeitersportvereine davon losgelöst und hatten einen eigenen Stamm an Funktionären. Zu den wichtigsten Personen gehörte Gustav Müller. 479 Der Schreiner aus der Wunderburg stand in den 1920er Jahren der Freien Turnerschaft vor, er war Vorsitzender des Arbeitersportkartells und des Kartells für Bildung, Sport und Körperpflege. 480 Außerdem leitete er die sogenannte Gruppe Bamberg des Arbeiter-Turn- und Sportbundes und gehörte dem städtischen Ausschuss für Sport und körperliche Erziehung an. 481 Beim Stadtrat bemühte er sich beispielsweise um einen Zuschuss zur Beschickung eines Turnlehrerkurses in Nürnberg und setzte die Errichtung von Fahnenmasten zum Stiftungsjubiläum der Freien Turnerschaft durch. 482 Für den Wassersportverein „Neptun“ war der Schlosser Baptist Stirner die zentrale Figur und der Kaufmann Jakob Eisenbrand nahm zusammen mit dem Flaschner Pankraz Senft diese Funktion bei den Naturfreunden ein. 483 Die Arbeiter Johann Geißler und Paul Arneth übernahmen im Arbeiter-Athleten-Club die hauptsächliche Verantwortung, der Stuckateur Anton Hößbacher und der Dreher Adam Wohlpart beim Radverein „Solidarität“ und Peter Ruß war erster Vorstand der Spielvereinigung. 484 Ähnlich wie in der SPD-Bamberg entstammten also die meisten von ihnen dem Handwerkerstand und nur wenige gehörten zur klassischen Arbeiterschaft. Die
Mehrheit der Sportfunktionäre war Mitglied in der SPD oder auch den Freien Gewerkschaften, keiner von ihnen hatte jedoch einen Posten zum Beispiel im Stadtrat oder im Gewerkschaftskartell inne. 485 Daher entstand eine gewisse Diskrepanz zwischen Partei und Gewerkschaften auf der einen Seite und den Arbeitersportvereinen auf der anderen Seite. 486 So beklagte sich die Spielvereinigung 1923 über die Ignoranz der Führungskräfte von SPD und ADGB gegenüber der proletarischen Sportbewegung. 487 In einem Artikel im Freistaat wurde zunächst an die Gesamtarbeiterschaft Bambergs appelliert, „den Sportplatz ihrer Arbeiter-Fußballer recht fleißig zu besuchen“. 488 Anschließend kritisierte man im Zusammenhang mit einem Fußballspiel gegen den Turn- und Sportverein Fürth das Verhalten der Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre: „Jeden Arbeiter-Fußballer würde es freuen, auch einmal einen Arbeiterführer auf dem Sportplatz zu sehen. Am Sonntag muß die Losung heißen: Hinaus in den Luitpoldhain zum Deutschen Altmeister 1921!“ 489
Bei den Stiftungsjubiläen der Freien Turnerschaft 1925 und der „Solidarität“ 1929 sprachen weder Partei- noch Gewerkschaftsfunktionäre wie Josef Dennstädt, Hans Rösch oder Georg Dotterweich, sondern die Reden hielten Gustav Müller und der Gauleiter des Arbeiter-Rad-und Kraftfahrerbundes aus Nürnberg. 490 Zudem wurden 1921 Aufrufe, die
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 21. 7.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 1. 4.1932, Nr. 74. 480 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 1. 4.1932, Nr. 74. Gustav Müller wohnte in der Egelseestraße 64. 481 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Stadtratsprotokoll v. 21. 7.1920, StadtABa, C 1, Nr. 670. 482 Vgl. Schreiben von Gustav Müller an den Stadtrat Bamberg v. 1922, StadtABa, C 2, Nr. 59727; Schreiben von Gustav Müller v. 4. 8. 1925, StadtABa, C 2, Nr. 59727. 483 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 484 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 17. 6.1925, Nr. 135; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 1. 3.1932, Nr. 50. 485 Als SPD-Mitglieder sind Müller, Eisenbrand, Geißler, Arneth, Wohlpart und Hößbacher bekannt. In den Freien Gewerkschaften waren auf alle Fälle Müller und Wohlpart organisiert. Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 4. 5.1924, StadtABa, C 2, Nr. 615; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 625; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 14. 9.1930, StadtABa, C 2, Nr. 632; Liste der SPDWahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; FS v. 14. 9.1921, Nr. 211. 486 Vgl. FS v. 12.1.1923, Nr. 9; Wheeler, Sport, S. 60. 487 Vgl. FS v. 12.1.1923, Nr. 9. 488 FS v. 12.1.1923, Nr. 9. 489 FS v. 12.1.1923, Nr. 9. Im Gegensatz zu den Angaben im Artikel war der Turn- und Sportverein 1895 Fürth nicht 1921 Deutscher Meister im ATSB, sondern in der Saison 1919/20; 1921 holt der Turnerbund von 1892 Leipzig-Stötteritz den Titel. Vgl. Wolter, Christian: Arbeiterfußball in Berlin und Brandenburg 1910–1933. Hildesheim 2015, S. 206. 490 Vgl. FS v. 17. 8.1925, Nr. 185; FS v. 11. 6.1929, Nr. 131. 479
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bürgerliche Gefallenenehrung zu meiden, getrennt vom Arbeitersportkartell und der Partei- und Gewerkschaftsführung ausgesprochen und veröffentlicht. 491 Konsequenterweise diente das „Nöth“ nicht als bevorzugtes Lokal der Arbeitersportler, sondern dieses wurde nur selten genutzt. 492 Stattdessen trafen sich sowohl die Freie Turnerschaft als auch die Spielvereinigung zunächst in der Brauerei „Mahr“ in der Wunderburg. 493 Während die Spielvereinigung dort verblieb, verkehrten die Turner ab 1927 in der „Hopfenhalle“ auf der Inselstadt und wechselten etwa 1931 wieder in die Wunderburg, nämlich ins „Weiße Roß“. 494 Der „Solidarität“ und dem Arbeiter-Athleten-Club diente die „Blaue Glocke“ in der Sandstraße als Vereinslokal. 495 Außerdem nutzten die Arbeiterradfahrer die Gastwirtschaft „Zum Hirschen“ in der Kunigundenruhstraße und die Athleten übten im „Nöth“, in den „Vier Jahreszeiten“ und im „Mondschein“. 496 Letztgenannte Brauerei wurde auch von den Wassersportlern besucht, die daneben noch das Café „Bug“ in der Nähe des Wassersportplatzes frequentierten. 497 Obendrein etablierte sich das „Mondschein“ auch bei den Naturfreunden für Zusammenkünfte, wie Pankraz Senft in seinen Erinnerungen kurz vermerkte: „Ein Schmerzenskind war die Lokalfrage (Goldene Krone, Mohrenpeter, Untere Gärtnerei) erweisen sich als zu klein. Gasthaus ‚Mondschein‘ ein passendes Nebenzimmer und Saal.“ 498 Aus dieser Zusammenstellung wird ersichtlich, dass das „Nöth“ nur eine untergeordnete Rolle bei den Sportvereinen spielte, es war der „Treffpunkt der Partei- und Gewerkschaftsgenossen“ 499, aber nicht der Sportfreunde. 500 Ein Zentrum aller Arbeiter-
sportler gab es in Bamberg nicht, doch aufgrund der Mehrfachbelegungen lassen sich die Brauereien „Mahr“ und „Mondschein“ nebst der „Blauen Glocke“ als wichtigste Orte ausmachen: In der Wunderburg und Sandstraße schlug das sportliche Herz der Arbeiterbewegung Bambergs.
4.2.2 Arbeitersportkartell und Arbeitersportkultur Die Weimarer Republik brachte nicht nur begeisterte Radfahrer, Fußballer, Turner und Schwimmer hervor, sondern führte auch organisatorisch und strukturell zu einer Weiterentwicklung des Arbeitersportes. 501 1923 hieß es in einem Artikel des Freistaats: „Hunderttausende zählen heute schon die Arbeitersportler. Auch in Bamberg können wir, trotz vieler Hindernisse, die wegzuräumen waren oder überwunden werden mußten, feststellen, daß die Arbeitersportbewegung erfolgreich ist. Alle Glieder der Arbeitersportbewegung sind vorhanden.“ 502
Mit den genannten Gliedern waren die unterschiedlichen Sportarten und -vereine gemeint. Sie zusammenzuhalten war die primäre Aufgabe des Arbeitersportkartells. Als Dachorganisation der Arbeitersportvereine Bambergs entstand diese Institution zwischen 1919 und 1920 und markierte formal den Aufbruch und Aufstieg der sozialistischen Sportbewegung. 503 Obwohl bereits 1912 die Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege in Berlin entstanden war, verblieben die drei Arbeitersportvereine Bambergs während des Kaiserreichs in loser Ordnung. 504 Den Schritt einer Kartellbil-
Vgl. FS v. 26.10.1921, Nr. 247. Vgl. FS v. 4.1.1922, Nr. 3; FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80; FS v. 23.1.1931, Nr. 18; ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. 493 Vgl. FS v. 6. 7.1921, Nr. 152; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 1. 8.1924, Nr. 176; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154. 494 Vgl. FS v. 28. 7.1927, Nr. 171; ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174. 495 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 496 Vgl. FS v. 2.11.1925, Nr. 251; FS v. 12. 5.1923, Nr. 107; FS v. 30. 3.1929, Nr. 74; FS v. 21.1.1922, Nr. 17. 497 Vgl. FS v. 2.11.1928, Nr. 252; FS v. 1. 2.1930, Nr. 26. 498 Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 499 FS v. 6. 2.1923, Nr. 30. 500 In anderen Städten hingegen hatten Arbeitersportler, Partei und Gewerkschaften oft ein zentrales Gebäude als Zentrum der gesamten Arbeiterbewegung; vgl. Mlynek, Klaus: Hannover in der Weimarer Republik und unter dem Nationalsozialismus 1918–1945. In: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart (= Geschichte der Stadt Hannover, Bd. 2). Hg. v. K. Mlynek/W. Röhrbein. Hannover 1994, S. 474. 501 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 342; Müller, Turnen, S. 132. 502 FS v. 19. 5.1923, Nr. 113. 503 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 504 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa. 491
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dung, den die Freien Gewerkschaften unter ihrem Vorsitzenden Karl Pelikan 1906 vollzogen hatten, wurde zunächst nicht rezipiert. 505 Zum letzten Mal traten die Sportorganisationen Bambergs zur Maifeier 1919 unabhängig voneinander auf und schalteten gesonderte Aufrufe für ihre jeweiligen Mitglieder. 506 Arbeitersportvereine anderer Städte wie Ettlingen, Hannover oder Frankfurt am Main hatten sich früher zu einem Kartell für Sport und Körperpflege zusammengeschlossen. 507 Bamberg hingegen benötigte, wie sooft, etwas länger und verwirklichte erst in der Frühphase der Weimarer Republik eine solche Allianz. 508 Die Etablierung des sozialistischen Milieus und die positive Entwicklung der Arbeiterbewegung hatten somit auch den sportlichen Bereich erfasst. Ab 1920 entfaltete das Arbeitersportkartell unter der Leitung von Gustav Müller große Geschäftigkeit. 509 Man plante und gestaltete nicht nur die Maifeier mit, sondern engagierte sich auch für den Aufbau des ASB.510 Hauptsächlich organisierte das Arbeitersportkartell jedoch im August das erste Arbeiter-Sportfest in Bamberg mit einem umfangreichen zweitägigen Plan: „Arbeiter-Sportfest. Das Arbeiter-Sportkartell Bamberg begeht am 21. und 22. August das erste Arbeiter-Sportfest. […] Das Festprogramm ist folgendes: Am 21. und 22. August leichtathletische Wettkämpfe auf dem Sportplatz im Luitpoldhain, bestehend aus Dreikampf der Jugend- und Frauenabteilungen. Fünfkampf der Männer sowie Einzelwettkämpfer, Mannschaftswettkämpfe und Fußballwettspiele. Am 22. August nachmittags auf dem Maisgarten Konzert, Gesangs- und Sondervorführungen der Vereine, abends Massenpyramiden. Da die Sport-
vereine sich jederzeit für die Sache der Arbeiterschaft zur Verfügung stellen, so muß es am 21. und 22. August für jeden gewerkschaftlich organisierten Arbeiter und Parteigenossen die Parole sein: Auf zum Sportfest der Arbeitersportler!“ 511
In diesem Programm offenbarte sich nicht nur die positive Entwicklung der Bamberger Arbeitersportbewegung, sondern auch deren Modernität durch die erwähnten Zweige Leichtathletik und Fußball. 512 Diese beiden Sparten stellten generell Neuerungen in der Arbeiterbewegung während der Weimarer Republik dar. Durch die gering ausgeprägte Tradition im Kaiserreich war das Bamberger Kartell offen für diese Sporttrends und reagierte darauf flexibel und zügig. Die Leichtathletik fand hingegen in Sachsen, der Hochburg des Arbeitersports und Sitz des Arbeiter-Turn- und Sportbundes, erst ein Jahr später Eingang in das Sportfest. 513 Fußball war ursprünglich im ATSB als englisch, roh und bürgerlich diskreditiert. 514 Zudem lehnten viele Sportfunktionäre die Ausrichtung des Spieles auf Wettkampf und Siege ab. 515 Aufgrund der wachsenden Popularität des Fußballs richtete man jedoch 1921 eine eigene Sparte ein, doch blieben deren Autonomie und Rechte bis 1933 umstritten und beschränkt, da man eine Verselbständigung als Arbeiter-Fußballbund wie in Österreich fürchtete und missbilligte. 516 Folglich war der ATSB-Bamberg in dieser Hinsicht fortschrittlich und innovativ, indem er noch ein Jahr vor der Spartengründung diesen Mannschaftssport aufnahm. Möglicherweise hatte bei der raschen Anerkennung des Fußballs die Rolle von Bamberg als Garnisonsstadt eine Rolle gespielt, denn gerade Soldaten entdeckten das Spiel während des Ersten Weltkriegs für sich. 517 Zu einem Höhepunkt des sozialistischen Sport-
Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa. Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18. 507 Vgl. Müller, Turnen, S. 132; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 176; Mlynek, Hannover, S. 474. 508 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 1. 6.1920, Nr. 124. 509 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 1. 6.1920, Nr. 124; SO v. 12. 8.1920, Nr. 187; SO v. 20. 8.1920, Nr. 194. 510 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 1. 6.1920, Nr. 124. 511 FS v. 10. 8.1920, Nr. 183; vgl. SO v. 12. 8.1920, Nr. 187; SO v. 20. 8.1920, Nr. 194. 512 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 338. 513 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 338, 344; Walter, vom Milieu, S. 52 f.; Adam, Arbeitermilieu, S. 131. 514 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 338; Eggers, Erik: Fußball in der Weimarer Republik. Kassel 2001, S. 88–94; Wheeler, Sport, S. 58 f., 63; Adam, Arbeitermilieu, S. 126–130; Oswald, Ideologie, S. 75. 515 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 129. 516 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 129; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 362–366. 517 Vgl. Eggers, Fußball, S. 25–27. 505
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jahres entwickelten sich während der Weimarer Republik die Reichsarbeitersporttage. Als dieses Ereignis 1921 das erste Mal ausgetragen wurde, beteiligten sich die Bamberger Arbeitersportvereine und trugen unter anderem Fußballspiele gegen Bischberg und Gaustadt aus. 518 In den folgenden Jahren etablierten sich die Reichsarbeitersporttage des Kartells im Festkalender des sozialistischen Milieus. 519 Sie wurden im Luitpoldhain veranstaltet und stellten eine Mischung aus Sport-, Arbeiter- und Propagandafest dar: Von leichtathletischen Wettkämpfen mit Staffelläufen über Fußballspiele bis zu einem Gartenfest mit Konzert und Massenpyramiden war alles geboten. 520 1927 erweiterte man das Programm in Bamberg und Gaustadt zu einer Reichsarbeitersportwoche, bei der den einzelnen Disziplinen und Sparten gesonderte Tage zugewiesen wurden. 521 Eine erneute Steigerung erfuhr der Reichsarbeitersporttag 1928, indem man das sportliche Programm mit der Sommersonnwendfeier verband und am Sonntag einen Festzug mit mehr als tausend Teilnehmern durch die Bamberger Innenstadt organisierte. 522 Stärker als in den Jahren zuvor bemühte man sich dabei, die Gegenkultur der Arbeitersportbewegung zur bürgerlichen Sportkultur herauszustellen und wetterte beispielsweise im Freistaat gegen die „Rekordseuche“ 523 als eine „wahre […] Landplage“ 524 unter den Vereinen außerhalb des Arbeitermilieus. Außerdem wurde die Veranstaltung politisiert, indem Josef Dennstädt am Samstagabend eine Rede hielt und am Sonntag eine Kundgebung mit einem Nürnberger Redner auf
dem Maxplatz im Anschluss an den Festzug folgte. 525 „Mit einem begeistert aufgenommenen, dreifachen Hoch auf die moderne Arbeitersportbewegung“ 526 feierte man die eigenen Verbände. Demnach traf auch auf Bamberg die kritische Beobachtung der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth zu: „Die ‚Reichs-Arbeiter-Sport-Tage‘ nehmen jedes Jahr größere Ausmaße an und drängen sich immer mehr der Öffentlichkeit auf.“ 527 Arbeitersport führte in Bamberg während der Weimarer Republik kein Nischendasein, sondern war zu einem Massenphänomen angewachsen. Anhand der Reichsarbeitersporttage wird ersichtlich, dass sich – im Unterschied zu anderen Städten – die Gegensätze zwischen proletarischer und bürgerlicher Sportkultur in Bamberg im Laufe der Zwanzigerjahre nicht abmilderten, sondern eher zunahmen. 528 Ebenso blieb die Frontstellung gegenüber dem katholischen Milieu erhalten. 529 Von einer Entpolitisierung und Entideologisierung der Arbeitersportbewegung kann in Bamberg für die Weimarer Zeit nicht gesprochen werden. 530 Dafür waren hauptsächlich zwei Gründe verantwortlich. Erstens gab es innerhalb der Bamberger Arbeitersportbewegung keine linksextremen Spaltungsversuche oder Konflikte mit kommunistischen Sportlern. 531 Die Einheit des sozialistischen Milieus im Sportbereich blieb bis in die 1930er Jahre erhalten, sodass keine innere Schwächung eintrat. 532 Zweitens spielten der Stadtrat und die Lokalpolitik eine maßgebliche Rolle in der Entwicklung. 533 Problematisch war die Ausgangslage, dass das Arbeiter-
Vgl. FS v. 21. 5.1921, Nr. 115; FS v. 28. 5.1921, Nr. 120; FS v. 1. 6.1921, Nr. 123. Vgl. FS v. 12. 6.1922, Nr. 133; Ueberhorst, Horst/Hauk, Gerhard/Klein, Ralf u. a.: Arbeitersport- und Arbeiterkulturbewegung im Ruhrgebiet (= Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen, Bd. 3235). Opladen 1989, S. 288 f. 520 Vgl. FS v. 14. 6.1922, Nr. 135; FS v. 8. 8.1924, Nr. 182. 521 Vgl. FS v. 22. 6.1927, Nr. 141; FS v. 27. 6.1927, Nr. 145; FS v. 2. 7.1927, Nr. 149. 522 Vgl. FS v. 22. 6.1928, Nr. 141; FS v. 25. 6.1928, Nr. 143; FS v. 26. 6.1928, Nr. 144; Ueberhorst/Hauk/Klein, Arbeitersport- und Arbeiterkulturbewegung, S. 285–287. 523 FS v. 25. 6.1928, Nr. 143. 524 FS v. 25. 6.1928, Nr. 143. 525 Vgl. FS v. 25. 6.1928, Nr. 143; FS v. 26. 6.1928, Nr. 144. 526 FS v. 26. 6.1928, Nr. 143. 527 Lagebericht v. 7. 7.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 680. 528 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 132–138; Winkler, Schein, S. 127. 529 Vgl. Fs v. 21. 7.1924, Nr. 166; BV v. 19. 8.1925, Nr. 188; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 180. 530 Vgl. Winkler, Schein, S. 127. 531 Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717; Winkler, Schein, S. 123; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 366–369. 532 Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717; Schreiben des Bezirksamts Bamberg v. 2. 4.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8. 533 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98; BT v. 5. 5.1927, Nr. 102; Beschluss des Verwaltungssenats v. 7. 5.1929, StadtABa, C 2, Nr. 59531. 518
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sportkartell nicht im städtischen Verband für Leibesübungen integriert war. 534 Außerdem wurde Bamberg als Sportstadt unter Bürgermeister Luitpold Weegmann zunehmend gefördert – unter Ausschluss der Arbeitersportbewegung. 535 So präsentierte sich Bamberg 1926 stolz als Austragungsort des 16. Bayerischen Landesturnfestes. 536 Zu diesem Großereignis mit etwa 25.000 Teilnehmern wurde ab 1925 der Volkspark mit Stadion, Festwiese und einer Radrennbahn errichtet. 537 Das Fest selbst wurde zu einer „Kundgebung für den deutschen Turngedanken“ 538 ausgestaltet mit monarchischem, nationalistischem und katholischem Charakter. 539 Von Rupprecht von Bayern über Erzbischof von Hauck und den Industriellen Rudolf Weyermann bis zum Bayerischen Ministerpräsidenten Heinrich Held von der BVP waren alle hochrangigen Vertreter aus Politik, Kirche und Wirtschaft vertreten. 540 Die SPD sowie die Arbeitersportbewegung protestierten, indem sie „im Garten ihres Gewerkschaftshauses (Rest. Nöth) ostentativ die schwarz-rot-goldene Flagge“ 541 hissten und der Freistaat „einen abfälligen Bericht über die Teilnahme des Kronprinzen Rupprecht“ 542 veröffentlichte. Die Sportstadt
Bamberg präsentierte sich ohne ihre rote Seite und ignorierte die Arbeitersportler. Als im Stadtrat 1927 die neuen Sportstätten des Volksparks am Hauptsmoorwald vergeben wurden, gingen die sozialistischen Vereine leer aus, während beispielsweise die katholische Deutsche Jugendkraft oder der Fußballverein 1912 Spielplätze erhielten. 543 Ein Artikel im Freistaat fragte erzürnt: „Unter welchen Voraussetzungen können Arbeitersportvereine das Stadion benützen?“ 544 Da jedoch der Stadtverband für Leibesübungen die Verwaltung übertragen bekommen hatte, blieb der Volkspark den Arbeitersportlern versperrt. 545 Daher musste das Zitat des damaligen Gartenbaudirektors Viktor Luster innerhalb des Arbeitermilieus wie Hohn klingen: „Glücklich diejenige Stadt und beneidenswert die Einwohner, welchen solche Anlagen heute zur Verfügung stehen!“ 546 Folglich war es eine logische Konsequenz, dass sich im Mai 1927 die SPD im Stadtrat vehement gegen eine zusätzliche Kostenübernahme im Nachgang für das Bayerische Turnfest wehrte. 547 Stadtrat Steitz erklärte, „daß seine Fraktion die Deckung des Fehlbetrages von circa 16.700 Mk entschieden ab-
Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 6.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1863; FS v. 30. 6.1930, Nr. 146; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 342 f. In anderen Städten wie z. B. München oder Leipzig kooperierten die Sportvereine der unterschiedlichen Richtungen in gemeinsamen Ämtern oder Verbänden oder näherten sich zumindest an. Vgl. Oswald, Ideologie, S. 72; Adam, Arbeitermilieu, S. 137. 535 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; FS v. 9. 2.1927, Nr. 32; Weberpals, Martin: „Sportstadt Bamberg“? – Sportliche Betätigung und Sportstätteneinrichtungen als Innovation in der Stadt. In: Frankenland 56 (2004), S. 251–262; Müller, Turnen, S. 126–129; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 630, 645 f., 980. 536 Vgl. Festschrift zum 16. Bayerischen Landesturnfest in Bamberg, 16. bis 18. Juli 1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 980; Weberpals, Sportstadt, S. 257. Ähnliche Fälle von kommunaler Sportförderung, Sportinszenierung und einem Stadionbau liefern die Städte Frankfurt am Main und Köln. Frankfurt am Main war Austragungsort der Arbeiterolympiade 1925 und Köln veranstaltete 1926 die Kampfspiele, eine deutsche Gegenveranstaltung des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen zu den internationalen Olympischen Spielen. Vgl. Müller, Turnen, S. 126–129; Rossol, Nation, S. 35–37. 537 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20. 5.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866; Weberpals, Sportstadt, S. 257 f.; Gunzelmann, Stadtentwicklungsgeschichte, S. 980 f. Zum Bayerischen Turnfest waren das Stadion und die Festwiese fertiggestellt, während die Eröffnung der Radrennbahn erst 1928 folgte. 538 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866. 539 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866. 540 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866. 541 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965. 542 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; vgl. FS v. 20. 7.1926, Nr. 162. 543 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 16. 3.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681. 544 FS v. 9. 2.1927, Nr. 32. 545 Vgl. FS v. 9. 2.1927, Nr. 32. 546 Festschrift zum 16. Bayerischen Landesturnfest in Bamberg, 16. bis 18. Juli 1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965. 547 Vgl. BT v. 5. 5.1927, Nr. 102. 534
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Arbeitersport
lehne“. 548 Im Freistaat erschien ein hämischer Artikel: „Das 16. Bayerische Turnfest 1926 schließt mit Defizit ab. Die Stadt soll die Kosten übernehmen! […] So ist also trotz der prunkhaften Aufmachung unter Beiziehung des früheren bayerischen Kronprinzen Rupprecht als Schaunummer die Teilnahme der Bevölkerung nicht die gewesen, die man erwartet hatte. Wären wir schadenfroh, so müßten wir uns freuen über den Ausgang des Festes. Da es uns aber nicht einerlei sein kann, ob die Stadt die 16 000 Mk. [sic] Defizit aus Mitteln bestreitet, die die Allgemeinheit aufzubringen hat, so müssen wir ihn bedauern. Gewissen Kreisen in Bamberg, die bei jeder Gelegenheit versuchen, Veranstaltungen der Arbeiterschaft ins Lächerliche zu ziehen, soll gesagt werden, daß die von der Arbeiterschaft und den freien Sportverbänden arrangierten Veranstaltungen in diesem Umfange […] den betreffenden Städten keine Auslagen bereitet haben. Wo die größere Begeisterung und auch die größere Opferwilligkeit zu finden ist, bedarf also wohl keiner besonderen Erwähnung mehr.“ 549
Aus diesen Zeilen sprach nicht nur die Schadenfreude, sondern auch die Verbitterung der linken Bevölkerungskreise Bambergs über die Benachteiligung der Arbeitersportbewegung. Bamberg wurde während der Zwanzigerjahre zwar mehr und mehr Sportstadt, doch die kommunale Sportförderung ließ die Vereine des sozialistischen Milieus weitestgehend außen vor. 550 Indirekt und ungewollt stärkte sie damit den Zusammenhalt innerhalb der Arbeitersportorganisationen und forcierte den Auf- und Ausbau der sportlichen Gegenkultur in Bamberg.
4.2.3 Kontinuität und Weiterentwicklung im Arbeitersport 4.2.3.1 Die Freie Turnerschaft Bamberg In der Freien Turnerschaft turnte der Arbeitersportler. Diese selbstredende und logische Schlussfolgerung entsprach zwar der Wirklichkeit des Kaiserreichs, doch in der Weimarer Republik ging diese einfache Gleichung nicht mehr auf. 551 Stattdessen galt: „Den Mitgliedern ist Gelegenheit geboten im Verein zu Turnen, Spielen, auch Fußball, Leichtathletik, Schwerathletik, Schwimmen und auch Wasserball zu spielen. […] Auch für die alten Mitglieder, die nicht mehr mit den Jungen mitmachen können, steht ein reichhaltiges Sängerarchiv zur Verfügung.“ 552
Darüber hinaus existierte eine Wanderriege. 553 Unter den Arbeitersportvereinen Bambergs war die Freien Turnerschaft die älteste Organisation, anhand der sich der typische „Lebenszyklus“ 554 und die Entwicklungsphasen der Arbeitersportvereine besonders deutlich zeigen lässt. 555 Nach der Revolution nahm die Freie Turnerschaft anfänglich einen rasanten Aufstieg. 556 Während vor dem Ersten Weltkrieg die Mitgliederzahl bei etwa 140 lag, stieg diese im Lauf des Jahres 1919 auf 273 an und erreichte 1920 mit 278 Mitgliedern ihren vorläufigen Höchststand. 557 Diese Blütezeit der Arbeiterbewegung wurde genutzt, um erstmals Interessen bei der Stadt durchzusetzen, Benachteiligungen abzubauen und wichtige Grundlagen für die künftige Arbeit zu legen. 558 Die größte Errungenschaft in Bamberg war die Überlassung einer städtischen Turnhalle seit März 1919. 559 Das „Ge-
BT v. 5. 5.1927, Nr. 102; vgl. FS v. 30. 4.1927, Nr. 98. FS v. 30. 4.1927, Nr. 98. 550 Diskriminierungen gegenüber der Arbeitersportbewegung fanden auch in anderen Städten, die ebenfalls keinen mehrheitlich links-demokratischen Stadtrat hatten, statt. Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 342–344. 551 Vgl. FS v. 30. 3.1922, Nr. 75; FS v. 13.10.1922, Nr. 236; FS v. 14. 8.1925, Nr. 184; FS v. 1. 4.1926, Nr. 75; FS v. 29.11.1930, Nr. 275; FS v. 1.12.1931, Nr. 276. 552 FS v. 14. 8.1925, Nr. 184. 553 Vgl. FS v. 24. 5.1921, Nr. 117; FS v. 1. 4.1926, Nr. 75. 554 Lösche, Peter: Arbeiterorganisationen und Lebensreform. Zur Einführung. In: Sozialistische Gesundheits- und Lebensreformverbände (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 2). Hg. v. P. Lösche. Bonn 1991, S. 11 f. 555 Vgl. FS v. 14. 8.1925, Nr. 184; FS v. 29.11.1930, Nr. 275; Lösche, Arbeiterorganisationen, S. 11 f. 556 Vgl. FS v. 14. 8.1925, Nr. 184. 557 Vgl. FS v. 14. 8.1925, Nr. 184; Lösche, Arbeiterorganisationen, S. 11. 558 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 342–344. 559 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 14. 2.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Protokoll des Stadtmagistrats v. 25. 3.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668. 548
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Das sozialistische Organisationsmilieu
such der Freien Turnerschaft um Überlassung der Turnhalle in der Luitpoldschule“ 560 an der Memmelsdorfer Straße wurde im Stadtmagistrat genehmigt und damit war diese Sportstätte im Norden Bambergs bis 1933 gesichert. 561 Vergleichbare Anträge für eine Turnhalle waren vom Magistrat vor 1914 abgewiesen worden „mit der Begründung, es sei keine frei.“ 562 Damit hatte man 1919 einen wichtigen Fortschritt erzielt, der 1921 durch die Zuweisung eines (Außen-)Sportplatzes im Luitpoldhain vollendet wurde. 563 Zuvor hatten die Arbeiterturner lediglich die sogenannte Rotlauf ’sche Wiese an der Schützenstraße pachtweise zur Verfügung gestellt bekommen, doch ab 1917 war die Fläche in Gärten zur Lebensmittelversorgung umgewandelt worden. 564 Ein Neuanfang nach dem Ersten Weltkrieg war damit unausweichlich. Bis zur Inflation hielt der Zuwachs an, sodass man die Zahl der Vereinsmitglieder von 305 im Jahr 1922 auf 365 im Jahr 1923 steigerte. 565 Anschließend verlor man nicht nur Mitglieder, sondern ganze Abteilungen und zudem endete die wohlwollende Behandlung durch den Stadtrat. 566 Zum 25-jährigen Stiftungsjubiläum war der Mitgliederstand auf 79 Personen abgesunken und aus finanziellen und organisatorischen Gründen hatte man sowohl die Fußballabteilung als auch die Wassersportabteilung eingebüßt. 567 Mit diesen Verselbständigungen konzentrierte sich das Vereinsleben wieder stärker auf die Bereiche „Turnerei, Spiel und Sport“. 568 Als deren Gründer wurde das Andenken an den „Turnvater Jahn“ ge-
pflegt, der 1925 zum Vereinsjubiläum „in Ueberlebensgröße aus schwarz-rot-goldener Umrahmung“ 569 im Festsaal aufgebaut wurde. 570 Anstelle der offiziell geächteten Wettkämpfe und Rekorde setzte man auf Gemeinschaftsgeist und -aktionen. Gemäß dieser Ideologie studierte man Gruppenchoreographien ein wie „Leiterpyramiden“ 571, Darbietungen mit „Lichtkeulenschwingen der Männerriege“ 572 oder „Singspiel[e] der freien Turnerinnen“ 573. Im Mittelpunkt standen die kollektive Ausführung und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Entgegen den sozialistischen Werten brachte die Sportbegeisterung aber auch unter den Arbeitersportlern in Bamberg den Wunsch nach Wettbewerb, Leistungsvergleich und Kräftemessen hervor. 574 Mit diesem Widerspruch lebten und kämpften allgemein die Arbeitervereine. 575 In Bamberg versuchte man mit einem Mittelweg beiden Seiten gerecht zu werden. So kombinierte die Freie Turnerschaft beispielsweise zu ihrem 25-jährigen Bestehen Turnübungen und Darbietungen mit Wettkämpfen in der Leichtathletik und an Geräten. 576 Dabei maßen sich die Sportler mit anderen Arbeiterturnvereinen aus ganz Franken und zum Abschluss des Festes wurden die Leistungen von Gustav Müller bekannt geben. 577 Selbst wenn man diese Verkündung nicht als Siegerehrung deklarierte, so unterschieden sich die Arbeiterturner in diesem Punkt nicht grundlegend von der bürgerlichen Sportbewegung. 578 Im Freistaat wurden sogar alle Sportler mit Namen, Platzierungen und Ergebnis-
Protokoll des Stadtmagistrats v. 14. 2.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668. Vgl. FS v. 29.11.1930, Nr. 275. 562 FS v. 29.11.1930, Nr. 275. 563 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 13. 7.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671; Weberpals, Sportstadt, S. 257; Matzer, Oswald: Freie Turnerschaft Bamberg 1900 e.V. Die Entstehung und Entwicklung der Freien Turner. URL: hhttp://www.freie-turner-bamberg.de/Wir_uber_uns/wir_uber_uns.htmli (26. 9. 2017). 564 Vgl. Antrag von Vinzenz Lieb v. 20. 7.1919, StadtABa, C 2, Nr. 59727. 565 Vgl. FS v. 14. 8.1925, Nr. 184. 566 Vgl. Kapitel 4.2.4; FS v. 14. 8.1925, Nr. 184; Stadtratsprotokoll v. 5. 3.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675; Stadtratsprotokoll v. 17. 6.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676; BV v. 19. 8.1925, Nr. 188; Lösche, Arbeiterorganisationen, S. 11. 567 Vgl. FS v. 30. 3.1922, Nr. 75; FS v. 14. 8.1925, Nr. 184; FS v. 29.11.1930, Nr. 275. 568 FS v. 14. 8.1925, Nr. 184. 569 FS v. 14. 8.1925, Nr. 184. 570 Vgl. FS v. 14. 8.1925, Nr. 184; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 340 f. 571 FS v. 23. 6.1922, Nr. 142. 572 FS v. 1. 2.1928, Nr. 261. 573 FS v. 1. 2.1928, Nr. 261. 574 Vgl. FS v. 18. 8.1925, Nr. 186; Wheeler, Sport, S. 63; Winkler, Schein, S. 124–126. 575 Vgl. Winkler, Schein, S. 124–126. 576 Vgl. FS v. 14. 8.1925, Nr. 184; FS v. 18. 8.1925, Nr. 186. 577 Vgl. FS v. 18. 8.1925, Nr. 186. 578 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 358–362; Krüger, Michael: Einführung in die Geschichte der Leibeserziehung und des Sports. Leibes560 561
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Arbeitersport
sen in einem langen Artikel veröffentlicht. 579 Die Wirklichkeit der Arbeitersportler in Bamberg war demnach ein Mix aus Werten und Wünschen, aus Mit- und Gegeneinander und aus Zusammenhalt und Wettbewerb. 580 Infolge der Umgestaltung von Bayern zu einer „Ordnungszelle“ durch Gustav von Kahr seit 1920 änderte sich auch in Bamberg die städtische Haltung gegenüber der Freien Turnerschaft. 581 1922 wurde ein Zuschuss zur Jugendpflege abgelehnt, 1923 verweigerte der Stadtrat einen Badeplatz an der Regnitz und 1924 wurde den Arbeiterturnern die Anbringung von Haken in der Luitpold-Turnhalle am Fußboden und an der Decke untersagt. 582 Außerdem lehnte die Stadt Bamberg 1925 eine Beihilfe zur Beschickung der Internationalen Arbeiterolympiade in Frankfurt am Main ab, zu der die Freie Turnerschaft zehn Sportler entsenden wollte. 583 All diese Kleinigkeiten offenbarten, dass sich der Wind seit 1919 gedreht hatte und zum Gegenwind geworden war. Ab 1925/26 schwächte er sich jedoch wieder ab, die Reibungspunkte zwischen Stadtrat und Freier Turnerschaft verringerten sich und insgesamt stellte sich eine Konsolidierung der Freien Turnerschaft ein. 584 Weitere Streitfälle im Stadtrat wurden nicht bekannt. Im Vereinsleben kombinierte man Turnabende und andere sportliche Aktivitäten mit geselligen Veranstaltungen und pflegte sowohl die Solidargemeinschaft als auch die Arbeiterkultur. 585 So organisierte die Freie Turnerschaft Varietéabende, informierte zur Kör-
perkultur der Arbeiter, richtete Vereinswanderungen, Kappenabende und Kinder-Ferienwanderungen aus. 586 Außerdem nahm man am Bundesfest des ATSB 1929 in Nürnberg teil und sparte mithilfe von Marken für die Teilnahme an der zweiten Arbeiterolympiade in Wien. 587 All diese Aktivitäten stärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitglieder und so feierte man Ende 1930 mit etwa 150 Mitgliedern das 30. Stiftungsjubiläum. 588 Wahrscheinlich hatte man zu diesem Zeitpunkt – wie allgemein in den sozialistischen Freizeitorganisationen – bereits Mitglieder aufgrund der Weltwirtschaftkrise verloren, doch insgesamt zeigte sich in den Dreißigerjahren vor allem die Stärke des Vereins. 589 Die Freie Turnerschaft schaffte es nämlich, nochmals neue Abteilungen aufzubauen und ihr Spektrum in den Ballsportarten zu erweitern. 590 Ab 1931 trainierten zwei Handballmannschaften auf dem Sportplatz im Luitpoldhain und bestritten Serienspiele. 591 Ferner wurden vom Verein ab Sommer 1932 vermehrt Faustballspiele ausgetragen. 592 Parallel zu dieser sportlichen Erweiterung und Ausdifferenzierung fand eine Politisierung des Vereinsalltags statt. 593 Im September 1930 wurde kein Vereinsprogramm für den Wahltag aufgestellt und es hieß explizit: „Freie Turnerschaft Bamberg. 14. September: Reichstagswahl. Genossinnen und Genossen! Wahlrecht ist Wahlpflicht!“ 594
übungen im 20. Jahrhundert. Sport für alle (= Sport und Sportunterricht, Bd. 10, Teil 3). Schorndorf 1993, S. 106–108; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 178– 180. 579 Vgl. FS v. 18. 8.1925, Nr. 186. 580 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 177–180. 581 Vgl. Schreiben von Gustav Müller an den Stadtrat Bamberg v. 1922, StadtABa, C 2, Nr. 59727; Sitzungsbeschluss des Stadtrats Bamberg v. 31. 5.1922, StadtABa, C 2, Nr. 59727. 582 Vgl. Schreiben von Gustav Müller an den Stadtrat Bamberg v. 1922, StadtABa, C 2, Nr. 59727; Sitzungsbeschluss des Stadtrats Bamberg v. 31. 5.1922, StadtABa, C 2, Nr. 59727; Stadtratsprotokoll v. 16. 5.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Stadtratsprotokoll v. 5. 3.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675. 583 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 17. 6.1925, StadtABa, C 1, Nr. 676; Rossol, Nation, S. 35–42. Ob die Bamberger Sportler dennoch in Frankfurt teilnahmen, wurde in den Quellen nicht erwähnt. 584 Allerdings wurden zwischen 1925 und 1930 keine Mitgliederzahlen veröffentlicht. Vgl. FS v. 29.11.1930, Nr. 275; Matzer, Turnerschaft Bamberg. 585 Vgl. FS v. 21. 3.1925, Nr. 66; FS v. 8. 4.1927, Nr. 81; FS v. 1. 3.1928, Nr. 51; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; FS v. 8. 5.1930, Nr. 104; FS v. 1. 8.1930, Nr. 174. 586 Vgl. FS v. 21. 3.1925, Nr. 66; FS v. 8. 4.1927, Nr. 81; FS v. 8. 5.1930, Nr. 104; FS v. 1. 2.1929, Nr. 27; FS v. 1. 8.1930, Nr. 174. 587 Vgl. FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; Ueberhorst, Frisch, S. 149–151. 588 Vgl. FS v. 29.11.1930, Nr. 275; ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. 589 Vgl. Lösche, Arbeiterorganisationen, S. 11 f. 590 Vgl. FS v. 25.7.1931, Nr. 167; FS v. 12. 8.1932, Nr. 184. 591 Vgl. FS v. 25. 7.1931, Nr. 167; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174; FS v. 25. 5.1932, Nr. 118. 592 Vgl. FS v. 28. 7.1932, Nr. 171; FS v. 12. 8.1932, Nr. 184. 593 Vgl. FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 25. 7.1931, Nr. 167; FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 594 FS v. 11. 9.1930, Nr. 208.
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Für die Verfassungsfeier 1931 wurden mehrfach Termine angesetzt, um Jugendtänze, Hammerschwingen und einen Bewegungschor einzustudieren. 595 Die Freie Turnerschaft war komplett eingebunden in die vom Reichsbanner Schwarz-RotGold organisierte Feier und schmückte diese mit Beiträgen aus. 596 Gleichermaßen beteiligten sich die Sportler auch in der Eisernen Front. 597 Im Januar 1933 sah eine Vereinsanzeige im Freistaat zum Beispiel so aus: „Freie Turnerschaft. Morgen abend fällt die Männerturnstunde aus. Dafür Beteiligung am Aufmarsch der Eisernen Front. Am Sonntag, 22. Januar, Spaziergang. Treffpunkt 2 Uhr am Gabelmann.“ 598
Die Freie Turnerschaft Bamberg stellte sich am Ende der Weimarer Republik klar in den Dienst der SPD, des Reichsbanners und der Eisernen Front. Für den Republikschutz mobilisierte der Verein seine Arbeitersportler. Die Symbiose aus Sport, Sozialismus und Demokratiebewusstsein innerhalb des Arbeitermilieus war vorhanden und krisenbeständig. 4.2.3.2 Arbeiter-Radfahrer-Verein „Solidarität“, Ortsgruppe Bamberg Traditionspflege war eine wichtige Facette des Arbeiter-Radfahrer-Vereins „Solidarität“ Bamberg. 599 Stolz feierte die Ortsgruppe des Arbeiter-Radfahrer-Bundes während der Weimarer Republik mehrfach im großen Stil ihr Stiftungsfest und betonte ihre ins Jahr 1904 zurückreichende Geschichte vor Ort. 600 1921 wurde das 17-jährige Jubiläum mit der
Standartenenthüllung verbunden und diente sowohl zur Machtdemonstration der Arbeitersportbewegung in Bamberg als auch zur Betonung des Wiederaufstiegs nach dem Ersten Weltkrieg. 601 Das Programm beinhaltete einen Frühschoppen, ein Konzert, Preisfahrten, eine Festrede und einen Ball, vor allem aber einen öffentlichen Umzug am Sonntagmittag durch die Straßen Bambergs: „Den Höhepunkt bildete der Festzug. Wohl noch nie hat Bamberg einen Radler-Festzug von dieser Länge gesehen. Der Kopf des Zuges befand sich am Schönleinsplatz, das Ende noch weit hinter dem Archivgebäude am Hain. In musterhafter Ordnung bewegte sich der Zug mit den festlich geschmückten Rädern durch die Straßen, wo große Menschenmengen Spalier bildeten.“ 602
Mit diesem großen Aufgebot wollte man auch beweisen, dass die „Arbeitersportler sich mit denen der Bürgerlichen messen [konnten].“ 603 1929 beging man in ähnlicher Weise das 25-jährige Bestehen. 604 Beim Vergleich der beiden Veranstaltungen fällt auf, dass entsprechend der allgemeinen Tendenz die Wettkämpfe zugenommen hatten und sich das Spektrum der Radfahrdisziplinen erweitert hatte. 605 Während 1921 Kunstfahren im Saal und „Preislangsamfahren am Heinrichsdamm, an der Wilhelmspost“ 606 das Fest ausfüllten, wurden 1929 auch Rennen über 20 oder 50 km zwischen Bamberg und Forchheim ausgetragen, Radballspiele abgehalten sowie Saal-, Reigen- und Korsofahren mit Wertungen angeboten. 607 Zum Abschluss des Festes ehrte man die Sieger mit einer Preisverleihung. 608
Vgl. FS v. 25. 7.1931, Nr. 167; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174. Vgl. FS v. 13. 8.1931, Nr. 183. 597 Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 598 FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 599 Vgl. Goch, Arbeiterbewegung, S. 323–325; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 178. 600 Vgl. FS v. 24. 5.1921, Nr. 117; FS v. 4. 5.1921, Nr. 102; FS v. 20. 5.1921, Nr. 114; FS v. 1. 2.1929, Nr. 27; FS v. 4. 6.1929, Nr. 125; FS v. 7. 6.1929, Nr. 128; Goch, Arbeiterbewegung, S. 323–325. 601 Vgl. FS v. 24. 5.1921, Nr. 117; FS v. 8. 6.1929, Nr. 129. 602 FS v. 24. 5.1921, Nr. 117; vgl. FS v. 20. 5.1921, Nr. 114. 603 SO v. 23. 5.1921, Nr. 117. 604 Vgl. FS v. 4. 6.1929, Nr. 125; FS v. 7. 6.1929, Nr. 128; FS v. 8. 6.1929, Nr. 129; FS v. 11. 6.1929, Nr. 131; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 6.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1877. 605 Vgl. FS v. 20. 5.1921, Nr. 114; FS v. 7. 6.1929, Nr. 128; FS v. 14. 6.1929, Nr. 134; Goch, Arbeiterbewegung, S. 324 f. 606 FS v. 20. 5.1921, Nr. 114. 607 Vgl. FS v. 24. 5.1921, Nr. 117; FS v. 7. 6.1929, Nr. 128; FS v. 11. 6.1929, Nr. 131; Horsch, Richard: Der Arbeiter-Rad- und Kraftfahrerbund „Solidarität“ im Wandel der Zeiten. Schweinfurt 1982, S. 5; Beduhn, Ralf/Klocksin, Jens (Hg.): Rad – Kultur – Bewegung. 100 Jahre rund ums Rad: Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität. Illustrierte Geschichte 1896–1996. Essen 1995, S. 27. 608 Vgl. FS v. 11. 6.1929, Nr. 131. 595
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Arbeitersport
Das sozialistische Alleinstellungsmerkmal des Langsamfahrens hatte folglich an Bedeutung eingebüßt, während parallel der Wettkampfcharakter an Gewicht gewonnen hatte. Gesellschaftlich waren jedoch noch keine großen Änderungen oder Fortschritte erzielt worden. 609 Die Ausgrenzung und Polarisierung hatte im Laufe der Weimarer Republik in Bamberg sogar zugenommen. 610 Ohne Probleme war 1921 die Genehmigung zum Langsamfahren in der Wilhelmstraße und zum Festzug vom Verwaltungsausschuss erteilt worden. 611 1924 beklagte der Freistaat allerdings anlässlich eines Arbeiterradfestes die diskriminierende Behandlung der „Solidarität“: „Der Arbeiter-Radfahrer-Bund ‚Solidarität‘ veranstaltete an einem der letzten Sonntage eine Festlichkeit, verbunden mit einem Korsofahren durch die Stadt. Diesem Verein wurde nicht nur der Weg so vorgeschrieben, daß der Zug möglichst wenig das Stadtinnere berührte, daß er also möglichst wenig propagandistisch wirken konnte, sondern man verbot auch das Mitwirken der zwei vorgesehenen Musikkapellen, sodaß auch hier alles sich gewissermaßen unter Ausschluß der Oeffentlichkeit abwickeln mußte.“ 612
Zum Stiftungsjubiläum 1929 kam es ebenfalls zu Problemen, da das Langsamfahren in der Augustenstraße und am Heinrichsdamm „aus verkehrspolizeilichen Gründen“ 613 vom Stadtrat untersagt wurde. 614 Wiederum wurde der „Solidarität“ das Stadtzentrum und die damit verbundene Aufmerksamkeit verwehrt und erst ein geänderter Antrag fand die Zustimmung: Das Langsamfahren musste
letztendlich in die im äußersten Süden gelegene Schellenbergerstraße verlegt werden. 615 Außerdem verbot man in Bamberg die Hupsignale der Arbeiterradfahrer, die in anderen bayerischen Städten zugelassen waren. 616 Der Freistaat schrieb daher: „Daß Bayern allerdings nicht Bamberg ist, hat sich durch eine recht eigentümliche Situation gezeigt, Bamberg ist die einzige deutsche Stadt, in der die Schutzmannschaft die Hupsignale der Fahrwarte der Arbeiter- und Kraftfahrer verbietet.“ 617
Die gesellschaftliche Ablehnung und Benachteiligung führten zu einer engen Bindung des Arbeiterradfahrervereins an das sozialistische Milieu, die SPD und andere „Solidarität“-Ortsgruppen. 618 Man beteiligte sich regelmäßig an Sternfahrten in der Umgebung und pflegte besonders zu den Vereinen von Nürnberg, Schweinfurt und Kulmbach enge Beziehungen. 619 So fuhr der Bezirk Bamberg beispielsweise bei einer Gauwanderfahrt 1922 nach Ebelsbach-Eltmann und traf dort mit den Arbeiterradfahrern aus Schweinfurt und Würzburg zusammen. 620 1927 und 1929 führte die „Solidarität“ Bamberg die Gausternfahrten zusammen mit dem Bezirk Kulmbach durch. 621 Neu dabei waren 1929 die Motorradfahrer, denn der Bund hatte sich 1928 in Arbeiter-Rad- und Kraftfahrer-Bund „Solidarität“ umbenannt. 622 Zu Kooperationen mit dem anderen Bamberger Radverein, dem 1911 gegründeten Radklub „Wanderfalken“, kam es während der Weimarer Republik nicht. 623 Die Klassengrenzen blieben bei den Radfahrern wirksam. 624 Folglich beteiligte sich die „Solidarität“ bei den Maifeiern des sozialistischen Milieus, sie stellte sogar die erste
Vgl. SO v. 7. 7.1922, Nr. 156; Goch, Arbeiterbewegung, S. 324 f.; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 180. Vgl. FS v. 4. 5.1921, Nr. 102; FS v. 2. 7.1924, Nr. 150; Beschluss des Verwaltungssenats v. 7. 5.1929, StadtABa, C 2, Nr. 59531. 611 Vgl. FS v. 4. 5.1921, Nr. 102; Beschluss des Verwaltungsausschusses v. 3. 5.1921, StadtABa, C 2, Nr. 59531. 612 FS v. 2. 7.1924, Nr. 150. 613 Beschluss des Verwaltungssenats v. 7. 5.1929, StadtABa, C 2, Nr. 59531. 614 Vgl. Bericht zur Verwaltungssenatssitzung v. 8. 5.1929, StadtABa, BS, Nr. 226/4. 615 Vgl. Bericht zur Verwaltungssenatssitzung v. 29. 5.1929, StadtABa, BS, Nr. 226/4. 616 Vgl. FS v. 11. 6.1929, Nr. 131. 617 FS v. 11. 6.1929, Nr. 131. 618 Vgl. FS v. 17. 9.1921, Nr. 214; SO v. 7. 7.1922, Nr. 156; FS v. 4. 5.1923, Nr. 101; FS v. 11. 6.1929, Nr. 131; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Kronach v. 31. 8.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874; FS v. 1. 8.1929, Nr. 174; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 619 Vgl. SO v. 20. 5.1921, Nr. 115; SO v. 7. 7.1922, Nr. 156; FS v. 26. 7.1927, Nr. 169; FS v. 1. 8.1929, Nr. 174; FS v. 11. 6.1929, Nr. 131; FS v. 1. 8.1929, Nr. 174. 620 Vgl. SO v. 7.7.1922, Nr. 156. 621 Vgl. FS v. 26. 7.1927, Nr. 169; FS v. 1. 8.1929, Nr. 174. 622 Vgl. FS v. 1. 8.1929, Nr. 174; Goch, Arbeiterbewegung, S. 325; Horsch, Solidarität, S. 6. 623 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 624 Vgl. Eisenberg, Massensport, S. 171. 609 610
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Gruppe des Umzugs und bezog mit ihren Auftritten politisch Stellung. So hieß es im Bericht zum Maiumzug 1923: „Den Anfang machten die Arbeiterradler mit einem Gruppenbild, die Freiheitsgöttin darstellend: auf vier Rädern war ein Baldachin, mit Blumen geschmückt, aufgebaut, unter dem mit der Verfassungsurkunde in der Hand die Freiheitsgöttin im weißen Kleid mit roter Schärpe saß.“ 625
Die Werte Freiheit, Verfassungs- und Republikschutz hatten demnach im Verein einen herausragenden Stellenwert und waren bei den Arbeiterradfahrern präsent. Resultierend daraus war die „Solidarität“ in Bamberg bis 1933 in die Wahlkämpfe der SPD eingebunden und beteiligte sich besonders an den Flugblattaktionen. 626 Noch im Februar 1933 lobte Josef Dennstädt auf der Jahresgeneralversammlung der Sozialdemokratie die Arbeiterradfahrer, „die in Bezug auf Flugblattverteilung Hervorragendes leisteten und nicht mit Unrecht die ‚Rote Kavallerie‘ genannt“ 627 würden. Die „Solidarität“ Bamberg war folglich fest in das Arbeitermilieu eingebunden und leistete einen wichtigen Beitrag, den Zusammenhalt zu stärken und sozialistische Solidarität zu leben. 4.2.3.3 1. Arbeiter-Athleten-Club Bamberg Die Arbeiter-Athleten Bambergs unterhielten in ähnlicher Weise wie die Arbeiterradfahrer gute Kontakte zu den jeweiligen Vereinen in Unterfranken. 628 An Ostern 1920 nahmen mehrere Bamberger Mitglieder bei einem nationalen Wettkampf für
Schwer- und Leichtathletik in Schweinfurt teil. 629 Außerdem maß man sich etliche Male mit dem Sportklub Oberndorf, einem Vorort von Schweinfurt, und lieferte sich anschließend sogenannte Retourkämpfe. 630 Im Sommer 1925 trug man beispielsweise im Garten des „Nöth“ Ring- und Stemmwettkämpfe gegen Oberndorf aus. 631 1926 folgten „Herausforderungskämpfe“ 632 mit Schweinfurt, die von einem Gartenfest der Athleten umrahmt wurden. 633 Vor allem aber hob sich der 1. Arbeiter-Athleten-Club Bamberg von den anderen Arbeitersportvereinen dadurch ab, dass er überregionale und sogar internationale Wettkämpfe austrug und daran teilnahm. 634 Die Bamberger Athleten lebten also die Völkerverständigung. Die länderübergreifende Kooperation der Arbeitersportler stellte nach dem Ersten Weltkrieg ein zentrales Merkmal der sozialistischen Bewegung dar, denn man trachtete danach, die Feindschaften und Differenzen zwischen den Völkern durch den gemeinsamen Sport zu überwinden. 635 „Nie wieder Krieg!“ 636 lautete das Motto der Arbeitersportler. Diesem Leitgedanken ordneten die Bamberger Athleten mehrfach Veranstaltungen und Aktivitäten unter. 637 Im Mai 1923 richteten sie ein Sportfest aus, zu dem sich „aus allen Gauen Deutschlands sowie der Tschechoslowakei“ 638 Vereine anmeldeten. 639 Die schwerathletischen Wettkämpfe wurden in der Turnhalle in der Fischerei ausgetragen, die Leichtathletik fand im Luitpoldhain statt. 640 Ein Festkommers im Zentralsaal sowie ein Ball im Café „Haas“ rundeten die Veranstaltung ab. 641 Quartiere wurden vom gesamten Arbeitermilieu organisiert und gestellt, um den
FS v. 4. 5.1923, Nr. 101; vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98. Vgl. FS v. 17. 9.1921, Nr. 214; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Goch, Arbeiterbewegung, S. 366. 627 FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 628 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 17. 6.1925, Nr. 135; FS v. 2. 9.1926, Nr. 200; FS v. 15.10.1927, Nr. 238. 629 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99. 630 Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135; FS v. 25. 8.1926, Nr. 193. 631 Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 632 FS v. 2. 9.1926, Nr. 200. 633 Vgl. FS v. 2. 9.1926, Nr. 200; FS v. 4. 9.1926, Nr. 202. 634 Vgl. FS v. 16. 5.1923, Nr. 110; FS v. 1. 3.1932, Nr. 50; FS v. 31.1.1931, Nr. 24; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; Wheeler, Sport, S. 65. 635 Vgl. Wheeler, Sport, S. 65 f.; Rossol, Nation, S. 35, 41. 636 Zit. n. Wheeler, Sport, S. 65. 637 Vgl. FS v. 16. 5.1923, Nr. 110; FS v. 1. 3.1932, Nr. 50. 638 FS v. 16. 5.1923, Nr. 110. 639 Vgl. FS v. 16. 5.1923, Nr. 110; Wheeler, Sport, S. 63 f. 640 Vgl. FS v. 18. 5.1923, Nr. 112. 641 Vgl. FS v. 18. 5.1923, Nr. 112. 625
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Arbeitersport
„auswärtigen Sportbrüdern und -Schwestern den Aufenthalt in der Feststadt so angenehm wie möglich zu machen.“ 642 Der Freistaat begrüßte die auswärtigen Teilnehmer mit folgenden Worten: „Willkommen, Sportgenossen in Bamberg! Mit Stolz und Freude sehen die Bamberger Arbeiter-Athleten sowie alle Sportgenossinnen und –Genossen den Pfingstfeiertagen entgegen, an denen es ihnen anläßlich des 6. Kreisfestes des 5. Bezirks des 15. Kreises des Arbeiter-Athletenbundes Deutschland vergönnt ist, die Sportgenossen aus Bayern, den größeren Städten Deutschlands und zum Teil auch aus dem Ausland in Bambergs Mauern zu begrüßen.“ 643
Innerhalb des sozialistischen Milieus würdigte man also sowohl das Sportereignis als auch den Aspekt der Internationalität und freute sich darüber, mithilfe der Athleten in Bamberg die Annäherung an andere Nationen voranzutreiben. 644 Dieses Motiv prägte auch die Endphase der Weimarer Republik. 645 So reisten die Bamberger Athleten ihrerseits 1931 ins Ausland und nahmen an der ArbeiterOlympiade in Wien teil. 646 Die Ausscheidungskämpfe für ganz Nordbayern hatten zuvor in Nürnberg für die Boxer und in Bamberg für die Ringer und Gewichtheber stattgefunden. 647 Es zeigte sich, dass der Bamberger Verein überregional eine gewichtige Rolle spielte. 648 Im Februar 1932 lud der Vorsitzende Paul Arneth im Namen des AthletenClubs zu einem sogenannten Länderkampf mit österreichischen Sportlern ein. 649 In der Presse hieß es: „Oesterreichische Arbeitersportler ringen in
642 643 644 645 646 647 648 649 650 651 652 653 654 655 656 657
Bamberg! Ein Ereignis für die Bamberger Sportwelt!“ 650 Man holte die Gäste am Bahnhof ab und marschierte demonstrativ mit Musik in einem Zug vom Bahnhof zum „Nöth“. 651 Nachmittags zeigte man den auswärtigen Sportlern die Sehenswürdigkeiten Bambergs, bevor am Abend im Zentralsaal die Wettkämpfe stattfanden. 652 Diese wurden eingebettet in Märsche des Reichsbanners, Reden und den Austausch von Gastgeschenken. 653 Über allem stand der Gedanke der sozialistischen Freundschaft und Brüderlichkeit. So betonte man den Charakter der „brüderliche[n] Wettkämpfe“, bei denen sich „nicht Gegner und Gegner“ gegenübertraten, „sondern Freunde, von denen der eine den anderen an seiner Kraft, an seinem Können teilhaben lassen wollte.“ 654 In einer Zeit der verschärften gesellschaftlichen und politischen Konflikte zeichneten die Arbeiterathleten ein harmonisches Bild des länderübergreifenden Miteinanders im Geiste des Sozialismus und setzten ein Zeichen gegen Gewalt, Aggressivität und den Nationalsozialismus. Im Dezember 1932 fand erneut ein bedeutender Wettkampf in Bamberg statt, denn Mitteldeutschland trat durch den Verein Vorwärts Gera gegen Süddeutschland an, das vom 1. Kampfsport-Club Fürth und den Bamberger Athleten repräsentiert wurde. 655 In diesem Ringkampf siegte die thüringische Mannschaft, doch den Bamberger Athleten diente er in erster Linie als Beweis, dass ihre Arbeitersportbewegung weiter im Aufstreben war und man sich mit den Sportlern aus Gera messen konnte. 656 Schließlich war man während der gesamten Weimarer Republik darum bemüht zu zeigen, dass „auch die Arbeitersportler auf der Höhe der Zeit sind“, 657 dass der Arbeiter-Athleten-Club „mit an
FS v. 19. 5.1923, Nr. 113. FS v. 19. 5.1923, Nr. 113. Vgl. FS v. 16. 5.1923, Nr. 110; FS v. 19. 5.1923, Nr. 113. Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 50. Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 50. Vgl. NZA v. 31.1.1931, Nr. 24. Vgl. NZA v. 31.1.1931, Nr. 24. Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 24. NZA v. 31.1.1931, Nr. 24. Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 24. Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 24. Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 24. FS v. 1. 3.1932, Nr. 24. Vgl. FS v. 3.12.1932, Nr. 279. Vgl. FS v. 3.12.1932, Nr. 279. FS v. 31. 8.1922, Nr. 199.
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Das sozialistische Organisationsmilieu
erster Stelle [steht], was Leistung und Technik betrifft“ 658 und die Bamberger Athleten durch Übung und Fleiß beachtliche Erfolge erzielten. 659 Zu den wichtigsten Leistungsträgern zählten Anfang der Dreißigerjahre in Bamberg Johann Nüßlein, Peter Schiemann, Fritz Eberlein und Johann Wölflein. 660 Aber nicht nur durch sportliche Leistungen gegen andere Mannschaften profilierten sich die Arbeiterathleten, sondern auch durch ihre Sportarten und ihre geselligen Veranstaltungen unterstrichen sie ihre Modernität und Weltoffenheit. 661 Seit circa 1926 übte man zwei Mal pro Woche die japanische Kunst des Jiu-Jitsu und veranstaltete auch darin Wettkämpfe gegen Schweinfurt und Forchheim. 662 Dem Leser des Freistaats erklärte man die Neuheit des deutschen Arbeiter-Athleten-Bundes folgendermaßen: „Bei dieser Sportart ist alles erlaubt, jeder Handgriff darf vorgenommen werden. Es ist dies eine nach japanischer Art in Deutschland eingeführte Selbstverteidigung. Es ist erstaunlich, mit welch einfachen Griffen der Gegner kampfunfähig gemacht werden kann.“ 663
In Bamberg war man darum bemüht, möglichst viele Arbeiter mit diesem Kampfsport vertraut zu machen. 664 Außerdem kombinierte man traditionelle Veranstaltungen wie den Frühschoppen mit neuen zeitgemäßen Elementen, wie beispielsweise an Ostern 1929 in den Vereinsanzeigen zu lesen war: „Arbeiter-Athleten. 1. Osterfeiertag ab 10 Uhr früh im Vereinslokal Gasthaus zum ‚Mondschein‘ – Frühschoppen mit Jazzband-Konzert.“ 665 Jazz an Ostern statt Kirchenmusik, Amerikanismus statt Konservativismus, Internationalismus statt Natio-
nalismus – das war der 1. Arbeiter-Athleten-Club Bamberg während der Weimarer Republik. 666 Damit unterschied man sich vom bürgerlichen Athletenklub „Herkules“ und von der mehrheitlich katholischen, konservativen und bürgerlichen Gesellschaft in Bamberg. 667 Die Arbeiterathleten kombinierten stattdessen Sozialismus, Völkerverständigung und Modernität mit ihrem Sportleben. Diese Mischung garantierte ihnen bis 1933 eine unangefochtene und respektierte Stellung innerhalb des sozialistischen Milieus.
4.2.4 Neugründungen und Ausdifferenzierung im Arbeitersport 4.2.4.1 Arbeiterfußball: Spielvereinigung Bamberg und 1. Arbeiter-Fußball-Club „Pfeil“ Bamberg Am 4. April 1922 gründeten die Fußballer der Freien Turner in Form der Spielvereinigung Bamberg ihren eigenen Verein. 668 Offiziell unterstand dieser zunächst dem Stammverein der Turner und gehörte somit automatisch dem ATSB an, doch Verwaltung und Geschäftsführung handelten von Anfang an selbständig. 669 1924 erlangte der Verein schließlich die volle Eigenständigkeit. 670 Damit löste die Bamberger Arbeitersportbewegung den allgemein schwelenden Konflikt zwischen Turnen und Sport (inklusive Fußball), trug der gesteigerten Nachfrage nach Fußball Rechnung und befriedigte den Anspruch nach mehr Autonomie der Fußballer. 671 Dieser Schritt erfolgte jedoch nicht ganz freiwillig, denn zuvor, vermutlich 1921, hatte sich der 1. Arbeiter-Fußball-Club „Pfeil“ in Bamberg konstituiert und dem Arbeiter-Athletenbund angeschlossen. 672 Unter dem Vorstand August Fuchs
FS v. 19. 5.1923, Nr. 113. Vgl. FS v. 19. 5.1923, Nr. 113. 660 Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 24; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 6.12.1932, Nr. 281. 661 Vgl. FS v. 2. 9. 1926, Nr. 200; FS v. 7. 9.1926, Nr. 204; FS v. 30. 3.1929, Nr. 74. 662 Vgl. FS v. 2. 9.1926, Nr. 200; FS v. 4. 9.1926, Nr. 202; FS v. 7. 9.1926, Nr. 204. 663 FS v. 7. 9.1926, Nr. 204. 664 Vgl. FS v. 7. 9. 1926, Nr. 204. 665 FS v. 30. 3.1929, Nr. 74. 666 Vgl. Hoeres, Kultur, S. 84 f. 667 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29. 668 Vgl. FS v. 30. 3.1922, Nr. 75; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 669 Vgl. FS v. 30. 3.1922, Nr. 75; FS v. 14.12.1923, Nr. 270; FS v. 9.1.1931, Nr. 6; NZA v. 22. 3.1932, Nr. 61. Folglich trug die Spielvereinigung anfangs formell den Namen „Spielvereinigung der Freien Turnerschaft Bamberg e.V.“ 670 Vgl. FS v. 24. 7.1926, Nr. 166; FS v. 29.11.1930, Nr. 275. 671 Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 126–131; Krüger, Einführung, S. 94–96; Oswald, Ideologie, S. 75. 672 Vgl. FS v. 9.12.1921, Nr. 283; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 658
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Arbeitersport
veranstalteten die Mitglieder im Dezember 1921 eine eigene Weihnachtsfeier in der Brauerei „Murrmann“. 673 1922 trug man beispielsweise ein Freundschaftsspiel gegen Memmelsdorf aus und nutzte dafür den Waldsportplatz in Gaustadt. 674 Beide Arbeiter-Fußballvereine Bambergs bestanden zu diesem Zeitpunkt parallel. 675 Allerdings setzte sich anschließend die Spielvereinigung durch und ab 1923 finden sich keine Hinweise mehr auf den FußballClub „Pfeil“. August Fuchs selbst wechselte zur Spielvereinigung und war für diese aktiv. 676 Es kann also davon ausgegangen werden, dass auch andere Fußballspieler diesen Schritt vollzogen und aufgenommen wurden. Arbeiterfußball in Bamberg war somit in den folgenden Jahren gleichbedeutend mit der Spielvereinigung. 677 Diese war in der Ligaklasse des ATSB vertreten, anfangs in der Sonderklasse B, dann in der zweiten Klasse des Bezirks Nürnberg-Fürth vom siebten Kreis (d. h. Nordbayern). 678 Durch die organisatorische Einteilung sowie die starke Entwicklung des Arbeiterfußballs in Nürnberg und Fürth trat die Bamberger Spielvereinigung hauptsächlich gegen Vereine dieser beiden Städte und deren Umgebung an. Gegner waren beispielsweise Nürnberg SüdOst, Leonhard-Schweinau Nürnberg, Turn- und Sportverein Fürth, Zirndorf und Nürnberg-Süd. 679 In späteren Jahren kamen noch Vereine aus dem Raum Erlangen wie Buch, Büchenbach und Erlangen selbst hinzu, alles in allem blieb Bamberg aber der einzige oberfränkische Verein in der ansonsten mittelfränkischen Arbeiterfußball-Liga. 680 Dadurch wiesen die Arbeiterfußballer Bambergs eine starke Orientierung nach Nürnberg auf und profitierten von dieser Beziehung und dem Austausch. Auf Einladung der Spielvereinigung kam zum Beispiel der bekannte Verein Nürnberg-Ost, Arbeitermeister
1930 und 1932, im März 1932 zum St. Joseftag zu einem Fußballspiel nach Bamberg. 681 Der Freistaat frohlockte, dass damit „ein Wunsch aller Fußballinteressierten Bambergs in Erfüllung“ 682 ginge. Während man normalerweise im Luitpoldhain alle Spiele bestritt, erhielt man zu diesem Ereignis sogar das Spielfeld der Hauptkampfbahn im Volkspark. 683 Die Ankündigung in der Rubrik „Fränkischer Sportfreund“ der SPD-Zeitung lautete: „Nürnberg-Ost gastiert in Bamberg. Morgen Nachmittag 3 Uhr stehen sich im Stadion (Hauptkampfbahn) die 1. Mannschaft NürnbergOst und die 1. Elf der Spielvereinigung Bamberg gegenüber. Nürnberg-Ost kommt mit seiner besten Garnitur nach Bamberg und es wäre Phantasie, wollte man hoffen, daß die Mannschaft gegen Bamberg unterliegen würde. Zwar ist die erste Elf der Spielvereinigung zur Zeit in guter Verfassung und hat auch des öfteren Vereine der 1. Klasse unter die Räder gebracht, aber zur Niederringung einer Mannschaft wie Nürnberg-Ost, die seit 4 Jahren ununterbrochen an der Spitze der Nürnberger Vereine marschiert, wird es doch nicht reichen. […] Bamberg wird dabei versuchen, die fehlende Technik durch größeren Eifer wieder auszugleichen. Auf alle Fälle wird die Mannschaft bestrebt sein, ein gleichwertiges Spiel vorzuführen, so daß jeder Zuschauer auf seine Rechnung kommen wird.“ 684
Die Prognose der Niederlage trat tatsächlich ein und zwar durchaus deutlich: 0 : 7 siegten die Gäste. 685 Entscheidender als das Ergebnis war aber die Aufmerksamkeit, Anerkennung und der Prestigegewinn für die Spielvereinigung und die gesamte Arbeitersportbewegung Bambergs. 686 Schließlich kämpfte man während der gesamten Weimarer Re-
Vgl. FS v. 9.12.1921, Nr. 283; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. Vgl. FS v. 25.11.1922, Nr. 272. 675 Vgl. FS v. 25.11.1922, Nr. 272. 676 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 10.1.1931, Nr. 7; FS v. 16.1.1931, Nr. 12. 677 Vgl. FS v. 12.1.1923, Nr. 9; FS v. 1. 6.1927, Nr. 124; FS v. 1. 2.1928, Nr. 26; NZA v. 3.11.1931, Nr. 154; NZA v. 22. 3.1932, Nr. 61; FS v. 25.1.1933, Nr. 20. 678 Vgl. FS v. 30. 3.1922, Nr. 75; FS v. 14.11.1922, Nr. 262; FS v. 1. 3.1932, Nr. 50; Entwicklung des Fußballspieles im ATSB 1912 bis 1933 im 7. Kreis 1. Bezirk Raum Nürnberg von A. Rieß, AdsD, 4/ATSB, Nr. 13. 679 Vgl. FS v. 14.11.1922, Nr. 13. 680 Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 50. 681 Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 50; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; NZA v. 22. 3.1932, Nr. 61; Eggers, Fußball, S. 91. 682 FS v. 1. 3.1932, Nr. 50. 683 Vgl. FS v. 12.1.1923, Nr. 9; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 1. 3.1932, Nr. 50; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 684 FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 685 Vgl. NZA v. 22. 3.1932, Nr. 61. 686 Vgl. FS v. 1. 3.1932, Nr. 50; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; NZA v. 22. 3.1932, Nr. 61. 673
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publik mit unzureichenden Zuschauerzahlen und Abwerbeversuchen der bürgerlichen Fußballvereine. 687 Besonders in Krisenzeiten, während der Inflation oder der Weltwirtschaftskrise, lockten die finanzkräftigeren Vereine die Arbeiterfußballer mit Angeboten – oftmals erfolgreich. 688 Auf der Bamberger Generalversammlung 1923 wurde dieses Problem thematisiert: „Infolge Austritts verschiedener Mitglieder zu bürgerlichen Vereinen mußte die Verwaltung energische Maßnahmen ergreifen, die ein Wiederholen solcher Zustände verhindern. Es wurden zu diesem Zwecke vom geschäftsführenden Ausschuß Satzungen ausgearbeitet und der Gen. Adam Uebel bestimmt, die Leitung und die Ueberwachung der Spielvereinigung zu übernehmen.“ 689
Ebenso wie 1923 verzeichnete die Spielvereinigung auch Anfang der Dreißigerjahre Verluste, denn die vier Mannschaften von 1930 reduzierten sich ein Jahr später auf drei Teams. 690 Damit büßte man die dritte Erwachsenenmannschaft ein und fiel wieder auf den früheren Umfang der 1920er Jahre mit einer ersten, einer zweiten und einer Jugendmannschaft zurück. 691 Bei einem Kassenstand von 59,34 Mark im Dezember 1930 hatte man jedoch wenig Alternativen, als den guten Zusammenhalt im Verein zu betonen, auf Anwerbung neuer Mitglieder zu drängen und zu fordern, „auch im kommenden
Jahre fest zur Sache zu stehen“. 692 Zur Gewinnung neuer Fußballer veranstaltete man Werbeabende und Propaganda-Wettspiele. 693 Außerdem stärkte man das Gemeinschaftsgefühl durch Weihnachtsfeiern, Maskenbälle mit Prämierung zu Fasching oder Ausflüge. 694 Zu besonderen Zuschauermagneten entwickelten sich die Spiele gegen den Turnund Sportverein 1910 Gaustadt, der ebenfalls dem ATSB angehörte. 695 Gerade bei diesen Lokalderbys traten die Rivalität und der „Vereinsfanatismus“ zutage, deren Existenz in der Arbeitersportbewegung offiziell geleugnet wurde. 696 In einem Bericht von 1923 hieß es: „Es wäre angebracht, daß beide Mannschaften sich mehr Ruhe und Selbstbeherrschung angewöhnen würden.“ 697 1932 wurde ein Spiel, in dem die Spielvereinigung 1 : 4 gegen Gaustadt zurücklag, überhaupt nicht mehr beendet, da sich die Bamberger Arbeiterfußballer durch den Schiedsrichter benachteiligt fühlten und „kurzerhand“ 698 das Spiel abbrachen. 699 Der Artikelschreiber im Freistaat fragte daraufhin: „Wo bleibt hier der bundesgenössische Geist?“ 700 Schlichtwegs entsprach die Propaganda der Brüderlichkeit und Solidarität nicht der Realität auf dem Fußballplatz – auch nicht bei der Spielvereinigung Bamberg. 701 Fußball lebte und lebt vom Wettstreit, Kampfgeist und Siegeswillen, nicht von der Ideologie, Weltanschauung und Rücksichtnahme auf den Gegner. 702 Da half es wenig, dass, wie im Arbeiterfußball üblich, der Freistaat in seinen Spielberichten keine Namen
Vgl. FS v. 12.1.1923, Nr. 9; FS v. 7.12.1923, Nr. 265; FS v. 16. 5.1923, Nr. 110; Oswald, Ideologie, S. 81 f.; Eggers, Fußball, S. 89 f. Vgl. FS v. 7.12.1923, Nr. 265; Frommhagen, Rolf: Die andere Fußball-Nationalmannschaft. Bundesauswahl der deutschen Arbeitersportler 1924– 1932. Göttingen 2011, S. 175–178; Oswald, Ideologie, S. 81 f.; Eggers, Fußball, S. 89 f. Der bekannteste Fall einer solchen Abwerbung ist der Vater von Uwe Seeler, Erwin Seeler, der vom Arbeiterfußballverein SC Lorbeer 06 zum bürgerlichen SC Victoria und später zum Hamburger SV wechselte. Vgl. Grüne, Hardy: Vom Kronprinzen bis zur Bundesliga 1890 bis 1963 (= Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs, Bd. 1). Kassel 1996, S. 118. 689 FS v. 7.12.1923, Nr. 265. 690 Vgl. FS v. 3. 5.1930, Nr. 100; FS v. 10.1.1931, Nr. 7; FS v. 25. 7.1931, Nr. 167; FS v. 1. 3.1932, Nr. 50. 691 Vgl. FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 692 FS v. 10.1.1931, Nr. 7. 693 Vgl. FS v. 10.1.1931, Nr. 7; FS v. 15.1.1931, Nr. 11; FS v. 23.1.1932, Nr. 18; FS v. 25. 5.1932, Nr. 118. 694 Vgl. FS v. 2.1.1931, Nr. 1; FS v. 9.1.1931, Nr. 6; FS v. 23.1.1932, Nr. 18; FS v. 25. 5.1932, Nr. 118. 695 Vgl. FS v. 9.1.1931, Nr. 6; FS v. 15.1.1931, Nr. 11; FS v. 23.1.1931, Nr. 18; FS v. 2. 3.1931, Nr. 50; FS v. 20. 6.1931, Nr. 138; FS v. 2.12.1932, Nr. 278. 696 Vgl. FS v. 16. 5.1923, Nr. 110; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; Oswald, Ideologie, S. 78–81; Herzog, Markwart: Die „Gleichschaltung“ der Turn- und Sportvereine in Kaiserslautern und der Pfalz in den Jahren 1933 bis 1939. Erfolge und Grenzen der politischen Unterwerfung, administrativen Zentralisierung, kulturellen Homogenisierung und gesellschaftlichen Nivellierung des Fußballsports. In: Die „Gleichschaltung“ des Fußballsports im nationalsozialistischen Deutschland (= Irseer Dialoge, Bd. 20). Hg. v. M. Herzog. Stuttgart 2016, S. 196–199. 697 FS v. 16. 5.1923, Nr. 110. 698 FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 699 Vgl. FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 700 FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 701 Vgl. Oswald, Ideologie, S. 78–81. 702 Vgl. Oswald, Ideologie, S. 78–82. 687
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Arbeitersport
nannte. 703 Torschützen sollten gemäß den Richtlinien nicht individuell herausgehoben werden. 704 Ein Spielbericht zwischen Bamberg und Gaustadt klang daher 1923 folgendermaßen: „Beim Anstoß Gaustadts entwickelte sich ein sehr lebhaftes Spiel. Nach einer Viertelstunde konnte Gaustadt durch seinen Mittelstürmer in Führung gehen. […] Eine sichere Torgelegenheit Bambergs vereitelte Gaustadts linker Verteidiger durch eleganten Kopfball. […] Nach hin- und herwogendem Kampf gelang es dem Halblinken Gaustadts in der letzten Minute für seine Farben den zweiten Erfolg durch schöne Einzelleistung zu buchen. […]“ 705
Konterkariert wurde die Praxis der Anonymität dadurch, dass meist vor den Spielen die Aufstellungen der Mannschaften in der Tageszeitung veröffentlicht wurden. 706 Jeder kundige Leser konnte ohne weiteres nachvollziehen, wer die Tore geschossen oder entscheidende Fehler gemacht hatte. So war die sozialistisch-moralische Überlegenheit und Weiterentwicklung des Fußballs eine „Chimäre“ 707 und muss im Nachhinein als gescheitert angesehen werden. Erfolgreich ist jedoch der organisatorische Aufund Ausbau des Arbeiterfußballs der Spielvereinigung während der Weimarer Republik gewesen. 708 Von einer Abteilung der Freien Turner entwickelte man sich zu einem wichtigen und selbstbewussten Verein des sozialistischen Milieus mit verschiedenen Sparten. 709 Fußball war und blieb zwar das Kerngeschäft, doch bereits 1926 zum zweiten Stiftungsfest veranstaltete man auch leichtathletische Wettkämpfe und ein Faustballturnier. 710 Als im Au-
gust 1932 zum Ende der Sommersaison das alljährliche Vereinsabturnen durchgeführt wurde, umfasste dies Leichtathletik, Faustball, Handball und mehrere Fußballspiele. 711 Im selben Jahr begannen die Handballer zudem mit Serienspielen gegen andere Mannschaften. 712 Geleitet wurde der Verein in den 1930er Jahren von Thomas Schlauch, einem städtischen Arbeiter und SPD-Mitglied. 713 Er stellte sich sowohl in den Dienst der Partei, indem er kontinuierlich bei den Reichstagswahlen als Wahlbeisitzer fungierte, wie auch des Vereins. 714 So beteiligte sich die Spielvereinigung Bamberg ebenfalls wie die Freie Turnerschaft an den Aufmärschen der Eisernen Front im Juli 1932 und half im Wahlkampf. 715 Im Vereinsprogramm für den 31. Juli 1932 hieß es: „Wir stellen uns alle der Partei zur Verfügung. Der Spiel- und Sportbetrieb ruht bei uns vollständig.“ 716 Diese vermehrte politische Arbeit führte dazu, dass aus Fußballspielen „Agitationsveranstaltung[en]“ 717 der Arbeitersportler und des gesamten Milieus wurden. Den Höhepunkt einer solchen Verbindung aus Sportereignis, Feier und politischer Demonstration bildete das Internationale Sportfest am 26. Februar 1933, dem Fastnachtssonntag. 718 In der Vorankündigung der Spielvereinigung wurde gemeldet: „Es kann ruhig mit 5000 Zuschauern gerechnet werden. Kein Wunder auch. Allein schon Schmelings Auftreten dürfte genügen, um die Teilnehmer voll auf ihre Rechnung kommen zu lassen. Es bietet das weitere Riesenprogramm in jeder Nummer eine Sensation. Die Einleitung des ganzen Festes bildet natürlich der Festzug […].“ 719
Vgl. Oswald, Ideologie, S. 78. Vgl. Oswald, Ideologie, S. 78; Eggers, Fußball, S. 90. 705 FS v. 16. 5.1923, Nr. 110. 706 Vgl. FS v. 10. 4.1926, Nr. 81; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 707 Oswald, Ideologie, S. 79. 708 Vgl. FS v. 24. 7.1926, Nr. 166; FS v. 28. 7.1926, Nr. 169; FS v. 10.1.1931, Nr. 7; FS v. 12. 8.1932, Nr. 184. 709 Vgl. FS v. 24. 7.1926, Nr. 166; FS v. 28. 7.1926, Nr. 169; FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 12. 8.1932, Nr. 184; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50. 710 Vgl. FS v. 24. 7.1926, Nr. 166. 711 Vgl. FS v. 12. 8.1932, Nr. 184. 712 Vgl. FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 26. 4.1932, Nr. 95. 713 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 2.1.1932, Nr. 1. 714 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 715 Vgl. FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 716 FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 717 FS v. 8. 7.1932, Nr. 154. 718 Vgl. FS v. 21. 2.1933, Nr. 43; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50. 719 FS v. 21. 2.1933, Nr. 43. 703
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Das Engagement des berühmten Boxers Max Schmeling und sein Kampf im Luitpoldhain garantierte der Spielvereinigung einen Massenbesuch. 720 Ein letztes Mal kombinierte man die Postulate nach Freiheit, Sozialismus und Internationalität mit Faschingsvergnügen, Spektakel und Arbeitersport. Der Berichterstatter hielt fest: „Die Spielv. Bamberg hat damit aber gezeigt, daß ihre Mitglieder trotz der Schwere der Zeit ihren Humor noch nicht verloren haben.“ 721 Die Spielvereinigung setzte somit bis März 1933 eigene Akzente im Arbeitersport und belebte dadurch in vielfältiger Art und Weise das sozialistische Milieu. 4.2.4.2 Die Wassersportvereinigung „Neptun“ Bamberg „Schwimmen ist unstreitig die beste Leibesübung auf dem Gebiete des Sportes. […] Darum sollte es Pflicht eines jeden Volksgenossen sein, das Schwimmen zu erlernen. Tretet der Wassersportvereinigung ‚Neptun‘ Bamberg e. V. bei.“ 722
Zur Pflicht wurde Schwimmen im Arbeitermilieu selbstverständlich nicht, doch die Entwicklung der Wassersportvereinigung „Neptun“ zeigte das Potenzial des sozialistischen Milieus in den 1920er Jahren. 723 Kein anderer linker Sportverein schaffte einen so rasanten Aufstieg, eine solch umfassende
Mobilisierung und Einbeziehung des Arbeitermilieus und erzielte vergleichbare organisatorische Erfolge. 724 Obwohl der Verein „Neptun“ mit seiner Gründung im Frühjahr 1925 das jüngste beständige Glied der Arbeitersportbewegung in Bamberg war, zählte er mit etwa 150 Schwimmerinnen und Schwimmern ähnlich viele Mitglieder wie die Freie Turnerschaft. 725 Vor allem aber errichtete er „eine eigene Wassersportanlage mit Sportplatz als erstes eigenes Heim der Arbeitersportbewegung Bambergs.“ 726 Mit dieser Errungenschaft war der „Neptun“ gewissermaßen der Textilarbeiterverband unter den Arbeitersportlern, nur effizienter und schneller. 727 Im Februar 1925 beantragten die Arbeiterwassersportler Bambergs einen Saal der Luitpoldschule für ihre Gründungsversammlung; beides wurde vom Stadtrat genehmigt. 728 Nach der Konstituierung im März verabschiedete die Wassersportvereinigung „Neptun“ e. V. Bamberg 729 Ende April auf einer außerordentlichen Generalversammlung die Statuten des Vereins. 730 Die Mitglieder entstammten größtenteils der Schwimmabteilung der Freien Turnerschaft, die sich 1922 formiert hatte und das städtische Fluss-Freibad mehrmals pro Woche nutzen durfte. 731 Auf diese Vorarbeiten konnte der „Neptun“ aufbauen und ihm wurden in ähnlicher Weise Badezeiten zugeteilt, die daraufhin im Frei-
Vgl. FS v. 1. 3.1933, Nr. 50. Max Schmeling hielt sich nach dem Verlust seines Weltmeistertitels zwischen September 1932 und April 1933 in Deutschland auf, ohne größere Kämpfe zu bestreiten und besuchte in dieser Phase Bamberg zu dem Schaukampf. Außerdem traf er im März 1933 erstmals persönlich auf Adolf Hitler in Berlin. Zur Biografie von Max Schmeling vgl. Pfeifer, David: Max Schmeling. Berufsboxer, Propagandafigur, Unternehmer: Die Geschichte eines deutschen Idols. Frankfurt am Main u. a. 2005; Kluge, Volker: Max Schmeling. Eine Biographie in 15 Runden. Berlin 2004. Zur Popularität des Boxens in der Weimarer Republik vgl. Jensen, Erik: Crowd Control: boxing spectatorship and social order in Weimar Germany. In: Histories of leisure (= Leisure, consumption and culture). Hg. v. R. Koshar. Oxford 2002, S. 79–101. 721 FS v. 1. 3.1933, Nr. 50. 722 FS v. 1. 4.1927, Nr. 75. 723 Vgl. FS v. 29. 4.1925, Nr. 97; FS v. 1. 4.1927, Nr. 75; FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147; FS v. 17.10.1930, Nr. 239; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154. 724 Vgl. FS v. 1. 4.1927, Nr. 75; FS v. 10.1.1928, Nr. 7; ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56; FS v. 23. 6.1931, Nr. 140; FS v. 1. 9. 1932, Nr. 200. 725 Vgl. ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. 726 Vgl. FS v. 1. 4.1927, Nr. 75. 727 Zur Entwicklung des Textilarbeiterverbandes vgl. Kapitel 4.1.3. 728 Vgl. FS v. 25. 2.1925, Nr. 46. 729 Ob die Gründungsmitglieder bei der Wahl des Namens „Neptun“ bewusst einen lokalen Bezug zum Neptun-Brunnen in Bamberg auf dem Grünen Markt herstellten, ist nicht überliefert. Es ist jedoch denkbar, da der Name unter den Arbeiter-Schwimmvereinen ungewöhnlich ist. Andere Vereine hießen beispielsweise Freier Wassersportverein Erlangen bzw. Regensburg, 1. Schwimmclub Schweinfurt oder Arbeiter-Wassersportler Coburg. Vgl. Bericht des Arbeiter-Wasser-Rettungs-Dienstes v. 5. 5.1930, StABa, Regierung von Oberfranken, K 3, Abgabe 1971 (künftig: StABa, K 3/1971), Nr. 10791. 730 Vgl. FS v. 29. 4.1925, Nr. 97. 731 Vgl. FS v. 5. 9.1922, Nr. 295; Aktenauszug zur Schwimmschulbenützung der Freien Turnerschaft Bamberg v. 22. 8.1923, StadtABa, C 2, Nr. 59727. 1899 war das städtische Fluss-Freibad im Theresienhain in Bamberg eröffnet worden, das noch heute als Hainbadestelle in Betrieb ist. Zur Geschichte des Badens in Bamberg vgl. Hartleitner, Christiane/Schipkowski, Nina: Das Hainbad in Bamberg. Ort des Genusses. Festschrift zum 75-jährigen Bestehen. Bamberg 2010. 720
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Arbeitersport
staat veröffentlicht wurden: „Wassersportvereinigung Neptun. Unsere Schwimmstunden sind Montags und Mittwochs für Herren, Damen Freitags, jeweils ½8 Uhr abends, in den Freibädern.“ 732 Eine Saison lang gab man sich mit dieser Regelung zufrieden, dann erwarb man im Winter 1925/26 ein eigenes Vereinsgelände an der Regnitz bei Bughof. 733 Im April meldete der „Neptun“: „Zur richtigen und durchgreifenden Arbeit gehört auch ein Platz. Zu diesem Zwecke ist bereits Gelände und Wasser erworben. Jetzt soll der Ausbau beginnen und noch zum Teil bis Beginn der Schwimmsaison fertig werden. Es sollen Sand-, Licht-, Luft-, Sonnenbäder, Planschbecken für unsere Kleinsten, Nichtschwimmerbassin, Sportplatz, die verschiedenen Bauten auf dem Platze selbst, wie Umkleideräume errichtet werden.“ 734
Zur Verwirklichung der angeführten Pläne bat der Vorstand Paul Becher im Namen der Wassersportler um Einzahlungen im Freistaat-Verlag unter dem Stichwort „Neptunspende“. 735 Außerdem richtete man einen Antrag an den Stadtrat mit der Bitte um einen Zuschuss; dieser wurde jedoch abgewiesen. 736 Mehr Erfolg hatte der Verein beim bayerischen Staat, denn es wurde schließlich eine Unterstützung von 500 Mark ausbezahlt. 737 Abgesehen von den Finanzhilfen benötigte die Wassersportvereinigung für ihr Vorhaben vor allem Arbeitskräfte. 738 Wieder-
holt appellierte der Verein im Frühjahr 1927 an das sozialistische Milieu zur Mitwirkung bei Arbeitsdiensten: „Auf, Bamberger Arbeiterschaft, zur freiwilligen Arbeitsleistung beim Wassersportverein ‚Neptun‘ !“ 739 Die Aufforderungen, „aus eigenen Kräften“ 740 den Wassersportplatz zu errichten, fanden Gehör und im Freistaat wurde von den Fortschritten beispielsweise unter dem Titel „Das Werk gelingt!“ 741 berichtet. 742 Viele Milieuangehörige halfen, sodass im Mai 1927 das Wirtschaftsgebäude und der Unterbau für die Umkleidekabinen vollendet waren. 743 Besonders eifrig zeigte sich die SAJ, die offiziell in einer Sitzung ihre Mithilfe beschloss und Dienste auf dem Wassersportplatz in ihr Monatsprogramm aufnahm. 744 So konnte der Sportplatz bereits im Sommer 1927 zum Schwimmen genutzt werden. 745 Anschließend veranstaltete der „Neptun“ im September erstmals ein sogenanntes Abschwimmen zum Saisonende mit „Wettschwimmen in allen Schwimmlagen“. 746 Zur Austragung eines Wasserballspieles lud man Erlangen als auswärtigen Verein ein. 747 Außerdem enthielt das Programm „Vorführungen im Rettungsschwimmen mit Wiederbelebungsversuchen unter Mitwirkung der Arbeitersamariter“. 748 Von Anfang an gehörten der Bereich Rettungsschwimmen und die Zusammenarbeit mit dem ASB fest zum Vereinsleben dazu. 749 Schwimmen hatte für die Arbeiterwassersportler den sozialen Aspekt, Mitmenschen vor dem Ertrinken retten zu können. 750 Der „Neptun“ organisierte daher Vor-
FS v. 20. 5.1925, Nr. 114. Vgl. FS v. 24. 4.1926, Nr. 93. 734 FS v. 24. 4.1926, Nr. 93. 735 FS v. 24. 4.1926, Nr 93. 736 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 17. 6.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 737 Vgl. FS v. 10.1.1928, Nr. 7: „Als ganz erfreuliche Tatsache konnte berichtet werden, daß auch der Verein endlich auch einmal von der Bayer. Staatsregierung einen Zuschuß von 500 Mk. zum Ausbau der Sportplatzanlage erhielt.“ 738 Vgl. FS v. 1. 4.1927, Nr. 75; FS v. 23. 4.1927, Nr. 92. 739 FS v. 23. 4.1927, Nr. 92; vgl. FS v. 1. 4.1927, Nr. 75: „[…] Gar mancher wird einige freie Stunden haben; hier wäre ihm Gelegenheit geboten, diese Stunden nutzbringend für eine gute Sache zu opfern. Schwere Opfer und zähe Ausdauer hat uns diese Anlage schon gekostet, noch größere Opfer sind noch erforderlich, deshalb laßt diesen Appell nicht umsonst an euch gerichtet sein; kommt helft mit und stärkt uns in unserem, der gesamten Bewegung nutzbringenden Werke!“; FS v. 31. 8.1927, Nr. 199. 740 FS v. 23. 4.1927, Nr. 75. 741 FS v. 12. 5.1927, Nr. 108. 742 Vgl. FS v. 12. 5.1927, Nr. 108. 743 Vgl. FS v. 12. 5.1927, Nr. 108. 744 Vgl. FS v. 12. 5.1927, Nr. 108; FS v. 3. 6.1927, Nr. 126; JS v. 5.1927, Nr. 5. 745 Vgl. FS v. 31. 8.1927, Nr. 199; JS v. 8.1927, Nr. 8. 746 FS v. 31. 8.1927, Nr. 199. 747 Vgl. FS v. 31. 8.1927, Nr. 199. 748 FS v. 31. 8.1927, Nr. 199. 749 Vgl. FS v. 1. 4.1927, Nr. 75; FS v. 24. 4.1926, Nr. 93; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; FS v. 18. 3.1931, Nr. 64. 750 Vgl. FS v. 24. 4.1926, Nr. 93. 732 733
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Das sozialistische Organisationsmilieu
träge und Kurse zum Rettungsschwimmen und war Mitglied im Arbeiter-Wasser-Rettungsdienst. 751 1930 unterrichtete beispielsweise der Kreisrettungsschwimmwart Hans Weber aus Nürnberg die Bamberger in den Befreiungs- und Transportgriffen, im Tauchen, in der Ersten Hilfe und informierte über die Organisation von Rettungswachen. 752 Insgesamt wurden in diesem Kurs zwölf neue Bamberger Rettungsschwimmer ausgebildet. 753 Arbeiterschwimmen bedeutete neben der körperlichen Betätigung also auch Hilfsbereitschaft. Ähnlich wie die anderen Arbeitervereine erweiterte der „Neptun“ sein Sportangebot im Laufe der Jahre erheblich. 754 Vom reinen Schwimmverein entwickelte man sich zum Wassersportverein und schließlich zum universellen Sportverein mit Schwerpunkt auf Wassersportarten. 755 In den Dreißigerjahren konnte man im „Neptun“ neben dem Schwimmen Leichtathletik betreiben, Ballsportarten wie Handball und Faustball ausüben und Faltboot beziehungsweise Paddelboot fahren. 756 Außerdem wurde kostenloser Schwimmunterricht erteilt und zur Pflege der Geselligkeit gab es eine eigene Gastwirtschaft mit Pächter. 757 Der große eigene Sportplatz bot für all diese verschiedenen Aktivitäten genügend Platz. 758 Zugleich war die Anlage sehr fortschrittlich, da „die sämtlichen Räume und Wirtschaftsgärten […] mit elektrischem Licht versehen [waren und] die Küche mit elektrischer Kochgelegenheit“ 759 allen Mitgliedern zur Verfügung stand. Beim Vereinsabschwimmen 1928 wurde die Siegerehrung mit einem „Radiokonzert“ 760 kombiniert und so dieses neue Medium erfolgreich in das Vereinsleben integriert. 761 Im „Neptun“ verstand man also, den Spagat zwischen Ar-
beiterkulturbewegung und der Moderne zu vollführen. Begünstigt durch die großzügige Sportstätte wurde der Verein zu einer essentiellen Anlaufstelle des gesamten sozialistischen Milieus. Am Bughof feierten alle „Roten“ die Sonnwendfeiern, wie ein Bericht aus dem Jahr 1931 schilderte: „Lodere, du rote Flamme! […] Der idyllisch gelegene Sportplatz der Wassersportvereinigung ‚Neptun‘ war am vergangenen Sonntag der Sammelpunkt der Bamberger Arbeiterjugend, der Reichsbannerjugend und einer großen Zahl Parteimitglieder und Gewerkschafter mit ihren Familien, die dank der Gastfreundschaft der Bamberger Arbeiterwassersportler zusammengekommen waren, um das Fest der Sommersonnenwende in ihrer Art zu begehen. Mittels Lautsprecheranlage wurde gute Musik vermittelt; in hellem Jubel und voll Begeisterung tollten, spielten und sangen unsere Jungen, alte proletarische Kampflieder klangen, in munteren Volkstänzen quirlte das junge Volk lachend und scherzend über die Wiesen, während die Alten am Zusehen und an kameradschaftlichem Beisammensein ihre Freude hatten.“ 762
Gewerkschaften, Partei, Arbeitersamariter, Arbeiterjugend, Freie Turner und schließlich auch das Reichsbanner, sie alle kamen auf dem Wassersportplatz zusammen. 763 So trug beispielsweise die Schufo-Abteilung des Reichsbanners im Sommer 1932 ihre Mannschaftskämpfe und den geselligen Teil des Sportfestes bei der Wassersportvereinigung aus. 764 Des Weiteren feierte man die Eröffnung und Einweihung der ATSB-Bundesschule in Leipzig mit einer lokalen Feier beim „Neptun“. 765 Die sozia-
Vgl. Schreiben des Arbeiter-Wasser-Rettungsdienstes an die Regierung von Oberfranken v. 5. 5.1930, StABa, K 3/1971, Nr. 10791; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; FS v. 2. 3.1931, Nr. 50; FS v. 18. 3.1931, Nr. 64. 752 Vgl. FS v. 2. 5.1930, Nr. 99. 753 Vgl. FS v. 17.10.1930, Nr. 239. 754 Vgl. FS v. 17.10.1930, Nr. 239; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154. 755 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa. 756 Vgl. FS v. 17.10.1930, Nr. 239; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154. 757 Vgl. FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; NV v. 20. 9.1929, Nr. 218. 758 Vgl. FS v. 17.10.1930, Nr. 239. 759 FS v. 17.10.1930, Nr. 239. 760 FS v. 1. 9.1928, Nr. 200. 761 Vgl. Hoeres, Kultur, S. 96 f. 762 FS v. 23. 6.1932, Nr. 140; vgl. FS v. 26. 6.1926, Nr. 143; JS v. 5.1927, Nr. 5; FS v. 17. 6.1930, Nr. 136; FS v. 20. 6.1931, Nr. 138. 763 Vgl. FS v. 23. 6.1932, Nr. 140; FS v. 25. 5.1932, Nr. 118; FS v. 1. 9.1932, Nr. 200. 764 Vgl. FS v. 1. 9.1932, Nr. 200. 765 Vgl. FS v. 17. 9.1926, Nr. 213; Adam, Arbeitermilieu, S. 131. 751
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Arbeitersport
listische Idee lebte in Bamberg also am Bughof und der Neue Mensch verwirklichte sich hier. Nicht alle Kreise in Bamberg begrüßten naturgemäß diese Fortschritte der Arbeitersportbewegung und des sozialistischen Milieus. Schon bei Veröffentlichung des Bauvorhabens 1926 regte sich Widerstand – vor allem von katholischer Seite. 766 Beschwerden über „Mißstände beim Baden“ 767 gehörten in der Tat zu den alljährlich wiederkehrenden Sommerthemen in Bamberg, wie Oberregierungsrat Köttnitz der Regierung in Bayreuth mitteilte. 768 Katholische Meinungsführer sahen im öffentlichen Baden eine Gefahr für die Sittlichkeit, Moral und das traditionelle Geschlechterverhältnis. 769 Nach Meinung des Bayerischen Katholischen Frauenbundes sollte Baden ausschließlich nach Geschlechtern getrennt, fernab von öffentlich zugänglichen Plätzen stattfinden und für Frauen „die Benützung ganzer Badeanzüge“ 770 vorgeschrieben sein. 771 Im Gegensatz zu diesen restriktiven Ansichten setzte sich der Stadtkommissar von Bamberg 1926 für zusätzliche ausgeschriebene Badeplätze an der Regnitz ein, um der gestiegenen Badebegeisterung der Bevölkerung Rechnung zu tragen und diese ordentlich und sinnvoll zu regeln. 772 Allerdings blockierte der Stadtrat seine Empfehlungen. 773 In der Praxis setzte man in Bamberg stattdessen lieber auf Polizeikontrollen und -einsätze gegen Badende. 774 Selbst die Landespolizei wurde in der Domstadt zu regelmäßigen Patrouillen für die Badeüberwachung an allen Flussufern eingesetzt; ausgenommen blieben lediglich Regentage und Phasen, in
denen das Wasser unter 16 Grad warm war. 775 Diese lokalspezifische Vorgehensweise stieß selbst bei den eher konservativen, höheren Beamten auf Kritik, wie der Vorsitzende des Bezirksamts Bamberg I von Crailsheim deutlich machte: „Betreff: Mißstände beim Baden […] Irgendwelche Mißstände wurden bisher nicht festgestellt; […] Die Bevölkerung klagt sehr, daß hier ein viel strengerer Maßstab angelegt wird, als anderwärts, ich habe auch das Empfinden, als ob in Bamberg von irgend einer Seite eine sehr weitgehende Sittlichkeitsschnüffelei getrieben würde, ich bezweifle sehr, daß auf diesem Weg viel erreicht wird. v. Crailsheim.“ 776
Der amtliche Bericht benannte zwar nicht direkt die Kirche, aber im Kontext der Angelegenheit war die Schuldzuweisung für alle Beteiligten klar ersichtlich. Obendrein wies die Regierung von Oberfranken darauf hin, dass Bade-Streifen der Landespolizei nicht zu deren Aufgabengebiet gehörten und abgelehnt würden. 777 Trotzdem setzte die Stadt Bamberg weiterhin auf Gendarmerie und Landespolizei zur Bekämpfung des unrechtmäßigen Badens im Fluss. 778 Es war folglich nicht nur der idyllischen Lage am Bughof geschuldet, dass die Arbeiterwassersportler ihre Anlage im Süden der Stadt errichteten, sondern dem Entgegenkommen und der Liberalität der Gemeinde Bug und dem Vorsitzenden des Be-
Vgl. FS v. 15. 5.1926, Nr. 109; Errichtung einer Badeanstalt in der Regnitz bei Bug, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. 768 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926: „Die Klagen über Mißstände beim Baden in der Regnitz bei und oberhalb Bug kehren alle Jahre wieder. Im Vorjahre war das Wetter für das Baden im allgemeinen nicht günstig, sodaß auch weniger Klagen kamen.“ 769 Vgl. Schreiben des Bayerischen Landesverbandes des Katholischen Frauenbundes v. 4. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4924; Schreiben des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 4. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4924; Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. 770 Schreiben des Bayerischen Landesverbandes des Katholischen Frauenbundes v. 4. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4924. 771 Vgl. Schreiben des Bayerischen Landesverbandes des Katholischen Frauenbundes v. 4. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4924. 772 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. 773 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. 774 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 16. 7.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675. 775 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg I an die Regierung von Oberfranken v. 10. 6.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4924; Schreiben des Bezirksamts Bamberg I an die Regierung von Oberfranken v. 3. 8.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4924; Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 4. 6.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4924. 776 Schreiben des Bezirksamts Bamberg I an die Regierung von Oberfranken v. 3. 8.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4924. 777 Vgl. Schreiben der Regierung von Oberfranken v. 30. 7.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4924. 778 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 4. 6.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4924. 766 767
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Das sozialistische Organisationsmilieu
zirksamts Bamberg II, Paul Köttnitz, der das allgemeine Interesse am Schwimmen begrüßte. 779 Diese Konstellation ermöglichte es sowohl dem Schwimmverein Bamberg als auch dem „Neptun“, ab 1926 zwei Badeanstalten in der benachbarten Gemeinde zu errichten und damit die restriktive Haltung der Stadt zu umgehen. 780 In den Verhandlungen um die Konzession war es für die Arbeiterorganisation von Vorteil, dass die beiden Wassersportvereine parallel die Genehmigungen beantragten und so die Frage des Badens und nicht der linken Bewegung im Vordergrund stand. 781 Die katholische Kirche protestierte, denn ihr missfiel primär die Tatsache, dass beide Vereine „Familienbäder“ 782, also gemischtgeschlechtliche Plätze, planten. 783 Dies war zwar in anderen Gemeinden bereits üblich, doch in Bamberg sollte dieser Schritt Mitte der Zwanzigerjahre noch verhindert werden. 784 Letztendlich setzte jedoch das Bezirksamt die Interessen der Schwimmvereine durch und im Juli 1926 erteilte das bayerische Innenministerium die Erlaubnis für die neuen Freibäder. 785 Damit legte man den Grundstein für zwei Einrichtungen, die bis in die Gegenwart Bestand haben. Unerfüllt blieb hingegen während der Weimarer Republik der Wunsch der beiden Schwimmvereine nach einem Hallenbad. 786 Bürgermeister Luitpold Weegmann stufte diesbezügliche Pläne als zweitranging und unerfüllbar ein. 787 In Anspielung auf den Schwein-
furter Geheimrat Ernst Sachs, der seiner Stadt das Ernst-Sachs-Bad stiftete, ließ Luitpold Weegmann in einer Stadtratssitzung verlauten: „Wir brauchen nicht nur einen, wir brauchen mehrere Geheimräte in giftfreiem Schweinfurter Grün.“ 788 Da Bamberg aber solche Großindustriellen nicht hatte, blieb es ohne Hallenbad. 4.2.4.3 „Schach ins Volk!“ 789: Arbeiter-Schachklub Bamberg „Schach ins Volk! Sportgenossen, Partei- und Gewerkschaftsgenossen! […] Derjenige, der sich mit dem Schachspiel beschäftigt, erzieht sich zum logischen Denken. Stählung des Geistes, Strategie des Kampfes, diese beiden Erfordernisse, die jeder Arbeiter braucht, um auf dem Weltschachbrett bestehen zu können, sind hier vereinigt. Darum erlernt das Schachspiel!“ 790
Diese guten Argumente für die Arbeiterschachbewegung und den Deutschen Arbeiter-Schachbund fielen allerdings in Bamberg auf unfruchtbaren Boden. 791 Während die Neugründungen im Fußball und Wassersport sowie die Erweiterungen um Leichtathletik, Handball, Faustball und Jiu-Jitsu von der Arbeitersportbewegung in Bamberg positiv aufgenommen wurden, bot der Schachverein ein anderes Bild. 792
Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. Der Schwimmverein Bamberg war aus der Schwimmabteilung des Turnerbundes „Jahn“ in Bamberg entstanden und hatte sich 1926 wegen Streitigkeiten von diesem gelöst. Vgl. Schreiben des Straßen- und Flussbauamtes Nürnberg an die Regierung von Oberfranken v. 8. 4.1926, StaABa, K 3/1967, Nr. 4926. Weberpals erwähnt in seinem Aufsatz zur Sportstadt Bamberg zwar die Schwimmanlangen vom Turnerbund „Jahn“ und vom Schwimmverein, übersieht aber den Neubau der Wassersportvereinigung „Neptun“. Vgl. Weberpals, Sportstadt, S. 259. 781 Vgl. Errichtung einer Badeanstalt in der Regnitz bei Bug, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. Bedingungen und Vorschriften für die Badeplätze wurden dabei vom Bezirksamt, vom Straßen- und Flussbauamt, vom Amtsarzt, vom Kreisfischereirat und vom Erzbischöflichen Ordinariat eingereicht. 782 Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. 783 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926: „Die beiden Vereine wollen nämlich ihre Anstalten nach dem Vorbild in anderen Städten und Gemeinden mehr oder weniger als Familienbäder ausbauen, wogegen die Geistlichkeit schärfsten Widerspruch erhebt aus Besorgnis die Moral möge darunter leiden.“ 784 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an die Regierung von Oberfranken v. 7. 4.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. 785 Vgl. Errichtung einer Badeanstalt in der Regnitz bei Bug, StABa, K 3/1967, Nr. 4926. 786 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; FS v. 1. 3.1928, Nr. 51; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. Daran konnte auch die Gründung eines Hallenbadbauvereins 1928 unter Vorsitz des Zahnarztes Dr. Hans Schneidmadl nichts ändern. 787 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; FS v. 1. 3.1928, Nr. 51. 788 FS v. 2.1.1928, Nr. 1; vgl. Dornheim, Sachs, S. 197–199. 789 FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. 790 FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. 791 Vgl. FS v. 23. 5.1925, Nr. 116; FS v. 16.1.1928, Nr. 12; FS v. 7.10.1929, Nr. 230; FS v. 11.10.1929, Nr. 234; FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. Zur allgemeinen Geschichte der Arbeiterschachbewegung vgl. Willeke, Gerhard: Geschichte des deutschen Arbeiterschach. Göttingen 2002. 792 Vgl. FS v. 23. 5.1925, Nr. 116; FS v. 16.1.1928, Nr. 12; FS v. 7.10.1929, Nr. 230; FS v. 11.10.1929, Nr. 234; FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. 779
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Arbeitersport
Am 23. Mai 1925 wurde der Arbeiter-Schachklub Bamberg gegründet. 793 Alle Interessenten trafen sich hierzu im „Nöth“ und Gustav Müller, der Leiter des Sportkartells, wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt. 794 Im Adressbuch von 1926 wurde unter der Kategorie „Gesellige Vereine“ der Arbeiter-Schachklub als neuer Eintrag der Arbeiterbewegung aufgenommen. 795 Abgesehen von einer Mitgliederversammlung im Juli 1925 veröffentlichte der Freistaat jedoch keine weiteren Vereinsanzeigen oder Berichte zu dieser neuen Organisation – weder 1925 noch 1926 oder 1927. 796 Irgendwann in diesem Zeitraum erloschen die Aktivitäten um das königliche Spiel im sozialistischen Milieu. Das Ende des Brettspiels bedeutete dieser Niedergang aber noch nicht, denn im Januar 1928 nahm man einen neuen Anlauf und schritt zur zweiten Gründung des Arbeiter-Schachklubs. 797 „Alle Arbeiter, Beamten und Angestellten, die dem Schachsport huldigen“, 798 wurden aufgerufen, sich im „Nöth“ einzufinden. 799 Ob die Konstituierung des Vereins tatsächlich ausgeführt wurde, blieb in den Quellen unerwähnt. 800 Die beständige Etablierung einer Arbeiter-Schach-Gruppe unterblieb auf alle Fälle. 801 Dies führte dazu, dass im Oktober 1929 zum dritten Male der Arbeiter-Schachklub Bamberg ins Leben gerufen wurde. 802 Wiederum trafen sich alle Spieler im „Nöth“ und man setzte jeden Donnerstag einen Spieleabend an. 803 Man verband die neuerliche Gründungsversammlung mit einem Simultanspiel und einem Vortrag über die Technik des Spiels. 804 Kurzzeitig wirkte dieser Werbeeffekt, denn bis Februar 1930 lassen sich regelmäßige Zusam-
menkünfte am Schachbrett in den Vereinsanzeigen nachweisen. 805 Zunächst traf man sich weiterhin im „Nöth“, ab Januar 1930 wechselten die Spielabende ins neue Textilarbeiterheim in der Kleberstraße. 806 Die Auswahl dieser Lokalitäten zeigt, dass der Arbeiter-Schachklub wenig in die Arbeitersportbewegung in Bamberg integriert war, sondern seine Mitglieder eher aus den Kreisen der Partei und Gewerkschaften rekrutierte. 807 Offiziell zählte sich der Arbeiter-Schachbund zur Arbeiterkultur- und Arbeitersportbewegung, doch selbst ein Appell im Freistaat richtete sich nicht an die Arbeitersportler, sondern lautete: „Alle Partei- und Gewerkschaftsgenossen, die gerne das Schachspiel erlernen möchten, werden daher ersucht, sich zu diesen Spielabenden einzufinden.“ 808 Arbeiter-Schach und Arbeitersport fanden in Bamberg nicht zueinander. Schach blieb eine Beschäftigung weniger Einzelpersonen, die teilweise in den Winterhalbjahren Ansätze eines Vereinslebens aufbauten. 809 Sobald sich das Wetter besserte und die Natur wieder nach draußen lockte, ließ das Interesse nach und der ArbeiterSchachverein Bamberg schlief ein. Dies zeigte sich auch 1930 zum dritten Mal. Demnach scheiterte die Arbeiterschachbewegung in Bamberg nicht wie in anderen Städten an der Spaltung zwischen SPD und KPD, auch nicht am überhandnehmenden Kampf gegen die NSDAP, sondern an der mangelnden Begeisterung der Arbeitersportler. 810 In den umfangreichen Programmen der Arbeitersporttage in Bamberg fand sich kein Schachspiel. 811 So wurde der Arbeiter-Schachklub dreimal schachmatt gesetzt. Am Ende blieb den Arbeiter-Schachspielern
Vgl. FS v. 23. 5.1925, Nr. 116; FS v. 20. 7.1925, Nr. 162. Vgl. FS v. 23. 5.1925, Nr. 116; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa. 795 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa. 796 Vgl. FS v. 20. 7.1925, Nr. 162. 797 Vgl. FS v. 16.1.1928, Nr. 12; FS v. 17.1.1928, Nr. 13. 798 FS v. 16.1.1928, Nr. 12. 799 Vgl. FS v. 16.1.1928, Nr. 12; FS v. 17.1.1928, Nr. 13. 800 Vgl. FS v. 17.1.1928, Nr. 12; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 801 Vgl. FS v. 7.10.1929, Nr. 230. 802 Vgl. FS v. 7.10.1929, Nr. 230; FS v. 11.10.1929, Nr. 234. 803 Vgl. FS v. 12.12.1929, Nr. 286; FS v. 29.1.1930, Nr. 23; FS v. 5. 2.1930, Nr. 29. 804 Vgl. FS v. 7.10.1929, Nr. 230. 805 Vgl. FS v. 29.1.1930, Nr. 23; FS v. 5. 2.1930, Nr. 29; FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. 806 Vgl. FS v. 12.12.1929, Nr. 286; FS v. 29.1.1930, Nr. 23; FS v. 5. 2.1930, Nr. 29; FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. 807 Vgl. FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. 808 FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. 809 Vgl. FS v. 16.1.1928, Nr. 12; FS v. 7.10.1929, Nr. 230; FS v. 7. 2.1930, Nr. 31. 810 Vgl. Walter/Lösche, Organisationskultur, S. 516; Willeke, Arbeiterschach, S. 125 f., 211–234, 284–296. 811 Vgl. SO v. 20. 8.1920, Nr. 194; FS v. 30. 6.1927, Nr. 147; FS v. 25. 6.1928, Nr. 143; FS v. 26. 6.1928, Nr. 144; Willeke, Arbeiterschach, S. 286. 793
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Bambergs nur noch die Fränkische Arbeiter-Schachzeitung, die im Freistaat beworben und in Würzburg herausgegeben wurde. 812 Die offiziellen Partien innerhalb des sozialistischen Milieus waren ab 1931 ein für alle Male beendet. 4.2.4.4 Der Touristenverein „Die Naturfreunde“, Ortsgruppe Bamberg Verhältnismäßig spät erreichte die proletarische Tourismusbewegung „Die Naturfreunde“ Bamberg. 813 Am 21. Mai 1921 gründeten 21 Wanderfreunde die Ortsgruppe Bamberg der Naturfreunde und schlossen sich dieser internationalen Arbeiterorganisation an. 814 Andere größere Städte Nordbayerns wie Nürnberg, Würzburg und Schweinfurt hatten sich allesamt bereits während des Kaiserreiches dem Wanderbund angeschlossen. 815 Typisch für Bamberg war aber nicht nur der verzögerte Beginn, sondern auch der einleitende Impuls aus Nürnberg. 816 Etwa zwei Wochen vor der Gründung hatte der Nürnberger Xaver Steinberger, der als Obmann des Gaus Nordbayern und Leiter der deutschen Geschäftsstelle eine führende Position unter den Naturfreunden einnahm, eine Werbeveranstaltung abgehalten und damit den Weg für den neuen Arbeiterverein geebnet. 817 Besonders in den ersten Jahren spielten die Naturfreunde Nürnbergs beim Aufbau und der Festigung der Bamberger Organisation eine wichtige Rolle. 818 So fuhren Mitglieder der mittelfränkischen Metropole im September 1921 mit dem Zug nach Bamberg, um die dortige
Ortsgruppe bei ihrer Wanderung und Klettertour nach Würgau zu begleiten. 819 Darüber hinaus gehörte der Touristenverein Bamberg in den ersten Jahren seines Bestehens zusammen mit Fürth, Erlangen, Schwabach, Ansbach und Amberg zum sogenannten Jurabezirk mit Sitz in Nürnberg. 820 Als 1926 eine Umstrukturierung vorgenommen wurde, löste sich Bamberg von Nürnberg und zählte fortan zum Oberen Mainbezirk, zu dem Schweinfurt, Kronach, Coburg, Schonungen, Schwebheim und Sennfeld gehörten. 821 Die Emanzipation von Nürnberg und die Hinwendung zu den unter- und oberfränkischen Städten im Norden zeigten sich somit nicht nur anhand der SPD, sondern auch an der Entwicklung der Naturfreunde. Während sowohl die Wassersportvereinigung „Neptun“ als auch die Spielvereinigung Bamberg aus Abteilungen der Freien Turnerschaft entstanden waren, hatten sich die Naturfreunde aus dem Touristenclub „Wanderer“ von 1912 formiert. 822 Zusätzlich waren auch Einzelmitglieder der Freien Turnerschaft zum neuen Touristenverein gestoßen, doch blieb deren Wanderriege separat bestehen. 823 Verbunden durch das sozialistische Milieu und die Leidenschaft zu Touren in der Natur, kooperierten die beiden Vereine freundschaftlich und führten Wanderungen teilweise gemeinsam durch. 824 Im Juli 1921 wurde im regionalen Presseorgan der Naturfreunde, dem Nordbayerischen Wanderer, erstmals eine Mitteilung aus Bamberg veröffentlicht:
Vgl. FS v. 7.1.1931, Nr. 4; Willeke, Arbeiterschach, S. 127–140. Vgl. Nordbayerischer Wanderer v. 7./8.1921, Nr. 7/8; Denecke, Viola: Der Touristenverein „Die Naturfreunde“. In: Sozialistische Gesundheits- und Lebensreformverbände (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 2). Hg. v. P. Lösche. Bonn 1991, S. 241 f. Der Begriff „Touristik“ stand Anfang des 20. Jahrhunderts als Synonym für Bergsteigen, Wandern und Naturgenuss und hatte seinen Ursprung in der bürgerlichen Bergsteiger- und Wanderbewegung seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Vgl. Knoll, Gabriele M.: Kulturgeschichte des Reisens. Von der Pilgerfahrt zum Badeurlaub. Darmstadt 2006, S. 117 f. 814 Vgl. Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129; Thierauf, Hans: 50 Jahre Naturfreundehaus Bamberg 1956–2006. 85 Jahre Naturfreunde, Ortsgruppe Bamberg, 1921–2006. Bamberg 2006, S. 9; Kießling, Gästebücher, S. 305; Denecke, Naturfreunde, S. 242 f. 815 Vgl. Ortsgruppen im Gau Nordbayern, StadtABa, D 3080, Nr. 128. Die Naturfreunde Nürnbergs waren 1909 entstanden, die Ortsgruppe Würzburg 1913 und der Verein in Schweinfurt 1914. 816 Vgl. Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 817 Vgl. Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129; Denecke, Naturfreunde, S. 243. 818 Vgl. FS v. 24. 9.1921, Nr. 220; Nordbayerischer Wanderer v. 7./8. 1922, Nr. 7/8. 819 Vgl. FS v. 24. 9.1921, Nr. 220. 820 Vgl. Nordbayerischer Wanderer v. 7./8.1922, Nr. 7/8; Denecke, Naturfreunde, S. 267. Deutschlandweit waren die Ortsgruppen der Naturfreunde in 18 Gaue eingeteilt. Bamberg gehörte zum Gau Nordbayern mit Sitz in Nürnberg. Als Untergliederungen der Gaue dienten Bezirke. 821 Vgl. Lagebericht v. 7.7.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 680. 822 Vgl. Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129. 823 Vgl. FS v. 13.10.1922, Nr. 236; FS v. 1. 4.1926, Nr. 75. 824 Vgl. FS v. 1. 7.1932, Nr. 148. 812 813
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Abbildung 15: Die Jugendgruppe der Naturfreunde Bamberg bei einem Waldfest an der Kunigundenruh 1923. 825 „Bamberg Vereinslokal: ‚Goldene Krone‘, Pödeldorferstr. 22 Zusammenkunft jeden Mittwoch. Jeden ersten Mittwoch im Monat Mitgliederversammlung. Die Wanderungen und Spaziergänge werden im Lokal bekanntgegeben. Zu schaffensfreudiger Mitarbeit ladet ein Die Leitung.“ 826
Als Leitung waren damals Otto Münch (Obmann) und Pankraz Senft (Kassier) tätig. 827 Beide entstammten der jungen Frontkriegsgeneration und blieben bis 1933 die wichtigsten Funktionäre des Vereins. 828 Obwohl keine Statistik zu der Altersgliederung der Naturfreunde Bamberg überliefert wurde, wird aus den Quellen ersichtlich, dass sich besonders viele Jugendliche anschlossen und aktiv beteiligten. 829 Bereits 1922 bildete man in Bamberg eine eigene Jugendgruppe, wohingegen die Reichsleitung erst 1926 die Gründung der Naturfreunde-
jugend Deutschlands als Dachorganisation vornahm. 830 Mehrere Fotos im Nachlass der Naturfreunde im Stadtarchiv Bamberg zeigen die Jugendgruppe zum Beispiel bei einem Osterausflug 1923, beim Waldfest an der Kunigundenruh 1923 (Abbildung 15) oder bei einem Ausflug nach Wiesentfels 1927. 831 Zwischen 15 und 30 Personen sind auf den Bildern zu sehen, sodass die Stärke der Naturfreundejugend mindestens der Zahl der Sozialistischen Arbeiterjugend entsprach. Der Freistaat veröffentlichte 1928 einen speziellen Artikel, in dem das Jugendwandern als „eine der erfreulichen Erscheinungen der Gegenwart“ 832 hervorgehoben wurde, da dadurch die Jugendlichen „in körperlicher und geistiger Beziehung“ 833 gefördert würden und „zu sozial denkenden und handelnden Menschen“ 834 heranwüchsen. Kennzeichnend für das Jugendwandern der Naturfreunde waren die Koedukation und gemeinsame Aktivitäten von Mädchen und Jungen. 835 In Bamberg fand dieses Konzept Anklang,
Vgl. Waldfest an der Kunigundenruh 1923, StadtABa, D 3080, Nr. 99–77. Nordbayerischer Wanderer v. 7./8.1921, Nr. 7/8; vgl. Brinkschmidt, Hans-Christian: Das Naturverständnis der Arbeiterbewegung am Beispiel der Naturfreundebewegung. Frankfurt am Main 1998, S. 85–87. 827 Vgl. Nordbayerischer Wanderer v. 9./10.1921, Nr. 9/10; Thierauf, Naturfreundehaus, S. 9. 828 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 9; Herbert, Best, S. 43. Otto Münch war Jahrgang 1891 und Pankraz Senft Jahrgang 1895; FS v. 12. 8.1932, Nr. 184; FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 829 Vgl. Denecke, Naturfreunde, S. 280. 830 Vgl. FS v. 17. 8.1922, Nr. 187: „Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘ Ortsgruppe Bamberg. Heute abend 8 Uhr im Vereinslokal (Brauerei ‚Mohrenpeter‘) Gründungsversammlung der Jugendgruppe. Alle Jugendlichen werden ersucht, pünktlich zu erscheinen.“; Wunderer, Arbeitervereine, S. 71. 831 Vgl. Osterausflug in den Frankenwald 1923, StadtABa, D 3080, Nr. 98–28; Waldfest an der Kunigundenruh 1923, StadtABa, D 3080, Nr. 99–77; Gruppenaufnahme 1927, StadtABa, D 3080, Nr. 99–76. 832 FS v. 28. 4.1928, Nr. 98. 833 FS v. 28. 4.1928, Nr. 98. 834 FS v. 28. 4.1928, Nr. 98. 835 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 71. 825
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Das sozialistische Organisationsmilieu
denn auf allen Fotos sind junge Frauen vertreten, teilweise stellten sie sogar die Hälfte der Teilnehmer. 836 In seiner Zielsetzung verband der Touristenverein „Die Naturfreunde“ Wandern und andere sportliche Aktivitäten mit Naturerlebnissen und Naturschutz, Heimatliebe, Volkskunde, Bildung und Reisen. 837 Man lehnte sich damit an die Ideale der bürgerlichen Reform- und Jugendbewegung des „Wandervogels“ an. 838 Weniger stark prägte hingegen die sozialistische Ideologie den Bund, obwohl man sich als Teil der Arbeiterbewegung verstand. 839 Eine parteipolitische Festlegung vermied man und verfolgte stattdessen eine Trennung zwischen Politik und Freizeit mit Kulturarbeit. 840 Diese Abgrenzung wurde auch im Vereinsleben in Bamberg vollzogen und hatte ein differenziertes Verhältnis und eine schwächere Bindung zum sozialistischen Milieu zur Folge. So beteiligten sich die Naturfreunde beispielsweise nicht an den Maifeiern in der Stadt. 841 Als Alternative bot man den Mitgliedern einen – unpolitischen – Maitanz im Café „Haas“ an oder eine Wanderung zum Berg Walberla in der Fränkischen Alb. 842 Ebenso wenig trat der linke Wanderverein bei den Verfassungsfeiern in Erscheinung. 843 Während am 10. August 1930 auf dem Polarbärenkeller eine solche Veranstaltung des sozialistischen Milieus stattfand, weilten die Naturfreunde Bambergs das gesamte Wochenende zu einem Sommerfest in der Fränkischen Schweiz. 844 Erst mit dem Anwachsen der NSDAP nach der Reichstagswahl 1930 wichen die Naturfreunde von ihrer apolitischen Linie in Bamberg ab und beteiligten
sich 1931 an der Verfassungsfeier und 1932 an dem Wahlkampf, dem Gewerkschaftsfest und den Kundgebungen der Eisernen Front. 845 Im März 1933 riefen sie dann sogar explizit zur Wahl der SPD im Freistaat auf: „Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘. Nur noch wenige Tage trennen uns von der Schicksalsstunde Deutschlands. Am 5. März wird die Entscheidung fallen, ob die Drohworte: ‚Der Marxismus muß mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden‘ wahr werden sollen. Wandergenossinnen und Wandergenossen, bedenkt, welche Folgen daraus entstehen würden. Wollt ihr, daß das große Werk der Naturfreundebewegung, auf das wir berechtigt stolz sind, vernichtet wird? Seid versichert, unsere Gegner werden ihre Drohworte wahr machen, falls sie die Uebermacht bekommen. Wir müssen daher zu verhindern suchen, daß das, was wir in jahrzehntelanger zäher Kleinarbeit geschaffen haben, mit einem Schlage vernichtet wird. Tretet daher am 5. März geschlossen für die Liste 2 ein, denn nur die Sozialdemokratische Partei bietet uns die Gewähr für den weiteren Bestand und die weitere Entwicklung der Naturfreundebewegung.“ 846
Mit diesem offenen, verzweifelten und späten Bekenntnis zur Sozialdemokratie hatte die Politisierung der Wanderorganisation 1933 ihren Höhepunkt und letzten Kulminationspunkt erreicht. Die Abwesenheit der Naturfreunde in den mittleren Jahren der Republik bei großen sozialistischen Veranstaltungen bedingte sich jedoch nicht nur aus
Vgl. Osterausflug in den Frankenwald 1923, StadtABa, D 3080, Nr. 98–28; Waldfest an der Kunigundenruh 1923, StadtABa, D 3080, Nr. 99–77; Gruppenaufnahme 1927, StadtABa, D 3080, Nr. 99–76. 837 Vgl. Denecke, Naturfreunde, S. 245. 838 Der „Wandervogel“ war eine 1901 in Berlin gegründete Jugendbewegung von Gymnasiasten, die sich seit 1906 auch in Bayern ausbreitete. Vorrangiger Zweck der Zusammenschlüsse war das Wandern in der Natur. Durch den Wandervogel entwickelte sich erstmals eine eigene Jugendkultur, die sich gegen die autoritären Vorstellungen in der Erziehung wandte und stattdessen auf Selbsterziehung setzte. Nach dem Ersten Weltkrieg endete die Wandervogel-Bewegung. Vgl. Winkler, Schein, S. 126; Rappe-Weber, Susanne: Wandervogel. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wandervogeli (17.10. 2017); Knoll, Kulturgeschichte, S. 119 f.; Herrmann, Ulrich: Wandervogel und Jugendbewegung im geistes- und kulturgeschichtlichen Kontext vor dem Ersten Weltkrieg. In: „Mit uns zieht die neue Zeit …“ Der Wandervogel in der deutschen Jugendbewegung. Hg. v. U. Herrmann. München 2006, S. 30–79. 839 Vgl. Denecke, Naturfreunde, S. 241–245; Brinkschmidt, Naturverständnis, S. 226. 840 Vgl. Denecke, Naturfreunde, S. 244. 841 Vgl. FS v. 29. 4.1922, Nr. 99; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; FS v. 30. 4.1924, Nr. 100; FS v. 30. 4.1927, Nr. 99; FS v. 30. 4.1930, Nr. 98. 842 Vgl. FS v. 29. 4.1927, Nr. 97; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99. 843 Vgl. FS v. 1. 8.1923, Nr. 168; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174; FS v. 13. 8.1931, Nr. 183. 844 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 11. 8.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; FS v. 30. 7.1930, Nr. 172. 845 Vgl. FS v. 25. 7.1931, Nr. 167; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; Denecke, Naturfreunde, S. 254. 846 FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; vgl. Brinkschmidt, Naturverständnis, S. 239. 836
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ihrem theoretischen Programm und Selbstverständnis, sondern auch aus der praktischen Tatsache, dass der Schwerpunkt der Vereinsarbeit auf Wanderungen in der Natur lag und die Stadt bewusst als Ort von „Lärm und Hasten“ 847 an freien Tagen gemieden wurde. 848 So beschrieb Pankraz Senft im Rückblick die Aktivitäten der Zwanzigerjahre folgendermaßen: „In dieser Zeit wurden die niedrigen Reichsbahntarife zu mehrtägigen Wanderungen ausgenützt, besonders die Jugend war es, die die verbilligten Fahrpreisermäßigungen ausnützten. […] Die Rhön, das Fichtelgebirge, die Hersbrucker Schweiz und die Bayerischen Alpen waren die Wanderziele für Jung u. Alt.“ 849
Nach dem erfolgreichen Bemühen um ein eigenes Naturfreundehaus vermehrten sich die Aufenthalte in der Fränkischen Schweiz. 850 Schon 1922 hatte die Bamberger Ortsgruppe eine Hüttenbaukommission eingerichtet. 851 Ein Jahr später hatte man ein altes Bauernhaus bei Wiesentfels in der Fränkischen Schweiz gefunden, das aufgrund der damaligen Bahnstrecke Bamberg–Scheßlitz 852 von der Stadt aus gut zu erreichen war und gepachtet werden konnte. 853 Von einem Neubau nahm man vorerst Abstand und investierte Zeit und Geld in den Umund Ausbau des sogenannten Kanitzka-Hauses. 854 Im Unterschied zu dem Eigenheimbau der Wasser-
sportvereinigung „Neptun“ wurde nicht das gesamte Milieu in die Baumaßnahmen eingebunden, sondern die Naturfreunde blieben dabei unter sich. 855 Fortan bestimmte das Hüttenleben sehr stark den Vereinsalltag und das Wanderprogramm. 856 Im Frühjahr wurde das Haus feierlich geöffnet und an den Wochenenden der verantwortliche Hüttendienst namentlich im Freistaat genannt. 857 Die Mehrheit der Touren lag zwischen Wiesentfels und Bamberg, also in der Nähe des NaturfreundeHeims: Der Geisberg, die Friesener Warte und die Giechburg dienten als häufige Ziele. 858 In Hüttenbüchern registrierten die Naturfreunde Bambergs ihre Übernachtungen und den Besuch von Gästen samt ihrer Herkunft. 859 In der Regel stammten die Besucher aus dem fränkischen Raum und blieben eine Nacht lang. 860 Die Summe der Übernachtungen schwankte in den 1920er Jahren zwischen 458 (1924), 708 (1926) und 558 (1929) bei einem Mitgliederstand von etwa 80 Naturfreunden in Bamberg. 861 Mit Beginn der Wirtschaftskrise nahm die Besucherzahl in Wiesentfels einen rasanten Aufstieg von 990 (1930) auf 2.423 (1931). 862 Dieser überraschende Trend ist einerseits durch die Zunahme der Übernachtungen von arbeitslosen Mitgliedern zu erklären. 863 Andererseits nutzten Arbeitervereine wie die Freie Turnerschaft oder die Arbeiterwohlfahrt in der Notzeit das Haus in Wiesentfels für Ferienaufenthalte. 864 Dadurch übernachteten größere Gruppen in Wiesentfels, die zu-
FS v. 28. 4.1928, Nr. 98. Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 72; Brinkschmidt, Naturverständnis, S. 177–180. 849 Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 850 Vgl. Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128; Thierauf, Naturfreundehaus, S. 29; Denecke, Naturfreunde, S. 263. 851 Vgl. FS v. 2.1.1923, Nr. 1. 852 Zur Lokalbahn zwischen Bamberg und Scheßlitz, die umgangssprachlich als „Schäätzer Bockäla“ bezeichnet wurde vgl. Wolf, Matthias: Das Schäätzer Bockäla. Geschichte der Ellertalbahn von Bamberg nach Scheßlitz. Schweinfurt 1992. 853 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 29; Gruppenaufnahme der Naturfreunde vor ihrem Haus in Wiesentfels 1924, StadtABa, D 3080, Nr. 98–20. 854 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 29; Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129. 855 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 29. 856 Vgl. FS v. 18.1.1930, Nr. 14; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; FS v. 8. 5.1930, Nr. 104; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; Kießling, Gästebücher, S. 305–313. 857 Vgl. FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; FS v. 8. 5.1930, Nr. 104; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; FS v. 12. 8.1932, Nr. 184. 858 Vgl. FS v. 21. 5.1930, Nr. 115; FS v. 30. 5.1930, Nr. 122; FS v. 30. 7.1930, Nr. 172; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; FS v. 1. 6.1932, Nr. 123; FS v. 6.12.1932, Nr. 281. 859 Vgl. Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65; Kießling, Gästebücher, S. 307–313. 860 Vgl. Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65; Kießling, Gästebücher, S. 310–313. 861 Vgl. Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65; Ortsgruppen im Gau Nordbayern, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 862 Vgl. Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65. 863 Vgl. Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65. 864 Vgl. Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147; FS v. 1. 8.1930, Nr. 174; FS v. 11. 8.1930, Nr. 182; FS v. 12. 8. 1930, Nr. 183. 847
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Das sozialistische Organisationsmilieu
dem mit mehrtägigen Aufenthalten in der Statistik zu Buche schlugen. 865 Die Wanderhütte in der Fränkischen Schweiz entwickelte sich in den Dreißigerjahren vom exklusiven Naturfreunde-Haus zu einem Standort des gesamten sozialistischen Milieus. Wiesentfels diente in der Krisenzeit als Zufluchts- und Urlaubsort; ein Ausflug dorthin war bezahlbar, überschüssige Zeit ließ sich dort angenehm verbringen und zugleich profitierte man vom Abstand zur Notlage in der Stadt. 1932 trat jedoch erneut eine drastische Kehrtwende ein: „der Besuch des Hauses in Wiesentfels hat gegen das Vorjahr bedeutend nachgelassen“, 866 konstatierte der Hüttenreferent auf der Jahresgeneralversammlung. 867 In Zahlen ausgedrückt sanken die Übernachtungen auf einen nie dagewesenen Tiefststand von 313. 868 Verschiedene Gründe waren dafür verantwortlich. Die anhaltende Wirtschaftskrise, Unsicherheit und Mittellosigkeit erlaubten immer wenigeren Organisationen und Privatpersonen einen Aufenthalt in der Fränkischen Schweiz. 869 Noch schwerwiegender als dieser Aspekt wog die Wahlkampftätigkeit der Naturfreunde Bambergs im „Super-Wahljahr“ 1932. 870 An Wahlwochenenden öffnete man das Haus überhaupt nicht, sodass im April 1932 mit Reichspräsidentschafts- und Landtagswahlen nur elf Übernachtungen verzeichnet wurden, während es im März noch 113 gewesen waren. 871 Im Mai erlangte man wieder 72 Aufenthalte, während in den Sommermonaten Juni und Juli vor der Reichstagswahl zusammen nur 21 Gäste eingetragen wurden. 872 Darüber hinaus gab es einen dritten Aspekt, der die Statistik negativ beeinflusste. 873 Im August 1932 war die Ortsgruppe Bamberg nämlich auf der Suche nach einem neuen Heim, 865 866 867 868 869 870 871 872 873 874 875 876 877 878 879 880 881
wie im Freistaat zu lesen war: „Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘. Sonntag und Montag Zweitageswanderung zwecks Besichtigung der für unseren Hausbau in Frage kommenden Bauplätze am Stammberg und bei Würgau.“ 874 Da das Pachtverhältnis in Wiesentfels nicht mehr gesichert war, hatte man sich zu diesem Schritt entschlossen. 875 Von der allgemeinen Finanznot während der Weltwirtschaftskrise war die Organisation der Naturfreunde in Bamberg weniger stark betroffen als andere Vereine. 876 Während andere Ortsgruppen in diesen Jahren zahlungsunfähig wurden, ihre Mitglieder und Häuser verloren, konnte die Generalversammlung in Bamberg vermerken: „Die Berichte der einzelnen Funktionäre zeigten ein befriedigendes Bild. Der Kassenbericht bot trotz der auch im Verein herrschenden Arbeitslosigkeit ein zufriedenstellendes Bild, auch hat sich der Mitgliederstand auf der vorjährigen Höhe gehalten.“ 877
Den verhältnismäßig guten Kassenstand hatte man nicht nur Rücklagen und einer guten Finanzpolitik zu verdanken, sondern insbesondere einer mehrere Jahre zurückliegenden Entwicklung. 878 Etwa 20 Bamberger Naturfreunde waren Ende der 1920er Jahre in die USA ausgewandert, denn eines der Mitglieder, Adam Herbst, hatte als erster Emigrant die Bürgschaft für weitere Auswanderer unter den Naturfreunden übernommen. 879 Als Gegenleistung forderte er von den nachfolgenden Ausreisenden die finanzielle Unterstützung der Bamberger Ortsgruppe. 880 Er sorgte dafür, dass die Naturfreunde aus Amerika Geld für einen Hausbau schickten. 881 Seine Hilfe gab den Ausschlag: Im April 1933 er-
Vgl. Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65. FS v. 19.1.1933, Nr. 15. Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15; Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65. Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15; Gästebuch des Naturfreundehauses Wiesentfels 1931–1933, StadtABa, D 3080, Nr. 65. Vgl. Kießling, Gästebücher, S. 307 f. Vgl. FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156. Vgl. Kießling, Gästebücher, S. 318. Vgl. Kießling, Gästebücher, S. 318. Vgl. FS v. 12. 8.1932, Nr. 184; Thierauf, Naturfreundehaus, S. 30. FS v. 12. 8.1932, Nr. 184; vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 30. Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 30. Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15; Denecke, Naturfreunde, S. 281. FS v. 19.1.1933, Nr. 15. Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 30; Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129. Vgl. Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129; Büttner, Weimar, S. 212. Vgl. Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129. Vgl. Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129.
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Arbeitersport
stand die Ortsgruppe ein Grundstück in Burglesau bei Scheßlitz. 882 Somit hatten die Bamberger ihren Wunsch nach einem komplett eigenen Heim in Angriff genommen und planten dieses Mal einen auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Neubau. Der proletarische Touristenverein war in Bamberg am Ende der Weimarer Republik gefestigt, stabil und auf einem vielversprechenden Weg Richtung Zukunft. Nicht nur die Geschichte der Häuser offenbarte den kontinuierlichen Aufstieg während der Jahre zwischen 1921 bis 1933, sondern auch die Entwicklung der Abteilungen bestätigte diesen Befund. 883 Während man 1921/22 als reiner Wanderverein startete und diese Aktivität lediglich durch „Gesellschaftsabende“, Sitzungen und die Beschäftigung mit einer Gesteinssammlung ergänzte, wuchsen die Naturfreunde Bambergs zu einer „Familienund Freizeitorganisation […], die den ganzen Menschen mit seinen vielfältigen sportlichen und kulturellen Interessen“ 884 berücksichtigte. 885 Man veranstaltete wissenschaftliche (Lichtbilder-)Vorträge zu Städten und Landschaften, bei denen geographische, bau- und kunstgeschichtliche Inhalte vermittelt wurden. 886 An einem Abend behandelte der Referent „Jugoslawien und die dalmatische Küste“ 887 und eine andere Präsentation beschäftigte sich mit Passau und den Einflüssen der italienischen Baumeister auf die Architektur. 888 Außerdem nahmen die Bamberger Naturfreunde an einem Kurs in Schweinfurt unter Leitung des Arbeitersekretärs Friedrich Endres aus Fürth teil und lernten „Siedlungskunde und Baustile“ 889 von der Eiszeit bis ins
20. Jahrhundert kennen. 890 Zusätzlich befassten sich die Mitglieder gemäß ihrem Vereinsprogramm mit Botanik und Naturschutz. 891 Im Freistaat riefen sie beispielsweise in einem Artikel „Schützt die Blüten!“ 892 dazu auf, „die Unsitte des Abbrechens von Blütenzweigen“ 893 zu unterlassen und Pflanzen auf Wiesen und Äckern nicht zu zertreten. 894 Seltene Blütenfunde wurden öffentlich gemeldet und durch den Freistaat mit dem gesamten Milieu geteilt. 895 Das Mitglied Alfred Seel baute eine Musikabteilung auf, die anfangs aus zwölf Musikern bestand und später eine Mandolinen-, Gitarren- und Volkstanzgruppe umfasste. So hieß es im Jahresbericht von 1928: „Der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘, Ortsgruppe Bamberg, hat im Jahre 1928 nicht allein nur Wandern, Volkstanz gepflegt, sondern auch die Musik als ein wichtiges Bindeglied innerhalb des Vereins betrachtet. Die eigentlich noch junge Musikabteilung hatte manchen Abend mit ausgefüllt und ihr Können gezeigt. Um auch noch manchen Außenstehenden Gelegenheit zu geben, Musik zu erlernen, beginnt die Musikabteilung mit einem Anfängerkurs für Mandoline und Gitarre am 9. Jan. 1929 abends 7 Uhr im Gasthof ‚Mondschein‘, Untere Sandstraße.“ 896
Zusammen mit anderen Musikabteilungen der Naturfreunde aus Nürnberg, Regensburg und Bayreuth veranstaltete man Musikfeste und Konzerte und trat sogar im Bayerischen Rundfunk auf. 897
Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 30 f. Vgl. Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 884 Denecke, Naturfreunde, S. 243. 885 Vgl. Nordbayerischer Wanderer v. 9./10.1921, Nr. 9/10; Nordbayerischer Wanderer v. 11./12.1921, Nr. 11/12; FS v. 2. 3.1922, Nr. 51; FS v. 10. 5.1922, Nr. 107; FS v. 20. 6.1922, Nr. 139; FS v. 14.12.1922, Nr. 288; Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 886 Vgl. FS v. 25. 3.1924, Nr. 71; FS v. 18. 2.1927, Nr. 40; FS v. 30.11.1928, Nr. 276; FS v. 5.11.1929, Nr. 254; FS v. 4.12.1929, Nr. 279; FS v. 11. 2.1930, Nr. 34; FS v. 25. 3.1930, Nr. 69. 887 FS v. 4.12.1929, Nr. 279. 888 Vgl. FS v. 11. 2.1930, Nr. 34. 889 FS v. 5.11.1929, Nr. 254. 890 Vgl. FS v. 5.11.1929, Nr. 254. 891 Vgl. FS v. 13. 4.1928, Nr. 85; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; Denecke, Naturfreunde, S. 245; Brinkschmidt, Naturverständnis, S. 125–130. 892 FS v. 13. 4.1928, Nr. 85. 893 FS v. 13. 4.1928, Nr. 85. 894 Vgl. FS v. 13. 4.1928, Nr. 85. 895 Vgl. FS v. 6.12.1932, Nr. 281. 896 FS v. 15.12.1928, Nr. 289; vgl. FS v. 29. 3.1927, Nr. 72; Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128; FS v. 15.12.1928, Nr. 289; Mandolinenorchester der Naturfreunde unter Dirigent Alfred Seel 1928, StadtABa, D 3080, Nr. 98–4; Brinkschmidt, Naturverständnis, S. 134–136. 897 Vgl. FS v. 29. 3.1927, Nr. 72; Notizen zur Vereinschronik 50 Jahre Naturfreunde Bamberg 1921–1971, StadtABa, D 3080, Nr. 129. 882 883
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Das sozialistische Organisationsmilieu
1929 erweiterte man das Tätigkeitsfeld erneut, indem wiederum Alfred Seel die Initiative ergriff und eine Foto- und Lichtbildsektion gründete. 898 Im März desselben Jahres luden die Teilnehmer erstmals zu einer Präsentation unter dem Titel „Bamberg im Lichtbild“ 899 ein und führten dabei mithilfe eines neu angeschafften Projektionsapparates ihre Bilder vor. 900 Ab 1930 wurden Anfängerkurse für Fotografie von den Naturfreunden angeboten und entwickelten sich zu einem neuen und beliebten Teil der Vereinsarbeit. 901 Dadurch besetzten die Naturfreunde in Bamberg dieses Gebiet, ohne dass es wie in anderen Städten zu parteipolitischen Streitigkeiten um die Ausrichtung der Arbeiterfotografen kam. 902 Das sozialistische Fotografieren blieb vor Ort Teil der Arbeitersportbewegung. Die Vortragsabende der Naturfreunde erfreuten sich großer Beliebtheit und da Gäste willkommen waren, wurden diese vielfach auch von Nicht-Mitgliedern besucht. 903 Als neue sportliche Aktivitäten fügte man Ende der 1920er Jahre für den Winter das Skilaufen und Rodeln hinzu. 904 Im Dezember 1929 wurde den Mitgliedern angekündigt: „Ein Trockenskikurs ist in Vorbereitung, um allen Gelegenheit zu geben, das Brettelhupfen zu erlernen.“ 905 Mit dieser neuen Wintersportsparte sowie der Fotoabteilung überbrückte man zugleich die kalten Monate ohne größere Wanderungen und hielt das Vereinsleben während des gesamten Jahres am Laufen. Alles in allem hatte sich aus der kleinen Gruppe der Naturfreunde 1921 in Bamberg am Ende der
Weimarer Republik ein bedeutender Verein entwickelt, der Natur, Wandern, Klettern und Skifahren mit Bildung, Musik und Fotografie verband. Durch die lange Zurückhaltung in politischen Fragen konzentrierte sich die Organisation erfolgreich auf ihren eigenen Auf- und Ausbau und nahm eine Sonderrolle innerhalb des Arbeitermilieus ein. Als sich die politische Lage jedoch in den Dreißigerjahren verschärfte, wussten die Naturfreunde Bambergs genau, wohin sie gehörten und wen es zu unterstützen galt: das sozialistische Milieu und die SPD.
4.2.5 Einheit im Arbeitersport? Kommunistische Sportler und die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit in Bamberg Die Arbeitersportbewegung während der Weimarer Republik war vielerorts vom Konflikt zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Sportlern und ihrem parteipolitischen Richtungsstreit überlagert. 906 Ausschlüsse, Spaltungen und Vereinsneugründunen waren die Folgen. 907 Dieses Bild traf auf Bamberg nicht zu. 908 Eine Ursache lag in der Schwäche der KPD, sodass der Aufbau eines eigenen Vereinswesens von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. 909 Bamberg war in dieser Hinsicht in Bayern kein Einzelfall, sondern in vielen Städten des Freistaats konnte die kommunistische Sportbewegung nicht Fuß fassen. 910 Die Zentren der linksradikalen Sportvereine befanden sich
Vgl. FS v. 1. 3.1929, Nr. 51; FS v. 4.12.1929, Nr. 279. Fälschlicherweise wurde in den Erinnerungen und Chroniken des Vereins immer das Jahr 1930 als Gründung der Fotogruppe überliefert, der Freistaat berichtete aber schon 1929 von Aktivitäten dieser Abteilung. Vgl. Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128; Thierauf, Naturfreundehaus, S. 12. 899 FS v. 1. 3.1929, Nr. 51. 900 Vgl. FS v. 1. 3.1929, Nr. 51: „Die Bilder wurden von den eigenen Mitgliedern des Vereins erstellt und führen uns in die Schönheiten unserer engeren Heimat.“; Vereinsgeschichte der Naturfreunde Bamberg von Pankraz Senft v. 8. 4.1951, StadtABa, D 3080, Nr. 128. 901 Vgl. FS v. 4.12.1929, Nr. 279. 902 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 173–176; Weiß, Erich: Geschichte und Gegenwart der Bamberger Arbeiterfotografie. In: Arbeiterkulturen. Vorbei das Elend – aus der Traum? Hg. v. A. Kuntz. Düsseldorf 1993, S. 291–294. 1927 hatte sich die Vereinigung der Arbeiterfotografen als kommunistisch geprägte Organisation gebildet, wohingegen die SPD 1930 mit dem Arbeiter-Lichtbild-Bund eine eigene Organisation schuf. Beide Organisationen bildeten sich während der Weimarer Republik nicht in Bamberg. Erst 1985 entstand schließlich in der Regnitzstadt eine kleine Gruppe der Arbeiterfotografen, die unabhängig von den Naturfreunden war und etwa 15 Personen zählte. 903 Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 904 Vgl. FS v. 16.1.1929, Nr. 13; FS v. 4.12.1929, Nr. 279. 905 FS v. 4.12.1929, Nr. 279. 906 Vgl. Hoeres, Kultur, S. 123; Winkler, Schein, S. 123; Wunderer, Arbeitervereine, S. 183–187; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 366–370, 401– 410. 907 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 180 f., 366–370; Beduhn/Klocksin, Rad, S. 45–48. 908 Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717; Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791; Lagebericht v. 3. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 796; Mehringer, KPD, S. 53. 909 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 178–181; Mehringer, KPD, S. 53. 910 Vgl. Mehringer, KPD, S. 53. 898
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Arbeitersport
in Berlin, Sachsen, Württemberg und im Rheinland. 911 Wichtiger als dieser Umstand war jedoch die Haltung der örtlichen KPD-Führung. 912 Ihre Leitfigur Otto Geyer war selbst als aktiver Sportler im Arbeiter-Athleten-Club Mitglied. 913 1925 nahm er beispielsweise an einem Wettkampf im Ringen und Stemmen gegen Oberndorf teil. 914 Nach negativen Erfahrungen in den frühen 1920er Jahren mit kommunistischer Agitation in den Sportvereinen entwickelte er eine ablehnende Haltung gegen die Politisierung der Vereine. 915 Ihm selbst war ein funktionierendes linkes Sportleben wichtiger als die Parteipolitik der KPD in der Freizeit. 916 Vorausgegangen war circa 1922 eine Spaltung im Arbeiter-Athleten-Club. 917 Unter dem Kommunisten Fritz Müller hatte sich die AthletikSport-Vereinigung Bamberg abgesondert und verselbständigt. 918 Inwieweit Otto Geyer dabei involviert war oder eine aktive Rolle spielte, ist nicht überliefert worden – betroffen war er aber sicherlich. Der neue Verein konnte sich jedoch nicht behaupten, bereits 1924 sind keine weiteren Belege der Existenz verzeichnet und ein Jahr später war Otto Geyer wieder als Mitglied im 1. Arbeiter-Athleten-Club zu finden. 919 Das Experiment eines kommunistischen Athletenvereins war gescheitert und wurde anschließend nicht wieder aufgegriffen. Die Vorstandschaft des ursprünglichen Vereins rekrutierte sich zwar ausschließlich aus SPD-Mitgliedern, doch ließen sie die kommunistischen Sportler in ihren Reihen zu. 920 Da sich diese darauf beschränkten Sport zu treiben, kam es zu keinen weiteren Konflikten.
Darüber hinaus hatte die KPD-Bamberg Anfang der 1920er Jahre versucht, den Arbeiterfußball für ihre Interessen zu instrumentalisieren. 921 Wiederum war Otto Geyer beteiligt gewesen. Normalerweise hielt er sich auf den Bezirkskonferenzen der KPD mit Wortmeldungen und Ausführungen zurück, doch gerade zu diesem Punkt äußerte er sich 1928 in Nürnberg: „Otto Geyer – Bamberg (geb. 2. 11. 88 zu Bamberg) brachte vor, dass man bei den Sportlern sehr vorsichtig vorgehen müsse, da ein aktiver Sportler für die eigentliche Parteiarbeit verloren sei. Sie hätten bei der Gründung des ersten Arbeiterfussballklubs zahlreiche Genossen in diesen Klub hineingeschickt und hätten auch die Mehrheit in diesem Verein erreicht. Als aber das Fussballern losging, hätten diese die Partei vergessen und anstatt den Fussballverein zu gewinnen, hätte die Partei die besten Mitglieder verloren.“ 922
Mit dieser öffentlichen Stellungnahme drückte Otto Geyer aus, dass er eine Verzahnung von Vereinsund Parteiarbeit nach seinen eigenen Erfahrungen problematisch und kritisch sah. 923 Er stellte sich daher gegen die Vorgaben der Partei, die ab 1928 die Loslösung der linksextremen Arbeitersportler vom ATSB forderte und Sportvereine zu kommunistischen Vorfeldorganisationen umfunktionieren wollte. 924 Otto Geyer hingegen bevorzugte die Trennung zwischen der Arbeitersportbewegung und der Parteiarbeit und setzte seine Linie in Bamberg durch. Unter diesem Gesichtspunkt war er kein
Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 183. Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717. 913 Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 914 Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 915 Vergleiche hierzu auch den Fall von Willy Meißner in Sachsen, Häberlen, Vertrauen, S. 106–113. 916 Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135; Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717; Häberlen, Vertrauen, S. 109–111. 917 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 19. 5.1923, Nr. 113: „Haben auch Gründe verschiedenster Art zu einer Spaltung unseres Klubs geführt, so steht heute der Erste Bamberger Arbeiter-Athletenklub mit seinen Leistungen auf beachtenswerter Höhe.“ 918 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 19. 5.1923, Nr. 113. 919 Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 920 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 7.12.1924, StadtABa, C 2, Nr. 620; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 625; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 14. 9.1930, StadtABa, C 2, Nr. 632. Als Vorsitzende dienten seit Mitte der 1920er Jahre die SPD-Mitglieder Christian Handwerker, Johann Geißler und Paul Arneth. 921 Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717. 922 Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717; vgl. Lagebericht v. 24. 9. 1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 686; Lagebericht v. 19. 2.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 696; Lagebericht v. 27.12.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 736; Sonderbericht v. 8. 4.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 743. 923 Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717. 924 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 108 f.; Winkler, Schein, S. 123; Adam, Arbeitermilieu, S. 138–140; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 401–410. 911
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Das sozialistische Organisationsmilieu
„gehorsamer Parteisoldat“, 925 sondern stellte seine eigenen Interessen im Bereich des Sportes über die marxistische Ideologie. 926 Statt einen alltäglichen Kleinkrieg im Arbeitersport zu provozieren, verbannte er diesen auf die Politik und sicherte die Einheit in den Vereinen. Dabei war es hilfreich, dass die meisten Arbeitersportvereine in Bamberg selbst zur SPD ein distanziertes Verhältnis pflegten. Sport und Parteipolitik war personell und konzeptionell weitgehend voneinander geschieden und im Zweifelsfalle ordneten sich die kommunistischen Sportler unter. Dies garantierte ab Mitte der Zwanzigerjahre eine ruhige, harmonische und unpolitische Entwicklung in der Arbeitersportbewegung Bambergs. 927 Einzig die kommunistische Presse versuchte diese Einheit zu stören, indem Zeitungsberichte Unterschlagungen im „Neptun“ durch SPD-Mitglieder unterstellten oder die „vollkommene Entpolitisierung des Arbeitersports durch die Sozialdemokratie“ 928 in Zusammenhang mit einem Fußballspiel der Spielvereinigung bemängelten. 929 Genau diese Entpolitisierung war aber die Ursache für den fortwährenden Zusammenhalt des sozialistischen Milieus im Arbeitersport. 930 Für Bamberg entsprach die Einschätzung des Historikers Klaus-Michael Mallmann der Wirklichkeit: „Insbesondere die Entpolitisierung bot auch die Chance – wenngleich keineswegs die Garantie –, daß die Arbeitervereine nicht bzw. nur verspätet und ungleichmäßig von der politischen Spaltung der Arbeiterbewegung erfaßt wurden.“ 931
Als nämlich 1929 die kommunistische „Interessengemeinschaft zur Wiederherstellung der Einheit im Arbeitersport“ und 1930 als Fortentwicklung die
„Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“ entstanden, blieben die örtlichen Sportvereine von den oppositionellen und separaten Organisationsstrukturen unberührt. 932 Obwohl die Behörden wiederholt Fortschritte der KPD-Sportbewegung in Franken registrierten, betrafen die Meldungen nicht Bamberg: „Agitationsbezirks-Konferenzen am 24. 1. 32 in Nürnberg (für Mittelfranken) und Oberkotzau (für Oberfranken) sowie am 24. 4. 32 in Schwandorf (für Oberpfalz) legten den Grund für eine intensive Weiterentwicklung der kommunistischen Sportbewegung in diesen Gebieten und hatten die Gründung und Festigung zahlreicher Ortsgruppen der ‚K.G.F. Rote Sporteinheit‘ im Gefolge, die großenteils als sogen. ‚Zentralsportvereine‘ bereits eine lebhafte Tätigkeit entfaltet haben, so in Hof, Döhlau b. Hof, Schwarzenbach, Rehau, Selb, Burglengenfeld, Birkenzell, Naila, Schwandorf, Röthenbach a. P., usw.“ 933
Ebenso wenig berichteten die kommunistischen Zeitungen von Spaltungsversuchen oder Ausschlüssen in den Dreißigerjahren, die bei Vorkommnissen sicherlich aufgegriffen worden wären. Ein einziger Bericht des Bezirksamts offenbarte, dass im Frühjahr 1932 zumindest eine verantwortliche Person der Roten Sporteinheit in Bamberg benannt war: „Die Interessengemeinschaft Rote Sport-Einheit, Führer Nüssol in Bamberg hat gemeldet, dass am Montag, den 4. IV. 32 eine Thälmann-Staffel (mit Fahrrädern) durch Bamberg kommen soll.“ 934 Vermutlich war mit „Nüssol“ der Kommunist Anton Nossol gemeint, der sich 1932 sowohl in der KPD als auch in der Roten Hilfe betätigte. 935 Geplant war, dass insgesamt vier Bamberger KPD-Sportler
Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 166–181; Mallmann, Klaus-Michael: Gehorsame Parteisoldaten oder eigensinnige Akteure? Die Weimarer Kommunisten in der Kontroverse – Eine Erwiderung. In: VfZ 47 (1999), S. 401–415; Häberlen, Vertrauen, S. 111, 171. 926 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 175–178. 927 Vgl. FS v. 17.10.1930, Nr. 239; FS v. 10.1.1931, Nr. 7; FS v. 23. 6.1931, Nr. 140; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; Häberlen, Vertrauen, S. 109. 928 NZA v. 21.10.1930, Nr. 232. 929 Vgl. NV v. 20. 9.1929, Nr. 218; NZA v. 21.10.1930, Nr. 232. 930 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 177. 931 Mallmann, Kommunisten, S. 177. 932 Vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791; Lagebericht v. 3. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 796. 933 Lagebericht v. 3. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 796; vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791. 934 Schreiben des Bezirksamts Bamberg v. 2. 4.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8. 935 Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Lagebericht v. 28.10.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 798. 925
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Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus
die kommunistischen Radfahrer von Strullendorf nach Bamberg begleiten sollten. 936 Dieser Empfang und Korso wurde jedoch von Paul Köttnitz als politische Kundgebung unter freiem Himmel ausgelegt und deshalb verboten. 937 Schon die Anzahl – vier – der vorgesehenen Bamberg KPD-Sportler lässt darauf schließen, dass eine Rote Sporteinheit vor Ort höchstens Einzelmitglieder zählte, jedoch keine Organisationsstruktur aufgebaut war. Ein dazugehöriger Verein wurde ebenfalls nicht bekannt. Von einer kommunistischen Sportbewegung kann daher in Bamberg nicht gesprochen werden, es blieb bei
kommunistischen Sportlern in den bestehenden Vereinen. Unfreiwillig halfen bei dieser Entwicklung in Bamberg die Behörden durch ihre rigide Überwachungs- und Verbotspraxis der KPD, die selbst harmlose und angemeldete Versuche in Bamberg untersagten wie bei der Fahrradstaffel. So hielt im Arbeitersport die Geschlossenheit des sozialistischen Milieus, denn in den Vereinen gaben die linken Mitglieder Sport, Geselligkeit und Solidarität den Vorrang vor Parteibefehlen, Klassenkampf und Ideologie. 938
4.3 Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus 4.3.1 Das Kulturkartell der freien Arbeiterorganisation Hatten sich die Sportvereine im Sportkartell zusammengeschlossen und besaßen die Gewerkschaftsverbände im Gewerkschaftskartell ihre übergeordnete Vereinigung, so schuf sich die Gruppe der gesellschaftlichen und pädagogischen Vereine mit dem Kulturkartell der freien Arbeiterorganisation eine entsprechende Instanz. 939 In Bamberg existierte das Bündnis seit 1924 und stellte, abgesehen vom Jugendkartell der Gewerkschaften, die späteste Kartellgründung dar. 940 Das Kulturkartell hatte seine Wurzeln im Bildungsausschuss der SPD, von dem es beispielsweise die Aufgabe übernahm, Schulungsvorträge abzuhalten. 941 Bei der organisatorischen Verselbständigung blieb die enge Verzahnung mit der sozialdemokratischen Partei erhalten: Josef Dennstädt leitete das Kulturkartell und seinen Sitz hatte es im „Nöth“, Schillerplatz 11. 942 Neben Vor-
trägen richtete das Kulturkartell Filmabende, Theatervorführungen und Kabarettabende aus. 943 Das Spektrum war breit gefächert und deckte sowohl bürgerlich-klassische Kulturthemen wie Kunst und Dichtung ab, als auch Bildungskurse zu Ökonomie, Geschichte und Geographie sowie Informationsveranstaltungen zur Krankenversicherung oder zum Arbeitsschutz. 944 Ebenso umfassend und unterschiedlich wie die Themen waren die Vereine des Kulturkartells. 945 Alle Vereine der Arbeiterbewegung, die nicht einen Gewerkschaftsverband darstellten oder sich primär dem Sport widmeten, konnten sich anschließen. 946 Für Bamberg wurde keine Aufstellung überliefert, welche Organisationen im Kulturkartell genau zusammengefasst waren. Allerdings offenbarte ein Bericht des Stadtkommissars 1932 den weiten Bezugskreis: „Das Kulturkartell ist indes eine ganz lose Vereinigung von Vereinen, bei welchen sich jedermann
Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg v. 2. 4.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8. Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg v. 2. 4.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8. 938 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 175–177. 939 Vgl. FS v. 1. 9.1924, Nr. 201; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 2. 2.1925, Nr. 26; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 2.1932, StABa, K 3/1967, Nr. 4960. 940 Vgl. FS v. 1. 9.1924, Nr. 201. 941 Vgl. FS v. 14.11.1922, Nr. 262; FS v. 13. 6.1922, Nr. 134; FS v. 1. 9.1924, Nr. 201; FS v. 1.12.1926, Nr. 276; FS v. 4.1.1927, Nr. 2. 942 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 943 Vgl. FS v. 1. 9. 1924, Nr. 201; FS v. 6.10.1925, Nr. 228; FS v. 14.10.1926, Nr. 236; FS v. 1.12.1926, Nr. 276; FS v. 7.11.1931, Nr. 256; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 944 Vgl. FS v. 1. 9.1924, Nr. 201; FS v. 2.11.1925, Nr. 251; FS v. 1.12.1926, Nr. 276; FS v. 4.1.1927, Nr. 2; FS v. 1. 2.1928, Nr. 26; FS v. 2.11.1928, Nr. 252; FS v. 1. 3.1928, Nr. 51; Jahresgeneralversammlung des Gewerkschaftskartells v. 26. 3.1930, StadtABa, BS, Nr. 6941. 945 Vgl. Lagebericht v. 16.11.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 665; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 2.1932, StABa, K 3/ 1967, Nr. 4960. 946 Vgl. Lagebericht v. 16.11.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 665. 936 937
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Das sozialistische Organisationsmilieu
ohne besondere Schwierigkeiten die Mitgliederschaft erwerben kann (auch bloss zu dem Zwecke die Veranstaltung besuchen zu können).“ 947
Demnach ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Arbeiterkulturvereine Bambergs im Kartell mitwirkte. Es diente nicht nur dazu, organisationsübergreifende Veranstaltungen für die Arbeiterschaft zu initiieren, sondern war insbesondere eine Vertretung der Interessen des sozialistischen Milieus im Bereich der Kulturpolitik. 948 1926 setzte sich das Arbeiterkulturkartell zum Beispiel dafür ein, den ASB als Hilfsorganisation für seine Theatervorstellungen zuzulassen und protestierte damit gegen die Bevorzugung der Freiwilligen Sanitätskolonne durch die Stadt. 949 Im Herbst 1931 stritten das sozialistische und das katholische Kartell um Filmvorführungen mit aufklärerischem Inhalt. 950 Über die restriktive Haltung der kirchlichen Vereine erboste sich der Freistaat: „Wir müssen annehmen, daß entweder das katholische Vereinskartell die Filme, welche in der Vorstellung gezeigt worden sind, überhaupt nicht kennt, oder sich von einem Teilnehmer an der Veranstaltung Bericht erstatten ließ, der schon in perverse Zustände gerät, wenn er nur auf der Leinwand einen Säugling sieht.“ 951
Das Kulturkartell der freien Arbeiterorganisation war folglich die linke Stimme im Bamberger Kultur- und Geistesleben und vertrat sowohl innerhalb
des eigenen Milieus als auch nach außen die sozialistische Position des roten Bambergs.
4.3.2 Die Arbeitergesangvereine Sängerrunde „Arion“ und „Volkschor Bamberg“ „Als die Elitetruppe der Bamberger Arbeiterschaft“ 952 bezeichnete der Vorsitzende Paul Reitwießner 1922 die Sängerrunde „Arion“. 953 Einerseits verwies er damit auf den enormen Aufstieg der Arbeitermusikbewegung in Bamberg nach der Revolution, andererseits auf die zentrale Rolle der Arbeitersänger im sozialistischen Milieu. 954 Kein Fest, kein Jubiläum, kein Aufmarsch, keine Kundgebung, keine Trauerveranstaltung kam schließlich ohne ihre Musik aus. 955 Die Arbeitergesangvereine „Arion“ und „Volkschor“ begleiteten die Partei-, Gewerkschafts- und Sportveranstaltungen, sie waren bei den Maifeiern und Wohltätigkeitsveranstaltungen ebenso zugegen wie bei den Demonstrationen der Eisernen Front. 956 All diesen Ereignissen gaben sie einen musikalischen Rahmen und schufen ein identitätsstiftendes Gemeinschaftsgefühl. 957 Die wichtigsten Lieder hierzu waren die sozialistischen Tendenzgesänge, also Kampflieder, beispielsweise „Tord Foleson“ von Gustav Adolf Uthmann und „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ von Hermann Scherchen. 958 Erstgenanntes Lied wurde als „heimliche […] Hymne der gesamten sozialistischen Arbeiterbewegung der Weimarer Zeit“ 959 eingestuft und erlangte auch in Bamberg den Status des Lieblingschores der Arbeitersänger. 960 Obwohl
Bericht des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 15. 2.1932, StABa, K 3/1967, Nr. 4960. Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236; FS v. 7.11.1931, Nr. 256. 949 Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236; Kapitel 3.2.5 zur Kommunalpolitik der SPD. 950 Vgl. FS v. 7.11.1931, Nr. 256. 951 FS v. 7.11.1931, Nr. 256. 952 FS v. 18.1.1922, Nr. 14. 953 Vgl. FS v. 18.1.1922, Nr. 14. Das Genus und der Artikel für (die/den) „Arion“ wechselte in den zeitgenössischen Berichten zwischen feminin für die Sängerrunde „Arion“ oder maskulin für den Gesangverein „Arion“. Im Folgenden wird der männliche Artikel verwendet, da dies dem heutigen Sprachgebrauch entspricht. Vgl. FS v. 28. 7.1920, Nr. 172; FS v. 16.7.1927, Nr. 161. 954 Vgl. FS v. 18.1.1922, Nr. 14; FS v. 31. 5.1922, Nr. 124. 955 Vgl. FS v. 24. 6.1921, Nr. 143; FS v. 29.10.1921, Nr. 250; FS v. 22. 2.1926, Nr. 43; FS v. 30.1.1928, Nr. 24; FS v. 29. 9.1928, Nr. 224; FS v. 3.12.1931, Nr. 278. 956 Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18; FS v. 8. 8.1922, Nr. 180; FS v. 26. 7.1927, Nr. 169; FS v. 1. 2.1928, Nr. 26; FS v. 29.11.1930, Nr. 275; FS v. 25. 4.1932, Nr. 94; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 2.1.1933, Nr. 1. 957 Vgl. Klenke, Dietmar/Walter, Franz: Der Deutsche Arbeiter-Sängerbund. In: Arbeitersänger und Volksbühnen in der Weimarer Republik (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 3). Hg. v. P. Lösche. Bonn 1992, S. 230. 958 Vgl. FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 14. 6.1923, Nr. 133; Programm zum fränkischen Gautag des Reichsbanners 1924, StABa, K 5, Nr. 5183; FS v. 14. 7.1925, Nr. 157; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 5. 3.1931, Nr. 101; FS v. 5. 5.1931, Nr. 101; FS v. 3.12.1931, Nr. 278; FS v. 1.10.1932, Nr. 226; Klenke/Walter, ArbeiterSängerbund, S. 17, 54 f., 122–127; Goch, Arbeiterbewegung, S. 155. 959 Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 123. 960 Vgl. FS v. 13. 8.1928, Nr. 184. 947
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es sich um eine norwegische Kampfballade handelt, trafen die Leitmotive des Aufbruchs nach dem Krieg („Die alte gegen die neue Zeit“), der Opferbereitschaft für die Gemeinschaft („Der Mann mag sinken, wenn das Banner nur steht“) und der Sehnsucht nach einer besseren Zukunft den Nerv der Arbeiterbewegung. 961 Der Neuanfang nach dem Ersten Weltkrieg und der kollektive Kampf für Freiheit dienten als wichtigste Anknüpfungspunkte. 962 In Bamberg wurde das Lied auf Maifeiern, Gewerkschaftsfesten, republikanischen Kundgebungen und der Bannerweihe des Reichsbanners 1925 gesungen. 963 Abgesehen von den politischen Auftritten innerhalb des Milieus organisierten die Arbeitergesangvereine eigene Vereinskonzerte. 964 Bei Frühlings-, Herbst-, Keller- und Volkskonzerten sowie Faschings- und Weihnachtsfeiern wurde das musikalische Können der Öffentlichkeit präsentiert. 965 Dabei bestimmten weniger Tendenz- als Volkslieder und zunehmend klassische Stücke das Programm. 966 Diese Dichotomie der beiden Auftrittsformen – politisch gegen gesellig – kennzeichnete die Arbeitersänger in ganz Deutschland. 967 Nur selten bot die zweigeteilte Praxis Anlass zu Unstimmigkeiten. 968 So schrieb beispielsweise der Freistaat 1923 in seiner Kritik zum Weihnachtskonzert des „Arion“, bei dem Opern und Volkslieder dargebo-
ten wurden: „Wenn ein Wunsch geäußert werden darf, so der, daß zu einer Veranstaltung eines Arbeitervereins auch ein Arbeiterlied gehört hätte.“ 969 Man trennte in Bamberg also sehr stark zwischen den beiden Bereichen. Bei den Vereinskonzerten griffen die Bamberger Arbeitersänger auf das klassische Repertoire zurück: Beethoven, Brahms, Strauß, Schubert und Wagner wurden dargeboten. 970 Man folgte damit der „hehren Aufgabe der musikalischen Volkserziehung“ 971 und stellte die Konzerttätigkeit in den Rahmen der „Bildungsbestrebungen“ 972 der Arbeiterbewegung. 973 Mit dieser Ausrichtung ging eine Annäherung an das Bürgertum und dessen Kultur einher. 974 Die Vereinskonzerte wandelten sich langsam von Vergnügungsveranstaltungen zu seriösen Musikaufführungen. Um Ruhe und die Aufmerksamkeit der Besucher zu garantieren, führte man diese bewusst ohne Bewirtung von Speisen und Getränken durch. 975 Auftritte wurden dementsprechend im Freistaat mit den Zusätzen „Stuhlkonzert ohne Restauration“ 976 oder „Kinder können nicht zugelassen werden“ 977 angekündigt. Als Konzertsäle dienten nicht nur der Zentralsaal und die Café „Haas-Säle“, sondern auch die „Concordia-Säle“ und im Sommer der Garten der „Harmonie“. 978 Obendrein sangen die linken Chöre an den Kir-
Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 123–125. Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 123–125. 963 Vgl. FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 14. 6.1923, Nr. 133; FS v. 14. 7.1925, Nr. 157; FS v. 17.11.1925, Nr. 264. 964 Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 108 f. 965 Vgl. FS v. 1. 4.1920, Nr. 77; FS v. 24.12.1920, Nr. 298; FS v. 5.11.1921, Nr. 255; FS v. 28.1.1922, Nr. 23; FS v. 6. 4.1922, Nr. 81; FS v. 28.10.1922, Nr. 249; FS v. 22.12.1923, Nr. 277; FS v. 18. 6.1925, Nr. 136. 966 Vgl. FS v. 25. 8.1925, Nr. 192; FS v. 30.10.1925, Nr. 249; FS v. 10. 6.1926, Nr. 129; FS v. 23.12.1926, Nr. 295; FS v. 9. 3.1927, Nr. 56; FS v. 28. 5.1929, Nr. 120; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 109–114; Winkler, Schein, S. 136 f. 967 Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 108 f. 968 Vgl. FS v. 29.12.1923, Nr. 281. Während frühere Forscher, beispielsweise Hartmann Wunderer, Wilfried van der Will oder Rob Burns, den Konflikt zwischen klassischer und bürgerlicher Musikausrichtung und die Aufgaben als Arbeiterkulturverein betonten, geht die neuere Forschung um Dietmar Klenke und Franz Walter davon aus, dass „sich sozialistische Identität und klassischer Kunstgesang versöhnen [ließen und] […] jedenfalls nicht in Widerstreit zueinander [standen] und […] auch nicht die grundlegenden Konfliktlinien [prägten]“. Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 231 f.; Wunderer, Arbeitervereine, S. 45 f.; Will/Burns, Arbeiterkulturbewegung, S. 109. 969 FS v. 29.12.1923, Nr. 281. 970 Vgl. FS v. 27.12.1920, Nr. 299; FS v. 23.10.1924, Nr. 246; FS v. 23.12.1926, Nr. 295; FS v. 9. 3.1927, Nr. 56; FS v. 14. 3.1927, Nr. 60; Will/Burns, Arbeiterkulturbewegung, S. 108 f. 971 FS v. 5.11.1921, Nr. 255. 972 FS v. 6. 8.1926, Nr. 177. 973 Vgl. FS v. 28. 5.1929, Nr. 120; FS v. 29. 5.1929, Nr. 121; Wunderer, Arbeitervereine, S. 45; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 111–114. 974 Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 111–114, 231–233. 975 Vgl. FS v. 5.11.1921, Nr. 255; FS v. 6. 4.1922, Nr. 81; FS v. 11. 3.1927, Nr. 58; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 120 f. 976 FS v. 11. 3.1927, Nr. 58. 977 FS v. 31.10.1925, Nr. 250; vgl. FS v. 1. 4.1922, Nr. 77: „Um Störungen zu vermeiden, können Kinder unter 12 Jahren nicht zugelassen werden.“ 978 Vgl. FS v. 29.10.1921, Nr. 250; FS v. 10.1.1922, Nr. 7; FS v. 18.10.1924, Nr. 242; FS v. 24.12.1924, Nr. 298; FS v. 30.10.1925, Nr. 249; FS v. 15.12.1926, Nr. 288; FS v. 5. 3.1927, Nr. 53; FS v. 8. 3.1928, Nr. 57; FS v. 14. 5.1929, Nr. 109. 961
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chenplätzen von St. Heinrich, St. Otto und der Wunderburger Pfarrkirche Maria Hilf. 979 Die Arbeitersänger schlossen also nicht nur durch ihre Musik-, sondern auch durch ihre Ortswahl zum Bürgertum und dem katholischen Milieu auf. Kooperationen für Konzerte reichten vom Stadttheater, über die Kapelle „Harms“ bis zur Kapelle des Reichswehr-Infanterie-Regiments Nr. 46 und der Kapelle des Reiterregiments Nr. 17. 980 Im Streben der Arbeitersänger nach der hohen Kunst wurden in Bamberg Brücken über ansonsten unüberwindliche Gräben geschlagen. 981 So musizierte der „Arion“ weiterhin zusammen mit der Kapelle „Harms“, obwohl diese 1926 eine nationalsozialistische Kundgebung begleitet hatte. 982 Die eigentliche Kontroverse wurde im Freistaat mit folgenden Worten überdeckt: „Harms gehört nicht zu den Nationalsozialisten. […] Wie wir nun einwandfrei feststellen konnten, hat Musikmeister Harms mit seiner Kapelle lediglich auf Bestellung hin und gegen Bezahlung die Standmusik gespielt.“ 983
Der Hauptkonflikt der Arbeitersänger Bambergs lag folglich nicht in der Auseinandersetzung mit anderen gesellschaftlichen Kreisen, politischen Strömungen und Milieus. 984 Solange sie frei musizieren konnten, waren sie verhältnismäßig tolerant und verbanden Ideen der Arbeiterbewegung problemlos mit der bürgerlichen Kultur. Von größerer Relevanz war hingegen der interne Disput der Organisation. Die strittige Frage lautete: Ein oder zwei Arbeitergesangvereine für Bamberg? Während der
gesamten Weimarer Republik stand dieses Problem im Raum und beschäftigte das sozialistische Milieu. Die Fehde war also keine äußere, sondern eine innerorganisatorische in der Arbeitersängerbewegung. 1919 war der „Arion“ als einziger bereits existierender Arbeitergesangverein Bambergs in die Weimarer Republik gestartet; von 115 Sängern vor dem Ersten Weltkrieg waren 23 gefallen. 985 Zeitweise standen daher für Proben zwischen 1914 und 1918 nur noch etwa zehn Mitglieder zur Verfügung. 986 Laut den Statuten von 1903 diente die Sängerrunde zur „Pflege des Gesanges im Allgemeinen, insbesondere des mehrstimmigen freien Männergesanges“. 987 All diese Charakteristika änderten sich durch die Revolution maßgeblich und rasant. 988 Aus dem überschaubaren MännergesangsClub wurde ein geschlechts- und altersübergreifender Musikverein des sozialistischen Milieus mit familiären Zügen. 989 Seit 1919/20 umfasste der „Arion“ nicht mehr nur einen Männerchor, sondern auch einen Frauenchor und einen gemischten Chor. 990 Alle drei Sparten traten am 4. April 1920 erstmals öffentlich beim Frühlings-Volkskonzert im Zentralsaal auf. 991 Zwei Jahre später listete die Anzeige für das dementsprechende Konzert im April 1922 als Mitwirkende sogar „Männerchor, gemischter Chor, kleiner Chor, Vereinsorchester u. Mandolinen-Abteilung“ 992 auf. Außerdem schritt man im Sommer desselben Jahres zur Gründung eines Jugendchores, in dem Kinder ab zehn Jahren „streng nach pädagogischen Grundsätzen“ 993 musikalisch unterrichtet wurden. 994 Mit dieser Ausdifferenzierung ging sowohl eine Satzungsänderung als
Vgl. FS v. 24. 5.1927, Nr. 118; FS v. 4. 8.1928, Nr. 177. Vgl. FS v. 1. 4.1920, Nr. 77; FS v. 21.10.1920, Nr. 245; FS v. 13.1.1921, Nr. 9; FS v. 1. 6.1922, Nr. 125; FS v. 18.10.1924, Nr. 242; FS v. 1. 8.1927, Nr. 174; RauhKühne, Ettlingen, S. 182. 981 Vgl. FS v. 13.10.1926, Nr. 235; FS v. 1. 4.1927, Nr. 75. 982 Vgl. FS v. 13.10.1926, Nr. 235; FS v. 1. 8.1927, Nr. 174. 983 FS v. 13.10.1926, Nr. 235. 984 Vgl. Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 182. 985 Vgl. FS v. 16.7.1927, Nr. 161; Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 986 Vgl. FS v. 16. 7.1927, Nr. 161. 987 Statuten der Sängerrunde „Arion“ v. 15. 2.1903, StadtABa, C 2, Nr. 59530. 988 Vgl. FS v. 18.1.1922, Nr. 14; FS v. 16. 7.1927, Nr. 161. 989 Vgl. FS v. 18.1.1922, Nr. 14; FS v. 16. 7.1927, Nr. 161. 990 Vgl. FS v. 1. 4.1920, Nr. 77; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 99. 991 Vgl. FS v. 1. 4.1920, Nr. 77. 992 FS v. 1. 4.1922, Nr. 77. 993 FS v. 30. 6.1922, Nr. 147. 994 Vgl. FS v. 30. 6.1922, Nr. 147. 979
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auch ein massiver Mitgliederzuwachs einher. 995 In den Statuten wurde „Die Pflege der Musik“ 996 als neue Aufgabe ergänzt. Parallel dazu entstand das eigene Vereinsorchester mit Streich- und Blasinstrumenten und seit 1921 wurde eine Mandolinenabteilung aufgebaut. 997 Durch die Erweiterung der Mitgliedschaft um Frauen und Jugendliche sowie den allgemeinen Aufschwung der Arbeiterorganisationen stieg die Personenzahl des „Arion“ auf etwa 600 Mitglieder zum 20. Jubiläum 1922 an. 998 Allein 72 Spieler und Spielerinnen umfasste der Bereich Mandoline. 999 Aus der Sängerrunde war ein Massenverein geworden. Etwa 700 Teilnehmer vom „Arion“ und dem Volkschor „Union“ aus Fürth wanderten an Pfingsten auf die Giechburg. 1000 An Sonn- und Feiertagen entwickelten sich Vereinsausflüge unter Begleitung der Trommler und Mandolinen zum festen Bestandteil im „Arion“. 1001 Mit diesen erweiterten Aktivitäten befriedigte man das allgemein gestiegene Bedürfnis nach Wandern und Sport und band alle Familienmitglieder in den Gesangverein ein. 1002 Verloren ging allerdings die Vereinsheimeligkeit, Vertrautheit und Intimität im kleinen Kreis der männlichen Sänger, die sich früher anlässlich von Proben in der Brauerei „Schlüssel“ getroffen hatten. 1003 Stattdessen wurden die Proben im neuen Vereinslokal, dem Café „Haas“, zeitlich strikt getaktet, sodass überhaupt jede Abteilung üben konnte. 1004 Der reine Männerchor verlor im Verein an Bedeutung. 1005 Dies war nicht nur ein Bamberger Phänomen, sondern dazu trug auch die
Leitung des Deutschen Arbeiter-Sängerbundes (DAS) bei. 1006 Diese förderte verstärkt die gemischten Chöre und wies den Männergruppen nur noch „die zweite Geige“ 1007 zu. Gegen eine solche Neuausrichtung regte sich in Bamberg Widerstand. 1008 So erwähnte ein Artikel im Freistaat über einen Vereinsausflug im Sommer 1922, „daß einige Sangesbrüder sich an dem Ausflug nicht beteiligt hatten, weil sie gewissen Einflüsterungen gefolgt sind und dem ‚Arion‘ den Rücken gekehrt haben.“ 1009 Formal bestätigte sich diese Absonderung am 1. Juli 1922, als die Statuten eines neuen Arbeitergesangvereins „Volkschor Bamberg“ verabschiedet wurden. 1010 Damit vollzogen die ausgetretenen Arbeitersänger nicht nur eine Loslösung vom „Arion“, sondern auch eine Rolle rückwärts – retour ins Kaiserreich: Der Volkschor Bamberg war ein expliziter Männergesangverein, probte in der Brauerei „Schlüssel“ und widmete sich einzig den Männerchören sowie der „Förderung der Wohlfahrt und […] Erziehung seiner Mitglieder im Sinne eines gedeihlichen Fortschritts.“ 1011 Man grenzte sich also sowohl zum stark angewachsenen „Arion“ als auch zum Deutschen Arbeiter-Sängerbund ab, dem man im Unterschied zur Sängerrunde nicht beitrat. 1012 Dennoch fühlte man sich als Teil des sozialistischen Milieus, denn man inserierte im Freistaat und spendete den Betrag einer Weihnachtsversteigerung an die Arbeiterjugend. 1013 Parallel zum „Arion“ veranstaltete man eigene Weihnachtsfeiern, Vereinsausflüge und Tanzkränzchen. 1014 Mit circa 130 Mitgliedern be-
Vgl. FS v. 31. 5.1922, Nr. 124; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 152, 157. FS v. 31. 5.1922, Nr. 124. 997 Vgl. FS v. 18.1.1922, Nr. 14; FS v. 31. 5.1922, Nr. 124. 998 Vgl. FS v. 31. 5.1922, Nr. 124. 999 Vgl. FS v. 28.10.1922, Nr. 249. 1000 Vgl. FS v. 10. 6.1922, Nr. 132. 1001 Vgl. FS v. 13. 5.1921, Nr. 109; FS v. 17. 6.1921, Nr. 137; FS v. 20. 5.1922, Nr. 116; FS v. 13. 7.1922, Nr. 158. 1002 Insofern ist die These von Klenke und Walter, dass die modernen Trends und Freizeitbeschäftigungen am Deutschen-Arbeiter-Sängerbund vorbeiliefen, für Bamberg unzutreffend. Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 152–157. 1003 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa. 1004 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 10. 3.1922, Nr. 58. 1005 Vgl. FS v. 10. 3.1922, Nr. 58; FS v. 6. 4.1922, Nr. 81; FS v. 2. 6.1922, Nr. 126; FS v. 10. 6.1922, Nr. 132. 1006 Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 101. 1007 Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 101. 1008 Vgl. FS v. 13. 7.1922, Nr. 158. 1009 FS v. 13. 7.1922, Nr. 158. 1010 Vgl. Statuten des Volkschors Bamberg v. 1. 7.1922, StadtABa, C 2, Nr. 30400. 1011 Statuten des Volkschors Bamberg v. 1. 7.1922, StadtABa, C 2, Nr. 30400; vgl. FS v. 7.10.1922, Nr. 231; FS v. 28.12.1922, Nr. 297; FS v. 12.1.1929, Nr. 10. 1012 Vgl. FS v. 7.10.1922, Nr. 231; FS v. 12.1.1923, Nr. 9; FS v. 29. 3.1928, Nr. 74; FS v. 12.1.1929, Nr. 10. 1013 Vgl. FS v. 7.10.1922, Nr. 231; FS v. 28.12.1922, Nr. 297. 1014 Vgl. FS v. 13.10.1922, Nr. 236; FS v. 28.12.1922, Nr. 297; FS v. 19. 5.1923, Nr. 113. 995
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wahrte man dabei einen persönlichen und überschaubaren Charakter. 1015 Zum Nachteil wurde die limitierte Basis während der Hyperinflation 1923, denn man war nun finanziell außer Stande, die gesonderte Organisation aufrechtzuerhalten. 1016 Am 7. November 1923 berichtete der Freistaat daher: „Die Einigung der beiden Gesangvereine ‚Arion‘ und ‚Volkschor‘ hat sich in aller Stille vollzogen. Damit ist die Einheit der Arbeiterbewegung Bambergs auch auf diesem Gebiete wiederhergestellt, zum Verdruß der Gegner, die glaubten, durch die Spaltung in den Kreisen der Arbeitersänger für ihre Ziele werben zu können. Allerdings ohne Erfolg, denn selbst in den 1 ¼ Jahren der Trennung ist kein Sänger ausgetreten, im Gegenteil haben sich beide Vereine sehr gut entwickelt. […] Der Beschluß, sich zu vereinigen, wurde in beiden Vereinen einstimmig gefaßt. […] Der nunmehr wiedervereinten Sängerschar unseren herzlichen Glückwunsch zu weiterem Blühen und Gedeihen!“ 1017
Obwohl scheinbar USPD-Mitglieder oder Kommunisten versucht hatten, den Volkschor für sich zu gewinnen, blieben beide Arbeitergesangvereine vor allem mit der SPD verbunden. 1018 Als ersten gemeinsamen Auftritt der „vereinigten Arbeitersängerschar“ 1019 wählte man die Weihnachtsfeier der Jungsozialisten. 1020 Ebenso kurz wie die Existenz zweier Organisationen währte aber auch die Wiedervereinigung. 1021 Während sich der „Arion“ im Frühjahr 1925 auf das 10. Bayerische Arbeitersängerbundesfest in Nürnberg vorbereitete und daher eine Mitgliedersperre verhängte, um die Proben
1015 1016 1017 1018 1019 1020 1021 1022 1023 1024 1025 1026 1027 1028 1029 1030 1031
nicht durch Neuaufnahmen zu stören, sonderte sich wiederum eine Gruppe ab. 1022 Am 29. Mai 1925 wurde der Volkschor Bamberg im „Nöth“ zum zweiten Mal gegründet. 1023 Eine Woche später begann man mit den Proben. 1024 Erneut knüpfte man an die Vorgängerorganisation und früheren Traditionen an. Die Devise lautete: Männerchor ohne Mitgliedschaft im Deutschen Arbeiter-Sängerbund. 1025 Einzig das Vereinslokal änderte sich und man nutzte fortan die Gastwirtschaft „Vier Jahreszeiten“ am Kaulberg. 1026 Ein Vergleich der Weihnachtsfeiern von Volkschor und „Arion“ 1925 offenbarte die unterschiedliche Ausrichtung. 1027 Beide Vereine hielten diese am 25. Dezember ab 18 Uhr in den „Vier Jahreszeiten“ (Volkschor) beziehungsweise im Zentralsaal („Arion“) ab. 1028 Selbst der Eintrittspreis war mit 50 Pfennigen identisch. 1029 Doppelmitgliedschaften in beiden Organisationen wurden durch derartige Parallelveranstaltungen unterbunden. Während der „Arion“ eine „Große Weihnachts-Aufführung mit Theater und Verlosung“ sowie Auftritte seiner zahlreichen Abteilungen „Männerchor, Damenchor, gemischter Chor, Jugendchor, Mandolinenchor“ 1030 anpries, beschränkte sich die Anzeige des Volkschors auf „unsere Weihnachts-Feier verbunden mit Konzert, Gesang u. Solovorträgen“ 1031. Zusammenfassend kann man die Gegensätze zwischen „Arion“ und Volkschor folgendermaßen charakterisieren: Spektakel stand gegen Konzert, Vielfalt gegen Spezialisierung und Modernisierung gegen Traditionspflege. Beiden gemeinsam waren weiterhin die Verhaftung im sozialistischen Milieu, das Bekenntnis zur Republik und die Bindung an die Sozial-
Vgl. FS v. 7.11.1923, Nr. 250. Vgl. FS v. 7.11.1923, Nr. 250. FS v. 7.11.1923, Nr. 250. Vgl. FS v. 7.11.1923, Nr. 250; FS v. 15.12.1923, Nr. 271. FS v. 15.12.1923, Nr. 271. Vgl. FS v. 15.12.1923, Nr. 271. Vgl. FS v. 29. 5.1925, Nr. 121; FS v. 6. 6.1925, Nr. 127. Vgl. FS v. 9. 3.1925, Nr. 56; FS v. 29. 5.1925, Nr. 121; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 84–87. Vgl. FS v. 29. 5.1925, Nr. 121. Vgl. FS v. 6. 6.1925, Nr. 127. Vgl. FS v. 8. 4.1927, Nr. 81; FS v. 29. 3.1928, Nr. 74; FS v. 12.1.1929, Nr. 10. Vgl. FS v. 23.12.1925, Nr. 295; FS v. 22.12.1926, Nr. 294. Vgl. FS v. 23.12.1925, Nr. 295. Vgl. FS v. 23.12.1925, Nr. 295. Vgl. FS v. 23.12.1925, Nr. 295. FS v. 23.12.1925, Nr. 295. FS v. 23.12.1925, Nr. 195.
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Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus
demokratie. 1032 So nahmen zum Beispiel beide Arbeitergesangvereine am 10. August 1925 an der Verfassungsfeier teil. 1033 Außerdem waren sowohl die Vorstände des Volkschors, der Tabakarbeiter Josef Bräuning und der Kaufmann Wilhelm Kilian, als auch die Leitung des „Arion“ unter dem Schuhmachermeister Paul Reitwießner und dem Textilarbeiter Johann Jehnes eng mit der SPD und dem Gewerkschaftskartell des ADGB verbunden. 1034 Ansonsten hatte man keine Übereinstimmungen und setzte die getrennte Praxis und separate Vereinsführung fort. 1035 Alljährliche Festveranstaltungen wie die Maifeiern lagen fest in den Händen des „Arion“; der Volkschor wurde nicht zugelassen und einbezogen. 1036 1927 feierte die Sängerrunde ihr 25. Stiftungsfest mit einem Großaufgebot an „Sängerinnen und Sängern unserer auswärtigen Brudervereine“. 1037 Mindestens zwölf Arbeitergesangvereine aus Ober- und Mittelfranken reisten an und nahmen am Festkommers im Garten der „Weißen Taube“ sowie am Konzert auf dem Leichtskeller teil. 1038 Einzig der Volkschor fehlte. 1039 Bei dem Jubiläum zeigte sich nicht nur die andauernde Animosität zum zweiten Arbeitergesangverein Bambergs, sondern auch die Anerkennung und das gute Einvernehmen des „Arion“ mit der Stadt Bamberg sowie die enge Bindung zur SPD und dem Gewerkschaftskartell. 1040 Als erster Vorstand hatte Paul Reitwießner um die Beflaggung des Bahnhofsvorplatzes nachgesucht und diese, in
den Wunschfarben weiß und rot des DAS, ohne Komplikationen zugesprochen bekommen. 1041 Anders als die linken Sportvereine genoss der „Arion“ durch seine Darbietungen und Volkskonzerte auch außerhalb des Arbeitermilieus Ansehen. 1042 Er überwand also manche Klüfte in der fragmentierten Gesellschaft. Sich selbst sah die Arbeitersängerrunde als „einen wichtigen Faktor in der Geschichte der freien Arbeiterbewegung Bambergs“ 1043 und fühlte sich mit dieser „auf das engste“ 1044 verbunden. So sprachen alle linken Führungspersonen auf dem Fest des „Arion“: Johann Steitz für den Stadtrat, Georg Dotterweich für den ADGB und Josef Dennstädt für die SPD. 1045 Allerdings enthüllten der Rückblick und die Vereinsgeschichte bei der Gründungsfeier auch Probleme und Rückschritte. 1046 Seit der Inflation hatte der „Arion“ nämlich in Einklang mit dem deutschlandweiten Trend enorme Mitgliederverluste hinnehmen müssen. 1047 Obwohl 1927 wieder Neuaufnahmen und ein Aufwärtstrend verzeichnet wurden, lag der Mitgliederstand Anfang 1928 lediglich bei 252. 1048 Im Bereich der Musikpflege hatte sich zwar das Mandolinenorchester positiv entwickelt und war zu einem bedeutenden Teil des „Arion“ herangewachsen, doch das eigene Vereinsorchester konnte nicht gehalten werden. 1049 Folglich war man auf die Begleitung durch andere Kapellen angewiesen. 1050 Neben dem bereits erwähnten Ensemble „Harms“ waren dies ab Mitte der 1920er Jahre vor allem die Kapelle
Vgl. FS v. 8. 8.1925, Nr. 179; FS v. 29.1.1926, Nr. 23; FS v. 1. 2.1927, Nr. 25. Vgl. FS v. 8. 8.1925, Nr. 179. 1034 Vgl. FS v. 29.1.1926, Nr. 23; FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; FS v. 26.1.1926, Nr. 20; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 14. 9.1930, StadtABa, C 2, Nr. 632. 1035 Vgl. FS v. 23.12.1927, Nr. 296; FS v. 24.12.1927, Nr. 297. 1036 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98. 1037 FS v. 7. 7.1927, Nr. 153. 1038 Vgl. FS v. 16. 7.1927, Nr. 161; FS v. 18. 7.1927, Nr. 162; FS v. 19. 7.1927, Nr. 163. 1039 Vgl. FS v. 19. 7.1927, Nr. 163. 1040 Vgl. Schreiben von Paul Reitwießner an den Stadtrat Bamberg v. 7.7.1927, StadtABa, C 2, Nr. 59530; FS v. 18. 7.1927, Nr. 162. 1041 Vgl. Schreiben von Paul Reitwießner an den Stadtrat Bamberg v. 7.7.1927, StadtABa, C 2, Nr. 59530; Anmerkung der Stadt Bamberg v. 18. 7.1927, StadtABa, C 2, Nr. 59530. 1042 Vgl. FS v. 10. 6.1926, Nr. 129; FS v. 14. 3.1927, Nr. 60; FS v. 18. 7.1927, Nr. 162. 1043 FS v. 16. 7.1927, Nr. 161. 1044 FS v. 16. 7.1927, Nr. 161. 1045 Vgl. FS v. 16. 7.1927, Nr. 161. 1046 Vgl. FS v. 16. 7.1927, Nr. 161. 1047 Vgl. FS v. 16. 7.1927, Nr. 161; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 152–157. 1048 Vgl. FS v. 17.1.1928, Nr. 13. 1049 Vgl. FS v. 16. 7.1927, Nr. 161; FS v. 17.1.1928, Nr. 11. 1050 Vgl. FS v. 16. 7.1927, Nr. 161; FS v. 18. 7.1927, Nr. 161. 1032 1033
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Das sozialistische Organisationsmilieu
„Lyra“ aus Gaustadt und die Kapelle „Wunderburg“. 1051 All diese Faktoren bedingten seit 1926 angespannte Finanzverhältnisse. 1052 Auf der Jahresgeneralversammlung im Januar 1927 wurde festgestellt, dass „aus den Beiträgen der Mitglieder allein […] die Ausgaben eines Vereins von der Größe des ‚Arion‘ nicht bestritten werden“ 1053 könnten. Ein Jahr später wurde wiederum „kein besonders günstiger Kassenbericht“ abgegeben, sodass „der Verein gezwungen [war], von größeren Veranstaltungen in diesem Jahr abzusehen, um nicht zuletzt in eine Defizitwirtschaft zu geraten“. 1054 Von Nachteil war für den „Arion“ zudem, dass die Stadt Bamberg – trotz des relativ guten Verhältnisses – die Arbeiterchöre nicht als gemeinnützige Einrichtungen anerkannte. 1055 Dies bedeutete, dass bei Konzerten und Aufführungen Vergnügungssteuern abzuführen waren. 1056 Die Annäherung an das bürgerliche und katholische Bamberg hatte also Grenzen, denn die antisozialistische Grundhaltung der Stadtratsmehrheit verweigerte die Einstufung als Erziehungs- und Kulturorganisation. 1057 Im Freistaat beschwerten sich die Arbeitersänger über diese Diskriminierung, besonders da die Nachbarstädte Würzburg, Schweinfurt, Erlangen, Fürth und Nürnberg der Steuerbefreiung zugestimmt hatten. 1058 All diese Schwierigkeiten führten ab 1928 zu einem internen Kurswechsel im „Arion“. 1059 Der langjährige Vorsitzende Paul Reitwießner stellte sich nicht mehr zur Wahl und andere Vorstandsmitglieder folgten daraufhin seinem Rückzug. 1060
Neue Leiter wurden der Schreiner Georg Huber (erster Vorsitzender) und der Schneider Johann Kreiner (zweiter Vorsitzender), beide aktive Sozialdemokraten in Bamberg. 1061 Frischen Wind brachte außerdem die Neubesetzung des Dirigentenamtes mit dem juristischen Referendar Karl Zapf. 1062 Durch die personellen Änderungen konnten Konflikte der Vergangenheit überwunden und der Weg für neue Kooperationen geöffnet werden. 1063 Die Maifeier 1928 sah daher eine Innovation: „Im Anschluß an das Referat trugen unsere Bamberger Arbeitergesangvereine ‚Arion‘ und ‚Volkschor‘ je einen guten Chor vor, um dann in einem gemeinsam gesungenen Massenchor ‚Tord Foleson‘ bei guter Stabführung zu beweisen, was Arbeitersänger zu leisten vermögen. Wohlverdienter Beifall wurde der wackeren Sängerschar gespendet.“ 1064
Beide Arbeitergesangvereine waren erstmals gemeinsam aufgetreten. 1065 Im Laufe des Jahres wurde die Zusammenarbeit weiter ausgebaut, wie eine Ankündigung im August zeigte: „Morgenkonzert. Im Rahmen der Werbewoche veranstaltet die hiesige Arbeitersängerschaft (‚Arion‘ und ‚Volkschor‘) als Einleitung am kommenden Sonntag ein Morgenkonzert im Café ‚Theresienhain‘. Musikalische und gesangliche Vorträge in reicher Abwechslung bieten den Besuchern eine angenehme Morgenunterhaltung.“ 1066
Vgl. FS v. 30. 4.1927, Nr. 98; FS v. 18. 7.1927, Nr. 162; FS v. 1. 8.1927, Nr. 174; FS v. 10. 2.1928, Nr. 34; FS v. 17. 7.1928, Nr. 161; FS v. 15. 3.1929, Nr. 63; FS v. 18. 3.1930, Nr. 64; FS v. 3. 5.1930, Nr. 100; FS v. 30. 4.1931, Nr. 99. 1052 Vgl. FS v. 1. 2.1927, Nr. 25; FS v. 17.1.1928, Nr. 13. 1053 FS v. 1. 2.1927, Nr. 25. 1054 FS v. 17.1.1928, Nr. 13. 1055 Vgl. FS v. 29. 5.1929, Nr. 121; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 170 f. 1056 Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 170 f. 1057 Vgl. FS v. 29. 5.1929, Nr. 121. 1058 Vgl. FS v. 29. 5.1929, Nr. 121. 1059 Vgl. FS v. 17.1.1928, Nr. 13; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 3. 8.1928, Nr. 176. 1060 Vgl. FS v. 26.1.1926, Nr. 20; FS v. 17.1.1928, Nr. 13; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 1061 Vgl. FS v. 17.1.1928, Nr. 13; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Zeitungsausschnitt zu Jakob Kreiner ohne Datum, StadtABa, BS, Nr. 69533–10 m; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 7.12.1924, StadtABa, C 2, Nr. 620; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 625; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644. 1062 Vgl. FS v. 10. 8.1928, Nr. 182; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 28. 5.1929, Nr. 120. 1063 Vgl. FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 3. 8.1928, Nr. 176; FS v. 4. 8.1928, Nr. 177. 1064 FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 1065 Vgl. 3. 5.1928, Nr. 101. 1066 FS v. 3. 8.1928, Nr. 176; vgl. FS v. 4. 8.1928, Nr. 177. 1051
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Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus
Damit hatte man den Grundstein für das kollektive Wirken beider Arbeitergesangvereine gelegt. 1067 In den nächsten Jahren wurde nicht nur bei den Maifeiern und Werbewochen miteinander musiziert, sondern es wurden auch der Tag der Republik, Arbeitersportfeste, Wahlkundgebungen und die Demonstrationen der Eisernen Front einmütig begleitet. 1068 Die Einigung war zudem durch eine bislang unbekannte Öffnung des Volkschors ermöglicht worden: Zum 1. März 1928 war der Verein dem Deutschen Arbeiter-Sängerbund beigetreten und im Jahr darauf ließ man erstmals Frauen zu und gründete einen gemischten Chor. 1069 Infolge der Versöhnung erfuhr die Arbeitersängerbewegung in Bamberg nach 1928 eine Stärkung und konnte sogar auf andere Gesangvereine ausstrahlen. 1070 Durch die Initiative von Karl Zapf wurde eine „Chorgemeinschaft der Arbeitersänger“ 1071 gegründet, die neben dem „Arion“ und dem Volkschor auch den Verein „Liederhort“ aus Gaustadt und „Edelweiß“ aus Bischberg einbezog. 1072 Nach der Etablierung eines Arbeitergesangvereins in Hallstadt wurde dieser ebenfalls in den Verbund aufgenommen. 1073 Vereint veranstalteten die Organisationen beispielsweise eine Abendserenade auf dem Maxplatz, die „zu einer machtvollen Kundgebung der Arbeitersängersache und einer eindrucksvollen Demonstrierung der Durchschlagskraft eines großen Massenchores gestaltet“ 1074 wurde. Dabei zeigte es sich, dass in Bamberg Ende der 1920er Jahre sozialistische Lieder bei öffentlichen Auftritten wieder stärker in den Vordergrund rückten. 1075 Die „Rückbesinnung auf marxistischen Klassenkampf- und Avantgarde-Denken“ 1076 präg1067 1068 1069 1070 1071 1072 1073 1074 1075 1076 1077 1078 1079 1080 1081 1082 1083 1084
ten im ganzen Reich musikalisch die Phase zwischen 1928 und 1933 der Arbeitersänger. Zudem wurden vermehrt Sprechchöre in Bamberg eingesetzt, die besonders als Massenaufführungen ihre Wirkung entfalteten. 1077 Allerdings schufen die Bamberger Arbeitersänger nicht nur einen Zusammenschluss in der näheren Umgebung, sondern 1929 bildeten sie außerdem die „Arbeitsgemeinschaft der Arbeitergesangvereine der Bezirke Coburg-Bamberg-Kronach“. 1078 Höhepunkt des oberfränkischen Bündnisses wurde das Arbeitersängerfest 1930, das „nach einem besonderen Wunsch der Bamberger Sänger“ 1079 in ihrer Stadt abgehalten wurde. 1080 Circa 3.000 Sängerinnen und Sänger nahmen an der zweitägigen Veranstaltung in den Zentralsälen, auf dem Maxplatz und im Stadion teil. 1081 Die Arbeitersängerbewegung präsentierte sich geeint, gestärkt und selbst im Bamberger Tagblatt und Volksblatt wurden positive Kritiken der künstlerischen Leistungen abgedruckt. 1082 Der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl der Arbeitergesangvereine in Bamberg erreichten eine neue Dimension und die Arbeitersängerbewegung in Bamberg erlebte eine späte Blüte, die im Gegensatz zu der Krise des DAS in den frühen Dreißigerjahren stand. 1083 So konnte der „Arion“ seine Tradition der Frühlingsund Herbstkonzerte ab 1929 wieder aufleben lassen und die beiden linken Gesangvereine firmierten nun offiziell als Arbeitersängerkartell Bamberg, wodurch ihre Gemeinsamkeiten und Einheit für alle sichtbar unterstrichen wurden. 1084 Großen Anteil an dieser Entwicklung hatte Karl Zapf. Er veröffentlichte im Freistaat informative Artikel über die
Vgl. FS v. 24. 4.1929, Nr. 94; FS v. 14. 5.1929, Nr. 109; FS v. 25. 7.1931, Nr. 167. Vgl. FS v. 24. 4.1929, Nr. 94; FS v. 14. 5.1929, Nr. 109; FS v. 1. 9.1931, Nr. 198; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 1.10.1932, Nr. 226. Vgl. FS v. 29. 3.1928, Nr. 74; FS v. 12.1.1929, Nr. 10. Vgl. FS v. 14. 2.1929, Nr. 38; FS v. 29. 4.1929, Nr. 98; FS v. 19. 9.1929, Nr. 215; FS v. 26.11.1929, Nr. 272; FS v. 19. 7.1930, Nr. 163. FS v. 25. 8.1928, Nr. 194. Vgl. FS v. 25. 8.1928, Nr. 194. Vgl. FS v. 27. 3.1928, Nr. 72; FS v. 18. 3.1930, Nr. 64; FS v. 25.7.1931, Nr. 167. FS v. 13. 8.1928, Nr. 184. Vgl. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 148, 233, 236 f. Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 236. Vgl. FS v. 25. 7.1931, Nr. 167; FS v. 1. 9.1931, Nr. 198. Vgl. FS v. 27. 9. 1929, Nr. 222; FS v. 19. 9.1929, Nr. 215. FS v. 26.11.1929, Nr. 272. Vgl. FS v. 18. 7.1930, Nr. 162; FS v. 19. 7.1930, Nr. 163; FS v. 22. 7.1930, Nr. 165. Vgl. FS v. 18. 7.1930, Nr. 162; FS v. 19. 7.1930, Nr. 163; FS v. 22. 7.1930, Nr. 165. Vgl. FS v. 22. 7.1930, Nr. 165. Vgl. FS v. 18. 7.1930, Nr. 162; FS v. 19. 7.1930, Nr. 163; FS v. 22. 7.1930, Nr. 165; Klenke/Walter, Arbeiter-Sängerbund, S. 147–149. Vgl. FS v. 4. 2.1929, Nr. 38; FS v. 11. 4.1930, Nr. 84; FS v. 12. 4.1930, Nr. 85; FS v. 29.1929, Nr. 98; FS v. 24. 10.1930, Nr. 245.
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Das sozialistische Organisationsmilieu
menschliche Stimmbildung und gab den Arbeitersängern Empfehlungen zur Schulung ihrer Stimme. 1085 1931 diente Gaustadt dem Bezirk des DAS als nächster Austragungsort des Sängertreffens, bei dem die Konzerte als Neuerung mit Aufmärschen der Arbeitersänger verbunden wurden. 1086 Als Festredner und Ehrengast erschien extra der frühere SPD-Vorstand und Redakteur Georg Dewald. 1087 Ein Jahr später veröffentlichten die Arbeitersänger des Bezirks Bamberg (Nummer 13 im Deutschen Arbeitersängerbund) gemeinsame Aufrufe zur Wahl der SPD und des Landtagskandidaten Josef Dennstädt: „Wir wollen die kulturellen Einrichtungen der Arbeiterschaft gesichert und die ideellen Bestrebungen der Arbeiterkulturorganisationen verwirklicht sehen, um dadurch Kunst, Kultur- und Geistesleben der Werktätigen zur höchsten Entfaltung zu bringen. In diesen Bestrebungen fanden wir bisher von der Sozialdemokratie die vollste Unterstützung. Jede Stimme unserem Sangesgenossen: Josef Dennstädt, dem Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei. Für den Kulturfortschritt der Arbeiterschaft! Für Demokratie und Sozialismus! Gegen die faschistische Reaktion! Die Bezirksleitung des 13. Bezirkes im Deutschen Arbeitersängerbund.“ 1088
Außerdem stellte man noch einmal Überlegungen zur Verschmelzung des „Arion“ mit dem Volkschor
an, die jedoch bis Januar 1933 nicht zu einem Abschluss führten. 1089 Als ersten Schritt in diese Richtung wurden beide Vereine bereits von demselben Chorleiter dirigiert, nämlich Joseph Strätz, der die Proben und Stücke koordinierte und abstimmte. 1090 Trotz der wirtschaftlichen Notlage veranstaltete man 1932 wiederum ein Bezirkssängertreffen in Bischberg, feierte das 30. Jubiläum des „Arion“ und beide Vereine überstanden durch die „Treue der Mitglieder“ 1091 die Krisenjahre vor 1933 relativ gut. 1092 Der Volkschor konnte sogar einen Aufschwung verzeichnen. 1093 Als oberster Grundsatz galt den Arbeitersängern Bambergs nun die Unterstützung der Partei und der Gewerkschaften im Kampf gegen den Nationalsozialismus. 1094 Der „Arion“ beschloss daher sogar, seinen Sitz und die Proben ins Volkshaus „Nöth“ zu verlegen, um die Zusammenarbeit mit SPD und ADGB zu erleichtern. 1095 Mit all diesen Plänen und Perspektiven startete man unter der Parole „Freies Lied und freies Wort“ 1096 ins Jahr 1933.
4.3.3 „Arbeiter, lernt Esperanto!“ 1097: Der ArbeiterEsperanto-Bund, Ortsgruppe Bamberg Internationalismus, Völkerverständigung und Pazifismus verlangten nach länderübergreifender Kommunikation und einer gemeinsamen Sprache. 1098 Um nicht einer Einzelsprache und Nationalität den Vorzug zu geben, wurde die Idee einer Welthilfssprache als neutrales Kommunikationsmittel propagiert. 1099 Das 1887 vom Warschauer Augenarzt
Vgl. FS v. 10. 8.1928, Nr. 182. Vgl. FS v. 4. 7.1931, Nr. 149; FS v. 25. 7.1931, Nr. 167; FS v. 1. 8.1931, Nr. 173; Schreiben des Gemeinderats Gaustadt an das Bezirksamt Bamberg v. 28. 7.1931, StadtABa, C 51, Nr. 1504. 1087 Vgl. FS v. 25. 7.1931, Nr. 167. 1088 FS v. 23. 4.1932, Nr. 93. 1089 Vgl. FS v. 31.1.1933, Nr. 25. 1090 Vgl. FS v. 3.12.1931, Nr. 278; FS v. 28.1.1933, Nr. 23; FS v. 31.1.1933, Nr. 22; Einwohnermeldekarte Karl Zapf, StadtABa, C 9, Nr. 58a. Karl Zapf zog am 1. 3.1931 als Staatsanwalt nach Kulmbach um und ab 1932 war er als Amtsgerichtsrat in München tätig. Joseph Strätz konnte in der Einwohnermeldekartei des Stadtarchivs Bamberg nicht ermittelt werden. Mündliche Auskunft von Barbara Eckstein am 4. 7. 2018. 1091 FS v. 27.1.1933, Nr. 22. 1092 Vgl. FS v. 28.1.1933, Nr. 23; FS v. 31.1.1933, Nr. 22. 1093 Vgl. FS v. 28.1.1933, Nr. 23. 1094 Vgl. FS v. 31.1.1933, Nr. 22. 1095 Vgl. FS v. 31.1.1933, Nr. 22. 1096 FS v. 31.1.1933, Nr. 25. 1097 FS v. 5.10.1925, Nr. 227. 1098 Vgl. FS v. 17. 9.1925, Nr. 212; Wunderer, Arbeitervereine, S. 47 f. 1099 Vgl. FS v. 8.12.1928, Nr. 283. 1085
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Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus
Zamenhof erdachte Esperanto bot hierfür die Lösung. 1100 Noch bevor die Arbeiterbewegung diese Sprache für ihre Zwecke entdeckt hatte, breitete sich die Idee durch das Bildungsbürgertum aus. 1101 Als erste deutsche Organisation wurde 1888 der Esperanto-Verein in Nürnberg gegründet. 1102 Zwanzig Jahre später folgte Bamberg am 1. Oktober 1908 mit dem „Bamberger Esperanto-Verein“. 1103 Im Tagblatt wurde daraufhin eine kleine Esperanto-Rubrik eingeführt. 1104 Besonders der Vorsitzende Otto Reber setzte sich Anfang der Weimarer Republik mit Kursen und Vorträgen für die Kunstsprache ein. 1105 Unterrichtsstunden wurden beispielsweise durch den Volksbildungsverein oder die Philosophische Hochschule angeboten. 1106 Diese standen auch dem Arbeitermilieu zur Verfügung und wurden im Freistaat beworben. 1107 Das Bürgertum blieb also zunächst Träger dieser Bildungsbestrebungen, aber die Arbeiterbewegung konnte ohne Probleme partizipieren. Somit setzte sich auf diesem Gebiet die gute Beziehung zwischen liberalen und sozialistischen Kreisen in Bamberg fort. Einzig das katholische Milieu schied aus und gründete 1922 eine eigene Esperanto-Gruppe. 1108 Alle Beteiligten in Bamberg schienen mit diesem Arrangement und der lokalen Konstellation zufrieden, doch der deutschlandweite Arbeiter-Esperanto-Bund bestand auf einem eigenständigen proletarischen Verein. 1109 Am 14. September 1925 erschien daraufhin Konrad Deubler, einer der führenden Personen des Arbeiter-Esperanto-Bundes aus München, und hielt
im „Nöth“ eine Werbeveranstaltung ab. 1110 Der Freistaat druckte mehrere Vorankündigungen: „Lernt Esperanto! Kommenden Montag abends 8 Uhr findet in der Rest. Nöth ein Lehrvortrag über die Welthilfssprache Esperanto statt. Kein Arbeiter, Angestellter oder Beamter sollte diesen Vortrag versäumen.“ 1111
Trotz dieser Aufrufe „war der Vortrag nur schwach besucht.“ 1112 Deubler referierte über die Geschichte der Esperanto-Bewegung, deren Vorteile und Erfolge und forderte schließlich explizit: „Es muß versucht werden, auch in Bamberg eine Ortsgruppe der Esperantisten ins Leben zu rufen.“ 1113 Einen Entscheidungsspielraum gab es dabei für das sozialistische Milieu nicht, sondern die Gründung war bereits in die Wege geleitet und von vornherein festgelegt: ein abgekartetes Spiel. 1114 Weder das mangelnde Interesse, noch die fehlende Eigeninitiative oder der unzureichende Bedarf einer separaten Organisation verhinderten die Konstituierung. 1115 Am Sonntag, den 27. September 1925, wurde planmäßig der „Arbeiter-Esperanto-Bund, Ortsgruppe Bamberg“ ins Leben gerufen. 1116 Zwei Wochen später startete man mit dem ersten Sprachkurs in der Gastwirtschaft „Klosterhof“ am Markusplatz. 1117 Ankündigungen für Vereinsmitglieder erfolgten selbstverständlich auf Esperanto: „Laborista Esperantista Asocio Bamberg. Sabato vespere post la kurso kunveno en Restoracia Klosterhof“, 1118 lautete
Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 47; Sikosek, Marcus: Die neutrale Sprache. Eine politische Geschichte des Esperanto-Weltbundes. Bydgoszcz 2006, S. 34–39. 1101 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 47. 1102 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 47; Sikosek, Sprache, S. 39 f. 1103 Vgl. Heft zum Deutschen Esperanto-Kongress 1966 in Bamberg, StadtABa, BS, Nr. 69533–13; Starke, Andreas/Grötzner, Armin/Haase, Martin u. a.: Esperanto Bamberg 1908–2008. Bamberg 2008, S. 11–14, 17. 1104 Vgl. Heft zum Deutschen Esperanto-Kongress 1966 in Bamberg, StadtABa, BS, Nr. 69533–13. 1105 Vgl. SO v. 15. 4.1921, Nr. 87; FS v. 23. 5.1924, Nr. 119; Heft zum Deutschen Esperanto-Kongress 1966 in Bamberg, StadtABa, BS, Nr. 69533–13. 1106 Vgl. FS v. 7.10.1922, Nr. 231; FS v. 23. 5.1924, Nr. 119. 1107 Vgl. FS v. 23. 5.1924, Nr. 119; FS v. 11.10.1924, Nr. 236. 1108 Vgl. Heft zum Deutschen Esperanto-Kongress 1966 in Bamberg, StadtABa, BS, Nr. 69533–13. 1109 Vgl. FS v. 8. 9.1925, Nr. 204; FS v. 10. 9.1925, Nr. 206; FS v. 17. 9.1925, Nr. 212; Sikosek, Sprache, S. 97–99. 1110 Vgl. FS v. 8. 9.1925, Nr. 204; FS v. 10. 9.1925, Nr. 206; FS v. 17. 9.1925, Nr. 212; NV v. 14. 4.1928, Nr. 86. 1111 FS v. 10. 9.1925, Nr. 206; vgl. FS v. 8. 9.1925, Nr. 204. 1112 FS v. 17. 9.1925, Nr. 212. 1113 FS v. 17. 9.1925, Nr. 212. 1114 Vgl. FS v. 26. 9.1925, Nr. 220. 1115 Vgl. FS v. 26. 9.1925, Nr. 220. 1116 Vgl. FS v. 26. 9.1925, Nr. 220; FS v. 6. 4.1926, Nr. 77. 1117 Vgl. FS v. 2.10.1925, Nr. 225; FS v. 5.10.1925, Nr. 227; FS v. 8.10.1925, Nr. 230; FS v. 6. 4.1926, Nr. 77. 1118 FS v. 30.10.1925, Nr. 249; vgl. FS v. 1.10.1927, Nr. 226. 1100
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Das sozialistische Organisationsmilieu
eine Versammlungseinladung. Als Vorsitzender fungierte der Schreiner Gustav Müller, der auch die Freie Turnerschaft und das Arbeitersportkartell leitete. 1119 Im Freistaat bemühte man sich, den neuen Verein publik zu machen und Mitglieder zu gewinnen. 1120 In Artikeln wie „Was ist Esperanto?“ 1121 oder „Wer soll Esperanto lernen?“ 1122 bewarb man die Sprache als „eine Hilfssprache, die für jedermann leicht erlernbar“ 1123 sei und insbesondere dem Arbeiter die Möglichkeit eröffne, „mit Gleichgesinnten anderer Länder in Gedankenaustausch zu treten.“ 1124 Die Anstrengungen zahlten sich insoweit aus, dass 1926 und 1927 weitere Lehrgänge für Anfänger folgten und somit einige Milieuangehörige die Sprache erlernten. 1125 Zum Selbstläufer wurde die Esperanto-Bewegung im sozialistischen Milieu dennoch nicht, denn nur die erhöhte Anzeigenwerbung in der Presse sicherte das Zustandekommen der Kurse. 1126 Bevor der Verein am 15. September 1926 mit dem Unterricht begann, wurde mindestens viermal im Freistaat die gleichlautende Annonce unter dem Schlagwort „Arbeiter, lernt Esperanto!“ 1127 geschaltet. Dies deutet darauf hin, dass der Verein in Bamberg nicht richtig Fuß fassen konnte und nur mäßigen Zulauf hatte. Tatsächlich endeten nach einem letzten Aufruf zum Kursabend im Oktober 1927 die Aktivitäten der Ortsgruppe. 1128 Weitere Unterrichtsstunden wurden nicht mehr bekannt gegeben. Als ein Jahr später Esperanto in der Bamberger SPD-Zeitung thematisiert wurde, verfasste der Vorsitzende des Bayerischen Esperanto-Verbandes eine Stellungnahme. 1129 Einen Vorsitzenden des Bamberger Arbeiter-Esperanto-Bundes gab es wohl nicht mehr.
Hinweise auf ein erneutes Wirken des linken Vereins in der Regnitzstadt fehlen bis 1933. 1130 Stattdessen reihten sich die hiesigen Anhänger der Weltsprache wieder in den bürgerlichen Verein unter Otto Reber ein, der 1929 in Bamberg eine Tagung organisierte und zusammen mit dem Verkehrs- und Verschönerungsverein einen Stadtführer auf Esperanto herausbrachte. 1131 Der Freistaat veröffentlichte fortan dessen Berichte zur Jahreshauptversammlung. 1132 Es hatte sich erwiesen, dass von außen gesteuerte Gründungen nicht automatisch auf Widerhall im sozialistischen Milieu stießen. Die lokalspezifische Tradition der linken, demokratischen und bürgerlichen Zusammenarbeit setzte sich im Bereich der Bildung während der Weimarer Republik fort. Dieses Bündnis war stabil, da beim Erlernen der Sprache parteipolitische Unterschiede keine Rolle spielten und das Studium des Esperantos nicht mit sozialistischen Spezifika oder Regeln wie bei der Arbeitersportbewegung überlagert wurde. Darüber hinaus begünstigte die Bamberger Konstellation der fragmentierten Gesellschaft den milieuübergreifenden Zusammenhalt in Bamberg. 1133 Lediglich die NSDAP hetzte bei Veranstaltungen gegen die Kunstsprache der Völkerverständigung. 1134 Auf einer Versammlung der Nationalsozialisten 1928 in Bamberg kritisierte Mathilde Ludendorff die Weltsprache, woraufhin der bürgerliche Esperantoverband eine Gegendarstellung im Freistaat veröffentlichte. 1135 Außerdem hoben die sozialdemokratischen Redakteure kritisch hervor, dass der Stadtrat Bamberg dem Esperanto-Verein die unentgeltliche Nutzung der Schulsäle versag-
Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 6. 4.1926, Nr. 77; FS v. 1.10.1927, Nr. 226. 1120 Vgl. FS v. 15. 3.1926, Nr. 61; FS v. 6. 4.1926, Nr. 77. 1121 FS v. 15. 3.1926, Nr. 61. 1122 FS v. 6. 4.1926, Nr. 77. 1123 FS v. 15. 3.1926, Nr. 61. 1124 FS v. 6. 4.1926, Nr. 77. 1125 Vgl. FS v. 6. 4.1926, Nr. 77; FS v. 21. 4.1926, Nr. 90. 1126 Vgl. FS v. 19. 8.1926, Nr. 188; FS v. 23. 8.1926, Nr. 191; FS v. 6. 9.1926, Nr. 203; FS v. 13. 9.1926, Nr. 209. 1127 FS v. 19. 8.1926, Nr. 188; vgl. FS v. 23. 8.1926, Nr. 191; FS v. 6. 9.1926, Nr. 203; FS v. 13. 9.1926, Nr. 209. 1128 Vgl. FS v. 13.10.1927, Nr. 236; FS v. 8.12.1928, Nr. 283. 1129 Vgl. FS v. 8.12.1928, Nr. 283. 1130 Vgl. Kapitel 6.3.3; BT v. 8. 6.1933, Nr. 130. 1131 Vgl. FS v. 14. 2.1930, Nr. 37; Sikosek, Sprache, S. 99. 1132 Vgl. FS v. 14. 2.1930, Nr. 37. 1133 Vgl. FS v. 8.12.1928, Nr. 283. 1134 Vgl. FS v. 8.12.1928, Nr. 283. 1135 Vgl. FS v. 8.12.1928, Nr. 283. 1119
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Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus
te. 1136 Die Ausrichtung von Esperanto blieb in Bamberg ein kontrovers diskutiertes Feld. So forcierte die Sprache in der Domstadt weniger die angestrebte internationale proletarische Einheitsfront als die Kommunikation und Verständigung zwischen dem Arbeitermilieu und den liberalen-bürgerlichen Kreisen. 1137 In dieser Kombination gedieh Esperanto in Bamberg.
4.3.4 Die Volksbühne „In no part of Germany did the Volksbühne movement encounter so much difficulty as in the Free State of Bavaria.“ 1138 Zu diesem Fazit gelangte Cecil Davies in ihrer Monographie über den Verband der Deutschen Volksbühnen und deren Bewegung. 1139 Peter Lilje charakterisierte Bayern als „Problembezirk“ 1140 bei der Ausbreitung der Volksbühnenvereine. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass Bamberg nach München und Würzburg zu den ersten Organisationen in Bayern zählte. 1141 Im März 1927 wurde eine Versammlung im „Polarbräu“ einberufen zu dem „Zweck, die wirtschaftlich schwache Besucherschaft des hiesigen Stadttheaters zusammenzufassen und durch Einführung ermäßigter Preise dem Theater zu erhalten und wieder zuzuführen.“ 1142 Den Organisatoren war also daran gelegen, das Bamberger Stadttheater zu unterstützen und einen Ersatz für die im Oktober 1926 gescheiterten Gewerkschaftsvorstellungen zu schaffen. 1143 Viele Mitglieder des ADGB und des Kultur-
kartells verlangten weiterhin nach verbilligten Karten und einer erschwinglichen Möglichkeit, regelmäßig das Theater zu besuchen. 1144 Infolge der vergifteten Atmosphäre zwischen dem sozialistischen Milieu und dem Stadtrat bei diesem Thema traten nicht die Freien Gewerkschaften, sondern der liberale Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände als Hauptverantwortlicher auf. 1145 Dessen Bezirksgeschäftsführer, der Ingenieur Erhard Freier, wurde in Bamberg zum Vorsitzenden der Volksbühne gewählt. 1146 Offiziell betonte die Volksbühne auch in Bamberg gemäß ihrem Programm die politische Neutralität seit der Verbandsgründung 1920. 1147 So verkündete der Freistaat: „Die Volksbühne strebt die Vereinigung aller Bevölkerungsschichten an und soll es einem jeden ermöglichen, wenigstens einmal im Monat zu einem billigen Preise das Theater zu besuchen oder aber ein gutes Konzert zu hören. […] Je mehr Theaterliebhaber sich melden, desto billiger sind die Plätze. Voraussetzung ist jedoch völlige Neutralität in parteipolitischer und konfessioneller Hinsicht. Zweck ist Mitarbeit an der Bildung einer Volksgemeinschaft und dem Wiederaufbau der Gemeinschaftskultur. Der neutrale Gewerkschaftsring und dessen sachlich denkender Führer, Herr Freier, gibt Gewähr für diese Erziehungsarbeit im Dienste des Ganzen und unserer berühmten Bamberger Bühne.“ 1148
Vgl. FS v. 27. 4.1927, Nr. 95. Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 47 f.; Sikosek, Sprache, S. 97–99. 1138 Davies, Cecil: The Volksbühne movement. A History. Amsterdam 2000, S. 156. 1139 Vgl. Davies, Volksbühne, S. 156. 1140 Lilje, Peter: Der Verband der Deutschen Volksbühnenvereine. In: Arbeitersänger und Volksbühnen in der Weimarer Republik (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 3). Hg. v. P. Lösche. Bonn 1992, S. 299. 1141 Vgl. Davies, Volksbühne, S. 156 f. Die Volksbühne München wurde bereits 1914 gegründet. Würzburg folgte 1925, wohingegen der Volksbühnenverein Schweinfurt im selben Jahr scheiterte. Die Bamberger Volksbühne entstand während der Gründungswelle 1926/27, als Fürth, Erlangen, Peißenberg, Penzberg und Weilheim entsprechende Organisationen ins Leben riefen. Davies nannte für Bamberg 1926 als Gründungsdatum, diese Zahl muss jedoch korrigiert werden, denn erst im Frühjahr 1927 wurde die Volksbühne in Bamberg konstituiert. Vgl. FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 14. 5.1927, Nr. 110; FS v. 21. 5.1927, Nr. 116. 1142 FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. Die Brauerei „Polarbär“ befand sich in der Judenstraße 7. Vgl. Fiedler, Bamberg, S. 198–202. 1143 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 21. 5.1927, Nr. 116; FS v. 30. 8.1927, Nr. 198. Zum Scheitern der Gewerkschaftsvorstellungen vgl. das Kapitel 3.2.5 zur Kommunalpolitik der SPD. 1144 Vgl. FS v. 30. 8.1927, Nr. 198. 1145 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 6.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; FS v. 22. 9.1926, Nr. 217; FS v. 7.10.1926, Nr. 230; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; Lilje, Verband, S. 318, 324; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 300. 1146 Vgl. FS v. 2.11.1925, Nr. 251; FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 29. 9.1927, Nr. 224; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 1147 Vgl. FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; Lilje, Verband, S. 257–259. 1148 FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 300. 1136 1137
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Allerdings zeigte bereits die starke Werbetätigkeit im sozialistischen Milieu, dass die Volksbühne keineswegs völlig unparteiisch und wertfrei war. 1149 Beispielsweise forderte die Jugend-Stimme den Eintritt der Arbeiterjugend in den neuen Theaterverein. 1150 Anmeldungen erfolgten, abgesehen von den liberalen Arbeitnehmervertretungen, bei den Freien Gewerkschaften und im Freistaat-Verlag. 1151 Darüber hinaus spiegelte die Auswahl der Stücke die links-demokratische Haltung der Volksbühne wider. 1152 In Bamberg wurden den Mitgliedern 1928 sowohl das sozialkritische Drama „Der Biberpelz“ von Gerhard Hauptmann als auch das Antikriegsstück „Das Grabmal des unbekannten Soldaten“ des Franzosen Paul Raynal geboten. 1153 Explizit wies die Ankündigung des letztgenannten Schauspiels in der linken Presse darauf hin, dass die Tragödie „von der reaktionären Spießergesellschaft“ 1154 abgelehnt und zensiert worden war. Die Vorführung und der Besuch des Weltkriegsdramas wurden so zum politischen Statement. Ansonsten beinhaltete das Programm vor allem Künstler, die dem kulturellen Bildungsanspruch der Volksbühne entsprachen: Friedrich Schiller, William Shakespeare, Gioachino Rossini, Oskar Wilde und Wolfgang Amadeus Mozart. 1155 Diese Auswahl deckte sich mit dem bürgerlichen Kulturverständnis. Der Zusammenschluss der freiheitlich-republikanischen und sozialistischen Kreise zur Volksbühne entpuppte sich als Progress in Bamberg. 1156 Während in der ersten Spielzeit monatlich nur ein
Stück gezeigt wurde, konnten die Mitglieder ab 1928 zwischen einem ein- oder zweimaligen Besuch pro Monat wählen. 1157 Außerdem wurden die Theater- und Opernaufführungen im Sommer um Symphoniekonzerte und Freilichtspiele in der Alten Hofhaltung ergänzt. 1158 Genaue Mitgliederzahlen veröffentlichte man nicht, doch sprach der Freistaat im Zusammenhang mit der Steigerung der Aufführungen von einem Zuwachs um 500 Abonnenten. 1159 Demnach könnte Bamberg ähnlich wie Würzburg um die 1.000 Mitglieder gezählt haben. 1160 Dies erlaubte es dem Verein, einmal jährlich, am Ende der Spielsaison, eine Benefizvorstellung zu organisieren und dadurch zur Erhaltung des Stadttheaters beizutragen. 1161 Interne Differenzen mit einer kommunistischen Opposition gab es in Bamberg im Unterschied zu anderen Städten wie Schweinfurt nicht. 1162 Durch die geringe Radikalisierung des sozialistischen Milieus funktionierte die „Kulturgemeinschaft“ 1163 problemlos. 1164 Die Führung der liberalen Gewerkschaften bot einen Schutzschild vor antisozialistischen Maßnahmen, sodass nach dem Abbruch der Gewerkschaftsvorstellungen keine neuen Konflikte aufbrachen. Gemeinsame Theaterbesuche waren integraler Bestandteil der Arbeiterkultur in Bamberg. Durch die Volksbühne waren seit 1927 Bildung, Kunst, Kultur und Theater als Freizeitbeschäftigung garantiert.
Vgl. FS v. 14. 5.1927, Nr. 110; FS v. 21. 5.1927, Nr. 116; FS v. 19. 8.1927, Nr. 189; FS v. 23. 8.1927, Nr. 192; FS v. 30. 8.1927, Nr. 198; FS v. 24. 9.1927, Nr. 220; FS v. 29. 9.1927, Nr. 224. 1150 Vgl. JS v. 2.1927, Nr. 2: „Die Jugend muß sich in den Apparat der Volksbühnenbewegung einordnen. Besonders die proletarische Jugend muß das tun, um eigenes Kunstverständnis zu bekommen. So wird das Theater seine Aufgabe erfüllen, zur Befreiung der Kultur beizutragen. Darum hinein in die Volksbühne, und das Theater wird der Jugend gehören!“; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 296 f. 1151 Vgl. FS v. 14. 5.1927, Nr. 110; FS v. 21. 5.1927, Nr. 116; FS v. 19. 8.1927, Nr. 189; FS v. 23. 8.1927, Nr. 192; FS v. 30. 8.1927, Nr. 198; FS v. 24. 9.1927, Nr. 220; FS v. 29. 9.1927, Nr. 224. 1152 Vgl. Lilje, Verband, S. 278 f. 1153 Vgl. FS v. 30.1.1928, Nr. 24; FS v. 16. 4.1928, Nr. 87; Winkler, Schein, S. 716 f.; Lilje, Verband, S. 277–279; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 322 f. 1154 FS v. 19. 4.1928, Nr. 90. 1155 Vgl. FS v. 24. 4.1928, Nr. 94; FS v. 14.12.1927, Nr. 288; FS v. 1. 9. 1928, Nr. 200; FS v. 1.10.1928, Nr. 225; FS v. 2.1.1930, Nr. 1; Lilje, Verband, S. 254–257. 1156 Vgl. FS v. 7. 7.1928, Nr. 153; FS v. 31. 8.1928, Nr. 199; FS v. 1. 9.1928, Nr. 200; FS v. 24. 9.1930, Nr. 219; FS v. 1.10.1931, Nr. 224. 1157 Vgl. FS v. 21. 3.1927, Nr. 65; FS v. 14. 5.1927, Nr. 110; FS v. 1. 9.1928, Nr. 200. 1158 Vgl. FS v. 30.1.1928, Nr. 24; FS v. 7. 7.1928, Nr. 153; Lilje, Verband, S. 278–280; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 297 f. 1159 Vgl. FS v. 29. 9.1927, Nr. 224. 1160 Vgl. FS v. 29. 9.1927, Nr. 224; Lilje, Verband, S. 280; Davies, Volksbühne, S. 157. 1161 Vgl. FS v. 24. 4.1928, Nr. 94; FS v. 11. 3.1929, Nr. 59; Lilje, Verband, S. 281. 1162 Vgl. Lagebericht v. 4. 8.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 733; Scherer, Herbert: Die Volksbühnenbewegung und ihre interne Opposition in der Weimarer Republik. In: AfS 14 (1974), S. 213–251; Lilje, Volksbühne, S. 321 f. 1163 FS v. 14. 5.1927, Nr. 110. 1164 Vgl. FS v. 1. 9. 1928, Nr. 200; FS v. 28.1.1931, Nr. 22; FS v. 1.10.1931, Nr. 224; Lilje, Verband, S. 258. 1149
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Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus
4.3.5 Freidenker und Feuerbestattung Für den radikalen Schritt des Kirchenaustritts entschied sich in der religiös geprägten Stadt nur eine Minderheit innerhalb der Bevölkerung und Arbeiterbewegung. 1165 139 Personen wählten 1925 in der lokalen Einwohner-Statistik weder die Angabe Katholik, Protestant oder Israelit, sondern die Kategorie „Sonstige“. 1166 Dies entsprach einem Anteil an der Gesamteinwohnerschaft von 0,3 %, wobei auch noch Christen anderer Kirchen und weitere Religionen in diese Kategorie fielen. 1167 Der Kreis der linken Freidenker war folglich in Bamberg nicht größer als etwa 100 Personen. 1168 Diese waren Anfang der Weimarer Republik im Zentralverband proletarischer Freidenker organisiert, der ab 1922 zur Gemeinschaft proletarischer Freidenker wurde. 1169 Die meisten von ihnen wohnten während der Weimarer Republik in der Inselstadt (Distrikt I) oder in der Wunderburg (Distrikt V). 1170 Allerdings zeichneten sich gerade diese Personen durch eine besonders konsequente weltanschauliche Haltung aus und glaubten fest an eine neue sozialistische Zukunft. 1171 Für sie bedeuteten die Arbeitervereine nicht nur Freizeitbeschäftigung unter Gleichgesinn-
ten, sondern das Organisationsmilieu war ihre linke Gegenwelt. 1172 Den Bruch mit der Kirche und die Abkehr von tradierten Gesellschaftsformen vollzogen daher in Bamberg vor allem Linksradikale und Arbeiterführer. 1173 Ihre Gesinnung war allseits bekannt und sie hatten keine weiteren Anfeindungen zu fürchten. 1174 Freidenkertum und Kommunismus bildeten daher in Bamberg eine große Schnittmenge aus. 1175 Der Jurist Josef Dietz war bereits 1920 aus der Kirche ausgetreten, Alex Barth hatte sich 1928 abgemeldet, Anton Nossol folgte 1931 und ebenso zählten Otto Geyer, Josef Pfaff und Andreas Heller zu den Dissidenten. 1176 Von Seiten der SPD hatten sich Josef Dennstädt, Magdalena Wirthmann, Georg Bittel und Alexander Zwiebel formal von der Kirche losgesagt. 1177 Folglich gingen Freidenkerversammlungen in Bamberg oftmals mit KPD- bzw. KPO-Versammlungen Hand in Hand und waren kaum voneinander zu unterscheiden. 1178 Im Februar 1921 wurde beispielsweise diese Anzeige veröffentlicht:
Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 401,1. Berlin 1930, S. 371; Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 451,3, S. 57; Wunderer, Arbeitervereine, S. 62. 1166 Vgl. Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007; siehe auch Kapitel 2.1 zur Konfessionsstruktur und Tabelle 8 im Anhang. 1167 Vgl. Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007. 1168 Vgl. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 401,1. Berlin 1930, S. 371; Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 451,3, S. 57. 1169 Vgl. Versammlungsankündigung des Zentralverbandes deutscher Freidenker zum 25.1.1911 durch Josef Pfaff, StadtABa, C 2, Nr. 11966; Eingabe der Gemeinschaft proletarischer Freidenker Bamberg an den Stadtrat Bamberg v. 19. 9. 1924, StadtABa, C 2, Nr. 4183. 1170 Vgl. Einwohner-Statistik der Stadt Bamberg, StadtABa, C 2, Nr. 53007; Tabelle 8 im Anhang. 1925 entfielen von insgesamt 139 Personen der Konfessionskategorie „Sonstige“ 58 auf den Distrikt I und 30 auf den Distrikt V. 1171 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 67; Winkler, Schein, S. 158. 1172 Vgl. Walter, Hochburg, S. 141. 1173 Vgl. Lagebericht v. 3. 8.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 661; Lagebericht v. 4. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 784; NZA v. 30. 6.1931, Nr. 96; Winkler, Schein, S. 158. 1174 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 67. 1175 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 2.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1849; NV v. 5. 3.1927, Nr. 54; NZA v. 26. 5.1930, Nr. 119; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; Winkler, Schein, S. 158; Der rote Schweinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. Die enge Bindung zwischen KPD und Freidenkertum wurde auch in anderen bayerischen Städten von der Forschung konstatiert, beispielsweise für München. Vgl. Kaiser, Jochen-Christoph: Arbeiterbewegung und organisierte Religionskritik. Proletarische Freidenkerverbände in Kaiserreich und Weimarer Republik (= Industrielle Welt, Bd. 32). Stuttgart 1981, S. 251. 1176 Vgl. Einwohnermeldekarte Josef Dietz, StadtABa, C 9, Nr. 58b; Einwohnermeldekarte Alex Barth, StadtABa, C 9, Nr. 58b; Einwohnermeldekarte Anton Nossol, StadtABa, C 9, Nr. 58b; Einwohnermeldekarte Andreas Heller, StadtABa, C 9, Nr. 58a; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174; Versammlungsanzeigen von Josef Pfaff an den Stadtmagistrat Bamberg v. 8. 1.1908 und v. 25.10.1908, StadtABa, C 2, Nr. 3933; NZA v. 26. 5.1930, Nr. 119; Schneider/Schwarz/ Schwarz, Rechtsanwälte, S. 111 f. 1177 Vgl. Einwohnermeldekarte Josef Dennstädt, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Johann und Magdalena Wirthmann, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Georg Bittel, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Alexander Zwiebel, StadtABa, C 9, Nr. 58a. 1178 Vgl. Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104; Lagebericht v. 3. 8.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 661; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 1165
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Das sozialistische Organisationsmilieu
„Vereinigte Kommunist. Partei Deutschlands Sektion der III. Internationale – Ortsgruppe Bamberg Donnerstag, den 10. Febr. abends ½ 8 Uhr im Eckenbüttner-Saale öffentl. Volksversammlung. Referent: ehemal. Kapuzinerpater Amon, München. Thema: Christentum – Kommunismus. Hand- und Kopfarbeiter werden hierzu höflichst eingeladen. Die Ortsgruppenverwaltung.“ 1179
Hinter dieser KPD-Versammlung verbarg sich ein Vortrag über das Freidenkertum, bei dem der Referent Angriffe gegen die Kirche mit Kapitalismuskritik und den Ideen des Klassenkampfes verband. 1180 Zusätzlich bewarb Hans Amon sein Presseorgan Darwin, Zeitschrift für Belehrung und Aufklärung. 1181 Insgesamt erschienen etwa 800 Zuhörer, die größtenteils zwar nicht kommunistisch gesinnt waren, doch die KPD besetzte damit erfolgreich das Themenfeld des Freidenkertums und mobilisierte in diesem Zusammenhang für Bamberger Verhältnisse überdurchschnittlich viele Zuhörer. 1182 1925 zeigte sich wiederum die enge Beziehung zwischen der KPD und den Freidenkern in Bamberg, als Professor Dr. Theodor Hartwig, der Präsident der Internationale proletarischer Freidenker, in Bamberg zum Thema „Wissenschaft und Religion“ sprach. 1183 Da die genannte länderübergreifende Organisation seit ihrer Gründung revolutionär und klassenkämpferisch ausgerichtet war, stand auch sein Vortrag in enger Verbindung zur KPD. 1184 So vermerkte die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth in ihrem Lagebericht:
„Bemerkenswert ist, daß Prof. Hartwig für seine Vorträge ausschließlich Städte wählte, die eine größere kommunistische Ortsgruppe aufweisen, bezw. deren Ortsgruppe der GPF. [Gemeinschaft proletarischer Freidenker] sich im Fahrwasser der KPD. befindet.“ 1185
Aufrufe, Anzeigen und Berichte der Freidenker wurden demnach für Bamberg vor allem in den kommunistischen Presseorganen veröffentlicht. 1186 So warb auch der Verein für Freidenker und Feuerbestattung 1925 in der Neuen Zeitung um Mitglieder unter Hinweis auf „Uebernahme der gesamten Bestattungskosten einschl. aller Nebengebühren und Transportkosten zum Krematorium auf jede Entfernung“ 1187. Als Verantwortlicher für Informationen und Aufnahmen wurde für die Regnitzstadt Andreas Heller in der Hüttenfeldstraße angeführt. 1188 Außerdem riefen die Nordbayerische Volkszeitung und die Neue Zeitung wiederholt zur Abmeldung der Kinder aus dem Religionsunterricht auf: „Achtung! Eltern! Achtung! Heute, den 15. Februar, ist letzter Tag für die Schuleinschreibung. Kein Arbeiter, keine Proletarierin schreibe seine Kinder in die katholische Schule ein. Religion ist Gift für die Werktätigen. Darum heraus mit den Kindern aus dem Religionsunterricht! Jeder klassenbewußte Arbeiter meldet, wenn das noch nicht geschehen ist, noch morgen seine Kinder vom Religionsunterricht ab. Heraus aus der Kirche, die nur als Verdummung und Unterdrückungsinstrument für das Kapital dient!“ 1189
Anzeige zur Volksversammlung am 10. 2.1921, AEB, Rep. 60 18.1, Nr. 40.00/2. Vgl. Sonderbericht zur öffentlichen Versammlung der KPD am 10. 2.1921, AEB, Rep. 60 18.1, Nr. 40.00/2; Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104. 1181 Vgl. Sonderbericht zur öffentlichen Versammlung der KPD am 10. 2.1921, AEB, Rep. 60 18.1, Nr. 40.00/2; Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104. 1182 Vgl. Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104. 1183 Vgl. Lagebericht v. 3. 8.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 661; Kaiser, Arbeiterbewegung, S. 187–230. 1184 Vgl. Kaiser, Arbeiterbewegung, S. 187–197. 1185 Lagebericht v. 3. 8.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 661. 1186 Vgl. NZ v. 21.11.1925, Nr. 201; NZ v. 28.11.1925, Nr. 215; NV v. 5. 3.1927, Nr. 54; NV v. 20. 4.1927, Nr. 91; NV v. 15. 2.1928, Nr. 37; NV v. 23. 4.1928, Nr. 93; NZA v. 26. 5.1930, Nr. 119; NZA v. 30. 6.1931, Nr. 96; Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Der rote Scheinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 1187 NZ v. 21.11.1925, Nr. 201. 1188 Vgl. NZ v. 21.11.1925, Nr. 201; NZ v. 28.11.1925, Nr. 215; Einwohnermeldekarte Andreas Heller, StadtABa, C 9, Nr. 58a. Fälschlicherweise druckte die Neue Zeitung als Namen „A. Helle“ statt „A. Heller“ in der Hüttenfeldstraße 9 ab. 1189 NV v. 15. 2.1928, Nr. 37; vgl. NV v. 20. 4.1927, Nr. 91; NZA v. 15. 4.1931, Nr. 58. 1179
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Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus
Dieselbe Linie vertrat auch die kommunistische Lokalzeitung Der rote Scheinwerfer, der seine Leserschaft dazu aufrief, sich „vom kirchlichen Geiste“ 1190 zu befreien und zugleich den Kirchenaustritt und die Feuerbestattung propagierte. 1191 Diese Haltung führte 1932 zur Beschlagnahmung des KPOOrgans, da in einem abgedruckten Gedicht „Was ist gottlos?“ 1192 angeblich der Papst, die Priester, die Kirchen und Reichskanzler Brüning (Zentrum) beleidigt und lächerlich gemacht wurden. 1193 Im Gegensatz zu den kommunistischen Zeitungen vertrat der Freistaat keine rigorose und eindeutige Position in der Frage des Kirchenaustritts und Freidenkertums. 1194 Zwar wurden auch in der SPDZeitung Freidenkerversammlungen angekündigt, religionskritische Schriften beworben und Vorlagen zur Abmeldung aus dem Religionsunterricht abgedruckt, doch wehrte man sich zugleich vehement gegen die Stigmatisierung als „religionsfeindliche […] Sozialdemokraten“ 1195 durch das Bamberger Volksblatt. 1196 Stattdessen betonte ein Artikel 1926, dass „in den Reihen der Sozialdemokraten zum mindesten ebensoviel religiöses Empfinden vorhanden […] [sei], als es von den anderen geheuchelt […] [würde].“ 1197 Als Beweis diente ein Aufmarsch am Staffelberg, bei dem die Bamberger Sozialdemokraten zufällig Wallfahrern begegnet waren und ihre Hüte abgenommen hatten, um der Prozession Respekt zu zollen. 1198 Für viele SPD-Mitglieder gehörte der sonntägliche Gottesdienstbesuch zum wöchentlichen Ritual. 1199 Anders als beispielsweise
in Leipzig glich die Sozialdemokratie Bambergs keiner zweiten Freidenkerorganisation. 1200 Sozialdemokratisch zu wählen und dennoch der katholischen Kirche anzugehören, stellte für viele Parteimitglieder in der Regnitzstadt keinen Widerspruch dar. 1201 Entsprechend der offiziellen Parteilinie war man zwar religionskritisch, aber in Glaubensfragen zurückhaltend, tolerant und wenig freidenkerisch. 1202 Anders war dies beim Thema der Feuerbestattung. Der Freistaat setzte sich vehement für diese Art der Bestattung als kostengünstige Alternative zur Beerdigung ein und führte aus: „Die Katholiken also, die sich verbrennen lassen wollen, können beruhigt sein und den Worten Christi vertrauen, daß er die Seinen wird zu finden wissen.“ 1203 Darüber hinaus annoncierte regelmäßig die Feuerbestattungskasse „Flamme“ im Freistaat, die ihren Mitgliedern durch regelmäßige Beiträge die Einäscherungen finanzierte und den Kirchenaustritt nicht zur Bedingung erhob. 1204 Das Motto der Organisation lautete: „Proletarisch gelebt, proletarisch gestorben und dem Kulturfortschritt entsprechend eingeäschert“ 1205 – der ideale Lebensweg für die Mitglieder des Arbeitermilieus. Wie viele Milieuangehörige tatsächlich diese Option während der Weimarer Republik wählten, wurde jedoch nicht festgehalten. Insgesamt blieb das Freidenkertum in Bamberg während der gesamten Weimarer Republik ein heikles und höchst umstrittenes Thema. 1206 Zur Abmeldung aus der Kirche wurde von der Stadt eine
Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835. 1192 Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 1193 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1. 5.1932, StadtABa, BS, Nr. 2835; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 9. 5.1932, StABa, K 3/1967, Nr. 4962. 1194 Vgl. FS v. 30. 6.1926, Nr. 145; FS v. 17.7.1926, Nr. 160; FS v. 28. 7.1927, Nr. 171; Wunderer, Arbeitervereine, S. 143 f. 1195 FS v. 30. 6.1926, Nr. 145. 1196 Vgl. FS v. 22.1.1931, Nr. 17; FS v. 30. 7.1931, Nr. 171. 1197 FS v. 30. 6.1926, Nr. 145. 1198 Vgl. FS v. 30. 6.1926, Nr. 145. 1199 Vgl. NV v. 22. 8.1929, Nr. 193. 1200 Vgl. Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 202. 1201 Vgl. Einwohnermeldekarte Michael Dräßel, StadtABa, C 9, Nr. 58; Entschädigungsakte Michael Dräßel, 15. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 782. Die Entschädigungsakte von Michael Dräßel wurde fälschlicherweise mit dem Geburtsdatum 15. 7.1891 versehen; Michael Dräßel wurde aber am 17.1.1891 geboren und starb am 15. 7.1954. Spruchkammerakt Georg Waller, 19.12.1887, StABa, Akten der Spruchkammer III, Bamberg-Stadt, Nr. W 49. Die Spruchkammerakten für Bamberg waren zum Zeitpunkt der Bearbeitung im Staatsarchiv Coburg ausgelagert und wurden dort eingesehen. 1202 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 143. 1203 FS v. 9. 3.1929, Nr. 58. Zum Aspekt der Feuerbestattung vgl. Kaiser, Arbeiterbewegung, S. 54–80. 1204 Vgl. FS v. 17. 7.1926, Nr. 160; FS v. 2. 9.1926, Nr. 200; FS v. 29.10.1926, Nr. 249; FS v. 27.1.1927, Nr. 21; Winkler, Schein, S. 128. 1205 Zit. n. Winkler, Schein, S. 128. 1206 Vgl. FS v. 5. 7.1926, Nr. 149; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 17. 6.1931, StABa, K 3/ 1967, Nr. 4855; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855. 1190 1191
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Gebühr von fünf Mark erhoben, wohingegen andere Städte wie Amberg, Würzburg oder München wesentlich geringere Bearbeitungssätze von höchstens einer Mark berechneten. 1207 Die Bamberger Ortsgruppe der Gemeinschaft proletarischer Freidenker wehrte sich gegen diese Verwaltungspraxis und richtete 1924 folgende Eingabe an den Stadtrat: „Es ist einleuchtend, dass für unbemittelte Bevölkerungsschichten, speziell haben wir hier den ständig von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeiterstand im Auge, eine Gebühr in solcher Höhe genau so wirken muss, wie ein Verbot des Kirchenaustritts. Eine Erschwerung des Austritts aus den verschiedenen Religionsgesellschaften ist nach der Reichsverfassung unzulässig. Wohl wissen wir, dass rechtlich die Stadt Bamberg in der Lage ist, Gebühren in oben angegebener Höhe auch von Mittellosen zu fordern. […] Der Bamberger Satz dürfte aber nirgends mehr angetroffen werden. Wir bitten somit den verehrlichen Stadtrat der Angelegenheit seine Aufmerksamkeit zu schenken und eine billige gerechte Regelung zu treffen.“ 1208
Zwar wurde das Thema anschließend tatsächlich im Verwaltungsausschuss behandelt – ohne jedoch eine Neuregelung zu schaffen. 1209 Man verwies lediglich auf das persönliche Recht der Bürger, gegebenenfalls Einspruch zu erheben und den Preis in begründeten Fällen individuell anzupassen. 1210 Religionsaustritte blieben somit durch die finanzielle Hürde erschwert. Zwei Jahre später führten Werbeplakate der Freidenker in Bamberg zu Auseinandersetzungen zwischen dem sozialistischen und dem katholischen Milieu. 1211 Im Stadtrat forderte die Bayerische
Volkspartei 1926 ein generelles Aufstellverbot solcher Schilder. 1212 Bürgermeister Weegmann schloss sich im Namen der Stadt dem kirchlichen Protest an, da er eine „beunruhigende Auswirkung“ 1213 und „eine Verletzung religiöser Gefühle 1214“ in der Bevölkerung befürchtete. Im Freistaat konterten die Freidenker: „Sind wir nicht auch Staatsbürger, denen die Verfassung das Recht der freien Willensund Meinungsäußerung gewährleistet?“ 1215 Rechtlich konnten die Behörden nicht gegen die Aufrufe vorgehen, doch die Stadt übte Druck auf die Werbefirma aus und vereitelte dadurch weitere Plakate freidenkerischen Inhalts. 1216 Obendrein durchsuchte die Polizei die Wohnungen bekannter Freidenker wie Otto Geyer und beschlagnahmte dabei Flugblätter des Freidenkerverbandes. 1217 Beeinträchtigt wurde auch die Versammlungspraxis, indem beispielsweise im November 1927 ein öffentlicher Vortrag des Verbands für Freidenkertum und Feuerbestattung im „Eckenbüttnersaal“ untersagt wurde, nachdem das Generalvikariat Bamberg Bedenken geäußert hatte. 1218 Aber nicht nur die Behörden und die Stadt erschwerten die Ausbreitung der Freidenkerbewegung, sondern auch andere Parteien richteten sich in Aktionen gegen diese. Insbesondere in den 1930er Jahren lösten Veranstaltungen der Freidenker politische Unruhen und Tumulte aus. 1219 Zwei größere Freidenker-Versammlungen im Sommer 1931 zogen etwa 150 Zuhörer an und wurden unter anderem von Otto Geyer einberufen. 1220 Während die erste Veranstaltung durch das Auftreten von Nationalsozialisten durchkreuzt wurde, störte zwei Monate später bei der Wiederholung der Präsentation die Bayernwacht die Ausführungen des Redners:
Vgl. Eingabe der Gemeinschaft proletarischer Freidenker Bamberg an den Stadtrat Bamberg v. 19. 9. 1924, StadtABa, C 2, Nr. 4183. Eingabe der Gemeinschaft proletarischer Freidenker Bamberg an den Stadtrat Bamberg v. 19. 9.1924, StadtABa, C 2, Nr. 4183. 1209 Vgl. Vermerk des Verwaltungsausschusses v. 7.10.1924, StadtABa, C 2, Nr. 4183. 1210 Vgl. Vermerk des Verwaltungsausschusses v. 7.10.1924, StadtABa, C 2, Nr. 4183. 1211 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 28. 6.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865; FS v. 1. 7.1926, Nr. 146; FS v. 5. 7.1926, Nr. 149. 1212 Vgl. FS v. 5. 7.1926, Nr. 149. 1213 FS v. 1. 7.1926, Nr. 149. 1214 FS v. 1. 7.1926, Nr. 149. 1215 FS v. 5. 7.1926, Nr. 149. 1216 Vgl. FS v. 1. 7.1926, Nr. 149. 1217 Vgl. Sonderbericht v. 21.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 790. 1218 Vgl. Schriftverkehr zum Vortrag des Verbandes für Freidenkertum und Feuerbestattung am 18.11.1927, StadtABa, C 2, Nr. 4274. 1219 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 16. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855. 1220 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 16. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855. 1207
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Kultur- und Bildungsorganisationen des sozialistischen Milieus
„Kaum hatte der Redner des Abends das Wort ergriffen u. mit Ausführungen über die gegenwärtige Lage und die Leistungen des Bayer. Staates an die Religionsgesellschaften begonnen, setzte ausgehend von den Mitgliedern der Bayernwacht (künftig BW) lebhafte Unruhe ein (Stühlerücken, laute gegenseitige Konversation, Zwischenrufe). Der Versammlungsleiter suchte wiederholt zu beschwichtigen, ebenso die Polizei, vergebens. Es nützte auch nichts, dass einige Schreier aus dem Saal entfernt wurden, der Redner konnte wegen des Lärms nicht zum Wort kommen.“ 1221
Schließlich kulminierte der Konflikt darin, dass die Bayernwacht ein religiöses Lied brüllte und „Hoch Christus“-Rufe ausstieß. 1222 Da die Versammlung der Freidenker zuvor genehmigt worden war, griff die Polizei ein und entfernte die Angehörigen der katholischen Wehrorganisation gewaltsam mit Gummiknütteln aus dem Saal. 1223 Erst danach konnten die Ausführungen über „Kirche und Freidenkertum“ beginnen, bei denen der Münchner Bezirksleiter des Freidenkerverbandes die konsequente Trennung von Kirche und Staat forderte und Kritik an der kirchlichen Haltung zum Krieg übte. 1224 Im Nachgang erboste sich das Bamberger Volksblatt über das Vorgehen der Polizei und deren Einsatz gegen die katholische Jugend: „Man kann nur den Kopf schütteln darüber, daß die Polizei der katholischen Bischofsstadt Bamberg mit dem Gummiknüttel auf die ideal gesinnte katholische Jugend einschlägt, die sich wehrt gegen frei-
denkerische Infamien, das Papstlied singt oder ein Hoch auf Christus ausbringt.“ 1225
Vor allem kritisierte die katholische Zeitung die staatliche Hilfe bei der Durchführung der Freidenkerversammlung und die Unterstützung für den Versammlungsleiter und Kommunisten Otto Geyer. 1226 Insofern stellte die Veranstaltung für die Freidenker Bambergs einen kleinen Sieg dar, denn man hatte das Recht der Versammlungsfreiheit 1931 trotz des massiven Widerstands beim zweiten Versuch durchgesetzt. 1227 Die enge Beziehung der Freidenker zum Kommunismus wirkte sich in Bamberg auch organisatorisch aus. Vor dem Ersten Weltkrieg war man im Zentralverband deutscher Freidenker organisiert. 1228 Als 1922 in Gelsenkirchen die Gemeinschaft proletarischer Freidenker gegründet wurde, schloss sich die Bamberger Ortsgruppe dieser kommunistischen Richtung an. 1229 Der Bamberger Zusammenschluss erlebte im Jahr 1923 eine Hochphase, als die proletarischen Freidenker eine eigene Jugendgruppe organisierten, die sich regelmäßig im „Nöth“ zu Vorträgen und Diskussionsabenden traf. 1230 Im Rahmen des KPD-Verbots zwischen 1923 und 1925 kamen jedoch die Aktivitäten zum Erliegen beziehungsweise wurden von den Behörden unterbunden, da hinter der Freidenkerorganisation eine Art „Ersatz-KPD“ vermutet wurde. 1231 In Bamberg etablierte sich daraufhin der Verein der Freidenker für Feuerbestattung unter dem Anarcho-Syndikalisten Andreas Heller, dessen Organisation eine gemäßigtere politische Linie vertrat. 1232
Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 16. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855. 1222 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855. 1223 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174. 1224 Vgl. FS v. 3. 8.1931, Nr. 174. 1225 BV v. 1. 8.1931, Nr. 174. 1226 Vgl. BV v. 1. 8.1931, Nr. 174. 1227 Vgl. FS v. 3. 8.1931, Nr. 174. 1228 Vgl. Versammlungsankündigung des Zentralverbandes deutscher Freidenker zum 25.1.1911 durch Josef Pfaff, StadtABa, C 2, Nr. 11966; Versammlungsanzeige des Zentralverbandes deutscher Freidenker zum 19. 7.1911, StadtABa, C 2, Nr. 11966; Kaiser, Arbeiterbewegung, S. 111. 1229 Vgl. FS v. 28. 5.1923, Nr. 119; Goch, Arbeiterbewegung, S. 330; Wunderer, Arbeitervereine, S. 62. 1230 Vgl. FS v. 28. 2.1923, Nr. 49; FS v. 28. 3.1923, Nr. 72; FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 20. 4.1923, Nr. 90; FS v. 4. 7.1923, Nr. 149; FS v. 1. 9.1923, Nr. 194; FS v. 1.10.1923, Nr. 219. 1231 Vgl. Lagebericht v. 11. 2.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 2; Kaiser, Arbeiterbewegung, S. 251. 1232 Vgl. NZ v. 21.11.1925, Nr. 201; NZ v. 28.11.1925, Nr. 215; Schriftverkehr zum Vortrag des Verbandes für Freidenkertum und Feuerbestattung am 18.11.1927, StadtABa, C 2, Nr. 4274; Goch, Arbeiterbewegung, S. 330; Wunderer, Arbeitervereine, S. 62. 1221
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Nach der Wiederzulassung der KPD 1925 bestanden beide Vereine und bekämpften sich auf Veranstaltungen nun gegenseitig. 1233 So nutzte beispielsweise der Verein der Freidenker für Feuerbestattung Veranstaltungen der Gemeinschaft proletarischer Freidenker im August 1925 aus, um Flugblätter zu verteilen. 1234 Die Spaltung der Arbeiterkultur war also in diesem Bereich schon Mitte der 1920er Jahre in Bamberg vorhanden und nahm im Prinzip die spätere Trennung der Partei in KPO und KPD vorweg. Durch die deutschlandweite Verschmelzung dieser beiden großen Freidenker-Vereinigungen 1927 schlossen sich auch in Bamberg alle Freidenker unter dem neuen Namen Verband für Freidenkertum und Feuerbestattung zusammen. 1235 Bis 1931 bildete die Ortsgruppe Bamberg ein festes Vereinsleben aus, das neben Versammlungen und Vorträgen auch Sonnwendfeiern – im Winter anstelle des Weihnachtsfestes – und Familienabende beinhaltete. 1236 Im Unterschied zum Beginn der 1920er Jahre entstand allerdings keine gesonderte Jugendgruppe mehr. Ähnlich wie die KPD in dieser Zeit waren die Freidenker in Bamberg ein stabiler und überschaubarer Kreis, der Anfang der Dreißigerjahre die allgemeine Umbenennung in Deutscher Freidenkerverband nachvollzog. 1237 Infolge der ultralinken Wende zerbrach die Einigkeit allerdings und im April 1931 formierte sich zunächst die Kampfgemeinschaft proletarischer Freidenker als linksradikale Alternative und Untergruppe innerhalb des Freidenkerverbandes. 1238 Die Neue Zeitung meldete diese, aus ihrer Sicht positive Entwicklung, mit folgenden Worten: „Proletarische Freidenker im Vormarsch. […] In Bamberg breitet sich die Opposition im DFV. [= Deutscher Freidenkerverband]
aus.“ 1239 Parallel zu Bamberg forcierten kommunistische Freidenker auch in anderen bayerischen Städten wie Hof, Kitzingen, Würzburg und Schweinfurt die Spaltung. 1240 Als nächster Schritt folgte ein halbes Jahr später die Verselbständigung der linkskommunistischen Freidenker in Bamberg zur Ortsgruppe des Verbandes proletarischer Freidenker. 1241 Damit hatte man noch vor Würzburg und Schweinfurt die kommunistische Sezession abgeschlossen. 1242 Als Gegenspieler des Verbandes proletarischer Freidenker agierte in der folgenden Zeit vor allem Otto Geyer (KPO) als Führungsfigur des Deutschen Freidenkerverbandes in Bamberg, in dem sich nun auch die aus der Kirche ausgetretenen Sozialdemokraten fanden. 1243 Die großen Versammlungen Anfang der 1930er Jahre dienten nicht nur dazu, dem katholischen Milieu und der NSDAP als äußere Gegner entgegenzutreten, sondern waren auch Ausdruck innerer kommunistischer Konflikte um die Vormacht unter den Freidenkern. 1244 Dabei scheint Otto Geyer mit seiner Organisation größeren Zulauf erhalten zu haben. 1245 Alles in allem stellten die Freidenker für das sozialistische Milieu in Bamberg einen Sonderfall dar, denn sie waren die einzige Arbeiterkulturorganisation, in der durchgängig die Kommunisten dominierten. Es ging nicht um die sozialdemokratische oder kommunistische Ausrichtung, sondern die linksradikale Dominanz war und blieb unangefochten. Die SPD spielte – ausnahmsweise – die untergeordnete Rolle und erlangte keinen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Bewegung. Die umstrittene Frage, ob gemäßigt-kommunistisch oder radikal-marxistisch, wurde entlang der parteilichen Konflikte ausgetragen und zog schließlich
Vgl. Lagebericht v. 3. 8.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 661. Vgl. Lagebericht v. 3. 8.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 661. 1235 Vgl. FS v. 29. 7.1927, Nr. 172; FS v. 2.12.1927, Nr. 278; Goch, Arbeiterbewegung, S. 330; Wunderer, Arbeitervereine, S. 63; Kaiser, Arbeiterbewegung, S. 172–181, 253 f. 1236 Vgl. FS v. 28. 7.1927, Nr. 171; FS v. 29. 7.1927, Nr. 172; FS v. 2.12.1927, Nr. 278; FS v. 4.1.1928, Nr. 3; FS v. 3.12.1928, Nr. 278; FS v. 12.1.1929, Nr. 10; FS v. 11.1.1930, Nr. 8. 1237 Vgl. FS v. 30. 7.1931, Nr. 171; Winkler, Schein, S. 159. 1238 Vgl. Lagebericht v. 4. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 784; Kaiser, Arbeiterbewegung, S. 261–263. 1239 NZA v. 30. 6.1931, Nr. 96. 1240 Vgl. Lagebericht v. 4. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 784. 1241 Vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791; Wunderer, Arbeitervereine, S. 156–160; Kaiser, Arbeiterbewegung, S. 264; Goch, Arbeiterbewegung, S. 330. 1242 Vgl. Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791. 1243 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; BV v. 1. 8.1931, Nr. 174. 1244 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 16. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855; NZA v. 30. 6.1931, Nr. 96. 1245 Vgl. FS v. 30. 7.1931, Nr. 171; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174. 1233
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Hilfs- und Wohlfahrtsvereine
die Spaltung nach sich. Freidenker in Bamberg zu sein, das war während der Weimarer Republik kei-
ne „normale“ Entscheidung der Milieuangehörigen, sondern ein rigoroser Entschluss einer Minorität.
4.4 Hilfs- und Wohlfahrtsvereine 4.4.1 Der Arbeiter-Samariter-Bund, Kolonne Bamberg Die Geschichte und Entwicklung der Kolonne Bamberg des Arbeiter-Samariter-Bundes während der Weimarer Republik wurde durch den Kampf um Anerkennung, Gleichberechtigung, Respekt und Förderung geprägt. 1246 Neben der Freiwilligen Sanitätskolonne des Deutschen Roten Kreuzes strebte der ASB eine ebenbürtige Stellung als Gesundheitsund Wohlfahrtsorganisation an. 1247 Dagegen formierte sich in Oberfranken und speziell in Bamberg gesellschaftlich, politisch und behördlicherseits enormer Widerstand. 1248 Den Anfang machte Hermann Freiherr von Gebsattel, der 1923, wenige Monate nach der Gründung, den ASB als Organisation der Roten Armee diskreditierte und im Speziellen versuchte, der Kolonne den Arzt streitig zu machen. 1249 Große Vorbehalte gegen die Hilfsorganisation der Arbeiterbewegung hegten ebenso der Stadtkommissar und die Regierung von Oberfranken, die in amtlichen Berichten unverhohlen ihre Ablehnung deutlich machten. 1250 Oberregierungsrat Fackelmann schrieb beispielsweise 1924:
„Ich glaube von jeher, daß die Arbeitersamariterkolonne Bamberg eine sozialistische und staatsfeindliche Tendenz hat. […] die Arbeitersamariterkolonne ist mir verdächtig, ich gehe darauf aus Material zu sammeln, um sie erneut zu verbieten. Deshalb ließ ich sie auch wieder einmal in der Öffentlichkeit auftreten und sorgte gleichzeitig, daß sie auf Schritt und Tritt überwacht wurde.“ 1251
In ähnlicher Weise missbilligte auch der Regierungspräsident Otto von Strößenreuther den ASB. Er empörte sich im selben Jahr darüber, dass ein Arzt in Coburg ein Foto zusammen mit den Arbeitersamaritern nicht verhindert hatte, denn „[…] er [hätte] wohl Mittel und Wege finden können, sich der gemeinschaftlichen Lichtbildaufnahme fernzuhalten.“ 1252 Des Weiteren tadelte er den Stadtkommissar Bambergs, eine Übung des ASB-Bamberg samt Marsch überhaupt gestattet zu haben. 1253 Statt Genehmigungen für den ASB zu erteilen, empfahl er eine möglichst intensive Tätigkeit und Förderung der Freiwilligen Sanitätskolonnen als Gegenmittel zur Ausdehnung des ASB. 1254 Auf kommunaler Ebene agierte in seinem Sinne der Stadtrat Bamberg gegen die linke Wohlfahrtsorga-
Vgl. FS v. 26.1.1923, Nr. 21; FS v. 30.1.1923, Nr. 24; FS v. 2. 2.1925, Nr. 26; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; Winkler, Schein, S. 126; Wunderer, Arbeitervereine, S. 52 f.; Labisch, Alfons: Der Arbeiter-Samariter-Bund 1888–1933. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeitersamariterbewegung. In: Arbeiterkultur (= Neue wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 104). Hg. v. G. A. Ritter. Königstein im Taunus 1979, S. 145–167; Hawerkamp, Hartwig: Beiträge zur Geschichte des Arbeiter-Samariter-Bundes von seiner Gründung (1888) bis zu seinem Verbot (1933) (= Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster, Reihe 5, Bd. 4). Münster 2012, S. 161–189. 1247 Vgl. Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Staatsministerium des Innern v. 1.10.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2586; Stadtratsprotokoll v. 10. 2.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; FS v. 1. 4.1931, Nr. 75; Müller, Wilhelm: Illustrierte Geschichte des Arbeiter-Samariter-Bundes. Köln 1998, S. 80; Hawerkamp, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 161 f. 1248 Vgl. FS v. 30.1.1923, Nr. 24; FS v. 18. 8.1923, Nr. 182; Stadtratsprotokoll v. 10. 2.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 1249 Vgl. FS v. 7.11.1922, Nr. 256; FS v. 30.1.1923, Nr. 24; Oberst, Freistaat, S. 247 f. 1250 Vgl. Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Staatsministerium des Innern v. 1.10.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2586; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 5.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1932. 1251 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 5.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1932. Fackelmann bezieht sich dabei auf das Verbot des ASB zwischen Oktober 1923 und August 1924. 1252 Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Staatsministerium des Innern v. 1.10.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2586. 1253 Vgl. Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an den Stadtkommissar Bamberg v. 8.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1932; Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an den Stadtkommissar Bamberg v. 13.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1932: „Zur Genehmigung eines geschlossenen Aufzuges für die Arbeiter-Samariter-Kolonne, sei es allein oder in Verbindung mit einer derartigen Übung (Übungsmarsch) besteht keine Veranlassung, dies umso weniger als die Übung, wie auch die am 12. ds. in Bayreuth stattgehabte Übung der oberfränkischen Samariterkolonnen gezeigt hat, recht gut ohne jeglichen geschlossenen An- oder Abmarsch durchgeführt werden können. Künftig ist also der Arbeiter-Samariter-Kolonne eine Genehmigung zu einem geschlossenen Aufzug nicht mehr zu erteilen.“ 1254 Vgl. Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an das Staatsministerium des Innern v. 1.10.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2586. 1246
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Das sozialistische Organisationsmilieu
nisation. 1255 Während man selbst in Notzeiten der Freiwilligen Sanitätskolonne Zuschüsse oder Darlehen für ihren Krankentransportwagen und einen Telefonanschluss gewährte, verweigerte das städtische Gremium dem ASB jegliche Unterstützung und finanzielle Zuwendung. 1256 Durch Hausdurchsuchungen versuchte man vor Ort die Mitglieder einzuschüchtern und Belege für rechtswidrige Aktionen zu finden. 1257 Die kompakte Frontstellung der Gegner verhinderte jedoch nicht die positive Entwicklung der Arbeiter-Samariter-Kolonne Bamberg, sondern stärkte mitunter die Organisation. 1258 Zwischen 60 und 120 Mitglieder zählte die Ortsgruppe einschließlich einer eigenen Jugendgruppe mit circa 25 Nachwuchskräften. 1259 Überdies wurde Bamberg 1930 zum Sitz der Bezirksleitung erhoben und stand den Ortsgruppen von Gaustadt, Hallstadt und Bischberg vor. 1260 Mehrere Merkmale zeichneten den ASB als einen typischen Arbeiterverein des sozialistischen Milieus in Bamberg aus: Erstens wurde der Bund vor Ort verhältnismäßig spät gegründet, nämlich erst im November 1922. 1261 Viele andere nordbayerische Städte hatten bereits im Kaiserreich oder in den ersten Jahren der Weimarer Republik Kolonnen geschaffen. 1262 In Nürnberg, Fürth und Erlangen war der ASB seit 1911 vertreten, Coburg hatte sich beispielsweise 1913 angeschlossen. 1263 Zweitens erfolgte die Bildung des Sanitätsvereins in der Regnitzstadt mit Hilfe von Arbeiterführern aus Schweinfurt und Nürnberg. 1264 Diese hatten eine
erste Besprechung im Oktober 1923 initiiert und damit die Voraussetzungen für die anschließende Konstituierung geschaffen. 1265 Folglich pflegten die Arbeiter-Samariter Bambergs vor allem zu Schweinfurt ein enges Verhältnis und nahmen beispielsweise 1923 an einer Übung in Unterfranken teil. 1266 Drittens bemühte sich das sozialistische Milieu, das Defizit der offiziellen Anerkennung und Förderung durch Solidarität und Spenden der Arbeiterbewegung auszugleichen. 1267 Gerade die Opposition und Rückweisung von konservativer, militärischer und amtlicher Seite löste eine verstärkte Gegenreaktion aus und intensivierte den Kampf für die eigene Wohlfahrtsorganisation. 1268 So wurden im Freistaat in den ersten Monaten des Bestehens oftmals wöchentlich lange Meldungen über finanzielle Zuwendungen veröffentlicht. 1269 Gesammelt wurde von den Gewerkschaftsverbänden, von linken Vereinen, in den Betrieben, von Privatpersonen, auf ArbeiterVersammlungen und in umliegenden Orten. Im April 1923 war zum Beispiel zu lesen: „Für die Arbeitersamariter wurden gesammelt: bei einer Versammlung in Gaustadt 12027 Mk., Joh. Bapt. Sieber 5000 Mk., Tröster 1000 Mk., Adam König 200 Mk., Dikard 500 Mk., Ludwig Wirth 1000 Mk., Heinrich Köhler 1000 Mk., bei einer Sammlung der Naturfreunde 5285 Mk., bei einer Sammlung der Freien Turner 5401 Mk., bei einer Sammlung des Fabrikarbeiter-Verbandes 5000 Mk., bei einer Sammlung der Arbeitsstelle Hirschaid-Altendorf 26520 Mk.“ 1270
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 10. 2.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; FS v. 14.10.1926, Nr. 236; FS v. 1. 4.1931, Nr. 75. Vgl. das Kapitel 3.2.5 zur Kommunalpolitik der SPD im Stadtrat; Stadtratsprotokoll v. 22. 8.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Stadtratsprotokoll v. 2. 6.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676; Stadtratsprotokoll v. 5. 2. 1930, StadtABa, C 1, Nr. 694. 1257 Vgl. FS v. 18. 8.1923, Nr. 182. 1258 Vgl. FS v. 26.1.1923, Nr. 21; FS v. 18. 8.1923, Nr. 182; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 1259 Vgl. FS v. 26.1.1923, Nr. 21; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 18. 3.1923, Nr. 65; FS v. 5.1.1923, Nr. 4; Müller, Illustrierte Geschichte, S. 87; Hawerkamp, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 166. 1260 Vgl. FS v. 1. 2.1930, Nr. 26; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 30. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885. 1261 Vgl. FS v. 7.11.1922, Nr. 256; FS v. 14.11.1922, Nr. 262; Klüpfel/Wohlrab, Jubiläumszeitung; Wunderer, Arbeitervereine, S. 52. 1262 Vgl. Klüpfel/Wohlrab, Jubiläumszeitung; Wunderer, Arbeitervereine, S. 52. 1263 Vgl. Klüpfel/Wohlrab, Jubiläumszeitung. 1264 Vgl. FS v. 7.11.1922, Nr. 256; Oberst, Freistaat, S. 247. 1265 Vgl. FS v. 12.10.1922, Nr. 235; FS v. 7.11.1922, Nr. 256. 1266 Vgl. FS v. 18. 8.1923, Nr. 182. 1267 Vgl. FS v. 17.11.1922, Nr. 265; FS v. 11.12.1922, Nr. 184; FS v. 20.12.1922, Nr. 292; FS v. 28.12.1922, Nr. 297; FS v. 6. 4.1923, Nr. 78; FS v. 20. 4.1923, Nr. 90; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98. 1268 Vgl. FS v. 18. 8.1923, Nr. 182. 1269 Vgl. FS v. 17.11.1922, Nr. 265; FS v. 11.12.1922, Nr. 184; FS v. 20.12.1922, Nr. 292; FS v. 28.12.1922, Nr. 297; FS v. 6. 4.1923, Nr. 78; FS v. 20. 4.1923, Nr. 90; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98. 1270 FS v. 30. 4.1923, Nr. 98. Eine eigene ASB-Kolonne in Gaustadt wurde erst im Frühjahr 1931 zusammen mit dem ASB-Bischberg gegründet. Bis 1255
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Hilfs- und Wohlfahrtsvereine
Diese Auflistung zeigt den umfassenden Zusammenhalt des sozialistischen Milieus in der Frage des Arbeiter-Samariter-Bundes. Im Gegensatz zu anderen Städten scherte auch der ADGB nicht aus den Reihen aus und stellte sich von vornherein in den Dienst des ASB.1271 Speziell die Einzelgewerkschaften zählten in Bamberg zu den wichtigsten Geldgebern; neben den Fabrikarbeitern spendeten 1923 auch die Metallarbeiter, die Bekleidungsarbeiter, die Maler und die Gemeinde- und Staatsarbeiter. 1272 Darüber hinaus fungierte das Gewerkschaftsbüro des Bauarbeiterverbandes mit Johann Engert als eine Art Informations- und Anlaufstelle des ASB. 1273 Ebenso enge Kontakte unterhielt die Kolonne zum Kulturkartell und zur Sängerrunde „Arion“. 1274 Auffällig viele Angehörige des sozialistischen Milieus pflegten Doppelmitgliedschaften im ASB und „Arion“: Johann Behr, Christian Behringer, Josef Erk, Jakob Kreiner, Heinrich Sperber, Michael Sporrer und Franz Willner waren in beiden vertreten. 1275 Mit den linken Sportvereinen war der ASB über das Kartell für Bildung, Sport und Körperpflege verbunden, das eine Erweiterung des Sportkartells darstellte. 1276 Daher nahmen die Bamberger Arbeitersamariter mit einer Schauübung an der Reichsarbeitersportwoche teil und führten im Luitpoldhain einen fingierten Einsatz vor. 1277 Bei Wettkämpfen, Festen und Veranstaltungen der sozialistischen Vereine beteiligte sich der ASB und stellte eine Rettungswache für Erste Hilfe. 1278 Die
Arbeitersamariter waren also ein fester und umfassend integrierter Bestandteil des sozialistischen Milieus, dessen Zusammenhalt sie förderten. Das vierte charakteristische Merkmal des ASBBambergs war die Hilfe und Unterstützung durch jüdische Mitbürger. 1279 Im Anschluss an die Intervention von Hermann Freiherr von Gebsattel stellte die Suche nach einem Kolonnenarzt eine essentielle Schwierigkeit für den ASB dar. 1280 Schließlich übernahm der jüdische Arzt Dr. Paul Dessauer den Posten und trotzte mit seiner Bereitschaft den bürgerlich-konservativen Vorurteilen seiner Berufs- und Standesgenossen. 1281 Ihm oblagen daraufhin die Aufgaben, medizinische Vorträge zu halten, Unterrichtsstunden zu erteilen und Prüfungen abzunehmen. 1282 1928 hielt er beispielsweise drei verschiedene Kurse für die Mitglieder des ASB ab. 1283 Insgesamt bildete er dadurch fast 90 Helfer im Verbands- und Krankenträgerwesen, in der Krankenpflege und in der Massage aus. 1284 Bei Unfällen brachten die Arbeitersamariter die Verletzten in seine Praxis am Grünen Markt und er behandelte sie dort oder veranlasste, wenn nötig, ihren Transport ins Krankenhaus. 1285 Als Paul Dessauer 1933 die Leitung der Bamberger Kolonne abgab, war es wiederum ein jüdischer Arzt, der sich dem ASB zur Verfügung stellte: Dr. med. Alfred Kandel. 1286 Wie sein Vorgänger hielt auch er Vorträge und informierte beispielsweise im Februar 1933 über „Die Entstehung der Chirurgie“ oder „Die Entwicklung
dahin waren die dortigen Mitglieder dem ASB-Bamberg zugeordnet. Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 30. 5.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885. 1271 Vgl. FS v. 17.11.1922, Nr. 265; FS v. 11. 2.1922, Nr. 284; Labisch, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 151–153, 159; Hawerkamp, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 175 f. 1272 Vgl. FS v. 6. 4.1923, Nr. 78. 1273 Vgl. FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 1274 Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236; FS v. 5.1.1923, Nr. 4. 1275 Vgl. FS v. 6. 7.1922, Nr. 152; FS v. 14.11.1922, Nr. 262; FS v. 12.1.1923, Nr. 9; FS v. 26.1.1923, Nr. 21; FS v. 6. 4.1923, Nr. 78; FS v. 2. 2.1925, Nr. 26; FS v. 29.11.1930, Nr. 275; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834. 1276 Vgl. FS v. 26.10.1921, Nr. 247; FS v. 5. 7.1924, Nr. 153; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; Lagebericht v. 6. 2.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 719; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Labisch, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 152 f. Das Kartell für Bildung, Sport und Körperpflege wurde wie das reine Sportkartell von Gustav Müller geleitet. 1277 Vgl. FS v. 1. 7.1927, Nr. 148. 1278 Vgl. FS v. 5. 7.1924, Nr. 153; Bericht v. 1. 7.1929, StadtABa, BS, Nr. 6941; FS v. 1. 8.1929, Nr. 174; Müller, Illustrierte Geschichte, S. 82, 88. 1279 Vgl. FS v. 6. 4.1923, Nr. 78; FS v. 24. 3.1924, Nr. 70; FS v. 7.12.1928, Nr. 282; FS v. 20. 6.1931, Nr. 138. 1280 Vgl. FS v. 26.1.1923, Nr. 21; FS v. 18. 8.1923, Nr. 182; Walter, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 302 f.; Labisch, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 150. 1281 Vgl. FS v. 24. 3.1924, Nr. 70; Walter, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 302 f. 1282 Vgl. FS v. 22.12.1922, Nr. 294; FS v. 20. 7.1923, Nr. 158; FS v. 30.1.1923, Nr. 24; FS v. 7.11.1924, Nr. 258; FS v. 2.12.1924, Nr. 279; FS v. 7.12.1928, Nr. 282; Loebl, Juden, S. 325 f. 1283 Vgl. FS v. 7.12.1928, Nr. 282. 1284 Vgl. FS v. 7.12.1928, Nr. 282. 1285 Vgl. FS v. 24. 3.1924, Nr. 70; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98; FS v. 20. 6.1931, Nr. 138. 1286 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Loebl, Juden, S. 327.
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Das sozialistische Organisationsmilieu
der Medizin“. 1287 Folglich dauerte die sozialistischjüdische Zusammenarbeit die gesamte Weimarer Republik an und prägte den ASB-Bamberg. Der Druck und die Offensive der örtlichen Gegner ließen die zwei gesellschaftlich benachteiligten Gruppen der Sozialisten und Juden zusammenrücken und gewährleisteten den Aufbau und die Fortentwicklung des ASB. Eine wichtige Voraussetzung dieser Kooperation war die sozialistisch-gemäßigte Ausrichtung des ASB-Bamberg als fünftes Kennzeichen. 1288 Die Kolonne war fest in den Händen der SPD, ihre Vorstände Michael Sporrer, Josef Sandel und Johann Engert waren allesamt Sozialdemokraten. 1289 Kommunisten fanden sich hingegen nicht in ihren Reihen und folglich traten auch keine oppositionellen Strömungen oder Versuche einer Gegengründung des Proletarischen Gesundheitsdienstes in Bamberg auf. 1290 Der ASB arbeitete konsequenterweise eng mit den sozialdemokratischen Organisationen wie der SAJ zusammen. 1291 Kurse, Veranstaltungen und Feiern wurden im „Nöth“ abgehalten und 1929/30 richtete man eine ständige Dienststelle und Wache im Schillerplatz 11 ein. 1292 Das neu angeschaffte Transportauto wurde dort untergebracht und im Freistaat warb man daraufhin regelmäßig mit folgender Anzeige: „Arbeiter-Samariter-Kolonne Bamberg. Tag- und Nachtwachen. Jederzeit zu Krankentransporten und bei Unglücksfällen zur Hilfe bereit. Schillerplatz 11. Tel. 1098. Bestgeschultes Sanitäts-Personal. Modern ausgerüstetes Krankentransportauto.“ 1293
1930 zeigte sogar der Blick ins Bamberger Adressbuch, dass es dem ASB als linker Wohlfahrtsverein gelungen war, sich in Bamberg zu etablieren und auszubreiten. 1294 Neben der Hauptverbandsstelle und dem Sanitätsdepot am Schillerplatz verfügte die Organisation nämlich über 15 Verbandsstationen in der ganzen Stadt sowie über zahlreiche Unfallmeldestellen in Betrieben, Geschäften und Gaststätten. 1295 Der Spruch des ASB „An jedem Ort, zu jeder Zeit, sind wir zur ersten Hilf bereit.“ 1296 entsprach Anfang der Dreißigerjahre der Realität im Stadtgebiet Bamberg. 1297 In den verschiedenen Stadtvierteln wiesen Emailschilder die Notfall-Stationen des ASB aus und letztendlich wurden diese selbst in den städtischen Ämtern zugelassen und angebracht. 1298 Die Selbsthilfe und Solidarität des sozialistischen Milieus hatten den ASB-Bamberg im Laufe der Weimarer Republik trotz mannigfacher Schwierigkeiten zu einer bedeutenden Organisation heranwachsen lassen.
4.4.2 Die Arbeiterwohlfahrt Bamberg Mitte Februar 1921 wurde unter der Rubrik „Bamberger Chronik“ im Freistaat eine weitere Neugründung der Arbeiterschaft verkündet: „Gründung des Vereins Arbeiterwohlfahrt. Von der sozialdemokratischen Partei Bamberg und dem Kartell der freien Gewerkschaften ist die Vereinbarung getroffen worden, einen Verein für Arbeiterwohlfahrt ins Leben zu rufen. Der Verein bezweckt die Förderung der Armenpflege und aller charitativen Bestrebungen. Vor allem gilt es, die soziale Auffassung der Arbeiterschaft in der Wohlfahrtspflege durchzudrücken. […] Die Arbeiter-
Vgl. FS v. 3. 2.1933, Nr. 28; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. Vgl. Walter, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 302 f., 368. 1289 Vgl. FS v. 14.11.1922, Nr. 262; FS v. 7.1.1931, Nr. 4; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 4. 5.1924, StadtABa, C 2, Nr. 615; Liste der SPDWahlbeisitzer für die Wahlen am 14. 9.1930, StadtABa, C 2, Nr. 632. 1290 Vgl. FS v. 14.11.1922, Nr. 262; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; Labisch, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 154–156; Müller, Illustrierte Geschichte, S. 84; Hawerkamp, Arbeiter-Samariter-Bund, S. 189–200. 1291 Vgl. FS v. 27. 2.1931, Nr. 21; FS v. 28.1.1931, Nr. 22. 1292 Vgl. FS v. 7.11.1922, Nr. 256; FS v. 14.12.1922, Nr. 288; FS v. 20.12.1922, Nr. 292; FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 20. 7.1923, Nr. 158; FS v. 11. 8.1924, Nr. 184; FS v. 6. 9.1924, Nr. 206; FS v. 31.12.1927, Nr. 302; FS v. 12.11.1928, Nr. 260; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 1293 FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; vgl. FS v. 1. 8.1930, Nr. 174; FS v. 1.10.1930, Nr. 225; FS v. 17.10.1930, Nr. 239; FS v. 9.1.1931, Nr. 6; FS v. 1. 6.1932, Nr. 123. 1294 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 1295 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 1296 Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; vgl. Müller, Illustrierte Geschichte, S. 91. 1297 Vgl. FS v. 7.12.1928, Nr. 282; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 1298 Vgl. FS v. 7.12.1928, Nr. 282; Stadtratsprotokoll v. 12.12.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690. 1287
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Hilfs- und Wohlfahrtsvereine
schaft hat zu zeigen, daß sie sich in solchen Fragen nicht auf die Seite schieben läßt, sondern ihrer Zahl entsprechend mitreden und mittaten will.“ 1299
Diese Bekanntgabe war eine kleine Sensation und Revolution auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege in Bamberg. Schließlich lag das Armen- und Fürsorgewesen traditionell in den Händen der Kirchen, ihrer Hilfsorganisationen, der konservativen Wohlfahrtsverbände und der bürgerlichen Stiftungen. 1300 Letztere waren dem sozial engagierten Bürgertum entsprungen, das sein Streben nach einer solidarischen und freien Gesellschaft mit dem Wunsch, den eigenen Namen der Nachwelt zu überliefern, verband. 1301 Ursprünglich hatte Bamberg über 100 Stiftungen, 1900 waren es 74 und nach der Inflation und einer Neuorganisation zählte man 1930 noch 38. 1302 Auf der anderen Seite wurde die Sozialpflege seit der Säkularisation zunehmend vom Staat übernommen und gesetzlich geregelt. 1303 Die Errichtung des Wohlfahrtsstaates 1918 zog die Gründung eines städtischen Wohlfahrtsamtes nach sich. 1304 Doch fehlte noch immer eine linke Stimme und Organisation auf diesem Gebiet. 1305 Die Arbeiterschaft war reduziert auf die Rolle des Empfängers und wirkte nicht als Protagonist. Durch die im Dezember 1919 von Marie Juchacz ins Leben gerufene Arbeiterwohlfahrt (AWO) schuf die Arbeiterbewegung erstmals einen institutionellen Rahmen zur Mitgestaltung der kommunalen Sozialfürsorge im Sozialstaat. 1306 Als neues Credo galt: Einforderung
staatlicher Unterstützung und Selbsthilfe statt Almosen und Caritas. 1307 Diese Neuerung stellte die tradierte Ordnung auf den Kopf: Wo sollte die Arbeiterwohlfahrt gesellschaftlich überhaupt eingeordnet werden? Im Adressbuch der Stadt Bamberg fand man keine adäquate Kategorie. So wurde die AWO 1926 in die Abteilung „Öffentliche und gemeinnützige Vereine (Wohltätigkeitsvereine)“ sortiert, zwei Jahre später fand man sie in der Gruppe der „Berufs- und Standesvereine“ wieder, wohingegen sie 1930 unter der Spalte „Politische Vereine und Organisationen“ eingefügt wurde. 1308 Dies zeigt, dass die Arbeiterwohlfahrt Bamberg ein „Exot“ unter den sonstigen Wohlfahrtsvereinen und caritativen Einrichtungen war. Der Historiker Wolfgang Reddig nannte sie in seiner Monographie über das Bamberger Fürsorge- und Stiftungswesen das „Gegenmodell“ 1309 des sozialistischen Milieus. Die AWO-Bamberg war ein Außenseiter und wurde dementsprechend schlecht behandelt und nach Möglichkeit ignoriert. 1310 Städtische Zuschüsse erhielt die Bamberger Organisation im Unterschied zu anderen oberfränkischen Arbeiterwohlfahrtsvereinen nicht. 1311 Bei der Verteilung der Renten aus der Edgar-Wolf ’schen Stiftung 1926 wurde die AWO nicht bedacht, obwohl Wohltätigkeitsvereine und -projekte verschiedenster Ausrichtung einkalkuliert wurden. 1312 Im Freistaat warf der Redakteur die rhetorische Frage auf: „Der Verein Arbeiterwohlfahrt wurde nicht berücksichtigt! Warum wohl?“ 1313 1929 scheiterte ein Antrag der Arbeiterwohlfahrt im Stadtrat um die Zulassung eines
FS v. 15. 2.1921, Nr. 25. Vgl. Reddig, Fürsorge, S. 15; Bamberger Jahrbuch 1931, Bd. 4. Bamberg 1931, S. 59–66; Niedrig, Heinz: Die Arbeiterwohlfahrt in der Zeit von 1933 bis 1945. Spurensuche: Aufbau, Verfolgung, Verbot, Widerstand, Emigration. Marburg 2003, S. 18. 1301 Vgl. Reddig, Fürsorge, S. 15; Kraus, Elisabeth: Stiftungen (19./20. Jahrhundert). In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historischeslexikon-bayerns.de/Lexikon/Stiftungen (19./20. Jahrhundert)i (6.1. 2018). 1302 Vgl. Fischer, Manfred F.: Dr. Ignaz Wolf und die Edgar Wolf’sche Stiftung in Bamberg. In: BHVB 140 (2004), S. 281; Reddig, Fürsorge, S. 16; Bamberger Jahrbuch 1931, S. 61. 1303 Vgl. Reddig, Fürsorge, S. 15. 1304 Vgl. Reddig, Fürsorge, S. 156–158; Eifert, Christiane: Frauenpolitik und Wohlfahrtspflege. Zur Geschichte der sozialdemokratischen „Arbeiterwohlfahrt“ (= Geschichte und Geschlechter, Bd. 5). Frankfurt am Main 1993, S. 54. 1305 Vgl. Winkler, Schein, S. 355 f.; Eifert, Frauenpolitik, S. 54 f. 1306 Vgl. Eifert, Frauenpolitik, S. 26–33; Niedrig, Arbeiterwohlfahrt, S. 18. 1307 Vgl. FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; Reddig, Fürsorge, S. 171; Winkler, Schein, S. 355 f.; Niedrig, Arbeiterwohlfahrt, S. 16. 1308 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 1309 Redding, Fürsorge, S. 171. 1310 Vgl. FS v. 5.11.1927, Nr. 255; Niedrig, Arbeiterwohlfahrt, S. 17. 1311 Vgl. FS v. 20.1.1930, Nr. 15; Mittenhuber, Martina: Geschichte der Arbeiterwohlfahrt in Bayern 1919–1999. Nürnberg 1999, S. 19. 1312 Vgl. FS v. 5.11.1927, Nr. 255; Fischer, Dr. Ignaz Wolf, S. 269, 280. 1313 FS v. 5.11.1927, Nr. 255. 1299
1300
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Das sozialistische Organisationsmilieu
stimmberechtigten Vertreters zum Wohlfahrtshauptausschuss. 1314 Erfolge erzielte man jedoch in der Jugendfürsorge, wie 1927 auf der Generalversammlung festgehalten wurde: „Als besonders erfreulich sei die Tatsache zu konstatieren, daß der Verein einige seiner Mitglieder als Schöffen zum Jugendgericht, sowie einen Vertreter ins Jugendamt entsenden konnte.“ 1315 Im Unterschied zu dem im Kaiserreich entstandenen ASB reagierte die sozialdemokratische Arbeiterschaft auf die Gründung der Arbeiterwohlfahrt in der Weimarer Republik zügig. 1316 Das Milieu war bereits im Aufwind und genug konsolidiert, um dieses neue Glied ohne Verzögerungen ins Leben zu rufen. Am 20. November 1920 war die AWO in Nürnberg gebildet worden und schon am 17. Februar 1921 folgte die Gründungsversammlung in Bamberg. 1317 München hingegen vollzog erst im April 1922 diesen Schritt. 1318 In Bamberg ergriffen die SPD und die Freien Gewerkschaften die Initiative der Gründung und arbeiteten zusammen, sodass Hilfestellungen von anderen Städten in diesem Fall nicht nötig wurden. 1319 Zunächst fungierte die AWO, wie auch in anderen Städten, als Unterausschuss der Partei und nannte sich anfangs „Verein für Wohlfahrtspflege“. 1320 Allerdings spielten die Gewerkschaftsverbände in Bamberg von Anfang an eine entscheidende Rolle. 1321 So schlossen sich neben der SPD zahlreiche Einzelgewerkschaften korporativ der Arbeiterwohlfahrt an. 1322 1927 waren mindestens 13 Arbeitnehmerorganisationen in der AWO vertreten, die Pau-
schalbeiträge je nach ihrer Mitgliederzahl entrichteten. 1323 Als erster Vorsitzender wirkte nicht der Parteivorsitzende, sondern der Gewerkschaftssekretär und Stadtrat Johann Steitz. 1324 Erst 1922 ging auch die AWO-Bamberg dazu über, den Parteisekretär und späteren SPD-Vorstand Josef Dennstädt mit der Leitung zu betrauen. 1325 Aufgrund der engen organisatorischen Verflechtung der AWO mit den Gewerkschaften vor Ort war der linke Wohltätigkeitsverein eine Massenorganisation, dessen Mitgliederzahl auf der Generalversammlung 1927 mit etwa 4.000 beziffert wurde. 1326 Folglich waren auch die Veranstaltungen des Vereins groß angelegt und zahlreich besucht: Etwa 1.000 Teilnehmer nahmen an den Kinderfesten im Sommer teil und bis zu 150 Familien wurden bei den Weihnachtsfeiern beschert. 1327 Mit dieser Stärke war der Bamberger Verein führend in Oberfranken, denn der Kreisverband Arbeiterwohlfahrt Oberfranken zählte insgesamt nur etwa 8.000 Mitglieder. 1328 Die übergeordnete Vereinigung wurde durch Josef Dennstädt vom Schillerplatz 11 aus geleitet. Neben Bamberg umfasste der Kreisverband die Vereine Hof, Bayreuth, Marktredwitz, Kronach, Wunsiedel, Münchberg, Forchheim, Neustadt bei Coburg und Coburg. 1329 Die AWO-Bamberg richtete in den 1920er Jahren ihr Hauptaugenmerk auf Kinder, Jugendliche und notdürftige Familien. 1330 Beim Kinderfest 1926 wurde der Grundsatz betont, „Licht, Luft und Sonne gehören den Kindern, insbesondere den Arbeiterkindern. Ihnen dazu zu verhelfen, sei Aufgabe
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 6. 2.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690; Eifert, Frauenpolitik, S. 54–59. FS v. 25. 4.1927, Nr. 93. 1316 Vgl. Gold, Geschichte, S. 73. 1317 Vgl. Mittenhuber, Arbeiterwohlfahrt, S. 14–16; Gold, Christine,/Hager, M./Haas, Josef: Der Mensch im Mittelpunkt seit 1921. Chronik des AWOKreisverbandes Bamberg. 90 Jahre mit Herz und Hand, 1921–2011. Bamberg 2014, S. 25 f. 1318 Vgl. Mittenhuber, Arbeiterwohlfahrt, S. 14–16. 1319 Vgl. FS v. 15. 2.1921, Nr. 37. 1320 FS v. 19. 3.1921, Nr. 65; vgl. FS v. 21. 3.1921, Nr. 66; Eifert, Frauenpolitik, S. 31–37. 1321 Vgl. FS v. 15. 2.1921, Nr. 37. 1322 Vgl. FS v. 18.11.1925, Nr. 265; FS v. 9.12.1925, Nr. 283; FS v. 26. 7.1926, Nr. 167; FS v. 24. 3.1921, Nr. 69. 1323 Vgl. FS v. 28. 8.1925, Nr. 195; FS v. 26. 7.1926, Nr. 167; FS v. 25. 4.1927, Nr. 93. 1324 Vgl. Einwohnermeldekarte Johann Steitz, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 24 f. 1325 Vgl. Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 27. 1326 Vgl. FS v. 25. 4.1927, Nr. 93; Eifert, Frauenpolitik, S. 34. 1327 Vgl. FS v. 28.12.1925, Nr. 298; FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 28.1.1929, Nr. 23; FS v. 27.12.1926, Nr. 297. 1328 Vgl. Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 26–29. 1329 Vgl. Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 26–29. 1330 Vgl. FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 25. 4.1927, Nr. 93; FS v. 27.12.1927, Nr. 298; FS v. 20. 2.1928, Nr. 42; Eifert, Frauenpolitik, S. 68–73; Mittenhuber, Arbeiterwohlfahrt, S. 26–29. 1314 1315
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Hilfs- und Wohlfahrtsvereine
des Vereins.“ 1331 Die Verantwortlichen organisierten Kinderferienlager, die bereits genannten Kinderfeste im Hain, Weihnachtsbescherungen und Kinderwanderungen in den Sommerferien, die sowohl der Betreuung als auch dem Naturerlebnis dienten. 1332 Ein fester Bestandteil der Veranstaltungen waren Essensausgaben mit Wurst, Brot und Milch, die es ermöglichten, „sich satt zu freuen und satt zu essen“. 1333 An die Eltern wandte man sich mit pädagogischen Vorträgen zur richtigen Erziehung. 1334 Eng arbeitete man mit den Nachwuchsgruppen anderer Vereine zusammen wie der Jugendabteilung der Freien Turner, dem Kinderchor des „Arion“ und der Parteijugend. 1335 Neue Medien wurden ins Programm integriert und zum Beispiel Kinobesuche speziell für Kinder und Jugendliche angeboten. 1336 Schließlich entstanden seit 1928 aus der Arbeiterwohlfahrt auch die Kinderfreunde und die Roten Falken. 1337 Viele Tätigkeitsfelder der AWO wie Erziehung, Kinderbetreuung oder Ernährung wurden mit klassischen Aufgaben der Frauen assoziiert, sodass sich auch in Bamberg die Mitgliederwerbung vor allem an das weibliche Geschlecht richtete. 1338 In den ersten Monaten ihres Bestehens verfolgte man neben der Mittelbeschaffung folgende Absicht: „Die Wohlfahrtspflege erfordert viele, besonders weibliche Kräfte; sie zu gewinnen, ist deshalb unser nächstes Ziel.“ 1339 Wöchentliche Nähabende richteten sich speziell an die Frauen. 1340 Die AWO-Bamberg stimmte ihre Arbeitspläne eng mit der SPDFrauensektion ab. 1341 In der Leitung des Wohltätig-
keitsvereins fanden sich neben männlichen Parteiund Gewerkschaftsführern auch viele aktive Sozialdemokratinnen. 1342 Posten bekleideten Magdalena Wirthmann, Therese Kempf und Lina Brand. 1343 Allerdings wurde die Vorstandschaft in Bamberg während der Weimarer Republik niemals von Frauen dominiert und ihr Anteil war sogar rückläufig. 1344 In der Weltwirtschaftskrise änderten sich die Zielsetzung und die Aufgabenbereiche der AWO drastisch. 1345 Neben die Familienfürsorge trat die Armenpflege und Erwerbslosenfürsorge, die im Laufe der Notzeit immer größeren Raum einnahmen. 1346 Im November 1930 richtete die Arbeiterwohlfahrt folgende Solidaritätsaufrufe an die Bevölkerung: „Ein Winter voll Not und Elend steht uns bevor, wie wir wahrscheinlich noch keinen erlebt haben und hoffentlich keinen mehr mitmachen müssen. Es ist Pflicht, in dieser Notzeit, daß alle diejenigen, die sich in einem festen Arbeitsverhältnis befinden, ihren Teil dazu beitragen, um das Los der von der Wirtschaftskrise Betroffenen zu mildern. Der Verein ‚Arbeiterwohlfahrt Bamberg‘ appelliert an die Mildtätigkeit der Gesamtbevölkerung und bittet, durch Spenden mit dazu beizutragen, Lebensmittel und Brennmaterial an die Hilfsbedürftigen abgeben zu können.“ 1347
Im Januar 1931 unterstützte die AWO die Eröffnung einer städtischen Wärmestube, in der Ehren-
FS v. 2. 8.1926, Nr. 173. Vgl. FS v. 2. 8.1926, Nr. 140; FS v. 25. 4.1927, Nr. 93; FS v. 20.12.1927, Nr. 293; FS v. 5. 4.1928, Nr. 80; FS v. 7. 4.1928, Nr. 81; FS v. 17.7.1930, Nr. 161. 1333 FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; vgl. FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 27.12.1926, Nr. 297; FS v. 16. 7.1927, Nr. 161; Eifert, Frauenpolitik, S. 68. 1334 Vgl. FS v. 25. 4.1927, Nr. 93. 1335 Vgl. FS v. 28.12.1925, Nr. 298; FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 15.12.1926, Nr. 288; FS v. 18.12.1926, Nr. 291; FS v. 27.12.1927, Nr. 298. 1336 Vgl. FS v. 20. 2.1928, Nr. 42. 1337 Vgl. FS v. 1.12.1928, Nr. 277; FS v. 20. 2.1928, Nr. 42; FS v. 28.1.1929, Nr. 23; Kapitel 3.2.8 zu den Kinderfreunden und Roten Falken. 1338 Vgl. FS v. 21. 3.1921, Nr. 66; FS v. 24. 3.1921, Nr. 69; FS v. 26.7.1926, Nr. 167; FS v. 25. 4.1927, Nr. 93; Winkler, Schein, S. 356; Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 29 f.; Eifert, Frauenpolitik, S. 34 f., 121–130. 1339 FS v. 24. 3.1921, Nr. 69. 1340 Vgl. FS v. 25. 4.1927, Nr. 93; Niedrig, Arbeiterwohlfahrt, S. 19. 1341 Vgl. FS v. 2. 7.1928, Nr. 148. 1342 Vgl. Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 27; FS v. 20. 2.1928, Nr. 42; FS v. 20.1.1930, Nr. 15. 1343 Vgl. Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 27; FS v. 20. 2.1928, Nr. 42; FS v. 20.1.1930, Nr. 15. 1344 Vgl. Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 27–29; FS v. 20. 2.1928, Nr. 42; FS v. 20.1.1930, Nr. 15. Der Befund der AWO in Bamberg steht damit im Kontrast zur deutschlandweiten Arbeiterwohlfahrt, bei der laut Heinz Niedrig Frauen bis 1933 „das klare Fundament und mehrheitlich die Spitze des neuen Verbandes“ bildeten. Vgl. Niedrig, Arbeiterwohlfahrt, S. 18. 1345 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 1346 Vgl. FS v. 15.11.1930, Nr. 263; FS v. 14.1.1931, Nr. 10; FS v. 2.11.1931, Nr. 251; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Niedrig, Arbeiterwohlfahrt, S. 24–26. 1347 FS v. 15.11.1930, Nr. 263. 1331
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Das sozialistische Organisationsmilieu
amtliche Kaffee und Brot an Arbeitslose ausgaben. 1348 Des Weiteren beteiligte man sich zusammen mit anderen Wohlfahrtsverbänden am Winterhilfswerk und sorgte dadurch für die Verteilung von Nahrungsmitteln, Kohle und Bekleidungsstücken.1349 Für einen speziellen Vortrag zur Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung gewann die Arbeiterwohlfahrt den Direktor des örtlichen Arbeitsamtes. 1350 Den jugendlichen Erwerbslosen wurde durch die Schaffung eines Jugendwerkes geholfen. 1351 Die größte Verbesserung war aber 1932 die Gründung einer eigenen Einrichtung in Form einer Wärmestube im Volkshaus „Nöth“. 1352 Erstmals verfügte damit die AWO-Bamberg über eine feste Anlaufstelle für Erwerbslose. 1353 Auch im Januar 1933 bündelte die AWO sämtliche Kräfte der Arbeitersport- und Arbeiterkulturvereine, um „eine große Wohltätigkeitsveranstaltung“ 1354 im Zentralsaal abzuhalten. 1355 Vereint stemmte sich das sozialistische Milieu somit unter Anführung der AWO gegen die Notlage und Krisenzeit. 1356 Bis zuletzt war es das Verdienst der AWO, die verschiedenen Glieder der Arbeiterbewegung für die Wohlfahrtspflege zu sammeln, zu koordinieren und einzubinden, um „in uneigennütziger Weise den Notleidenden zu helfen“. 1357
4.4.3 Kommunistische Hilfsorganisationen: Rote Hilfe und Internationale Hilfsvereinigung Im Dezember 1928 wählte die Nordbayerische Volkszeitung die Rote Hilfe Bamberg als herausragendes Beispiel für eine Werbekampagne:
„Wer macht’s nach? Im schwarzen Bamberg sammelte ein Genosse allein 120 Mark für die Rote Hilfe, verkaufte dabei 190 Broschüren und 176 Rote Helfer. Ein weiterer Genosse verkaufte ihn [vermutlich gemeint: in] Bamberg innerhalb von zwei Tagen 300 Rote Helfer. Diese glänzenden Ergebnisse wurden trotz wütendster Verfolgung durch die Polizei erzielt und zeugen von dem glänzenden Solidaritätsbewußtsein der Bamberger Arbeiterschaft. Genossen folgt dem Beispiel dieser beiden Genossen, um die Weihnachtshilfe der Roten Hilfe trotz Polizeischikanen zu einem großen Erfolg auszugestalten.“ 1358
Nicht nur bei dieser Aktion ragte das Engagement der Bamberger Roten Hilfe heraus. 1359 Als 1929 der 18. März zur Erinnerung an die Pariser Kommune und das 10-jährige Bestehen der Komintern für Kundgebungen der Roten Hilfe genutzt werden sollte und als „Tag der Roten Hilfe“ deklariert wurde, beteiligten sich in Bayern drei Städte: München, Regensburg und Bamberg. 1360 Ein Jahr zuvor hatte die hiesige Ortsgruppe das 50. Jubiläum des Sozialistengesetzes zum Anlass genommen, eine Versammlung unter der Losung: „Sozialistengesetz unter Bismarck – Sozialisten- und Kommunistenverfolgungen in der deutschen Republik“ 1361 zu veranstalten. Außerdem schlossen sich die Bamberger den Protesten gegen die Hinrichtung von Sacco und Vanzetti in den USA an und kämpften für die Amnestie von Max Hölz, der zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt worden war. 1362 Die Bamberger Ortsgruppe war also überaus aktiv
Vgl. FS v. 14.1.1931, Nr. 10. Vgl. FS v. 2.11.1931, Nr. 251. 1350 Vgl. FS v. 1. 2.1932, Nr. 25. 1351 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 1352 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 1353 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Gold/Hager/Haas, Mensch, S. 28 f. 1354 FS v. 2.1.1933, Nr. 1. 1355 Vgl. FS v. 2.1.1933, Nr. 1. 1356 Vgl. FS v. 2.1.1933, Nr. 1. 1357 FS v. 2.1.1933, Nr. 1. 1358 NV v. 15.12.1928, Nr. 291. 1359 Vgl. Lagebericht v. 25. 2.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 762; Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./ 15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1360 Vgl. Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9. 1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Brauns, Nikolaus: Rote Hilfe Deutschland. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Rote Hilfe Deutschlandi (10.1. 2018). 1361 Sonderbericht v. 29.10.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 731. 1362 Nicola Sacco (1891–1927) und Bartolomeo Vanzetti (1888–1927) waren zwei amerikanische Anarchisten italienischer Abstammung, die wilde Streiks gefördert hatten. Ihnen wurde in einem umstrittenen Prozess ein doppelter Raubmord unterstellt und beide zum Tode verurteilt. Die 1348
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Hilfs- und Wohlfahrtsvereine
und engagiert. Diese Rührigkeit zeigte sich nicht nur in der eigenen Stadt, sondern auch im bayernweiten Organisationsgefüge der Roten Hilfe Deutschlands. 1363 Auf dem 3. Landeskongress des Bezirks Bayern im September 1929 brachte die Bamberger Delegation mehrere Anträge ein und legte ihre Positionen und Wünsche zur Fortentwicklung der Hilfsorganisation dar. 1364 So regte sie Schulungskurse und die Bereitstellung von Lehrern an; ein Vorschlag, der auf Zustimmung stieß und angenommen wurde. 1365 Außerdem empfahl sie eine strukturelle Neueinteilung mehrerer nordbayerischer Arbeitsgebiete und erhielt auch hierfür positive Resonanz. 1366 Die Rote Hilfe Bamberg war demnach keiner der kommunistischen Verbände, die de facto nur auf dem Papier existierten, sondern ein ernstzunehmendes und lebendiges Glied des sozialistischen Milieus. 1367 Dafür sprechen auch die verhältnismäßig hohen Mitgliederzahlen, denn im Juli 1929 erreichte die oberfränkische Ortsgruppe
einen Stand von 145 Personen. 1368 Damit verfügte sie über eine mehr als doppelt so starke Basis wie die Partei und rekrutierte ihre Anhänger über den Kreis der eingeschriebenen Kommunisten hinaus. 1369 Ihrem offiziellen Anspruch der Überparteilichkeit genügte sie, obwohl sie auch in Bamberg eindeutig kommunistisch dominiert blieb. 1370 Dafür sorgte die Vorstandschaft, die sich mit Anton Nossol, Wilhelm Hellmann und Alex Barth ausschließlich aus führenden Kommunisten zusammensetzte. 1371 Überdies entstammten die meisten der bekannten Rote Hilfe-Aktivisten der KPD, wie beispielsweise Paul Fritsch, Michael Dünninger, Otto Geyer, Anton Beck oder Christine Barth. 1372 Eine Ausnahme bildete der Sozialdemokrat und Reichsbannerführer Georg Göttling, der 1929 als Mitglied den Rechtsschutz der Roten Hilfe in Anspruch nahm. 1373 Ein anderer Bamberger spielte eine prominente Rolle in der Roten Hilfe: Dr. Josef Dietz. 1374
Hinrichtung wurde trotz weltweiter Proteste 1927 vollzogen. Der Kommunist Max Hölz (1889–1933) hatte beim mitteldeutschen Aufstand 1921 bewaffnete Arbeiterwehren angeführt und von reichen Bürgern Gelder erpresst, die er unter den Armen verteilte. Er galt daher als „deutscher Robin Hood“. In einem Prozess 1921 wurde er wegen angeblichen Mordes an einem Gutsbesitzer zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. Nach einer Kampagne für seine Freilassung wurde Hölz 1928 durch eine Amnestie begnadigt. Er wanderte in die Sowjetunion aus und wurde dort 1933 von der Geheimpolizei ermordet. Vgl. NV v. 16. 4.1928, Nr. 87; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873; Sonderbericht v. 29.10.1929, StAN, Rep. 218/9, Nr. 731; Wunderer, Arbeitervereine, S. 99; Weber, Herman: Hölz, Max. In: NDB 9 (1972), S. 338–339; Kerbs, Diethart: Lebenslinien. Deutsche Biographien aus dem 20. Jahrhundert. Essen 2007, S. 55–60; Marohn, Norbert: Hoelz. Biografie einer Zukunft. Leipzig 22015, S. 158–181; Winkler, Schein, S. 699; Weber/Herbst, Kommunisten, S. 318 f. 1363 Vgl. Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Mehringer, KPD, S. 45–47. 1364 Vgl. Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1365 Vgl. Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Wunderer, Arbeitervereine, S. 103. 1366 Vgl. Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1367 Vgl. Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Neuhäußer-Wespy, KPD, S. 210; Winkler, Katastrophe, S. 603. 1368 Vgl. Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Mehringer, KPD, S. 47. Neben den Einzelmitgliedschaften waren auch Kollektivmitgliedschaften von Vereinen oder Verbänden vorgesehen. In Bamberg wurde diese Möglichkeit jedoch nicht genutzt. Die Dominanz der SPD unter den Gewerkschaften, Arbeiterkultur- und Arbeitersportvereinen stand einer solchen übergreifenden Mitgliedschaft entgegen. Vgl. Lagebericht v. 25. 2.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 762; Wunderer, Arbeitervereine, S. 101. 1369 Vgl. Sonderbericht v. 26.1.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 717; Brauns, Rote Hilfe. 1370 Vgl. Brauns, Rote Hilfe; Mehringer, KPD, S. 45; Winkler, Schein, S. 461; Wunderer, Arbeitervereine, S. 99, 103 f.; Brauns, Nikolaus: Proletarische Klassensolidarität. Die Stellung der Roten Hilfe innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung. In: Die Rote Hilfe. Die Geschichte der internationalen kommunistischen „Wohlfahrtsorganisation“ und ihrer sozialen Aktivitäten in Deutschland (1921–1941). Hg. v. S. Hering/K. Schilde. Opladen 2003, S. 73–93. 1371 Vgl. Lagebericht v. 28.10.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 798. Anton Nossol wurde fälschlicherweise im Lagebericht als „Anton Mossel“ bezeichnet; Schreiben der Regierung von Oberfranken an das Bezirksamt Bamberg v. 27. 2.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Hellmann, Wilhelm, BArch, R 58, Nr. 9682; Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263. 1372 Vgl. NV v. 30. 7.1929, Nr. 174; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1863; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 5. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Vermerk des Polizeiamts Bamberg an den Stadtkommissar Bamberg v. 22. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1969. 1373 Vgl. Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1374 Vgl. Personalakt Dr. Joseph Dietz, BayHStA, MJu, Nr. 20532; Liste der Rechtsanwälte vom Zentralvorstand der Roten Hilfe v. 1930, BArch, R 58, Nr. 3305; Schneider/Schwarz/Schwarz, Rechtsanwälte, S. 111 f. Zur Rechtsberatungspraxis der Roten Hilfe vgl. Tischler, Carola: „Die Gerichtssäle müssen zu Tribunalen gegen die Klassenrichter gemacht werden.“ Die Rechtsberatungspraxis der Roten Hilfe Deutschlands. In: Die Rote Hilfe. Die
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Im Handbuch der Roten Hilfe Deutschlands wurde 1930 folgender Eintrag veröffentlicht: „Liste der Rechtsanwälte, die im Auftrag der Roten Hilfe zur Verteidigung von proletarisch-politischen Angeklagten tätig sind (Die Auftragserteilung erfolgt nur durch den Z.V. der RHD. [= Zentralvorstand der Roten Hilfe Deutschland]): […] Dr. Josef Dietz, Bamberg, Friedrichstr. 21/I […]“ 1375.
Die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth resümierte 1933 zu seiner Person, dass „Dr. Dietz insbesondere als Verteidiger in Kommunistenprozessen bekannt geworden“ 1376 sei. Im Jahr 1931 stellte Josef Dietz der Roten Hilfe beispielsweise eine Rechnung über 1.853,95 Reichsmark, sodass von zahlreichen Einsätzen vor Gericht auszugehen ist. 1377 Möglicherweise verstärkte seine Tätigkeit die überparteiliche Akzeptanz der Roten Hilfe in Bamberg, da er als Anwalt Ansehen genoss und die unmäßige behördliche Verfolgung und Bestrafung linker Kreise durch sein Wirken publik machte. Das Bestehen der Roten Hilfe, Ortsgruppe Bamberg, ist seit 1922 belegt, also ein Jahr nach der Bildung erster solcher Komitees in Deutschland. 1378 Den Auslöser zur Gründung hatte die Niederschlagung des mitteldeutschen Märzaufstandes 1921 gegeben, infolgedessen zahlreiche Kommunisten verhaftet worden waren. 1379 Die politischen Ge-
fangenen der Arbeiterschaft und deren Familien zu unterstützen, Rechtsschutz zu gewähren und Freilassungskampagnen zu initiieren, gehörten seitdem zu den wichtigsten Aufgaben der Organisation. 1380 Ein vergleichbares Pendant von Seiten der Sozialdemokraten gab es nicht. 1381 Finanziert wurden die Hilfeleistungen in erster Linie durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. 1382 Schon bei der ersten Geldsammlung erzielten die Bamberger mit 819 Mark ein überdurchschnittliches Ergebnis und ließen andere Städte wie Schweinfurt (540 Mark), Regensburg (228 Mark), Erlangen (83 Mark) oder Forchheim (168 Mark) deutlich hinter sich. 1383 In den folgenden Jahren wirkte Bamberg als Sitz eines eigenen Arbeitsgebietes, das sich in nordöstlicher Richtung ausdehnte und von Bischberg und Ketschendorf über Coburg bis nach Tettau reichte. 1384 Daraus resultierend fanden in der Regnitzstadt Konferenzen der Roten Hilfe für die gesamte Umgebung statt. 1385 Diese Erfolgsgeschichte der Roten Hilfe Bamberg riss 1930 jedoch jäh ab. 1386 In einer Übersicht zur Entwicklung der Organisation im Sommer 1931 stach Bamberg nicht mehr als Muster-, sondern als Negativbeispiel heraus. 1387 Unter allen bayerischen Ortsgruppen hatte Bamberg die höchsten Mitgliederverluste zu verzeichnen. 1388 Während viele andere Orte Gewinne meldeten, halbierte sich der Mitgliederstand innerhalb eines Jahres in Bamberg von 145 (Juli 1929) auf 74 (Juni 1930). 1389 In der offiziel-
Geschichte der internationalen kommunistischen „Wohlfahrtsorganisation“ und ihrer sozialen Aktivitäten in Deutschland (1921–1941). Hg. v. S. Hering/K. Schilde. Opladen 2003, S. 105–130. 1375 Liste der Rechtsanwälte vom Zentralvorstand der Roten Hilfe v. 1930, BArch, R 58, Nr. 3305; vgl. Personalakt Dr. Joseph Dietz, BayHStA, MJu, Nr. 20532. 1376 Personalakt Dr. Joseph Dietz, BayHStA, MJu, Nr. 20532. 1377 Vgl. Schneider/Schwarz/Schwarz, Rechtsanwälte, S. 111 f. Die Rote Hilfe litt allerdings unter enormer Geldnot zu diesem Zeitpunkt und zahlte ihm letztendlich nur 850,00 Reichsmark aus. 1378 Vgl. NZ v. 20. 3.1922, Nr. 66; Wunderer, Arbeitervereine, S. 100; Schilde, Kurt: „Schafft Rote Hilfe!“. Die kommunistische „Wohlfahrtsorganisation“ Rote Hilfe Deutschlands. In: Die Rote Hilfe. Die Geschichte der internationalen kommunistischen „Wohlfahrtsorganisation“ und ihrer sozialen Aktivitäten in Deutschland (1921–1941). Hg. v. S. Hering/K. Schilde. Opladen 2003, S. 38–40. 1379 Vgl. Winkler, Schein, S. 461; Wunderer, Arbeitervereine, S. 100; Brauns, Rote Hilfe. 1380 Vgl. Brauns, Rote Hilfe; Winkler, Schein, S. 461; Schilde, Rote Hilfe, S. 40. 1381 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 99. 1382 Vgl. Brauns, Rote Hilfe; Schilde, Rote Hilfe, S. 47–49. 1383 Vgl. NZ v. 20. 3.1922, Nr. 66. 1384 Vgl. NV v. 25. 9.1929, Nr. 222; Lagebericht v. 1. 6.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 702; Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5; Lagebericht v. 3. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 796. 1385 Vgl. Lagebericht v. 16. 4.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 700. 1386 Vgl. Lagebericht v. 4. 8.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 773; Sonderbericht v. 31. 7.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 789; NZA v. 9. 7.1931, Nr. 104; Mehringer, KPD, S. 47. 1387 Vgl. Sonderbericht v. 31. 7.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 789. 1388 Vgl. Sonderbericht v. 31. 7.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 789; Mehringer, KPD, S. 47–49. 1389 Vgl. Sonderbericht v. 31. 7.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 789.
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Hilfs- und Wohlfahrtsvereine
len Aufstellung wurde die Spalte „Verluste/Gewinne“ bei Bamberg mit einem Ausrufezeichen versehen und ein Defizit von 71 Personen ausgewiesen. 1390 Nichts funktionierte mehr in der Roten Hilfe Bamberg. Während die Ortsgruppe bislang zuverlässig abgerechnet hatte, blieb sie nun die Gelder schuldig und wurde unter den säumigen Organisationen in der kommunistischen Tagespresse und in Rundschreiben aufgeführt. 1391 Unter der Überschrift „Rote Hilfe-Gruppen am Pranger“ 1392 listete die Neue Zeitung unter anderem Bamberg mit dem Vermerk auf, dass sie „dadurch die Unterstützung und den Rechtsschutz in Gefahr“ 1393 brächten. Eine Versammlung mit dem Stuttgarter Referenten Emil Göckeler über seine Erlebnisse im Zuchthaus im Dezember 1930 scheiterte sowohl an den unzureichenden Vorbereitungen als auch am Eingreifen der Behörden. 1394 Dem Abstieg lagen die parteiinternen Kämpfe und Streitigkeiten um die ultralinke Wende zugrunde, wie ein Lagebericht der Polizeidirektion verdeutlichte: „Rote Hilfe-Nordbayern Allgemeines. […] Auch in Bamberg zogen die innerparteilichen Auseinandersetzungen der KPD in der RH [= Roten Hilfe] ihre Kreise. Die Oppositionellen Otto Geyer (P. b. [= Polizei bekannt]) und Anton Riel (P. b.), früher tonangebende Führer der Bamberger Kommunisten, warfen in einem Flugblatt den zur Zeit führenden Parteitreuen Alexander Barth (Bauarbeiter, geb. 23. 3. 03 zu Bamberg) und Georg Böhm
(Erdarbeiter, geb. 20. 9. 96 in Gaustadt) u. a. vor, sie hätten die Weihnachtssammlung der RH-Bamberg vergeudet: ‚von Nürnberg ließen sie Musik kommen und berauschten sich in feuchtfröhlicher Stimmung unter den Klängen der Musik, die mit den Geldern für die Gefangenen bezahlt wurde.‘ Weiter wurde in dem Flugblatt vorgeworfen, die gesammelten Kleider und Wäschestücke für die Frauen und Kinder der politischen Gefangenen seien um einen Schleuderpreis verlost, das Geld sei zu einem ‚Kappenabend‘ verwendet worden.“ 1395
Die Einheitsfront zugunsten der politischen Gefangenen zerbrach am Richtungsstreit der KPD. 1396 Wie aus dem Zitat ersichtlich wird, traten anstelle von Kampagnen nun Intrigen und die Solidarität wurde durch Misstrauen und Feindschaft abgelöst. Daraufhin griff die nordbayerische Leitung ein und bestellte Bamberg zu Besprechungen nach Nürnberg ein. 1397 Jedoch konnte die Spaltung der Roten Hilfe Bamberg, analog zur Trennung der Partei, mit diesem Schritt nicht verhindert werden. 1398 So gründeten die Mitglieder der KPO eine eigene Organisation, die sogenannte Internationale Hilfsvereinigung. 1399 Diese wurde 1932 von Anton Riel angeführt. 1400 Ihre Bedeutung blieb allerdings, parallel zur Entwicklung in anderen Städten, marginal. 1401 Aktenkundig wurde sie nur bei der Gründung der Antifaschistischen Aktion, an der sie sich beteiligte. 1402 Abgesehen von der strukturellen Schwäche durch die Trennung lag der Grund für die Passivität der Roten Hilfe am Ende der Weimarer Republik in
Vgl. Sonderbericht v. 31. 7.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 789; NZA v. 9. 7.1931, Nr. 104; Mehringer, KPD, S. 47. Vgl. Lagebericht v. 1. 8.1927, StAN, Rep. 218/9, Nr. 709; NZA v. 9. 7.1931, Nr. 104; Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 28. 3.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 1392 NZA v. 9. 7.1931, Nr. 104. 1393 NZA v. 9. 7.1931, Nr. 104. 1394 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 1395 Lagebericht v. 4. 8. 1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 773. Fälschlicherweise wurde in diesem Lagebericht der Name Alexander Barth genannt, doch der Bamberger Kommunist hieß laut Einwohnermeldekarte nur Alex Barth. Ebenso wurde auch das Geburtsdatum von Georg Böhm falsch wiedergegeben; sein richtiges Geburtsdatum war der 21. September 1896. Vgl. Einwohnermeldekarte Alex Barth, StadtABa, C 9, Nr. 58b; Einwohnermeldekarte Georg Böhm, StadtABa, C 9, Nr. 58b. 1396 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 105. 1397 Vgl. NZA v. 12.12.1930, Nr. 276; NZA v. 13.12.1930, Nr. 277. 1398 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 8.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Wunderer, Arbeitervereine, S. 105. 1399 Vgl. Gründungsaufruf der Antifaschistischen Aktion Bamberg v. 1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 1400 Vgl. Gründungsaufruf der Antifaschistischen Aktion Bamberg v. 1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 1401 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 105. 1402 Vgl. Gründungsaufruf der Antifaschistischen Aktion Bamberg v. 1932, StadtABa, BS, Nr. 2835. 1390 1391
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Das sozialistische Organisationsmilieu
der zunehmenden Verfolgung und Verbotspraxis linksextremer Organisationen. 1403 Unter dem Hinweis auf eine mögliche „Störung, oder mindestens Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ 1404 oder wegen der Befürchtung des Aufrufs „zum Ungehorsam gegen die Vorschriften“ 1405 der Notverordnung wurden Anfang der Dreißigerjahre fast alle Veranstaltungen untersagt. 1406 Über die Stärke der Bamberger Ortsgruppe wurden keine Informationen mehr bekannt. Ein Bericht zur Winterhilfe 1932 lässt den Schluss zu, dass sich die kommunistische Hilfsorganisation wieder gewinnbringend an Aktionen und Werbemaßnahmen be-
teiligte. 1407 Es gelang ihr aber nicht mehr, neue Mitglieder und Funktionäre zu gewinnen, denn als reine KPD-Vereinigung waren der Zuspruch und das Potenzial in Bamberg zu beschränkt. 1408 Indes kann die Rote Hilfe Bamberg der Zwanzigerjahre für sich das Privileg in Anspruch nehmen, dass es ihr als einziger linksextremer Organisation gelang, eine breite Basis für ihre Ziele zu mobilisieren. In der propagandistischen Sprache der KPD wurde die Rote Hilfe als Massenorganisation der Partei charakterisiert; 1409 wenn überhaupt eine Bamberger Vereinigung diese Bezeichnung in Anspruch nehmen konnte, dann nur die Rote Hilfe bis 1930.
4.5 Genossenschaften 4.5.1 Der Allgemeine Konsumverein für Bamberg und Umgebung Wo kauften die Angehörigen des sozialistischen Milieus ein? Auf diese Frage gab es nur eine Antwort: „Hinein in den Konsumverein!“ 1410 Die Gründe und Vorteile des Allgemeinen Konsumvereins Bamberg wurden in zahlreichen Anzeigen im Freistaat beworben und den Kunden „schmackhaft“ gemacht: „Alle Haushaltungen, die ihren Bedarf unter Ausschaltung des Händlergewinnes decken wollen, organisieren sich im Konsum-Verein“ 1411, „Die kluge Hausfrau kauft im Konsumverein“ 1412 oder „Die Konserven aus dem Konsum-Verein sind die bil-
ligsten, weil sie die besten sind“ 1413. Ebenso wurden die Zigarren, der Kaffee und die Fleisch- und Wurstwaren der „Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine“ angepriesen. 1414 Unter den lokalen Produkten wurde vor allem „das gute Bischberger Roggenbrot“ 1415 hervorgehoben. Außerdem umfasste das Sortiment Schuhe, Kleidung und Stoffe. 1416 Von grundlegender Bedeutung war zudem die Kohlenabgabe in den ersten Jahren der Weimarer Republik. 1417 Der Konsumverein fungierte auch als Sparkasse für seine Mitglieder und zahlte jährlich, gemäß dem Kaufanteil, eine Rückvergütung aus, die beispielsweise 1930 pro Familie zwischen 50 und 60 Mark betrug. 1418 Um Mitglied zu werden,
Vgl. Brauns, Rote Hilfe. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 1405 Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 5. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 1406 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg v. 27.1.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Schreiben der Regierung von Oberfranken an den Stadtkommissar Bamberg v. 27. 2.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Lagebericht v. 9. 4.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 785; NZ v. 24.10.1930, Nr. 235. 1407 Vgl. Lagebericht v. 3. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 796. 1408 Vgl. Lagebericht v. 3. 8.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 796. 1409 Vgl. Wunderer, Arbeitervereine, S. 98–101; Winkler, Katastrophe, S. 603. 1410 FS v. 2. 5.1927, Nr. 99. 1411 FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; vgl. FS v. 4.1.1927, Nr. 2; FS v. 1. 2.1927, Nr. 25; FS v. 1. 9.1927, Nr. 200; FS v. 1.10.1929, Nr. 225. 1412 FS v. 1. 3.1928, Nr. 51; vgl. FS v. 2. 4.1928, Nr. 77; FS v. 1. 8.1928, Nr. 174. 1413 FS v. 17. 6.1930, Nr. 136; vgl. 27.1.1931, Nr. 21. 1414 Vgl. FS v. 1. 4.1931, Nr. 75; FS v. 1. 4.1932, Nr. 74; FS v. 1. 7.1932, Nr. 148; Hasselmann, Erwin: Geschichte der deutschen Konsumgenossenschaften. Hamburg 1971, S. 243, 383–390. 1415 FS v. 2.11.1931, Nr. 251; vgl. FS v. 1. 2.1932, Nr. 25; FS v. 1. 2.1933, Nr. 26. 1416 Vgl. FS v. 1.12.1920, Nr. 279; FS v. 4. 6.1920, Nr. 126; FS v. 1.12.1920, Nr. 279; FS v. 1. 3.1921, Nr. 49; FS v. 2. 5.1921, Nr. 100; FS v. 5. 8.1921, Nr. 178. 1417 Vgl. FS v. 1. 4.1920, Nr. 77; FS v. 28.1.1921, Nr. 22; FS v. 17. 8.1922, Nr. 187; FS v. 13.10.1922, Nr. 236. 1418 Vgl. FV v. 28.11.1918, Nr. 276; FS v. 18. 6.1919, Nr. 57; FS v. 6.12.1920, Nr. 283; FS v. 16. 8.1921, Nr. 186; FS v. 12. 4.1922, Nr. 86; FS v. 4. 3.1925, Nr. 52; FS v. 17.10.1930, Nr. 239; Hasselmann, Geschichte, S. 414 f. 1403
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Genossenschaften
musste man ein Eintrittsgeld bezahlen und einen Geschäftsanteil an der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht erwerben. 1419 In Bamberg bestand der Konsumverein seit 1902 und war eng verbunden mit der Person Julius Rüffer, der diesen als Vorstand und Geschäftsführer seit seiner Gründung bis 1927 leitete. 1420 Der frühere Textilarbeiter, Sozialdemokrat und Stadtrat führte die Genossenschaft vom Kaiserreich bis in die Weimarer Republik und gestaltete deren Aufstieg entscheidend mit. 1421 In seiner 25-jährigen Amtszeit war die Mitgliederzahl von 103 Mitgliedern im Jahr 1902 über 2.086 (1914) auf 4.127 Angehörige (1926) angewachsen. 1422 Dieser Anstieg machte es ab 1926 nötig, die Generalversammlungen aller Mitglieder durch Vertreterversammlungen zu ersetzen. 1423 Zahlreiche Angestellte wurden beschäftigt, 1930 waren es 27 Personen. 1424 Der Singular des Namens Konsumverein Bamberg suggerierte während der Weimarer Republik eigentlich ein falsches Bild, denn der „Allgemeine Konsumverein für Bamberg und Umgebung“ bestand aus 13 Verkaufsstellen, die sich sowohl auf die Stadt als auch auf die benachbarten Gemeinden verteilten. 1425 Über die ganze Stadt spannte sich ein Netz aus Läden, das 1929 sieben Filialen in folgenden Straßen einschloss: Färbergasse, Steinknock, Unterer Kaulberg, Kapuzinerstraße, Fohlengartenstraße, Egelseestraße und Peuntstraße. 1426 Darüber hinaus wurde in der
Färbergasse 8 ein „Spezialladen“ 1427 betrieben, der ausschließlich dem Verkauf von Textilien, Stoffen und Schuhen diente. 1428 Während das erste Geschäft im Kaiserreich noch in der Keßlerstraße und somit in der Innenstadt errichtet wurde, verlagerte man den Schwerpunkt der Läden während der Zwanzigerjahre nach Bamberg-Ost und insbesondere in die Wunderburg. 1429 Vier der sieben Läden waren hier zu finden. Damit entsprach man den Wünschen der Kunden, die die Eröffnung von weiteren Filialen in östlichen Stadtteilen gefordert hatten. 1430 Bis 1914 hatte lediglich das Geschäft in der Peuntstraße die dortigen Anwohner versorgt. 1431 1923 eröffnete die Filiale in der Egelseestraße 107, 1926 folgte die Erweiterung Am Steinknock 14 und bis 1929 entstand zusätzlich das Geschäft in der Fohlengartenstraße. 1432 Als Beauftragter für die Wunderburg saß Josef Dennstädt im Aufsichtsrat und teilweise wurden sogar spezielle Mitgliederversammlungen nur für die Wunderburg in der Gaststätte „König“ abgehalten. 1433 Ebenso eng wie der Konsumverein mit der Wunderburg verbunden war, waren auch die Verflechtungen zwischen der SPD und der Verkaufsgenossenschaft. 1434 Im Aufsichtsrat saßen außer dem bereits erwähnten Dennstädt unter anderem die Sozialdemokraten Michael Dräßel, Johann Mohr, Andreas Bauer und Max Erhard. 1435 Mit Hans Geiger bekleidete zudem ein SPD-Mitglied den verantwortungsvollen Posten
Vgl. FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; FS v. 28. 9.1921, Nr. 223. Vgl. FS v. 2. 4.1927, Nr. 76; Krause, 115 Jahre, S. 43; Einwohnermeldekarte Julius Rüffer, StadtABa, C 9. Zur Entstehung und frühen Entwicklung der Konsumgenossenschaften vgl. Wagner-Braun, Margarete: Die Entstehung der Konsumgenossenschaften im 19. Jahrhundert (unter besonderer Berücksichtigung der Wettbewerbssituation). In: „Beiträge zur Genossenschaftsgeschichte“ (= Schriftenreihe zur Genossenschaftsgeschichte, Bd. 6). Hg. v. Historischer Verein bayerischer Genossenschaften e.V. München 2003, S. 194–220. 1421 Vgl. FS v. 2. 4.1927, Nr. 76; FS v. 5. 4.1927, Nr. 78. 1422 Vgl. FS v. 2. 4.1927, Nr. 76; Hasselmann, Geschichte, S. 383. Diese Steigerung erfolgte in Einklang mit dem Zuwachs des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine, der zwischen 1913 und 1923 seine Mitgliederzahl ebenfalls verdoppelte. 1423 Vgl. FS v. 16. 4.1926, Nr. 86; FS v. 21. 4.1926, Nr. 90; Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 74–76. 1424 Vgl. FS v. 27. 3.1930, Nr. 71. 1425 Vgl. FS v. 23. 9.1922, Nr. 219; FS v. 1. 3.1926, Nr. 49. 1426 Vgl. FS v. 21. 9.1929, Nr. 217; Hasselmann, Geschichte, S. 417. 1427 FS v. 1. 3.1927, Nr. 49. 1428 Vgl. FS v. 4. 6.1920, Nr. 126; FS v. 1.12.1920, Nr. 279; FS v. 12. 4.1922, Nr. 86; FS v. 12. 5.1923, Nr. 107. 1429 Vgl. FS v. 12. 4.1922, Nr. 86; FS v. 2. 4.1927, Nr. 76. 1430 Vgl. FS v. 21. 4.1926, Nr. 90; FS v. 3.11.1926, Nr. 252. 1431 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1913/14, StadtABa. 1432 Vgl. FS 13. 2.1923, Nr. 36; FS v. 3.11.1926, Nr. 252; FS v. 21. 9.1929, Nr. 217. Die genaue Eröffnung der Filiale in der Fohlengartenstraße konnte nicht datiert werden. 1433 Vgl. FS v. 24.10.1922, Nr. 245; FS v. 2.12.1927, Nr. 278. 1434 Vgl. Goch, Arbeiterbewegung, S. 166–168; Haikal, Mustafa: Gute Geschäfte. Die Geschichte der Leipziger Konsumgenossenschaft. Leipzig 2009, S. 112. 1435 Vgl. FS v. 13. 2.1923, Nr. 36; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106; FS v. 29. 9.1924, Nr. 225; FS v. 5. 5.1925, Nr. 101; FS v. 21. 8.1926, Nr. 190; FS v. 25. 7.1927, Nr. 168; FS v. 1419
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Das sozialistische Organisationsmilieu
des Kassiers. 1436 Als Julius Rüffer 1927 in den Ruhestand wechselte, holte man den auswärtigen Genossen Martin Burk aus Frankfurt nach Bamberg, der als Kaufmann bereits Erfahrungen in der Organisation eines großen Konsumvereins gesammelt hatte. 1437 Mit überschüssigen Geldern förderte der Konsumverein die SAJ und diese besuchte ihrerseits geschlossen Veranstaltungen des Konsumvereins. 1438 Kommunisten waren hingegen in den leitenden Positionen in Bamberg nicht zu finden. 1439 Ein einziges Mal kam es zu einer Auseinandersetzung im Rahmen der Generalversammlung 1922, in der Mitglieder der KPD als „Radaumacher“ 1440 die Ergänzungswahl zum Aufsichtsrat behinderten. 1441 Weitere Streitfälle wurden nicht publik, sodass sich der Konsumverein ungehindert, sozialdemokratisch dominiert, weiterentwickeln und ausdehnen konnte. 1442 Die Genossenschaft war in der Weimarer Republik nicht nur Einkaufstelle, sondern sie kaufte auch Grundbesitz und Häuser und vermietete Wohnungen an ihre Mitglieder. 1443 Schon im Januar 1919 beantragte der Allgemeine Konsumverein einen Baukostenzuschuss für Neubauten, der vom Stadtmagistrat genehmigt wurde. 1444 Die Wohneinheiten entstanden in der Färbergasse und somit in direkter Nachbarschaft zur zentralen Geschäftsstelle, dem Büro und Lager des Konsumvereins in der Färber-
gasse 8. 1445 Der Stadtrat unterstützte die Bauunternehmungen finanziell, da so ohne städtische Initiative und Verantwortung die Wohnungsnot bekämpft wurde. 1446 Beim Ausbau legte man Wert darauf, Kleinwohnungen zu errichten und möglichst vielen Familien zu helfen. 1447 Im selben Jahr erwarb man außerdem eine Immobilie in Bischberg. 1448 Zum Grundbesitz des Konsumvereins zählte zudem das Anwesen Unterer Kaulberg 26, in dem sich auch ein Laden befand. 1449 All diese Anwesen sicherten dem Konsumverein eine gesunde finanzielle Grundlage und die Liquidität während und nach der Inflation. 1450 So konnte der Vorstand Julius Rüffer auf der Generalversammlung 1922 bekräftigen, „daß der Konsumverein die sicherste Kapitalanlage bietet“ 1451 und trotz der fortwährenden Geldentwertung Zuversicht verbreiten: „Wir stehen finanziell sehr gut und können ruhig in die Zukunft blicken; dieses Werk der Bamberger Arbeiterschaft hält allen Anstürmen stand.“ 1452 1926 investierte der Konsumverein erneut und konnte somit zum 25-jährigen Jubiläum sechs bebaute Grundstücke sein Eigen nennen. 1453 Schwieriger gestaltete sich der Fortbestand der Genossenschaft während der Weltwirtschaftskrise. 1454 Geschäftsführer Burk verglich die Situation 1930 mit einer „Sintflut über unsere Volkswirtschaft […] [, bei der man] nirgends einen Silberstreifen am Horizont sieht, nirgends
11.10.1928, Nr. 234; FS v. 16. 4.1929, Nr. 87; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 4. 5.1924, StadtABa, C 2, Nr. 615; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 14. 9.1930, StadtABa, C 2, Nr. 632. 1436 Vgl. FS v. 2. 4.1927, Nr. 76; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 4. 5.1924, StadtABa, C 2, Nr. 615. 1437 Vgl. FS v. 25. 7.1927, Nr. 168; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 625. 1438 Vgl. FS v. 23. 9.1922, Nr. 219; FS v. 16. 3.1928, Nr. 64. 1439 Vgl. NZ v. 6. 4.1922, Nr. 81. 1440 NZ v. 6. 4.1922, Nr. 81. 1441 Vgl. NZ v. 6. 4.1922, Nr. 81; FS v. 12. 4.1922, Nr. 86. 1442 Im Unterschied dazu brachen Differenzen zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Konsumvereinsmitgliedern in anderen Städten wie Leipzig ab Ende der Zwanzigerjahre aus. Vgl. Haikal, Geschäfte, S. 122; Hasselmann, Geschichte, S. 432. 1443 Vgl. FS v. 2. 4.1927, Nr. 76; Goch, Arbeiterbewegung, S. 334 f.; Haikal, Geschäfte, S. 115; Hasselmann, Geschichte, S. 407. 1444 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 7.1.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Protokoll des Stadtmagistrats v. 28. 2.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Protokoll des Stadtmagistrats v. 12.11.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; Protokoll des Stadtmagistrats v. 20. 4.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671. 1445 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 7.1.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; FV v. 22. 3.1919, Nr. 67; FS v. 1.12.1920, Nr. 279; FS v. 23. 9.1922, Nr. 219; FS v. 3.11.1924, Nr. 254; FS v. 1. 8.1930, Nr. 174. In der Färbergasse gehörten dem Konsumverein die Anwesen 6, 8 und 10. 1446 Vgl. Protokoll des Stadtmagistrats v. 28. 2.1919, StadtABa, C 1, Nr. 668; Protokoll des Stadtmagistrats v. 12.11.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; Protokoll des Stadtmagistrats v. 20. 4.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671. 1447 Vgl. FV v. 3.12.1918, Nr. 280. 1448 Vgl. FV v. 13. 3.1919, Nr. 59; FV v. 19. 3.1919, Nr. 64, FS v. 23. 9.1922, Nr. 219. Das Haus hatte die Anschrift Bischberg 105. 1449 Vgl. FS v. 23. 9.1922, Nr. 219. 1450 Vgl. FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; FS v. 23. 9.1922, Nr. 219; Hasselmann, Geschichte, S. 407. 1451 FS v. 23. 9.1922, Nr. 219. 1452 FS v. 23. 9.1922, Nr. 219. 1453 Vgl. FS v. 1. 7.1926, Nr. 146; FS v. 2. 4.1927, Nr. 76. 1454 Vgl. FS v. 27. 3.1930, Nr. 71; FS v. 6. 5.1930, Nr. 102; FS v. 4.10.1930, Nr. 228; FS v. 17.10.1930, Nr. 239; Hasselmann, Geschichte, S. 449–455.
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Genossenschaften
einen Ausweg findet“. 1455 Dies führte nicht nur zu Umsatzeinbrüchen, sondern auch zur Rationalisierung und zum Ausschluss von passiven Mitgliedern. 1456 Im Herbst 1930 traf dies 829 Personen, sodass sich der Mitgliederstand drastisch auf 2.149 reduzierte und damit wieder ein Niveau wie vor dem Ersten Weltkrieg erreichte. 1457 Dieser Reinigungsprozess wurde reichsweit in allen Konsumgenossenschaften durchgeführt, um sich Nichtkäufern zu entledigen, die sich beispielsweise im Laufe der Inflation den Konsumverein als Bezugs-
quelle gesichert hatten. 1458 Während andere Konsumvereine die Durchsicht ihrer Mitgliederlisten jedoch 1927 bereits beendet hatten, begann die Vorstandschaft in Bamberg erst 1928 mit diesem Vorgang. 1459 Dadurch fiel die innere Neuorganisation in Bamberg mit der Rezession zusammen. Eine in diesem Kontext erstellte Berufsstatistik von 1930 zeigt deutlich, dass die gewerbliche Arbeiterschaft das hauptsächliche, aber nicht das alleinige Klientel des Konsumvereins in Bamberg bildete (Tabelle 5). 1460
Tabelle 5: Berufsstatistik des Allgemeinen Konsumvereins für Bamberg und Umgebung zum 30. Juni 1930. Berufe
Männlich
Weiblich
Insgesamt
Selbständige Gewerbetreibende
085
025
0110
Gärtner und Landwirte
214
028
0242
Gewerbliche Arbeiter
864
219
1.083
Freie Berufe, Gemeinde- und Staatsbeamte
243
019
0262
Personen ohne Beruf, Pensionäre usw.
174
010
0184
268
0268
568
2.149
Arbeiter- und Beamtenfrauen Zusammen
1.580
Etwa 50 % der Mitglieder gehörten in Bamberg der Arbeiterschaft an. Dieser Anteil war weit entfernt von Werten im Ruhrgebiet, wo die proletarische Zielgruppe über 90 % des Kundenstamms stellte. 1461 Typisch für das sozialistische Milieu in Bamberg war die Aufsplitterung in völlig unterschiedliche Berufssparten, sodass beispielsweise auch freie Berufe, Beamte und Selbständige partizipierten. Es wird daher deutlich, dass der Kreis der Bezugspersonen im Konsumverein nicht deckungsgleich mit den Gewerkschaftsmitgliedern vor Ort war. 1462 Die Einkaufsgenossenschaft war bereits stark auf eine Arbeiterbewegung als soziale Volksbewegung aus-
gerichtet und stand in Bamberg auf einer breiten Basis. 1463 Sie integrierte über die Arbeiterschaft hinaus Personen ins linke Milieu. Der relativ hohe Anteil an Gärtnern und Landwirten bedingte sich vor allem durch die Einbeziehung der zugehörigen Verkaufsstellen im Bamberger Umland, so beispielsweise in Hallstadt, Memmelsdorf, Bischberg und Naisa. 1464 Die Mitgliedschaft von Frauen machte hingegen nur etwa ein Viertel aus, obwohl sie im Fokus der Werbemaßnahmen und Veranstaltungen des Konsumvereins standen. 1465 Sie waren es schließlich, die im Alltag die Einkäufe für die Familien tätigten und dabei oftmals die Familien-
FS v. 17.10.1930, Nr. 239. Vgl. FS v. 4.10.1930, Nr. 228; Haikal, Geschäfte, S. 121–123; Kluge, Arnd: Die Genossenschaften der Hofer Region seit Mitte des 19. Jahrhunderts (= Bericht des Nordoberfränkischen Vereins für Natur-, Geschichts- und Landeskunde, Bd. 59). Hof 2010, S. 93 f. 1457 Vgl. FS v. 2. 4.1927, Nr. 76; FS v. 4.10.1930, Nr. 228. 1458 Vgl. FS v. 11.10.1928, Nr. 234; Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 68; Haikal, Geschäfte, S. 107 f.; Hasselmann, Geschichte, S. 409–411. 1459 Vgl. FS v. 11.10.1928, Nr. 234; Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 68; Haikal, Geschäfte, S. 107 f. 1460 Vgl. FS v. 4.10.1930, Nr. 228. 1461 Vgl. Goch, Arbeiterbewegung, S. 168. 1462 Vgl. Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 63. 1463 Vgl. Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 63; Kluge, Genossenschaften, S. 92; Büttner, Weimar, S. 68. 1464 Vgl. FS v. 21. 9.1929, Nr. 217; FS v. 4.10.1930, Nr. 228. 1465 Vgl. FS v. 12. 4.1922, Nr. 86; FS v. 21. 9.1925, Nr. 215; FS v. 15. 4.1926, Nr. 85; FS v. 13.11.1928, Nr. 261; FS v. 16.11.1928, Nr. 264; FS v. 4.10.1930, Nr. 228; Kluge, Genossenschaften, S. 93. 1455
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Das sozialistische Organisationsmilieu
mitgliedschaft durch die offizielle Eintragung des Ehemanns nutzten. 1466 Folglich organisierte der Konsumverein nachmittägliche Kaffeerunden für Frauen im Café „Haas“, bei denen neben Kaffee und Kuchen auch Filmvorführungen und Vorträge geboten wurden. 1467 1924 gestaltete man zudem die Generalversammlung nach den Interessen der Frauen, so hieß es in der Einladung: „Schon heute werden unsere Frauen darauf aufmerksam gemacht, daß sie bei dieser Versammlung besonders auf ihre Rechnung kommen werden, da, wie wir hören, die Verwaltung plant, Kostproben verschiedenster Art zu verabreichen. Den Frauen ist damit Gelegenheit gegeben, Produkte des Vereins auf ihre Qualität zu prüfen und der Vorstandschaft dann das gefällte Urteil zu unterbreiten.“ 1468
In Versammlungen wurde über Themen wie „Warenkunde im Haushalt“ 1469, „Ziele der Genossenschaftsbewegung“ 1470 oder die „Qualität der Speisefette“ 1471 referiert. Darüber hinaus richtete der Konsumverein Bamberg im März 1928 eine „Warenund Werkschau“ 1472 im Saal der „Harmonie“ aus, bei der anhand von Modellen die eigenen Betriebe und Einrichtungen wie die Malzkaffeefabrik in Chemnitz, die Schokoladenfabrik in Hamburg oder das Kindererholungsheim gezeigt wurden. 1473 Obwohl die Bamberger Organisation ebenfalls das Ziel
verfolgte, eine lokale Produktionsfabrik zu schaffen, konnte dieses Vorhaben nicht in die Realität umgesetzt werden. 1474 Allerdings war die Versicherungsgesellschaft „Volksfürsorge“, eine 1913 vom Zentralverband deutscher Konsumvereine und der Generalkommission der Gewerkschaften gegründete Lebensversicherung, an den Konsumverein in Bamberg angegliedert. 1475 Diese wurde vor Ort von Julius Rüffer und später Max Erhard im Büro der Färbergasse vertrieben. 1476 Im Kaiserreich und am Anfang der Weimarer Republik galt die christliche Verbrauchsgenossenschaft als größter Konkurrent für den Allgemeinen Konsumverein in Bamberg. 1477 Dies wandelte sich jedoch, da diese an Bedeutung verlor und mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. 1478 Stattdessen agierte der Allgemeine Konsumverein seit den Dreißigerjahren vermehrt gegen den Mittelstand und die Warenhäuser, die den Einkauf völlig neu inszenierten. 1479 Speziell die Vergrößerung des Geschäftshauses „Tietz“ am Grünen Markt wurde vom Konsumverein kritisch gesehen. 1480 Man wähnte sich in einem Widerstreit der Unternehmer gegen die Konsumenten und beschwor die eigenen Mitglieder, „ihren Einkauf restlos dort [d. h. im Konsumverein] einzudecken und keinen Pfenning dem Privathandel hineinzutragen“. 1481 Immer häufiger wurde dabei die Metapher des Kampfes gebraucht. 1482 So hieß es 1930 bei der Veröffent-
Vgl. FS v. 16. 8.1921, Nr. 186; FS v. 4. 3.1925, Nr. 52; FS v. 26. 9.1925, Nr. 220; FS v. 19. 6.1926, Nr. 137; Hasselmann, Geschichte, S. 411. Vgl. FS v. 13.11.1928, Nr. 261; FS v. 16.11.1928, Nr. 264; Kluge, Genossenschaften, S. 93. 1468 FS v. 22. 9.1924, Nr. 219; vgl. FS v. 20. 6.1924, Nr. 140. 1469 FS v. 20. 6.1924, Nr. 140. 1470 FS v. 20. 6.1924, Nr. 140. 1471 FS v. 29. 9.1924, Nr. 225. 1472 FS v. 10. 3.1928, Nr. 59. 1473 Vgl. FS v. 10. 3.1928, Nr. 59; FS v. 14. 3.1928, Nr. 62; FS v. 16. 3.1928, Nr. 64; Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 74; Hasselmann, Geschichte, S. 387–390, 418–425. 1474 Vgl. FS v. 12. 4.1922, Nr. 86; FS v. 27. 3.1930, Nr. 71. 1475 Vgl. FV v. 3.12.1918, Nr. 280; FS v. 6. 5.1919, Nr. 22; Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 56–63, 143–162; Hasselmann, Geschichte, S. 430; Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 143–164. 1476 Vgl. FV v. 3.12.1918, Nr. 280; FS v. 6. 5.1919, Nr. 22; FS v. 2. 6.1919, Nr. 44; FS v. 2. 2.1920, Nr. 26; FS v. 2.11.1929, Nr. 252; FS v. 5.1.1931, Nr. 31; Adressund Funktionärsverzeichnis, SPDBa, Ordner „Geschichte SPD II“; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 1477 Vgl. Link, Katholizismus, S. 313; FS v. 5. 4.1927, Nr. 78; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 1478 Vgl. FS v. 12. 6.1929, Nr. 132; Hasselmann, Geschichte, S. 416, 427. 1479 Vgl. FS v. 27. 3.1930, Nr. 71; FS v. 6. 5.1930, Nr. 102; FS v. 17.10.1930, Nr. 239; Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 73; Hasselmann, Geschichte, S. 437; Rooch, Alarich: Warenhäuser: Inszenierungsräume der Konsumkultur. Von der Jahrhundertwende bis 1930. In: Bürgertum und Bürgerlichkeit zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Hg. v. W. Plumpe/J. Lesczenski. Mainz 2009, S. 17–30. 1480 Vgl. FS v. 27. 3.1930, Nr. 71; Fichtl/Link/May, Judenfrei, S. 377–392. 1481 FS v. 6. 5.1930, Nr. 102; vgl. Kluge, Genossenschaften, S. 93. 1482 Vgl. FS v. 27. 3.1930, Nr. 71; FS v. 6. 5.1930, Nr. 102; FS v. 17.10.1930, Nr. 239. 1466 1467
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Genossenschaften
lichung der Bilanz: „Auch der Konsumverein in Bamberg will mit gestärkten Kräften in diesen Kampf ziehen.“ 1483 Es gelang letztendlich 1931, die Stabilität und Rentabilität der Genossenschaft in Bamberg zu sichern und unter der Parole „Aufwärts durch Selbsthilfe!“ 1484 überstand der Konsumverein die Weltwirtschaftskrise. 1485 Mit genossenschaftlichen Zigarren, dem Bischberger Roggenbrot und der Eigenmarke des Bohnenkaffees wurden alle Mitglieder bis 1933 versorgt. 1486 So hatte das sozialistische Milieu während der gesamten Weimarer Republik seine eigene linke Geschäftswelt.
4.5.2 Die Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ Die Wohnungsnot stellte eine der drängendsten und größten Schwierigkeiten nach dem Ersten Weltkrieg dar, die besonders die Kriegsheimkehrer und ihre Familien betraf. 1487 In Bamberg gründete sich daher im Juli 1919 der Siedlungsverein „Eigenheim“ der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegerhinterbliebenen Bamberg und Umgebung, um durch kooperative Selbsthilfe den Mangel zu bekämpfen. 1488 Ab 1923 firmierte die Organisation als „eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht“. 1489 Obwohl sie nicht zu den Arbeiterorganisationen im engeren Sinn zählte und offiziell politische Neutralität reklamierte, so
gehörte sie doch aufgrund ihrer Ausrichtung und Mitglieder dem sozialistischen Milieu an. 1490 Im Vorstand, im Aufsichtsrat und unter den Genossenschaftlern dominierten die Sozialdemokraten: Friedrich Duschl und Hans Rösch saßen im Aufsichtsrat, Georg Betz leitete die Genossenschaft und Josef Dennstädt, Johann Engert, Johann Rieß, Karl Steinfelder und Baptist Süß fanden sich unter den Mitgliedern. 1491 Als zentraler Treffpunkt für Besprechungen und Generalversammlungen diente das „Weiße Roß“ in der Erlichstraße der Wunderburg und Inserate und Bekanntmachungen wurden im Freistaat veröffentlicht. 1492 Wenige Monate nach seiner Gründung reichte der Siedlungsverein die ersten Anträge im Stadtrat Bamberg ein. 1493 Im Wochenbericht vom September 1919 wurden die Initiative und der Tatendrang der neuen Organisation deutlich, die sich den widrigen äußeren Umständen entgegenstellte: „Die Bautätigkeit ist durch den herrschenden Baustoffmangel stark gehemmt. Es werden hauptsächlich Neubauten für Kleinwohnungen, Dachausbauten und kleinere Neu- und Erweiterungsbauten, sowie Reparaturen ausgeführt. In der Berichtswoche wurden 3 Baugesuche genehmigt (3 Wohnhausneubauten des Siedlungsvereins ‚Eigenheim‘ der Kriegsbeschädigten und 2 Umbauten.)“ 1494
FS v. 27. 3.1930, Nr. 71. FS v. 9. 1.1931, Nr. 6. 1485 Vgl. FS v. 9.1.1931, Nr. 6; FS v. 27. 2.1931, Nr. 21. 1486 Vgl. FS v. 1. 4.1932, Nr. 74; FS v. 1. 7.1932, Nr. 148; FS v. 1. 2.1933, Nr. 26. 1487 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1760; Winkler, Revolution, S. 157, 460; Drupp, Michael: Gemeinnützige Bauvereine im Wohnungswesen der Weimarer Republik. In: Die Weimarer Republik als Wohlfahrtsstaat. Zum Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Industriegesellschaft (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft Nr. 81). Hg. v. W. Abelshauser. Stuttgart 1987, S. 129; Saldern, Häuserleben, S. 122. 1488 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 12.11.1919, StadtABa, C 1, Nr. 669; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; FS v. 20. 7.1927, Nr. 164; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1760; Drupp, Bauvereine, S. 129 f.; Novy/Prinz, Gemeinwirtschaft, S. 101–103; Saldern, Häuserleben, S. 135. 1489 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 7. 3.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. Einen Überblick über die Entwicklung der bayerischen Wohnungsbaugenossenschaften bietet Herbert Lindmayer vgl. Lindmayer, Herbert: Die Entwicklung der bayerischen Wohnungsbaugenossenschaften. In: „Beiträge zur Genossenschaftsgeschichte“ (= Schriftenreihe zur Genossenschaftsgeschichte, Bd. 6). Hg. v. Historischer Verein bayerischer Genossenschaften e.V. München 2003, S. 180–191. 1490 Vgl. FS v. 25.1.1927, Nr. 19; FS v. 26. 7.1927, Nr. 169; FS v. 1.12.1932, Nr. 277. Das Übergewicht von Sozialdemokraten in einzelnen Baugenossenschaften wurde auch in anderen Städten wie Leipzig, Hof und Gelsenkirchen nachgewiesen; vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 208, 216 f.; Kluge, Genossenschaften, S. 121 f., 156 f.; Goch, Arbeiterbewegung, S. 336 f. 1491 Vgl. FS v. 2.1.1924, Nr. 1; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 7.12.1924, StadtABa, C 2, Nr. 620; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 625; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 14. 9.1930, StadtABa, C 2, Nr. 632; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 1492 Vgl. FS v. 26. 7.1927, Nr. 169; FS v. 28. 7.1927, Nr. 171; FS v. 1. 3.1929, Nr. 51; FS v. 4. 9. 1930, Nr. 202. 1493 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 13. 9.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1841. 1494 Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 13. 9.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1841. 1483
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Das sozialistische Organisationsmilieu
Bei den erwähnten drei Neubauten handelte es sich um die Häusergruppe Plattengasse 4/6/8 in der Wunderburg. 1495 Die Gebäude spielten in Bamberg eine Vorreiterrolle unter den Siedlungshäusern und markierten den Übergang vom Einfamilienhaus zum Mietwohnungstyp mit Einliegerwohnung und abgetrennten Treppenhäusern. 1496 Dieses erste Ensemble wurde Mitte 1920 vollendet und fand sogleich eine Fortsetzung in den Häusern Plattengasse 10/12/14. 1497 Folglich entstanden durch den Siedlungsverein „Eigenheim“ in den ersten Jahren insgesamt 43 Wohneinheiten. 1498 Damit trug man in Bamberg zur Belebung des Baumarktes und zur schnellen Bereitstellung neuer Wohnungen bei. Nach diesen ersten Fortschritten erschloss der Verein 1921 ein neues Baugebiet an der Hüttenfeldstraße im Süden der Wunderburg. 1499 Gefördert wurden die Pläne durch Baukostenzuschüsse und Darlehen von staatlicher und städtischer Seite. 1500 Ausdrücklich hielt der Stadtrat in einer Sitzung zur Straßenherstellung fest, dass man den Plänen der Genossenschaft „wohlwollend“ 1501 gegenüberstünde und Aussicht auf „weiteres Entgegenkommen“ 1502 möglich wäre. Im Dezember 1921 zog die Stadt daher eine positive Bilanz der Unterstützung und Zusammenarbeit mit dem Bauverein in den vergangenen Monaten: „Durch den Siedlungsverein Eigenheim, Kriegsbeschädigten-Ortsgruppe Bamberg, wurden ebenfalls durch Neubau 12 Wohnungen mit je 3 Zimmern und Küche und 6 Wohnungen mit je 2 Zimmern und Küche geschaffen, welche ebenfalls im
Monat Dezember von 18 dem Siedlungsverein Eigenheim angehörigen verheirateten Kriegsbeschädigten bezogen wurden.“ 1503
Dieser Bericht verdeutlicht die Konzentration auf kleinere Wohnungen, nämlich Zwei- oder Dreizimmerwohnungen, mit denen man sich nach den Wünschen und Bedürfnissen der Mitglieder richtete. 1504 Das Konzept harmonierte mit der Haltung der SPD-Fraktion im Stadtrat, die gegen den Neubau von großen „Luxuswohnungen“ 1505 in Bamberg protestierte. Johann Steitz vertrat die Sozialdemokraten im Wohnungsausschuss, er wirkte zeitweise als Vorsitzender des Wohnungsamtes und verantwortete die Aufstellung der jährlichen Wohnungsbauprogramme, bei denen regelmäßig auch die Projekte des Vereins „Eigenheim“ Aufnahme fanden. 1506 1922 musste er allerdings aufgrund der sprunghaften Preissteigerungen durch die Inflation verkünden, dass nur bereits begonnene Bauten fertig gestellt werden könnten und keine neuen Vorhaben mehr zur Ausführung kämen. 1507 In seiner Stellungnahme wurde das Dilemma der Situation deutlich: „Für Bamberg wird in der nächsten Zeit die Bautätigkeit zu Ende sein. Die Folge wird sein eine ungeheure Vermehrung der Wohnungsuchenden. Statt die ungeheure Wohnungsnot zu beheben, vergrößert sich diese, ohne daß dagegen etwas unternommen werden kann. […] Steitz bedauert es sehr, daß das Bauen der Genossenschaften damit auch in Frage gestellt ist.“ 1508
Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1760. Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1773–1780; Drupp, Bauvereine, S. 133. 1497 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1760. 1498 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 3.1.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1843. 1499 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 6. 4.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671. 1500 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 6. 4.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671; FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; Stadtratsprotokoll v. 4. 5.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671; Haerendel, Wohnungspolitik; Drupp, Bauvereine, S. 137–141. 1501 Stadtratsprotokoll v. 20. 4.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671. 1502 Stadtratsprotokoll v. 20. 4.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671. 1503 Halbmonatsbericht v. 31.12.1921, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1851. 1504 Vgl. Wochenbericht des Stadtrats Bamberg v. 27.11.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1846; Adam, Arbeitermilieu, S. 215; Büttner, Weimar, S. 300. 1505 FS v. 2. 5.1930, Nr. 99. 1506 Vgl. FS v. 8. 4.1921, Nr. 80; FS v. 10. 8.1922, Nr. 182; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; FS v. 14. 3.1923, Nr. 61; FS v. 1. 4.1927, Nr. 75; FS v. 2. 5.1930, Nr. 99; Stadtratsprotokoll v. 4. 5.1921, StadtABa, C 1, Nr. 671; Stadtratsprotokoll v. 7. 3.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Bamberger Jahrbuch 1930, Bd. 3. Bamberg 1930, S. 69; Saldern, Häuserleben, S. 136. 1507 Vgl. FS v. 10. 8.1922, Nr. 182; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1762. 1508 FS v. 10. 8.1922, Nr. 182. 1495
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Genossenschaften
Demgemäß erhielt auch die Baugenossenschaft „Eigenheim“ 1923 lediglich städtische Vorschüsse zur Fertigstellung ihrer Wohnungen. 1509 Bis 1925 ruhte die Bautätigkeit der Organisation, doch dann setzte man nach der Währungsreform die Erstellung von Neubauten im Gebiet der Hüttenfeldstraße fort. 1510 Gerade in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre erlebten die gemeinnützigen Baugenossenschaften eine Hochphase, die durch Gelder der staatlichen Hauszinssteuer ermöglicht wurde. 1511 Davon profitierten auch die Genossenschafter des „Eigenheims“ in Bamberg. Sukzessive errichteten sie Mietshäuser in den Straßenzügen zwischen Fohlengartenstraße, Am Hochgericht, Theresienstraße, Hirschbühlstraße und Hüttenfeldstraße und besiedelten dieses erweiterte Stadtviertel. 1512 Im ersten Baublock entstanden 1925 die Doppelhäuser Hirschbühlstraße 8/10 und Hochgericht 9/11. 1513 In den nächsten beiden Jahren widmete man sich dem gegenüberliegenden Quartier mit den Häusern Hirschbühlstraße 12/14/16, Am Hochgericht 34/36 und Hüttenfeldstraße 12/14/16. 1514 Abschließend erweiterte man dieses zwischen 1928 und 1929 in Richtung Bahnlinie mit den Bauten Theresienstraße 26/28. 1515 Als Architekten engagierte man den Regierungsbaumeister Wilhelm Sachs, der ab 1929 auch das Textilarbeiterheim in der Kleberstraße errichtete. 1516 Die Häuser der Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ hoben sich durch expressionistische Elemente ab. 1517 So wurden beispielsweise die Fassaden mit dunkelroten Eisenbrandklinkern gestaltet, die Mittelachsen durch Keilsteine betont
und die Fenster durch Einfassungen hervorgehoben. 1518 Damit setzte die im sozialistischen Milieu integrierte Organisation ein deutliches Zeichen der Moderne, das in Richtung des Neuen Bauens wies. 1519 Bewusst und offensichtlich lehnte man den eher rückwärtsgewandten und nationalistischen Heimatschutzstil ab, der beispielsweise in einer Beamtensiedlung an der Gönner- und Egelseestraße in Bamberg Anwendung fand. 1520 Stolz war man auf die „praktische Bauweise“ 1521 und Funktionalität, die bei einer Begehung des Stadtrats zusammen mit Bürgermeister Weegmann 1926 gelobt wurde. 1522 So fanden durch die Baugenossenschaft „Eigenheim“ linke Akzente Eingang in den Wohnungsbau der Zwanzigerjahre in Bamberg. Eine Interessengemeinschaft verband die Mitglieder der Kooperative „Eigenheim“ mit dem Allgemeinen Mieterverein Bamberg und Umgebung, der selbst über keine eigene Baugenossenschaft verfügte und daher mit Erstgenanntem zusammenarbeitete. 1523 Ähnlich wie die Baugenossenschaft galt auch der Mieterverein in Bamberg als eine proletarische Organisation und musste sich mit Vorwürfen auseinandersetzen, kommunistische Propaganda zu verbreiten. 1524 Im Speziellen agierte der Hausbesitzerverein gegen den Zusammenschluss der Mieter. 1525 Im Gegenzug rief der Mieterverein bei Wahlen zum Boykott der Wirtschaftspartei auf, da man in ihr eine „bloße Standespartei“ 1526 sah, die „restlos die einseitigen Interessen des Althausbesitzes“ 1527 vertreten würde. Der Interessenskonflikt zwischen dem sozialis-
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 7. 3.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674. Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1763; Bamberger Jahrbuch 1928, Bd. 1. Bamberg 1928, S. 28. 1511 Vgl. Haerendel, Wohnungspolitik; Winkler, Schein, S. 408; Büttner, Weimar, S. 374. 1512 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1763–1767. 1513 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1763. 1514 Vgl. Bamberger Jahrbuch 1928, S. 151; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1763. 1515 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1763. 1516 Vgl. Bamberger Jahrbuch 1928, S. 151. 1517 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1791; Saldern, Häuserleben, S. 131. 1518 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1791. 1519 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1791; Fuhrmann, Bernd/Meteling, Wencke/Rajkay, Barbara u. a.: Geschichte des Wohnens. Vom Mittelalter bis heute. Darmstadt 2008, S. 131; Drupp, Bauvereine, S. 135; Saldern, Häuserleben, S. 132 f. 1520 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1789 f.; Fuhrmann/Meteling/Rajkay, Geschichte, S. 131 f.; Saldern, Häuserleben, S. 132. 1521 FS v. 25.1.1927, Nr. 19. 1522 Vgl. FS v. 25.1.1927, Nr. 19; Fuhrmann/Meteling/Rajkay, Geschichte, S. 131–133; Drupp, Bauvereine, S. 135; Saldern, Häuserleben, S. 135. 1523 Vgl. FS v. 25.1.1927, Nr. 19. 1524 Vgl. FS v. 25.1.1927, Nr. 19. 1525 Vgl. FS v. 25.1.1927, Nr. 19. 1526 FS v. 23. 4.1932, Nr. 93. 1527 FS v. 23. 4.1932, Nr. 93. 1509 1510
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Das sozialistische Organisationsmilieu
tischen Milieu als Vertreter der Mieter einerseits und den Vermietern und Immobilienbesitzern andererseits mündete im Stadtrat in Debatten zwischen Josef Dennstädt und Lorenz Krauß von der Partei der Grund- und Hausbesitzer. 1528 1925 kam es in einer Sitzung zu einer offiziellen Kritik und Verurteilung der Genossenschaft „Eigenheim“, weil Siedler eigenmächtig Sand vom städtischen Straßenbau für ihre Häuser verwendeten. 1529 Als Konsequenz wurde das bereits gewährte Darlehen gekürzt und die Genossenschaft distanzierte sich von dem Verhalten ihrer Mitglieder. 1530 In der Folgezeit traten keine weiteren Konfliktfälle mehr auf. Mit der Weltwirtschaftskrise endete jedoch die aktive Phase der Baugenossenschaft „Eigenheim“. 1531 Die gemeindlichen und staatlichen Zuschüsse wurden wegen der schwierigen Finanzlage gestrichen und die Bautätigkeit kam zum Erliegen. 1532 1932 geriet die Kooperative in gravierende Zahlungsengpässe, sodass im Stadtrat der Punkt „Sanierung der Siedlungsgenossenschaft ‚Eigenheim‘“ 1533 besprochen werden musste. Vermutlich waren viele Mitglieder zuvor ausgetreten, da sie keine Chance auf Zuteilung einer Wohnung mehr sahen oder sich den Beitrag nicht mehr leisten konnten. 1534 Der Stadtrat half, indem er den Tilgungssatz
auf 1 % herabsetzte und die rückständigen Beträge ohne Zinsen abgeglichen werden konnten. 1535 Dieses Entgegenkommen ermöglichte es der Baugenossenschaft die Notzeit zu überstehen. Als der Siedlungsbau ab Ende 1932 wiederbelebt wurde, fand dies jedoch ohne Beteiligung der Genossenschaft „Eigenheim“ statt. 1536 Allerdings konnte die Organisation ihre Verankerung im Arbeitermilieu über 1933 hinaus bewahren. 1537 So lebten nach der Machtergreifung mit Johann Engert und Josef Dennstädt zwei der verfolgten Arbeitersekretäre in Wohnungen der Baugenossenschaft. 1538 Johann Engert hatte eine Wohnung in der Hirschbühlstraße 10, Josef Dennstädt residierte Am Hochgericht 11. 1539 Als Dennstädt aufgrund des Verlustes seiner Arbeitsstelle ab 1933 arbeitslos war und die Miete nicht mehr bestreiten konnte, setzte sich die Baugenossenschaft beim Wohlfahrtsamt und Stadtrat für ihn ein. 1540 Seine Kündigung und Wohnungsräumung wurden hinausgezögert und erst im Mai 1935 vollzogen. 1541 Johann Engert konnte seine Wohnung sogar bis in die Nachkriegszeit behalten. 1542 Selbsthilfe und Solidarität im „Eigenheim“ lebte über die Weimarer Republik hinaus weiter.
Vgl. Bamberger Jahrbuch 1930, S. 68; FS v. 1.12.1932, Nr. 277. Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 1530 Vgl. FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 1531 Vgl. FS v. 4. 9.1930, Nr. 202; Stadtratsprotokoll v. 5.10.1932, C 1, Nr. 703; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1765; Bamberger Jahrbuch 1931, Bd. 4. Bamberg 1931, S. 91 f. 1532 Vgl. FS v. 12. 3.1930, Nr. 59; Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1765; Bamberger Jahrbuch 1932, Bd. 5. Bamberg 1932, S. 36. 1533 Stadtratsprotokoll v. 5.10.1932, C 1, Nr. 703. 1534 Vgl. Kluge, Genossenschaften, S. 138. 1535 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 5.10.1932, C 1, Nr. 703. 1536 Vgl. Gunzelmann, Stadtdenkmal, S. 1765 f. 1537 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Schreiben der Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ an den Stadtrat Bamberg v. 27.11.1934, StadtABa, C 2, Nr. 31257; Schreiben der Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ an das Wohlfahrtsamt Bamberg v. 7.11.1933, StadtABa, Armenpflege/Sozialamt, C 32 (künftig: StadtABa, C 32), Nr. 8157. 1538 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 1539 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Einwohnermeldekarte Josef Dennstädt, StadtABa, C 9, Nr. 58a; Einwohnermeldekarte Johann Engert, StadtABa, C 9, Nr. 58. 1540 Vgl. Schreiben der Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ an das Wohlfahrtsamt Bamberg v. 7.11.1933, StadtABa, C 32, Nr. 8157; Schreiben der Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ an den Stadtrat Bamberg v. 27.11.1934, StadtABa, C 2, Nr. 31257. 1541 Vgl. Schreiben des Wohlfahrtsamtes zum Umzug von Josef Dennstädt v. 2. 5.1935, StadtABa, C 32, Nr. 8157. 1542 Vgl. Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. 1528
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5 Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft 5.1 Die sozialistische Festkultur Essentiell für die Entstehung und Förderung des milieuinternen Gruppenbewusstseins, der sozialistischen Identität und der Binnenkommunikation waren Feste und Feiern. 1 Sie wirkten auf zweierlei Weise: nach innen und nach außen. 2 Im Milieu dienten sie der Sozialisation und Bindung an die Gemeinschaft. Dazu zählten die Selbstvergewisserung, der Auf- und Ausbau von Solidarität und Zusammenhalt und die Schaffung eines kollektiven Erfahrungs- und Erlebnishorizontes mithilfe von Symbolen, Ritualen und Traditionen. Die Außenwirkung beruhte auf den gemeinsamen Auftritten als Milieu und der öffentlichen Präsentation als Gruppe. 3 Damit demonstrierte man Stärke und Entschlossenheit und zusätzlich stellte man für alle sichtbar die eigenen politischen und gesellschaftlichen Positionen und Ansprüche heraus. Besonders wichtig für das Milieu waren regelmäßig wiederkehrende organisationsübergreifende Ereignisse, die einen festen Platz im alljährlichen Festkalender einnahmen und von einem Konglomerat aus Partei(en), Gewerkschaftsverbänden und Vereinen getragen wurden. 4 Solche Termine wurden in Bamberg im Freistaat in Form eines Veranstaltungskalenders frühzeitig bekanntgegeben, um möglichst viele Teilnehmer zu mobilisieren und andere Aktivitäten am selben Datum zu vermeiden. 5 Die Aufbietung einer großen Personenzahl war während der Weimarer Republik nicht nur für die Demonstration der Stärke entscheidend, sondern sie ge-
wann durch die zunehmende Affinität zu Massenveranstaltungen mit Massenchören, -reigen und -freiübungen zusätzlich an Bedeutung. 6 Das sozialistische Milieu inszenierte dabei seine eigenen Inhalte, Werte, Forderungen und Ziele: die Errungenschaften der Revolution und den Sozialismus, die Republik sowie Demokratie, Solidarität, Völkerverständigung und Arbeiterkultur. 7 In Bamberg waren die beiden wichtigsten Feiern des Arbeitermilieus der Erste Mai und die Verfassungsfeier zum 11. August. 8 Da während des Kaiserreiches proletarische Feste in der Domstadt massiv unterdrückt und eingeschränkt worden waren, konnte erst in der Weimarer Republik eine sozialistische Festkultur aufgebaut und der „milieutypische“ Stil der Arbeiterbewegung entwickelt werden. 9
5.1.1 Die Maifeiern Der 1. Mai 1919 bot in Bamberg eine Premiere: Zum ersten Mal wurde an diesem Tag in Anwesenheit der bayerischen Regierung ein Umzug durch die Straßen der Stadt gestattet. 10 Der sogenannte Demonstrationszug verlief von der Hainstraße über das Rathaus, die Sandstraße, den Markusplatz, den Grünen Markt und die Königstraße bis zum Ziel am Maxplatz. 11 Durch das neue Präsentationselement des Umzuges wurde eine Zweiteilung des Festes eingeführt, die auch in den folgenden Jahren Bestand hatte: Vormittags fanden der Umzug und
Vgl. Schulze, Erlebnisgesellschaft, S. 174 f.; Schneider, Milieu, S. 77 f., 83; Blessing, Feier, S. 281–284. Vgl. Guttsman, Wilhelm Leo: Workers’ Culture in Weimar Germany. Between Tradition and Commitment. New York u. a. 1990, S. 233 f.; Blessing, Feier, S. 281. 3 Vgl. Blessing, Feier, S. 281. 4 Vgl. Schneider, Milieu, S. 77 f. 5 Vgl. FS v. 29. 4.1929, Nr. 98; FS v. 2.1.1930, Nr. 1. 6 Vgl. FS v. 7.11.1921, Nr. 256; FS v. 23. 6.1922, Nr. 142; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 29. 4.1929, Nr. 98; FS v. 4. 7.1931, Nr. 149; FS v. 1. 8.1931, Nr. 173; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; Rossol, Performing, S. 58. Der Trend zu Massenveranstaltungen entsprach dem allgemeinen Zeitgeist und war keine Erfindung der Nationalsozialisten mit ihren Reichsparteitagen, wie es in der Rückschau häufig dargestellt wird. 7 Vgl. FS v. 29. 4.1922, Nr. 99; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; Rossol, Performing, S. 60. 8 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 322. 9 Vgl. das Kapitel 2.3 Vorgeschichte und Entstehung der Arbeiterbewegung in Bamberg bis 1918; Guttsman, Culture, S. 234; Blessing, Feier, S. 283. 10 Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18; FS v. 2. 5.1919, Nr. 19. 11 Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18. 1
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
die offizielle Ansprache statt, nachmittags der gesellige Part mit Konzerten und Darbietungen der Vereine. 12 Diese Aufteilung trug der politisch-sozialen Dichotomie der Feier Rechnung. 13 Während im ersten Abschnitt Ernsthaftigkeit, Demonstration und Agitation überwogen, dominierten Vergnügen, Unterhaltung und ein familiärer Charakter die anschließenden Stunden. 14 Außerdem brachte dieser Ablauf den Vorteil mit sich, dass am Vormittag der Fokus auf den Parteien und Gewerkschaften lag, während am Nachmittag die Vereine durch Vorführungen im Mittelpunkt standen und somit die gesamte Bandbreite des sozialistischen Milieus integriert war. Typisch für Bamberg war der Ausklang des Festes in einer Brauerei, beispielsweise auf dem Michaelsberg oder im Garten der „Weißen Taube“. 15 Man verband also die lokale Brautradition mit der Arbeiterkultur – von Arbeiter-Abstinenzlern war bei solchen Festen in Bamberg jedenfalls nichts zu vernehmen. In den ersten Jahren der Republik erlebten die Maifeiern in Bamberg eine Hochphase, sodass bis 1923 jeweils mehrere tausend Teilnehmer gezählt wurden. 16 Die neue Freiheit in der Weimarer Republik wurde begeistert genutzt, gestaltet und ausgefüllt. 17 Selbst Graf von Soden musste 1920 in seinem Bericht der Polizeistelle für Nordbayern einräumen, dass „die Teilnehmerzahl […] für hiesige Verhältnisse überraschend gross“ 18 sei und das Bamberger Tagblatt berichtete ein Jahr später von 3.000 Demonstranten, während der Freistaat sogar 4.000 Personen zählte. 19 Der große Zulauf bedingte sich sowohl durch das Anwachsen der städtischen Arbeiterbewegung, den Aufbau des sozialistischen Milieus als auch durch die Beteiligung aus der Region. 20 Neue Gruppen und Unterorganisationen
reihten sich in den Festzug und das Programm ein: Frauen und Mädchen marschierten mit, der Allgemeine freie Angestelltenbund rief zur Mitwirkung auf, die Jugendorganisationen der SPD führten Theaterstücke auf und das Arbeitersportkartell studierte Vorführungen ein. 21 Darüber hinaus erschienen zahlreiche auswärtige Gäste zu den Maifeiern. In einem Bericht des Stadtrats von 1923 hieß es: „Die von der sozialdemokr. Partei veranstaltete Feier des 1. Mai war gegenüber den Vorjahren sehr stark besucht. Ein grosser Teil kam von den umliegenden Ortschaften.“ 22 Teilweise wurde schon der Anmarsch als Demonstrationszug inszeniert, wie ein Bericht vom Bezirksamt II festhielt: „Die Maifeier ist im Amtsbezirke ohne jede Störung verlaufen. Eine führende Stellung in den festlichen Veranstaltungen hatte sich die Wehrbaustelle Viereth angeeignet, deren Betriebsrat schriftlich um die Genehmigung eingekommen war von der Baustelle weg mit Musikbegleitung im geschlossenen Zuge über Bischberg und Gaustadt nach Bamberg ziehen zu dürfen. Ich habe dem Obmann des Betriebsrats eröffnen lassen, daß gegen den Zug als solchen keine Erinnerung bestehe, […].“ 23
Im Freistaat wurde explizit dazu aufgerufen, dass SPD-Ortsgruppen ohne eigene Maifeier nach Bamberg kommen sollten. 24 Dies führte dazu, dass im Bezirk kaum Feste zum 1. Mai organisiert wurden, sondern Bamberg sich zur Hochburg der sozialistischen Maifeier entwickelte. 25 Kritische Berichte merkten dabei an, dass Belegschaften in einigen Betrieben mitunter mit „Terror“ 26 zur Arbeitsniederlegung und Partizipation gezwungen wurden. Die
Vgl. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18; FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 29. 4.1921, Nr. 98; FS v. 29. 4.1922, Nr. 99; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; FS v. 3. 5.1926, Nr. 99. Vgl. Guttsman, Culture, S. 240–242. 14 Vgl. FS v. 29. 4.1921, Nr. 98; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; Guttsman, Culture, S. 240–242. 15 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 29. 4.1921, Nr. 98. 16 Vgl. FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 3. 5.1921, Nr. 101; FS v. 4. 5.1922, Nr. 104; FS v. 4. 5.1923, Nr. 101; Schneider, Milieu, S. 89 f. 17 Vgl. FS v. 2. 5.1919, Nr. 19; FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 4. 5.1923, Nr. 101. 18 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 1. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 19 Vgl. BT v. 2. 5.1921, Nr. 101; FS v. 3. 5.1921, Nr. 101. 20 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 21 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 22 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 23 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 24 Vgl. FS v. 29. 4.1922, Nr. 99; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98. 25 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 8. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 26 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854: „Selbst die mit grossem Terror vorbereitete Maifeier findet 12 13
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Die sozialistische Festkultur
Mobilisierung zeigte jedenfalls Wirkung. In der Baumwollspinnerei erschienen am Dienstag, den 1. Mai 1923, lediglich 200 von 1.600 Arbeitern zum Dienst in der Gaustadter Fabrik. 27 Dieser Sog der Maifeiern Anfang der Zwanzigerjahre wurde im Freistaat durch scharfe Appelle und unmissverständliche Worte begleitet. 28 1921 hieß es in den Ankündigungen beispielsweise: „Es ist unbedingte Pflicht jedes Gewerkschaftlers, an der Maifeier teilzunehmen, besonders an dem Demonstrationszuge. Schämen muß sich jeder Gewerkschaftler, der nicht den Mut findet, in aller Oeffentlichkeit für seine Ueberzeugung einzutreten.“ 29 „Auf keinen Fall darf es vorkommen wie im Vorjahre, daß freigewerkschaftlich organisierte Arbeiter und Arbeiterinnen Spalier bilden und ihre Arbeitsbrüder an sich vorbeiziehen lassen, statt sich selbst zu beteiligen. Wer frei organisiert ist und nicht den Mut hat, auch in der Oeffentlichkeit für seine Ueberzeugung einzutreten, der ist ein erbärmlicher Tropf, der den Begriff ‚Arbeiter‘ schändet.“ 30
Die Mitwirkung am Massenauftritt zum Ersten Mai wurde also gezielt forciert. Ihren quantitativen Höhepunkt erreichte die Maifeier in Bamberg 1923 unter dem Eindruck der Ruhrbesetzung und des aufstrebenden Nationalsozialismus, als laut Freistaat die Teilnehmerzahl zwischen 6.000 und 7.000 lag. 31 Selbst wenn diese Beteiligung propagandistisch überhöht wurde, so kann mindestens von 5.000 Personen ausgegangen werden, da auch die Behörden einen Anstieg gegenüber den Vorjahren konstatierten. 32 Es sei „der größte aller bisher in
Bamberg gesehenen Züge gewesen“, 33 urteilte ein sozialdemokratischer Redakteur. Das Gewerkschaftskartell hatte zuvor im April die „vollständige Arbeitsruhe“ 34 beschlossen und Aufrufe an die Geschäftsleute veröffentlicht, zumindest am Vormittag die Läden zu schließen. 35 Der Festzug formierte sich wieder in der Hainstraße, verlief mittlerweile aber zum Bahnhof, durch die Königstraße, zum Grünen Markt und Rathaus und endete schließlich am Residenzplatz auf dem Domberg. 36 Das sozialistische Milieu reklamierte für seinen höchsten Feiertag also nicht mehr nur das bürgerliche Zentrum der Inselstadt für sich wie noch 1919, als die Reden auf dem Maxplatz gehalten wurden, sondern beanspruchte auch das geistige Zentrum der Bischofsstadt. Mit der Maifeier verband man in Bamberg ein rotes Zeichen gegen den Katholizismus und die christliche Tradition. Auf dem Platz zwischen Dom, bischöflicher Residenz und Alter Hofhaltung sang man Freiheitslieder und brachte Hochrufe auf die internationale Arbeiterschaft aus. 37 Als Gegenmaßnahme hatte das Bamberger Volksblatt 1923 wenige Tage vor der Maifeier einen Artikel unter der Überschrift „Warum wir den 1. Mai nicht feiern“ 38 publiziert. Darin war die „christlich-nationale Arbeitnehmerschaft“ 39 zum Ignorieren des sozialistischen Festes aufgerufen worden. Der Freistaat hatte seinerseits mit einer Gegendarstellung zugunsten des Ersten Mai geantwortet. 40 Thematisch richtete man die Kundgebung sowohl gegen innenpolitische Gegner, vor allem die NSDAP und die BVP, als auch gegen außenpolitische Feinde, insbesondere „gegen die Gewaltherrschaft Frankreichs“. 41 Im Fokus standen die internationale Verbrüderung der Arbeiterschaft, der Antimilitarismus und die For-
nicht den ungeteilten Beifall der Arbeiter.“; vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854: „Der Betriebsstättenterror war noch nie so stark wie in diesem Jahre.“ 27 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 28 Vgl. FS v. 29. 4.1921, Nr. 98; FS v. 29. 4.1922, Nr. 99. 29 FS v. 29. 4.1921, Nr. 98. 30 FS v. 5. 4.1921, Nr. 77. 31 Vgl. FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; FS v. 4. 5.1923, Nr. 101. 32 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 33 FS v. 4. 5.1923, Nr. 98. 34 FS v. 13. 4.1923, Nr. 84. 35 Vgl. FS v. 30. 4.1923, Nr. 98. 36 Vgl. FS v. 30. 4.1923, Nr. 98. 37 Vgl. FS v. 4. 5.1920, Nr. 102; FS v. 4. 5.1923, Nr. 101. 38 BV v. 28. 4.1923, Nr. 99. 39 BV v. 28. 4.1923, Nr. 99. 40 Vgl. FS v. 30. 4.1923, Nr. 98. 41 FS v. 30. 4.1923, Nr. 98.
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
derungen nach Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Völkerfrieden. 42 Im Unterschied zum Kaiserreich ging es also weniger um sozialpolitische Verbesserungen für die Arbeiterschaft als vielmehr um grundlegende gesellschaftliche und politische Ausrichtungen. 43 Das sozialistische Milieu in Bamberg demonstrierte am Ersten Mai in einem Umfang und mit einer Vehemenz, die im Kaiserreich nicht zugelassen worden war, aber auch nicht erreicht worden wäre. Der Erste Mai wurde in der Weimarer Republik erstmals wirklich der Tag der Arbeiter und das Fest des Arbeitermilieus. Der Aufstieg und die Ausgestaltung der Maifeiern wurden jedoch 1924 unterbrochen, da aufgrund des Ausnahmezustandes nach dem Krisenjahr 1923 (u. a. Hitlerputsch) jegliche Form von geschlossenen Zügen verboten war. 44 Dennoch hielt man in Bamberg an der Zweiteilung der Feier fest und das Gewerkschaftskartell lud am Vormittag zur Kundgebung in den Zentralsaal, während man sich am Nachmittag im Garten der „Weißen Taube“ amüsierte. 45 Die Atmosphäre war mit den Vorjahren kaum mehr zu vergleichen, da durch die staatlichen Einschränkungen die Maifeier stark reduziert war. 46 Außerdem arbeiteten wegen der Not infolge der Hyperinflation viele Werktätige tagsüber in den Betrieben weiter, der gewerkschaftlichen Forderung nach Arbeitsruhe wurde wenig Folge geleistet und statt Euphorie dominierten Enttäuschung und Resignation. 47 „Nur vereinzelt“ 48 sah man Genossen mit roten Abzeichen in der Stadt und zur Versammlung erschienen vor allem Jugendliche und streikende Bauarbeiter – nicht die arbeitende Bevölkerung. 49 Die restaurative und antisozialistische Politik hatte erneut die Oberhand gewonnen und
beschnitt die Maifeier stark. Als die Behörden in Bamberg den Umzug zum 1. Mai und die öffentliche Kundgebung auf dem Domberg 1925 abermals in Frage stellten, wehrte sich Josef Dennstädt unter Hinweis auf den Fackelzug zu Ehren des neuen Reichspräsidenten Hindenburg. 50 Schließlich war dieser als „Ausnahmefall“ 51 genehmigt worden. Die Hoheit über die Straße zum Ersten Mai sollte unbedingt zurückgewonnen werden. Das Ansinnen des sozialistischen Milieus wurde jedoch abgewiesen, da der Stadtkommissar und die Regierung von Oberfranken darin übereinstimmten, dass „der Zug […] auf die überwiegend national gesinnte Bevölkerung der Stadt Bamberg sehr verstimmend wirken“ 52 würde und eine „politische Massendemonstration“ 53 von öffentlichen Straßen und Plätzen fernzuhalten sei. Im Unterschied zu 1924 fügten sich die SPD und das Gewerkschaftskartell nun aber nicht mehr widerstandslos, sondern veranstalteten am Vormittag einen „Spaziergang“ von der Gastwirtschaft „Nöth“ zur Altenburg und am Nachmittag einen „Ausflug“ nach Memmelsdorf zum Besuch der dort zugelassenen Mai-Kundgebung. 54 In diesem Nachbarort trat dann der Bamberger Sozialdemokrat Sebastian Huber als Redner auf und hielt die offizielle Maiansprache. 55 Das Arbeitermilieu hatte also das für die Maifeier so zentrale Element des öffentlichen Auftritts aus der Stadt ins Umland verlagert, um das lokale Verbot in Bamberg zu umgehen. Erst am Abend kehrte man in die Stadt zurück und beging dort im „Eckenbüttnersaal“ die Feier mit Gesangsvorträgen des „Arion“ und einer Rede des Nürnberger Sozialdemokraten Josef Simon. 56 Darüber hinaus versuchten einige Arbeiter den 1. Mai im Stadtbild
Vgl. FS v. 30. 4.1923, Nr. 98. Dieser Wandel kann jedoch nicht als nachlassender Kampfeswille interpretiert werden, wie Wilhelm Guttsmann schreibt. Vgl. Guttsman, Culture, S. 240: „At the same time, it had lost some of its ‚fighting spirit‘ aspect, at least among the social-democratic working class and their organisation.“ 44 Vgl. FS v. 30. 4.1924, Nr. 100. 45 Vgl. FS v. 30. 4.1924, Nr. 100. 46 Vgl. FS v. 30. 4.1924, Nr. 100. 47 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1924, StABa, K 3/1967, Nr. 4842. 48 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1924, StABa, K 3/1967, Nr. 4842. 49 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1924, StABa, K 3/1967, Nr. 4842. 50 Vgl. Antrag von Josef Dennstädt für die Maifeier 1925 v. 29. 4.1925, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 51 Antrag von Josef Dennstädt für die Maifeier 1925 v. 29. 4.1925, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 52 Randbericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 29. 4.1925, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 53 Schreiben der Regierung von Oberfranken an den Stadtkommissar Bamberg v. 30. 4.1925, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 54 Vgl. FS v. 30. 4.1925, Nr. 98; FS v. 4. 5.1925, Nr. 100. 55 Vgl. FS v. 4. 5.1925, Nr. 98. 56 Vgl. FS v. 4. 5.1925, Nr. 100. Der aus Unterfranken stammende Schuster Josef Simon (1865–1949) setzte sich seit 1885 als Sozialdemokrat und Gewerkschafter für die Arbeiterbewegung ein. Zunächst arbeitete er in Frankfurt am Main und kam 1900 nach Nürnberg. Dort wurde er haupt42 43
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Die sozialistische Festkultur
sichtbar zu machen, für diesen zu protestieren und auf ihren Feiertag hinzuweisen, indem sie eine Sowjetfahne auf den Michaelsberg trugen. 57 Als demonstratives Zeichen gegen den verbotenen Umzug sollte eine rote Flagge über Bamberg wehen. Die Aktion wurde jedoch von der Polizei entdeckt und verhindert. 58 1926 erfolgte eine Renaissance der Maifeier, denn der Umzug durch die Stadt wurde wieder zugelassen. 59 In seiner Rede betonte Josef Dennstädt laut Bericht des Stadtkommissars: „Nunmehr könne sich die Partei auch wieder zeigen, denn der Stacheldrahtkommissar Kahr existiere nicht mehr und mit ihm auch manches Andere nicht mehr, dagegen stehe aber noch fest und unerschütterlich die sozialdemokratische Partei.“ 60
Allerdings trat das sozialistische Milieu nach den Einschnitten der vergangenen Jahre weniger provokativ und kämpferisch auf. 61 Der Umzug durchquerte nicht mehr die Bergstadt mit dem Dom, sondern beschränkte sich auf die Insel-, Gärtnerund Theuerstadt. 62 Alle Gruppen und Verbände sammelten sich am Schillerplatz und beendeten ihren Marsch schließlich im Luitpoldhain, sodass das religiöse Zentrum Bambergs nicht mehr tangiert wurde. 63 Ab 1927 dienten außerdem der The-
resienhain und die dazugehörige Gastwirtschaft als Ziel. 64 Anstelle politischer Metaphern, wie etwa einem Bild der Freiheitsgöttin 1923, führten die Gewerkschaften nun Zunftzeichen und Darstellungen der verschiedenen Handwerkszweige mit. 65 So wandelte sich zwischen 1926 und 1929 der frühere Demonstrationszug mit strikter Einteilung zum aufgelockerten und fröhlichen Festzug, der „mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen“ 66 durch die Straßen zog. 67 Bis zu sieben Musikkapellen, die zwischen den Organisationen eingereiht wurden, begleiteten den Zug. 68 In einer Ankündigung Ende der Zwanzigerjahre distanzierte man sich sogar explizit von dem Charakter eines Protestzuges und verabschiedete sich von einer festgelegten Ordnung: „Mit Rücksicht darauf, daß es sich um keinen eigentlichen Demonstrationszug handelt, sondern lediglich um einen gemeinsamen Marsch zum Festlokal, wurde von der Festlegung einer Zugseinteilung Abstand genommen.“ 69
Passend zu dieser Entwicklung mutierte auch die anschließende Kundgebung zu einem „Volksfest“ 70, bei dem Konzerte, Lampionreigen und Tanz die Hauptkomponenten bildeten. 71 Die gesamte Maifeier wurde in Bamberg also ab 1926 deutlich entpolitisiert. 72 Verantwortlich für diesen Wandel war
amtlicher Vorsitzender des Schuhmacherverbandes. 1907 stieg er zum internationalen Sekretär der Schuharbeiter auf und wurde im selben Jahr Bayerischer Landtagsabgeordneter. Seit 1908 war er außerdem Gemeindebevollmächtigter in Nürnberg und ab 1912 Reichstagsabgeordneter für die SPD. 1917 trat er der USPD bei und gründete deren Ortsgruppe in Nürnberg. Unter dem Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann wurde Josef Simon 1919 Handelsminister für die USPD. Im Reich war er zunächst im provisorischen Nationalrat, dann in der verfassunggebenden Weimarer Nationalversammlung und ab 1920 im Reichstag vertreten. 1922 kehrte er von der USPD zur SPD zurück. Bis 1932 wirkte er für diese im Reichstag. Während der NS-Zeit wurde er mehrfach verhaftet und war unter anderem im KZ Dachau interniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er seine Tätigkeit für die Arbeiterbewegung fort und engagierte sich zum Beispiel als Aufsichtsratsvorsitzender des Konsumvereins. Zur Biografie von Josef Simon vgl. Zwanzig, Nürnberg, S. 30–35; Schönhoven, Klaus: Simon, Josef. In: NDB 24 (2010), S. 438 f.; Vorstand SPD, Freiheit, S. 463. 57 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1925, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 58 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1925, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 59 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 5.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; FS v. 3. 5.1926, Nr. 99. 60 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 5.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99. 61 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 2. 5.1927, Nr. 99. 62 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98. 63 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99. 64 Vgl. FS v. 30. 4.1927, Nr. 98; FS v. 2. 5.1927, Nr. 99; FS v. 28. 4.1928, Nr. 98; FS v. 2. 5.1929, Nr. 100. 65 Vgl. FS v. 4. 5.1923, Nr. 101; FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 2. 5.1927, Nr. 99. 66 FS v. 2. 5.1927, Nr. 99. 67 Vgl. FS v. 2. 5.1927, Nr. 99; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80. 68 Vgl. FS v. 2. 5.1927, Nr. 99. 69 FS v. 8. 4.1929, Nr. 80. 70 FS v. 30. 4.1927, Nr. 98. 71 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 30. 7.1927, Nr. 98. 72 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 91.
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die Maifeierkommission, die sich in Bamberg aus gewählten Vertretern des Gewerkschaftskartells und der SPD zusammensetzte. 73 Es zeigten sich der niedrige Radikalisierungsgrad des sozialistischen Milieus und der geringe Einfluss der Kommunisten. Die Kritik der KPD an der „traute[n] Eintracht zwischen Gewerkschaftsführern und Polizei“ 74 und einem Maiumzug „mit Maßkrug und Bierfaß“ 75 fand kein Gehör und blieb wirkungslos. Die vollzogene Trennung zwischen Politik und Fest durch die SPD-Bamberg entsprach durchaus der deutschlandweiten Tendenz der sozialdemokratischen Entpolitisierung des Alltags. 76 Die dadurch entstehende politische Leerstelle füllte man mit Elementen der (Arbeiter)Kultur auf. 77 So lauschte man bei der Maifeier Opernliedern von Haydn und Mozart, hob den Zusammenhang zwischen Frieden und Kultur hervor, sang Massenchöre und baute sozialistische Filmvorführungen im Kino in den Tagesablauf mit ein. 78 Die KPD hatte das Nachsehen. Ihre Beteiligung gestattete man zwar, doch ließ man die Kommunisten nicht geschlossen als Partei aufmarschieren, sondern nur in der Gruppe ihres jeweiligen Gewerkschaftsverbandes. 79 Diese Regelung garantierte in Bamberg – zumindest bis 1930 – einvernehmliche und friedliche Maiumzüge des gesamten Arbeitermilieus, bei denen die Sozialdemokraten vor allem schwarz-rot-goldene Fahnen und die Kommunisten rote Flaggen schwenkten. 80 Von gewalt-
samen Zusammenstößen und Auseinandersetzungen wie in Berlin beim „Blutmai“ 1929 war man in Bamberg weit entfernt. 81 Auf Anweisung der Polizei wurden kommunistische Plakate entfernt und marxistische Abzeichen abgenommen, sodass lediglich das Maifestabzeichen als einheitliches Symbol für alle Teilnehmer blieb. 82 Das Tragen von Mainelken war in Bamberg nicht üblich, stattdessen steckte man sich rote Moosröschen an. 83 Die Teilnehmerzahlen in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre beliefen sich jeweils auf etwa 1.000 Personen. 84 Der Rückgang erklärte sich sowohl durch die nachlassende Anziehungskraft der Arbeiterbewegung nach der Hochphase am Anfang der Weimarer Republik als auch durch die geringere Beteiligung von auswärts. 85 So veranstaltete beispielsweise die Gaustadter Arbeiterschaft 1928 eine eigene Maifeier, wohingegen man in früheren Jahren an der Bamberger Veranstaltung teilgenommen hatte. 86 Die Maifeiern der Jahre 1930 bis 1932 waren stark von der Weltwirtschaftskrise, den Notverordnungen und der internen Spaltung der Arbeiterbewegung geprägt. 87 Die KPD-Bamberg versuchte eigene Demonstrationen auf der Straße durchzuführen, wohingegen sich die SPD dem Verbot für öffentliche Kundgebungen fügte. 88 Ein gemeinsames Vorgehen und Fest der beiden Arbeiterparteien war nach der ultralinken Wende der Kommunisten selbst im wenig radikalen Bamberg nicht
Vgl. FS v. 21. 3.1927, Nr. 65. NV v. 12. 5.1927, Nr. 110. 75 NV v. 12. 5.1927, Nr. 110. 76 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 91. 77 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 2. 5.1927, Nr. 99; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80. 78 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 2. 5.1927, Nr. 99; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 79 Vgl. NV v. 12. 5.1927, Nr. 110; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80: „Soweit die Mitglieder der kommunistischen Partei ein Interesse daran haben, an der Maifeier teilzunehmen, ist ihnen Gelegenheit gegeben, sich ihren Berufsorganisationen anzuschließen.“ 80 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 5.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Klecha, Hochamt, S. 159. 81 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 324; Kurz, Blutmai, S. 27–68; Klecha, Hochamt, S. 159. 82 Vgl. FS v. 30. 4.1925, Nr. 98; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 83 Vgl. FS v. 3. 5.1921, Nr. 101; Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 15. 4.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 8; Klecha, Hochamt, S. 158 f. 84 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 2. 5.1929, Nr. 100. 85 Vgl. FS v. 2. 5.1928, Nr. 100; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 86 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; FS v. 30. 4.1923, Nr. 98; FS v. 2. 5.1928, Nr. 100; FS v. 3. 5.1930, Nr. 100. 87 Vgl. FS v. 3. 5.1930, Nr. 100; FS v. 30. 4.1931, Nr. 98; FS v. 25. 4.1932, Nr. 94. 88 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; FS v. 3. 5.1930, Nr. 100; FS v. 30. 4.1932, Nr. 99. 73
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Die sozialistische Festkultur
mehr möglich. 89 Große Festumzüge wurden überhaupt nicht mehr angestrebt. 90 Die KPD versuchte 1930 eine kleine unangemeldete Demonstration mit Fahrrädern und Sowjetfahnen von der Unteren Königsstraße aus in Richtung Maxplatz durchzuführen, doch diese wurde sogleich von der Polizei gestellt und die Beteiligten wurden in Schutzhaft genommen. 91 1931 beantragte die KPD offiziell eine kommunistische Feier im Lokal „Mondschein“ mit Musikstücken und einer Rede von Wilhelm Hellmann. 92 Als diese untersagt wurde, planten die KPD-Mitglieder „einen Ausflug mit Musik nach Bischberg“. 93 Vermutlich zielte man damit auf eine Vereinigung mit der und Verstärkung durch die dortige Ortsgruppe ab. Allerdings ließ der Stadtkommissar auch diese Ersatzveranstaltung nicht zu und ordnete eine scharfe Überwachung aller Kommunisten an, wodurch sämtliche Aktivitäten im Keim erstickt wurden. 94 Wie bereits 1925, als Spaziergänge zur Notlösung für den verbotenen Umzug gedient hatten, rief die SPD auch 1931 wieder zu einem als Familienausflug deklarierten Umzug, dieses Mal nach Gaustadt, auf. 95 Außerdem teilte man die Feier auf verschiedene Tage auf, um sowohl den arbeitslosen als auch arbeitenden Milieuangehörigen gerecht zu werden. 96 Die beschäftigten Arbeitnehmer sollten und wollten in der Notzeit keinesfalls ihre Arbeitsstelle durch die Teilnahme an der Maifeier gefährden. Am Freitag, den 1. Mai 1931, veranstaltete man eine politische Kundgebung im Café „Haas“
und den Marsch nach Gaustadt. Zwei Tage später, am Sonntag, folgte die gesellige Feier im Hain, die zum Gartenfest mit einer Rede und Musikvorträgen ausgeschmückt wurde. 97 1932 erhob der Freistaat die alleinige „Maiforderung: Arbeit!“ 98 Es ging am Ende der Weimarer Republik nicht mehr darum, den 1. Mai als freien Tag durchzusetzen, sondern darum die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Man hielt an der Zweiteilung des Tages durch eine Versammlung am Vormittag und eine „Familienzusammenkunft“ 99 am Abend fest, die beide am 1. Mai, einem Sonntag, stattfanden. Jegliche Umzüge oder Unternehmungen im Freien waren bereits im Vorfeld durch die Notverordnung ausgeschlossen worden. 100 Durch einen verbilligten Festbeitrag trug man der Notzeit Rechnung und bot den Teilnehmern ein Festprogramm mit Vorführungen der Arbeitersänger und des Stadttheaters. 101 Solidarität und der Aufruf zum gemeinsamen Kampf standen im Mittelpunkt des 1. Mai 1932. 102
5.1.2 Die Verfassungsfeiern „Fahnen heraus! Die Farben der Republik SchwarzRot-Gold bekommt man in Bamberg selten zu sehen. Umsomehr besteht Veranlassung für die republikanisch gesinnte Bevölkerung, die Farben zu zeigen. Der Verfassungstag gibt dazu Gelegenheit. […]“ 103
Mit diesen Worten forderte der Freistaat „die gesamte republikanisch gesinnte Bevölkerung“ 104 An-
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 17. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 90 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 17. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; FS v. 30. 4.1931, Nr. 98; FS v. 25. 4.1932, Nr. 94. 91 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 92 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 17. 4.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 93 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 94 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 95 Vgl. FS v. 30. 4.1931, Nr. 98; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 96 Vgl. FS v. 30. 4.1931, Nr. 98; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 97 Vgl. FS v. 5. 5.1931, Nr. 101. 98 FS v. 30. 4.1932, Nr. 99. 99 FS v. 30. 4.1932, Nr. 99. 100 Vgl. FS v. 25. 4.1932, Nr. 94. 101 Vgl. FS v. 24. 4.1925, Nr. 94; FS v. 30. 4.1932, Nr. 99. 102 Vgl. FS v. 30. 4.1932, Nr. 99. 103 FS v. 1. 8.1925, Nr. 173. 104 FS v. 1. 8.1925, Nr. 173. 89
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fang August 1925 zum Kauf von schwarz-rot-goldenen Fahnen und zur Vorbereitung der Verfassungsfeier auf. 105 Im Unterschied zur Maifeier verfügte der Gedenktag zur Unterzeichnung der Verfassung am 11. August über keine Tradition aus dem Kaiserreich und war ein neuer Festtag der Republik, ohne jedoch zum gesetzlichen Feiertag erklärt zu werden. 106 Folglich mussten der Aufbau und die Gestaltung des Festes völlig neu entwickelt werden, die Verfassungstage waren die „gestaltungsfähige Gegenwart“ 107 der Weimarer Republik. Im Deutschen Reich beging man seit 1921 den Jahrestag der Verfassung mit einer Feierstunde in Berlin. 108 Dagegen organisierte die SPD in Bamberg erst zwei Jahre später eine Verfassungsfeier am 11. August 1923 im „Maysgarten“. 109 Sie löste damit die wenig populäre Revolutionsgedächtnisfeier zum 9. November ab, die zwischen 1919 und 1922 ausgerichtet worden war, ohne sich großer Beliebtheit zu erfreuen. 110 1921 waren beispielsweise nur etwa 120 Personen erschienen. 111 Durch die radikale Konnotation der Revolution, ihren unvollendeten Abschluss und die gewaltsame Räteherrschaft in München eignete sich der 9. November nicht, die Mehrheit des sozialistischen Milieus in Bamberg zu mobilisieren und in einer gemeinsamen Feier zu integrieren. Bessere Ansatzpunkte bot der Verfassungstag, der die Rückbesinnung auf 1848 erlaubte und Demokratie, Rechts- und Sozialstaat in den Vordergrund rückte. 112 Speziell in Bamberg konnte man zum Thema Verfassung auch an die bayerische Regierungszeit im Frühjahr 1919 und die Bamberger Verfassung anknüpfen. So engagierte man zum
10-jährigen Jubiläum 1929 den damaligen Schriftleiter Hans Dill als Festredner, der mit folgenden Sätzen von Karl Bröger das Gelöbnis zum Weimarer Staate erneuerte: „Deutsche Republik, wir alle schwören, Letzter Tropfen Blut soll dir gehören! Ein Wicht nur, wer die Freiheit kränkt! Volk hab acht, Brüder wacht!“ 113
In Bamberg war es von Vorteil, dass der 11. August zusammen mit den Demokraten gefeiert werden konnte. 114 1923 hatte die DDP und SPD noch zwei separate Veranstaltungen organisiert, doch in den folgenden Jahren schloss man sich für die Feier zusammen. 115 Dies entsprach der reformistischen Ausrichtung der SPD-Bamberg, der links-demokratischen Tradition der Zusammenarbeit und der überparteilichen Trägerschaft des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Dieses übernahm ab 1925 federführend die Organisation des Verfassungstages. 116 So zählten die Demokraten Thomas Dehler aus Bamberg und Hermann Luppe aus Nürnberg zu den Festrednern in Bamberg. 117 Teilnehmerzahlen wurden nur selten angeführt, sie lagen vermutlich zwischen 500 und 1.000 Personen. 118 Ausgeschlossen blieb die KPD, die sowohl die demokratische Verfassung als auch die dazugehörigen Feiern kategorisch ablehnte und den Tag höchstens zu Gegenaktionen und zur Diskreditierung der SPD nutzte. 119 In Bamberg kam es zwar nicht zu kommunistischen Demonstrationen, doch in der Nordbayerischen Volkszeitung verspotteten
Vgl. FS v. 1. 8.1925, Nr. 173. Vgl. Büttner, Weimar, S. 120. 107 Lehnert, Detlef: „Staatspartei der Republik“ oder „revolutionäre Reformisten“? Die Sozialdemokraten. In: Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik. Hg. v. D. Lehnert/K. Megerle. Opladen 1989, S. 95. 108 Vgl. Lehnert, Staatspartei, S. 96; Büttner, Weimar, S. 120. 109 Vgl. FS v. 9. 8.1923, Nr. 175; FS v. 11. 8.1923, Nr. 177. 110 Vgl. FS v. 7.11.1921, Nr. 256; Bericht v. 15.11.1921, StadtABa, C 2, Nr. 11586; Schneider, Milieu, S. 86. 111 Vgl. Bericht v. 15.11.1921, StadtABa, C 2, Nr. 11586. Zur Feier des Revolutionstages durch die SPD und die KPD im Allgemeinen vgl. Lehnert, Staatspartei, S. 105–110; Gailus, Manfred: „Seid bereit zum Roten Oktober in Deutschland!“. Die Kommunisten. In: Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik. Hg. v. D. Lehnert/K. Megerle. Opladen 1989, S. 61 f., 77–88. 112 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; FS v. 10. 8.1925, Nr. 180; FS v. 11. 8.1926, Nr. 181. 113 FS v. 13. 8.1929, Nr. 184. 114 Vgl. FS v. 8. 8. 1925, Nr. 179; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 11. 7.1929, Nr. 156; FS v. 10. 8.1929, Nr. 182; FS v. 13. 8.1929, Nr. 184. 115 Vgl. FS v. 11. 8.1923, Nr. 177; FS v. 8. 8.1925, Nr. 179; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 11. 7.1929, Nr. 156; FS v. 10. 8.1929, Nr. 182; FS v. 13. 8.1929, Nr. 184. 116 Vgl. FS v. 1. 8. 1925, Nr. 173; Voigt, Kampfbünde, S. 310–322. 117 Vgl. FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 13. 8.1929, Nr. 184. 118 Vgl. FS v. 10. 8.1925, Nr. 180; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 8.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 13. 9.1929, Nr. 184; FS v. 12. 8.1930, Nr. 183. 119 Vgl. Gailus, Kommunisten, S. 63, 68–77. 105
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Die sozialistische Festkultur
die Kommunisten die Bamberger Verfassungsfeier als „Schwarz-Rot-Goldene Kirchweih“ 120, bei der die „Bonzen und Bönzchen“ 121 der SPD „das 10. Wiegenfest der freiesten Republik“ 122 mit Alkohol, Trinkliedern und einer Prügelei begingen. Störversuche wurden hingegen nicht unternommen. 123 Allerdings hatte die Verfassungsfeier in Bamberg von anderer Seite Konkurrenz, nämlich vom Militär. 124 Schließlich waren die Bamberger Ulanen am 11. August 1914 bei Lagarde in Lothringen eine erfolgreiche Attacke gegen Frankreich geritten. 125 Das Gedenken an diese letzte große Feldschlacht eines Reiterregiments wurde während der Weimarer Republik erhalten und zelebriert. 126 Am Jahrestag des Gefechts veranstalteten die Kriegervereine zum Beispiel 1927 eine Kundgebung auf dem Michaelsberg, bei der unter anderem das Deutsche Flaggenlied „Stolz weht die Flagge schwarz-weiß-rot“ gespielt wurde. 127 Das militärische Fest samt Glorifizierung des Kaiserreichs und seiner Fahne stand im extremen Gegensatz zu der republikanischen Veranstaltung, die die Überwindung der Monarchie betonte und auf die Ausbreitung der Reichsfarben achtete. 128 Insofern hatten die Farben Schwarz-Rot-Gold als das zentrale Symbol der Verfassungsfeiern in Bamberg besondere Bedeutung und waren zugleich heftig umstritten. 129 Explizit forderten Ankündigungen im Freistaat zum Hissen und Mitführen der republikanischen Fahne auf: „Schwarzrotgoldene Fahnen. Die Gewerkschaften werden dringend gebeten, zur heutigen Verfassungsfeier die schwarz-
rotgoldenen Fahnen mitzubringen“ 130 oder die Forderung, dass „die Fenster in den Arbeitervierteln die schwarzrotgoldenen Farben zeigen [müssten]. Republikanisch gesinnte Bevölkerung, zeige deine Farbe und schmücke.“ 131 Außerdem rezitierte man wiederholt den Dichter und Revolutionär Ferdinand Freiligrath mit seinem Gedicht „SchwarzRot-Gold“. 132 Diesen Part übernahm entweder ein Schauspieler des Stadttheaters oder aber die Arbeiterjugend in Form eines Sprechchors. 133 In der Berichterstattung wurde besonders die Dekoration in den Reichsfarben hervorgehoben: „Der Saal war geschmückt mit leuchtendem Schwarz-Rot-Gold. Die vielen Anwesenden trugen Abzeichen in den Reichsfarben an der Brust“, 134 hieß es 1924. Ein Jahr später führte man aus, dass „die herrlich dekorierten Garten-Lokalitäten […] im Zeichen der Reichsfarben“ 135 standen. Die Überbetonung dieses Aspekts bei den Verfassungsfeiern in Bamberg hatte eine ihrer Ursachen, abgesehen von dem Militäraufgebot, in der ablehnenden Haltung des Stadtrats. 136 Der Streit um die Beflaggung der öffentlichen Gebäude am 11. August entwickelte sich zum Dauerkonflikt während der Weimarer Republik in Bamberg. 137 Ein Antrag der SPD-Fraktion 1928, am Verfassungstag nicht nur in den Landes-, sondern auch in den Reichsfarben zu flaggen, wurde abgelehnt. 138 Als 1929 von Seiten der Regierung angeordnet wurde, in den bayerischen Farben zu schmücken, verwehrte die Stadt Bamberg jegliches Aufziehen von Fahnen am Verfassungstag. 139 Umso
NV v. 22. 8.1929, Nr. 193. NV v. 22. 8.1929, Nr. 193. 122 NV v. 22. 8.1929, Nr. 193. 123 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 16. 8.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1878. 124 Vgl. FS v. 13. 8.1927, Nr. 185. 125 Vgl. Mayershofer, Militär, S. 359–363. 126 Vgl. FS v. 13. 8.1927, Nr. 185; Mayershofer, Militär, S. 437–440. 127 Vgl. FS v. 13. 8.1927, Nr. 185. 128 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; FS v. 10. 8.1925, Nr. 180; FS v. 11. 8.1926, Nr. 181; Lehnert/Megerle, Identität, S. 13. 129 Vgl. FS v. 11. 8.1923, Nr. 177; FS v. 1. 8.1925, Nr. 173; Stadtratsprotokoll v. 8. 8.1928, StadtABa, C 1, Nr. 685. 130 FS v. 11. 8.1923, Nr. 177. 131 FS v. 8. 8.1925, Nr. 179; vgl. FS v. 10. 8.1929, Nr. 182. 132 Vgl. FS v. 13. 8.1923, Nr. 178; FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; Voigt, Kampfbünde, S. 318; Frommholz, Rüdiger: Freiligrath, Ferdinand. In: NDB 5 (1961), S. 397 f. 133 Vgl. FS v. 13. 8.1923, Nr. 178; FS v. 12. 8.1924, Nr. 185. 134 FS v. 12. 8. 1924, Nr. 185. 135 FS v. 10. 8.1925, Nr. 180. 136 Vgl. FS v. 10. 8.1928, Nr. 182; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 7. 8.1929, Nr. 179; Stadtratsprotokoll v. 8. 8.1928, StadtABa, C 1, Nr. 685. 137 Vgl. FS v. 8. 8.1925, Nr. 179; FS v. 10. 8.1929, Nr. 182; Stadtratsprotokoll v. 8. 8.1928, StadtABa, C 1, Nr. 685. 138 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 8. 8.1928, StadtABa, C 1, Nr. 685; FS v. 10. 8.1928, Nr. 182; Bericht zur Verwaltungssenatssitzung v. 9. 8.1928, StadtABa, BS, Nr. 226/3. 139 Vgl. FS v. 10. 8.1929, Nr. 182. 120 121
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
eindringlicher wies der Freistaat seine Leser an, möglichst viele Fahnen zu kaufen und zu zeigen: „Kleine Papierfähnchen genügen ebenso wie große Tuchfahnen. In einer Reihe hiesiger Geschäfte sind solche für einige Pfennige zu haben.“ 140 Folglich brachte der 11. August in Bamberg die fortwährende Isolation der links-demokratischen Kreise zum Vorschein, offenbarte die Distanz weiter Bevölkerungsschichten zur Weimarer Verfassung und zeigte das Defizit eines gesellschaftlichen Wertekanons. 141 Innerhalb des sozialistischen Milieus wirkte der Festtag dennoch – oder gerade deshalb – integrierend, denn bei den Feierlichkeiten wurde Wert darauf gelegt, die verschiedenen Zweige und Organisationen der Arbeiterbewegung in das Programm einzubinden. 142 Sportliche und musikalische Beiträge umrahmten die Reden, sie dienten der Abwechslung und sollten vor allem die Jugend erreichen. 143 Zur Eröffnung wurden von den Arbeitersängern Freiheitschöre gesungen und oftmals spielte eine Kapelle auf. 144 Es folgten Vorführungen der Sportler. 145 Danach sprach ein Bamberger Funktionär Begrüßungsworte und leitete zum (meist) auswärtigen Referenten über. 146 Die Hauptredner kamen aus anderen fränkischen Städten und deckten das gesamte links-demokratische Spektrum ab: Vitus Heller aus Würzburg vertrat die Christlich-Soziale Partei Bayerns, Hermann Luppe aus Nürnberg repräsentierte die DDP und Hans Seidel aus Hof stand für die
SPD. 147 Umgekehrt engagierten sich auch Bamberger Arbeiterführer als Festredner in der Umgebung; 1929 sprach Josef Dennstädt in Haßfurt und Johann Engert in Eltmann. 148 Meist thematisierten die Ansprachen die Tradition der Revolution von 1848, die fatale Entwicklung des Kaiserreichs und die Katastrophe des Ersten Weltkriegs. 149 Im Gegensatz dazu standen die Fortschritte durch die Weimarer Verfassung, aber auch deren Unvollständigkeit wurde behandelt. 150 Als problematisch galt insbesondere die personelle Kontinuität in der Verwaltung, Justiz und bei der Polizei. 151 1924 rief der Referent beispielsweise dazu auf, das Haus der Weimarer Verfassung mit republikanischem und sozialem Geist fertig zu bauen. 152 Zugleich wurden die Angriffe und Putsche der Gegner verurteilt und die Stärke der Demokratie beteuert. 153 Insgesamt ließen die Reden das damals typisch defensive Verfassungsverständnis erkennen, denn man verteidigte die Weimarer Verfassung als eine Kompromisslösung aus einer Notzeit. 154 Stets endeten die Reden mit Hochrufen auf die deutsche Republik. 155 Zum Abschluss der Kundgebungen wurden nochmals Darbietungen aufgeführt oder Rezitationen vorgetragen. 156 Dabei lag das Hauptaugenmerk auf der Inszenierung der Masse, der Erzeugung einer würdigen und stimmungsvollen Atmosphäre und der Bekundung der Zusammengehörigkeit. 157 In Bamberg setzte man dafür Sprechchöre ein, die von der Arbeiterjugend und den Arbeitersängern einstudiert wurden. 158 Sie galten als eine proletarische Kunstform und stellten
FS v. 10. 8.1929, Nr. 182. Vgl. Lehnert, Staatspartei, S. 107; Steinbach, Reichsfeind, S. 195; Büttner, Weimar, S. 120. 142 Vgl. FS v. 12. 8. 1930, Nr. 183; FS v. 3. 8.1931, Nr. 174. 143 Vgl. FS v. 12. 8.1930, Nr. 183; Rossol, Performing, S. 61. 144 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; FS v. 10. 8.1925, Nr. 180; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 13. 8.1929, Nr. 184. 145 Vgl. FS v. 13. 8.1923, Nr. 178. 146 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; FS v. 10. 8.1925, Nr. 180; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 13. 8.1929, Nr. 184. 147 Vgl. FS v. 1. 8.1925, Nr. 173; FS v. 6. 8.1928, Nr. 178; FS v. 12. 8.1930, Nr. 183. Zur Biografie des Sozialdemokraten Hans Seidel vgl. Vorstand SPD, Freiheit, S. 461 f. 148 Vgl. FS v. 10. 8.1929, Nr. 182. 149 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 13. 8.1929, Nr. 184; Lehnert, Staatspartei, S. 100; Steinbach, Reichsfeind, S. 198–200. 150 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184; FS v. 13. 8.1929, Nr. 184. 151 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; Winkler, Revolution, S. 68–96. 152 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185. 153 Vgl. FS v. 14. 8.1923, Nr. 179. 154 Vgl. FS v. 14. 8.1923, Nr. 179; FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; FS v. 13. 8. 1928, Nr. 184; Steinbach, Reichsfeind, S. 200–202. 155 Vgl. FS v. 14. 8.1923, Nr. 179; FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; FS v. 13. 8.1928, Nr. 184. 156 Vgl. FS v. 12. 8. 1924, Nr. 185; FS v. 10. 8.1925, Nr. 180. 157 Vgl. Rossol, Performing, S. 58–66. 158 Vgl. FS v. 12. 8.1924, Nr. 185; Rossol, Performing, S. 58. 140 141
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Gegenspieler und Ausgrenzungserfahrungen
eine Innovation in der Arbeiterbewegung nach 1918 dar, die ihren Vorläufer bei den Wandervogelgruppen hatte. 159 Kollektiv und Gemeinschaft sollten dadurch in den Vordergrund rücken. 160 So studierten 1931 insgesamt 300 Personen aus Bamberg, Gaustadt, Bischberg und Hallstadt den Sprechchor „Europa“ für die Verfassungsfeier ein, der damit zum Gemeinschaftserlebnis wurde und große Teile der Teilnehmer aktiv einbezog. 161 Das Äquivalent der Sportler war die Darstellung von lebenden Bildergruppen, an denen sich von den Athleten über die Schwimmer bis hin zu den Radfahrern die verschiedenen Vereine beteiligten. 162 Diese versinnbildlichten ebenfalls die gegenseitige Verbundenheit und Stärke der Masse, aber sie repräsentierten auch die neue Körperkultur der Weimarer Republik. 163 Mit speziellen Lichteffekten versuchte man darüber hinaus, die Wirkung auf die Zuschauer zu erhöhen und eine weihevolle Stimmung zu erzeugen. 164 „Bei bengalischer Beleuchtung“ 165 fanden die Auftritte statt und „Fackelträger [umstanden] das Bild des
toten Reichspräsidenten“ 166 von Friedrich Ebert, sodass die Feiern auch quasi-religiöse Züge erhielten. 167 Das offizielle und ernste Programm klang im gemütlichen Beisammensein aus. Daher bevorzugte man in Bamberg bei gutem Wetter die Austragung der Verfassungsfeier auf einem der Bierkeller, zum Beispiel auf dem „Hellerbräukeller“ oder dem „Polarbärenkeller“ am Oberen Stephansberg. 168 Der gemeinschaftliche Genuss von Bier gehörte nicht nur zur Maifeier, sondern war auch fester Bestandteil der Feiern zum 11. August. 169 In einer Ankündigung des Freistaats wurden 1930 im Vorfeld folgende Eckpunkte veröffentlicht: „Festredner: Reichstagsabgeordneter Seidl aus Hof. Eintritt 20 Pfg. pro Person. Bierpreis 60 Pfg.“ 170 Damit waren in Bamberg wohl die wichtigsten Informationen zur Verfassungsfeier bekannt gegeben. Mit diesen Elementen entwickelte sich die Verfassungsfeier zum festen und zentralen Bestandteil des sozialistischen Kalenders in Bamberg.
5.2 Gegenspieler und Ausgrenzungserfahrungen Das sozialistische Milieu erfuhr von Seiten der Behörden, der Kirche, des Militärs, des Bürgertums und Adels während der Weimarer Republik oftmals Ablehnung, Verachtung und Häme in Bamberg. Immer wieder trat im Stadtleben zutage, dass die Arbeiterbewegung vor allem als Störfaktor gesehen wurde und als Gefahr der öffentlichen Ruhe und Ordnung eingestuft wurde. Wiederholt versuchte man, sie zu benachteiligen, zu isolieren und ein Stück weit aus der Gesellschaft auszugrenzen. 171
Der Graben nach links wurde mitunter bewusst gepflegt, erneuert und vertieft. Einer Überwindung standen nicht nur gegensätzliche Weltanschauungen und Werte im Weg, sondern auch die generelle Abneigung und der mangelnde Wille zur Kompromissfindung und Annäherung. 172 Durch die Stigmatisierung der Sozialisten als Terroristen, Revolutionäre und Unruhestifter schuf man ein Klima des Misstrauens und führte zugleich die bereits im Kaiserreich erprobte Herabstufung in geringerem
Vgl. Will/Burns, Arbeiterkulturbewegung, S. 167–171. Vgl. Rossol, Performing, S. 58. 161 Vgl. FS v. 25. 7.1931, Nr. 167; Rossol, Performing, S. 58–63. 162 Vgl. FS v. 13. 8.1923, Nr. 178; Rossol, Performing, S. 58. 163 Vgl. FS v. 13. 8.1923, Nr. 178. 164 Vgl. Guttsman, Culture, S. 246 f. 165 FS v. 13. 8.1923, Nr. 178. 166 FS v. 10. 8.1925, Nr. 180. 167 Vgl. Guttsman, Culture, S. 246 f. 168 Vgl. FS v. 8. 8.1925, Nr. 179; FS v. 6. 8.1928, Nr. 178; FS v. 16. 7.1929, Nr. 160; Fiedler, Bamberg, S. 68, 198. 169 Vgl. NV v. 22. 8.1929, Nr. 193; FS v. 9. 8.1930, Nr. 181. 170 FS v. 9. 8. 1930, Nr. 181. 171 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 18. 9.1920, StABa, K 87, Nr. 99; FS v. 28.10.1924, Nr. 250; FS v. 7.11.1925, Nr. 256; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.12.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 172 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Breuer, Wandel, S. 32–46. 159
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
Ausmaße fort. 173 Antisozialismus und Antikommunismus bildeten in der Weimarer Gesellschaft und speziell in Bamberg einen wichtigen Kitt konservativer, katholischer und nationaler Gruppen – als kleinster gemeinsamer Nenner dieser Gruppen wirkte die Brandmarkung der Roten in jedem Fall. Zugleich machte man die Genossen für alle Not und alles Unglück nach Ende des Ersten Weltkriegs verantwortlich und hatte somit einen kollektiven Sündenbock. 174 Symptomatisch für die Exklusion des sozialistischen Milieus waren die Gefallenengedenktage in Bamberg. 175 Trotz der Bitte des Reichsbanners 1925, der offiziellen Totenehrung am 8. November beiwohnen zu dürfen, schlossen die Organisatoren des Bayerischen Kriegerbundes die republikanische Organisation und die ihr angeschlossenen Verbände vehement aus. 176 Selbst Vermittlungsversuche des Stadtkommissars Paul Köttnitz waren vergeblich. 177 Folglich gedachte man den Gefallenen in zwei getrennten Feiern – einer vaterländischen und einer republikanischen. 178 Im amtlichen Bericht wurden durch die lange Aufzählung der Teilnehmer der Ausschluss und die Degradierung des Reichsbanners besonders deutlich. 179 Auf der einen Seite standen der Kriegerbund, die Behörden, die Reichswehr und die Landespolizei zusammen mit der Feuerwehr, den Schützenvereinen, Gesangund Turnvereinen, Innungen, dem Heinrichsverein,
dem Bund Oberland und dem Marienritterorden. Auf der anderen – links-demokratischen – Seite fanden sich das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und die ihm angeschlossenen Parteien, Gewerkschaften und Vereine wieder. 180 Als Begründung für die Zurückweisung und Separation führte der Bayerische Kriegerbund an, dass die anderen Vereine eine Partizipation des Reichsbanners nicht dulden würden und darüber hinaus hielt man die Zeit noch nicht für „das Zusammengehen von Rechts und Links“ 181 reif genug. 182 Ein ähnliches Bild bot sich in Bamberg außerdem bei der Feier des Bayerischen Turnfests 1926. 183 An diesem Ereignis beteiligten sich neben den Sportvereinen sämtliche Würdenträger aus Staat, Kirche, Industrie und Militär. 184 „Ein gesunder nationaler Geist“ 185 habe das Fest beherrscht, denn die Sozialisten hätten sich nicht beteiligt und auch nicht gestört, so urteilte einer der Berichte. 186 Zur Verfestigung dieser Konstellation gegen links trugen wesentlich militärische Kreise in Bamberg bei. 187 Insbesondere adelige Offiziere wie die Familie von Gebsattel agierten seit Beginn der Weimarer Republik massiv gegen den Aufstieg des Arbeitermilieus und fungierten als Meinungsführer. 188 Generalmajor Hermann Freiherr von Gebsattel verfasste im August 1919 ein persönliches Schreiben an den Regierungspräsidenten von Oberfranken, in
Vgl. Allgemeiner Bericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 104; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Polizeiamt Bamberg v. 21. 2.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Rauh-Kühne, Ettlingen, S. 169 f. 174 Vgl. Gebsattel, Ludwig Freiherr von: Das K. B. 1. Ulanen-Regiment „Kaiser Wilhelm II. König von Preußen“. Nach Kriegsakten, Kriegstagebüchern und Mitteilungen ehemaliger Angehöriger des Regiments bearbeitet. Augsburg 1924, S. 230 f. 175 Vgl. Eckert, Gefallenengedenktage, S. 16–18. 176 Vgl. FS v. 7.11.1925, Nr. 256; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2594; Kaiser, Helden, S. 129–135. 177 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 178 Vgl. FS v. 2.11.1926, Nr. 251; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 179 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 180 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 181 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 182 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 9.11.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 183 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866. 184 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965. 185 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965. 186 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965. 187 Vgl. Mayershofer, Militär, S. 468–481. 188 Vgl. Gebsattel, Ulanen-Regiment, S. 230 f. 173
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Gegenspieler und Ausgrenzungserfahrungen
dem er Vorschläge für die Handhabe gegen linke Strömungen unterbreitete, ein energisches Vorgehen gegen diese forderte und vor einem erneuten Umsturz warnte. 189 Drastisch brachte er zum Ausdruck, dass „der Bolschewismus und der Kommunismus und deren Nebenarten ebenso wie sonstige politische Utopien als psychische Krankheit nur durch intensivste Aufklärung gründlich zu bekämpfen“ 190 seien. Seinem Weltbild nach glich eine linke Gesinnung einer Erkrankung und infizierte Personen galt es zu meiden. Eine geeignete Gegenmaßnahme erblickte er in der straffen Organisation von Zeitfreiwilligen. 191 Obwohl der Regierungspräsident Otto von Strößenreuther diesem Vorschlag unter Hinweis auf die bereits bestehende Einwohnerwehr höflich eine Absage erteilte, änderte dies nichts an der fortwährenden antisozialistischen und antirepublikanischen Agitation des Generals und seiner Familie. 192 Sein Bruder Konstantin Freiherr von Gebsattel hatte im Februar desselben Jahres eine Tagung des Alldeutschen Verbandes in Bamberg organisiert, die in einer Resolution, der sogenannten „Bamberger Erklärung“, gegen die Weimarer Republik mündete. 193 Diese war der erste Frontalangriff gegen die Demokratie und propagierte obendrein die Theorie der Dolchstoßlegende. 194 Die genannte Bamberger Zusammen-
kunft führte außerdem zur Gründung des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes, der unter seinem (geheimen) Vorsitzenden Konstantin Freiherr von Gebsattel in den folgenden Jahren mit zahlreichen Volksversammlungen vor Ort wirkte. 195 Antisozialismus, Antikommunismus und Antisemitismus vermengten sich zu einem Konglomerat, wie beispielsweise auf einer Versammlung im Mai 1920 zum Thema „Deutscher und jüdischer Kommunismus“ evident wurde. 196 Brisant war nicht nur diese thematische Verbindung, sondern auch der Einfluss und das Ansehen, das die Familie Freiherr von Gebsattel in Bamberg genoss und für ihre Zwecke geltend machte. 197 Herrmann Freiherr von Gebsattel stand sowohl der Ortsgruppe des Deutschen Offizier-Bundes als auch dem Offizier-Verein der bayerischen Kaiser-Ulanen vor. 198 Seine Ehefrau Adelheid Freifrau von Gebsattel leitete als Erste Vorsitzende den katholischen Frauenbund. 199 Im Herbst 1924 kam die Stadt Bamberg dem Freiherrn von Gebsattel und den Militärs entgegen, was zu einer grotesken Situation führte, die die Benachteiligung des sozialistischen Milieus offenlegte. 200 Am 26. Oktober 1924 fand der Gautag des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold in Bamberg statt, zu dem sämtliche Programmpunkte unter freiem Himmel unter Hinweis auf den Ausnahmezustand verboten
Vgl. Schreiben des Hermann Freiherr von Gebsattel an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 31. 8.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1809. Schreiben des Hermann Freiherr von Gebsattel an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 31. 8.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1809. 191 Vgl. Schreiben des Hermann Freiherr von Gebsattel an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 31. 8.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1809. 192 Vgl. FS v. 26.1.1923, Nr. 21; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 22. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13.10.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1863. 193 Vgl. Erklärung des Alldeutschen Verbandes v. 16. 2.1919, BArch, Hauptarchiv der NSDAP, NS 26 (künftig: BArch, NS 26), Nr. 821; Hering, Rainer: Konstruierte Nation. Der Alldeutsche Verband. 1890 bis 1939 (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 40). Hamburg 2003, S. 141– 143; Peters, Michael: Alldeutscher Verband (ADV), 1891–1939. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/ Lexikon/Alldeutscher Verband (ADV), 1891–1939i (6. 3. 2018); Schroeckh, Konstantin Freiherr von Gebsattel, S. 14 f. Zur Entstehung und Verbreitung der Dolchstoßlegende sowie zum Werdegang des Konstantin Freiherr von Gebsattel vgl. Jungcurt, Uta: Alldeutscher Extremismus in der Weimarer Republik. Denken und Handeln einer einflussreichen bürgerlichen Minderheit. Berlin u. a. 2016, S. 139 f., 219 f. 194 Die sogenannte „Dolchstoßlegende“ entstand in bildungsbürgerlichen Kreisen und bezeichnete die Theorie, dass während des Ersten Weltkrieges die Heimatfront dem Militär in den Rücken gefallen sei und das Militär unbesiegt geblieben sei. Als Konsequenz daraus wurde die Niederlage des Ersten Weltkriegs nicht akzeptiert. Zur Dolchstoßlegende vgl. Barth, Boris: Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Das Trauma der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg 1914–1933 (= Schriften des Bundesarchivs, Bd. 61). Düsseldorf 2003. 195 Vgl. BV v. 29. 4.1921, Nr. 99; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 8. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 100; Hering, Nation, S. 145; Schroeckh, Konstantin Freiherr von Gebsattel. S. 17–21. 196 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 22. 5.1920, StABa, K 87, Nr. 95; Hering, Nation, S. 142–145. 197 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 2. 4.1924, StadtABa, C 1, Nr. 675; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13.10.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1863; Begleitheft zur Ausstellung „Der Neuzeitliche Haushalt“ des katholischen Frauenbundes vom 22. bis 26. 2.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1876. 198 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 199 Vgl. Begleitheft zur Ausstellung „Der Neuzeitliche Haushalt“ des katholischen Frauenbundes vom 22. bis 26. 2.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1876. 200 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 189
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
wurden. 201 Als Begründung führte man den politischen Charakter dieser Veranstaltung an. 202 Andere Maßstäbe hatten man für den Ulanentag am 19. Oktober angelegt: Diese Feier im Freien war samt einer öffentlichen Denkmalsenthüllung am Obstmarkt und einem Festumzug zugelassen worden. 203 Dabei präsentierten sich neben den Vertretern der Staats- und Reichsbehörden, der Reichswehr und der Landespolizei, Oberbürgermeister Weegmann, Erzbischof Jacobus von Hauck und der Wittelsbacher Rupprecht von Bayern. 204 Hermann Freiherr von Gebsattel hielt eine Rede, die in einer Aufforderung zur Treue gegenüber dem Heerführer aus dem Hause Wittelsbach mündete. Daraufhin enthüllte der ehemalige Kronprinz das neue Ulanendenkmal. 205 Die Veranstaltung war im Prinzip eine politische Demonstration des militärischen, monarchischen, konservativen und katholischen Bambergs. Im direkten Vergleich mit dem Reichsbannertag wurde das amtliche Vorgehen heftig in der Presse diskutiert, von verschiedenen Parteirichtungen kritisiert und schlug solch große Wellen, dass sogar die sozialdemokratische Münchener Post über die „von bayerischer Polizei schikanierte Reichsbannertagung“ 206 ausführlich berichtete. 207 Oberbürgermeister Weegmann veröffentlichte da-
her eine Klarstellung im Bamberger Volksblatt, in der er betonte, dass am Militärfest „die ganze Stadt ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit und Konfession Anteil nahm oder doch Anteil nehmen konnte.“ 208 Darin musste er allerdings eingestehen, dass einzelne Redner „speziell dem Ulanentag ein politisches Gepräge“ 209 gegeben hätten. Diesen prekären Umstand versuchte er unter Hinweis auf die Meinungsfreiheit zu verteidigen. 210 Ebenso geriet auch Stadtkommissar Fackelmann gegenüber dem Staatsministerium in Erklärungsnot. 211 Er argumentierte, dass die Kaiserulanen keine Politik betreiben würden und konterte mit einer betont nüchternen Schilderung des Ulanentags, der „nicht entfernt einen politischen Charakter“ 212 oder „monarchischen Anstrich“ 213 gezeigt hätte. Im Freistaat rief man hingegen dazu auf, „das unglaubliche Verhalten der Staats- und Stadtbehörden“ 214 zu beenden und „endlich Zustände zu schaffen, die einer demokratischen Republik würdig“ 215 seien. An der Zuspitzung der Auseinandersetzung um den Gautag des Reichsbanners war darüber hinaus auch die katholische Kirche beteiligt. 216 Folgende Szene spielte sich am Nachmittag der republikanischen Veranstaltung ab und verschärfte die Situation und Stimmung weiter:
Vgl. Eilbrief des Stadtkommissars Bamberg v. 22.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Anweisung des Staatskommissars für Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 202 Vgl. Eilbrief des Stadtkommissars Bamberg v. 22.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Anweisung des Staatskommissars für Oberfranken v. 23.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 203 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 30.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; FS v. 28.10.1924, Nr. 250; Gehringer, Militärstandort, S. 155–161. Das Ulanendenkmal wurde 1943 vom Obstmarkt in den Hof der Kreishandwerkerschaft am Schillerplatz versetzt, um es vor einer Materialverwertung im Krieg zu bewahren. 1953 stellte man es in der Wunderburg am Bleichanger (heute: Ulanenplatz) auf und betonte mit dieser Platzwahl die Verbindung der Wunderburg zu den Ulanen, die dort ihre Kasernen hatten. 204 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Gehringer, Militärstandort, S. 155–157; Weiß, Dieter J.: Kronprinz Rupprecht von Bayern (1869–1955). Eine politische Biografie. Regensburg 2007, S. 236. Kronprinz Rupprecht von Bayern zeigte sich ab 1922 vermehrt bei öffentlichen Kundgebungen, Festen und Ehrungen. Insbesondere repräsentierte er das Königshaus bei militärischen Veranstaltungen wie 1924 in Bamberg. 205 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 206 Münchener Post. Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung von München-Südbayern v. 28.10.1924, Nr. 251, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 207 Vgl. FS v. 28.10.1924, Nr. 250; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 30.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; BV v. 3.11.1924, Nr. 255; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 208 BV v. 3.11.1924, Nr. 255. 209 BV v. 3.11.1924, Nr. 255. 210 Vgl. BV v. 3.11.1924, Nr. 255. 211 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 30.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken an den Stadtkommissar Bamberg v. 6.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 212 Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 213 Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 7.11.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 214 FS v. 28.10.1924, Nr. 250. 215 FS v. 28.10.1924, Nr. 250. 216 Vgl. Bericht der Polizeiinspektion Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 201
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Gegenspieler und Ausgrenzungserfahrungen
„Der Skt. Heinrichsverein hat vom Stadtkommissar generelle Genehmigung zu Aufzügen in hiesiger Stadt. Als gerade die letzten Gruppen der Bannerleute am Schönleinsplatz abmarschbereit standen, kam der Heinrichsverein von der langen Strasse her gegen den Schönleinsplatz gezogen, eine kleine Musikkapelle voraus, die in diesem Augenblicke den Hassgesang: ‚Siegreich woll’n wir Frankreich schlagen‘ spielte. Der Aufzug sowohl als insbesondere das Lied wurde von den Bannerleuten als eine grobe Herausforderung aufgefasst und keiner wollte verstehen, warum sie nicht marschieren dürfen. Augenblicklich formierten sie sich zur Marschkolonne und wollten so den Platz verlassen. Der Heinrichsverein wurde beschimpft und gegen den Zug begleitenden Präses wurden Fäuste in feindlicher Absicht erhoben.“ 217
Der katholische Jugendverein war in einer Stärke von etwa 50 Jugendlichen zu einem Ausflug abmarschiert. 218 Mitten durch die Stadt war man gezogen, sodass sich die Reichsbannermitglieder durch diesen Aufmarsch provoziert fühlten, da sie selbst ja ein Umzugsverbot auferlegt bekommen hatten. 219 Als sie ihrerseits daraufhin versuchten, Marschkolonnen beispielsweise zum Bahnhof zu bilden, griff sowohl die Stadt- als auch die Landespolizei ein. 220 Dieser einzige Tag, der Gautag des Reichsbanners, zeigte somit den Widersinn der offiziellen Handhabung gegenüber den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Milieus. In Bamberg profitierten Katholiken, Bürgertum und Militärs von einer milderen Gesetzesauslegung, während gegen linke Aktivitäten konsequent vorgegangen wurde. Das sozialistische Milieu war und blieb ein rotes
Tuch. Die größte Kontradiktion lag darin, dass in Bamberg während der Weimarer Republik die Republikaner selbst nur eingeschränkt aufmarschieren durften, wohingegen den Monarchisten, Völkischen und Nationalisten des Öfteren eine Bühne geboten wurde. In den Zwanzigerjahren fehlte es in Bamberg nicht an Republikanern, doch den demokratischen Sozialisten fehlte es an Freiraum, Entfaltungs- und Präsentationsmöglichkeiten und oftmals am Schutz und der Unterstützung durch die Staatsmacht. Nicht der Parlamentarismus wurde allgemein geschätzt, sondern der Monarchismus verklärt und diesem nachgetrauert. 221 Die Treue zum bayerischen Königshaus und die Glorifizierung des Deutschen Kaiserreichs waren wichtige gesellschaftliche Klammern und verbanden das katholische Milieu sowohl mit den militärischen als auch nationalistischen Kreisen. 222 So huldigte man in Bamberg bei Besuchen dem Kronprinzen Rupprecht, vaterländische Verbände organisierten ihm zu Ehren jährliche Geburtstagsfeiern und die Stadt flaggte zu seinem 60. Geburtstag 1929. 223 Außerdem zelebrierte man in Bamberg das 100. Jubiläum der Thronbesteigung von König Ludwig I. 1925 und sang gern die Königshymne. 224 Erich Ludendorff wurde geehrt und trat in der Stadt auf; auch Kaisertage wurden weiterhin abgehalten. 225 Der Freistaat spottete 1920 zu diesem Thema, dass mancher Bamberger noch immer glaube, in einer Monarchie zu leben und „das herrliche Zeitalter Wilhelms des Letzten“ 226 in der Stadt noch nicht überwunden wäre. Als Träger dieser Stimmung fungierte das Bamberger Tagblatt und organisatorisch sammelten sich die Monarchisten Anfang der 1920er Jahre in der Bayerischen Königspartei, Orts-
Bericht der Polizeiinspektion Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. Vgl. Bericht des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 219 Vgl. Bericht der Polizeiinspektion Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 220 Vgl. Bericht der Polizeiinspektion Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 27.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 221 Vgl. BT v. 16. 9.1920, Nr. 216; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 28. 5.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1869; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Weiß, Kronprinz, S. 157–272. 222 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Weiß, Kronprinz, S. 200–202. 223 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken zum Bayerischen Turnfest v. 20. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1965; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 5.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 28. 5.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1869; Stadtratsprotokoll v. 15. 5.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690; Weiß, Kronprinz, S. 223 f. 224 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13.10.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1863; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 13. 5.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 225 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.10.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1875; Lagebericht v. 20. 9.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365. 226 FS v. 2. 8.1920, Nr. 176. 217
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
gruppe Bamberg und nach deren Niedergang im Bayerischen Heimat- und Königsbund. 227 Zusammen mit dem Bayerischen Kriegerbund und dem Deutschen Offizier-Bund war man in den Vereinigten Vaterländischen Verbänden zusammengeschlossen. 228 Auf Veranstaltungen forderte man die „Rückkehr zur konstitutionellen Monarchie und die Wiedereinsetzung des angestammten Königshauses Wittelsbach […] mit allen erlaubten Mitteln“. 229 Gegen dieses Ansinnen setzte sich das sozialistische Milieu zur Wehr, indem es wiederholt solche Versammlungen störte und sprengte. 230 Im September 1920 startete die Königspartei beispielsweise zwei Versuche, eine Zusammenkunft abzuhalten – jedes Mal wurden die Treffen durch das sozialistische Milieu vereitelt. 231 Unter Leitung des Redakteurs Georg Dewald betraten die linken Anhänger geschlossen den Saal und Dewald selbst ergriff daraufhin das Wort, verteidigte die Errungenschaften der Revolution und beschuldigte den Redner der Königspartei des Hochverrats. 232 Eine andere republikfeindliche Zusammenkunft im Januar 1927 unterbrach Josef Dennstädt mit weiteren Sozialdemokraten durch das Absingen der Internationale. 233 So richtete der Bayerische Heimatund Königsbund seine Agitation nicht nur auf die Wiedererrichtung der Monarchie, sondern auch gezielt gegen das sozialistische Milieu. 234 Besonders aktiv wurde der weiß-blaue Verband nach der Abhaltung des kommunistischen Jugendtages 1928 in Bamberg. 235 In einem Schreiben an den Stadtkommissar und den Stadtrat Bamberg beschwerte sich
der Vorsitzende, Tiberius Hummel, über die Abhaltung und Gestattung der Konferenz: „Vor kurzem, am 8. und 9. September, war in Bamberg kommunistische Jugendtagung. Wer Lust hatte, konnte sich also schaudernd eine richtig aufgezogene kommunistische Demonstration mit roten Fahnen und dem Sowjetstern ansehen. Der ganze Vorgang mit allem widerlichen Drum und Dran erinnerte deutlich an die Aufzüge, die vor 10 Jahren in München dem Umsturz unmittelbar vorausgingen, der – von der Regierung nicht verhindert – über Nacht ganz Bayern in die Gewalt eines rassefremden, phantastischen Ausländers brachte.“ 236
Seine Ausführungen mündeten schließlich in der Forderung nach einem vorbeugenden Verbot solcher Versammlungen zum Schutz der Bürgerschaft und wurden sogar in der Nürnberger Tageszeitung Fränkischer Kurier abgedruckt. 237 Im Prinzip wurden sie schließlich durch die Notverordnungen und das verstärkte Vorgehen gegen die Linksradikalen Anfang der Dreißigerjahre erfüllt. Im Unterschied zu den politischen und staatlich geprägten Konflikten mit den Monarchisten, spielten sich die Auseinandersetzungen zwischen dem sozialistischen und dem katholischen Milieu insbesondere auf dem lebensweltlichen, sozialen und kulturellen Feld ab. 238 Als „Vernunftrepublikaner“ unterstützten die Anhänger der BVP in Bamberg bisweilen die links-demokratischen Bestrebun-
Vgl. FS v. 2. 8.1920, Nr. 176; BT v. 16. 9.1920, Nr. 216; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 18. 9.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 5.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Weiß, Kronprinz, S. 200–202; Weiß, Dieter J.: Bayerische Königspartei, 1919–1926. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/ Lexikon/Bayerische Königspartei, 1919–1926i (15. 3. 2018); Weiß, Dieter J.: „In Treue fest“. Die Geschichte des bayerischen Heimat- und Königsbundes und des Bayernbundes 1921–2011. In: Gott mit dir du Land der Bayern. Hg. v. A. Dinglreiter/D. Weiß. Passau 2011, S. 17–29. 228 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 229 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 5.1925, K 3, Präs. Reg. Nr. 1861. 230 Vgl. BT v. 16. 9.1920, Nr. 216; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 18. 9.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 231 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 18. 9.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 232 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 18. 9.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 233 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.1.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1868. 234 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874; Schreiben des Bayerischen Heimat- und Königsbundes an den Stadtkommissar Bamberg v. 14. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874. 235 Vgl. Schreiben des Bayerischen Heimat- und Königsbundes an den Stadtkommissar Bamberg v. 14. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874. 236 Schreiben des Bayerischen Heimat- und Königsbundes an den Stadtkommissar Bamberg v. 14. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874. 237 Vgl. Schreiben des Bayerischen Heimat- und Königsbundes an den Stadtkommissar Bamberg v. 14. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874; Zeitungsartikel des Fränkischen Kuriers v. 9.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 238 Vgl. Breuer, Wandel, S. 40–43; Kaufmann, Doris: Katholisches Milieu in Münster 1928–1933. Politische Aktionsformen und geschlechtsspezifische Verhaltensräume (= Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, Bd. 14). Düsseldorf 1984, S. 45– 48. 227
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Gegenspieler und Ausgrenzungserfahrungen
gen. 239 Nach dem Mord an Außenminister Walther Rathenau demonstrierten beispielsweise SPD, DDP und BVP im Garten der „Weißen Taube“ gemeinsam gegen rechte Gewalt und für den Schutz der Republik. 240 Umstritten und umkämpft waren dagegen vornehmlich Fragen der Erziehung, Schulpolitik und Körperkultur. 241 Aus den persönlichen Aufzeichnungen von Joseph Kolb aus dem Jahr 1919 geht hervor, wie er versuchte, seine Schüler im Ottonianum vor der linken Gedankenwelt und den sozialistischen Veranstaltungen abzuschirmen. 242 Zur Maifeier 1921 organisierte die Marianische Kongregation der Stadt eine Gegenveranstaltung unter der Losung „Marianisches Bamberg“ in der Oberen Pfarre, um insbesondere Mädchen und Frauen von dem proletarischen Fest und der Bewegung fernzuhalten. 243 Besonders heikel war die Frage nach der Schulform: Das Konzept der Bekenntnisschule stand diametral gegen die linken Vorstellungen der weltlichen Schule und Simultanschule. 244 Obwohl der Bamberger Erzbischof Jacobus von Hauck verhältnismäßig liberal und sozial eingestellt war, lehnte er eine Öffnung der Schule kategorisch ab und blieb ein „unnachgiebiger Verteidiger der Bekenntnisschule.“ 245 So hatte man in Bamberg Anfang 1919 eine Versammlungswelle gegen die Entchristlichung der Schulen und gegen die
Kulturpolitik von Johannes Hoffmann initiiert. 246 Außerdem warnte der Bamberger Erzbischof in seinem Hirtenbrief vom 3. Februar 1919 Eltern vor der Abmeldung vom Religionsunterricht, die er mit dem Seelentod der Kinder gleichsetzte. 247 Der Fränkische Volksfreund hingegen veröffentlichte unter der sarkastischen Überschrift „Die christliche Liebe in der neuen Zeit“ einen Bericht über die verfehlte Seelsorge eines Pfarrers im Erzbistum und seine Gewaltanwendung gegenüber Kindern. 248 Im Freistaat erschien im August 1919 ein Artikel gegen die Vormachtstellung der Kirche in der religiösen Erziehung, in dem „die kulturellen Verwüstungen des Papsttums“ 249 wie die Hexenverfolgungen angeprangert wurden und der Kirche daher das Recht abgesprochen wurde, Moralfragen zu beurteilen. 250 Ein Jahr später drehte sich der rot-schwarze Konflikt um die Errichtung einer städtischen Haushaltungsschule. 251 Die Pläne dafür scheiterten 1920 offiziell an fehlenden Finanzmitteln, doch die linke Presse sah in der kommunalen Schule ein „Opfer klösterlicher Intrigen und klerikaler Rathauspolitik“ 252. Tatsächlich übernahm stattdessen der Katholische Frauenbund das Projekt und eröffnete im Januar 1926 die kirchliche Haushaltungsschule zusammen mit einem Lehrlingsheim, dem Canisiusheim, und einem Altersheim. 253 In seinem Bericht
Vgl. Seefried, Elke: Verfassungspragmatismus und Gemeinschaftsideologie: „Vernunftrepublikanismus“ in der deutschen Zentrumspartei. In: Vernunftrepublikanismus in der Weimarer Republik. Politik, Literatur, Wissenschaft (= Stiftung Bundespräsidenten-Theodor-Heuss-Haus, Wissenschaftliche Reihe, Bd. 9). Hg. v. A. Wirsching/J. Eder. Stuttgart 2008, S. 57–86; Breuer, Wandel, S. 40. 240 Vgl. FS v. 1. 7.1922, Nr. 148; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 6.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 6.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. Die gemeinsame Demonstration von SPD und BVP in Bamberg war eine Besonderheit, denn beispielsweise im katholischen Münster verweigerte die dortige Zentrumspartei die Teilnahme an einer von der Sozialdemokratie organisierten Kundgebung. Vgl. Kaufmann, Milieu, S. 48. 241 Vgl. Hürten, Heinz: Bayern im deutschen Katholizismus der Weimarer Zeit. In: ZBLG 55 (1992), S. 378; Troll, Hildebrand: Kirche in Bayern. Verhältnis zu Herrschaft und Staat im Wandel der Jahrhunderte. Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs anläßlich des 88. Deutschen Katholikentages 1984 in München (= Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns, Bd. 17). Neustadt an der Aisch 1984, S. 238 f. 242 Vgl. Aufzeichnungen zum 26. 2.1919 von Joseph Kolb als Inspektor des Knabenseminars, AEB, Ottonianum, Rep. 29/4, Nr. 5; Kerner, Kolb, S. 235– 251. 243 Vgl. BT v. 2. 5.1921, Nr. 101; Reindl, Jugendpflegeverein, S. 123–126. 244 Vgl. FS v. 22.1.1925, Nr. 17; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; Schäffer, Fritz: Bekenntnisschule. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bekenntnisschulei (16. 3. 2018); Breuer, Wandel, S. 35–38; Heidenreich, Arbeiterkulturbewegung, S. 179–198. 245 Denzler, Georg: Erzbischof Jacobus von Hauck (1896–1943). In: Die Erzbischöfe von Bamberg. Lebensbilder. Hg. v. A. Hölscher/N. Jung. Petersberg 2015, S. 236. 246 Vgl. Breuer, Wandel, S. 35–37. 247 Vgl. Breuer, Wandel, S. 36. 248 Vgl. FV v. 24. 3.1919, Nr. 68. 249 FS v. 1. 8. 1919, Nr. 93. 250 Vgl. FS v. 1. 8.1919, Nr. 93. 251 Vgl. SO v. 7.10.1920, Nr. 235; SO v. 28.10.1920, Nr. 253. 252 SO v. 7.10.1920, Nr. 253. 253 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.1.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864; Reindl, Jugendpflegeverein, S. 69–71. 239
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lobte Stadtkommissar Paul Köttnitz diese „hocheinzuschätzende[n] soziale[n] Unternehmungen“, 254 während die Arbeiterbewegung darin eine Niederlage für die säkulare Erziehung sah. 255 Nach dem Abschluss des Bayerischen Konkordats 1924, in dem der Kirche weitgehende Rechte bezüglich der Erziehung garantiert wurden, entbrannte zwischen dem Bamberger Volksblatt und dem Freistaat erneut eine heftige Debatte um die Schulen. 256 In einem Artikel „Für die weltliche Schule“ 257 wandte sich die sozialdemokratische Zeitung gegen „mittelalterliche Kulturzustände, Massenverdummung, [den] […] Ausschluß alles dessen aus der Schule, was auf die heranwachsende Jugend aufklärend wirken könnte“ 258 und warb für die Religion als Privatsache sowie die Gleichstellung aller Weltanschauungen. 259 Während der gesamten Weimarer Republik schwelte so in Bamberg der Konflikt um die religiöse Einflussnahme auf die Kinder. 260 1922 gab es Fälle in der Wunderburg, bei denen Geistliche in der Beichte den Austritt aus der Arbeiterjugend forderten oder generelle Verbote aussprachen, sich den sozialistischen Jugendorganisationen anzuschließen. 261 Ende der 1920er Jahre wurde ein Kaplan in Gaustadt beschuldigt, seine Züchtigungsrechte zu überschreiten und gegenseitig beschuldigten sich das sozialistische und das katholische Milieu 1930, die Kinder in den Ferienlagern schlecht zu behandeln. 262 Große Differenzen gab es zudem bei den Moral- und Sittlichkeitsvorstellungen, die insbesondere die Bereiche Sport, Kunst, Literatur und Kino betrafen. 263 1925 hatten die deutschen Bischöfe Leit-
sätze zu Sittlichkeitsfragen veröffentlicht, in denen die Geschlechtertrennung beim Sport vorgeschrieben, die neue Mode kritisiert und verwerfliche Vorführungen im Kino und Theater verurteilt wurden. 264 Konkret betraf das in Bamberg die Turnkostüme der Arbeitersportvereine, die Errichtung der gemischtgeschlechtlichen Badeanlagen bei Bug und die Vorführungen von Aufklärungsfilmen in Lichtspielhäusern. 265 So wetterten katholische Kreise 1924 gegen weibliche Sportanzüge, die einem „weiblichen Badekostüm“ 266 glichen und noch dazu öffentlich präsentiert wurden, sodass jegliche Scham verloren ginge. 267 Ebenso erregte ein Treffen der oberfränkischen Arbeiterjugend 1928 Aufsehen und führte sogar zu einer Anzeige wegen groben Unfugs, „weil bei dem am 8. Juli auf dem Staffelberge stattgefundenen oberfränkischen Jugendtreffen einige Burschen nur mit Turnhose begleitet Handball […] [gespielt hätten] und einige Mädels in Spielanzügen […] [herumgelaufen wären] und dadurch ‚öffentliches Aergernis‘ […] [erregt hätten] und hierdurch den ‚heiligen Berg‘ […] [entweiht hätten].“ 268
Der Jugendredakteur Georg Grosch nahm diese Angelegenheit zum Anlass, um in der Jugend-Stimme die katholische Einschätzung von Sittlichkeit zu hinterfragen und lächerlich zu machen. So richtete er folgende Zeilen an die kirchlichen Vertreter: „Schaut euch doch nur einmal in den Kirchen richtig um. Sind die Figuren der Märtyrer hier viel anders bekleidet als die heute sporttreibenden Men-
Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.1.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864. Vgl. SO v. 7.10.1920, Nr. 253; SO v. 28.10.1920, Nr. 253. 256 Vgl. FS v. 22.1.1925, Nr. 17; FS v. 17. 2.1925, Nr. 39; Busley, Hermann-Joseph: Bayerisches Konkordat, 1924. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerisches Konkordat, 1924i (16. 3. 2018); Troll, Kirche, S. 238–246. 257 FS v. 22.1.1925, Nr. 17. 258 FS v. 22.1.1925, Nr. 17. 259 Vgl. FS v. 22.1.1925, Nr. 17. 260 Vgl. FS v. 1. 9.1922, Nr. 211; FS v. 1. 3.1929, Nr. 51; FS v. 1. 9.1930, Nr. 199. 261 Vgl. FS v. 14. 9.1922, Nr. 211. 262 Vgl. FS v. 1. 3.1929, Nr. 51; FS v. 11. 8.1930, Nr. 182; FS v. 1. 9.1930, Nr. 199. 263 Vgl. FS v. 15. 5.1926, Nr. 109; Errichtung einer Badeanstalt in der Regnitz bei Bug, StABa, K 3/1967, Nr. 4926; FS v. 7.11.1931, Nr. 256; Breuer, Wandel, S. 41 f. 264 Vgl. Breuer, Wandel, S. 41 f. 265 Vgl. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158; FS v. 12. 7.1924, Nr. 159; Errichtung einer Badeanstalt in der Regnitz bei Bug, StABa, K 3/1967, Nr. 4926; Oberst, Freistaat, S. 254 f.; FS v. 7.11.1931, Nr. 256. 266 BV v. 10. 7.1924, Nr. 158. 267 Vgl. BV v. 10. 7.1924, Nr. 158; FS v. 12. 7.1924, Nr. 159. 268 JS v. 10.1928, Nr. 10. 254 255
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schen und ist der ans Kreuz geschlagene Heiland, dessen Lehre ihr verkündet, nicht nur mit einem Lendentuch bekleidet. Nimmt hieran etwa heute ein vernünftiger Mensch Anstoß und macht man euch deswegen Vorwürfe. Warum dann eure Anklage gegen uns?“ 269
So betrafen die katholisch-sozialistischen Differenzen vielfach Alltagsfragen, die in gegenseitigen Provokationen und Angriffen ausgetragen wurden. Dabei ging es vor allem um die Deutungshoheit über
die gesellschaftlichen Werte und die Zurückdrängung beziehungsweise Aufrechterhaltung der kirchlichen Autorität. 270 Es war ein Kleinkrieg, der meist subtil geführt wurde. 1923 verkündete der Freistaat als einen kleinen roten Sieg, dass man zu Fronleichnam dieses Jahr den in Leipzig gedrehten Film über den Reichsarbeitersporttag in den Kammer-Lichtspielen zeigen würde. 271 Der wichtigsten katholischen Prozession der Diözese standen so sportliche Wettkämpfe und freier Körperkult in Turnkostümen gegenüber. 272
5.3 Charakteristika und Kooperation des sozialistischen Milieus Am 22. Februar 1925 feierte das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Magdeburg sein einjähriges Bestehen mit Ortsgruppen aus ganz Deutschland. 273 Etwa 40 Bamberger Mitglieder unter Leitung von Josef Dennstädt reisten mit dem Sonderzug an, um sich an der Massenkundgebung für die Republik zu beteiligen. 274 Im Festzug präsentierte sich die Bamberger Vereinigung auf spezielle Art und Weise: „Die Bamberger brachten ein großes weißblaues Schild mit, das mit Zwiebeln umrahmt war und auf dem zu lesen stand: ‚Die Zwiebeltreter aus der königlich bayerischen Republik, genannt Ordnungszelle.‘“ 275
Mit diesem Schild protestierte man offensichtlich gegen die Unterdrückung und Benachteiligung der Demokraten und Sozialdemokraten im reaktionären Bayern. Zugleich verwies man mit dem Bild der Zwiebeln als Symbol der Gärtnerstadt und der Referenz der Zwiebeltreter auf Bamberger Eigenarten, die das Reichsbanner und das sozialistische Milieu prägten. Das linke Milieu in Bamberg verstand sich als Teil der internationalen Arbeiterbewegung und wies dennoch einige Spezifika und Al-
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leinstellungsmerkmale auf, die es von anderen roten Solidargemeinschaften unterschied. Die Eigenheit bedingte sich unter anderem durch die geographische Lage und die Beziehung zu anderen Städten und ihren Arbeiterbewegungen. Bambergs sozialistisches Milieu oszillierte in der Weimarer Republik zwischen Ober-, Mittel- und Unterfranken, ohne dass es klar zugeordnet und organisatorisch verortet war. Im Gegensatz zum Kaiserreich bildete Nürnberg nicht mehr den einzigen Bezugspunkt und das „einseitige Abhängigkeitsverhältnis“ 276 von der mittelfränkischen Metropole wurde durch ein mannigfaches Geflecht an Verbindungen abgelöst. Besonderes Gewicht erlangte die Zusammenarbeit mit Unterfranken. Seit 1920 teilte man sich mit Würzburg und Schweinfurt das Presseorgan des Freistaats beziehungsweise des Volksfreunds. 277 Diese Kooperation erwies sich als Erfolgsgeschichte und ermöglichte die kontinuierliche Herausgabe einer SPD-Zeitung in Bamberg als Sprachrohr der links-demokratischen Kreise. Sozialdemokratische Referenten aus Würzburg wie Fritz Endres, August Gräf oder Franz Spiegel traten in Bamberg auf und verstärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl. 278 Außerdem pflegten die Orts-
JS v. 10.1928, Nr. 10. Vgl. Breuer, Wandel, S. 41. Vgl. FS v. 30. 5.1923, Nr. 121. Vgl. Blessing, Kirche, S. 8. Vgl. Sonderbericht v. 25. 5.1925, StAN, Rep. 218/9, Nr. 656. Vgl. BV v. 20. 2.1925, Nr. 44. Zeitungsartikel des Fränkischen Kuriers v. 24. 2.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. Link, Katholizismus, S. 367 f.; vgl. Oberst, Freistaat, S. 246–250. Vgl. FS v. 2. 8.1920, Nr. 176; FS v. 1.10.1920, Nr. 228. Vgl. FS v. 8. 4.1919, Nr. 1; FS v. 13. 4.1923, Nr. 84; FS v. 2.11.1926, Nr. 251; FS v. 2. 9.1929, Nr. 200.
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gruppen der SAJ von Würzburg, Schweinfurt und Bamberg enge Kontakte miteinander und besuchten sich gegenseitig. 279 Die SAJ-Bamberg berichtete beispielsweise 1928 in der Jugendstimme von einem gemeinsamen Ausflug der Schweinfurter und Bamberger Arbeiterjugend nach Haßfurt und Zeil am Main. 280 Bei der Wanderung durch die Haßberge nutzte man das Haus der Naturfreunde Schweinfurts auf dem Berg „Hohe Wann“. 281 Ebenso standen die Arbeitersportvereine der drei Städte im regen Austausch miteinander. 282 Die Athleten kämpften gegeneinander und die Radfahrer der „Solidarität“ schlossen sich bei der Gauwanderfahrt zusammen, um nach Bad Kissingen zu radeln, während alle anderen fränkischen Vereine entweder nach Rothenburg ob der Tauber oder nach Marktredwitz fuhren. 283 Darüber hinaus umschloss das mainfränkische Zusammenspiel auch die linksradikalen und kommunistischen Anhänger. 284 Auf dem Landeskongress der Roten Hilfe in Nürnberg 1928 forderten die Bamberger Vertreter eine Neuorganisation ihres Arbeitsgebietes, das bis dahin zusammen mit Coburg, Neustadt bei Coburg und Tettau geführt wurde: „Ortsgruppe Bamberg: Das Arbeitsgebiet Bamberg ist zu teilen, indem Bamberg zu Schweinfurt-Würzburg kommt und die übrigen Ortsgruppen, die räumlich sehr weit weg liegen, als ein selbständiges Arbeitsgebiet gelten
mit dem Arbeitsgebietsvorort entweder Neustadt oder Tettau (einverstanden, angenommen).“ 285
Während folglich die Union mit den oberfränkischen Städten in Bezug auf die Rote Hilfe zugunsten von Unterfranken beendet wurde, funktionierte das Bündnis innerhalb des Regierungsbezirks bei anderen Zusammenschlüssen der Arbeitermilieus. 286 Als wichtigste Partnerstadt des sozialistischen Milieus in Oberfranken fungierte Coburg. 287 Seit 1920 bildeten die Sozialdemokratischen Parteien beider Städte den Unterbezirk Bamberg-Coburg, der von Bamberg aus geleitet wurde und in der Hand des Unterbezirkssekretärs lag. 288 Josef Dennstädt war daher nicht nur in Bamberg als Führungsperson und Berufspolitiker aktiv, sondern er war auch eine wichtige Identifikationsfigur für die SPD in Coburg und der Umgebung. 289 So berichtete das Bezirksamt Coburg in einem seiner Halbmonatsberichte 1923: „Die Versammlungen der V.S.P.D. sind auch gut besucht; als Redner tritt hier meist der Parteisekretär Dennstädt aus Bamberg auf, der in seinen Hetzreden besonders scharf die Hakenkreuzler bekämpft. Am 24. März hat er in Gauerstadt eine Versammlung abgehalten, zu der Genossen auch aus der Stadt Coburg mit Lastauto befördert wurden; […].“ 290
Vgl. JS v. 3.1927, Nr. 3; JS v. 8.1928, Nr. 8; JS v. 9.1928, Nr. 9. Vgl. JS v. 9.1928, Nr. 9. 281 Vgl. JS v. 9.1928, Nr. 9; Kieling, Max: Schweinfurter Wanderziele. Wanderungen und Spaziergänge um Schweinfurt. Schweinfurt 1980, S. 204–218. 282 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; SO v. 15. 7.1921, Nr. 163; FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 283 Vgl. FS v. 29. 4.1920, Nr. 99; SO v. 15. 7.1921, Nr. 163; FS v. 17. 6.1925, Nr. 135. 284 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 3.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 3; Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 285 Bericht zum 3. Landeskongress der Roten Hilfe Deutschlands, Bezirk Bayern am 14./15. 9.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 286 Vgl. Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“; FS v. 2.11.1928, Nr. 252; FS v. 2.1.1933, Nr. 1. 287 Vgl. Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236; FS v. 7. 6.1927, Nr. 128; FS v. 27. 9.1929, Nr. 222; FS v. 2.1.1933, Nr. 1. 288 Vgl. Bericht des Bezirksvorstandes der Sozialdemokratischen Partei Frankens an den Bezirksverbandstag am 4. und 5. September 1920 in Bamberg, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“; Geschäftsbericht der SPD-Franken vom 1. Oktober 1922 bis 31. März 1925, SPDBa, Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“; Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685. Die SPD hatte damit auf den Anschluss Coburgs an Bayern reagiert, der nach der Abstimmung im November 1919 vollzogen wurde und infolgedessen Coburg im Juni 1920 zum Reichstagswahlkreis Franken zugeteilt wurde. Zur Vereinigung Coburgs mit Bayern vgl. Hambrecht, Rainer: „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. Ausstellung des Staatsarchivs Coburg anläßlich der 75. Wiederkehr der Vereinigung Coburgs mit Bayern am 1. Juli 1920 (= Ausstellungskatalog der Staatlichen Archive Bayerns, Bd. 34). Neustadt an der Aisch 1995. 289 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Coburg v. 31. 3.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685. 290 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Coburg v. 31. 3.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 279
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Umgekehrt zeigten auch die Coburger Sozialdemokraten Otto Voye, Gewerkschaftsführer, und Franz Klingler, Redakteur und SPD-Vorsitzender, in Bamberg Präsenz und erlangten dort ebenfalls Einfluss. 291 Klingler sprach beispielsweise auf der Totengedenkfeier der Republikaner 1926 und wurde als Delegierter des Unterbezirks 1927 zum SPDReichsparteitag nach Kiel entsandt. 292 Ab 1929 nahm die Bamberger Arbeiterbewegung außerdem großen Anteil an der Regierung des mehrheitlich nationalsozialistischen Stadtrats in Coburg und propagierte dies als abschreckendes und misslungenes Beispiel des „Dritten Reiches“. 293 Das Bündnis zwischen Bamberg und Coburg erstreckte sich zudem auf das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und den Bereich der Arbeiterkulturbewegung. 294 So gründeten die Arbeitersänger 1929 eine Arbeitsgemeinschaft Coburg-Bamberg-Kronach und konzertierten gemeinsam. 295 Im Unterschied zu den engen personellen und organisatorischen Verflechtungen zum Coburger Raum waren die Beziehungen zum nordöstlichen Oberfranken viel geringer ausgeprägt. Die dortigen Orte Selb, Rehau und Marktredwitz waren durch die Porzellanindustrie wirtschaftlich anders beeinflusst und verfügten über eine große Fabrikarbeiterschaft, die sich seit dem Ersten Weltkrieg zunehmend radikalisierte. 296 Das gesamte Gebiet einschließlich der Stadt Hof entwickelte sich am Anfang der Weimarer Republik zu einer Hochburg
der USPD und insbesondere Selb später zu einem wichtigen kommunistischen Stützpunkt. 297 Diese Ausrichtung harmonierte nur sehr schlecht mit der wenig radikalisierten Bamberger Arbeiterschaft. Versammlungen mit den Referenten Hans Seidel aus Hof für die USPD oder Hermann Prell aus Selb für die KPD blieben in Bamberg „ohne Erfolg“ 298 oder es erschienen überhaupt nicht genügend Zuhörer für die Abhaltung einer Versammlung. 299 Die Behörden dagegen fürchteten genau diesen linksradikalen-oberfränkischen Einfluss; 1919 hatte man Angst, dass von Hof aus „Unruhen bis nach Bamberg“ 300 transportiert würden und 1925 bangte man, dass ein Streik der Eisenbahner von dort auf Bamberg übergreifen könnte. 301 Verhältnismäßig gering ausgeprägt waren außerdem die Beziehungen zu der Arbeiterbewegung in Bayreuth: Gegenseitige Besuche erfolgten lediglich zu größeren Veranstaltungen wie den Reichsbannertagen 1925 und 1929. 302 Ganz anders war das Verhältnis zu Nürnberg, denn trotz der Ausweitung der Kontakte während der Weimarer Republik blieb die Stadt durch ihre starke Arbeiterschaft und die Organisationsstruktur der Parteien und Verbände maßgeblich für das sozialistische Milieu in Bamberg. Die SPD-Franken wurde ebenso von Nürnberg aus geführt wie die KPD-Nordbayern. 303 Die Naturfreunde hatten ihre deutschlandweite Geschäftsstelle in der Frankenmetropole und im Arbeiter-Turn- und Sport-Bund
Vgl. FS v. 2.11.1926, Nr. 251; FS v. 7. 6.1927, Nr. 128; FS v. 29.11.1929, Nr. 275; FS v. 11. 8.1930, Nr. 182; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; Nöth, Stefan: Coburger „Blutsonnabend“, 3. September 1921. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Coburger_„Blutsonnabend“,_3._September_-1921i (23. 3. 2018); Erdmann, Jürgen: Coburg, Bayern und das Reich 1918–1923 (= Coburger Heimatkunde und Landesgeschichte, Reihe II, Heft 22). Coburg 1969, S. 72, 159. 292 Vgl. FS v. 2.11.1926, Nr. 251; FS v. 7. 6.1927, Nr. 128. 293 Vgl. FS v. 29.11.1929, Nr. 275; FS v. 7.12.1929, Nr. 282; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.12.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Initiative Stadtmuseum, Voraus, S. 103, 107–112. 294 Vgl. Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236; Bericht des Bezirksamts Coburg an die Regierung von Oberfranken v. 10. 8.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 295 Vgl. FS v. 27. 9.1929, Nr. 222; FS v. 19. 9.1929, Nr. 215; FS v. 1. 7.1930, Nr. 147. 296 Vgl. Bald, Porzellanarbeiterschaft, S. 107–132; Trübsbach, Sozialgeschichte, S. 615–617. 297 Vgl. Bald, Porzellanarbeiterschaft, S. 113, 127, 240. 298 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 25. 9.1920, StABa, K 87, Nr. 99. 299 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 25. 9.1920, StABa, K 87, Nr. 99; Bericht der Polizeiinspektion Bamberg v. 23. 6.1925, StABa, K 5, Nr. 5174. 300 Besprechung im Staatsministerium des Inneren über Sicherheitsmaßnahmen v. 2. 8.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 1. 301 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 15. 3.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860. 302 Vgl. Bericht der Landespolizei Bayreuth an die Regierung von Oberfranken v. 8. 6.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 303 Vgl. Lagebericht v. 6. 2.1928, StAN, Rep. 218/9, Nr. 719; Die sozialdemokratischen Bestrebungen in Deutschland und die Entwicklung der Verhältnisse nach dem 2. Mai 1933. Stand von Ende Dezember 1934, BArch, R 58, Nr. 3333; Bericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an das Staatsministerium des Innern v. 26.11.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 4. 291
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
gehörte Bamberg zum Nürnberger Bezirk. 304 Folglich spielten die Arbeiterfußballer Bambergs oft im Luitpoldhain gegen Mannschaften aus Johannis, Schniegling oder Zabo. 305 Über die sportlichen und parteipolitischen Strukturen hinaus verband die starke demokratisch-reformistische Komponente das Bamberger Arbeitermilieu mit Nürnberg. Essentiell dabei war in der Weimarer Republik das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, die Person Hermann Luppe und die Zusammenarbeit der SPD mit der DDP. 306 Beide Ortsgruppen des Reichsbanners arbeiteten daher eng zusammen. 307 Die Nürnberger Organisation stellte den Bambergern bei Veranstaltungen ihre Kapelle zur Verfügung und die Bamberger Mitglieder organisierten 1926 Sparmarken und einen Sonderzug nach Mittelfranken, um „an der Verfassungsfeier möglichst vollzählig vertreten“ 308 zu sein. 309 Außerdem trat man gemeinsam bei auswärtigen Festen wie der Stiftungsfeier des Reichsbanners Bayreuth 1925 auf. 310 So berichtete der Stadtkommissar von Bayreuth über das Treffen: „Nach der Rückkehr von der Gefallenenehrung haben sich auf der unteren Au die Nürnberger und Bamberger (etwa 150 Mann) abgetrennt und sind mit offener Fahne, Trommeln und Pfeifen zur Maxstraße marschiert. Der Zug wurde durch blaue und grüne Polizei gestellt und aufgelöst, die Fahnenträger wurden zur Einrollung der Fahne veranlaßt.“ 311
Diese Ausführung verdeutlichte die besondere schwarz-rot-goldene Verbindung zwischen Bamberg und Nürnberg. Dazu trug entscheidend Hermann Luppe bei, denn der „glühende Demokrat und Republikaner“ 312 trat in Bamberg nicht nur als DDP-Politiker auf, sondern auch als Referent auf links-liberalen Veranstaltungen wie Reichsbannertagen oder Verfassungsfeiern. 313 Mit seiner stark antimonarchischen Einstellung, seiner erfolgreichen Zusammenarbeit mit der SPD in der Kommunalpolitik und seinem Kampf gegen den Antisemitismus von Julius Streicher bot Luppe viele Anknüpfungspunkte für das Bamberger Arbeitermilieu. 314 Als auf einer rechten Versammlung 1925 in Bamberg Julius Streicher gegen Hermann Luppe und die Juden hetzte, war es bemerkenswerterweise der KPD-Führer Otto Geyer, der ihm im Namen der Arbeiterschaft entgegentrat. 315 Beide linken Parteien in Bamberg waren schließlich durch jüdische Mitglieder wie Max Früh und Willy Aron (beide SPD) oder Wilhelm Hellmann (KPD) geprägt. 316 Letzterer stellte sich auf Versammlungen selbst als „proletarischer Jude“ 317 vor und betonte damit, dass israelitischer Glaube und Sozialismus für ihn zusammengehörten. 318 Insbesondere die SPD entwickelte sich seit 1919 in Bamberg zur Fürsprecherin der jüdischen Mitbürger und trat dem Antisemitismus entschieden entgegen. 319 Diese Haltung wiederum verband sie auch
Vgl. Nordbayerischer Wanderer v. 1./2.1922, Nr. 1/2; ATSB-Vereinsverzeichnis Deutsches Reich und Österreich, AdsD, 4/ATSB, Nr. 56. Vgl. FS v. 1. 9.1925, Nr. 198; FS v. 3. 5.1930, Nr. 100; FS v. 17.10.1930, Nr. 239. 306 Vgl. Bericht des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; FS v. 2. 8.1926, Nr. 173; FS v. 1.10.1926, Nr. 225; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 8.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874; Hanschel, Luppe, S. 397–401. 307 Vgl. Bericht des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; FS v. 1. 7.1926, Nr. 146; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 308 FS v. 1. 7.1926, Nr. 146. 309 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22. 4.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 310 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bayreuth an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 6.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 311 Bericht des Stadtkommissars Bayreuth an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 8. 6.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 312 Hanschel, Luppe, S. 397. 313 Vgl. Bericht des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14.10.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867; Lagebericht v. 24. 9.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 686; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 8.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1874; Hanschel, Luppe, S. 400 f. 314 Vgl. Hanschel, Luppe, S. 190–228, 397. 315 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860. 316 Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Entschädigungsakte Max Früh, 24.1.1874, BayHStA, MF, LEA, Nr. 1088; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/ 1967, Nr. 4854. 317 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 318 Vgl. Butzlaff, Wurzeln, S. 203–212. 319 Vgl. FS v. 19. 9.1919, Nr. 134; FS v. 8. 6.1920, Nr. 129; FS v. 3. 5.1921, Nr. 101. 304 305
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Charakteristika und Kooperation des sozialistischen Milieus
mit den Demokraten, die in Bamberg ebenso israelitische Verbindungen aufwiesen und für die religiöse Toleranz eintraten. 320 Im Stadtrat engagierten sich Johann Steitz (SPD) und Dr. Josef Werner (DDP) oftmals gemeinsam gegen den Judenhass in der Stadt wie beispielsweise 1919: „Bürgermeister Steitz führt aus, daß auch heute morgen wieder antisemitische Flugblätter angeschlagen waren. Es sei nicht genug zu verwerfen, wie infam von dieser Seite gearbeitet wird. Es sei unbedingt nötig, daß von Seiten der Polizei bei ihren nächtlichen Patrouillengängen den Plakattafeln erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet werde. Es muß versucht werden, ein solches Subjekt bei seiner Tätigkeit abzufassen, um hinter die Drahtzieher zu kommen. Justizrat Werner dankte und hob hervor, daß die Bamberger Judenbevölkerung wirklich noch keinen Anlaß gegeben habe, um solch aufreizende Flugblätter gegen sie loszulassen. Es ist klar, daß hinter dieser Bande niemand anders, als die nackte Reaktion steh’, wie Bürgermeister Steitz ganz richtig bemerkte.“ 321
1923 wiederum brachte Dr. Werner einen Antrag gegen die antisemitische Hetze ein und wurde daraufhin durch Johann Steitz unterstützt: „Von [sic] Eintritt in die Tagesordnung stellte Stadtrat Geheimrat Dr. Werner folgende Anfrage: Billigt es der Stadtrat und will er es auch fernerhin dulden, dass in den Strassen der Stadt aufreizende antisemitische Lieder gesungen werden, durch die zu Gewalttätigkeiten gegen die jüdischen Einwohner der Stadt aufgefordert und diese in beschämender Weise verhöhnt und beleidigt werden? Er begründete dieselbe näher und bat den Stadtrat nicht nur diese Vorkommnisse zu missbilligen, sondern auch die Polizei anzuweisen, mit aller Ent-
schiedenheit gegen solche Ausschreitungen vorzugehen und Ruhe u. Ordnung in der Stadt aufrecht zu erhalten. […] Die im Verlauf der Debatte von Bürgermeister Steitz erhobenen Vorwürfe gegen die Polizei, wonach diese einseitig vorgehe, wurden vom Oberbürgermeister und dem Polizeireferenten als völlig unbegründet zurückgewiesen.“ 322
Der Kampf gegen den Antisemitismus bildete folglich nicht nur eine Gemeinsamkeit mit der DDPNürnberg, sondern er war ein wichtiges Merkmal des sozialistischen Milieus in Bamberg und der links-liberalen Zusammenarbeit. Diese erstreckte sich darüber hinaus auf die Durchsetzung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen und Symbole, auf die Abwehr antirepublikanischer Tendenzen und das gemeinsame Eintreten für die Weimarer Republik. 323 In der Gesellschaft und Verwaltung Bambergs ging es dabei um die Gleichberechtigung und Anerkennung von Organisationen, die nicht katholisch, bürgerlich oder national waren. 324 Der Pluralismus Bambergs wurde von roten und republikanischen Vertretern gemeinsam eingefordert, wie zum Beispiel die Diskussion um den Einsatz des Arbeiter-Samariter-Bundes im Theater zeigte. 325 Seit der Einstellung der Neuesten Nachrichten 1923 fungierte der Freistaat auch als Presseorgan der Linksliberalen, sodass die Kooperation zwischen den Ortsgruppen der Sozialdemokratie und den Demokraten weiter ausgebaut wurde. 326 Öffentliche Vorträge mit dem Rechtsanwalt Dr. Thomas Dehler, Wählerversammlungen mit Justizrat Dr. Josef Werner und eine Tagung des Reichsbundes deutscher demokratischer Jugend wurden in der SPD-Zeitung angepriesen. 327 Als Konsequenz besuchten Sozialdemokraten liberale Veranstaltungen und Demokraten fanden sich bei sozialistischen Vorträgen ein, sodass ein reger Austausch praktiziert wurde. 328 Dieser Kontakt in Bamberg war von
Vgl. FS v. 19. 9.1919, Nr. 134; Stadtratsprotokoll v. 17.10.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674; Ott, Gabriele: Thomas Dehler. Oberfränkische Köpfe. Hof 1985, S. 60–64. 321 FS v. 19. 9.1919, Nr. 134. 322 Stadtratsprotokoll v. 17.10.1923, StadtABa, C 1, Nr. 674. 323 Vgl. FS v. 1. 7.1922, Nr. 148; Sonderbericht der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth v. 25. 9.1924, BayHStA, MA, Nr. 101.236; FS v. 1. 8.1925, Nr. 173; FS v. 27.1.1927, Nr. 21; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 324 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 325 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 20.10.1926, StadtABa, C 1, Nr. 676. 326 Vgl. FS v. 1.12.1924, Nr. 278; FS v. 10. 3.1926, Nr. 57; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 29. 9.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Die wirtschaftliche Notlage der Presse, StABa, K 3/1967, Nr. 2170. 327 Vgl. FS v. 1.12.1924, Nr. 278; FS v. 10. 3.1926, Nr. 57; FS v. 1.10.1926, Nr. 225. 328 Vgl. FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 320
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
der liberalen Mitte bis zur extremen Linken offen und durchlässig, das Zusammenspiel reichte teilweise von der DDP über die SPD bis zur KPD, Parteigrenzen und ideologische Trennwände wurden mitunter ignoriert oder überwunden. 329 Die Mittelstadt Bamberg mit ihrem moderaten Arbeitermilieu bot dafür die nötige Flexibilität. Als 1931 die Freunde der Sowjetunion zu einem Vortrag einluden, nahmen neben KPD-Mitgliedern wie Alex Barth und Josef Dietz auch der Sozialdemokrat Wilhelm Aron und das Ehepaar Irma und Thomas Dehler von den Demokraten teil. 330 Eine starke Klammer und Basis für die Offenheit des sozialistischen Milieus boten die integrierten Akademiker und insbesondere die Juristen in Bamberg. 331 In jeder der drei Parteien DDP, SPD und KPD hatten Rechtsgelehrte führende Stellungen inne und gestalteten das politische Leben entscheidend mit: Thomas Dehler für die Demokraten, Wilhelm Aron für die SPD und Josef Dietz für die KPD. 332 Darüber hinaus spielten auch Lehrer eine wichtige Rolle: Georg Waller und Karl Kellner wirkten für die Sozialdemokratie, Marie Stuiber und Franz Xaver Schäfer für die Demokraten. 333 Sie alle waren für den Bamberger Stadtrat als Ersatzpersonen ihrer Parteien eingetragen oder wie Georg Waller sogar als Mandatsträger gewählt und waren folglich bereit, Verantwortung zu übernehmen. 334 Unter den Kommunisten fand sich auch die Lehrerin Irene Neubauer, die aus Bamberg stammte, doch während der Weimarer Republik vor allem in Regensburg und München lebte. 335 Inwieweit sie sich auch in Bamberg engagierte, ist nicht überliefert. Zu den Intellektuellen zählten außerdem aus
dem Kreis der freien Berufe die Bildhauer Anton Riel (KPD) und Nikolaus Winterstein (SPD), der Maler Albin Schmitt (KPD) und der Architekt Wilhelm Zimmer (KPD). 336 Sie hatten Anteil daran, dass die demokratisch-sozialistisch-marxistischen Beziehungen in Bamberg selbst in den 1930er Jahren nicht völlig abrissen und das Vertrauen untereinander nicht zerstört wurde. Somit konnten pragmatische und rationale Anschauungen ideologische Gräben überwinden und Brücken geschlagen werden, die andernorts nie möglich gewesen waren. 337 Die Stabilität der Konstruktion bedingte sich durch die zentrale und starke Position der SPD, die unter den drei Parteien klar dominierte und die Mittelstellung einnahm. Zudem zeigte sich die KPDBamberg kooperativer und toleranter als es die offizielle Parteilinie vorsah, wenn es um die Zusammenarbeit mit der SPD ging. 338 Begünstigend wirkte die Tatsache, dass die soziale Kluft gering ausgeprägt war und nicht ein Fabrikarbeiterproletariat in den Arbeiterparteien vorherrschte, sondern eine Mischung insbesondere aus Handwerkern, gelernten Facharbeitern, Angestellten und freien Berufen bestand. All diese Aspekte führten dazu, dass das sozialistische Milieu in Bamberg eine eigenständige, aber auch eigenwillige Linie in der Weimarer Republik entwickeln und leben konnte. Durch die geringe Ausformung des Milieus im Kaiserreich und den folglich verspäteten Aufbau war die Arbeiterbewegung Bambergs verhältnismäßig unbelastet, frei und wendig in der Gestaltung der Weimarer Republik. Dies zeigte sich bereits beim Kapp-LüttwitzPutsch im März 1920. 339 Während andernorts die
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 331 Vgl. NZA v. 22. 6.1931, Nr. 89; Weber, Reinhard: Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte in Bayern nach 1933. München 2006, S. 14–16. Die SPD versuchte die Akademiker auch organisatorisch zu erfassen. Diese Bemühungen waren jedoch wenig erfolgreich. Vgl. Walter, Franz: Sozialistische Akademiker- und Intellektuellenorganisationen in der Weimarer Republik (= Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur- und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 1). Bonn 1990. 332 Vgl. FS v. 7. 4.1924, Nr. 82; FS v. 10. 3.1926, Nr. 57; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Wengst, Dehler, S. 43–54; Dornheim/Schindler, Aron, S. 21–35; Schneider/ Schwarz/Schwarz, Rechtsanwälte, S. 111 f.; Weber, Schicksal, S. 14–16. 333 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa. 334 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa. 335 Vgl. Lagebericht v. 6. 5.1930, StAN, Rep. 218/9, Nr. 766; Neubauer, Irene, BArch, R 58, Nr. 3256. 336 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; NV v. 18.11.1926, Nr. 41; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 337 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 338 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 339 Vgl. Bericht der Regierung von Oberfranken v. 13. 3.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1900. 329
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Charakteristika und Kooperation des sozialistischen Milieus
Arbeiterparteien in den Streik traten oder demonstrierten, wartete man in Bamberg ab, wie sich die Ereignisse weiter entwickeln würden. 340 Am 14. März, einen Tag nach dem Aufruf zum reichsweiten Generalstreik, hieß es in einem Bericht: „In Bamberg haben Besprechungen mit den Parteiführern stattgefunden; bis Morgen [würde] […] nichts unternommen werden; es [würde] […] abgewartet, was Nürnberg beschließe; […].“ 341 Schließlich prallten die „Wogen“ 342 des Putsches und der Abwehr gänzlich an Bamberg ab und es blieb „alles ruhig“ 343. In Bamberg hatte man keine Notwendigkeit zum Eingreifen gesehen. Schon 1919 hatte man klar artikuliert, dass weder Revolution noch Umsturz ihren Ausgang in Bamberg nehmen würden und bei dieser Position blieb es auch in den folgenden Jahren. 344 Radikale Strömungen kamen nach Ansicht der Bamberger Arbeiterbewegung aus Nürnberg und Fürth, Hof und Schweinfurt, doch man sah sich selbst – trotz teils enger Kontakte zu diesen – an deren politisches Vorgehen und Haltung nicht gebunden. 345 Das Arbeitermilieu in Bamberg ging seinen eigenen Weg in der Weimarer Republik. Losgelöst von offiziellen Parteipositionen diskutierte man beispielsweise nach dem Mord an Karl Gareis 1921 die weitere Strategie. 346 Die Entscheidung zwischen Streik oder Kundgebung wurde nicht entlang der Parteilinien getroffen, sondern Teile der Sozialdemokraten hatten sogar eine radikalere Lösung bevorzugt als die Kommunisten. Schließlich einigte man sich auf eine gemeinsame öffentliche Demonstration. 347 Auch bei den Maifeiern Mitte der 1920er Jahre zeigte sich die Toleranz, als die beiden Arbeiterparteien gemeinsam aufmarschierten. 348 Dabei wurden beispielsweise 1927 so-
wohl rote als auch schwarz-rot-goldene Fahnen im Umzug mitgeführt. 349 Das Nebeneinander dieser beiden Symbole stellte innerhalb des sozialistischen Milieus kein Problem dar. So wies der amtliche Bericht zur Gründung des Reichsbanners SchwarzRot-Gold in Bamberg mit Verwunderung darauf hin, dass „in der Mitte des Saales eine große rote Fahne“ 350 dekoriert gewesen sei, ohne dass daran von den Versammelten Anstoß genommen worden wäre. Grotesk wurde die Situation in den Dreißigerjahren, als auf SPD-Versammlungen auswärtige Redner den Bamberger Kommunisten erklären mussten, dass ihre Aussagen nicht der offiziellen linksextremen Linie entsprächen. 351 Auf einer antifaschistischen Kundgebung der SPD im Dezember 1930 bekundeten die Diskussionsredner Otto Geyer (KPO) und Wilhelm Hellmann (KPD) mehr Zustimmung als Ablehnung gegenüber der Sozialdemokratie. 352 Daraufhin verwies der Landtagsabgeordnete Hans Dill (SPD) die beiden auf ihre vorgesehene Position gegen die SPD: „Der Hauptredner Dill hielt in seinem Schlusswort die zwei Kommunisten für politische Kinder und erklärte ihnen, dass sie in hohem Bogen aus der KPD hinausfliegen würden, wenn ihre sonderbaren Einstellungen bei der Bez.-Leitung bekannt werden sollten. Jedenfalls könnten sie das heute Erzählte in keiner KPD.-Versammlung wiedergeben. Übrigens haben die Kommunisten lediglich ihre Weisungen aus Moskau zubefolgen […].“ 353
Genau dieser Parteigehorsam entsprach aber nicht dem sozialistischen Milieu in Bamberg. Rot und Schwarz-Rot-Gold waren zwei Seiten einer Medail-
Vgl. Bericht der Regierung von Oberfranken v. 13. 3.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1900; Büttner, Weimar, S. 135–143. Bericht der Regierung von Oberfranken v. 13. 3.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1900; Büttner, Weimar, S. 135–143. 342 Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17. 4.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 343 Bericht der Regierung von Oberfranken v. 13. 3.1920, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1900; Büttner, Weimar, S. 135–143. 344 Vgl. FV v. 9.11.1918, Nr. 260; Bericht über die Mitgliederversammlung der USPD v. 29. 8.1919, StadtABa, C 2, Nr. 11960; Vernehmungsprotokoll von Josef Grosshauer v. 13. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 345 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 17. 4.1920, StABa, K 87, Nr. 95. 346 Vgl. Schreiben des Stadtrats Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 8.1921, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 347 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 15. 6.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 348 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 5.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 349 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1927, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 350 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1960. 351 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 352 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 353 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 340 341
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Die Spezifika des sozialistischen Milieus Bamberg in einer fragmentierten Gesellschaft
le, die beide ihre Berechtigung hatten und oftmals gut nebeneinander existieren konnten. Die Arbeiterbewegung Bambergs ließ sich nicht in ein starres Schema pressen, sie war sozialistisch und links, anpassungsfähig und flexibel, aber nicht extremistisch und radikal. Daher hielt man Distanz zu sozialistischen Utopien und marxistischen „Luftschlössern“,
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sondern lebte einen pragmatischen Politikstil, der sich mehr an den Möglichkeiten und Kräfteverhältnissen orientierte als an linken Doktrinen. Die Mitglieder der Bamberger Solidargemeinschaft waren rote „Zwiebeltreter“ mit ausgeprägtem Realitätssinn und fester Bodenhaftung und prägten dadurch ein individuelles sozialistisches Milieu aus.
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6 Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg 6.1 Die Entwicklung der NSDAP bis 1933 und ihre Frontstellung gegen das Arbeitermilieu Am 2. Juni 1923 berichtete das Bamberger Tagblatt unter der Überschrift „Die Nationalsozialisten in Bamberg“ 1 über die erste öffentliche Veranstaltung der lokalen Ortsgruppe der NSDAP: „Die Versammlung hatte einen Zulauf wie wohl keine politische vorher jemals in Bamberg.“ 2 Trotz der Übertreibung des Artikelschreibers zugunsten der neuen rechten Partei entsprach der große Zulauf 1923 durchaus den Tatsachen in Bamberg und mit mehreren tausend Besuchern war das Debüt der Hitlerpartei ein Erfolg für die gesamte nationalsozialistische Bewegung. 3 Selbst der Freistaat musste eingestehen, dass die Zuhörer „in sehr großer Anzahl […] aus allen Bevölkerungskreisen“ 4 erschienen waren. Von Anfang an zeigte sich somit, dass der Nationalsozialismus in Bamberg auf fruchtbaren Boden fiel und die Massen anzog. 5 Zwar war die Ortsgruppe erst verhältnismäßig spät, nämlich am 6. Mai 1923, gegründet worden, doch dies lag gerade nicht an der Schwäche der völkischen Bewegung, sondern – im Gegenteil – an ihrer Stärke. 6 Andere Organisationen hatten das antisemitische
und nationalistische Feld in Bamberg bereits besetzt: der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund, der Bund Bayern und Reich und der Bund Oberland. 7 So zog der Schutz- und Trutzbund bereits 1921 etwa 1.000 Anhänger bei Veranstaltungen in Bamberg an. 8 Am Oberfrankentag des Bundes Bayern und Reich Ende Mai 1923 nahmen 400 Bamberger in Lichtenfels teil. 9 Außerdem wurde im sozialdemokratischen Vorwärts in einem Bericht vom Oktober 1923 über die rechte Reaktion in Bayern und deren Rüstungen gegen das Reich Bamberg als „Basis der Truppen“ 10 bezeichnet und der Stadt „ein vollständig militärisches Bild“ 11 attestiert. Dies hing mit den engen Verbindungen des Bundes Oberland mit dem Reiterregiment 17 und der Landespolizei Bamberg zusammen. 12 Der frühere Rittmeister Dr. Robert Renz engagierte sich als einer der Führer des paramilitärischen Verbandes und daher konnten die Waffen in den Kasernen vor Ort gelagert werden. 13 Die NSDAP schaffte es folglich bis zum Herbst 1923 unter ihrem Leiter Heinrich Bauschen 14 aus
BT v. 2. 6.1923, Nr. 124. BT v. 2. 6.1923, Nr. 124. 3 Vgl. BT v. 2. 6.1923, Nr. 124; FS v. 5. 6.1923, Nr. 124; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1923, BayHStA, MA, Nr. 102.155/2. 4 FS v. 5. 6.1923, Nr. 124. 5 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 25–33. 6 Vgl. Bamberger Jahrbuch 1934, S. 12; Zehentmeier, Entwicklung, S. 25 f. 7 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Lichtenfels v. 30. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; Fichtl, Wirken, S. 19; Zehentmeier, Entwicklung, S. 26; Hübner, Christoph: Bund Oberland, 1921–1923/1925–1930. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: hhttp://www.historisches-lexikon-bayerns.de/ Lexikon/Bund Oberland, 1921–1923/1925–1930i (13. 4. 2018). 8 Vgl. Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 19. 2.1921, StABa, K 87, Nr. 100. 9 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Lichtenfels v. 30. 5.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; Fenske, Hans: Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918. Bad Homburg 1969, S. 172–174. 10 Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratie Deutschlands. Morgenausgabe v. 30.10.1923, Nr. 507, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 4. 11 Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratie Deutschlands. Morgenausgabe v. 30.10.1923, Nr. 507, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1896, Bd. 4. 12 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Stadtrat v. 26.11.1923, StABa, K 5, Nr. 5238; Schreiben der Landespolizei Bamberg an den Stadtkommissar Bamberg v. 6.12.1923, StABa, K 5, Nr. 5238. 13 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Stadtrat v. 26.11.1923, StABa, K 5, Nr. 5238; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa. 14 Der Werkmeister Heinrich Bauschen (1893–1929) kam als Flüchtling aus dem Ruhrgebiet im Mai 1923 nach Bamberg. Er baute die NSDAP-Ortsgruppe in Bamberg auf und leitete diese bis Sommer 1924. Danach kehrte er ins Ruhrgebiet zurück und wurde Ortsgruppenleiter von Duisburg. Dort 1
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Duisburg mithilfe von monatlichen Versammlungen und durch „eine rege Werbetätigkeit“ 15 in Bamberg Fuß zu fassen. 16 Dieser rasante Aufstieg kulminierte im Oktober 1923 in den sogenannten „Deutschen Tagen“ in der Regnitzstadt, an denen sämtliche vaterländische Verbände teilnahmen und Hitler erstmals in Bamberg auftrat. 17 Einen Monat später führte der Hitlerputsch zu Unruhen und „ungeahnten Kundgebungen eines grossen Teiles der Bamberger Bevölkerung“, 18 die erst am 11. und 12. November ihren Höhepunkt erreichten. 19 Nur „unter Aufbietung der gesamten blauen, der anwesenden grünen Polizei und eines Teiles des Reiterregiments gegen die nicht weichende Menge“ 20 gelang es schließlich, die Lage wieder zu beruhigen. Mit Nachdruck wies der Stadtkommissar darauf hin, dass ein Großteil der Einwohner Hitler und den Umsturz unterstützt hätte. 21 Entscheidenden Einfluss hatte daran der Arzt Dr. Dietrich Amende vom Bund Oberland, der noch am 12. November eine große Demonstration gegen Generalstaatskommissar von Kahr und Oberbürgermeister Wächter auf dem Maxplatz initiiert hatte. 22 Im Anschluss an die Verbote der am Putsch beteiligten Parteien und Verbände, wie der NSDAP und dem
Bund Oberland, sprießten in Bamberg 1924 eine Vielzahl an Tarn- und Nachfolgeorganisationen aus dem Boden: die Deutsche Arbeiterpartei, der Hubertusring, der Fränkische Schützen- und Wanderverein, der Frontkriegerbund, der Völkische Arbeitsblock und die Großdeutsche Volksgemeinschaft. 23 Rittmeister Renz agierte nun als Führer des Hubertusrings anstelle des Bundes Oberland und veranstaltete „Wanderungen“ 24, die in Wirklichkeit militärische Übungen darstellten. 25 Der frühere NSDAP-Führer Heinrich Bauschen leitete den Völkischen Arbeitsblock und positionierte sich somit gegen die Deutsche Arbeiterpartei von Julius Streicher aus Nürnberg. 26 Schließlich geriet Bauschen jedoch in Kritik und in den Verdacht, sich persönlich bereichert zu haben, sodass er den Rückhalt verlor, Bamberg verließ und im Sommer 1924 nach Duisburg zurückkehrte. 27 Daraufhin war in Bamberg der Weg frei für die Einflussnahme von Julius Streicher, der mithilfe des neuen Ortsgruppenleiters Lorenz Zahneisen die nationalsozialistische Bewegung unter dem Namen Großdeutsche Volksgemeinschaft dominierte und steuerte. 28 Bamberg entwickelte sich dadurch neben Nürnberg zu einer der „Hochburgen der völkischen Bewegung“ 29.
starb Heinrich Bauschen am 21. Oktober 1929 bei politischen Kämpfen und wurde fortan als Märtyrer der nationalsozialistischen Bewegung verehrt. Vgl. Bamberger Jahrbuch 1934, S. 12–15; Hambrecht, Aufstieg, S. 447; Zehentmeier, Entwicklung, S. 26–31. 15 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 31. 8.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 16 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 31. 8.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 8.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 9.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 17 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg I v. 13.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Zehentmeier, Entwicklung, S. 26 f.; Thoß, Deutscher Tag. Fälschlicherweise datiert Bruno Thoß die „Deutschen Tage“ in Bamberg auf den 20. Oktober, dabei fanden diese vom 5. bis 7. Oktober 1923 statt. In der späteren Bamberger NS-Publizistik wurde die Veranstaltung aufgewertet, indem man nicht mehr von den „Deutschen Tagen“, sondern von der „Deutschen Woche“ sprach, ein Terminus der sich jedoch nicht in den zeitgenössischen Berichten findet. Vgl. Bamberger Jahrbuch 1934, S. 13. 18 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 19 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; FS v. 13.11.1923, Nr. 255; Hambrecht, Aufstieg, S. 55–58. 20 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 21 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 22 Vgl. FS v. 13.11.1923, Nr. 255; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13.1.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856. 23 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13.1.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg I v. 14. 7.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857; Lagebericht v. 3. 6.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 6.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857; Lagebericht v. 20. 9.1924, StAN, Rep. 218/9, Nr. 365; Schreiben der Staatsanwaltschaft für den Landgerichtsbezirk Bamberg an das Oberlandesgericht Bamberg v. 16. 5.1924, BayHStA, MJu, Nr. 13207; Zehentmeier, Entwicklung, S. 27; Hambrecht, Aufstieg, S. 59–84. 24 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 6.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857. 25 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 6.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1857. 26 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14. 3.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1856; Hambrecht, Aufstieg, S. 69 f. 27 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 30 f.; Hambrecht, Aufstieg, S. 69 f., 447; Bald, Braun, S. 84. 28 Vgl. Nürnberger Beobachter v. 17. 9.1924, StAN, NS-Mischbestand Rep. 503, Sammlung Streicher (künftig: StAN, Rep. 503), Nr. 113; Personalien Lorenz Zahneisen, BArch, Z, ZD I 4323. Bamberger Jahrbuch 1935, Bd. 8. Bamberg 1935, S. 14; Zehentmeier, Entwicklung, S. 30 f. 29 Hambrecht, Aufstieg, S. 69.
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Die Entwicklung der NSDAP bis 1933 und ihre Frontstellung gegen das Arbeitermilieu
In einem Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II wurde im Dezember 1924 vermerkt: „Das häufige Auftreten der Großdeutschen Volksgemeinschaft in Bamberg läßt ersehen, daß die Nationalsozialisten die hiesige Stadt immer noch als einen Hauptstützpunkt für ihre Bestrebungen betrachten.“ 30
Daher traten viele bekannte nationalsozialistische Redner in Bamberg auf. Julius Streicher sprach im September 1924 über den „Volksverrat im Reichstag“ 31 und Hermann Esser 32 aus München hielt die Festrede zur Weihnachtsfeier. 33 Im Januar 1925 erschienen beide erneut zu Auftritten in der Regnitzstadt und sicherten durch ihre kontinuierliche Präsenz die Aufmerksamkeit für die Hitlerbewegung und ihren Ausbau: „Wenn in Bamberg einer der extremen Nationalsozialisten Julius Streicher und Hermann Esser bei Parteiveranstaltungen als Redner angekündigt wird, so ist der Andrang der Parteifreunde und -gegner sowie der Neugierigen immer sehr groß und sind die Versammlungslokale regelmäßig überfüllt. So war es auch bei der auf den 12. ds. Mts. [d. h. Januar 1925] in den Großen Zentralsaal dahier einberufenen Versammlung der Großdeutschen Volksgemeinschaft, die schon kurz vor ihrem Beginn wegen des ungeheuer starken Besuchs polizeilich abgesperrt werden mußte.“ 34
Lorenz Zahneisen hielt sich hingegen während der Verbotszeit der NSDAP in der Öffentlichkeit zurück. Erst nach der Neugründung der Partei am
27. Februar 1925 trat er vermehrt bei Veranstaltungen in Erscheinung. 35 Dies lag vermutlich daran, dass er als Ortsgruppenführer noch umstritten und in seinem Amt nicht gefestigt war. 36 Ein Brief an die NSDAP-Geschäftsstelle in München vom Juli 1925 macht dies deutlich. Damals schrieb Luise Birklein, die spätere Leiterin des NS-Frauenbundes in Bamberg, dass sie zwar Mitglied der NSDAP werden möchte, nicht jedoch der Ortsgruppe von Lorenz Zahneisen unterstellt werden möchte: „So lange Zahneisen hier Führer ist, […] würde ich unter keinen Umständen der Ortsgruppe zugehören […]. Einem Führer müßte man doch immer Mitteilung machen können im Interesse der Bewegung, dazu müßte man sogar verpflichtet sich fühlen, ohne daß der es den Betreffenden klatscht. Alle vernünftig Denkenden stimmen mir zu, sogar politische Gegner. Da sollte doch schon einmal entschieden vorgegangen werden, denn ich kenne viele tüchtige Männer die sagen unter den derzeitigen Zuständen hier würden sie nie in die Bewegung eintreten.“ 37
Aus diesen Zeilen kann man schließen, dass Lorenz Zahneisen das Vertrauen der Verfasserin verspielt hatte und sie gerne eine andere Person an der Spitze gesehen hätte. 38 In welcher Form der persönliche Konflikt letztendlich beseitigt wurde, ist nicht bekannt. Allerdings fand man in München formal die Lösung, dass Luise Birklein Einzelmitglied der NSDAP ohne eine zugehörige Ortsgruppe wurde und sie ihre Beiträge direkt an die Geschäftsstelle übermittelte. 39 Darüber hinaus offenbarte der Fall, dass das starke Engagement von Julius Streicher in
Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30.12.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859. Nürnberger Beobachter v. 17. 9.1924, StAN, Rep. 503, Nr. 113. 32 Hermann Esser (1900–1981) trat 1919 der Deutschen Arbeiterpartei bei und war seit 1920 als Schriftleiter des „Völkischen Beobachters“ tätig. 1923 bis 1925 war er Propagandaleiter der NSDAP, beteiligte sich am Hitlerputsch und leitete anschließend die Großdeutsche Volksgemeinschaft. Für Hitler war er einer der frühen und treuen Weggefährten. Seit 1929 war er Stadtrat in München und 1932 wurde er Landtagsabgeordneter der NSDAP. Während der NS-Zeit war er 1934/35 Wirtschaftsminister in Bayern, ab 1939 Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Bei der Entnazifizierung wurde er zunächst als „Mitläufer“ eingestuft, jedoch 1949 als „Hauptschuldiger“ zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt. Vgl. Götschmann/Henker, Geschichte. 33 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.12.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859. 34 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860; vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860. 35 Vgl. BT v. 26. 3.1925, Nr. 70; Lagebericht v. 16.10.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 688; Hambrecht, Aufstieg, S. 86–88. 36 Vgl. Schreiben von Luise Birklein an die NSDAP-München v. 8. 7.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Bamberger Jahrbuch 1935, S. 12. 37 Schreiben von Luise Birklein an die NSDAP-München v. 8. 7.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348. 38 Vgl. Schreiben von Luise Birklein an die NSDAP-München v. 8. 7.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348. 39 Vgl. Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an Luise Birklein v. 1. 7.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an Luise Birklein v. 14.7.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348. 30 31
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Bamberg auch deshalb nötig war, da Lorenz Zahneisen selbst noch zu schwach war. Beide scheinen zunächst von dem Arrangement profitiert zu haben: Julius Streicher konnte seinen Status als „Frankenführer“ etablieren und Lorenz Zahneisen im Schatten von Streicher seine Stellung als Ortsgruppenleiter konsolidieren. 40 Eine wichtige Mittlerrolle zwischen Streicher und Zahneisen nahm in dieser Zeit der Fabrikant Richard Stock ein, der 1925/26 als Schriftführer der NSDAP-Bamberg fungierte, die Geschäfte der Ortsgruppe erledigte und zu den engen Gefährten von Streicher zählte. 41 All diese Faktoren trugen dazu bei, dass Bamberg in den Jahren zwischen 1924 und 1926 besondere Bedeutung für die nationalsozialistische Bewegung erlangte. 42 Nicht nur Franken hatte eine „Brückenfunktion“ 43 für die Ausbreitung der NSDAP von Süd- nach Norddeutschland, sondern speziell Bamberg bildete als loyale und aufstrebende Ortsgruppe ein wichtiges Scharnier für katholische Regionen. Die NSDAP konnte hier zeigen, dass sie sich auch im schwarzen Franken gegen die BVP durchsetzen konnte. 44 Der Aufstieg wurde vor allem durch den Mitgliederzuwachs dokumentiert. 1925 sandte Richard Stock teilweise täglich Neuanmeldungen und Aufnahmegebühren nach München oder forderte neue Zahlkarten und Erklärungsformulare zum Parteieintritt an. 45 Ende 1925 zählte die Ortsgruppe folglich schon 173 Mitglieder. 46 Außerdem verfügte man bereits über einen eigenen, vermutlich selbstgestalteten, Briefkopf, bei dem der
Adler das Hakenkreuz im Schnabel trug und es im Flug zwischen die Lettern „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Ortsgruppe Bamberg“ setzte. 47 Adolf Hitler selbst erschien 1925 mehrmals auf Einladung in Bamberg. 48 Diese Auftritte forderte Richard Stock mitunter massiv in München ein, so beispielsweise zur Weihnachtsfeier 1925: „Ich habe ihn [Adolf Hitler] in meinem Schreiben nochmals eindringlich ersucht am Samstag zu erscheinen. Wollen Sie bitte auch noch mündlich Ihren Teil beitragen. […] Also Herrn Hitler fest bearbeiten! […] Herr Esser ist sehr dafür, daß Hitler nach Bamberg geht. […] Herr Hitler u. die andern Führer werden für sich u. die Bewegung im Falle ‚Hitlers Erscheinen‘ Geschenke erhalten. Also nochmals: Alles versuchen!“ 49
Die „Krönung“ des Aufstiegs der NSDAP erfolgte im Februar 1926, als Hitler die Stadt zum Ort einer Reichstagung wählte und dort die Unabänderlichkeit des Parteiprogramms bekannt gab. 50 Auf dieser sogenannten Bamberger Führertagung demonstrierten Hitler und Streicher ihre Macht in Süddeutschland und erzielten die Versöhnung mit der norddeutschen Arbeitsgemeinschaft Nord-West um Gregor Strasser und Joseph Goebbels. 51 Die Ortsgruppe der NSDAP in Bamberg wurde durch das Treffen hervorgehoben und aufgewertet. Anschließend gab sie ab März 1926 eine eigene Wochenzeitung Die Flamme heraus. 52
Vgl. Greif, Wallfahrt, S. 92–113. Vgl. Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 14. 5.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 18. 6.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 22.12.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Bamberger Jahrbuch 1935, S. 9–16; FS v. 4.12.1924, Nr. 281; Strauss, Programmatik, S. 337. 42 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 95. 43 Hambrecht, Aufstieg, S. 95. 44 Vgl. Artikel zum Auftritt von Julius Streicher am 17. 9.1924, StAN, Rep. 503, Nr. 113; Nürnberger Beobachter v. 17. 9. 1924, StAN, Rep. 503, Nr. 113. 45 Vgl. Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 8. 8.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 14. 8.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 22. 9.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 23. 9.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 22.12.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348. 46 Vgl. Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 22.12.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Strauss, Programmatik, S. 337. 47 Vgl. Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 15.12.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348. 48 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 1. 8.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1862; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29. 8.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1862; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 28.12.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1862; Zehentmeier, Entwicklung, S. 43–45; Fest, Hitler, S. 338. 49 Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 15.12.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348. 50 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 17. 2.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 537; Zehentmeier, Entwicklung, S. 46; Hambrecht, Aufstieg, S. 95; Strauss, Programmatik, S. 337–344. 51 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 46; Strauss, Programmatik, S. 327–344; Hambrecht, Aufstieg, S. 95; Fest, Hitler, S. 338. 52 Vgl. Die Flamme v. 9. 3.1926, Nr. 1; Kieszkowska, Flamme, S. 41 f.; Frei, Provinzpresse, S. 94 f., 111, 267; Zehentmeier, Entwicklung, S. 46–48. 40 41
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Die Entwicklung der NSDAP bis 1933 und ihre Frontstellung gegen das Arbeitermilieu
Dennoch konnte sie ihr Wachstum im Laufe des Jahres 1926 nicht weiter fortsetzen und büßte ihre Vorzeigerolle innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung ein. 53 Die Krise war durch eine Vielzahl von Gründen verursacht worden. So hatte sich die Ortsgruppe durch ihr gestiegenes Selbstbewusstsein wohl selbst überschätzt und finanziell übernommen. 54 Hatte man noch im Februar 1926 bei der Führertagung eine freiwillige Spende an die Geschäftsleitung übergeben, so konnte man im Juli den „Verpflichtungen der Mitgliederbeiträge nicht nachkommen“, 55 verzeichnete Defizite bei Veranstaltungen und Versammlungen und bat in München um einen Aufschub der fälligen Zahlungen. 56 260 Reichsmark Schulden bescheinigte die Parteizentrale im Sommer 1926 den Bamberger Nationalsozialisten. 57 Besuchten beispielsweise im Januar 1926 etwa 700 Personen eine öffentliche NSDAPVersammlung, so kamen im Juli desselben Jahres nur 250 Zuhörer und ein Jahr später erschienen lediglich noch 70 Anhänger. 58 Folglich verlor auch Die Flamme ihre Eigenständigkeit und wurde an die Würzburger Zeitung Die Sturmfahne angegliedert. 59 Der Auslöser für den Niedergang war aber vor allem der Werdegang und der Machtverlust von Julius Streicher. 60 Dieser musste im Sommer 1926
eine mehrmonatige Gefängnisstrafe wegen des Tatbestandes der üblen Nachrede antreten und stand daher nicht als Redner für Kundgebungen mit Skandalcharakter zur Verfügung. 61 Noch während seines Haftaufenthaltes begann ein erneuter Prozess gegen Streicher: Dieses Mal hatte der Stadtrat Bamberg Anzeige aufgrund zweier verleumderischer Artikel im Stürmer erstattet. 62 Zwar setzte die Bamberger NSDAP Hoffnung auf die Verhandlungen, da sich somit „aller Augen auf die Nationalsozialisten richten“ 63 würden und „der Ausgang des Prozesses für unsere Bewegung einen grossen Erfolg bringen“ 64 würde, doch trotz des Freispruchs von Streicher litt das Ansehen und die Akzeptanz der Hitlerbewegung in der Regnitzstadt. 65 Dazu trugen auch Die Flamme und der örtliche NSDAP-Stadtrat Friedrich Harth bei. 66 In einem offenen Brief an den Stadtrat erhob Harth Vorwürfe wegen falscher Berichterstattung gegen Bürgermeister Weegmann und den Rechtsrat Dr. Ferdinand Stumpf. 67 Diese wehrten sich und strengten sowohl ein Disziplinarverfahren als auch einen Prozess wegen Beamtenbeleidigung an. 68 Harth wurde zunächst vom Stadtrat suspendiert und letztendlich offiziell aus dem Gremium ausgeschlossen. 69 Die NSDAP verlor somit einen ihrer beiden gewählten Stadträte und diskreditierte sich selbst. 70 Durch die Absenz von Strei-
Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 48–60. Vgl. Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 16. 2.1925, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 12. 7.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAPBamberg v. 15. 7.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348. 55 Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 12. 7.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348. 56 Vgl. Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 12. 7.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348. 57 Vgl. Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 15.7.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348. 58 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.1.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1864; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31. 7.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1866; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 7.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1870; Hambrecht, Aufstieg, S. 104. 59 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 47 f. 60 Vgl. Greif, Wallfahrt, S. 92 f.; Zehentmeier, Entwicklung, S. 48–62. 61 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 17. 2. 1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 537; Roos, Streicher, S. 172 f.; Zehentmeier, Entwicklung, S. 48 f. 62 Vgl. FS v. 2.11.1925, Nr. 251; Roos, Streicher, S. 173 f.; Zehentmeier, Entwicklung, S. 49–52. 63 Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 1. 9.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348. 64 Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 1. 9.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348. 65 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 49–52; Roos, Streicher, S. 173 f. 66 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 4. 5.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 7.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1870; Zehentmeier, Entwicklung, S. 54–56. 67 Vgl. Die Flamme v. 11.1926, Nr. 36. 68 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 4. 5.1927, StadtABa, C 1, Nr. 681; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 13. 7.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1870; Zehentmeier, Entwicklung, S. 54–56. 69 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 5.11.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690; Zehentmeier, Entwicklung, S. 54–56. 70 Als NSDAP-Stadtrat verblieb der Werkmeister Christof Zahneisen, der Vater von Lorenz Zahneisen. Vgl. Stadtratsprotokoll v. 5.11.1929, StadtABa, C 1, Nr. 690; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Zehentmeier, Entwicklung, S. 32, 54–56. 53
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg
cher 1926 kam es außerdem zu Unstimmigkeiten mit der NSDAP in Nürnberg und der Reichsleitung wegen der eigenmächtigen Bamberger Veranstaltung einer Tagung für Nordbayern. 71 Zusätzlich beherrschten interne Konflikte die nationalsozialistische Tätigkeit vor Ort: Richard Stock beschuldigte den Kassier Karl Hartenfels aufgrund seiner Gutmütigkeit dem Posten nicht gewachsen zu sein. 72 In dieser Krisenzeit konnte sich eine Person behaupten und die persönliche Macht ausbauen: Lorenz Zahneisen. Er behielt die Oberhand und meldete am 29. Oktober 1926 die Absetzung sowohl von Richard Stock (Schriftführer) als auch von Karl Hartenfels (Kassier) und betraute fortan den Kaufmann Hans Schmitt und den Steuerassistenten Leopold Felber mit den Ämtern. 73 Damit wechselte Zahneisen die Führungsriege aus, beseitigte den Konkurrenten Stock und löste sich von der Dominanz Julius Streichers zu einem Zeitpunkt, als dieser wegen seiner Gefängnisstrafe nicht eingreifen konnte. In ähnlicher Weise nutzte auch Hans Schemm 74 das durch die Abwesenheit von Streicher aufgetretene Machtvakuum, trat erstmals im November 1926 in Bamberg auf und beanspruchte mehr und mehr Oberfranken mit Zentrum Bayreuth als seine Einflusssphäre.75 Den Prozess der Entmachtung Streichers im nördlichen Franken besiegelte zwei Jahre später Hitler durch die Teilung des Gaus Nordbayern: Hans Schemm wurde Gauleiter von Oberfranken, Dr. Otto Hellmuth war für Unterfranken verantwortlich und Julius Streicher wurde mit dem Untergau Nürnberg-Fürth bzw. dem Gau Mittelfranken betraut und damit deutlich
abgestuft. 76 Seine letzte öffentliche Rede hielt Julius Streicher am 13. Mai 1927 in Bamberg, damit endete seine Einflussnahme. 77 Sein Nachfolger Hans Schemm setzte hingegen andere Schwerpunkte und trat nur äußerst selten in Bamberg auf. 78 Dies hatte zur Folge, dass Bambergs Bedeutung in Bezug auf die NSDAP hinter Bayreuth und Coburg zurücktrat und ab 1928 nur langsam eine Konsolidierung der Ortsgruppe unter der kontinuierlichen Führung von Lorenz Zahneisen eintrat. Dieser stieg unter Schemm zum Bezirksführer aufstieg. 79 Die Stabilisierung der NSDAP-Bamberg zeigte sich darin, dass Adolf Hitler wieder nach Bamberg kam und in einer Wahlkampfveranstaltung am 29. April 1928 im Zentralsaal sprach. 80 Darüber hinaus fand im Juni 1929 der Gauparteitag der NSDAP-Oberfranken in Bamberg mit 1.000 Teilnehmern statt. 81 Dabei wurde sichtbar, dass die öffentliche Stimmung gegenüber den Nationalsozialisten wieder wohlwollender war und sich „die Einwohnerschaft zahlreich beteiligte, bezw. als Zuschauer große Menschenmassen anwesend waren.“ 82 Dieser positive Trend für die NSDAP bestätigte sich in der Stadtratswahl im Dezember 1929, bei der die rechte Partei in Bamberg fünf der insgesamt dreißig Mandate erringen konnte. 83 Oberbürgermeister Weegmann versuchte daraufhin, die NSDAP in die Kommunalpolitik einzubinden und übertrug ihr Verantwortung durch Sitze in den beschließenden Ausschüssen. 84 Bei der Vergabe derselben wurde der unbedingte Führungsanspruch von Lorenz Zahneisen deutlich, denn er selbst vertrat die NSDAP in allen entscheidenden Gremien, nämlich
Vgl. Schreiben der NSDAP-Geschäftsführung München an die NSDAP-Bamberg v. 30. 8.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348. Vgl. Schreiben der NSDAP-Bamberg an die NSDAP-Geschäftsführung München v. 1. 9.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348; Schreiben von Lorenz Zahneisen an die NSDAP-Hauptgeschäftsstelle München v. 29.10.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348; Hambrecht, Aufstieg, S. 104 f. 73 Vgl. Schreiben von Lorenz Zahneisen an die NSDAP-Hauptgeschäftsstelle München v. 29.10.1926, BArch, NS 26, Nr. 2348. 74 Der Lehrer Hans Schemm (1891–1935) trat 1923 der NSDAP bei und wurde 1924 Ortsgruppenleiter der NSDAP in Bayreuth. 1928 bis 1930 gehörte er dem Bayerischen Landtag für die NSDAP an und wurde Gauleiter von Oberfranken, 1933 dann Gauleiter der neugebildeten Bayerischen Ostmark. Nach der Machtergreifung stieg er 1933 zum Staatsminister für Unterricht und Kultus auf. Am 5. März 1933 verunglückte er bei einem Flugzeugabsturz. Sein plötzlicher Unfalltod verstärkte die Rezeption und Bewertung seiner Person als anständiger und populärer NSDAP-Führer. Vgl. Götschmann/Henker, Geschichte; Kühnel, Schemm. 75 Vgl. Roos, Streicher, S. 178–183; Zehentmeier, Entwicklung, S. 54, 60–62. 76 Vgl. Roos, Streicher, S. 182; Bald, Braun, S. 39 f. 77 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 5.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1869. 78 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 62–67; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1929, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 79 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 62–70. 80 Vgl. FS v. 2. 5.1928, Nr. 100; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873; Hambrecht, Aufstieg, S. 130. 81 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 6.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1877. 82 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 6.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1877; vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 72. 83 Vgl. Kapitel 3.1.3 zu den Stadtrats- und Bürgermeisterwahlen; Zehentmeier, Entwicklung, S. 77–79. 84 Vgl. Bamberger Jahrbuch 1930, S. 69; Zehentmeier, Entwicklung, S. 82–86. 71
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Die Entwicklung der NSDAP bis 1933 und ihre Frontstellung gegen das Arbeitermilieu
im Verwaltungs-, Personal-, Wohnungs-, Sparkassen- und Werbesenat. 85 In der praktischen Arbeit im Stadtrat fiel die NSDAP in Bamberg nur selten durch Propagandaaktionen auf und verhielt sich meist zurückhaltend. 86 Zahneisen distanzierte sich von Skandalauftritten und praktizierte bewusst einen anderen Stil als Julius Streicher. 87 Er versuchte, bürgerliche Wähler nicht zu verschrecken und die Mitglieder anderer rechter Organisationen für den Nationalsozialismus zu gewinnen. 88 Dieser Führungsstil stieß in Bamberg auf Wohlwollen. So berichtete beispielsweise die Nordbayerische Volkszeitung 1929, dass sich die Zuhörerschaft einer NSDAP-Versammlung 1929 vor allem aus Militärpersonen sowie Klein- und Mittelbürgertum zusammensetzte. 89 Folglich ließen die Aktivitäten des Bundes Oberland ab 1927 drastisch nach, sodass dieser laut eines amtlichen Berichts im Dezember „keine besondere Rolle mehr“ 90 spielte. Die NSDAP hatte sich also erfolgreich in den völkischen und bürgerlichen Kreisen etabliert. 91 Gestärkt durch seine feste Stellung innerhalb der Stadt vergrößerte Zahneisen den persönlichen Wirkungskreis, indem er in zunehmendem Maße auch auswärts als Redner auftrat und die Gründung neuer Ortsgruppen organisierte, wie im Juni 1929 in Staffelstein: „Die Nationalsozialisten von Bamberg hielten am vergangenen Sonntag (9. 6.) in Staffelstein eine Werbeversammlung ab. Sie führten ihre eigene Musikkapelle mit sich und spielten vor Beginn der Versammlung vor dem Rathaus mehrere Märsche. Die Versammlung selbst war gut besucht. Als Redner trat Zahneisen – Bamberg – auf. In längeren Ausführungen legte er die bekannten nationalsozialisti-
schen Grundsätze dar. Die Versammlung verlief völlig ruhig. Im Anschluß an die Versammlung wurde eine Ortsgruppe Staffelstein gegründet. Über die Zahl der Mitglieder ist noch nichts bekannt geworden.“ 92
Als Konsequenz aus dem Aufstieg änderte die NSDAP ab 1930 ihr Auftreten in der Stadt und der Umgebung merklich, indem sie jegliche Zurückhaltung aufgab. Sie forcierte ihre Propagandatätigkeiten, ignorierte nun amtliche Anordnungen, machte diese lächerlich und stellte ihr gesteigertes Selbstbewusstsein öffentlich zur Schau. 93 So schaffte es die Polizei in Bamberg 1930 nicht, das Uniformverbot durchzusetzen, denn die örtlichen Nationalsozialisten marschierten stattdessen geschlossen mit weißen Hemden und Parteiabzeichen auf. 94 Als auch dies explizit untersagt wurde, veranstaltete die NSDAP einen Umzug mit Musik, bei dem sie eine Fahne mit folgender Aufschrift trug: „Es blökt das Schaf, es lacht das Rind, weil Hemden staatsgefährlich sind.“ 95 In einem Bericht des Stadtrats Bamberg wurde die Ohnmacht und Resignation der Staatsmacht deutlich: „Die NSDAP, die bei jeder Gelegenheit öffentlich aufmarschiert, hatte sichtlich das Bestreben, das ihr bekannte Verbot fortgesetzt zu umgehen und bereitete der Polizei beim Einschreiten die erdenklichsten Schwierigkeiten. […] Zwar haben die Führer der Nationalsozialisten da und dort angeordnet, den Weisungen der Polizei Folge zu leisten, den Anordnungen wurde jedoch selten nachgekommen. Sie waren nach unserer Ueberzeugung auch gar nicht ernst gemeint, haben doch die Führer selbst Ver-
Vgl. Bamberger Jahrbuch 1930, S. 69; Günther, Zahneisen, S. 320. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 82–86. 87 Vgl. Verhandlung mit Zeuge Josef Dietz am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Zehentmeier, Entwicklung, S. 85. 88 Vgl. NV v. 28. 3.1929, Nr. 73; Zehentmeier, Entwicklung, S. 85. 89 Vgl. NV v. 28. 3.1929, Nr. 73. 90 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 29.12.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1871. 91 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 77. 92 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Kronach v. 30.11.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1875; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Kronach v. 30. 6.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Staffelstein v. 15. 6.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1877; Zehentmeier, Entwicklung, S. 66. 93 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 4. 8.1930, StadtABa, C 2, Nr. 11940; Zehentmeier, Entwicklung, S. 86–92, 102–105. 94 Vgl. Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 4. 8.1930, StadtABa, C 2, Nr. 11940; Zehentmeier, Entwicklung, S. 86 f. 95 Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 4. 8.1930, StadtABa, C 2, Nr. 11940. 85
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anlassung gegeben, der Polizei Schwierigkeiten zu bereiten und die ministerielle Anordnung zu verunglimpfen. […] Und alle Mitglieder dieser Partei gefallen sich in den Aeusserungen des Publikums, die u. a. lauten ‚Das sind Kerle, die trauen sich doch endlich einmal gegen die Polizei und die Gesetze, die kein Mensch begreift, aufzutreten.‘ Eigenartigerweise finden die Nat. Soz. mit ihren Umzügen beim Publikum sehr viel Anklang, man freut sich förmlich auf die ‚Hetz‘ […].“ 96
Auch im Frühjahr 1931 entfaltete die NSDAP eine „rege Versammlungstätigkeit“ 97, sie zog „von Ort zu Ort“ 98 und variierte ihre Veranstaltungen, die von einer Sonnwendfeier über Übungstage bis zu Werbeabenden und Vorträgen reichten. 99 Als man im Juli die Auslegung der Notverordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen verschärfte und nationalsozialistische Versammlungen vermehrt verbat, meldete die NSDAP in Bamberg gezielt noch mehr Kundgebungen an und verfolgte die Taktik, durch die Verbote Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. 100 1932 wurde der Scheitelpunkt in der nationalsozialistischen Propagandawelle erreicht, denn zu den Reichspräsidentenwahlen im Frühjahr entfielen von 187 Wahlversammlungen in der Stadt und im Bezirk Bamberg 105 auf die Hitlerpartei. 101 Ebenso stand die NSDAP im Juli anlässlich der Reichstagswahlen an der Spitze der Wahlkund-
gebungen und richtete unter anderem eine Massenversammlung im Volkspark aus, bei der neben Lorenz Zahneisen und Hans Schemm auch Ritter von Epp 102 sprach. 103 In dieser Hochphase ab Mai 1932 gründeten Bamberger Nationalsozialisten nach dem Scheitern Der Flamme als lokaler Parteizeitung den Bamberger Beobachter als neues örtliches NSDAP-Organ. 104 Dieses Wochenblatt agierte betont radikal gegen alle Vertreter des Staates und pflegte eine „wüste Kampfweise, die in persönlichen Verleumdungen und Verunglimpfungen“ 105 bestand. Durch diesen Stil machte sich die Zeitung jedoch selbst bei vielen Nationalsozialisten unbeliebt, es folgten Prozesse und Verbote. 106 Schließlich musste der Bamberger Beobachter im Dezember 1932 eingestellt werden, da er sich gegen die von Hans Schemm herausgegebene Gautageszeitung Fränkisches Volk nicht behaupten konnte. 107 Nach dem Wahlerfolg im Juli, der jedoch nicht zur erhofften Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler geführt hatte, wuchsen auch innerhalb der NSDAP-Bamberg Unmut und Enttäuschung. 108 Wahlmüdigkeit und nachlassende Euphorie dominierten die Reichstagswahl im Herbst 1932. 109 Als Lorenz Zahneisen zusammen mit Prinz August Wilhelm von Preußen in Hof im Oktober auftrat, entsprach „der Besuch der Versammlung […] trotz starker Werbung wohl nicht den Erwartungen der Veranstalter“ 110 und die Reden wurden „ohne grö-
Bericht des Stadtrats Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 4. 8.1930, StadtABa, C 2, Nr. 11940. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 31. 3.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1884. 98 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 15. 3.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1884. 99 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 30. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885; Zehentmeier, Entwicklung, S. 98–102. 100 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 30. 9. 1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1886. 101 Vgl. Halbmonatsberichte des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 4.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Halbmonatsberichte des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Zehentmeier, Entwicklung, S. 113. 102 Franz Ritter von Epp (1868–1946) war Berufsoffizier in der Bayerischen Armee und stellte 1919 das Freikorps Epp auf, das bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt war. Er pflegte ab 1923 Kontakte zu rechten Kreisen, trat jedoch erst 1928 der NSDAP bei. Bei den Reichstagswahlen im selben Jahr erhielt er ein Mandat als NSDAP-Abgeordneter. Am 9. März 1933 wurde Epp im Zuge der Machtergreifung in Bayern als Reichskommissar in Bayern eingesetzt. Im April 1933 wurde er dann zum Reichsstatthalter in Bayern ernannt; ein Amt, das er bis 1945 innehatte. Vgl. Götschmann/Henker, Geschichte. 103 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3. 8.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Zehentmeier, Entwicklung, S. 126– 131. 104 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 14. 5.1932, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2663; Väth, Beobachter, S. 7 f., 32–38; Hambrecht, Aufstieg, S. 168; Zehentmeier, Entwicklung, S. 125; Kieszkowska, Flamme, S. 42. 105 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 8.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 106 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 17. 8.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; FS v. 2.11.1932, Nr. 252; FS v. 21.1.1933, Nr. 17; Väth, Beobachter, S. 18–23. 107 Vgl. FS v. 21.1.1933, Nr. 17; Zehentmeier, Entwicklung, S. 125 f.; Hambrecht, Aufstieg, S. 166–168. 108 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18.10.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Zehentmeier, Entwicklung, S. 132– 145; Hambrecht, Aufstieg, S. 363–370. 109 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 132–135. 110 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18.10.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 96 97
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Die Entwicklung der NSDAP bis 1933 und ihre Frontstellung gegen das Arbeitermilieu
ßere Begeisterung“ 111 angehört. In Bamberg selbst ließ Lorenz Zahneisen Flugblätter gegen die angeblichen politischen Lügen der demokratischen Parteien drucken und rief zu einem Deutschland mit Adolf Hitler auf. 112 Expressis verbis richtete sich diese Propagandaschrift gegen die örtliche SPD und insbesondere gegen Josef Dennstädt und Johann Steitz: „Lüge und nochmals Lüge! […] Politische Lüge ist es, wenn der Marxist Dennstädt im Freistaat den Staatsanwalt auf Zahneisen mit den Worten hetzen will: ‚Herr Staatsanwalt, hier ist Arbeit für Sie.‘ Politische Lüge ist es, wenn Genosse Steitz dies im Stadtrat wiederholt.“ 113
Darüber hinaus warf die NSDAP den Arbeiterführern vor, dass sie die Nöte der einfachen Leute nicht mehr verstehen würden, da sie „sich inzwischen an das Tragen von Lackschuhen, Stehkragen und Seidenschlipsen mehr wie gewöhnt“ 114 hätten. Mit diesen Methoden und Anschuldigungen versuchten die Nationalsozialisten der SPD und auch der KPD Anhänger streitig zu machen und ihren eigenen Charakter und Anspruch als Arbeiterpartei zu betonen. Infolgedessen wurden in dem Schlussaufruf des Flugblattes speziell die Arbeiter angesprochen, Adolf Hitler und „die Liste des erwachten Deutschlands“ 115 zu wählen. In der Aufbauphase versuchten die Nationalsozialisten vor allem, linke Veranstaltungen zu stören. 116 Als der Unterbezirk der SPD im Juni 1923 eine großangelegte republikanische Kundgebung auf dem Staffelberg abhielt, versahen völkische und nationalsozialistische Anhänger den Weg und Zielort mit ihren Symbolen. 117 Der Freistaat berichtete
über die Hakenkreuze und „Schmierereien“ in spöttischem Ton: „Das klare Wetter ließ einen großen Teil des Maintales sehen. Dieser schöne Anblick konnte auch nicht gestört werden durch das auf dem Felsen mit Oelfarbe groß angezeichnete Abortkreuz in schwarzweißroter Deserteurfarbe. Ebensowenig wurde beachtet, daß mindestens 100 Bäume mit schwarzweißroten Ringen beschmiert waren, ebenso sämtliche Ruhebänke auf dem Wege von Staffelstein zum Staffelberg. Sogar die Felswand gegen Staffelstein ist mit einem weithin sichtbaren schwarzweißroten Streifen ‚geziert‘. Daß diese Zeichen erst Tags zuvor angebracht worden waren, steht fest; die Farbe war noch frisch. Wahrscheinlich wollte man damit die Teilnehmer an der Kundgebung ärgern.“ 118
Außerdem zielte die NSDAP darauf ab, öffentliche Versammlungen der SPD durch nationalsozialistische Gegenredner zu vereinnahmen, zu unterbrechen und zu behindern. Julius Streicher verfolgte diese Taktik, indem er im Juli 1925 als Diskussionsredner auf einer sozialdemokratischen Zusammenkunft zu Zöllen und Nahrungsmittelpreisen sprechen wollte. Er plante das Thema zu konterkarieren, indem er auf seine Vorwürfe gegen den Stadtrat Bamberg lenkte. 119 Sein Auftritt wurde jedoch von dem Stadtkommissar untersagt. 120 Mehrere örtliche Nationalsozialisten erschienen auch 1926 auf einer linken Kundgebung zum Volksentscheid der Fürstenenteignung und bekundeten in der Aussprache ihre Ablehnung zum Plebiszit. 121 Speziell Streicher vermengte in seinen Reden häufig Antisemitismus mit Antisozialismus und echauffierte sich im November 1925 im Zentralsaal
Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18.10.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. Vgl. NSDAP-Flugblatt „Der Bamberger Brüning-Skandal“ v. 1932, StadtABa, Nachlass Röttinger Bruno, D 1008 (künftig: StadtABa, D 1008), Nr. 287. 113 NSDAP-Flugblatt „Der Bamberger Brüning-Skandal“ v. 1932, StadtABa, D 1008, Nr. 287. 114 NSDAP-Flugblatt „Der Bamberger Brüning-Skandal“ v. 1932, StadtABa, D 1008, Nr. 287. 115 NSDAP-Flugblatt „Der Bamberger Brüning-Skandal“ v. 1932, StadtABa, D 1008, Nr. 287. 116 Vgl. FS v. 14. 6.1923, Nr. 133; FS v. 11. 9.1930, Nr. 208; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeiinspektion Bamberg v. 17.7.1925, StAN, NS-Mischbestand Rep. 503, Nr. 106; Zehentmeier, Entwicklung, S. 89. 117 Vgl. FS v. 14. 6.1923, Nr. 133. 118 FS v. 14. 6.1923, Nr. 133. 119 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeiinspektion Bamberg v. 17.7.1925, StAN, NS-Mischbestand Rep. 503, Nr. 106; FS v. 20. 7.1925, Nr. 162. 120 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an die Polizeiinspektion Bamberg v. 17. 7.1925, StAN, NS-Mischbestand Rep. 503, Nr. 106; FS v. 20. 7.1925, Nr. 162. 121 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 6.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1865. 111
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über „Die jüdische Geheimfinanzierung der Sozialdemokratie“. 122 Er griff damit sowohl die Juden als auch die SPD an und verbreitete das stereotype Feindbild. 123 Die Flamme bediente ebenfalls dieses Vorurteil und beschimpfte Dennstädt und die Sozialdemokraten als „rote Judenknechte“. 124 Dem SPD-Vorstand wurde zudem vorgeworfen, an einer jüdischen Hochzeit in Bamberg teilgenommen zu haben und die „Busenfreundschaft“ 125 mit der israelitischen Gemeinde zu pflegen, um von deren Geldmitteln zu profitieren. 126 Auch Flugblätter der der NSDAP in Bamberg griffen die jüdisch-sozialdemokratische Verbindung auf und hetzten parallel gegen beide Gegner: „Die Mitttelstandpartei hat keine Existenzberechtigung sagt Stadtrat Steitz. Das heißt der Mittelstand soll verschwinden. So will es der Jude! Und was der Jude will, will auch sein Handlanger, der Sozialdemokrat, der Stadtrat Steitz!“ 127
Andere Schwerpunkte der antisozialistischen Propaganda setzten Vertreter des linken Flügels der NSDAP bei ihren Reden in Bamberg. 128 Im Anschluss an die Führertagung traten sowohl Joseph Goebbels als auch Gregor Strasser im Laufe des Jahres 1926 in der Regnitzstadt auf. 129 Dabei referierte Ersterer über den „Marxistische[n] Verrat am deutschen Arbeiter“ 130 und provozierte vor allem die Arbeiterführer. 131 Gregor Strasser verband in seinen
Ausführungen den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund mit Angriffen gegen den Sozialismus, Liberalismus und den modernen Staat. 132 Ein antimarxistisches Thema wählte auch Hans Schemm, als er nach 3-jähriger Abstinenz am 19. April 1929 wieder die Ortsgruppe in Bamberg besuchte, nämlich „Die geistige, sittliche und nationale Zerrüttung des deutschen Volkes durch den Marxismus“. 133 Zu der Taktik der NSDAP in den Dreißigerjahren zählte es außerdem, linke Feiern und Feste mit nationalsozialistischen Gegenveranstaltungen zu kontern. 134 So veranstaltete die NSDAP am 1. Mai 1931 eine Maikundgebung im Zentralsaal, auf der Lorenz Zahneisen über „Schicksalsfragen des deutschen Arbeiters zum 1. Mai“ 135 referierte: „Er [Lorenz Zahneisen] übte Kritik an der SPD, ihrer Haltung während des Krieges und in der Zeit nachher, erörterte dann weiter die Ziele der NSDAP.“ 136 Die Herausstellung der roten bzw. schwarz-roten „Misswirtschaft“ 137, die für die Notlage verantwortlich gemacht wurde, zählte zu den beliebten und häufig bemühten Themen von Lorenz Zahneisen. 138 Auf der Friesener Warte, einem Berg in der Fränkischen Schweiz, trafen sich die Ortsgruppen der NSDAP aus Bamberg, Forchheim und Umgebung am 27. Juni 1931 zu einer Sonnwendfeier und setzten erneut einen rechten Gegenpol zur proletarischen Veranstaltung am Wassersportplatz des „Neptun“. 139 Damit reklamierte die NSDAP-Bam-
Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860. Vgl. Greif, Wallfahrt, S. 72, 83. 124 Die Flamme v. 5.1926, Nr. 9. 125 Die Flamme v. 5.1926, Nr. 10. 126 Vgl. Die Flamme v. 5.1926, Nr. 10. 127 NSDAP-Flugblatt „Sie fürchten uns, sie fürchten die Wahrheit!“ ohne Datum, StadtABa, D 1008, Nr. 287. 128 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867; Strauss, Programmatik, S. 327–335. 129 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867. 130 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861. 131 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; Zehentmeier, Entwicklung, S. 48. 132 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867. 133 Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1929, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 71. 134 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; Zehentmeier, Entwicklung, S. 100–102. 135 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 136 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849. 137 NSDAP-Flugblatt „Der Bamberger Brüning-Skandal“ v. 1932, StadtABa, D 1008, Nr. 287. 138 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4849; NSDAP-Flugblatt „Der Bamberger Brüning-Skandal“ v. 1932, StadtABa, D 1008, Nr. 287. 139 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg v. 30. 6.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1885; FS v. 23. 6.1931, Nr. 140; Zehentmeier, Entwicklung, S. 102. 122 123
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berg 1931 zwei wichtige Festtage des Arbeitermilieus für sich und stellte ihren gesellschaftlichen Machtanspruch heraus. All diese Beispiele zeigen, dass die NSDAP in Bamberg ihren politischen Kampf stark gegen das Arbeitermilieu akzentuierte. Die organisierte Arbeiterbewegung stellte für die Nationalsozialisten einen entscheidenden Gegner bei ihrem Aufstieg und der Durchsetzung ihrer Macht dar – auch in der katholischen Domstadt. Die BVP und das ka-
tholische Milieu war zwar ein wichtiger, aber keineswegs der einzige Gegner vor Ort. 140 Der Weg ins „Dritte Reich“ war nicht nur ein Propagandazug gegen den politischen Katholizismus, sondern auch gegen das rote Bamberg. Angriffe, Verleumdungen und Hetze gegen die linken Parteien, ihre Führer, Anhänger und Veranstaltungen prägten entscheidend den Aufstieg der NSDAP-Bamberg während der Weimarer Republik.
6.2 Der Kampf des sozialistischen Milieus gegen die NSDAP 6.2.1 Die Sozialdemokraten gegen die NSDAP Noch bevor der Stadtrat Bamberg überhaupt wusste, wie man den Namen Hitler schreibt, noch bevor die NSDAP in Bamberg gegründet war oder je eine Versammlung abgehalten hatte, aktivierten die Sozialdemokraten vor Ort bereits den Widerstand gegen die nationalsozialistische Bewegung. So meldete der städtische Halbmonatsbericht am 15. Januar 1923 Folgendes: „Die politische Lage ist als ruhig zu bezeichnen. Gegen eine etwaige Hittlerversammlung [sic] dahier wird in Linkskreisen heute schon heftig mobilisiert. Es soll in diesen Kreisen der Beschluss gefasst worden sein, eine solche Versammlung mit aller Gewalt zu sprengen.“ 141
In Wirklichkeit praktizierte die SPD-Bamberg zu diesem Zeitpunkt bereits die Abwehr und die Störungen von nationalsozialistischen Versammlungen in der Umgebung. 142 Im Dezember 1922 waren
Bamberger Parteimitglieder in Lichtenfels zu einer solchen Zusammenkunft erschienen, „wo die Sozialisten in gewaltiger Überzahl den Saal besetzt hatten, den Referenten Streicher zwar sprechen ließen, dann aber die Versammlungsleitung tatsächlich, wenn auch nicht formell an sich rissen und den Referenten durch Ausdehnung der Diskussion das Schlußwort entzogen.“ 143
Ebenso intervenierte ein Bamberger Genosse auf einer NSDAP-Veranstaltung in Scheßlitz im Januar 1923. 144 Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus gehörte demnach seit 1922/23 zu den obersten Prioritäten der SPD-Ortsgruppe und man übte sich in der Verteidigung gegen die rechte Bewegung noch bevor Bamberg Schauplatz der NSDAP wurde. 145 Besonders Josef Dennstädt trat von Anfang an dem Nationalsozialismus entschieden entgegen und fiel als ausgesprochen scharfer Gegner und Hetzer gegen rechts auf. 146 Er entwickelte sich zur zentralen Figur des antifaschistischen Kampfes der
Zehentmeier stellte den Aufstieg der NSDAP in Bamberg vor allem als eine Auseinandersetzung gegen die BVP und das schwarze Bamberg dar. Dabei maß er diesem Aspekt zu hohes Gewicht bei, indem er beispielsweise die BVP als „entscheidende Gegenkraft zur NSDAP“ charakterisierte, als Ziel der NSDAP das Vordringen „in den katholischen Wählerkreis der BVP“ sah oder die organisierte Gewalt der NSDAP vor allem bei den Unruhen gegen Brüning betonte. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 39–45, 92, 114, 127, 136–141. 141 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.1.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg I v. 29.1.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. Ebenso wie der Stadtrat Bamberg schrieb auch das Bezirksamt Bamberg I im Januar 1923 von einer „Hittler Versammlung“. 142 Vgl. Lagebericht v. 22.1.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg I v. 29.1.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 143 Lagebericht v. 22.1.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 35. 144 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg I v. 29.1.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 145 Vgl. Lagebericht v. 24. 2.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26. 146 Vgl. Lagebericht v. 22.1.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Lagebericht v. 24. 2.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Coburg v. 31. 3.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854: „Die Versammlungen der V.S.P.D. sind auch gut besucht; als Redner tritt hier meist der Parteisekretär Dennstädt aus Bamberg auf, der in seinen Hetzreden besonders scharf die Hakenkreuzler bekämpft.“; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Coburg v. 30. 4.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 140
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SPD-Bamberg. 147 Schon bei der ersten öffentlichen Versammlung der Hitlerpartei in der Regnitzstadt im Juni 1923 war er es, der sich als „einziger Diskussionsredner“ 148 den Ausführungen des Nationalsozialisten Walter Kellerbauer 149 entgegenstellte. Im Bamberger Tagblatt wurde ihm anschließend vorgeworfen, die Worte des Redners verdreht und entstellt zu haben sowie durch eine ununterbrochene Dauerrede versucht zu haben, die polizeiliche Sperrstunde ohne eine erneute Erwiderung von Kellerbauer zu erreichen. 150 Allerdings vereitelte man diese Absicht und entzog Dennstädt nach etwa einer halben Stunde das Wort. 151 Daraufhin verließ er samt seiner Anhänger demonstrativ den Zentralsaal und setzte so ein Zeichen des Protests. 152 Die Stellung zur NSDAP wurde auch auf der sozialdemokratischen Jahresgeneralversammlung thematisiert und folgendermaßen begründet: „Der von den National‚sozialisten‘ ausgeübte Versammlungsterror hat uns gezwungen, wollen wir uns nicht selbst aufgeben, uns in die Abwehrstellung zu begeben.“ 153 Als Maßnahme richtete man einen „Kampffonds gegen die Hakenkreuzlerseuche“ 154 ein, um Gelder speziell gegen die NSDAP zu requirieren. 155 Darüber hinaus wiesen Artikel im Freistaat darauf hin, dass der Widerstand gegen den
Rechtsextremismus „Pflicht jedes Republikaners und Arbeiters“ 156 sei. Genau eine Woche nach der nationalsozialistischen Versammlung organisierte die SPD-Bamberg eine „Kundgebung der freiheitlich gesinnten Bevölkerung Bambergs“ 157, in der Josef Dennstädt und der Münchner Sozialdemokrat Albert Roßhaupter unter anderem den „Übernationalismus“ 158 der NSDAP kritisierten. 159 Zur Verteidigung der SPD gehörte es aber auch, dass man die eigenen Mitglieder zur Bewaffnung und Selbstverteidigung gegen nationalsozialistische Übergriffe aufrief: „Wir fordern deshalb alle Genossen und Gewerkschaftler auf, sich von der Gemeindebehörde Waffenscheine ausstellen zu lassen und bei solchen Angriffen rücksichtslos gegen die nationalsozialistischen Strolche vorzugehen.“ 160
Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass die SPD-Bamberg die Bedrohung durch den Nationalsozialismus ab seiner Entstehung ernst nahm und die rechtsextreme Gefahr nicht unterschätzte. 161 Parallel zum frühen Aufstieg der NSDAP in Franken setzte also die sozialdemokratische Gegenwehr ein. Die SPD-Bamberg gab sich dabei unter Führung
Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Coburg v. 31. 3.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; BT v. 2. 6.1923, Nr. 124; Spruchkammerakt Josef Dennstädt, 7. 7.1891, StABa, Akten der Spruchkammer III, Bamberg-Stadt, Nr. D 66. 148 BT v. 2. 6.1923, Nr. 124. 149 Walter Kellerbauer war ein ehemaliger Seeoffizier und arbeitete als Redakteur für den Deutschen Volkswillen von Julius Streicher. Er gehörte zu den frühen Werberednern der Hitlerbewegung in Franken. Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 28, 34; Roos, Streicher, S. 20; Auerbach, Hellmuth: Regionale Wurzeln und Differenzen der NSDAP 1919–1923. In: Nationalsozialismus in der Region. Beiträge zur regionalen und lokalen Forschung und zum internationalen Vergleich (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Sondernummer). Hg. v. H. Möller/A. Wirsching/W. Ziegler. München 1996, S. 78. 150 Vgl. BT v. 2. 6.1923, Nr. 124. 151 Laut Freistaat durfte Dennstädt nur 20 Minuten reden, während das Bamberger Tagblatt von 45 Minuten berichtete. Vgl. BT v. 2. 6.1923, Nr. 124; FS v. 5. 6.1923, Nr. 124. 152 Vgl. BT v. 2. 6.1923, Nr. 124. 153 FS v. 11. 5.1923, Nr. 106. 154 FS v. 6. 3.1923, Nr. 54. 155 Vgl. FS v. 1. 6.1923, Nr. 122; FS v. 27. 6.1923, Nr. 144. 156 FS v. 9. 5.1923, Nr. 105. 157 FS v. 11. 6.1923, Nr. 130. 158 FS v. 11. 6.1923, Nr. 130. 159 Vgl. FS v. 11. 6.1923, Nr. 130; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 6.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 160 FS v. 6. 2.1923, Nr. 30. 161 Vgl. Pyta, Wolfram: Gegen Hitler und für die Republik. Die Auseinandersetzung der deutschen Sozialdemokratie mit der NSDAP in der Weimarer Republik (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 87). Düsseldorf 1989; Herlemann, Beatrix: „Wir sind geblieben, was wir immer waren: Sozialdemokraten“. Sozialdemokratisches Widerstands- und Überlebensverhalten 1932 bis 1945. In: Anpassung, Verweigerung, Widerstand. Soziale Milieus, Politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland im regionalen Vergleich (= Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Reihe A, Bd. 3). Hg. v. D. Schmiechen-Ackermann. Berlin 1997, S. 262; Winkler, Revolution, S. 571 f. 147
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von Josef Dennstädt betont kämpferisch und selbstbewusst. 162 Es stellte sogar eine Ausnahme dar, wenn das sozialistische Milieu eine nationalsozialistische Versammlung ignorierte und keinen Gegenredner schickte. 163 Seit 1923 entwickelte die SPD in Bamberg eine Doppelstrategie gegen die NSDAP, die einerseits eine rationale Auseinandersetzung zum Beispiel durch Diskussionsredner beinhaltete, andererseits aber auch Methoden der Verleumdung und Hetze benutzte. Diese zweigleisige Kampfweise kennzeichnete durchgehend bis 1933 den Kampf der SPD gegen die Nationalsozialisten vor Ort. Ein Stück weit reagierte man damit auf die skrupellose Vorgehensweise der Hitlerpartei selbst und kopierte deren Methoden. 164 Während die NSDAP in ihrer Zeitschrift Die Flamme dazu aufrief, nicht in jüdischen Läden zu kaufen, „die deutschen Geschäfte“ 165 zu bevorzugen, die Behandlung „von deutschen Aerzten“ 166 zu fordern und ausschließlich „Deutsche Weine“ 167 in den Gaststätten zu konsumieren, empfahl der Freistaat seinen Lesern, Firmen unter NSDAP-Leitung zu meiden. 168 Unter der Überschrift „An den Pranger“ 169 informierte man 1926 darüber, dass sich der Geschäftsführer der Firma „Backofen und Dietz“ bei den nationalsozialistischen Aktivitäten besonders engagierte und empfahl der republikanischen Bevölkerung, dies zu beachten. 170 Ebenso veröffentlichte man in Berichterstattungen zu NSDAP-Versammlungen die Namen von örtlichen Selbständigen, die den Nationalsozialismus unterstützten. 171 So schrieb der Freistaat 1923: „Etwas Gutes hat die Versammlung doch gebracht, sie hat der Bamberger Arbeiterschaft gezeigt, wer die Anhänger der ‚Nationalsozialisten‘ sind.“ 172 Zu diesem Kreis der nationalsozialistischen
Förderer gehörte beispielsweise der Möbelfabrikant Max Kluge in der Oberen Königsstraße. 173 Ferner rechneten der Freistaat und die SPD das Bamberger Tagblatt und die Familie Raulino zu den Helfern und Sympathisanten der NSDAP. 174 Man warf dem Tagblatt vor, ausschließlich über gelungene Veranstaltungen der Hitlerpartei ausführlich zu berichten, wohingegen Misserfolge keine Erwähnung fanden. 175 Diese „stark nach rechts gehenden Tendenzen des Bamberger Tagblatts“ 176 versuchte die SPD offenzulegen und deren Redaktion zu kompromittieren. 177 In einem Artikel während des Wahlkampfes zu den Reichspräsidentenwahlen 1925 schrieb der Freistaat: „Was das Kapitalistenblatt seinen Lesern nicht mitteilt. Am Tage vor der Wahl hielten die hiesigen Nationalsozialisten im Zentralsaal ihre letzte ‚Massenversammlung‘ ab. Bisher hat das Blatt – Eigentum des Tabakfabrikanten Raulino – immer einen sehr ausführlichen Bericht über den Verlauf solcher Hetzversammlungen gebracht. Ueber die Samstagsversammlung hüllt sich das Blatt in tiefes Schweigen. Warum nun? Die Antwort darauf ist leicht zu geben: 1. war die Versammlung miserabel besucht. Das ganze ‚Massenaufgebot‘ erreichte die ‚stattliche‘ Zahl von ungefähr 60 Personen. 2. stritten sich die Parteien, welche von beiden Hitler die ‚Treue‘ gebrochen habe, was schließlich dazu führte, daß die Polizei die streitenden Gesellen auseinander treiben mußte.
Ein ähnliches Verhalten gegen die NSDAP konnte Anton Großmann auch für die SPD in Coburg und Weiden belegen. Vgl. Großmann, Milieubedingungen, S. 459–480, 492–512. 163 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 31. 7.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 164 Vgl. FS v. 13.1.1931, Nr. 9; Büttner, Weimar, S. 195 f. 165 Die Flamme v. 5.1926, Nr. 9. 166 Die Flamme v. 5.1926, Nr. 9. 167 Die Flamme v. 5.1926, Nr. 10. 168 Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236; Kieszkowska, Flamme, S. 55–59. 169 FS v. 14.10.1926, Nr. 236. 170 Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236. 171 Vgl. FS v. 5. 6.1923, Nr. 124. 172 FS v. 5. 6.1923, Nr. 124. 173 Vgl. FS v. 5. 6.1923, Nr. 124; Verzeichnis der Industriebetriebe in Bamberg v. 8. 2.1923, StadtABa, C 2, Nr. 16186. 174 Vgl. FS v. 5. 6.1923, Nr. 124; FS v. 31. 3.1925, Nr. 74; FS v. 26.1.1931, Nr. 20; Zehentmeier, Entwicklung, S. 10, 26 f., 75, 120–129, 140 f. 175 Vgl. BT v. 2. 6.1923, Nr. 124; FS v. 5. 6.1923, Nr. 124; FS v. 31. 3.1925, Nr. 74; Zehentmeier, Entwicklung, S. 10, 26 f., 75, 120–129, 140 f. 176 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 6.1922, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1852. 177 Vgl. FS v. 5. 6.1923, Nr. 124; FS v. 31. 3.1925, Nr. 74. 162
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So sehen die ‚Aufklärungs- und Massenversammlungen‘ jener aus, die sich als ‚Erneuerer‘ Deutschlands bezeichnen. Heul!“ 178
Typisch für die antinationalsozialistischen Berichte des Freistaats war die hetzerische und spöttische Wortwahl, mit der man versuchte, die NSDAP lächerlich zu machen und zu diffamieren. 179 Ein seriöser und objektiver Ton wurde nicht angestrebt und gewahrt. Als „Nationalbolschewisten“ 180, „Hitlerbanditen“ 181 oder „Hakenkreuzler“ 182 bezeichnete man deren Mitglieder. Die NSDAP wurde 1925 als „die auf ihr Begräbnis wartende Partei“ 183 beschrieben und deren Versammlungen mit der Phrase „Viel Geschrei und wenig Wolle!“ 184 zusammengefasst. Zur Neuerscheinung Der Flamme brachte die SPD einen Artikel „Aus der ‚völkischen‘ Kloake!“ 185, in dem das „Blättchen […] in Butterbrot-Einwickelpapier-Format“ 186 vom „Jüngling Lorenz Zahneisen“ 187 als blödsinniges Geschreibsel ohne Geist aber mit großer Schnauze charakterisiert wurde. 188 Über den nationalsozialistischen Bamberger Beobachter berichtete man ausgiebig und schadenfroh zu dem Zeitpunkt, als die Zeitung eingestellt wurde. 189 Laut Freistaat wurde eine NSDAP-Versammlung gegen den Young-Plan angeblich von „mehr Neugierige[n] als Anhänger [n]“ 190 besucht und selbst bei der Veranstaltung mit Hitler 1928 hätte man es nur unter „Aufbietung aller Kräfte und Hinzuziehung sämtlicher […] Anhänger aus dem westlichen Oberfranken“ 191 ge-
178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198
schafft, den Zentralsaal zu füllen. Demnach gefiel sich der Freistaat in der Verbreitung von negativen Schlagzeilen und falschen Gerüchten über die NSDAP, denn laut amtlichen Berichten wies die Hitler-Versammlung eine „grosse Beteiligung“ 192 mit circa 1.000 Teilnehmern auf. 193 Um der NSDAP zu schaden, schreckte die Sozialdemokratie also auch vor bewussten Falschmeldungen und Lügen nicht zurück. Spott über die NSDAP verbreitete man des Weiteren in der Faschingszeitung Zwiebeltreter, in der Lorenz Zahneisen als „Lenz Eisenzahl“ 194 verklausuliert wurde und Stadtrat Körk sich angeblich dagegen wehrte, seinen „hebräisch geratenen Gesichtsvorsprung“ 195 abhobeln zu lassen. Die Bamberger Sozialdemokratie verhöhnte sowohl die NS-Ideologie als auch die lokale Führungsriege. Auf der anderen Seite der Skala der nationalsozialistischen Abwehr stand die seriöse Auseinandersetzung mit dem Programm und den Forderungen der NSDAP. Mithilfe von Argumenten und Beweisen versuchte man den Irrsinn der rechten Propaganda zu entkräften und zu widerlegen. Im Freistaat verwies man des Öfteren auf die „Unfähigkeit zur praktischen Arbeit“ 196 und entlarvte nationalsozialistische Auftritte als aufstachelnde Agitationen gegen alle anderen Parteien ohne konkrete Vorschläge und Lösungsansätze. 197 Als Ziel der NSDAP benannte man auf Versammlungen und im Freistaat explizit die Errichtung einer Diktatur. 198 In sozialdemokratischen Veranstaltungen mit NSDAPGegenrednern sicherte man diesen freies Diskus-
FS v. 31. 3.1925, Nr. 74. Vgl. FS v. 13.11.1923, Nr. 255; FS v. 1.10.1925, Nr. 224; FS v. 28. 5.1926, Nr. 119. FS v. 13.11.1923, Nr. 255. FS v. 13.11.1923, Nr. 255. FS v. 9.12.1924, Nr. 285. FS v. 1.10.1925, Nr. 224. FS v. 2. 5.1928, Nr. 100; vgl. FS v. 2. 2.1929, Nr. 28. FS v. 28. 5.1926, Nr. 119. FS v. 28. 5.1926, Nr. 119. FS v. 28. 5.1926, Nr. 119. Vgl. FS v. 28. 5.1926, Nr. 119. Vgl. FS v. 21.1.1933, Nr. 17. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64. FS v. 2. 5.1928, Nr. 100. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 30. 4.1928, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1873. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 62 f. Bamberger Zwiebeltreter 1930. Bamberger Zwiebeltreter 1930. FS v. 29.11.1930, Nr. 275; vgl. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64. Vgl. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64. Vgl. FS v. 13.1.1931, Nr. 9.
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sionsrecht zu, band daran aber die Auflage, „zum Referat zu sprechen“ 199 beziehungsweise „alles Provozierende und Ausfällige wegzulassen“ 200. Die SPD bemühte sich demnach, sachliche Dispute herbeizuführen und die Wortgefechte auf ein rationales Niveau zu heben. Allerdings zeigte sich, dass die NSDAP oftmals vor allem darauf abzielte, die Veranstaltungen mit Zwischen- und Pfuirufen zu stören und durch „ungeziemtes Benehmen“ 201 zu provozieren. 202 Als Konsequenz aus diesem Verhalten verweigerte die SPD-Bamberg ab November 1929 den nationalsozialistischen Mitgliedern die Teilnahme an ihren öffentlichen Wahlversammlungen. 203 In der publizierten Einladung und Ankündigung stand der Zusatz: „Nationalsozialisten ist der Eintritt verboten.“ 204 Der Stadtkommissar quittierte diese Neuerung in seinem Bericht an die Regierung mit einem „bemerkenswert“. 205 Ab 1930 weitete die SPD das Zutrittsverbot gegenüber den NSDAPMitgliedern auf den gesamten Unterbezirk Coburg-Bamberg aus. 206 Die Sozialdemokraten versuchten damit die Inhalte ihres Wahlkampfes stärker in den Vordergrund zu rücken und Unterbrechungen des Redners zu unterbinden. 207 In der Praxis war die Anordnung jedoch häufig nicht durchsetzbar, denn Nationalsozialisten mischten sich trotzdem unter die Zuhörer. 208 1931 und 1932 modifizierte die SPD ihre Einschränkung, indem sie nun „Anständigen Gegnern“ 209 Einlass gewährte. Auf Störungsversuche der Rechten reagierte man mit dem Hinauswurf der betreffenden Personen unter Zuhilfenahme der Polizeigewalt, wie beispielsweise bei einer republikanischen Versammlung 1931:
„Schon um 7 Uhr waren in der Tat 50 Nationalsozialisten anwesend und an verschiedenen Tischen verteilt. Schon vor der Versammlung gab es zwischen Nationalsozialisten und Sozialdemokraten Meinungsverschiedenheiten. Der Führer der Nationalsozialisten Stadtrat Zahneisen soll den Redner des Abends bedroht haben. Aus diesem Grunde wurde er noch vor Beginn der Versammlung vom Versammlungsleiter Dennstädt aufgefordert, den Saal zu verlassen. Als Zahneisen diesem Ersuchen nach mehrfacher Aufforderung nicht nachkam, bat der Versammlungsleiter Dennstädt die anwesende Polizei, den Genannten aus dem Saale zu entfernen. Zahneisen wurde aufgefordert umgehend den Saal zu verlassen. Er kam der pol. [d. h. polizeilichen] Aufforderung ohne weiteres nach; anschliessend daran verliessen sämtliche anwesende Nationalsozialisten in Stärke von zirka 60 Mann unter Absingen von Kampfliedern und Kampfrufen ‚Deutschland erwache‘ den Saal, während die Sozialdemokraten die ‚Internationale‘ sangen. Hierauf erteilte der Versammlungsleiter Dennstädt dem Redner Vierbücher das Wort.“ 210
Der Rückgriff auf die Staatsgewalt sowie die Änderung der sozialdemokratischen Taktik offenbarten dabei die Hilflosigkeit und auch die Schwäche der SPD im Umgang mit der NSDAP. Während Josef Dennstädt, wie bereits ausgeführt, in der Anfangszeit als Gegenredner der Nationalsozialisten sowohl in Bamberg als auch in der Umgebung permanent aufgetreten war, kapitulierte er 1931 teilweise und kam den nationalsozialistischen Aufforderungen zur Aussprache nicht mehr jedes Mal nach. 211 Seine Entscheidung begründete er öffentlich mit der per-
FS v. 11. 6.1923, Nr. 130. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 201 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; FS v. 13.1.1931, Nr. 9; FS v. 2.12.1931, Nr. 277. 202 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 203 Vgl. FS v. 29.11.1929, Nr. 175; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.12.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 204 FS v. 29.11.1929, Nr. 175; vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.12.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 205 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.12.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 206 Vgl. FS v. 11. 9.1930, Nr. 208. 207 Vgl. FS v. 11. 9.1930, Nr. 208. 208 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 209 FS v. 1.12.1931, Nr. 276; FS v. 8. 4.1932, Nr. 80. 210 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20. 3.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 211 Vgl. FS v. 2.12.1931, Nr. 277. 199
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sönlichen Erfahrung, „daß mit den Nationalsozialisten eine sachliche Aussprache unmöglich“ 212 wäre. Es zeigte sich 1931 also eine gewisse Ernüchterung und Enttäuschung bei Dennstädt, die dazu führte, dass sich andere Bamberger Sozialdemokraten vermehrt im Kampf gegen die NSDAP engagierten und hervortraten. Sie läuteten damit einen Erneuerungsprozess der SPD-Bamberg ein, der auch in anderen Ortsgruppen zu Beginn der Dreißigerjahre sichtbar wurde. 213 Ziel war es, den Kampf gegen die Nationalsozialisten neu auszurichten, wirksamer zu gestalten und zu intensivieren. 214 Zu den wichtigsten Rednern und Hauptagitatoren der SPD-Bamberg zählten fortan Adolf Firsching, Johann Engert und Georg Göttling. 215 So sprach Johann Engert im Wahlkampf 1932 in Frohnlach, Gundelsheim, Oberlauter und Marktgraitz, Adolf Firsching trat in Staffelstein, Ebersdorf und Einberg auf und Georg Göttling vertrat die SPD in Oeslau, Mönchröden und Michelau. 216 Außerdem übernahmen Lina Brand und Georg Dotterweich als SPDReferenten mehrere Kundgebungen in der Umgebung. 217 Die Bamberger Sozialdemokraten behaupteten demzufolge im Kampf gegen Hitler bis zuletzt die Führungsrolle im Unterbezirk, die Josef Dennstädt bereits 1923 übernommen hatte. Ihre Auftritte im Juli 1932 stellte die SPD unter das Motto: „Ums Ganze geht’s! Die Prinzen und Generäle dürfen nicht zur Macht kommen! Armut oder Wohlstand, Knechtschaft oder Freiheit!“ 218 Dabei wirkte auch
Josef Dennstädt mit. 219 Er nahm zwar nicht mehr die Ausnahme- und Spitzenposition wie in den Zwanzigerjahren ein, doch blieb der Kampf gegen die NSDAP weiterhin eine seiner elementaren Tätigkeiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab er daher für die Zeit zwischen 1923 und 1933 Folgendes zu Protokoll: „In unzählichen [sic] Versammlungen bin ich den Nazirednern als Diskussionsredner entgegen getreten, habe die SPD.Politik verteidigt, gegen den Antisemitismus angekämpft, die heuchlerische Politik der NSDAP. angeprangert und die Republikanische Verfassung von Weimar als die einzige Möglichkeit eines gedeihlichen Zusammenlebens der Deutschen mit den übrigen Staaten propagandiert.“ 220
In der Stadt Bamberg selbst führten die genannten Sozialdemokraten zwar auch die Auseinandersetzung mit der NSDAP an, doch engagierte man für große Wahl- und Massenversammlungen gezielt auswärtige Redner. 221 Dies sicherte mehr Zulauf und Interesse. Durch ihre Bekanntheit und Beliebtheit zogen sie oft überdurchschnittlich viele Milieuangehörige an und setzten sich in ihren Reden argumentativ mit der NSDAP auseinander. 222 1926 kritisierte der Reichstagsabgeordnete August Frölich aus Weimar die Flamme und ihre Art der Berichterstattung „als böswillige Verleumdung“. 223 Dabei ging er auf einzelne Angriffe und Anschuldi-
FS v. 2.12.1931, Nr. 277. Ein solcher Prozess am Ende der Weimarer Republik fand beispielsweise in Magdeburg statt. Wilhelm Sollmann war einer der führenden Sozialdemokraten, der versuchte, die Reform der SPD in den 1930er zu gestalten und voranzutreiben. Vgl. Herlemann, Widerstandsverhalten, S. 263; Walter, Sollmann, S. 383–386. 214 Vgl. Herlemann, Widerstandsverhalten, S. 263. 215 Vgl. FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55; FS v. 11. 4.1932, Nr. 82; FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 216 Vgl. FS v. 11. 4.1932, Nr. 82; FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 217 Vgl. FS v. 11. 4.1932, Nr. 82; FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 218 FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 219 Vgl. FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 220 Spruchkammerakt Josef Dennstädt, 7. 7.1891, StABa, Akten der Spruchkammer III, Bamberg-Stadt, Nr. D 66; vgl. Dennstädt, Josef, BArch, 31XX, Nr. E0079. Die Aussage von Josef Dennstädt muss aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft ab Mai 1937 und seinem Entnazifizierungsverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg kritisch gesehen werden. Er versuchte nach 1945 seine Tätigkeit für die SPD besonders zu betonen und seine Mitgliedschaft in der NSDAP abzuwerten. Dennoch konnten seine zahlreichen Auftritte für die SPD und gegen die NSDAP durch die Quellen verifiziert werden. 221 Vgl. FS v. 29.11.1929, Nr. 275; FS v. 4. 5.1931, Nr. 100; FS v. 1.12.1931, Nr. 276; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55; Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. 222 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; FS v. 29.11.1929, Nr. 275; FS v. 4. 5.1931, Nr. 100; FS v. 1.12.1931, Nr. 276. 223 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 15. 6.1926, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; vgl. FS v. 14. 6.1926, Nr. 133. 212 213
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gungen der NSDAP-Bamberg ein und widerlegte diese. 224 Im Wahlkampf 1928 stellten Hermann Müller und Hans Dill auf Kundgebungen in Bamberg und Gaustadt die Befreiungs- und Verständigungspolitik der SPD-Fraktion heraus und warnten vor einer Stimmabgabe für Splitterparteien wie der NSDAP. 225 Ein Jahr später legte Otto Voye am Beispiel der kommunalen Politik in Coburg dar, dass die Nationalsozialisten zwar viele Versprechungen machen würden, aber in der Praxis zu keiner ernsthaften Politik fähig wären. 226 Der Freistaat betitelte diese Versammlung vor der Stadtratswahl folgendermaßen: „Die Sozialdemokraten haben gewarnt, nun liegt die Entscheidung bei der Wählerschaft!“ 227 Vor 400 Besuchern referierte abermals Hans Dill im Dezember 1930 über das Thema „Der Faschismus, Deutschlands Rettung oder Untergang?“ 228 und prangerte dabei die rechtsextremen Absichten an: „Auf die nationalsozialistischen Ziele eingehend erklärte er, dass Deutschland bei faschistischer Herrschaft in kurzer Zeit ein Zuchthaus mit Kirchhoffrieden sein werde. Die nationalsozialistische Bewegung gehe ja nur darauf hinaus das Selbstbestimmungsrecht des Volkes auszuschalten, um an diese Stelle ein Herrenregiment von Generälen und Prinzen zu setzen. […] Zweifellos würde der Nationalsozialismus den Untergang des Deutschen Volkes bringen, denn die Politik der NSDAP. ist unsozial und unehrlich.“ 229
1931 steigerte die SPD ihre Anstrengungen gegen den Aufstieg der Nationalsozialisten nochmals merklich und in Bamberg sprachen zwei führende Sozialdemokraten, nämlich der Reichstagsabgeordnete Wilhelm Hoegner und der Reichstagspräsident Paul Löbe vor 600 bis 1.000 Zuhörern. 230 Wie auch seine Parlamentsreden zeichnete sich der Vortrag von Wilhelm Hoegner durch Scharfsinn, eine gute Beweisführung, rhetorische Stilmittel und Ironie aus. 231 Als Titel seiner Aufklärungsversammlung wählte er „Im Wartesalon zum dritten Reich“ 232 und skizzierte die „große innen- und außenpolitische Gefahr“ 233 durch die nationalsozialistische Bewegung. 234 Deutlich benannte er die verschiedenen Ursachen des nationalsozialistischen Aufstiegs seit 1918 wie beispielsweise die Kriegsniederlage und den Friedensvertrag von Versailles, die Inflation und die Verunsicherung des Mittelstandes sowie die antirepublikanische Haltung der Behörden, die alle zu einem „günstigen Nährboden“ 235 für Hitlers Bewegung beigetragen hätten. 236 Darüber hinaus befasste er sich detailliert mit dem Parteiprogramm der NSDAP, insbesondere mit den drei Punkten Rassenfrage, Zinsknechtschaft und Friedensverträge und belegte den Irrsinn der Forderungen. 237 Für ein Deutschland unter nationalsozialistischer Führung befürchtete er einen Krieg gegen Frankreich und Russland und das Ende der Meinungsfreiheit. 238 Sein Fazit lautete schließlich: „Im Dritten Reich Adolf Hitlers wird es keine Menschen-
Vgl. FS v. 14. 6.1926, Nr. 133. Vgl. FS v. 10. 5.1928, Nr. 107; FS v. 18. 5.1928, Nr. 113. 226 Vgl. FS v. 3.12.1929, Nr. 278; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 3.12.1929, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 227 FS v. 3.12.1929, Nr. 278. 228 FS v. 18.12.1930, Nr. 290. 229 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 230 Vgl. FS v. 4. 5.1931, Nr. 100; FS v. 7. 5.1931, Nr. 103; FS v. 1.12.1931, Nr. 276; FS v. 2.12.1931, Nr. 277; FS v. 3.12.1931, Nr. 278; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2.12.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Krause, 115 Jahre, S. 62. Zur Biografie von Paul Löbe vgl. Neubach, Helmut: Löbe, Paul. In: NDB 15 (1987), S. 20 f. 231 Vgl. FS v. 7. 5.1931, Nr. 103; Rumschöttel, Hoegner, S. 447; Kritzer, Peter: Wilhelm Hoegner. Politische Biographie eines bayerischen Sozialdemokraten. München 1979, S. 61–66. 232 FS v. 7. 5.1931, Nr. 103. 233 FS v. 7. 5.1931, Nr. 103. 234 Vgl. FS v. 7. 5.1931, Nr. 103; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 235 FS v. 7. 5.1931, Nr. 103. 236 Vgl. FS v. 7. 5.1931, Nr. 103. 237 Vgl. FS v. 7. 5.1931, Nr. 103; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 238 Vgl. FS v. 7. 5.1931, Nr. 103; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 224 225
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rechte, keine Freiheit der Person mehr geben, keine Staatsbürger, sondern nur Staatssklaven.“ 239 Zudem erklärte er mit Bezug auf das Versammlungsthema, „dass die Sozialdemokratie alles tun [würde] […], um die Nationalsozialisten im Wartesalon des dritten Reiches so lange sitzen zu lassen, bis der Zug auf den sie [warteten] […], aus dem Fahrplan des Deutschen Reiches gestrichen [wäre] […].“ 240
In der nachträglichen Berichterstattung bezeichnete der Freistaat die Rede Hoegners als „eine Sensation für Bamberg […], denn selten [wäre] […] ein Redner in einer öffentlichen Versammlung schärfer und unter Beweiserbringung für alle seine Ausführungen mit den Nationalsozialisten zu Gericht gegangen, wie es Staatsanwalt Dr. Hoegner [getan hätte] […].“ 241
Auch 1932 setzte die SPD ihre antinationalsozialistische Agitation weiter fort, nun jedoch unter dem neuen Symbol der drei Pfeile von der Eisernen Front. 242 Verstärkt wurden nun die antinationalsozialistischen Aufmärsche und wieder traten Otto Voye, Wilhelm Hoegner und zusätzlich Ernst Schneppenhorst auf. 243 Damit zeigte sich, dass die SPD-Bamberg zwischen 1923 und 1932 kontinuierlich gegen die NSDAP ankämpfte. Die Gefahr eines HitlerDeutschlands hatte man klar erkannt, benannt und allen Bamberger Zuhörern aufgezeigt. Die Sozialdemokraten Bambergs unterschätzten weder die Bedrohung noch ignorierten sie diese oder glaubten an eine erträgliche Regierung unter Hitler. Obwohl die Auseinandersetzung mit der NSDAP deutliche Höhepunkte wie beispielsweise 1923 und die Dreißigerjahre hatte, war die NSDAP doch seit 1923 in
Bamberg als Gegner immer präsent. Den Bamberger Sozialdemokraten war es bewusst, dass der Nationalsozialismus „nichts anderes als [die] Niederknebelung der Arbeiterschaft“ 244 bedeuten würde, den Verlust aller demokratischen Werte und Rechte brächte und ein erneuter Krieg möglich sei. Gegen diese düsteren Zukunftsaussichten kämpften sie jahrelang mit großer Entschlossenheit an.
6.2.2 Die Kommunisten gegen die NSDAP Die Mehrheit der Forschungen zur KPD vermittelt das Bild, als ob sich die Kommunisten zwischen 1923 und 1929 überhaupt nicht mit dem Nationalsozialismus als politischen Gegner auseinandergesetzt hätten. 245 So schrieb beispielsweise Bert Hoppe in seiner Monographie „In Stalins Gefolgschaft“: „Da die tatsächlich faschistischen und völkischen Parteien seit dem Scheitern des Hitlerputsches im Jahre 1923 in der parlamentarischen Öffentlichkeit kaum eine Rolle gespielt hatten, störte es die Kommunisten nicht, mit dem Begriff des ‚Faschismus‘ wenig differenziert zu agieren. Die NSDAP spielte in ihren Augen schlicht keine Rolle.“ 246
Laut Andreas Dorpalen nahmen die KPD und ihre Parteizeitung Rote Fahne den Kampf gegen die NSDAP erst im Sommer 1929 auf. 247 Ein halbes Jahr später, nach den für die NSDAP erfolgreichen Kommunalwahlen, musste sich die Komintern in Moskau überhaupt erst informieren lassen, mit welcher faschistischen Partei man es in Deutschland zu tun habe. 248 Schließlich hatte man Hitlers Bewegung bislang kaum Beachtung geschenkt, sondern die SPD im Zuge der Sozialfaschismusthese zum Hauptgegner erklärt. 249 Mögen diese Ergebnisse
FS v. 7. 5.1931, Nr. 103. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 241 FS v. 7. 5.1931, Nr. 103. 242 Vgl. FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 1.10.1932, Nr. 226. 243 Vgl. FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; FS v. 2. 7.1932, Nr. 149; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 1.10.1932, Nr. 226. 244 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 245 Vgl. Hoppe, Bert: In Stalins Gefolgschaft. Moskau und die KPD 1928–1933 (= Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 74). München 2007, S. 157–173; Kinner, Weimarer Zeit, S. 166–178; Dorpalen, Andreas: SPD und KPD in der Endphase der Weimarer Republik. In: VfZ 31 (1983), S. 89; Neuhäußer-Wespy, KPD; Mehringer, KPD, S. 67–69; Flechtheim, KPD, S. 209–213, 221–228. 246 Hoppe, Gefolgschaft, S. 163. 247 Vgl. Dorpalen, Endphase, S. 89. 248 Vgl. Hoppe, Gefolgschaft, S. 164. 249 Vgl. Winkler, Normalität, S. 661–685. 239
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für die kommunistische Führungsebene und die offizielle Parteistrategie zutreffend sei, so stellte sich die Lage in Bamberg grundlegend anders dar. Die NSDAP wurde durchaus während der Zwanzigerjahre von der örtlichen KPD als Gefahr und Gegner wahrgenommen und aktiv von der KPD bekämpft. In ähnlicher Weise wie Josef Dennstädt für die SPD die Rolle des Gegenredners einnahm, fungierte Otto Geyer als kommunistischer Diskussionsredner auf Versammlungen der Rechten. 250 Er besuchte während der NSDAP-Verbotszeit Veranstaltungen der Großdeutschen Volksgemeinschaft, widersprach Julius Streicher und argumentierte 1926 bei einem nationalsozialistischen Abend gegen Joseph Goebbels. 251 Dem „Frankenführer“ Streicher hielt er entgegen, dass es ihm niemals gelänge, „die Arbeitermassen auf seine Seite zu bringen.“ 252 Abgesehen von Otto Geyer engagierte sich der „der kommunistischen Partei zuneigende […] Konrektor […] Dr. Schott“ 253 in der Frühphase der NSDAP als Gegenredner. 254 Außerdem traten auch auswärtige Kommunisten, beispielsweise aus Fürth, mit ihren Widerreden in Bamberg auf. 255 In den Berichten fällt dabei auf, dass in Bamberg entweder ein Sozialdemokrat oder ein Kommunist den Nationalsozialisten Paroli boten. 256 Dies legt den Schluss nahe, dass sich beide Arbeiterparteien absprachen und jeweils eine Seite die Wortführerschaft über-
nahm. Die NSDAP wurde als gemeinsamer Gegner des sozialistischen Milieus angesehen und einvernehmlich bekämpft. Der kommunistische Widerstand gegen das Vordringen der NSDAP artikulierte sich darüber hinaus in kleineren Protestaktionen. 257 Während des nordbayerischen Gautages der NSDAP im Oktober 1926 in Bamberg waren auswärtige Nationalsozialisten in der Wirtschaft „Grüner Baum“ in der Siechenstraße untergebracht. 258 Daraufhin besuchten auch KPD-Mitglieder diese Wirtschaft und sangen provokativ die Internationale bis der Pächter dies unterband. 259 In der Nordbayerischen Volkszeitung rief die Redaktion anschließend dazu auf, „die nach Hakenkreuz stinkende Wirtschaft“ 260 fortan zu meiden. Für den Festumzug zur Maifeier 1927 fertigte die KPD-Bamberg Plakate an, darunter auch eines speziell gegen den Faschismus. 261 Zwar war der Begriff des Faschismus in der KPD nicht klar definiert und wurde teilweise gegen alle politischen Gegner, einschließlich der SPD, verwendet, doch in diesem Fall richtete sich das Transparent sicherlich gegen die NSDAP. 262 Schließlich wurden die bürgerlichen und national-konservativen Parteien auf einem anderen Banner gegen die Bürgerblockregierung angegriffen und die SPD war am 1. Mai Ausrichter der Veranstaltung – gegen sie konnte das Plakat also nicht gerichtet sein. 263 Im
Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861. Ebenso wie in Bamberg stellten auch im schwäbischen Dorf Mössingen, einer KPD-Hochburg, die Diskussionsreden gegen die NSDAP einen wichtigen Bestandteil des Kampfes gegen den aufstrebenden Nationalsozialismus dar. Vgl. Althaus, Hans-Joachim/Bross, Friedrich/Döffinger, Gertrud u. a.: Da ist nirgends nichts gewesen außer hier. Das ‚rote Mössingen‘ im Generalstreik gegen Hitler. Geschichte eines schwäbischen Arbeiterdorfes. Berlin 1982, S. 142–148. 251 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861. 252 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860. 253 Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 31. 8.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. Dr. Hermann Schott war außerdem Vorsitzender des Bezirksvereins Bamberg gegen den Alkoholismus. Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa. 254 Vgl. Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 31. 8.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 255 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30.11.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867. 256 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.10.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1859; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.1.1925, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1860; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15. 5.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1861; BT v. 2. 6.1923, Nr. 124; Lagebericht v. 22.1.1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Lagebericht v. 24. 2. 1923, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Coburg v. 31. 3.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854. 257 Vgl. NV v. 15.10.1926, Nr. 13; NV v. 12. 5.1927, Nr. 110; NZA v. 28. 7.1930, Nr. 170. 258 Vgl. NV v. 15.10.1926, Nr. 13; Die Flamme v. 10.1926, Nr. 30; Zehentmeier, Entwicklung, S. 52. 259 Vgl. NV v. 15.10.1926, Nr. 13. 260 NV v. 15.10.1926, Nr. 13. 261 Vgl. NV v. 12. 5.1927, Nr. 110. 262 Vgl. NV v. 12. 5.1927, Nr. 110; Bois, Marcel: Opposing Hitler and Stalin: Left Wing Communists after Expulsion from the KPD. In: Weimar Communism as Mass Movement (= Studies in Twenties Century Communism). Hg. v. R. Hoffrogge/N. LaPorte. London 2017, S. 157–159; Hoppe, Moskau, S. 163–173. 263 Vgl. NV v. 12. 5.1927, Nr. 110. 250
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selben Jahr organisierte die KPD einen Roten Tag in Sonneberg, dessen Kundgebung und Aufmarsch gegen „die imperialistische Kriegsgefahr und den Fazismus [sic]“ 264 gerichtet waren. 265 Dazu waren die Bamberger Kommunisten eingeladen und aufgefordert, sich zu beteiligen. 266 Im Mittelpunkt des antifaschistischen Kampfes der KPD in Bamberg stand die Person Lorenz Zahneisen. 267 Er wurde von der kommunistischen Presse spöttisch als „Herr Zalmeisen, eine Führergestalt von Format (allerdings Bamberger Format) der NSDAP“ 268 beschrieben. Gegen ihn richtete sich 1927 ein verleumderischer Artikel mit dem Titel „Aus dem völkischen Schweinestall“, 269 in dem Zahneisen als Ehebrecher mit einem unehelichen Kind dargestellt wurde, für das er keine Verantwortung übernähme. 270 Die KPD-Zeitung versuchte also den NSDAP-Führer durch Sitten- und Moralfragen in Verruf zu bringen. Außerdem thematisierten die Nordbayerische Volkszeitung und die Neue Zeitung wiederholt die ungerechte und ungleiche Behandlung der KPD im Vergleich zur NSDAP durch die Staatsmacht. 271 Unter der Überschrift „Haussuchungen und Haussuchungen?!“ prangerte man die unterschiedlichen und für die Kommunisten nachteiligen Vorgehensweisen der Polizei an. 272 Man unterstellte den Ordnungshütern und der NSDAP eine antikommunistische Zusammen-
arbeit. 273 Während die Nationalsozialisten der Polizei Informationen über linke Aktionen zukommen ließen und „Spitzeldienste“ 274 verrichteten, bekämen diese von der Gendarmerie im Gegenzug besonderen Schutz und Rechte bei Aufmärschen. 275 So wurde angeblich 1930 den Nationalsozialisten das Singen bei einem Umzug erlaubt, wohingegen es den Anhängern der Arbeiterparteien verboten war. 276 1931 gestatteten die Behörden zudem eine Art militärische Bürgerkriegsübung mehrerer NSDAP-Ortsgruppen bei Itzgrund, woraufhin die Neue Zeitung Staat und Regierung als „Organe zur Züchtung des Faschismus“ 277 bezeichnete. Auf Versammlungen der KPD-Bamberg wurden oft pauschale und propagandistische Vorwürfe gegen die NSDAP erhoben, die jeglicher Beweise und Argumente entbehrten. 278 So beschuldigte man die NSDAP 1930, an der Wirtschaftskrise und dem Young-Plan schuld zu sein. 279 Mit diesem Vorwurf wollte man die neue eigene, betont nationale Position gegen die Reparationszahlungen hervorheben und versuchte, die Erfolge der NSDAP mit einem marxistischen Nationalismus zu torpedieren. 280 Darüber hinaus prangerte man die Verbindungen der NSDAP zur Industrie und dem „Großkapital“ 281 an. 282 Die KPO-Bamberg setzte sich auf ihren antifaschistischen Veranstaltungen ab 1930 etwas fundierter und sachlicher mit dem Aufstieg
NV v. 26. 7.1927, Nr. 172. Vgl. NV v. 26.7.1927, Nr. 172; NV v. 11. 8.1927, Nr. 186. 266 Vgl. NV v. 26. 7.1927, Nr. 172; NV v. 11. 8.1927, Nr. 186. Ob die Bamberger KPD tatsächlich nach Sonneberg fuhr, ist nicht überliefert. 267 Vgl. NV v. 26. 4.1927, Nr. 96; NV v. 28. 3.1929, Nr. 73. 268 NV v. 26. 4.1927, Nr. 96. 269 NV v. 26. 4.1927, Nr. 96. 270 Vgl. NV v. 26. 4.1927, Nr. 96; NZ v. 23. 2.1931, Nr. 34. 271 Vgl. NV v. 7.10.1926, Nr. 6; NZA v. 28. 7.1930, Nr. 170; NZA v. 8.1.1931, Nr. 4; NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34. 272 Vgl. NV v. 7.10.1926, Nr. 6. 273 Vgl. NZA v. 28. 7.1930, Nr. 170; NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34. 274 NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34. 275 Vgl. NZA v. 28. 7.1930, Nr. 170; NZA v. 23. 2.1931, Nr. 34. 276 Vgl. NZA v. 28. 7.1930, Nr. 170. 277 NZA v. 8.1.1931, Nr. 4. 278 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 8.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 279 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 8.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 280 Vgl. Kinner, Weimarer Zeit, S. 167–169; Hoppe, Gefolgschaft, S. 175–197. 281 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 1. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 282 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 1. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. Die Unterstützung und Abhängigkeit der NSDAP durch die Großindustrie war lange Zeit auch in der Forschung sehr umstritten. Während die Geschichtsschreibung der DDR die Verflechtungen betonte, versuchte der amerikanische Historiker Henry A. Turner diese zu widerlegen. Heute wird nicht mehr von einer breiten finanziellen Unterstützung der NSDAP durch die Industrie vor der Machtergreifung ausgegangen. Vgl. Hildebrand, Klaus: Das Dritte Reich (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 17). München 62003, S. 201 f.; Brechtken, Herrschaft, S. 54; Turner, Henry Ashby: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Berlin 1985; Wehler, Beginn, S. 292 f. 264 265
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der NSDAP auseinander. 283 Die Hauptursache der Not in Deutschland sah man im verlorenen Krieg und die Redner legten dar, dass die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit auch die USA selbst getroffen hätten. 284 In diesem Kontext zeigte man auf, dass „das Vorgehen der NSDAP in ihrer ganzen Art […] [zu] keiner Besserung“ 285 führen würde und das „Zerreissen der Verträge und die in Aussicht gestellten Befreiungskriege“ 286 keine Lösung, sondern eine Verschlechterung bringen würden. Dem Nationalismus stellte man explizit den Internationalismus als Ziel entgegen. 287 In ihrer Zeitschrift Der rote Scheinwerfer erläuterte die KPOBamberg die Verhandlungen zwischen Heinrich Brüning und Adolf Hitler sowie die internen Konflikte innerhalb der NSDAP. 288 Außerdem bemühte sich die Redaktion Widersprüche der NS-Ideologie aufzuzeigen, um den Wählern die Lügen vor Augen zu führen. 289 Man wies nicht zuletzt auf die gefährliche „Mordhetze gegen die Arbeiter“ 290 durch die Nationalsozialisten hin. Alles in allem offenbarten die Strategien der Arbeiterparteien SPD, KPD und KPO in Bamberg viele Gemeinsamkeiten und ähnliche Methoden im Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus. Sowohl Sozialdemokraten als auch Kommunisten schickten auf nationalsozialistische Versammlungen seit 1923 Gegenredner, um die Argumente der Hitleranhänger zu widerlegen. In ihren jeweiligen Presseorganen agierten die Linken gegen die NSDAP, indem sie insbesondere Spottartikel und Verleumdungen druckten. Von einer Unterschätzung der rechtsradikalen Bewegung kann in Bamberg für die Zwanzigerjahre keine Rede sein. Ab 1929/30 wurden darüber hinaus die Massenversammlungen gegen die NSDAP for-
ciert. Während die SPD und teilweise auch die KPO die Propaganda der NSDAP mit Argumenten entlarvten und vor den Konsequenzen einer nationalsozialistischen Herrschaft warnten, beschränkte sich die KPD in Bamberg auf linken Populismus und Hetze gegen die NSDAP.
6.2.3 Als Einheitsfront zusammen gegen die NSDAP? Hätte eine proletarische Einheitsfront aller Arbeiterparteien den Nationalsozialismus verhindern können? Diese Frage bleibt spekulativ und ist nicht abschließend zu beantworten, dennoch beschäftigt sie unaufhaltsam die Forschung. 291 Während ein Zusammenschluss auf Führungsebene aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen zwischen Erhaltung der Republik und kommunistischer Revolution schwierig gewesen wäre und zunehmend als unrealistisch beurteilt wird, zeigte sich die Bereitschaft zur Zusammenarbeit oftmals an der Parteibasis und im Alltag. 292 Der gemeinsame rechte Feind ließ an vielen Orten den Wunsch nach einem Bündnis über Parteigrenzen hinweg zutage treten und stärkte die Milieubindung. 293 In Bamberg zeigte sich dieses Phänomen erstmals nach den Reichstagswahlen im September 1930. 294 Auf einer Versammlung der SPD mit Hans Dill als Redner kam es in der Abschlussdiskussion laut Meldung des Stadtkommissars zu folgender Szene: „Anschliessend an diese Ausführungen sprach der Kommunist Wilhelm Hellmann von hier als Diskussionsredner. […] Er wünschte die Vereinigung aller Proletarier zu einer gemeinsamen Abwehrfont
Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 26.1.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7. 284 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 285 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 286 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 287 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 10. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 288 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1931, Nr. 2, StadtABa, BS, Nr. 2835; Büttner, Weimar, S. 444–447. 289 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 290 Der rote Scheinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 291 Vgl. Flechtheim, KPD, S. 271; Grebing, Geschichte, S. 102–104; Voigt, Kampfbünde, S. 472–474; Bois, Kommunisten, S. 372–387; Winkler, Katastrophe, S. 553–559, 616–626, 671; Grebing, Helga: Flucht vor Hitler? Historiographische Forschungsergebnisse über die Aussichten des Widerstandes der Arbeiterbewegung gegen die nationalsozialistische Machtübernahme. In: Arbeiterbewegung und Geschichte. Festschrift für Shlomo Na’aman zum 70. Geburtstag (= Schriften aus dem Karl-Marx-Haus, Bd. 29). Hg. v. H.-P. Harstick/A. Herzig/H. Pelger. Trier 1983, S. 113–135; Goch, Arbeiterbewegung, S. 351–369; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 181–185; Mallmann, Kommunisten, S. 365–380; Häberlen, Vertrauen, S. 7–19, 140–191. 292 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 365–380. 293 Vgl. Bois, Kommunisten, S. 377–379; Mallmann, Kommunisten, S. 372–380. 294 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 283
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gegen den Faschismus. Anschliessend daran sprach der Führer der KPD Opposition Jodokus Geyer. Eigenartiger Weise sprach er ebenfalls von der Vereinigung der Proletarier aller Länder zum Kampfe gegen den Faschismus.“ 295
die Tolerierung der Brüning-Regierung als „kleineres Übel“ gegen den Machtanspruch der NSDAP. 300 Ein halbes Jahr später belegte eine sozialdemokratische Veranstaltung den Unwillen der Bamberger Genossen, diese Linie weiter zu unterstützen:
Obwohl die Position von Wilhelm Hellmann keineswegs mit der Parteilinie der KPD vereinbar war, artikulierte er sie dennoch offensiv vor den versammelten 400 Zuhörern. 296 Die KPO hingegen vertrat bereits seit ihrer Gründung 1928 die Forderung nach einer Einheitsfront der Arbeiterbewegung. 297 Der Berichterstatter Paul Köttnitz hätte sich also eigentlich weniger über die Haltung von Otto Geyer als über den Vorstoß von Wilhelm Hellmann wundern müssen. Auf alle Fälle jedoch verdeutlichte die Aussprache, dass die Ortsgruppen der KPD und KPO Ende 1930 bereit waren, neue Wege im faschistischen Abwehrkampf einzuschlagen. Ein Vertreter der lokalen SPD nahm nicht Stellung, denn Hans Dill übernahm die scharfe Verurteilung der Forderungen. 298 In seinem Schlusswort verhöhnte er die kommunistischen Vorredner als unreife Kinder und führte Folgendes aus:
„Der Versammlungsleiter Dennstädt wies einleitend daraufhin, dass durch die neue Notverordnung die Lebensexistenz der Armen gefährdet [würde] […] und es endlich an der Zeit sei die Bemittelten heranzuziehen. Bisher habe die SPD. die Regierung Brüning gestützt. So könne es aber nicht weiter gehen und es sei unter allen Umständen die geschlossene Front der Arbeiterklasse nötig.“ 301
„Übrigens haben die Kommunisten lediglich ihre Weisungen aus Moskau zubefolgen und die Moskauer versuchen vielmehr mit den Nationalsozialisten, nicht aber mit der SPD zusammenzugehen. Letzteres – das Zusammengehen der KPD mit der SPD – wird von der SPD weder gefordert noch gewünscht.“ 299
Die SPD-Führung setzte auf einen antikommunistischen parlamentarischen Kurs und entschied sich für
Aus diesem Zitat wird deutlich, dass sich auch die SPD-Bamberg von der offiziell vorgegebenen Taktik distanzierte und die Notwendigkeit einer Front gegen die NSDAP höher einstufte als die Auseinandersetzung gegen die milieuinterne Konkurrenz. 302 So sprach Dennstädt auf der Sonnwendfeier im Juni 1931 ebenfalls von dem gemeinsamen Kampf „Seite an Seite“ 303 aller Arbeiterschwestern und -brüder. 304 Mit diesem Wunsch entsprach er der Stimmung in der Anhängerschaft, denn mittlerweilen besuchten Bamberger Sozialdemokraten kommunistische Veranstaltungen ohne gegen deren Standpunkte Stellung zu beziehen. 305 Die Mitglieder der Arbeiterparteien näherten sich also im Rahmen des Bamberger Milieus einander an. Als stärkster Befürworter der Einheitsfront trat in Bamberg Otto Geyer von der KPO in Erscheinung. 306 Entgegen seiner früheren aggressiven Haltung gab er sich meist kompromissbereit und gemäßigt, wenn er für die Einheitsfront warb. 307 Bei-
Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 367 f. 297 Vgl. Bergmann, Strom, S. 84–86. 298 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 299 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; vgl. Bergmann, Strom, S. 86. 300 Vgl. FS v. 3.12.1931, Nr. 278; Winkler, Katastrophe, S. 267–305. 301 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 19. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 302 Vgl. Bois, Kommunisten, S. 355–359; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 180–184. 303 FS v. 23. 6.1931, Nr. 140. 304 Vgl. FS v. 23. 6.1931, Nr. 140. 305 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 1. 9.1930, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 6. 306 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20. 3.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 2.12.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Der rote Scheinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 307 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20. 3.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 295
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Der Kampf des sozialistischen Milieus gegen die NSDAP
spielsweise besuchte er im März 1931 eine parteiübergreifende republikanische Veranstaltung mit dem Redner Heinrich Vierbücher von der Deutschen Friedensgesellschaft. 308 Dabei griff Geyer zwar zunächst die Polizei wegen ihrer Verbindungen zur NSDAP an, doch schränkte er seine Vorwürfe nach einer Stellungnahme von Dennstädt ein und nahm die Bamberger Beamten explizit von seinen Anschuldigungen aus. 309 Vor allem aber erhob er das Wort für eine antifaschistische Koalition: „Die Arbeiterschaft muss endlich einig werden und es muss eine Plattform geschaffen werden, dass die SPD. mit der KPD. Opposition sich zusammen findet. Die letztgenannte Partei habe bereits ein diesbezgl. Not- und Kampfprogramm entworfen. Nur dann kann der Faschismus wirksam bekämpft werden.“ 310
Dieser Ansage widersprach der auswärtige Referent Vierbücher, wohingegen Josef Dennstädt nicht die Forderung zur Einheitsfront kritisierte, sondern nur die Stellungnahme Geyers zur Polizei. 311 Die Bamberger SPD scheint also Sympathien für Geyers Position gehegt zu haben. Darüber hinaus verbreitete Otto Geyer seine Appelle an die Arbeiterschaft durch die Parteizeitschrift Der rote Scheinwerfer. 312 Er rief KPD, SPD und Gewerkschaften dazu auf, „die Frage des gemeinsamen Kampfes gegen Kapitalsangriff, Faschismus und imperialistischen Krieg“ 313 sowohl an der Spitze als auch an der Basis zu erörtern und vertrat die Meinung, dass dadurch die NSDAP zu schlagen wäre: „Eine geschlossene Aktion der Arbeiter wäre auch heute noch imstande, die ganze Hitlerei in alle vier Winde zu zerstreu-
en.“ 314 In ähnlicher Weise wurde die Parole der Einheitsfront auch in den Presseorganen der KPD und SPD beschworen, allerdings ging es dabei um die Vereinigung der Arbeiterschaft unter der jeweils eigenen Führung. 315 Der Freistaat versah ab Juli 1932 seine Kopfzeile mit den drei Pfeilen der Eisernen Front und druckte dazu die sozialdemokratische Maxime „Eiserne Front ist Einheitsfront!“ 316 In der Neuen Zeitung forderte man zum 1. Mai 1931 den „Kampfaufmarsch der roten Einheitsfront“ 317 und stellte dennoch im selben Artikel die SPD als eine Bedrohung für die Arbeiterschaft dar. 318 In diesem Sinne der KPD-Führung kämpfte Wilhelm Hellmann 1931, als er auf der sozialdemokratischen Versammlung mit Wilhelm Hoegner auftrat und eine Einheit, allerdings mit sowjetischer Prägung, forderte: „Dieser [Wilhelm Hellmann] erklärte, dass der Nationalsozialismus bereits so stark marschiere, dass er auch von den Sozialdemokraten nicht mehr aufgehalten werden könne. Nur ein einiges Sowjetdeutschland kann den Nationalsozialismus wirksam bekämpfen.“ 319
Das sozialistische Milieu in Bamberg zeigte demnach Anzeichen für ein proletarisches Bündnis gegen die NSDAP, insbesondere durch die KPO, und war dennoch gespalten und uneins über den richtigen Weg. Ein formaler Zusammenschluss wie ein Einheitsfrontkartell, ein Ausschuss oder eine Listenverbindung kam nicht zustande. 320 Indes berichtete Adam Kaim in seinem Lebenslauf zum Jahr 1932 von einer „Aktionseinheit“ 321 der Bamberger Kommunisten mit der örtlichen SPD, um bei SA-
Vgl. FS v. 18. 3.1931, Nr. 64; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20. 3.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. Zur Biografie von Heinrich Vierbücher vgl. Fries, Traute: Die Deutsche Friedensgesellschaft im Bezirk Sieg-Lahn-Dill in der Weimarer Republik. Eine historische Rekonstruktion. Siegen 2013, S. 167 f. 309 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20. 3.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 310 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20. 3.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 311 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 312 Vgl. Der rote Scheinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 313 Der rote Scheinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 314 Der rote Scheinwerfer v. 1932, Nr. 7, AEB, Rep. 80, Sammlung 30, Nr. 63. 315 Vgl. NZA v. 16. 4.1931, Nr. 59; FS v. 8. 7.1932, Nr. 154; Kuhn, Arbeiterbewegung, S. 182. 316 FS v. 8. 7.1932, Nr. 154. 317 NZA v. 16. 4.1931, Nr. 59. 318 Vgl. NZA v. 16. 4.1931, Nr. 59. 319 Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 7. 5.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4854. 320 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 372–375. 321 Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2. 308
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg
Aufmärschen in der Wunderburg und in Bischberg Widerstand zu leisten. 322 Adam Kaim war zum damaligen Zeitpunkt Mitglied der KJVD und es zeigte sich somit in Bamberg, dass gerade die Arbeiterjugend die überparteiliche Kooperation förderte und in der Praxis umsetzte. 323 Ein Befund, der in der Forschung zum Beispiel auch für Sachsen und Berlin bestätigt wurde. 324 Wie oft gemeinsam Initiativen auf dieser alltäglichen, unteren Ebene ergriffen wurden und wie eng die Zusammenarbeit war, lässt sich für Bamberg aus den vorhandenen Quellen nicht klären. 325 Die Presseorgane blieben zu der örtlichen Situation vage. So erwähnte beispielsweise der Freistaat im November 1932 eine erfolgreiche „marxistische Front“ 326 gegen die NSDAP in Bamberg, beschrieb aber keinerlei Details. Auf alle Fälle reichten die Einheitsfrontbestrebungen der Arbeiterbewegung aus, um den Polizeipräsidenten Heinrich Gareis im Juli 1932 zu beunruhigen, der einer „großen Einheits-Front der Linken“ 327 gute Chancen einräumte und diese fürchtete. 328
6.2.4 Politische Gewalt ‚The Weimar Republic was a society characterized by violence‘ 329 and the ‚ubiquitous spread of political violence was one of the central structural problems of the Weimar Republic‘ 330, hielt Benjamin Ziemann in seinem Überblick zur politischen Gewalt fest. Diese Entwicklung beschränkte sich nicht nur auf Großstädte oder Massenveranstaltungen,
sondern prägte auch den politischen Alltag in Bamberg. 331 So forderte Hermann Freiherr von Gebsattel schon im August 1919, „dass man da, wo es notwendig ist, mit fester Hand zugreift, Gewalt mit Gewalt unterdrückt und zwar rechtzeitig, scharf und rasch“, 332 um den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg zu sichern. Gewalt galt als opportunes Mittel, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen beziehungsweise zu garantieren. 333 Die Einheit der deutschen Volksgemeinschaft sollte notfalls erkämpft werden und die linken Störer in den Augen der Konservativen und Rechten unterdrückt und besiegt werden. 334 Zunächst ebneten Freikorps, Einwohnerwehren und paramilitärische Wehrverbände den Weg der Gewalt bis die Nationalsozialisten das Konzept der Kampftruppe gegen die Demokratie radikalisierten. 335 NSDAP, SA und SS waren nicht die Erfinder der politischen Gewalt während der Weimarer Republik, aber sie steigerten den Aktionismus, die Vehemenz und Brutalität in bislang unbekannte Maße. 336 Dies führte zu Gegenund Abwehrmaßnahmen der Arbeiterbewegung, die ihrerseits die Mitglieder in Wehrverbänden und Schutzformationen organisierten. 337 Beim Aufeinandertreffen der weltanschaulichen Gegner standen nicht bürgerkriegsartige Kämpfe im Vordergrund, sondern vor allem Auseinandersetzungen um Terrains, Stadtviertel und Plätze. 338 Als Konsequenz dieses Prozesses verlagerte sich die Politik zunehmend auf die Straße als neuen Schauplatz. 339 Eine Spirale der Gewalt bestehend aus Provokation,
Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2. Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 374. 324 Vgl. Mallmann, Kommunisten, S. 374. 325 Problematisch ist die Quellenlage vor allem aufgrund der Zusammenlegung der Regierungen von Mittelfranken und Oberfranken. Dadurch wurden ab 1932 keine Halbmonatsberichte aus der Stadt Bamberg überliefert. 326 FS v. 7.11.1932, Nr. 256. 327 Lagebericht v. 11. 7.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 795. 328 Vgl. Lagebericht v. 11. 7.1932, StAN, Rep. 218/9, Nr. 795. 329 Ziemann, Benjamin: Germany after the First World War – A Violent Society? Results and Implications of Recent Research on Weimar Germany. In: JMEH 1 (2003), S. 91. 330 Ziemann, Germany, S. 80. 331 Vgl. Hardtwig, Wolfgang: Gewalt in der Stadt 1917–1933. Erfahrung – Emotion – Deutung. In: Kollektive Gewalt in der Stadt Europa 1890–1939 (= Schriften des Historischen Kollegs, Bd. 89). Hg. v. F. Lenger. München 2013, S. 3. 332 Schreiben des Hermann Freiherr von Gebsattel an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 31. 8.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1809. 333 Vgl. Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der Weimarer Republik 1918–1933. Kampf um die Straße und Furcht vor dem Bürgerkrieg (= Veröffentlichungen des Instituts für soziale Bewegungen, Reihe A, Bd. 17). Essen 2001, S. 362. 334 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 368. 335 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 366. 336 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 366. 337 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 359. 338 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 359. 339 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 363 f. 322 323
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Angriff, Abwehr und Rache begann, die im Laufe der Jahre immer mehr der Kontrolle entglitt. Da Bamberg eine Hochburg der Völkischen und anschließend ab 1923 einen wichtigen Stützpunkt der NSDAP darstellte, setzten verhältnismäßig früh die gewaltsamen Konflikte zwischen der Arbeiterbewegung und den Nationalsozialisten ein. 340 Obwohl die SPD grundsätzlich Militarismus, Krieg und Gewalt ablehnte, veröffentlichte die Ortsgruppe Bamberg bereits im Juli 1922 einen Aufruf im Freistaat, der unmissverständlich klar machte, dass „die Arbeiterschaft in Bamberg […] nicht länger mehr gewillt [sei], ruhig zuzusehen.“ 341 In einer Sitzung der Vertrauensleute war der Entschluss gefasst worden, „in Zukunft, wenn nicht anders möglich, mit gleichen Mitteln, wie von der anderen Seite zu arbeiten. Jedwede Provokation […] [würde] in Zukunft Gegenmaßnahmen hervorrufen.“ 342 Gewalt wurde von der SPD-Bamberg als Mittel nicht mehr kategorisch ausgeschlossen und abgelehnt. Im November 1922 berichtete das Staatspolizeiamt NürnbergFürth von einem Zusammenstoß in Bamberg während einer Konferenz der Arbeiterjugendvereine mit jugendlichen Hitleranhängern. 343 Anschließend gründete sich im Frühjahr 1923 der Sozialdemokratische Ordnungsdienst als lokaler Selbstschutzverband gegen die Gegner der Republik. 344 Ein halbes Jahr später kam es im Oktober 1923 im Rahmen der Deutschen Tage in Bamberg zum ersten schweren Konflikt zwischen links und rechts. 345 Dieser mündete in einer nächtlichen Schießerei in Gaustadt mit zwei Verletzten und veranlasste die Polizei
dazu, fünf verdächtige Arbeiter zu verhaften und im Landgerichtsgefängnis einzusperren. 346 Das Bamberger Untersekretariat der SPD rief daraufhin eine Hilfskampagne und eine „freiwillige Sammlung für die Opfer des Faschistenüberfalles“ 347 ins Leben, um den betroffenen Familien beizustehen. 348 In den nächsten Wochen wurden im Freistaat regelmäßig die Geldgeber und der aktuelle Stand der Spenden bekannt gegeben. 349 Bis zum Hitlerputsch setzten sich die Provokationen zwischen Sozialdemokraten und Nationalsozialisten fort und letztendlich gelang es im November nur durch den Einsatz der Stadt- und Landespolizei zusammen mit der Reichswehr die Eskalation in Bamberg zu verhindern. 350 Diese Vorfälle zeigen vor allem zwei wichtige Charakteristika der politischen Gewalt in Bamberg. Einerseits waren Schusswaffen weit verbreitet und kamen schon in den Zwanzigerjahren bei politischen Auseinandersetzungen zum Einsatz. Im Unterschied zu der Entwicklung in anderen Gegenden Deutschlands war der Einsatz von gefährlichen Waffen kein Kennzeichen der letzten republikanischen Jahre. 351 Sowohl die aktiven als auch die ausgeschiedenen Militärs der Garnisonsstadt Bamberg spielten bei der Verbreitung von Kampfmitteln eine zentrale Rolle. 352 Polizeiliche Aktionen zur Entwaffnung sozialistischer und völkischer Verbände blieben oft erfolglos. 353 Entweder waren die Personen und Stellen vor den Durchsuchungen vorgewarnt worden oder die Behörden hatten gar kein ernsthaftes Interesse daran durchzugreifen. 354 Be-
Vgl. FS v. 14. 7.1922, Nr. 159; FS v. 16.10.1923, Nr. 232; Großmann, Milieubedingungen, S. 445. FS v. 14. 7.1922, Nr. 159; vgl. Häberlen, Class War, S. 42–44. 342 FS v. 14. 7.1922, Nr. 159. 343 Vgl. Lagebericht v. 8.11.1922, StAN, Rep. 218/8, Nr. 26. 344 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 30. 4.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1854; FS v. 11. 5.1923, Nr. 106. 345 Vgl. FS v. 16.10.1923, Nr. 232; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 346 Vgl. FS v. 16.10.1923, Nr. 232; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 347 FS v. 16.10.1923, Nr. 232. 348 Vgl. FS v. 16.10.1923, Nr. 232; FS v. 19.10.1923, Nr. 235; FS v. 29.10.1923, Nr. 243; Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 22.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 1. 349 Vgl. FS v. 19.10.1923, Nr. 235; FS v. 29.10.1923, Nr. 243. 350 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg I v. 14.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855. 351 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 320–329, 366. 352 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2595. 353 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Aufzeichnungen der Polizeiinspektion Bamberg v. 12.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2595. 354 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 15.10.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Aufzeichnungen der Polizeiinspektion Bamberg v. 12.1924, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2595; Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2595. 340 341
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg
zeichnend dafür ist eine Stellungnahme von Paul Köttnitz. Der Stadtkommissar empfahl 1927 bei einem umstrittenen Waffentransport zwischen rechten Kreisen und der Reichwehr, „derartige Sachen künftig doch mit grösserer Vorsicht und stehts [sic] bei Nacht zu inszenieren“, 355 um „unliebsames Aufsehen“ 356 zu vermeiden. Nicht der Waffenaustausch erschien ihm als Problem, sondern der unpassende Zeitpunkt der Lieferung. 357 Andererseits wird offensichtlich, dass die Sozialdemokratie in Bamberg eine aktive Rolle einnahm, den Teufelskreis der Gewalt zu steigern und anzuheizen. Die politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik waren nicht überall durch das Aufschaukeln von KPD und NSDAP hervorgerufen, wie Andreas Wirsching in seiner Studie für Berlin aufzeigt hat. 358 In Bamberg waren die Kommunisten während des Aufstiegs der NSDAP zu schwach und zu schlecht organisiert, um die antifaschistische Position auf der Straße zu verteidigen. Die SPD hingegen übernahm bereitwillig diesen Part. 359 Mit ihr waren verschiedene sozialdemokratische Organisationen wie der ArbeiterSamariter-Bund, das Reichsbanner und, am Ende der Republik, die Eiserne Front in die Konflikte mit der NSDAP verwickelt. 360 1924 kam es beispielsweise im Rahmen des ersten ReichsbannerGautags zu mehreren Zusammenstößen zwischen Nationalsozialisten und Republikanern. 361 Zwei Jahre später brachen die Aggressionen im Rahmen
einer nationalsozialistischen Tagung im Oktober 1926 aus. 362 Die Berichte reichten von Reibereien über eine Schlägerei bis zu einer Schießerei und Steinwürfen gegen Lastautos der NSDAP. 363 Dabei waren auch Mitglieder des ASB involviert. 364 1928 war eine demokratische Versammlung der Auslöser für einen Aufeinanderprall von links und rechts. 365 Die vermeintlich eher ruhigen Jahre der Republik waren also keineswegs gewaltfrei. 366 Die folgenden offiziellen Richtlinien des Reichsbanners wurden jedenfalls in Bamberg nicht befolgt: „Unsere Kameraden haben alles Erdenkliche zu tun, um den Provokationen der Nationalisten und Kommunisten aus dem Wege zu gehen. Es ist unseres Bundes und unserer Kameraden unwürdig, sich mit diesen Leuten herumzuprügeln. Wir haben die Würde des Bundes zu wahren, nie selbst zu provozieren und uns nicht provozieren zu lassen.“ 367
Dies war Wunschdenken, aber oft nicht Realität in Bamberg. Durch die Führungsrolle der SPD im sozialistischen Milieu und im Kampf gegen die Hitlerbewegung richteten die Bamberger Nationalsozialisten von Anfang an ihre Angriffe und Überfälle gezielt auf sozialdemokratische Stützpunkte, wie die Wunderburg, die Sandstraße und den Vorort Gaustadt. 368 Diese Form von Terrainkämpfen war typisch für die Weimarer Republik und die Strategie
Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2595. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2595. 357 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 13. 9.1927, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 2595. 358 Vgl. Wirsching, Andreas: Vom Weltkrieg zum Bürgerkrieg? Politischer Extremismus in Deutschland und Frankreich 1918–1933/39. Berlin und Paris im Vergleich (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 40). München 1999, S. 299–330, 506–525, 575–589. Den Befunden von Andreas Wirsching widersprechen auch Carsten Voigt und Benjamin Ziemann. Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 402; Ziemann, Germany, S. 90. 359 Vgl. Schreiben des Bezirksamts Bamberg II an das Staatsministerium des Innern v. 7. 9.1923, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Halbmonatsbericht des Bezirksamts Bamberg II v. 14.11.1923, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1855; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14.10.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867; FS v. 14. 6.1926, Nr. 133; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 31. 7.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 360 Vgl. BV v. 26.10.1924, Nr. 250; FS v. 14.10.1926, Nr. 236; FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 20.12.1930, StABa, K 3/1967, Nr. 4854; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 361 Vgl. BV v. 26.10.1924, Nr. 250. 362 Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14.10.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867. 363 Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14.10.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867; Lagebericht v. 16.10.1926, StAN, Rep. 218/9, Nr. 688. 364 Vgl. FS v. 14.10.1926, Nr. 236. 365 Vgl. FS v. 3. 5.1928, Nr. 101. 366 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 371–379; Hardtwig, Gewalt, S. 3. 367 Wegweiser für Funktionäre des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold v. 1929, AdsD, Abteilung IV, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (künftig: AdsD, 4/RSRG), Nr. 1. 368 Vgl. FS v. 16.10.1923, Nr. 232; FS v. 14.10.1926, Nr. 236; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14.10.1926, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1867. 355
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Der Kampf des sozialistischen Milieus gegen die NSDAP
der Nationalsozialisten, die Straßen zu erobern und sich als künftige Herrscher zu präsentieren. 369 Während die Nationalsozialisten als Angreifer auftraten, erfüllten die Arbeiter die Rolle der Verteidiger. 370 Zentrale Bedeutung erlangten in den Auseinandersetzungen die Parteilokale, die eine dauerhafte Präsenz in der Stadt garantierten und als Bollwerke dienten. 371 Erstes Ziel nationalsozialistischer „Eroberungen“ wurde ab 1923 die Gastwirtschaft „Weißes Roß“ in der Wunderburg. 372 Daher passte es gut in das Schema der SPD und des Reichsbanners, dass dort 1927 der neugegründete Republikanische Kleinkaliberschützenbund sein Quartier bezog und eine Schießbahn eröffnete. 373 Die SPD rüstete mit diesem Schritt ihre Bastion in der Wunderburg auf und wappnete sie gegen die NSDAP. Folglich blieb die Wunderburg bis 1933 mit dem Arbeiterlokal von Pächter Heinrich König ein Brennpunkt der politischen Kämpfe. 374 Beispielsweise brachen dort während der Reichspräsidentenwahl im Frühjahr 1932 mehrere Auseinandersetzungen mit Verletzten aus. 375 Zum wichtigsten und am härtesten umkämpften Ort wurde jedoch der Schillerplatz in der Inselstadt. 376 Während die Sozialdemokraten bereits seit 1925 mit dem „Nöth“ an diesem Platz kontinuierlich vertreten waren, zogen die Nationalsozialisten im April 1931 mit der Errichtung einer Geschäftsstelle nach. 377 Beide Parteilokale lagen dadurch in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander. Im März 1932 nutzten die Nationalsozialisten diesen Umstand für eine Aktion gegen den ASB-Bamberg, der ebenfalls im „Nöth“ untergebracht war. 378 Der Freistaat schrieb von einem „gemeine[n] Überfall
auf die Wache der Arbeitersamariter-Kolonne“, 379 denn die Nationalsozialisten hatten die ASB-Kolonne durch Falschmeldungen weggelockt und anschließend versucht, das Gebäude zu stürmen. 380 Bei diesem Vorstoß wurden Feuerwerkskörper in den Hof geworfen und das Tor beschädigt. 381 Letztendlich konnte die herbeigerufene Polizei die Lage beruhigen, doch die Erregung des sozialistischen Milieus über diese Attacke hielt an. 382 Zunächst entspannte sich jedoch die Situation infolge des SAund SS-Verbots durch die „Notverordnung zur Sicherung der Staatsautorität“ des Reichskanzlers Heinrich Brüning ab April 1932. 383 Als dieses aber im Juni 1932 von Franz von Papen aufgehoben wurde, nahmen die Spannungen, Übergriffe und Provokationen zwischen dem Arbeitermilieu und der NSDAP eine neue Dimension an. 384 Im Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken hieß es: „Mit der Aufhebung des Uniformverbotes und des Verbotes der Versammlungen unter freiem Himmel hat eine außerordentlich starke Betätigung der politischen Parteien, hauptsächlich der NSDAP., in der Öffentlichkeit eingesetzt; vielfach fanden Aufmärsche und Kundgebungen unter freiem Himmel statt, die durchwegs Propagandazwecken dienten. […] Am 14. veranstaltete die NSDAP. in Bamberg mit ihren SA. und SS. Leuten (etwa 150 Mann) einen Propagandamarsch nach Gaustadt und Bischberg. Der Zug wurde in Gaustadt und Bischberg von Angehörigen der ‚Eisernen Front‘ und der KPD. angepöbelt; diese versuchten sogar tätlich zu werden. Die Gendarmerie verhinderte einen Zusammen-
Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 73–82; Hardtwig, Gewalt, S. 13. Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 76. 371 Vgl. Häberlen, Vertrauen, S. 78–82. 372 Vgl. Lebenserinnerungen von Jakob Kreiner, StadtABa, BS, Nr. 2834. 373 Vgl. FS v. 27.1.1927, Nr. 21; FS v. 1. 2.1930, Nr. 26. 374 Vgl. BV v. 14. 3.1932, Nr. 61; BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 375 Vgl. BV v. 14. 3.1932, Nr. 61; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 376 Vgl. FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 5.12.1932, Nr. 175; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Dornheim/Schindler, Aron, S. 30–35; Zehentmeier, Entwicklung, S. 129 f. 377 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 108 f. 378 Vgl. FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 379 FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 380 Vgl. FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 381 Vgl. FS v. 18. 3.1932, Nr. 65. 382 Vgl. FS v. 18. 3.1932, Nr. 65; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 383 Vgl. Büttner, Weimar, S. 457 f.; Schumann, Gewalt, S. 320–324; Winkler, Geschichte, S. 505. 384 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; Schumann, Gewalt, S. 324–329. 369 370
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stoß, mußte aber einigemale von dem Gummiknüppel Gebrauch machen.“ 385
Dieser Aufmarsch zeigte bereits die aufgeheizte Stimmung zwischen der Eisernen Front und der NSDAP. Zwei Wochen später kam es am Abend der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 zum schwersten Zusammenstoß zwischen dem sozialistischen Milieu und den Nationalsozialisten in Bamberg während der Weimarer Republik, der sogenannten „Schlacht am Schillerplatz“. 386 Nach der Kollision zweier Radfahrer, einem SA-Mann und einem Sozialdemokraten, vor dem Hotel „Bamberger Hof“ holten beide Seiten aus ihren nahegelegenen Lokalen Verstärkung. 387 Aufgrund der Reichstagswahl waren zahlreiche Parteimitglieder zugegen und so konnte sich „aus ganz geringfügiger Ursache“ 388 eine Schlägerei und Schießerei entwickeln, an der schließlich etwa 100 Personen beteiligt waren. 389 Als Waffen kamen Prügel, Knüppel, Schulterriemen, ein Gummischlauch, Stöcke und Pistolen zum Einsatz. 390 Mehrere Beteiligte mussten hinterher mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. 391 Plakativ schrieb der Freistaat am nächsten Tag: „Blut fließt in Bambergs Straßen! […] Am gestrigen Wahltage ist leider zum ersten Male Blut geflossen. Im Garten der Restauration Nöth hatten sich Anhänger der sozialdemokratischen Partei mit Frau und Kind zur Entgegennahme der Wahlresultate eingefunden. Die Nationalsozialisten hatten vor ihrem Geschäftslokal Aufstellung genommen und, wie uns mitgeteilt wird, Besucher der Zusammenkunft bei Nöth angepöbelt. Diese kleinen Vorfälle fanden weiter keine Beachtung, bis
gegen 6 Uhr ein Haufen Nationalsozialisten gegen die Restauration Nöth vorgingen. […] Schließlich gelang es, zwischen den beiden Parteien einen größeren Zwischenraum zu schaffen. Genosse Dennstädt befand sich in der Mitte dieses Haufens. Auf einmal stürmten 8–10 Nationalsozialisten auf ihn ein und versuchten, ihn niederzuschlagen. Die Mitglieder der Partei kamen ihm zu Hilfe, dadurch entstand eine Schlägerei. Im Laufe dieser wurden von Seiten der Nationalsozialisten drei Schüsse abgegeben. Mehrere Verwundete auf beiden Seiten waren das Ergebnis des nationalsozialistischen Ueberfalls.“ 392
Die Darstellung der SPD-Presse betonte stark die Schuld der NSDAP und versuchte gleichzeitig die sozialdemokratischen Mitglieder zu entlasten. 393 Der einseitige Bericht entsprach daher nicht vollständig dem Hergang, doch tatsächlich hatten die Nationalsozialisten während der Auseinandersetzung die Parole ausgegeben: „Wir stürmen den Nöth!“ 394 Das Partei-, Gewerkschafts- und Vereinslokal des Arbeitermilieus war den Anhängern der Hitlerbewegung ein Dorn im Auge und diente in Bamberg als zentrales „Angriffsziel“. Es ging um die Vorherrschaft am Schillerplatz, der zusammen mit dem Schönleinsplatz einen zentralen Knotenpunkt in Bamberg bildete und das Eingangstor zur Innenstadt darstellte. Beide Seiten beanspruchten diese Straßenzüge für sich und wollten die Kontrolle unter keinen Umständen an den Gegner verlieren. Folglich war die Schlägerei im Sommer 1932 ein symbolischer Kampf um die Machtansprüche in Bamberg. Brisant war die Tatsache, dass mit Josef Dennstädt und Lorenz Zahneisen beide Führer der jewei-
Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. BV v. 2.12.1932, Nr. 278; BV v. 3.12.1932, Nr. 279; BV v. 5.12.1932, Nr. 280; vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 30. 387 Vgl. BV v. 1. 8.1932, Nr. 174; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; NZA v. 3. 8. 1932, Nr. 167; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 388 Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 389 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; FS v. 2. 8.1932, Nr. 175; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 5.12.1932, Nr. 280; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Dornheim/Schindler, Aron, S. 30–35; Zehentmeier, Entwicklung, S. 129 f. 390 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 391 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 392 FS v. 1. 8.1932, Nr. 174. 393 Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174. 394 FS v. 2.12.1932, Nr. 278; vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 31. 385
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Der Kampf des sozialistischen Milieus gegen die NSDAP
ligen Parteien bei der Auseinandersetzung mit Waffen zugegen waren. 395 Es blieb im Nachhinein umstritten, inwieweit sie versucht hatten, die Situation zu beruhigen oder diese angeheizt hatten. 396 Josef Dennstädt gestand öffentlich in der SPD-Zeitung ein: „Wohl trug ich den Revolver in der Tasche, benützte denselben aber nicht.“ 397 Damit wehrte er sich gegen Vorwürfe, geschossen zu haben. 398 Allerdings hatte er den Revolver als Schlagwaffe gegen die Nationalsozialisten eingesetzt. 399 Eindeutig blieb der Fakt bestehen, dass Dennstädt bewaffnet aus seinem Büro im „Nöth“ gekommen war und sich für einen gewaltsamen Konflikt vorbereitet hatte. Pazifismus und Antimilitarismus wurden am Ende der Weimarer Republik von der SPD, dem Reichsbanner und der Eisernen Front nicht mehr gelebt, stattdessen ging es um die Abwehr der Nationalsozialisten – mit allen Mitteln. 400 An diesem Wahlabend entluden sich die angestaute Wut, Anspannung und Rachegelüste zwischen den sozialdemokratischen Mitgliedern der Eisernen Front und den Nationalsozialisten auf brutale Art und Weise, sodass die Polizei schließlich Schwierigkeiten hatte, Herr der Lage zu werden. 401 Erst nachdem Verstärkung aus der Rathauswache angefordert worden war, gelang die Beruhigung des Konflikts. 402 Die Auseinandersetzung mündete im Dezember 1932 in einen Prozess vor dem Landgericht Bamberg, der große Aufmerksamkeit in den Milieus und in der Öffentlichkeit erregte und von
der Bamberger Presse akribisch begleitet wurde. 403 Angeklagt waren sechs Angehörige der NSDAP und vier Mitglieder des Reichsbanners bzw. der Eisernen Front. 404 Nicht alle Details konnten in der Verhandlung aufgeklärt werden; so blieb es beispielsweise ungelöst, wer die Schüsse abgegeben hatte. 405 Die Verteidigung der Republikaner hatten der Rechtsanwalt Thomas Dehler (DDP) und der Referendar Willy Aron (SPD) übernommen. 406 In seinem Plädoyer kritisierte Willy Aron besonders den Umstand, dass sich zwar Josef Dennstädt verantworten musste, aber Lorenz Zahneisen aufgrund der Immunität als Landtagsabgeordneter nicht vor Gericht geladen wurde, obwohl „nachgewiesen wäre […], daß er mit einem Knüttel bewaffnet an den Vorgängen [teilgenommen hätte] […].“ 407 Um eine Aufhebung des Schutzes von Zahneisen hatte man sich von juristischer Seite überhaupt nicht bemüht, was in linken Kreisen als große Ungerechtigkeit wahrgenommen wurde. 408 Ebenso empfand das sozialistische Milieu das Urteil als nicht angemessen und zu scharf gegenüber den Republikanern. 409 Während einer der angeklagten Nationalsozialisten frei gesprochen wurde, erhielten alle ReichsbannerMitglieder Freiheitsstrafen von drei bis neun Monaten. 410 Die NSDAP-Mitglieder hingegen wurden mit höchstens sieben Monaten Gefängnisaufenthalt belangt. 411 Alle Verurteilten erfüllten den Tatbestand des Landfriedensbruchs, teilweise kamen noch Körperverletzung und Waffenmissbrauch erschwerend
Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. Vgl. FS v. 1. 8.1932, Nr. 174; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Dornheim/ Schindler, Aron, S. 32 f. 397 FS v. 2. 8.1932, Nr. 175. 398 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; FS v. 2. 8.1932, Nr. 175. 399 Vgl. FS v. 2.12.1932, Nr. 278; Dornheim/Schindler, Aron, S. 32. 400 Vgl. Hardtwig, Gewalt, S. 10. 401 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 402 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8. 1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 403 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; BV v. 2.12.1932, Nr. 278; BV v. 3.12.1932, Nr. 279; BV v. 5.12.1932, Nr. 280; FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 5.12.1932, Nr. 280; Dornheim/Schindler, Aron, S. 30–35. 404 Angeklagt waren die Mitglieder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold: der Maurer Franz Jahreis, der Spinnereiarbeiter Georg Ströhlein, der Maschinenschlosser Andreas Bayer, der Arbeiter Johann Schühlein. Von der NSDAP standen vor Gericht: der Schiffermeister Michael Schneider, der Sattler Martin Stöcklein, der Elektrotechniker Fritz Schrenker, der Bäcker Heinrich Sieber, der Maurer Josef Stark und der Schreiner Georg Fellner. Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 405 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Dornheim/Schindler, Aron, S. 32. 406 Vgl. FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 3.12.1932, Nr. 279; FS v. 5.12.1932, Nr. 280; Dornheim/Schindler, Aron, S. 31. 407 FS v. 3.12.1932, Nr. 279; vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 32 f. 408 Vgl. FS v. 3.12.1932, Nr. 279. 409 Vgl. FS v. 5.12.1932, Nr. 280; FS v. 6.12.1932, Nr. 281; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Dornheim/Schindler, Aron, S. 35; Winkler, Revolution, S. 68–75. 410 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Dornheim/Schindler, Aron, S. 35. 411 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 395
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg
hinzu. 412 Am härtesten wurde der 53-jährige sozialdemokratische Maurer Franz Jahreis mit folgender Begründung zur Verantwortung gezogen: „Jahreis Franz (Reichsbanner SRG), Maurer in Bamberg, wegen eines Verbrechens des Landfriedensbruches in Tateinheit mit einem Vergehen des Waffenmissbrauches und gefährlicher Körperverletzung aus politischen Gründen zu neun Monaten Gefängnis. […] Jahreis habe mit einem 1 m langen und acht Zentimeter dicken Klafterstock auf Schrenker eingeschlagen mit dem Erfolge, dass dieser einen Bluterguss auf der linken Kopfseite erlitt. Jahreis habe sich dabei in dem Menschenknäul befunden. Darin liege ein Verbrechen des Landfriedensbruches in Tateinheit mit einem Vergehen des Waffenmissbrauches und einem Vergehen der gefährlichen Körperverletzung aus politischen Gründen.“ 413
Das Gericht erkannte zwar als mildernde Umstände an, dass keiner der Angeklagten vorbestraft war, alle einen guten Leumund genossen und sich keine der Verletzungen als schwerwiegend herausgestellt hatte, doch die Justiz differenzierte nicht zwischen den zugrunde liegenden Beweggründen der Verteidigung oder der Zerstörung der Republik. 414 Beide Kontrahenten wurden unter diesem Gesichtspunkt auf eine Stufe gestellt und gleich behandelt. Es ging dem zuständigen Richterkollegium in erster Linie darum, ein Exempel zu statuieren gegen die „Zunahme der politischen Ausschreitungen“ 415 und durch strenge Strafen den Rechtsfrieden wiederherzustellen. 416 Die Erhaltung der Demokratie spielte
in der offiziellen Argumentation der Richter keine Rolle. 417 In vielerlei Hinsicht war die Schlägerei am Schillerplatz charakteristisch für die politische Gewalt der Weimarer Republik und für das sozialistische Milieu in Bamberg. Das Jahr 1932 und besonders die Wochen vor der Reichstagswahl im Juli stellten die blutigste Phase der Demokratie dar. 418 Die Protagonisten der körperlichen Auseinandersetzungen waren in Bamberg ausnahmslos männlich, die ebenfalls im „Nöth“ anwesenden Frauen waren nicht verwickelt. 419 Bei der Eskalation ging es um die Kontrolle eines zentralen städtischen Platzes im öffentlichen Raum. Der Schillerplatz war nicht nur wegen der dort angesiedelten Parteilokale von strategischer Bedeutung, sondern er diente auch als Aufstellungs- und Sammlungsort für Umzüge und Demonstrationen. 420 Von hier starteten die Kundgebungen zur Maifeier, aber auch die Aufmärsche der Eisernen Front. 421 Am Schillerplatz schlug das linke Herz Bambergs. Es war daher logisch, dass gerade dieser Platz aus Sicht der Sozialdemokraten unter allen Umständen verteidigt werden musste. Im Prozess traten zudem, anhand der Verteidiger Dehler und Aron, die intakten rotjüdisch-demokratischen Verbindungen in Bamberg hervor. Gegen die NSDAP trat man geschlossen auf. Dies galt auch für die KPD-Bamberg. 422 In der kommunistischen Neuen Zeitung solidarisierte man sich mit den Arbeitern, die am Schillerplatz von den Nationalsozialisten „niedergeschlagen“ 423 worden waren. Die linke Koalition stand auch auf der Straße zusammen, beispielsweise bei Aufmärschen der NSDAP. 424 Gewaltsame Auseinanderset-
Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; vgl. FS v. 5.12.1932, Nr. 280; Dornheim/Schindler, Aron, S. 34 f. 414 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; FS v. 5.12.1932, Nr. 280; Dornheim/Schindler, Aron, S. 34 f. 415 Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; vgl. FS v. 3.12.1932, Nr. 279. 416 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; FS v. 5.12.1932, Nr. 280; Dornheim/Schindler, Aron, S. 34 f. 417 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; FS v. 5.12.1932, Nr. 280. 418 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 320–329. 419 Vgl. Schumann, Gewalt, S. 329–331. 420 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98; FS v. 28. 4.1928, Nr. 98; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80; FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 421 Vgl. FS v. 3. 5.1926, Nr. 99; FS v. 30. 4.1927, Nr. 98; FS v. 28. 4.1928, Nr. 98; FS v. 8. 4.1929, Nr. 80; FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 422 Vgl. NZA v. 3. 8.1932, Nr. 167. 423 NZA v. 3. 8.1932, Nr. 167. 424 Vgl. NZA v. 12. 8.1932, Nr. 175; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3. 412 413
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zungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten fanden in Bamberg nicht statt. 425 Die SPD und die ihr angeschlossenen Kampfbünde hatten in Bamberg seit Beginn den Kampf gegen die NSDAP federführend für das sozialistische Milieu übernommen. Linke Gewalt war in Bamberg vor allem sozialdemokratisch und nicht kommunistisch. Die Mitglieder des Reichsbanners und der Eisernen Front stellten daher selbst in den Dreißigerjahren die wichtigsten Akteure im Straßenkampf gegen die NSDAP. 426 Noch in seinem Entschädigungsverfahren unterstrich Josef Dennstädt diese Tatsache, indem er darlegte, als Führer des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold in Bamberg „an mehreren Zusammenstößen mit der SA beteiligt gewesen“ 427 zu sein. Im Gegensatz zur SPD beschränkten sich die Linksextremen in Bamberg oftmals auf Sabotageakte oder symbolische Aktionen, zum Beispiel das Einschlagen der gegnerischen Zeitungskästen. 428 Ihre Organisationsprobleme und geringe Anzahl verhinderten zunächst offene Konfrontationen als Methode. Erst allmählich begann die KPD auf diesem Feld eine aktivere und offensivere Rolle zu spielen. 429 Parallel mit der wachsenden Zustimmung zur KPD und ihrem Aufstieg 1932 änderte sich ihre Haltung auch in Bamberg. 430 Die Neue Zeitung berichtete im April 1932 von einer Verfolgungsjagd zwischen Nationalsozialisten und Kom-
munisten. 431 Am 24. Juli 1932 fuhren nach einer Großkundgebung der NSDAP mehrere KPD-Mitglieder uniformiert mit ihren Fahrrädern durch die Stadt. 432 Provozierend schrien sie dabei „Heil Moskau, nieder mit den Hitlerverbrechern.“ 433 Vorübergehenden Nationalsozialisten, die ebenfalls in Uniform von der Wahlversammlung zurückkehrten, brüllten sie die Beschimpfungen „Schnallentreiber, Zuhälter, Arbeitermörder“434 entgegen. Vom Fahrrad aus schlug einer der Linken, Nikolaus Deckert, einem Hitleranhänger mit der Faust ins Gesicht. 435 Als die Polizei daraufhin eingriff, wurden die Beamten mit einer Gaspistole und Luftpumpen angegriffen. 436 Dieser Gewaltausbruch führte im Winter 1932 ebenfalls zu einem Prozess vor dem Landgericht Bamberg, bei dem sechs KPD-Mitglieder bzw. Sympathisanten zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. 437 Darüber hinaus offenbarte sich die wachsende kommunistische Brutalität und Eigenständigkeit in Bamberg bei den Unruhen zum Auftritt von Heinrich Brüning am 25. Oktober 1932. 438 Der ehemalige Reichskanzler kam, um bei drei öffentlichen Wahlversammlungen der BVP zu sprechen: „Aus diesem Anlaß kam es auf den Straßen vor den Versammlungslokalen zu bisher in Bamberg noch nicht gekannten Ausschreitungen und schweren Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung.“ 439 Dabei wurde Brüning von Nationalsozialisten und Kommunisten mit Rufen wie „Pfui
Vgl. Schumann, Dirk: Europa, der Erste Weltkrieg und die Nachkriegszeit: eine Kontinuität der Gewalt? In: JMEH 1 (2003), S. 35; Schumann, Gewalt, S. 367. 426 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 427 Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685. 428 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 17.7.1931, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 7; Lagebericht v. 22.10.1931, StAN, Rep. 218/9, Nr. 791. 429 Vgl. NZA v. 12. 4.1932, Nr. 73; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; NZA v. 28.10.1932, Nr. 15; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 430 Vgl. NZA v. 12. 4.1932, Nr. 73; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 18. 7.1932, BayHStA, MA, Nr. 102.155/3; NZA v. 28.10.1932, Nr. 15; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 431 Vgl. NZA v. 12. 4.1932, Nr. 73. 432 Anklageschrift gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 18. 8.1932, StABa, K 105, Nr. 362; Urteil gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 3.11.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 433 Anklageschrift gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 18. 8.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 434 Anklageschrift gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 18. 8.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 435 Vgl. Anklageschrift gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 18. 8.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 436 Vgl. Anklageschrift gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 18. 8.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 437 Vgl. Urteil gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 3.11.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 438 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Bamberg v. 27.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; NZA v. 28.10.1932, Nr. 240; Blessing, Kirche, S. 20; Paulus, Achim: Politische Propaganda und Agitation in der Weimarer Republik im Spiegel von Justizakten des Oberlandesgerichtsbezirks Bamberg 15. 5.–6. 6.1997. Bamberg 1997, S. 41–43. 439 Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Bamberg v. 27.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 425
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg
Brüning! Brüning verrecke!“ 440 empfangen, als „Hungerkanzler“ 441 beschimpft, angegriffen und sein Auto mit Steinen beworfen. 442 Die Kommunisten störten den Besuch mit „Heil Moskau“-Rufen, während die Nationalsozialisten das „Horst-Wessel-Lied“ sangen. 443 Der Stadtkommissar resümierte einen Tag später das Ereignis als „traurig und beschämend“, 444 bei dem Kommunisten und Nationalsozialisten voller Hass und Gewalt „wie die Wilden“ 445 gegen Brüning vorgegangen seien und sich aufführten, „wie man es bei Angehörigen einer Kulturnation nicht für möglich“ 446 gehalten hätte. Löste diese neue Radikalität bei den Behörden Entsetzen aus, so gewann auf der anderen Seite die Linksradikale gerade durch diese neue kämpferische Entschlossenheit Mitglieder. 447 Adam Kaim und Georg Böhm gaben nach der NS-Zeit an, wegen des resoluten und aggressiven Auftretens von der SPD zu der KPD gewechselt zu sein. 448 Die kommunistische Partei vereinnahmte nun stärker den Straßenkampf des sozialistischen Milieus für sich und stellte sich
dabei sowohl gegen den Staat als auch gegen den Aufstieg des Nationalsozialismus. Nach Meinung von Georg Böhm war die KPD „ein organisierter Sauhaufen“ 449, bei dem es ihm besonders gefiel, dass ungezügelt gekämpft wurde. 450 So modifizierte sich in den letzten Monaten der Weimarer Republik nicht nur der Einfluss der Arbeiterparteien zugunsten der Kommunisten, sondern auch die gewaltsamen Auseinandersetzungen verschoben sich. Abschließend bleibt festzuhalten, dass Gewalt ein essentieller Bestandteil der Bamberger Politik in der Weimarer Republik war und sich das Ausmaß bis 1933 steigerte. 451 Das sozialistische Milieu trug dazu aktiv bei. Dennoch: Ein wirklicher Bürgerkrieg tobte nicht. 452 Die Gewalt entstand und eskalierte bei brisanten Ereignissen, Auftritten und Aufmärschen und beschränkte sich auf bestimmte umstrittene und parteilich umkämpfte Orte. Sie folgte einer Logik aus Provokation, Angriff, Verteidigung und blieb dadurch in einem gewissen Maß berechenbar, wenn auch nicht immer beherrschbar.
6.3 „Bamberg unterm Hakenkreuz“ 453: Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 6.3.1 Proteste, Demonstrationen und der Reichstagswahlkampf zum 5. März 1933 Schon die Verhandlungen über die möglichen Bedingungen einer Beteiligung der NSDAP an der Re-
gierung im Januar 1933 mobilisierten das sozialistische Milieu in Bamberg zum Protest. 454 Am 19. Januar berichtete der Freistaat nicht nur über ein Gespräch zwischen Franz von Papen und Adolf Hitler, 455 sondern neben dem Kampfsymbol der ge-
Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Bamberg v. 27.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 441 Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Bamberg v. 27.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 442 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Bamberg v. 27.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; NZA v. 28.10.1932, Nr. 240; Blessing, Kirche, S. 20. 443 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 444 Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 445 Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 446 Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 26.10.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 447 Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7135. 448 Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7135. 449 Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7135. 450 Vgl. Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7135. 451 Vgl. FS v. 16.10.1923, Nr. 232; FS v. 14.10.1926, Nr. 236; FS v. 3. 5.1928, Nr. 101; FS v. 1. 8.1932, Nr. 175; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 452 Die Ablehnung der These vom Bürgerkrieg am Ende der Weimarer Republik entspricht mittlerweile der allgemeinen Forschungsmeinung. Vgl. Schumann, Gewalt, S. 328, 366; Häberlen, Vertrauen, S. 47; Voigt, Kampfbünde, S. 403–412. Dem entgegen steht die Interpretation von Dirk Blasius, der das Ende der Weimarer Republik mit einem Bürgerkrieg gleichsetzt, dabei allerdings oft den Diskurs der Zeit mit den wirklichen Zuständen verwechselt. Vgl. Blasius, Dirk: Weimars Ende. Bürgerkrieg und Politik 1930–1933. Göttingen 2008. 453 FS v. 13. 3.1933, Nr. 59. 454 Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15; Büttner, Weimar, S. 492–497. 455 Vgl. Petzold, Joachim: Franz von Papen. Ein deutsches Verhängnis. München u. a. 1995, S. 134–148. 440
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ballten Faust erschien auch der Aufruf: „Eiserne Front. Marschiert morgen Freitag. Aufstellung: 730 auf dem Schillerplatz. […] Die Kampfleitung.“ 456 Der Aufmarsch entsprang keineswegs nur dem Wunsch der SPD, sondern war eine Aktion des gesamten Arbeitermilieus, wie die separat veröffentlichten Aufrufe einzelner Vereine und Gewerkschaftsverbände verdeutlichten. 457 So meldete die Freie Turnerschaft den Ausfall der Männerturnstunde, um sich geschlossen am Umzug der Eisernen Front beteiligen zu können und der Einheitsverband der Eisenbahner forderte in einer Anzeige seine Mitglieder ebenfalls zur Partizipation auf. 458 Im Anschluss jubelte die SPD-Presse über die „Riesenkundgebung der Eisernen Front auf dem Maxplatz“ 459 mit mehreren tausend Teilnehmern und beurteilte diese als ein siegreiches Kräftemessen für die Republikaner. 460 Am selben Tag hatten nämlich auch Kundgebungen der NSDAP und der Bayernwacht stattgefunden und man kam daher zu dem Schluss: „Wenn die nationalsozialistischen Agitationsredner immer wieder behaupten, daß die Mehrzahl des deutschen Volkes hinter Adolf Hitler steht, so wurden sie am Freitag abend, was die Verhältnisse in Bamberg anlangt, Lügen gestraft.“ 461
Bei der Versammlung auf dem Maxplatz hielt Josef Dennstädt eine Ansprache für „Brot und Arbeit“ 462 und gegen den „faschistischen Irrsinn“ 463. Seine Rede wurde durch gemeinsame „Freiheits“-Rufe beendet, bevor man geschlossen zum Schillerplatz zurückmarschierte. 464 Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 setzte das sozialistische Milieu seinen Protest gegen die NSDAP in der erprobten Art und Weise fort. 465 Die Eiserne Front bildete den organisatorischen Überbau zur Sammlung aller linken Kräfte bis März 1933. 466 In Übereinstimmung mit dem Legalitätskurs der SPD-Führung beschränkte man sich allerdings auf Veranstaltungen in Einklang mit der Verfassung. 467 Spontane Demonstrationen oder Streiks wie in manchen Großstädten und Arbeiterhochburgen kamen in Bamberg nicht zustande. 468 Stattdessen überließ man am Abend der NSDAP und dem Stahlhelm die Straße, die ungestört in Bamberg einen Fackelzug veranstalten konnte. 469 Die Arbeiterparteien und -organisationen vor Ort schienen überrumpelt und überrascht, sie setzten den Feierlichkeiten der NSDAP keine Maßnahme oder Veranstaltung entgegen. 470 Erst nach der Reichstagsauflösung und der Bekanntgabe von Neuwahlen am 1. Februar erwachte der Aktionismus der SPD. 471 Für das nächste Wochenende wurde neben der sozialdemokratischen Generalversammlung eine erste Flugblattver-
FS v. 19.1.1933, Nr. 15. Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15. Schmiechen-Ackermann hingegen zeichnet ein negatives Bild der Eisernen Front, die er als eine „Schimäre“ und „wenig handlungsfähige Mixtur“ bezeichnete. Seiner Meinung nach gelang es der Eisernen Front unter Führung der SPD und des Reichsbanners kaum, überhaupt Arbeitersportler in den Abwehrkampf zu integrieren. Dieser Interpretation wird hiermit anhand des Beispiels von Bamberg widersprochen. Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 397–402. 458 Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 459 FS v. 23.1.1933, Nr. 18. 460 Vgl. FS v. 23.1.1933, Nr. 18. 461 FS v. 23.1.1933, Nr. 18. 462 FS v. 23.1.1933, Nr. 18. 463 FS v. 23.1.1933, Nr. 18. 464 Vgl. FS v. 23.1.1933, Nr. 18. 465 Vgl. FS v. 13. 2.1933, Nr. 36; FS v. 21. 2.1933, Nr. 43; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 466 Vgl. FS v. 14. 2.1933, Nr. 37; FS v. 18. 2.1933, Nr. 41; FS v. 27. 2.1933, Nr. 48; FS v. 4. 3.1933, Nr. 53; Grubmüller/Langewiesche, Arbeiterbewegung, S. 90. 467 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 2.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 338 f.; Winkler, Katastrophe, S. 867–875. 468 Vgl. Schneider, Michael: Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939 (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 12). Bonn 1999, S. 39 f.; Winkler, Katastrophe, S. 870; Althaus/Bross/Döffinger, Mössingen, S. 151–166; Rohe, Reichsbanner, S. 457 f. 469 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 31.1.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Zehentmeier, Entwicklung, S. 150 f.; Ziegler, Machtergreifung. 470 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 483; Hambrecht, Aufstieg, S. 394: „An vielen Orten – besonders in Mittelfranken – dauerte es mehrere Tage, bis das Faktum der Machtergreifung Hitlers in das öffentliche Bewußtsein gedrungen war.“ Diese Analyse von Hambrecht entspricht auch der Situation in Bamberg. 471 Vgl. FS v. 3. 2.1933, Nr. 28; Winkler, Katastrophe, S. 876. 456 457
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teilung organisiert. 472 Auf der Zusammenkunft der Sozialdemokratie am 5. Februar beschwor man die „Geschlossenheit und Kampfbereitschaft“, 473 das Wachstum der Abwehrfront gegen den „braunen Spuk“ 474 und den Untergang der Gegner. 475 Personell setzte man mit dem Wechsel an der Spitze der Partei von Josef Dennstädt auf Georg Göttling ein Zeichen des Aufbruches. 476 Im Anschluss an dieses Wochenende der sozialdemokratischen Sammlung und Neuaufstellung folgte ein vierwöchiger, äußerst intensiv geführter Wahlkampf. 477 „Eine völlige Lähmung“ 478, Aktionsabstinenz und Hilflosigkeit, wie sie Carsten Voigt für Sachsen attestierte, traten in Bamberg nicht ein. 479 Wöchentlich organisierte die Eiserne Front mindestens eine große Kundgebung gegen den Nationalsozialismus. 480 Damit entfaltete das Arbeitermilieu eine Betriebsamkeit und einen Eifer, der sich mit anderen bayerischen Städten und sogar roten Hochburgen wie Nürnberg messen lassen konnte. 481 Den Auftakt bildete ein Aufmarsch am 11. Februar vom Schillerplatz ins Berggebiet, bei dem der neue SPDVorsitzende Georg Göttling vor der Brauerei „Greifenklau“ am Laurenziplatz eine Ansprache hielt. 482 Der Freistaat hatte zuvor täglich Aufforderungen zur Teilnahme abgedruckt: „Eiserne Front marschiert am Samstag auf dem Berggebiet. Raus aus den Wohnungen, auf die Straße.“ 483
„Einheit der Arbeiterschaft! Marschiert alle mit am Samstag den 11. Februar.“ 484 „Proleten seit [sic] einig, ihr habt viel zu verlieren. Heraus zum Aufmarsch der Eisernen Front. Antreten Samstag den 11. Februar, abends 7.30 Uhr auf dem Schillerplatz. Die Kampfleitung.“ 485 „Bamberger Arbeiterschaft. Heute ist dein Ehrentag! Aufmarsch der Eisernen Front! Antreten heute abends 7.30 auf dem Schillerplatz. Keiner darf zuhause bleiben. Die Kampfleitung der Eisernen Front.“ 486
Einzelne Vereine, wie die Naturfreunde, hatten ihre Mitglieder wieder gesondert zur geschlossenen Teilnahme aufgerufen. 487 Aus diesen Anzeigen und Zeilen wird ersichtlich, dass im Februar 1933 weder Lethargie noch Resignation oder „kampflose Kapitulation“ 488 im sozialistischen Milieu dominierten, sondern ernsthaft und tatkräftig die Abwehr des Nationalsozialismus angegangen wurde. 489 Dazu gehörten auch Gespräche der Bamberger Sozialdemokraten mit den Kommunisten, in denen man Absprachen über die Teilnahme an den Kundgebungen der Eisernen Front traf. 490 Bereits bei der Veranstaltung der Eisernen Front im Januar waren auch Linksradikale anwesend gewesen, die ihre Haltung mit „Rot-Front“-Rufen zum Ausdruck ge-
Vgl. FS v. 3. 2.1933, Nr. 28; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 474 FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 475 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 476 Vgl. FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 477 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Oberfranken und Mittelfranken v. 22. 2.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 28. 2.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587. 478 Voigt, Kampfbünde, S. 483. 479 Vgl. Voigt, Kampfbünde, S. 483–485. 480 Vgl. FS v. 13. 2.1933, Nr. 36; FS v. 21. 2.1933, Nr. 43; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50. 481 Vgl. Grubmüller/Langewiesche, Arbeiterbewegung, S. 90; Strauß, Heinrich: Fürth in der Weltwirtschaftskrise und nationalsozialistischen Machtergreifung. Studien zur politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung einer deutschen Industriestadt 1928–1933 (= Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Bd. 29). Nürnberg 1980, S. 357; Beer, Helmut: Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Nürnberg 1933–1945 (= Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Bd. 20). Nürnberg 1976, S. 166–169. 482 Vgl. FS v. 13. 2.1933, Nr. 36. 483 FS v. 8. 2.1933, Nr. 32. 484 FS v. 9. 2.1933, Nr. 33. 485 FS v. 10. 2.1933, Nr. 34. 486 FS v. 11. 2.1933, Nr. 35. 487 Vgl. FS v. 10. 2.1933, Nr. 35. 488 Scharrer, Manfred (Hg.): Kampflose Kapitulation. Arbeiterbewegung 1933. Reinbek 1984. 489 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 339; Voigt, Kampfbünde, S. 483–485. 490 Vgl. FS v. 14. 2.1933, Nr. 37; Grubmüller/Langewiesche, Arbeiterbewegung, S. 90. 472 473
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bracht hatten. 491 Im Februar legte man dann fest, dass die KPD nicht als Gruppe partizipieren durfte, aber einzelne Mitglieder bei den Umzügen mitmarschieren konnten. 492 Zudem wurde entschieden, dass sowohl rote als auch schwarz-rot-goldene Fahnen gestattet waren, aber nur die Uniform des Reichsbanners getragen werden durfte. 493 Die Eiserne Front diktierte also klar die Richtlinien, doch sie eröffnete den Bamberger Kommunisten durchaus Möglichkeiten, sich bei den Protesten zu integrieren. Im Prinzip kehrte man mit der Vereinbarung zur Praxis der Maifeiern in den Zwanzigerjahren zurück: Teilnahme der Kommunisten ohne marxistische Parteipolitik. Obwohl sich also die deutschlandweiten Parteiführungen nicht über eine gemeinsame Taktik oder Einheitsfront verständigen konnten, wurde auf lokaler Ebene ein Kompromiss geschlossen und die „Einheitsfront der Tat“ im kleinen Rahmen betrieben. 494 In der akuten Krise überlagerte das Zusammengehörigkeitsgefühl des sozialistischen Milieus die theoretischen Differenzen der Parteien und erlaubte die pragmatische Kooperation gegen die NSDAP. Im Arbeitermilieu Bamberg war dies möglich, da die Dominanz der gemäßigten sozialdemokratischen Richtung unbestritten blieb und das Vertrauen untereinander trotz der politischen Kämpfe in den Jahren zuvor nicht zerstört worden war. 495 Außerdem verfügten die Kommunisten ohne Unterstützung über zu wenig Einfluss und Anhänger und ihre Veranstaltungen unterlagen in Bayern meist den behördlichen Verboten, sodass sie große Aktionen der Eisernen Front überließen. 496 Diese Vorgehensweise zeigte sich auch in anderen Städten, beispielsweise in Würzburg. 497 Keinen Widerhall fanden 1933 die Aufrufe der KPD zum Generalstreik, die unter anderem durch die Neue Zeitung verbreitet wurden. 498 Das sozialistische Milieu achtete genau auf die Einhaltung aller
behördlichen Vorgaben, denn man wollte unter keinen Umständen Anlass zum Einschreiten der Polizei geben oder Verbote provozieren. 499 So meldete die Kampfleitung der Eisernen Front ihre Kundgebungen offiziell an und veröffentlichte am 11. Februar noch eine dringliche Anordnung für die Zugteilnehmer: „Die Kampfleitung der Eisernen Front gibt folgende Anweisung bekannt: Die Zugteilnehmer unterlassen alle Rufe irgendwelcher Art. Unser Kampfruf lautet: ‚Freiheit!‘ Das Mitbringen von Stöcken ist nicht gestattet. Ausnahme nur bei am Gehen Behinderte [sic]. Die Genossen werden ersucht, strengste Disziplin zu bewahren. Anrempelungen und Provokationen sind der Zugsleitung zu melden, die dafür sorgen wird, daß die Polizeiorgane sofort eingreifen.“ 500
Der anschließende städtische Bericht bestätigte tatsächlich den kontrollierten Ablauf der Kundgebung und die weitgehende Beachtung der aufgestellten Regeln: „Die Eiserne Front hatte auf 11. II. 33 abends einen Aufmarsch angemeldet. […] Der Zug der Eisernen Front setzte sich in einer Stärke von etwa 450–500 Mann vom Schillerplatz aus um ¾ 8 Uhr in Bewegung. Zahlreiche Anhänger der SPD. waren in den Aufmarsch-Straßen verteilt; zu ihnen gesellten sich zahlreiche Mitglieder anderer Parteien. […] Verschiedene kleinere Störungen, die sich am Laurenziplatz, am Knöcklein, in der Sandstraße, am Obstmarkt und am Schönleinsplatz bemerkbar machten, wurden sogleich unterbunden. Ein Zugsteilnehmer wird wegen Waffentragens zur Anzeige gebracht. Größere Störungen der Ruhe und Ordnung sind nicht zu verzeichnen gewesen. Beschimp-
Vgl. FS v. 23.1.1933, Nr. 18. Vgl. FS v. 14. 2.1933, Nr. 37. 493 Vgl. FS v. 14. 2.1933, Nr. 37. 494 Vgl. FS v. 14. 2.1933, Nr. 37; Schneider, Hakenkreuz, S. 40–48; Büttner, Weimar, S. 497. 495 Vgl. Schneider, Hakenkreuz, S. 46; Häberlen, Vertrauen, S. 140–191; Mallmann, Kommunisten, S. 380. 496 Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Oberfranken und Mittelfranken v. 4. 2.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677; Mehringer, KPD, S. 69. 497 Vgl. Grubmüller/Langewiesche, Arbeiterbewegung, S. 90. 498 Vgl. NZA v. 30.1.1933, Nr. 24; NZA v. 31.1.1933, Nr. 25; Schneider, Hakenkreuz, S. 34–39. 499 Vgl. FS v. 11. 2.1933, Nr. 35; FS v. 14. 2.1933, Nr. 37. 500 FS v. 11. 2.1933, Nr. 35. 491
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg
fungen des Reichskanzlers und anderer leitender Beamter des Staats und dergleichen wurden nicht wahrgenommen.“ 501
Ebenso liefen die übrigen Versammlungen und Aufzüge der Eisernen Front bis Anfang März geordnet und diszipliniert ab. 502 Die Reichstagswahl bot den nötigen Rahmen, um Kundgebungen und Aktionen zu organisieren. 503 Folglich betrieb man den Kampf gegen den Nationalsozialismus Anfang 1933 in erster Linie als Wahlkampf, ohne dass in Bamberg verfassungswidrige Handlungen des Arbeitermilieus bekannt wurden. 504 Man eröffnete beispielsweise eine Sammlung namens „Pulver für den Wahlkampf“, 505 bei der Geld für den „Befreiungskampf der Arbeiterschaft“ 506 zusammengetragen wurde. Vor allem die Gewerkschaftsverbände zahlten in Bamberg ein und leisteten so einen Beitrag ohne gegen die Politik des Abwartens der ADGB-Führung zu verstoßen. 507 Außerdem vertrieb man Fahrradwimpel in den Reichsfarben und verteilte in Kampagnen Flugblätter sowohl in der Stadt als auch im Umland. 508 Insgesamt richtete die Eiserne Front nach dem ersten Termin am 11. Februar bis zum 5. März noch vier größere Veranstaltungen aus. 509 Im Unterschied zur ersten Versammlung erschienen dabei auswärtige Redner, wie im Wahlkampf üblich: Am 16. Februar sprach der Reichstagsabgeordnete Gerhart Seger aus Dessau, am 25. Februar trat der Parteivorstand Wilhelm Dittmann aus Berlin auf, am 3. März kam der Bayreuther Reichstagsabgeordnete Fritz Puchta nach Bamberg und einen Tag später hielt der Nürnberger Stadtrat Georg Lowig die Ansprache bei der Abschlusskundgebung. 510 Letztere bestand aus einem Fackelzug vom Schillerplatz durch sämtliche Stra-
ßen der Wunderburg, zum Bahnhof und wieder zurück zum Schillerplatz. 511 Dort wurde der Schlussvortrag gehalten und der Freistaat berichtete anschließend pathetisch: „[…] Und auf dem Schillerplatz staute sich die tausendköpfige Menschenmenge, um der Kundgebung beizuwohnen, die der letzte Appell der ‚Eisernen Front‘ an die Bamberger Wählerschaft war. Genosse Stadtrat Lowig-Nürnberg fand mit seinem Aufruf an die Bamberger Wählerschaft begeisterten Beifall und seine Ausführungen wurden oft von spontanem Zustimmungsbekenntnis der Massen unterbrochen. Und als dann im Schein der bunten Feuer und der brennenden Fackeln der Schillerplatz in ein Flammenmeer gehüllt war und von der Fassade des Volkshauses herab der Mahnruf leuchtete: ‚Rettet Volk und Vaterland, wählt Liste 2!‘ da gab es auf dem weiten Platz wohl keinen, der sich des Ernstes der Situation nicht bewußt war und der nicht das heilige Gelöbnis ablegte, mit aller Kraft sich einzusetzen für einen Sieg des Sozialismus.“ 512
Mit dieser Veranstaltung bot das sozialistische Milieu dem am gleichen Abend stattfindenden Fackelzug der NSDAP Paroli. 513 Dieselbe Methode wandte auch die Eiserne Front in Nürnberg bei der letzten Wahlkampfversammlung an. 514 Abgesehen von der stimmungsvollen Propaganda stellte der Abend in Bamberg eine linke Machtdemonstration dar und unterstrich den Anspruch auf das rote Stadtviertel der Wunderburg und den Schillerplatz. Dies war umso wichtiger, da in den Nächten zuvor Nationalsozialisten die rote Fahne am „Nöth“ heruntergeholt und versucht hatten, dort hängende Wahltransparente zu beseitigen. 515
Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 2.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587. Vgl. FS v. 6. 3.1933, Nr. 54; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587. 503 Vgl. FS v. 8. 2.1933, Nr. 32; FS v. 13. 2.1933, Nr. 36; FS v. 24. 2.1933, Nr. 46. 504 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Strauß, Fürth, S. 355. 505 FS v. 8. 2.1933, Nr. 32. 506 FS v. 13. 2.1933, Nr. 36. 507 Vgl. FS v. 8. 2.1933, Nr. 32; FS v. 13. 2.1933, Nr. 36; Winkler, Katastrophe, S. 869–883. 508 Vgl. FS v. 23. 2.1933, Nr. 45; FS v. 24. 2.1933, Nr. 46. 509 Vgl. FS v. 13. 2.1933, Nr. 36; FS v. 21. 2.1933, Nr. 43; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; FS v. 4. 3.1933, Nr. 53. 510 Vgl. FS v. 15. 2.1933, Nr. 38; FS v. 23. 2.1933, Nr. 45; FS v. 2. 3.1933, Nr. 51; Winkler, Katastrophe, S. 872–878. 511 Vgl. FS v. 4. 3.1933, Nr. 53; Beer, Widerstand, S. 168 f. 512 FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 513 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587. 514 Vgl. Beer, Widerstand, S. 168 f. 515 Vgl. FS v. 6. 3.1933, Nr. 54. 501
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Vergleicht man den Wahlkampf der Eisernen Front in Bamberg von 1933 mit jenem vor der Reichstagswahl im Juli 1932, so stand er diesem gemessen an der Anzahl und Art der Veranstaltungen sowie der Intensität nicht nach. 516 Es zeigte sich aber deutlich die defensivere und zurückhaltendere Herangehensweise der SPD, die darauf bedacht war, gewaltsame Zusammenstöße mit der NSDAP zu vermeiden und keine Angriffsfläche zu bieten. 517 Man hatte genau die zunehmende Verbotspraxis gegen alle politischen Gegner der NSDAP registriert. 518 Am 4. Februar hatte die „Verordnung zum Schutz des deutschen Volkes“ des Reichspräsidenten in einem ersten Schritt die Versammlungsund Pressefreiheit beschnitten. 519 Diese verschärfte Zensur traf zunächst die KPD, sodass die kommunistische Neue Zeitung vom 18. bis 22. Februar verboten wurde. 520 Als Nächstes wurde am 21. Februar vorübergehend die sozialdemokratische Faschingszeitung Der Bamberger Zwiebeltreter untersagt und der Eisernen Front ein sechstägiges Aufmarschverbot in Bamberg erteilt. 521 Daraufhin druckte der Freistaat eine Karikatur mit dem Titel „Ein Dutzend gute Gründe“, in der zwei Arbeiter vor einer Wand voller Verbotsschilder stehen und darunter die Aussage zu lesen ist: „Siehst du, jetzt wird mir immer klarer, warum ich Liste 2 [d. h. SPD] wählen werde!“ 522 Die KPD zeigte sich solidarisch mit der SPD und entrüstete sich direkt nach ihrer Wiederzulassung in der Neuen Zeitung über das Verbot des Zwiebeltreters:
„Alles wird beschlagnahmt! […] In Bamberg wurde sogar die sozialdemokratische Faschingszeitung ‚Der Zwiebeltreter‘ beschlagnahmt, weil in ihr eine Verächtlichmachung der Reichsregierung erblickt wird! So sieht die Volksbefreiung im Dritten Reich aus. Werktätige, nehmt diesen Verbotsterror nicht widerstandslos hin.“ 523
In Bamberg richteten sich die Maßnahmen aber nicht nur gegen die Linksparteien, sondern auch gegen die BVP. 524 Deren Bamberger Volksblatt wurde vom 27. Februar bis zum 2. März wegen „Verächtlichmachung der Reichsregierung“ untersagt. 525 Als Folge dessen berichtete der Freistaat nicht nur über diese Anordnung, sondern informierte auch objektiv über falsche Gerüchte in Zusammenhang mit einem Auftritt von Heinrich Held auf einer BVP-Versammlung. 526 Die Bamberger Presse rückte also spürbar zusammen und stand sich gegen den zunehmenden Terror der NSDAP bei. 527 In der ersten Ausgabe des Bamberger Volksblatts nach der Unterbrechung verkündete die Redaktion sodann die Zurückstellung des Kampfes gegen den Bolschewismus und die Vordringlichkeit, den Rechtsradikalismus zurückzudrängen. 528 Am Tag nach dem Reichstagsbrand, also am 28. Februar, erschien die Neue Zeitung das letzte Mal und interpretierte darin das Feuer in der Nacht zuvor als „eine bestellte Provokation zur Vorbereitung des KPD-Verbots“. 529 Mit dieser Einschätzung lag die kommunistische Zeitung zum Teil richtig, denn mit der anschließenden Reichstagsbrandverordnung („Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat“) endete jegliche
Vgl. FS v. 1. 7.1932, Nr. 148; FS v. 2. 7.1932, Nr. 149; FS v. 11. 7.1932, Nr. 156; FS v. 1. 8.1932, Nr. 174. Anders beurteilt beispielsweise Helmut Beer die Situation in Nürnberg Anfang 1933. Er sieht bereits eine „gewisse Resignation“ in den Reihen der Eisernen Front. Hartmut Mehringer hingegen attestiert einen solchen Rückgang an Wahltätigkeiten nicht für die großen Städte wie Nürnberg, sondern nur in den kleineren Städten und Kommunen. Vgl. Beer, Widerstand, S. 166; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 339. 517 Vgl. FS v. 24. 2.1933, Nr. 46; FS v. 4. 3.1933, Nr. 53. 518 Vgl. FS v. 22. 2.1933, Nr. 44; FS v. 24. 2.1933, Nr. 46; FS v. 25. 2.1933, Nr. 47; FS v. 28. 2.1933, Nr. 49; FS v. 3. 3.1933, Nr. 52; FS v. 4. 3.1933, Nr. 53. 519 Vgl. Schneider, Hakenkreuz, S. 49. 520 Vgl. NZA v. 18. 2.1933, Nr. 41. 521 Vgl. FS v. 21. 2.1933, Nr. 43; FS v. 22. 2.1933, Nr. 44; NZA v. 23. 2.1933, Nr. 42. 522 FS v. 22. 2.1933, Nr. 44. 523 NZA v. 23. 2.1933, Nr. 42. 524 Vgl. FS v. 28. 2.1933, Nr. 49; Zehentmeier, Entwicklung, S. 152; Breuer, Wandel, S. 76 f. 525 Vgl. FS v. 28. 2.1933, Nr. 49; Frei, Provinzpresse, S. 270 f. 526 Vgl. FS v. 28. 2.1933, Nr. 49. 527 Vgl. Breuer, Wandel, S. 76 f. 528 Vgl. Breuer, Wandel, S. 76 f. 529 NZA v. 28. 2.1933, Nr. 46; vgl. Schneider, Hakenkreuz, S. 880. 516
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legale Tätigkeit der KPD. 530 In Bamberg führte dies zum Verbot der örtlichen Zeitschriften Rotes Echo und Der rote Scheinwerfer. 531 Zugleich wurden kommunistische Versammlungen untersagt. 532 Allerdings waren solche in Bamberg 1933 überhaupt nicht mehr gestattet worden, sodass sich die KPDOrtsgruppe wie in ganz Bayern bereits „in einer Art Halblegalität“ 533 befand. 534 Der letzte Versuch einer öffentlichen kommunistischen Versammlung war in der Regnitzstadt für den 21. Januar 1933 unternommen worden und durch den Stadtkommissar vereitelt worden. 535 Nach der Reichstagsbrandverordnung verschärften sich aber auch das Vorgehen und der willkürliche Terror gegen die Sozialdemokratie. 536 In Bamberg beschlagnahmte die Polizei den Freistaat vom 28. Februar, obwohl gegen das Kopfblatt Fränkischer Volksfreund nicht vorgegangen wurde. 537 Für die geplante Kundgebung der Eisernen Front am 3. März entzog man „im letzten Moment“ 538 die Konzession des Zentralsaals. 539 Der Freistaat kommentierte dies mit dem Sprichwort „Viel Feind! Viel Ehr!“ 540 und verkündete, dass die Versammlung stattdessen geteilt würde und in zwei Lokalitäten, nämlich im „Schwarzen Adler“ und im „Eckenbüttner“ stattfände. 541 Die SPD-Bamberg arrangierte sich also mit diesem Verbot. Immer mehr passte sie sich an und beugte sich den Vorgaben der NSDAP. 542 Den offenen Schlagabtausch wie das ka-
tholische Bamberger Volksblatt vermieden die Sozialdemokraten in Bamberg aus Furcht vor neuen Repressalien. 543 Schon am 24. Februar, also noch vor dem Reichstagsbrand, hatte die Eiserne Front dazu aufgerufen, nicht mehr nationalsozialistische Versammlungen als Gegenredner zu besuchen: „Wir ersuchen euch, laßt die Handlanger der Reaktion unter sich, bleibt allen Veranstaltungen der Nazi fern! Bleibt ruhig und besonnen!“ 544 Eindringlich mahnte man auch wieder vor dem Fackelzug am 4. März zu Disziplin und Mäßigung: „Die Mitglieder der ‚Eisernen Front‘ werden dringend ersucht, alle Versuche, den Zug zu stören, unbeachtet zu lassen. Polizei wird dafür sorgen, daß die Störenfriede zurechtgewiesen werden. Im übrigen ersucht die Kampfleitung, Besonnenheit zu bewahren.“ 545
Die defensive Taktik zeigte insoweit Erfolg, als dass der Wahlkampf 1933 unblutiger ablief als im Jahr zuvor. 546 Lediglich zwei Mal, nämlich am 11. Februar und am 13. Februar, wurden noch Zusammenstöße zwischen der NSDAP und Mitgliedern der Eisernen Front registriert. 547 Eine dieser Schlägereien hatte sich im Laufe eines Aufmarsches der NSDAP entwickelt, als die Republikaner den Nationalsozialisten mit „Freiheits“-Rufen begegneten und ein Eisenteil auf den Zug warfen. 548 Letztend-
Vgl. Mehringer, KPD, S. 70 f.; Schneider, Hakenkreuz, S. 880 f. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 152 f. 532 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 152 f.; Mehringer, KPD, S. 70. 533 Mehringer, KPD, S. 69. 534 Vgl. Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Oberfranken und Mittelfranken v. 4. 2.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677; FS v. 19.1.1933, Nr. 15; Mehringer, KPD, S. 69–71. 535 Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15. 536 Vgl. FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; FS v. 2. 3.1933, Nr. 51; FS v. 3. 3.1933, Nr. 52; FS v. 4. 3.1933, Nr. 53. 537 Vgl. FS v. 1. 3.1933, Nr. 50. 538 FS v. 3. 3.1933, Nr. 52. 539 Vgl. FS v. 3. 3.1933, Nr. 52. 540 FS v. 3. 3.1933, Nr. 52. 541 Vgl. FS v. 3. 3.1933, Nr. 52. 542 Vgl. FS v. 24. 2.1933, Nr. 46; FS v. 3. 3.1933, Nr. 52; FS v. 4. 3.1933, Nr. 53. 543 Vgl. Breuer, Wandel, S. 76 f. 544 FS v. 24. 2.1933, Nr. 46. 545 FS v. 4. 3.1933, Nr. 53. 546 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 2.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 28. 2.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587. 547 Vgl. FS v. 13. 2.1933, Nr. 36; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 18. 2.1933, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Oberfranken und Mittelfranken v. 22. 2.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Oberfranken und Mittelfranken v. 14. 3.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677. 548 Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 18. 2.1933, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 530 531
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lich wurden drei Mann der Eisernen Front verletzt, bevor die Polizei den Gewaltausbruch beendete. 549 Anschließend prangte zwar noch immer die geballte und kämpferische Faust der Eisernen Front auf dem Freistaat, doch de facto zogen sich die Sozialdemokraten Bambergs schon vor den Reichstagswahlen 1933 von dem „Schlachtfeld Straße“ zurück. 550 Somit gaben sie der NSDAP immer mehr Raum für ihre Propaganda, ihre Auftritte und ihre Gewalt. Mental bereitete sich das sozialistische Milieu auf eine Form neuer Sozialistengesetze vor und vertraute darauf, gestärkt aus dieser Phase der nationalsozialistischen Regierung hervorzugehen. 551 Mehrmals publizierte die SPD im Freistaat die Parole „Nach Hitler kommen wir!“ 552 von Karl Höltermann, dem Bundesvorsitzenden des Reichsbanners. 553 Diese Worte wurden zum neuen Mantra, um weiterhin Mut und Hoffnung zu verbreiten. Sowohl Josef Dennstädt als auch Johann Engert zitierten den Aufruf nach der Reichstagswahl in einem Appell an die Bamberger Arbeiterschaft. 554 Alles in allem zeigte der Wahlkampf, dass das sozialistische Milieu noch lebte, zusammenhielt und die noch vorhandenen legalen Möglichkeiten zum Protest ausschöpfte. Auch nach dem 5. März 1933 versprach die SPD-Bamberg ihren Mitgliedern abermals neue Aktivitäten gegen den Nationalsozialismus. 555 Die Organisationen bestanden zu diesem Zeitpunkt noch, doch das während der Weimarer Republik aufgebaute Selbstbewusstsein der Bamberger Arbeiterbewegung war deutlich geschrumpft und kaum mehr aufzuspüren.
6.3.2 Machtergreifung und Verhaftungen Am 14. März 1933 meldete der Stadtrat Bamberg: „Die nationale Revolution und die im Zusammenhang damit durchgeführten Aktionen (Flaggenhissung – Schutzverhaftung der Funktionäre und führenden Persönlichkeiten der KPD., des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, der Eisernen Front und der Bayernwacht – Haussuchungen – Einrichtung der Hilfspolizei aus den Reihen der hiesigen SA und SS usw.) sind in Bamberg bis jetzt reibungsund störungslos verlaufen.“ 556
Auf den ersten Blick entsprach diese Meldung der vordergründigen Entwicklung, doch rührten sich im März 1933 noch vielfach Stimmen, Ablehnung und Widerstand gegen die NSDAP als neue Machthaber in Bamberg. 557 Sowohl das sozialistische Milieu als auch das katholische Milieu wehrten sich gegen die Maßnahmen der Nationalsozialisten, aber auch Verwaltungsbeamte wie Paul Köttnitz und Oberbürgermeister Weegmann widersetzten sich und protestierten. 558 Bayernweit wurde der 9. März 1933 zum Tag der Machtergreifung, als die Einsetzung Franz Ritter von Epps als Generalstaatskommissar erzwungen wurde. 559 Der Freistaat erschien an diesem Tag mit einem Bericht über die Stadtratssitzung am Tag zuvor und verhöhnte eine unsachgemäße Anfrage von Lorenz Zahneisen über die Weinbestellungen der Stiftungen. 560 Ursprünglich war auch eine Parteiausschusssitzung der SPD für diesen Tag vorgesehen, die jedoch aus nicht genannten Gründen um einen Tag auf den 10. März verschoben wurde. 561 Am Nachmittag des 9. März
Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 18. 2.1933, BayHStA, MInn, Nr. 71718. Vgl. FS v. 4. 3.1933, Nr. 53; Halbmonatsbericht des Regierungspräsidiums von Oberfranken und Mittelfranken v. 14. 3.1933, BayHStA, StK, Nr. 6677. 551 Vgl. FS v. 4. 3.1933, Nr. 53; Mehringer, SPD, S. 339. 552 FS v. 18. 2.1933, Nr. 41; FS v. 7. 3.1933, Nr. 55. 553 Vgl. Schneider, Hakenkreuz, S. 48. 554 Vgl. FS v. 7. 3.1933, Nr. 55. 555 Vgl. FS v. 7. 3.1933, Nr. 55. 556 Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587. 557 Vgl. FS v. 9. 3.1933, Nr. 57; FS v. 13. 3.1933, Nr. 59; Köttnitz-Porsch, Konflikt, S. 273–292. 558 Vgl. FS v. 9. 3.1933, Nr. 57; FS v. 13. 3.1933, Nr. 59; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Köttnitz-Porsch, Konflikt, S. 273– 292; Breuer, Wandel, S. 76–81; Zehentmeier, Entwicklung, S. 154–164. 559 Vgl. Ziegler, Machtergreifung; Hartmann, Weg, S. 507–509; Zorn, Geschichte, S. 356–361. 560 Vgl. FS v. 9. 3.1933, Nr. 57. Lorenz Zahneisen behauptete dabei, dass die Bamberger Weinhändler nicht bedacht wurden, sondern das Bürgerspital den Wein über einen jüdischen und auswärtigen Händler bezogen hätte. Der zuständige Verwaltungsrat Röckl legte hingegen dar, dass überhaupt kein Wein von der Stiftung geordert worden sei; es könnte sich höchstens um eine Privatbestellung handeln, die aber nicht Thema des Stadtrats sei. 561 Vgl. FS v. 8. 3.1933, Nr. 56; FS v. 9. 3.1933, Nr. 57. 549 550
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erschienen die nationalsozialistischen Stadträte Zahneisen, Schäfer und Wanderer bei Oberbürgermeister Weegmann und verlangten das Hissen der alten Reichsflagge sowie der Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus. 562 Ein Stück weit offenbarte diese Forderung die Mäßigung der örtlichen NSDAP, denn sie versuchte nicht, ausschließlich die Hakenkreuzfahne aufzuziehen, sondern bemühte sich um den Schulterschluss mit den militärischen und monarchischen Kreisen durch die Würdigung der schwarz-weiß-roten Nationalfarben. 563 Außerdem kam man so dem Stahlhelm entgegen, der in Bamberg an der Durchführung der Aktion und der anschließenden Feier beteiligt war. 564 Oberbürgermeister Weegmann protestierte formell, signalisierte aber zugleich, dass er „der Durchführung des beabsichtigten Vorhabens nicht mit Polizeigewalt begegnen“ 565 würde. 566 Folglich konnten die Nationalsozialisten den symbolischen Akt auf dem Balkon des Rathauses vollziehen und zelebrieren, wie dies auch in anderen bayerischen Städten, München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg, erfolgte. 567 Zu Demonstrationen oder Unruhen des Arbeitermilieus gegen die Übernahme des Rathauses wie in Schwabach kam es nicht. 568 Indes übte Weegmann zwei Tage später öffentlichkeitswirksam Kritik an dem nationalsozialistischen Vorgehen, indem er in den Bamberger Tageszeitungen eine Erklärung gegen die NSDAP publizierte und die Hakenkreuzfahne am Rathaus verurteilte. 569 Der Freistaat
konnte zwar erst wieder am 13. März erscheinen, da zuvor die Druckerei in Würzburg durch die SA besetzt worden war, doch diese Ausgabe wurde von der SPD genutzt, um unter der Überschrift „Bamberg unterm Hakenkreuz“ 570 in aller Ausführlichkeit die Erläuterung des Oberbürgermeisters wiederzugeben. 571 Der Oberbürgermeister führte demnach aus: „Ich mache keine [sic] Hehl daraus, daß ich entsprechend dem Bekenntnis, das ich beim Antritt meines Amtes abgelegt habe, dem Hissen einer Parteifahne absolut ablehnend gegenüberstehe. […] Unter keinen Umständen möchte und wollte ich aber die Verantwortung dafür auf mich nehmen, daß unter Gewaltanwendung eine Situation heraufbeschworen wird, bei der nach Lage des Falles ein Blutvergießen in den Reihen der eigenen Volksgenossen unvermeidbar gewesen wäre.“ 572
Luitpold Weegmann unterstrich damit seine Abneigung, aber auch seine Priorität, in Bamberg Ruhe und Ordnung trotz der nationalsozialistischen Umwälzung zu sichern. 573 Zugleich machte er durch die Veröffentlichung auf den eigenen Machtanspruch und seine Autorität aufmerksam. 574 Das Bamberger Stadtoberhaupt war nicht gewillt, den Nationalsozialisten die Politik in Bamberg zu überlassen und sich aus freien Stücken zurückzuziehen. 575 Im Stadtrat versuchte er daher mithilfe der Vertrauens-
Vgl. FS v. 13. 3.1933, Nr. 59; Zehentmeier, Entwicklung, S. 154 f.; Bamberger Jahrbuch 1934, S. 17 f. Diese Vorgehensweise des Hissens beider Flaggen wurde auch in anderen bayerischen Städten praktiziert. In Augsburg erreichte die SPD sogar zusätzlich noch das Aufziehen der weiß-blauen Fahne, sodass die Hakenkreuzfahne nur eine von drei Flaggen bildete. Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 397 f.; Strauß, Fürth, S. 419 f.; Hetzer, Augsburg, S. 77 f. 564 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 397 f.; Zehentmeier, Entwicklung, S. 154 f. 565 FS v. 13. 3.1933, Nr. 59. 566 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 154 f. 567 Vgl. Gehringer, Horst: Die nationalsozialistische Machtübernahme in der Provinz am Beispiel der Ereignisse in und um Bamberg. In: BHVB 152 (2016), S. 298; Gotto, Bernhard: Machtergreifung und Gleichschaltung. In: „Machtergreifung“ in Augsburg. Anfänge der NS-Diktatur 1933–1937 (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 4). Hg. v. M. Cramer-Fürtig/B. Gotto. Augsburg 2008, S. 17–27; Weidisch, Peter: Die Machtergreifung in Würzburg 1933 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 5). Würzburg 1990, S. 65–73; Hanko, Helmut: Die nationalsozialistische Machtübernahme im Münchner Rathaus. In: München – „Hauptstadt der Bewegung“. Bayerns Metropole und der Nationalsozialismus. Hg. v. R. Bauer/H. G. Hockerts/B. Schütz u. a. München 1993, S. 196; Hambrecht, Aufstieg, S. 397 f.; Nerdinger, Winfried (Hg.): München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München. München 2015, S. 106 f.; Zorn, Geschichte, S. 361 f. 568 Vgl. Dippert, Wolfgang: Die Machtergreifung der NSDAP in Schwabach (= Ausstellungskatalog des Schwabacher Stadtarchivs, Bd. 8). Schwabach 2013, S. 13–16. 569 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 155; Gehringer, Machtübernahme, S. 303 f. 570 FS v. 13. 3.1933, Nr. 59. 571 Vgl. FS v. 13. 3.1933, Nr. 59. 572 FS v. 13. 3.1933, Nr. 59; vgl. BV v. 11. 3.1933, Nr. 59. 573 Vgl. FS v. 13. 3.1933, Nr. 59. 574 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 156. 575 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Zehentmeier, Entwicklung, S. 158–160. 562 563
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„Bamberg unterm Hakenkreuz“: Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft
frage, die Mitarbeit der Nationalsozialisten durchzusetzen. 576 Diesen taktischen Schachzug konterte Zahneisen, indem er mehrmals die Vertagung der Sitzung durchsetzte und auf die baldige Neubildung des städtischen Gremiums verwies. 577 Noch war die nationalsozialistische Herrschaft nicht abgesichert und die örtliche NSDAP-Fraktion befand sich in einer Minderheit im Stadtrat. 578 Daher boten gerade die Sitzungen die Möglichkeit für Protest und Einsprüche – eine Option, die von den Sozialdemokraten genutzt wurde. 579 Am 23. März stimmten die SPD-Stadträte geschlossen gegen die Umbenennung der Langen Straße, während alle anderen Fraktionen dem Antrag von Lorenz Zahneisen folgten, „daß in Anerkennung der Verdienste des Reichskanzlers Adolf Hitler um das Gesamtwohl des Deutschen Volkes, ihm zu Ehren eine der bedeutendsten Strassen in Bamberg und zwar die Langestrasse in Zukunft die Bezeichnung ‚Adolf-Hitler-Straße‘ […] [tragen werde].“ 580
Diese Absage von den anwesenden Sozialdemokraten Johann Steitz, Georg Dotterweich und Johann Willner war insofern mutig, da Zahneisen bereits offen den Ausschluss der sozialdemokratischen Fraktion propagierte. 581 Als Begründung für diesen Schritt hatte ihm am Tag zuvor eine angebliche Rundfunknachricht gedient. 582 Weder Rechtsrat Adam Reimund Rückel noch der SPD-Fraktionsführer Johann Steitz akzeptierten diesen nationalsozialistischen Vorstoß. 583 Letzterer protestierte mit folgenden Worten:
„Meine Herren! Auf jeden Fall wäre es interessant zu wissen, aus welchen Gründen wir aus der Sitzung ausgeschlossen werden sollen; es muß doch angegeben werden können, welches Ministerium die Verordnung erlassen hat, es ist auch notwendig zu wissen, welche Verbrechen meine Fraktion begangenen hat, um von der Sitzung ausgeschlossen zu werden.“ 584
Nachdem anschließend die Sitzung kurz unterbrochen worden war, die Aussage von Zahneisen aber nicht verifiziert werden konnte, stellte Rückel entweder die Verschiebung der Beratungen oder aber den freiwilligen Rückzug der SPD als Alternativen vor. 585 Ein solcher Verzicht kam jedoch für die SPD nicht in Betracht, wie die anschließende Stellungnahme klarmachte: „Wir haben keine Veranlassung, die Sitzung zu verlassen, da wir nicht wissen, warum wir ausgeschlossen werden sollen.“ 586 Daraufhin sprachen sich alle Fraktionen für einen Aufschub aus, um die Angelegenheit zu klären. 587 Indem die Sozialdemokraten weiterhin im Stadtrat erschienen, zeigten sie unmissverständlich ihre Standhaftigkeit gegen die NSDAP. 588 Allerdings gab Weegmann dem Druck der Nationalsozialisten nach und schlug als Eingeständnis eine Pause der Sitzungen bis zur Umbildung des Stadtrats nach dem Reichstagswahlergebnis vor. 589 Er versuchte damit, die Situation zu deeskalieren und friedlich zu gestalten, denn Lorenz Zahneisen hatte zuvor dezidiert Stellung bezogen: „Ich möchte grundsätzlich erklären, daß wir eine Revolution hinter uns haben, deren Ziel es ist, grundsätzlich mit dem Marxismus aufzuräumen,
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 578 Vgl. Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930, S. 585; Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Gehringer, Machtübernahme, S. 301–306; Ziegler, Machtergreifung. 579 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 580 Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 581 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 582 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 583 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 584 Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 585 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 586 Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 587 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 588 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 589 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 576 577
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nicht nur in persönlicher Hinsicht sondern auch in weltanschaulicher Hinsicht. Es ist für uns Nationalsozialisten untragbar noch weiter im Stadtparlament zu verhandeln mit der Fraktion der Sozialdemokraten, die keineswegs nach ihrer Stärke der heutigen Einstellung des Volkes entspreche. Nach einer Vorordnung, die in den nächsten Tagen bestimmt zu erwarten ist, werden die Nationalsozialisten die rechte Seite des Hauses vollständig einnehmen.“ 590
Nach dieser Kampfansage folgte das gesamte Gremium der Empfehlung von Weegmann. Das heißt, auch die Sozialdemokraten willigten ein, sodass der Stadtrat seine Entmachtung im Endeffekt selbst vorantrieb. 591 Sowohl Oberbürgermeister Weegmann als auch Lorenz Zahneisen war daran gelegen, die „nationale Revolution“ in Bamberg störungsfrei umzusetzen; dieser gemeinsame Nenner prägte ihr beider Handeln. 592 Die Nationalsozialisten waren schließlich bemüht, den Umbruch 1933 in Kontrast zur marxistischen Revolution 1918 als geordnet, gütlich und fortschrittlich darzustellen. Zahneisen verbat sich daher jeglichen Vergleich mit der Neugestaltung nach dem Ersten Weltkrieg und betonte, dass dies seinem persönlichen Eingreifen zu verdanken sei. 593 Ihm war es wichtig, nicht als ein zweiter Julius Streicher zu erscheinen und er trat bewusst anders auf. 594 Folglich kam es im Bamberger Stadtrat nicht zu gewaltsamen Szenen wie etwa in Nürnberg oder München. 595 Insoweit kann die Machtergreifung in Bamberg als gemäßigt gelten –
ein Phänomen, das sich vor allem in Klein- und Mittelstädten zeigte. 596 Zurückhaltung, Flexibilität und Kontinuität waren in diesen Orten 1933 oftmals vorherrschend, wobei dem Charakter des Ortsgruppenleiters der NSDAP eine Schlüsselstellung zukam. 597 So ließ sich Zahneisen zwar am 26. April 1933 zum zweiten Bürgermeister wählen, beanspruchte vorerst aber nicht den Posten des Ersten Bürgermeisters von Luitpold Weegmann. 598 Dieser trug selbst zu seiner Amtsfortführung bei, da er deutlich zu verstehen gab, als „offener deutscher Mann“ 599 den Nationalsozialismus zu unterstützen und Zahneisen Anerkennung und Dank zollte. 600 Im Gegenzug war Zahneisen sich wohl bewusst, dass er den Oberbürgermeister aufgrund seines Ansehens und seines Expertenwissens (noch) brauchte und tat kund: „Wir haben keine Veranlassung, die Ehre des Herrn Oberbürgermeisters anzugreifen.“ 601 Diese Annäherung und Abstimmung von Zahneisen und Weegmann wurde von der BVP-Fraktion mitgetragen, die im Stadtrat nach der Reichstagswahl keinerlei Widerstand mehr leistete und den Gesuchen der Nationalsozialisten ihre Zustimmung erteilte. 602 Die einzige verbliebene wirkliche Opposition stellten in Bamberg die Sozialdemokraten. 603 Nach dem „Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31. März wurde der Stadtrat gemäß dem Reichstagswahlergebnis vom März 1933 neu gebildet. 604 Die SPD erhielt dadurch vier Sitze, nämlich für Josef Dennstädt, Georg Grosch, Andreas Bayer und Anton
Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. Vgl. Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 592 Vgl. FS v. 13. 3.1933, Nr. 59; Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 593 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 594 Vgl. Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 595 Vgl. Beer, Widerstand, S. 172–175; Hanko, Machtübernahme, S. 198. 596 Vgl. Noakes, Jeremy: Nationalsozialismus in der Provinz: Kleine und mittlere Städte im Dritten Reich 1933–1945. In: Nationalsozialismus in der Region. Beiträge zur regionalen und lokalen Forschung und zum internationalen Vergleich (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Sondernummer). Hg. v. H. Möller/A. Wirsching/W. Ziegler. München 1996, S. 241–243. 597 Vgl. Noakes, Provinz, S. 241–243. 598 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Zehentmeier, Entwicklung, S. 162 f.; Zeitler, Peter: Lorenz Zahneisen (1897–1950). Oberbürgermeister und NSDAP-Kreisleiter. In: Der Vergangenheit auf der Spur. Lebensbilder aus dem Bamberger Land. Hg. v. G. Dippold/R. Kühhorn/W. Rössler. Bamberg 2014, S. 122 f. 599 Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 600 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Zehentmeier, Entwicklung, S. 163. 601 Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Noakes, Provinz, S. 241. 602 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Breuer, Wandel, S. 81–88. 603 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 604 Vgl. Gotto, Machtergreifung, S. 20; Gehringer, Machtübernahme, S. 305 f.; Domröse, Ortwin: Der NS-Staat in Bayern von der Machtergreifung bis zum Röhm-Putsch (= Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München, Bd. 47). München 1974, S. 104. 590 591
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Schlauch. 605 Außerdem berücksichtigte man die Sozialdemokraten noch bei der Besetzung der Senate und Ausschüsse. 606 Dieses Entgegenkommen war gleichwohl nur ein formales Zugeständnis, denn bei der ersten Sitzung des neuen Stadtrats fehlten bereits zwei Sozialdemokraten. 607 Im Protokoll hieß es: „Stadtrat Bayer und Dennstädt ließen sich entschuldigen, da sie sich in Schutzhaft befinden.“ 608 Eine Formulierung, die die Absurdität der Situation ungewollt komisch zum Ausdruck brachte. Umso couragierter verhielten sich Georg Grosch und Anton Schlauch: Sie erschienen trotzdem und stimmten konsequent gegen die NSDAP-Anträge. 609 Bei der Wahl von Lorenz Zahneisen zum zweiten Bürgermeister gaben sie leere Stimmzettel ab. 610 Als der NSDAP-Ortsgruppenleiter zudem die Ernennung von Hindenburg, Hitler und Schemm zu Ehrenbürgern einforderte, wurde „dem Antrag […] mit allen gegen 2 Stimmen zugestimmt.“ 611 Die Bamberger Sozialdemokraten hatten sich somit wieder verweigert, wohingegen in anderen fränkischen Städten die SPD-Vertreter teilweise ihr Einverständnis gaben. 612 Die nationalsozialistischen „Maßnahmen zur Sicherung der neuen Staatsgewalt“ 613 umfassten in Bamberg aber nicht nur die Schutzhaft 614 von Josef
Dennstädt und Andreas Bayer. Wie überall in Deutschland oszillierte die NSDAP-Politik zwischen „Faszination und Gewalt“ 615: Der Aufbau der „Volksgemeinschaft“ erfolgte parallel zur Ausgrenzung der Gegner. 616 So wurde die charismatische Dimension der Herrschaft von den Faktoren Einschüchterung, Terror und Gewalt begleitet. 617 Zunächst prägte vor allem das Schlagwort des „Antimarxismus“ den nationalsozialistischen Kurs. 618 Lorenz Zahneisen hatte im Stadtrat das Ziel verkündet, den Marxismus in persönlicher und weltanschaulicher Hinsicht zu beseitigen. 619 Direkt nach der Machtergreifung und dem Hissen der Hakenkreuzfahne fand am 10. März die erste umfangreiche Verhaftungsaktion gegen das sozialistische Milieu statt. 620 Diese richtete sich in Bayern nicht nur gegen die Kommunisten, sondern wurde durch Anordnung des kommissarischen Innenministers Adolf Wagner auf die Funktionäre des Reichsbanners ausgeweitet. 621 Die konkrete Ausführung differierte von Ort zu Ort und lag im Ermessensspielraum der verantwortlichen Behörden. 622 Je nach Einfluss und Widerstandspotenzial des Arbeitermilieus, aber auch abhängig von der lokalen Stärke der NSDAP, kam es zu einer mehr oder weniger breiten Verfolgung der Linken. 623 Eine wichtige Rolle spiel-
Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Gehringer, Machtübernahme, S. 305 f. Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Gotto, Machtergreifung, S. 21. 607 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 608 Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; vgl. Gehringer, Machtübernahme, S. 306. 609 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 610 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Zehentmeier, Entwicklung, S. 163. 611 Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; vgl. Gehringer, Machtübernahme, S. 307; Hanko, Machtübernahme, S. 198; Bamberger Jahrbuch 1934, S. 19. 612 Vgl. Hambrecht, Aufstieg, S. 398. 613 Bamberger Jahrbuch 1934, S. 18. 614 Zum nationalsozialistischen Gebrauch und der rechtlichen Auslegung des Euphemismus „Schutzhaft“ vgl. Kimmel, Günther: Das Konzentrationslager Dachau. Eine Studie zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. In: Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt (= Bayern in der NS-Zeit, Bd. 2). Hg. v. M. Broszat/E. Fröhlich. München u. a. 1979, S. 349–353. 615 Vgl. Täubrich, Hans-Christian: Faszination und Gewalt. Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg. Nürnberg 2006. 616 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Detlef (Hg.): „Volksgemeinschaft“: Mythos, wirkungsmächtige soziale Verheißung oder soziale Realität im „Dritten Reich“? Zwischenbilanz einer kontroversen Debatte (= Nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“. Studien zu Konstruktion, gesellschaftlicher Wirkungsmacht und Erinnerung, Bd. 1). Paderborn u. a. 2012. 617 Vgl. Wirsching, Andreas: Die deutsche „Mehrheitsgesellschaft“ und die Etablierung des NS-Regimes im Jahre 1933. In: Das Jahr 1933. Die nationalsozialistische Machteroberung und die deutsche Gesellschaft (= Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte, Bd. 9). Hg. v. A. Wirsching. Göttingen 2009, S. 11–18.; Süß, Dietmar: Gewalt und Gewalterfahrung im „Dritten Reich“. In: München und der Nationalsozialismus. Katalog des NSDokumentationszentrums München. Hg. v. W. Nerdinger. München 2015, S. 427–434. 618 Vgl. Wirsching, Mehrheitsgesellschaft, S. 16 f. 619 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 22. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 620 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Krause, 115 Jahre, S. 66; Gehringer, Machtübernahme, S. 304; Mehringer, KPD, S. 73; Zehentmeier, Entwicklung, S. 156 f. 621 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 340; Ziegler, Machtergreifung; Domröse, NS-Staat, S. 83. 622 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 340. 623 Vgl. Noakes, Provinz, S. 239 f. 605
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ten die offiziell zu Hilfspolizisten erhobenen SAund SS-Männer, die die regulären Polizeieinheiten unterstützten. 624 Bamberg nahm im bayernweiten Vergleich eine Mittelstellung bei der Anzahl der Inhaftierungen ein. 17 Festnahmen führte man bei der ersten Operation gegen die Arbeiterbewegung durch. 625 Unter den Betroffenen waren die Kommunisten Anton Riel, Adam Kaim, Anton Nossol und Josef Dietz. 626 Darüber hinaus wurden Otto Geyer und Alex Barth, die sich beide schon wegen früherer politischer Strafdelikte im Gefängnis befanden, direkt in die Schutzhaft überführt. 627 Gegenüber den Leitern des Reichsbanners war man hingegen in Bamberg zurückhaltender und wählte nur spezielle Einzelpersonen aus, nämlich Josef Dennstädt und Wilhelm Aron. 628 Andere führende Republikaner wie Georg Dotterweich oder Georg Grosch blieben zu diesem Zeitpunkt noch unbehelligt. 629 Im Laufe des Monats März erfolgten weitere Schutzhaftmaßnahmen, bei denen zum Beispiel Georg Böhm, Adolf Firsching, Gottfried Moritz, Georg Göttling und Eleonore Hollfelder belangt wurden. 630 Insgesamt ist davon auszugehen, dass in Bamberg circa 40 politische Gefangene in den ersten Wochen nach der
Machtergreifung eingesperrt wurden. 631 Darunter befanden sich nicht nur Mitglieder des sozialistischen Milieus, sondern auch einzelne Funktionäre der BVP und der Bayernwacht, doch die Mehrheit der Gefangenen entstammte der Arbeiterbewegung. 632 Im Vergleich mit anderen Städten war die Anzahl durchaus beachtlich, denn Aschaffenburg und Schwabach verzeichneten beispielsweise lediglich acht Verhaftungen unter den roten Gegnern. 633 Ein ähnliches Maß an Schutzhäftlingen wie Bamberg meldete Weiden, das aufgrund seiner Porzellanindustrie über ein starkes Arbeitermilieu verfügte. 634 Überdies wurden in der ersten Verhaftungswelle am 10. März auch in Fürth in etwa so viele Gefangene festgesetzt wie in der Regnitzstadt. 635 Noch rigoroser gingen die Verantwortlichen in Bayreuth, Schweinfurt, Würzburg, Coburg und Augsburg vor. 636 In Bayreuth befanden sich Ende März 1933 über 60 Personen in Schutzhaft, Augsburg zählte im Frühjahr allein 189 Kommunisten im Gefängnis und Coburg entließ allein im April 1933 etwa 180 politische Gefangene. 637 Das hohe Ausmaß der Verhaftungen in diesen Städten lässt sich teilweise mit dem großen Einfluss der Arbeiterbewegung erklären (z. B. Augsburg, Schweinfurt) oder
Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; BV v. 11. 3.1933, Nr. 59; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 340 f.; Dornheim/Schindler, Aron, S. 35; Faatz, Martin: Vom Staatsschutz zum Gestapo-Terror. Politische Polizei in Bayern in der Endphase der Weimarer Republik und der Anfangsphase der nationalsozialistischen Diktatur (= Studien zur Kirchengeschichte der neuesten Zeit, Bd. 5). Würzburg 1995, S. 417–419. 625 Vgl. Willy Aron, StadtABa, BS, Nr. 483; Gehringer, Machtübernahme, S. 304; Zehentmeier, Entwicklung, S. 156 f. 626 Vgl. Entschädigungsakte Anton Riel, 1. 2.1897, BayHStA, MF, LEA, Nr. 2958; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Entschädigungsakte Josepha Dietz, 25.10.1899, Dr. Josef Dietz, 16. 2.1895, BayHStA, MF, LEA, Nr. 722. 627 Vgl. Entschädigungsakte Otto Geyer, 2.11.1888, BayHStA, MF, LEA, Nr. 1156; Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Anklageschrift gegen Alex Barth und sechs Genossen v. 18. 8.1932, StABa, K 105, Nr. 362. 628 Vgl. FS v. 18. 3.1930, Nr. 64; Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Liste der führenden Männer der Systemzeit des Reichsführers der SS v. 6.1939, BArch, R 58, Nr. 3566; Josef Dennstädt, BArch, R 58, Nr. 3381; Verzeichnis der SPD-Landtagsabgeordneten in Bayern ab 1919 v. 6.11.1936, BArch, R 58, Nr. 3312; Dornheim/Schindler, Aron, S. 35 f.; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 341. 629 Vgl. Entschädigungsakte Georg Dotterweich, 16. 9.1884, BayHStA, MF, LEA, Nr. 744; Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 630 Vgl. Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7135; Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Einwohnermeldekarte Gottfried Moritz, StadtABa, C 9, Nr. 58b; BV v. 27. 3.1933, SPDBa, Ordner „Geschichte SPD II“; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Dornheim/Schindler, Aron, S. 37. 631 Vgl. BV v. 27. 3.1933, SPDBa, Ordner „Geschichte SPD II“; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Dornheim/Schindler, Aron, S. 37. 632 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; BV v. 27. 3.1933, SPDBa, Ordner „Geschichte SPD II“; Dornheim/Schindler, Aron, S. 37. 633 Vgl. Großmann, Milieubedingungen, S. 530; Dippert, Machtergreifung, S. 26–28. 634 Vgl. Großmann, Milieubedingungen, S. 492–501. 635 Vgl. Strauß, Fürth, S. 425. 636 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 341; Hetzer, Augsburg, S. 60; Grubmüller/Langewiesche, Arbeiterbewegung, S. 93; Großmann, Milieubedingungen, S. 468–472. 637 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 341; Hetzer, Augsburg, S. 60; Grubmüller/Langewiesche, Arbeiterbewegung, S. 93; Großmann, Milieubedingungen, S. 468–472. 624
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aber mit dem Charakter der örtlichen NSDAP (z. B. Coburg und Bayreuth). Für Bamberg lässt sich aus dem Quantum schlussfolgern, dass die Nationalsozialisten das lokale sozialistische Milieu fürchteten und hart dagegen vorgingen, zugleich aber keine übertriebene und maßlose Gangart anwandten. In jedem Fall erfolgten diese ersten Festsetzungen nicht nur nach formalen Kriterien wie den ausgeübten Ämtern innerhalb der linken Organisationen, sondern in Bamberg zeigte sich, dass es durchaus darum ging, „alte Rechnungen aus der ‚Kampfzeit‘ zu begleichen.“ 638 Die verhärteten Fronten am Ende der Weimarer Republik und die gewaltsamen Auseinandersetzungen wirkten sich sichtbar auf das Vorgehen der Nationalsozialisten und die Auswahl der Schutzhäftlinge im Frühjahr 1933 aus. 639 Dabei nahmen nun Lorenz Zahneisen, Dr. Karl Witt und Karl Bezold Schlüsselrollen in Bamberg ein. 640 Der NSDAP-Ortsgruppenleiter und SA-Standartenführer Lorenz Zahneisen war Mitte März Sonderkommissar für die Stadt und das Bezirksamt Bamberg geworden. 641 Als kurz darauf die frühere politische Abteilung der städtischen Polizei zu einer eigenständigen Behörde erhoben wurde, unterstellte man diese Zahneisen. 642 Leiter der Politischen Polizei in der Regnitzstadt wurde der Kriminalkommissar Karl Bezold, der später auch als Chef der Gestapo Bamberg fungierte. 643 Paul Köttnitz als Stadtkommissar wurde zunehmend aus dem Amt gedrängt, während sein Stellvertreter und NSDAPMitglied Dr. Karl Witt mehr Verantwortung erhielt und eben auch das Referat Polizei führte. 644 So wurde auch in Bamberg neben dem regulären und traditionellen „Normenstaat“ ein nationalsozialisti-
scher „Maßnahmenstaat“ aufgebaut und der vom Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel bezeichnete „Doppelstaat“ entstand. 645 Wer genau die Listen der Bamberger Schutzhäftlinge anfertigte und wer welchen Namen hinzufügte oder wegstrich, wurde nach der NS-Zeit nicht mehr exakt aufgeklärt. 646 Lorenz Zahneisen gestand aber 1948, an der Erstellung und Bearbeitung der Listen zusammen mit der Politischen Polizei mitgewirkt zu haben. 647 Gemeinsam mit Karl Bezold besuchte er außerdem die verhafteten Arbeiterführer im Landgerichtsgefängnis Bamberg, wie Anton Riel zu Protokoll gab: „Wir waren dann im Gefängnis und es wurde uns angekündigt, dass Zahneisen und sein Kumpan Bezold sich bei uns vorstellen würden und wir haben unter uns beschlossen, sie überhaupt nicht zu beachten. Es haben dann auch alle mit gemacht, bis auf einen, der doch zu Kreuze kroch. Zahneisen und Bezold erschienen nun im Hofe des Gefängnisses in vollem Kriegsschmuck und erwarteten anscheinend, dass wir nun alle zu Kreuze kriechen. Wir haben aber alle, wie vereinbart, an die Wand gesehen und die beiden Herren überhaupt nicht beachtet. Das Ergebnis dieses Besuches wurde uns dann bereits eine Stunde später bekannt, als plötzlich angeordnet wurde, dass wir alle in Einzelhaft zu kommen hätten und auch das Essen schlechter wurde.“ 648
Der Regierungsrat Dr. Karl Witt war zwar bei diesem Termin nicht zugegen, doch seine Unterschrift verfügte beispielsweise Anfang April 1933 die Fortdauer der Schutzhaft für Josef Dietz, sodass auch er
Mehringer, Sozialdemokratie, S. 340. Vgl. Noakes, Provinz, S. 239–241. 640 Vgl. Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Köttnitz-Porsch, Konflikt, S. 277; Entschädigungsakte Josepha Dietz, 25.10.1899, Dr. Josef Dietz, 16. 2.1895, BayHStA, MF, LEA, Nr. 722; Zehentmeier, Entwicklung, S. 160 f. 641 Vgl. Köttnitz-Porsch, Konflikt, S. 277; Zehentmeier, Entwicklung, S. 158 f. 642 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 160 f.; Gehringer, Machtübernahme, S. 299 f. 643 Vgl. Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Entschädigungsakte Otto Geyer, 2.11.1888, BayHStA, MF, LEA, Nr. 1156; Zehentmeier, Entwicklung, S. 158 f. 644 Vgl. Köttnitz-Porsch, Konflikt, S. 277 f. 645 Vgl. Fraenkel, Ernst: Der Doppelstaat. Hamburg 22001; Wirsching, Mehrheitsgesellschaft, S. 21. 646 Vgl. Vernehmung von Lorenz Zahneisen am 23. 9.1948, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 647 Vgl. Vernehmung von Lorenz Zahneisen am 23. 9.1948, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 648 Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; vgl. Verhandlung mit Zeuge Josef Dietz am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 638
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg
wie Zahneisen und Bezold direkt in die Fragen der politischen Gefangenen nach der Machtergreifung involviert war. 649 Abgesehen von dem Bericht Anton Riels über die Verschlechterungen der Haftbedingungen stimmten die meisten Gefangenen von Bamberg im Nachhinein darin überein, dass die Behandlung und die Zustände in der Heimatstadt relativ milde und nachsichtig waren. 650 Der Kommunist Otto Geyer hob dies im Entnazifizierungsverfahren von Lorenz Zahneisen besonders hervor: „Ich erkläre, daß in Bamberg das einzige Gefängnis war, wo uns kein Haar gekrümmt worden ist. Im Gefängnis selbst haben wir eine illegale Gefängniszeitung herausgegeben und uns auch mit politischen Problemen befaßt. Auch Karikaturen haben nicht gefehlt. Eine Zeitung wurde bei der Untersuchung der Kleider gefunden und wir glaubten fest, daß jetzt der Kopf ab ist, aber es ist nichts geschehen.“ 651
In Übereinstimmung mit Otto Geyer berichtete Adam Kaim: „In Bamberg war es noch möglich, daß Genossen der ‚Roten Hilfe‘ Lebensmittel u. Rauchwaren für uns sammelten, welche an uns im Gefängnis auch abgegeben wurden.“ 652 Die Schutzhaft in Bamberg war also in den ersten Wochen
nach der Machtergreifung verhältnismäßig human, das Durchgreifen der Politischen Polizei kannte noch Grenzen und die Strukturen des sozialistischen Milieus waren noch intakt. Linke Solidarität wurde weiterhin praktiziert. Nicht allen Nationalsozialisten und SA-Männern gefiel dieser gemäßigte Bamberger Stil, sodass man sich laut Karl Witt in deren Kreisen „außerordentlich“ 653 über Lorenz Zahneisen beschwerte, weil „er zu wenig scharf [handeln würde] […].“ 654 Schließlich begannen die Kommunisten Anton Riel, Otto Geyer, Anton Nossol und Adam Kaim aus Protest gegen ihre Haft einen Hungerstreik. 655 Dies führte dazu, dass sie zusammen mit dem KPD-Mitglied Konrad Seelmann in das provisorische Strafgefängnis St. Georgen in Bayreuth überführt wurden. 656 Im Unterschied zum Bamberger Gefängnis wurde das frühere Arbeitshaus nach den Ausführungen des Generalstaatsanwalts Nikolaus Döll als „ein Kleindachau [eingerichtet] […], noch bevor Dachau aufnahmefähig war.“ 657 Für die Bamberger Gefangenen war Bayreuth eine Zwischenstation auf dem Weg ins richtige Konzentrationslager Dachau. 658 Adam Kaim, Konrad Seelmann und Anton Nossol gehörten vermutlich zu den ersten Transporten, die Ende März das Lager erreichten. 659 Otto Geyer und Anton Riel gelang es zunächst, der
Vgl. Entschädigungsakte Josepha Dietz, 25.10.1899, Dr. Josef Dietz, 16. 2.1895, BayHStA, MF, LEA, Nr. 722. Vgl. Verhandlung mit Zeuge Otto Geyer am 28. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Verhandlung mit Zeuge Josef Dietz am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Dornheim/Schindler, Aron, S. 36. 651 Verhandlung mit Zeuge Otto Geyer am 28. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 652 Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2. 653 Verhandlung mit Zeuge Dr. Karl Witt am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 654 Verhandlung mit Zeuge Dr. Karl Witt am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 655 Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Verhandlung mit Zeuge Otto Geyer am 28. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 656 Vgl. Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Verhandlung mit Zeuge Otto Geyer am 28. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 657 Jahresbericht 1933 des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht Bamberg, StABa, K 100/6, Nr. 28. 658 Vgl. Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7135; Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Entschädigungsakte Otto Geyer, 2.11.1888, BayHStA, MF, LEA, Nr. 1156. Zur Errichtung des Konzentrationslagers Dachau, dessen Funktion und Wirkung im NS-System vgl. Zámečnik, Stanislav: Das war Dachau. Frankfurt am Main 32013; Kimmel, Konzentrationslager, S. 349–367; Sigel, Robert: Das KZ Dachau und die Konstituierung eines rechtsfreien Raumes als Ausgangspunkt des nationalsozialistischen Terrorsystems. In: Das Jahr 1933. Die nationalsozialistische Machteroberung und die deutsche Gesellschaft (= Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte, Bd. 9). Hg. v. A. Wirsching. Göttingen 2009, S. 156–168; Eiber, Ludwig: Gewalt im KZ Dachau. Vom Anfang eines Terrorsystems. In: Das Jahr 1933. Die nationalsozialistische Machteroberung und die deutsche Gesellschaft (= Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte, Bd. 9). Hg. v. A. Wirsching. Göttingen 2009, S. 169–181. 659 Vgl. Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, 649 650
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Verlegung zu entgehen; Riel gab dazu später folgende Auskunft: „Wir haben versucht, uns vom Transport nach Dachau zu drücken, aber immer wieder bei jedem Transport wurden als erste Namen, die von Geyer und Anton Riel aufgerufen. Wir brachten es auch fertig ungefähr 4 bis 5 mal, das wir uns von dem Transport nach Dachau drücken konnten, aber schliesslich mussten wir doch daran glauben.“ 660
Anfang Mai 1933 wurden folglich auch Riel und Geyer in Dachau eingeliefert. 661 Direkt aus Bamberg kamen darüber hinaus Alex Barth, Georg Böhm und Gottfried Moritz. 662 Sie alle einte die kommunistische Gesinnung. Mit der Mehrheit der sozialdemokratischen Schutzhäftlinge ging man dagegen vorsichtiger um. 663 Sie waren stärker in die Gesellschaft integriert und in den Staat eingebunden; auch in Bamberg verfügten sie über Sozialprestige und Ansehen. 664 Beispielsweise blieb der frühere dritte Bürgermeister und SPD-Fraktionsführer, Johann Steitz, von den Verfolgungen verschont. 665 Josef Dennstädt kam nach wenigen Wochen Haft in Bamberg wieder frei und konnte am 10. Mai an der Stadtratssitzung teilnehmen. 666 Nichtsdestotrotz gab es zwei Ausnahmen unter den Sozialdemokraten in Bamberg: Adolf Firsching und Wilhelm Aron. 667
Seit 1932 hatten die Nationalsozialisten einen „Verleumdungsfeldzug“ 668 gegen den langjährigen Direktor der Allgemeinen Ortskrankenkasse Adolf Firsching geführt. 669 Damals trat er in den Wahlkämpfen häufig als Redner für die SPD auf. 670 Im Stadtrat wurde Firsching wegen einer ungenügenden Senkgrube und fehlenden Kanalisation an seinem Anwesen angegriffen und bloßgestellt: „Der Nationalsozialist Schäder fragt zum Schluß der Sitzung an, wielange noch der Saustall hinter dem Haus des Ortskrankenkassendirektors Firsching an der St. Getreustraße bestehen soll.“ 671 Außerdem erstatteten NSDAP-Mitglieder im Sommer 1932 Anzeige wegen Mietwuchers, denn Firsching besaß mehrere Wohnungen. 672 Der Prozess wurde im Februar 1933 von der Staatsanwaltschaft eingestellt, da in Wirklichkeit weder überhöhte Preise noch Betrug bei den Mieten vorlagen. 673 Im Gegensatz zu den nationalsozialistischen Erniedrigungen ehrte der Freistaat Adolf Firsching am 1. März für sein 25-jähriges Dienstjubiläum und lobte seine Fähigkeiten, die Ortskrankenkasse in den Krisenzeiten als „geeignete[r] Fährmann“ 674 zu steuern und sie „gerade in Zeiten der Not als Helferin und Zuflucht aller Versicherten“ 675 auszubauen. Schließlich war die Allgemeine Ortskrankenkasse Bamberg eine feste Stütze und Anlaufstelle des sozialistischen Milieus und als solche den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. 676 Folglich wurde Adolf Firsching
Nr. 7135. Die Aussagen in den Entschädigungsakten über Haftdauer und Haftort sind teilweise widersprüchlich, daher ist der genaue Zeitpunkt der Überführung nach Dachau nicht sicher. 660 Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 661 Vgl. Entschädigungsakte Otto Geyer, 2.11.1888, BayHStA, MF, LEA, Nr. 1156; Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263. 662 Vgl. Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7135; Einwohnermeldekarte Gottfried Moritz, StadtABa, C 9, Nr. 58b. 663 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 350. 664 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 350. 665 Vgl. Schriftlicher Lebenslauf von Johann Steitz v. 19. 7.1938, StadtABa, BS, Nr. 483. 666 Vgl. Josef Dennstädt, BArch, R 58, Nr. 3381; Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685; Stadtratsprotokoll v. 10. 5.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. Über den genauen Zeitpunkt der Entlassung liegen widersprüchliche Aussagen vor. Vermutlich erfolgte seine Entlassung am 29. April 1933, denn das Bamberger Tagblatt berichtete von Entlassungen als „Gnadenakt“ zum Ersten Mai. Vgl. BT v. 2. 5.1933, Nr. 100. 667 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Dornheim/Schindler, Aron, S. 38–44; Vorstand SPD, Freiheit, S. 33. 668 Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 669 Vgl. FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 2.11.1932, Nr. 252; Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 670 Vgl. FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; FS v. 2.11.1932, Nr. 252. 671 FS v. 22. 4.1932, Nr. 92. 672 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 673 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 674 FS v. 1. 3.1933, Nr. 50. 675 FS v. 1. 3.1933, Nr. 50. 676 Vgl. FS v. 17. 5.1926, Nr. 110; FS v. 1. 3.1933, Nr. 50; Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Entschädigungsakte Michael Dräßel, 15. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 782.
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Ende März 1933 das erste Mal unter dem Vorwand verhaftet, Mittel der Ortskrankenkasse veruntreut zu haben. 677 Nach dem ersten misslungenen Versuch strengte man erneut ein Verfahren gegen ihn an. 678 Mithilfe seines Rechtsanwalts Hans Wölfel 679 konnte er jedoch die ordnungsgemäße Amtsführung nachweisen. 680 Daraufhin wiederholten die Nationalsozialisten den bereits abgelehnten Strafantrag wegen Mietwucher und nahmen Adolf Firsching wieder in Schutzhaft. 681 Es war also offensichtlich, dass die neuen Machthaber den Krankenkassendirektor loswerden wollten. 682 Dabei genügte es ihnen nicht, dass Firsching aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 entlassen wurde. 683 Man setzte ihn in Bamberg auf eine Liste für das KZ Dachau. 684 Zeitgleich erkrankte aber seine Ehefrau, die vormalige Stadträtin Elise Firsching, lebensbedrohlich, sodass zahlreiche Nachbarn beim Stadtkommissariat gegen die weitere Haft von Firsching intervenierten. 685 Kurz vor dem Abtransport nach Dachau beugte sich Dr. Witt dem öffentlichen Druck und strich Adolf Firsching von dem Verzeichnis; er verblieb in Schutzhaft vor Ort. 686 Letztendlich retteten sowohl die Krankheit seiner Frau als auch seine Bedeutung
und Bekanntheit Firsching vor dem Konzentrationslager. Die Nationalsozialisten scheuten in diesem Fall die entstandene Unruhe in Bamberg und beschränkten sich auf den vermeintlich legalen Weg vor Gericht mit einem Urteil gegen Firsching. 687 Anders verlief der Fall von Wilhelm Aron. 688 Wie Firsching war er Sozialdemokrat und Reichsbannermitglied und trat zudem in dem Jahr vor der Machtergreifung besonders gegen die Nationalsozialisten hervor. 689 Einerseits hatte er die Reichsbannermitglieder vor Gericht im Prozess nach der Schlägerei am Schillerplatz verteidigt, andererseits hielt er Vorträge für die sozialistische Jugend und engagierte sich noch im Februar 1933 aktiv auf der Jahresgeneralversammlung der SPD. 690 Seine politische Gesinnung zusammen mit seinem hohen Bildungsgrad und seiner juristischen Ausbildung stellten bereits Gründe für den Hass der Nationalsozialisten dar. Darüber hinaus war Wilhelm Aron noch jüdischen Glaubens, sodass er das Klischee des nationalsozialistischen Feindbildes vom gebildeten marxistischen Juden und „Stehkragenproletarier“ vollends erfüllte. 691 Nach seiner Verhaftung am 10. März 1933 kam Aron am 9. Mai ins KZ Dachau. 692 Dieses war im März 1933 unter Hein-
Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55. 678 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 679 Zur Biografie des Rechtsanwalts und BVP-Politikers Hans Wölfel (1902–1944), der durch die Nationalsozialisten wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet wurde vgl. Leugers, Antonia: Widerstand im Alleingang? Beispiele aus Bambergs Kirchengeschichte während des „Dritten Reiches“. In: BHVB 131 (1995), S. 439–451; Braun, Lothar: Hans Wölfel und sein politischer Prozeß. In: BHVB 139 (2003), S. 399–410; Lemke, Hans-Jörg: Rechtsanwalt Hans Wölfel – ein Vorbild für die Rechtsanwaltschaft! In: 200 Jahre Appellationsgericht/Oberlandesgericht Bamberg. Festschrift. Hg. v. M. Meisenberg. München 2009, S. 157–168; Reindl, Alwin: Hans Wölfel 1902–1944. Rechtsanwalt. Katholik. Gegner des Nationalsozialismus. Ein Bürger Bambergs. Bamberg 2016. 680 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 681 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 682 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55. 683 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55; Wirsching, Mehrheitsgesellschaft, S. 20 f.; Schneider, Hakenkreuz, S. 77, 291. 684 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55. 685 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 686 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Einwohnermeldekarte Adolf und Elisabeth Firsching, StadtABa, C 9, Nr. 58a. Elise Firsching überlebte schließlich die Krankheit und verstarb erst 1951 in Bamberg. 687 Adolf Firsching wurde noch 1933 in dem Prozess um Mietwucher zu einer Geld- und Freiheitsstrafe verurteilt. Daraufhin begann eine fast dreijährige Revision, bei der die Rechtsanwälte Thomas Dehler und Hans Wölfel 1936 die Aufhebung des Urteils erwirkten. Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234. 688 Vgl. Dornheim/Schindler, Aron; Grosch, Aron, S. 25–30; Loebl, Juden, S. 175. 689 Vgl. FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31; Dornheim/Schindler, Aron, S. 30–35. 690 Vgl. FS v. 2.12.1932, Nr. 278; FS v. 9.1.1933, Nr. 6; FS v. 7. 2.1933, Nr. 31. 691 Vgl. Kunze, Aron, S. 42–47; Ortmeyer/Klein, NS-Propaganda, S. 44–47. 692 Vgl. E-Mail v. Andre Scharf, KZ-Gedenkstätte Dachau v. 17. 2. 2015 zu den Häftlingen aus Bamberg bis 1935; Auskunft v. International Tracing Service v. 26. 2.1986, SPDBa, Ordner „Geschichte SPD II“. In der Literatur wird häufig als Einlieferungsdatum der 15. Mai 1933 genannt. Dagegen 677
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rich Himmler 693, dem Leiter der Politischen Polizei, errichtet worden und wurde zunächst von der bayerischen Landespolizei nach rechtsstaatlichen Prinzipien geführt. 694 Im April änderte sich die Lage, als die SS unter Hilmar Wäckerle 695 das Kommando übernahm und es daraufhin zu Gewaltexzessen und ersten Morden kam. 696 Wäckerle und Himmler verfolgten beide das Ziel, Dachau in einen rechtsfreien und autonomen Raum der SS zu transferieren, in dem Willkür und Tyrannei vorherrschten und der Antisemitismus „ausgelebt“ werden konnte. 697 Dies traf als erstes drei jüdische Kommunisten aus Nürnberg, die Mitte April misshandelt und erschossen wurden. 698 Wie andere Juden wurde Willy Aron direkt nach seiner Ankunft ausgesondert und unverzüglich bis zur Bewusstlosigkeit verprügelt. 699 Sein stolzes und selbstbewusstes Auftreten sowie sein nordisches Aussehen erregten wohl zusätzlich die Aufmerksamkeit und den Ärger der SS. 700 In den folgenden Tagen wurde seine Tortur sogar im Krankenrevier noch durch Gewaltexzesse fortgesetzt. 701 Schließlich erlag Wilhelm Aron am
19. Mai seinen Verletzungen. 702 Er war somit das erste sozialistische und jüdische Opfer des Nationalsozialismus Bambergs und zählte zu den ersten Morden im KZ Dachau. 703 Noch während der NSHerrschaft wurde Willy Aron in einem Gedenkbuch der Roten Hilfe 1937 aufgenommen, um an sein grausames Schicksal zu erinnern. 704 Obwohl der Tathergang im Nachhinein weitgehend rekonstruiert werden konnte, bleibt die Frage nach den Verantwortlichen und der Befehlskette offen. 705 In der Forschung wird davon ausgegangen, dass es sich bei den meisten Todesfällen in der Anfangszeit des Konzentrationslagers um „Auftragsmorde auf Weisung höherer NS-Führer“ 706 und Racheakte handelte. 707 Teilweise berichteten Zeugen und Mithäftlinge von Hervorhebungen der Todeskandidaten auf den Listen. 708 Der oder die Schuldigen im Falle Arons konnte jedoch auch nach 1945 nicht ermittelt werden. 709 Zur Abschreckung und Einschüchterung der Gegner des „Dritten Reiches“ wirkte der Tod von Willy Aron in jedem Fall in Bamberg. Es war klar
spricht nicht nur die Auskunft der KZ-Gedenkstätte Dachau, sondern auch die Schilderung von Zeugen, dass Aron vor seinem Tod am 17. oder 19. Mai etwa eine Woche lang misshandelt wurde. Vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 38–44; Kunze, Aron, S. 43; Bald, Widerstand, S. 37. 693 Zur Biografie von Heinrich Himmler vgl. Longerich, Peter: Heinrich Himmler. Biographie. München 2008; Breitman, Richard: Der Architekt der „Endlösung“. Himmler und die Vernichtung der europäischen Juden. Paderborn u. a. 1996. 694 Vgl. Sigel, Dachau, S. 157–158; Tuchel, Johannes: Konzentrationslager. Organisationsgeschichte und Funktion der „Inspektion der Konzentrationslager“ 1934–1938 (= Schriften des Bundesarchivs, Bd. 39). Boppard am Rhein 1991, S. 123–125. 695 Zu Hilmar Wäckerle vgl. Tuchel, Johannes: Die Kommandanten des KZ Dachau. In: Das Konzentrationslager Dachau. Geschichte und Wirkung nationalsozialistischer Repression. Hg. v. W. Benz/A. Königseder. Berlin 2008, S. 331–333. 696 Vgl. Sigel, Dachau, S. 158; Tuchel, Konzentrationslager, S. 125, 392 f. 697 Vgl. Sigel, Dachau, S. 158–163; Eiber, Gewalt, S. 172. 698 Vgl. Eiber, Gewalt, S. 172. 699 Vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 38–42. 700 Vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 38 f.; Zámečnik, Dachau, S. 33. 701 Vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 41 f. 702 Das Todesdatum ist nicht sicher überliefert; Aron könnte auch bereits am 17. Mai verstorben sein. Sicherlich falsch ist das Sterbedatum 29. Mai 1933, das in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach genannt wurde, denn Aron wurde am 22. Mai in Bamberg beerdigt. Vgl. E-Mail v. Andre Scharf, KZ-Gedenkstätte Dachau v. 17. 2. 2015 zu den Häftlingen aus Bamberg bis 1935; Dornheim/Schindler, Aron, S. 42–44; Namensliste der 1933–1945 ermordeten und verstorbenen Antifaschisten v. 1948, BArch, RY 1, I 2/3/136; Terror-Bilanz des Faschismus in Deutschland 1919–1935, BArch, RY 1, I 2/3/48. 703 Vgl. Sigel, Dachau, S. 158; Eiber, Gewalt, S. 172 f. 704 Vgl. Gedenkwerk der Roten Hilfe Deutschlands v. 1937, BArch, Nachlass Bernard Koenen, NY 4091 (künftig: BArch, NY 4091), Nr. 79 G. Heute wird die Erinnerung an Willy Aron in Bamberg insbesondere von der 2003 gegründeten „Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e.V.“ lebendig gehalten, die die wissenschaftliche Forschung über den Widerstand in Bamberg fördert und für Zivilcourage, Demokratie und Menschenwürde eintritt. 705 Vgl. Dornheim/Schindler, Aron, S. 36–52; Eiber, Gewalt, S. 173 f.; SPD-Vorstand, Freiheit, S. 33. 706 Eiber, Gewalt, S. 174. 707 Vgl. Eiber, Gewalt, S. 173. 708 Vgl. Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Dornheim/Schindler, Aron, S. 39. 709 Ludwig Eiber vermutet eine Beteiligung von Julius Streicher an den Morden in den ersten Monaten in Dachau. In Bezug auf Wilhelm Aron wurde von Thomas Dehler der Verdacht geäußert, dass Lorenz Zahneisen eine Rolle spielte. Im Spruchkammerverfahren gegen Lorenz Zahneisen konnte diese Vermutung weder erhärtet noch ausgeräumt werden. Karl Witt beispielsweise berichtete, dass Zahneisen über den Tod „außerordentlich erschüttert“ gewesen sein soll. Gegenüber anderen politischen Gegnern verhielt sich Zahneisen jedenfalls verhältnismäßig human. Vgl. Nachermittlungsbericht mit Aussage Thomas Dehler v. 5. 8.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht
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Links gegen rechts: Das sozialistische Milieu gegen den Nationalsozialismus in Bamberg
geworden, dass die Nationalsozialisten ihre neue Macht skrupellos gegen missliebige Personen einsetzten und sich die Grenzen zwischen Recht und Unrecht bedrohlich verschoben. Insbesondere die Kombination aus linker Gesinnung und jüdischem Glauben stellte eine große Gefahr dar. 710 Der Kommunist Wilhelm Hellmann scheint dies bei der Machtübernahme erkannt zu haben, denn schon Anfang März flüchtete er ins Ausland. 711 Über Frankreich floh er nach Palästina und gründete später in Tel Aviv ein Baugeschäft. 712 Die Suche nach ihm wurde von den Nationalsozialisten bis mindestens 1942 aufrecht erhalten. 713 In regelmäßigen Abständen schrieben sie den „Rasse- und Bekenntnisjuden“ 714 mit den besonderen Kennzeichen des Schnurrbarts und des angeblichen jüdischen Aussehens zur Fahndung aus – ohne Erfolg. 715 Ebenfalls jüdische Wurzeln und eine exponierte Stellung im sozialistischen Milieu hatte Alexander Zwiebel, der Vorsitzende des Textilarbeiterverbandes. 716 Schon während der Weimarer Republik waren er und seine Frau in Besitz eines Reisepasses, sodass sie nach der Machtergreifung in die Vereinigten Staaten von Amerika ausreisen konnten und laut ihrer Einwohnermeldekarte in New York ein neues Leben begannen. 717 Im Unterschied zu den Kommunisten und den sozialdemokratisch-jüdischen Fällen setzte für viele
Bamberger Mitglieder des Arbeitermilieus erst ab Mai 1933 die Verfolgung ein. 718 Als am 2. Mai die Freien Gewerkschaften nach den Feierlichkeiten zum „Tag der nationalen Arbeit“ aufgelöst wurden, verhaftete man deren Führungsriege: Johann Engert vom Baugewerksbund, Georg Dotterweich vom Metallarbeiterverband, Georg Brückner vom Verkehrsbund und Martin Rebhahn vom Zimmererverband. 719 Im Spruchkammerverfahren von Lorenz Zahneisen schilderte die Ehefrau Margarete Rebhahn die Ereignisse folgendermaßen: „Die Verhaftung ging folgendermaßen vonstatten: Ich bin mit meinem Mann zusammen zur Arbeit in Richtung Schuhfabrik Manz gegangen. Dann kam eine Person, ob sie uniformiert oder in Zivil war, kann ich heute nicht mehr sagen. Als mein Mann an der Oberrealschule vorbeigeführt wurde, stand Zahneisen in der Nähe der Schule und rief zu den Leuten, die meinen Mann verhaftet hatten, folgende Worte: ‚Habt ihr ihn nun endlich?‘ Mein Mann befand sich daraufhin 8 Tage im Gerichtsgefängnis.“ 720
Lorenz Zahneisen war also bei der Verhaftungswelle gegen die Arbeitnehmervertreter wieder persönlich involviert und zugegen. Die meisten Verhafteten des ADGB wurden, wie Martin Rebhahn, nach re-
München, Karton Nr. 2024; Verhandlung mit Zeuge Dr. Karl Witt am 27. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Eiber, Gewalt, S. 173; Dornheim/Schindler, Aron, S. 36. 710 Vgl. Wickert, Christel: Widerstand und Verfolgung deutscher Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im 20. Jahrhundert. In: Der Freiheit verpflichtet. Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert. Hg. v. Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Berlin 22013, S. 547. 711 Zum genauen Tag der Flucht liegen unterschiedliche Informationen vor: die Einwohnermeldekarte nennt den 5. März 1933, Adam Kaim den 9. März 1933. Vgl. Erinnerungen von Adam Kaim zu Wilhelm Hellmann v. 25. 4.1988, StadtABa, D 2021, Nr. 38; Einwohnermeldekarte Wilhelm Hellmann, StadtABa, C 9, Nr. 58; Karteikarte Wilhelm Hellmann, BArch, Kartei zu Personen des antifaschistischen Widerstandskampfes. 712 Vgl. Erinnerungen von Adam Kaim zu Wilhelm Hellmann v. 25. 4.1988, StadtABa, D 2021, Nr. 38; Einwohnermeldekarte Wilhelm Hellmann, StadtABa, C 9, Nr. 58. 713 Vgl. Hellmann, Wilhelm, BArch, R 58, Nr. 9682. 714 Hellmann, Wilhelm, BArch, R 58, Nr. 9682. 715 Vgl. Hellmann, Wilhelm, BArch, R 58, Nr. 9682. 716 Vgl. Einwohnermeldekarte Alexander Zwiebel, StadtABa, C 9, Nr. 58a. 717 Vgl. Einwohnermeldekarte Alexander Zwiebel, StadtABa, C 9, Nr. 58a. Der genaue Zeitpunkt der Ausreise ist nicht bekannt. 718 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 346; Schneider, Hakenkreuz, S. 101 f. 719 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379; Entschädigungsakte Georg Dotterweich, 16. 9.1884, BayHStA, MF, LEA, Nr. 744; Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893; Verhandlung mit Zeugin Margarete Rebhahn am 20. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024; Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa; Dinkel, Machtergreifung, S. 85 f.; Bamberger Jahrbuch 1934, S. 19; Beer, Widerstand, S. 175; Buschak, Zirkel, S. 87–96; Schumann, Dirk: Gewalt als Methode der nationalsozialistischen Machteroberung. In: Das Jahr 1933. Die nationalsozialistische Machteroberung und die deutsche Gesellschaft (= Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte, Bd. 9). Hg. v. A. Wirsching. Göttingen 2009, S. 149. 720 Verhandlung mit Zeugin Margarete Rebhahn am 20. 9. 1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024.
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lativ kurzer Dauer wieder aus dem Bamberger Gefängnis entlassen. 721 Georg Dotterweich war Ende Mai wieder frei, Georg Brückner Anfang Juli. 722 Die Ausnahme bei den Gewerkschaftern stellte Johann Engert dar. 723 Ähnlich wie Adolf Firsching und Wilhelm Aron hatte sich auch Johann Engert in der Endphase der Weimarer Republik stark gegen den Nationalsozialismus in der Öffentlichkeit engagiert. 724 Besonders in den Wahlkämpfen 1932 war er als sozialdemokratischer Redner in Bamberg und Umgebung bekannt geworden. 725 Er eignete sich für die Nationalsozialisten als Sündenbock, um die „Gewerkschaftsbonzen“ vorzuführen und ein Exempel in dieser Kategorie zu statuieren. 726 Verschärfend kam hinzu, dass er mit seinem Verhalten nach der Machtergreifung die Nationalsozialisten gegen sich aufgebrachte: „Als ich im Jahre 1933 sah, daß sich der Nationalsozialismus auch der Gewerkschaften bemächtigte, war ich mir darüber im klaren, daß von den vorhandenen Vermögen meiner Gewerkschaft, sowie deren Einrichtung, wie Akten, Mitgliederkartei usw. nichts in die Hände der Nazi fallen dürfe. Ich habe deshalb kurz vor der Übernahme der Gewerkschaften durch die Nazi, alle in meinen Händen befindliche Mitgliederlisten, Bücher und sonstige Akten vernichtet. Auch das Barvermögen von zirka RM 3000 habe ich teilweise unter die Kollegen verteilt, teilweise unter einem verschleierten Bankkonto angelegt. Ich habe schon vor 1933 die Meinung
vertreten, daß die Einrichtungen der Arbeiterschaft, wenn die Nazi einmal zur Macht kommen sollten, restlos vernichtet werden müßten, um auf diese Weise den Nationalsozialismus den größten Wiederstand [sic] entgegen zu setzen. Dies habe ich auch getan und somit am 2. Mai 1933 den besonderen Zorn der Nazis mir zugezogen.“ 727
Vor dem Landgericht Bamberg wurde daraufhin auch gegen ihn ein Prozess eröffnet. 728 Die Anklage lautete auf Unterschlagung, Untreue, Urkundenfälschung und Urkundenvernichtung. 729 Während viele andere Rechtsanwälte den politisch heiklen Fall des Gewerkschaftssekretärs ablehnten, übernahm wiederum Hans Wölfel die Verteidigung. 730 Statt zu den von der Staatsanwaltschaft geforderten zwei Jahren Zuchthaus, wurde Johann Engert im August 1933 zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt. 731 Den Großteil seiner Haft verbüßte er nicht in Bamberg, sondern in der Justizvollzugsanstalt Amberg. 732 Ins Konzentrationslager Dachau kam er nicht und wurde tatsächlich 1934 mit der Auflage entlassen, sich in regelmäßigen Abständen bei der Gestapo zu melden. 733 Nach den Verhaftungen der Kommunisten, Reichsbannerleiter und Gewerkschaftsführer ordnete die Bayerische Politische Polizei als nächsten Schritt die Festsetzung der sozialdemokratischen Abgeordneten und Stadträte am 30. Juni 1933 an. 734 Diese Schutzhaftaktion schloss Georg Grosch, Anton Schlauch und Andreas Bayer ein, die von Bam-
Vgl. Entschädigungsakte Georg Dotterweich, 16. 9.1884, BayHStA, MF, LEA, Nr. 744; Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893; Buschak, Zirkel, S. 93. 722 Vgl. Entschädigungsakte Georg Dotterweich, 16. 9.1884, BayHStA, MF, LEA, Nr. 744; Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893. 723 Vgl. Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379; Anklage gegen Johann Engert v. 28. 7.1933, StABa, K 105, Nr. 427. 724 Vgl. FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 725 Vgl. FS v. 8. 4.1932, Nr. 80; FS v. 22. 4.1932, Nr. 92; FS v. 23. 4.1932, Nr. 93; FS v. 28. 7.1932, Nr. 171. 726 Vgl. Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. 727 Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. 728 Vgl. Anklage gegen Johann Engert v. 28. 7.1933, StABa, K 105, Nr. 427. 729 Vgl. Anklage gegen Johann Engert v. 28. 7.1933, StABa, K 105, Nr. 427. 730 Vgl. Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379; Protokoll und Urteil gegen Johann Engert v. 10. 8.1933, StABa, K 105, Nr. 427. 731 Vgl. Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379; Protokoll und Urteil gegen Johann Engert v. 10. 8.1933, StABa, K 105, Nr. 427. 732 Vgl. Eintrag Nr. 8905 im Gefangenenbuch 1932–1933, StAAm, Justizvollzugsanstalt Amberg, Nr. 1707; Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. 733 Vgl. Eintrag Nr. 8905 im Gefangenenbuch 1932–1933, StAAm, Justizvollzugsanstalt Amberg, Nr. 1707; Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. 734 Vgl. Mehringer, Sozialdemokraten, S. 346. 721
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berg zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Dachau überstellt wurden. 735 Außerdem wurde Georg Dotterweich, der erst Ende Mai als Gewerkschaftssekretär entlassen worden war, am 4. Juni, nun in seiner früheren Funktion als Stadtrat, wieder ins Gefängnis gebracht. 736 Somit zeigte sich bei Georg Dotterweich der Bürokratismus des NS-Terrors, der die Verfolgung geordnet erscheinen ließ, selbst wenn die Handlungen eigentlich widersprüchlich waren. 737 Die abermalige Haft von Georg Dotterweich stellte zwar aufgrund der kurzen Pause von nur etwa einer Woche eine Ausnahme dar, doch der mehrfache Freiheitsentzug während der NS-Zeit war unter den linken Gegnern keine Seltenheit. 738 Nach der ersten Schutzhaft 1933, die unterschiedlich lang dauerte, wurden in Bamberg mindestens folgende Personen des Arbeitermilieus ein zweites, teilweise sogar ein drittes Mal festgesetzt: Georg Brückner, Josef Dennstädt, Josef Dietz, Johann Engert, Otto Geyer, Adam Kaim und Anton Riel. 739 Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren viele von ihnen von der sogenannten „Aktion Gitter“ im August 1944 tangiert und kamen als Reaktion auf das Attentat von Claus Schenk Graf von Stauffenberg (nochmals) ins KZ Dachau. 740 Zweifelsohne brachten die Maßnahmen der Schutzhaft aus Perspektive der Nationalsozialisten schnell sichtbare „Erfolge“ bei ihren Gegnern. 741 Nach seinem ersten Gefängnisaufenthalt ab März 1933 lieferte Josef Dennstädt am 2. Mai bei der Stadtpolizei all seine Waffen ab:
„Bescheinigung Herr Josef Dennstaedt, Redakteur und Stadtrat in Bamberg hat heute beim Stadtpolizeiamt 1 Steyr-Pistole, und Walther-Pistole 72 Schuss Munition desgl. 20 & 25 & 25 Platzpatronen abgeliefert. Bamberg, den 2. Mai 1933 Stadtpolizeiamt gez. Kuehnle“ 742.
Außerdem distanzierte er sich acht Tage später in der Stadtratssitzung von der Ablehnung der Ehrenbürgerrechte für Hindenburg, Hitler und Schemm und erklärte die geänderte Meinung der gesamten Fraktion, die angeblich die Leistungen der drei Männer anerkennen und schätzen würde. 743 Eine Anbiederung, die ihn möglicherweise vor der Verhaftungswelle im Juni bewahrte. Dennstädt war scheinbar schon im Sommer 1933 in seiner Haltung gebrochen. Vier Jahre später beantragte er sogar die Mitgliedschaft in der NSDAP. 744 Er versuchte durch diesen Schritt seine Notlage nach der Machtergreifung, ausgelöst durch den Verlust seiner Arbeit, seiner Wohnung und seiner Siedlerstelle in Bamberg, zu mildern. 745 Als „letzten Ausweg“ 746 sah auch Adolf Firsching 1937 nach Aufhebung der NSDAP-Mitgliedersperre den Parteieintritt, um nach zahlreichen erfolglosen Arbeitsversuchen wieder in der Allgemeinen Ortskrankenkasse eingestellt zu werden. 747 Darüber hinaus ist unter den Funktionären des sozialistischen Milieus noch der
Georg Grosch wurde laut Zugangsbuch des KZ Dachau im Juli 1933 eingeliefert, Andreas Bayer jedoch erst im Februar 1934 und der Zugang von Anton Schlauch ist nicht bekannt. Josef Dennstädt entging dieses Mal der Verhaftung; Oskar Krause nennt als Grund eine Krankheit. Vgl. E-Mail v. Sabine Kneib, Archiv der sozialen Demokratie Bonn v. 9. 9. 2015 zur Arbeiterbewegung in Bamberg; E-Mail v. Andre Scharf, KZ-Gedenkstätte Dachau v. 17. 2. 2015 zu den Häftlingen aus Bamberg bis 1935; Krause, 115 Jahre, S. 66 f.; Entschädigungsakte Georg Böhm, 21. 9.1896, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7135; Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263. 736 Vgl. Entschädigungsakte Georg Dotterweich, 16. 9.1884, BayHStA, MF, LEA, Nr. 744. 737 Vgl. Eiber, Gewalt, S. 172; Schumann, Gewalt, S. 149. 738 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 347–351. 739 Vgl. Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893; Entschädigungsakte Otto Geyer, 2.11.1888, BayHStA, MF, LEA, Nr. 1156; Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685; Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379; Entschädigungsakte Josepha Dietz, 25.10.1899, Dr. Josef Dietz, 16. 2.1895, BayHStA, MF, LEA, Nr. 722; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2; Entschädigungsakte Anton Riel, 1. 2.1897, BayHStA, MF, LEA, Nr. 2958. 740 Vgl. Wickert, Widerstand, S. 556. 741 Vgl. Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685; Stadtratsprotokoll v. 10. 5.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 742 Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685. 743 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 10. 5.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; BT v. 11. 5.1933, Nr. 108. 744 Vgl. Dennstädt, Josef, BArch, 31XX, Nr. E0079 745 Vgl. Entschädigungsakte Josef Dennstädt, 7. 7.1891, BayHStA, MF, LEA, Nr. 685; Spruchkammerakt Josef Dennstädt, 7. 7.1891, StABa, Akten der Spruchkammer III, Bamberg-Stadt, Nr. D 66. 746 Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55. 747 Vgl. Entschädigungsakte Adolf Firsching, 31.1.1892, BayHStA, MF, LEA, Nr. 11234; Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55. 735
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Übertritt des Lehrers Georg Waller von der SPD zur NSDAP bekannt. 748 Andere Mitglieder des sozialistischen Milieus zeigten sich standhafter: Die Ehefrau von Alex Barth, Christine Barth, engagierte sich 1933 für die illegale KPD, obwohl sich ihr Mann seit Februar fortgesetzt in Haft befand. 749 Georg Brückner bemühte sich 1935 darum, den „Schwarzenberger Hof“ in der Wunderburg als Lokal und Treffpunkt der Arbeiterschaft zu etablieren. 750 Zwei Jahre später motivierte Adam Kaim drei Kameraden dazu, in Spanien gegen Franco und den dortigen Faschismus im Bürgerkrieg zu kämpfen. 751 Josef Dietz schloss sich für den weiteren Kampf gegen den Nationalsozialismus der liberalen Robinsohn-Strassmann-Gruppe um Thomas Dehler an. 752 Der Widerstand gegen Hitler hatte für ihn trotz mehrfacher Schutzhaft oberste Priorität, sodass er auch seine eigene kommunistische Gesinnung dafür zurückstellte. 753 Anpassung, Verweigerung oder Widerstand waren die Optionen nach 1933 und alle drei Handlungsmuster fanden sich im Arbeitermilieu Bambergs wieder. 754 Es gab nicht ein einzelnes Verhalten des Milieus, sondern viele verschiedene persönliche und individuelle Entscheidungen. Auf der einen Seite lebte die linke Gesinnung weiter, auf der anderen Seite wurde sie fortan geleugnet. Präsent war das rote Bamberg aber noch. Als nämlich die Politische Polizei Anfang Februar 1934 ein Verzeichnis
der politisch unzuverlässigen Personen anfertigte, listete sie insgesamt 167 Bamberger auf – viele von ihnen ehemalige Mitglieder des sozialistischen Milieus. 755
6.3.3 Die Gleichschaltung des sozialistischen Milieus In einem Rückblick der Sängerrunde „Arion“ von 1947 wurde als „das traurigste Kapitel“ 756 der Vereinsgeschichte das Verbot am 4. April 1933 angeführt. 757 Dieser Tag markierte für die Bamberger Arbeitersänger das vorläufige Ende ihrer Organisation, denn den „Sangesschwestern und –brüdern“ 758 wurde die Grundlage ihrer Freizeitgestaltung entzogen, sie durften fortan nicht mehr gemeinsam singen oder Freiheitschöre einstudieren. Diese Maßnahme war Teil der „Gleichschaltung“ 759 des NS-Regimes mit der die nationalsozialistischen Machthaber darauf abzielten, alle Lebensbereiche zu durchdringen, zu kontrollieren und für sich zu vereinnahmen. 760 Die neue „Volksgemeinschaft“ sollte schließlich frei von gegnerischen Ideologien und Institutionen sein und den Pluralismus der Gesellschaft beenden. 761 Dazu zählte folglich auch die Zerschlagung und Auflösung der Arbeiterkulturvereine. 762 Während die Nationalsozialisten diesen Bereich des sozialistischen Milieus in anderen Städten nachrangig behandelten, war er in Bamberg nicht erst nach den Verboten der Gewerkschaften
Vgl. Spruchkammerakt Georg Waller, 19.12.1887, StABa, Akten der Spruchkammer III, Bamberg-Stadt, Nr. W 49; Waller, Georg, 19.12.1887, BArch, 3200, Nr. Y0012; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 347. 749 Vgl. Entschädigungsakte Alex Barth, 23. 3.1903, BayHStA, MF, LEA, Nr. 42263; Mehringer, KPD, S. 86–91. 750 Vgl. Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893. 751 Vgl. Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bamberg an den Volksgerichtshof Berlin v. 16. 4.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833; Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht Bamberg v. 11. 9.1937, BArch, R 3018, Nr. 6833; Kaim, Adam, BArch, R 58, Nr. 2060a; Lebenslauf von Adam Kaim v. 8. 5.1985, StadtABa, D 2021, Nr. 2. 752 Vgl. Sassin, Liberale, S. 400 f. 753 Vgl. Entschädigungsakte Josepha Dietz, 25.10.1899, Dr. Josef Dietz, 16. 2.1895, BayHStA, MF, LEA, Nr. 722. 754 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Milieus, S. 23; Herlemann, Widerstandsverhalten, S. 257–261. 755 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. Die Liste ist bis Nummer 166 durchnummeriert, doch die Nummer 125 wurde doppelt vergeben, sodass insgesamt 167 Personen darauf verzeichnet sind. 756 Protokoll der Jahreshauptversammlung v. 19.1.1947, C 2, Nr. 59530. 757 Vgl. Protokoll der Jahreshauptversammlung v. 19.1.1947, C 2, Nr. 59530. 758 FS v. 1. 2.1927, Nr. 25. 759 Der Terminus „Gleichschaltung“ ist ein nationalsozialistischer Euphemismus für „die Eliminierung aller dem Nationalsozialismus vermeintlich oder tatsächlich entgegenstehenden Institutionen bis hin zur Misshandlung und Tötung von Menschen.“ Der Begriff umfasst dabei sowohl den staatlichen, politischen, wirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen Aspekt der Unterordnung unter dem Führerprinzip und findet daher häufig Verwendung in der Beschreibung der nationalsozialistischen Maßnahmen zu Beginn der Herrschaft. Vgl. Ziegler, Machtergreifung; Brechtken, Herrschaft, S. 27. 760 Vgl. Ziegler, Machtergreifung. 761 Vgl. Ziegler, Machtergreifung; Brechtken, Herrschaft, S. 27. 762 Vgl. Schneider, Hakenkreuz, S. 645–649; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 436–643. 748
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und Parteien betroffen. 763 Durch dieses Vorgehen zeigte es sich, dass das Bamberger Arbeiterorganisationsmilieu auch von den Nationalsozialisten als wichtiger und essentieller Integrationsfaktor der Arbeiterbewegung wahrgenommen und eingeschätzt wurde. 764 Das rote Beziehungsgeflecht und die linken Kommunikationsstrukturen waren schließlich nach der Machtergreifung noch lebendig und wurden weiterhin gepflegt; ein Niedergang war nicht erkennbar. 765 Obwohl das Bezirksamt Bamberg schon am 8. April berichtete: „Das Verbot der marxistischen Organisationen ist durchgeführt“, 766 war diese „Erfolgsmeldung“ verfrüht. Die Arbeiterkulturbewegung beschäftigte noch im Juni die Politische Polizei in Bamberg, wie ein Bericht im Tagblatt verdeutlichte: „Wegen Fortführung eines verbotenen Vereins wurde nach einer Mitteilung der Politischen Polizei der ledige Schuhmacher Josef Kistner in das Landgerichtsgefängnis Bamberg eingeliefert. Kistner war Vorstand des aufgelösten Bamberger Arbeiter-Esperanto-Bundes. Trotz ausdrücklicher Warnung hat er versucht, den Verein, dessen Mitglieder größtenteils aus Kommunisten bestanden, durch Veranstaltungen von Zusammenkünften und gemeinsamen Ausflügen weiterzuführen. Um dieses Vorhaben zu unterbinden, mußte Kistner in Polizeigewahrsam genommen werden.“ 767
Neben solchen illegalen Weiterführungen der Arbeitervereine fürchteten die Behörden außerdem die Kontinuität der linken Vereinigungen unter Deck- und Tarnnamen oder als „wilde“ inoffizielle
Vereine. 768 So wies die Politische Polizei im Sommer 1933 ausdrücklich darauf hin, „daß jegliche Weiterführung, ob als Stammtischgesellschaft, Quartett oder sonstwie unter einem Namen streng untersagt“ 769 sei und bei Zuwiderhandlung, wie im Falle von Josef Kistner, Schutzhaft drohen würde. 770 Trotz dieser Warnung schlossen sich einige Bamberger Naturfreunde nach dem Verbot ihrer Organisation im Mai 1933 unter einem neuen Namen zusammen und führten das Vereinsleben als Touristenclub „Die Wanderer“ fort. 771 Mit der Namenswahl griff man auf die Anfänge der Organisation zurück, denn die Vereinigung „Wanderer“ hatte in der Kaiserzeit als Vorläuferorganisation gedient. 772 Bei dem Zusammenschluss ging es den Mitgliedern wohl weniger um einen Akt des Widerstands, als um die Fortführung ihres Hobbys und die Sicherung ihrer Erwerbungen. 773 Der Plan glückte. Bei der Machtübernahme der NSDAP hatten die Naturfreunde gerade ihr neues Grundstück in Burglesau zur Errichtung eines Naturfreundehauses gekauft. 774 Am 9. März war der Kaufvertrag unterschrieben worden. 775 In den folgenden Wochen kam es zu Haussuchungen bei den Vorsitzenden und zu Befragungen über das Vermögen des Vereins. 776 Folglich erkannten die Arbeitersportler die Gefahr eines solchen Besitzes im „Dritten Reich“, revidierten den Kauf und übertrugen das Anwesen dem Mitglied und Hüttenreferenten Hans Weich, der inoffiziell als Treuhänder fungierte. 777 Als die Nationalsozialisten am 12. Mai 1933 die Naturfreunde in Bamberg offiziell auflösten, beschlagnahmten sie das Haus und Inventar in Wiesentfels, doch das Gelände in Burglesau blieb verschont. 778
Beispielsweise wurden in Dortmund die Arbeiterchöre erst im Juli 1933 aufgelöst. Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 529; Schneider, Hakenkreuz, S. 645. 764 Vgl. Schneider, Hakenkreuz, S. 645. 765 Vgl. BT v. 8. 6.1933, Nr. 130. 766 Schreiben des Bezirksamts Bamberg an das Staatsministerium des Innern v. 8. 4.1933, StABa, K 5, Nr. 5195. 767 BT v. 8. 6.1933, Nr. 130; vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 172. 768 Vgl. BT v. 8. 6.1933, Nr. 130; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 424 f. 769 BT v. 8. 6.1933, Nr. 130. 770 Vgl. BT v. 8. 6.1933, Nr. 130; Zehentmeier, Entwicklung, S. 172. 771 Auch andere Ortsgruppen der Naturfreunde überlebten unter neuen Namen; zum Beispiel nannten sich die Naturfreunde in Hamburg während der NS-Zeit „Hamburger Wanderbund e.V.“. Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 546–558. 772 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 9. 773 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18; Schneider, Hakenkreuz, S. 646 f. 774 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18. 775 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 16. 776 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13. 777 Vgl. FS v. 19.1.1933, Nr. 15; Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18. 778 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18. 763
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„Bamberg unterm Hakenkreuz“: Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft
Außerdem hatte sich der Kassier Adolf Uebel um die Verschleierung des Vermögens gekümmert. 779 Die Nationalsozialisten konfiszierten eine Barkasse mit 2,18 Reichsmark, doch dieser nichtige Betrag war nur Teil der Vertuschungstaktik. 780 In Wirklichkeit waren weitere 600 Reichsmark in bar vorhanden und Spendenkonten im Wert von 7.000 Reichsmark. 781 Beides konnte bis zur Neugründung der Naturfreunde nach dem Zweiten Weltkrieg gerettet werden. 782 Auf dem Grundstück entstand wie geplant noch während der NS-Zeit ein Wanderheim. 783 Dieser Fall zeigt, dass die Ortsgruppe der Naturfreunde Bamberg ihre Illegalität gut vorbereitet hatte und folglich ihre etablierten sozialen Kontakte, finanziellen Mittel und Errungenschaften von der Weimarer Republik durch die Zeit des Nationalsozialismus retten konnte. Unter anderen Vorzeichen konnten die Vereinsstrukturen und das Wandern bis 1945 fortgesetzt werden. Damit bildeten die Naturfreunde eine Ausnahme unter den Bamberger Arbeitersportvereinen. Die anderen linken Sportvereine des ATSB hatten sich weniger gut gerüstet oder die Nationalsozialisten gingen strikter und härter gegen sie vor. 784 Das Gelände des Wassersportvereins „Neptun“ wurde bereits am 10. März 1933 durchsucht. 785 Anschließend untersagte die Stadt am 31. März der Freien Turnerschaft die Benutzung der Turnhalle Luitpoldschule und
der Spielvereinigung entzog man den Sportplatz im Luitpoldhain. 786 Die genannten Vereine sowie der Rad- und Kraftfahrerbund „Solidarität“ wurden im Frühjahr 1933 aufgelöst und ihr Inventar beschlagnahmt. 787 Detailliert listeten die Arbeiterradfahrer ihren Schaden nach dem Zweiten Weltkrieg auf. 788 Der Bamberger „Solidarität“ wurden demnach folgende Gegenstände entzogen: zwei Standarten im Wert von 500 Reichsmark, sechs Scherpen, zwei Schränke, zwei Vereinsglocken, eine Vereinstafel, fünf Diplome, acht Kostüme, 25 Fahnentücher und ein Radball. 789 Insgesamt bezifferte man den Schaden auf fast 1.000 Reichsmark. 790 Die Bamberger „Solidarität“ lag damit im Mittelfeld der Ortsgruppen im Gau Nordbayern, denn kleine Vereine wie Bischberg oder Oberhaid hatten nur Verluste von etwa 50 Reichsmark gemeldet, während den größten Organisationen wie Fürth und Erlangen Vermögen im Wert von etwa 4.500 Reichsmark konfisziert wurde. 791 Ähnliche Verluste wie Bamberg wiesen Würzburg und Forchheim auf. 792 Im Unterschied zur erzwungenen Liquidation der „Solidarität“ lösten sich die Bamberger Arbeiter-Athleten 1933 selbst auf. 793 Am 10. April schrieb deren Vorstand Paul Arneth dem Bamberger Polizeiamt, „daß sich der 1. Arbeiter Athleten Club Bamberg unter heutigen aufgelöst hat.“ 794 Roter Sport war demnach in Bamberg, abge-
Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18. Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18. 781 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18. 782 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18. 783 Vgl. Thierauf, Naturfreundehaus, S. 13–18. Allerdings kam es 1946 zu einem Konflikt zwischen der Ersatzorganisation „Die Wanderer“ und den wiedergegründeten Naturfreunden. Die Vereinsmitglieder „Die Wanderer“ hatten sich im Laufe der NS-Zeit angepasst und gut eingerichtet, sodass sie ihre Organisation trotz der Wiederzulassung der Naturfreunde nicht auflösen wollten und das Wanderheim als ihr Eigentum reklamierten. Letztendlich kam es zu einem Gerichtsprozess vor dem Landgericht Bamberg, das 1949 zugunsten des Vereins „Die Wanderer“ entschied und den Naturfreunden den Anspruch auf das Grundstück und Haus in Burglesau absprach. 784 Vgl. Verbot marxistischer Organisationen, StadtABa, C 2, Nr. 11987; Schreiben des Regierungsbezirks Ober- und Mittelfranken an das Staatsministerium der Finanzen v. 10. 9.1938, BayHStA, MF, Nr. 70056; Rad-und Kraftfahrer Solidarität Gau 19 Nordbayern, BayHStA, MF, LEA, Nr. 29178; Krause, 115 Jahre, S. 67; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 478–486, 535. 785 Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 156. 786 Vgl. Verbot marxistischer Organisationen, StadtABa, C 2, Nr. 11987. 787 Vgl. Verbot marxistischer Organisationen, StadtABa, C 2, Nr. 11987; Schreiben des Regierungsbezirks Ober- und Mittelfranken an das Staatsministerium der Finanzen v. 10. 9.1938, BayHStA, MF, Nr. 70056; Rad-und Kraftfahrer Solidarität Gau 19 Nordbayern, BayHStA, MF, LEA, Nr. 29178; Krause, 115 Jahre, S. 67. 788 Vgl. Rad-und Kraftfahrer Solidarität Gau 19 Nordbayern, BayHStA, MF, LEA, Nr. 29178. 789 Vgl. Rad-und Kraftfahrer Solidarität Gau 19 Nordbayern, BayHStA, MF, LEA, Nr. 29178. 790 Der exakte Betrag belief sich auf 998,40 Reichsmark. Vgl. Rad-und Kraftfahrer Solidarität Gau 19 Nordbayern, BayHStA, MF, LEA, Nr. 29178. 791 Vgl. Rad-und Kraftfahrer Solidarität Gau 19 Nordbayern, BayHStA, MF, LEA, Nr. 29178. 792 Vgl. Rad-und Kraftfahrer Solidarität Gau 19 Nordbayern, BayHStA, MF, LEA, Nr. 29178. 793 Vgl. Schreiben von Paul Arneth an das Polizeiamt Bamberg v. 10. 4.1933, StABa, K 5, Nr. 5195; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 484. 794 Schreiben von Paul Arneth an das Polizeiamt Bamberg v. 10. 4.1933, StABa, K 5, Nr. 5195. 779
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sehen vom Wandern bei den Naturfreunden, schon im April 1933 nicht mehr möglich. Noch vor dem Verbot der Freien Gewerkschaften und der SPD war in Bamberg die Arbeiterkulturbewegung zerschlagen worden. Während dieses Prozesses hatte sich die ganze Palette der Verhaltensmuster zu Beginn des Nationalsozialismus gezeigt: von der illegalen Fortführung über die getarnte Neugründung bis zur Hinnahme des Verbots und der Selbstauflösung. 795 Darüber hinaus gab es in Bamberg auch einen Verein des Organisationsmilieus, der von den nationalsozialistischen Verbotsmaßnahmen zunächst verschont blieb: der Konsumverein. 796 In ganz Deutschland kam es zu keiner Auflösung der Verbrauchergenossenschaft, da die NSDAP die Konsequenzen scheute. 797 Aufgrund der Weltwirtschaftskrise wollte man die Entlassung der zahlreichen Angestellten vermeiden und überdies waren die Nationalsozialisten gerade in der Anfangsphase bemüht, die Arbeiter für sich zu gewinnen. 798 Stattdessen beschränkte sich die NSDAP auf die schrittweise Umorganisation der Genossenschaft, die erst im Frühjahr 1935 in der Gleichschaltung mündete. 799 Aufgrund dessen entwickelten sich die Konsumgenossenschaften in vielen Städten zu linken Mikromilieus nach der Machtergreifung, in denen nonkonformes und oppositionelles Verhalten gepflegt wurde. 800 Ob dies auch in Bamberg der Fall war, ist nicht überliefert. Im Adressbuch von 1934 findet sich jedenfalls der Konsumverein wieder, sodass die Möglichkeit grundsätzlich gegeben war. 801 Ganz unbehelligt ließen die Nationalsozialisten diesen aber in Bamberg nicht, denn im Mai 1933 führten sie „in der Zentrale und bei den Filialen des all-
gemeinen Konsumvereins eine Bestandserhebung und Kassenrevision“ 802 durch. Als Leiter in der NS-Zeit wurde der Kaufmann Hans Staudt eingesetzt, der in den 1920er Jahren im Esperanto-Verein Kurse angeboten hatte. 803 Dieser trat 1938 mit der Anschrift des Konsumvereins in die NSDAP ein. 804 Folglich war der Zugriff der NSDAP auch auf diesen Verein letztendlich erfolgreich. Schneller und konsequenter als gegen den Konsumverein gingen die Nationalsozialisten gegen die Freien Gewerkschaften vor. 805 Am 2. Mai kam es in allen deutschen Städten zur zentral vorbereiteten Zerschlagung der sozialistischen Arbeitnehmerorganisationen. 806 In Bamberg besetzten SA-Männer am Vormittag die beiden Gewerkschaftshäuser, nämlich das Haus des Textilarbeiterverbandes in der Kleberstraße und das Volkshaus „Nöth“ am Schillerplatz. 807 Zusätzlich wurden die Gewerkschaftsgelder eingezogen und Vorstände und Kassierer vernommen. 808 Zum Abschluss des Tages unterstrich Lorenz Zahneisen den „reibungslos[en]“ 809 Übergriff auf den ADGB noch mit folgender Handlung: „Auf dem Gewerkschaftshaus am Schillerplatz wurde in den Abendstunden die Hakenkreuzfahne gehißt und zwar nach einer Ansprache des Sonderkommissars Zahneisen. Die Hissung erfolgte, nachdem die Wache ins Gewehr getreten war und unter Absingung des ‚Horst-Wessel-Liedes‘.“ 810
Die Bamberger Nationalsozialisten verbanden also die überregionale Aktion gegen die Gewerkschaften mit der Vereinnahmung des Schillerplatzes und fügten so dem allgemeinen Vorgehen einen lokalen
Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 524–526. Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1934, StadtABa; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 567–581. 797 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 570–572. 798 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 570–572. 799 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 570–572. 800 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 567–581. 801 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1934, StadtABa. 802 BT v. 3. 5.1933, Nr. 101. 803 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1934, StadtABa; Schneider, Hakenkreuz, S. 103; Heft zum Deutschen Esperanto-Kongress 1966 in Bamberg, StadtABa, BS, Nr. 69533–13. 804 Vgl. Liste der Mitgliedskarten der NSDAP-Ortsgruppe Bamberg Nord v. 15.1.1938, StABa, M 33, Nr. 656. 805 Vgl. Bamberger Jahrbuch 1934, S. 19; Buschak, Zirkel, S. 87–96; Schneider, Hakenkreuz, S. 101–106. 806 Vgl. Buschak, Zirkel, S. 87–96. 807 Vgl. BT v. 3. 5.1933, Nr. 101; Zehentmeier, Entwicklung, S. 169. 808 Vgl. BT v. 3. 5.1933, Nr. 101. 809 BT v. 3. 5.1933, Nr. 101. 810 BT v. 3. 5.1933, Nr. 101. 795
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symbolträchtigen Akt hinzu. Die braune Volksgemeinschaft reklamierte das rote Volkshaus nun für sich. Damit war der lang umkämpfte Platz letztendlich von den Nationalsozialisten eingenommen worden, die diesen Erfolg öffentlichkeitswirksam zelebrierten. Das sozialistische Zentrum Bambergs existierte nicht mehr, die rote Fahne war abgenommen worden und das Hakenkreuz dominierte stattdessen das Bild. 811 Drei Monate später vollendete man die Übernahme des Schillerplatzes, indem man dem sozialdemokratischen Pächter Georg Brückner die Konzession entzog und die Gaststätte einem neuen Wirt zur Verfügung stellte – einem SA-Mann. 812 So belohnte die NSDAP-Bamberg einen ihrer treuen Kämpfer und die Nationalsozialisten profitierten gleichzeitig auch wirtschaftlich von dem Ende des Partei- und Gewerkschaftshauses. 813 Der Historiker Andreas Wirsching nannte dies die „funktionale Dimension“ 814 der Machteroberung. Die Gleichschaltung traf nach den Vereinen und Gewerkschaften auch die letzte verbliebene Arbeiterinstitution, die SPD. 815 Schrittweise entzog man den Sozialdemokraten seit März ihre Einrichtungen und Organisationen. 816 Als erstes löste man am 10. März das Reichsbanner, die Eiserne Front und die SAJ auf. 817 Dieses Verbot wurde am 13. März noch in der letzten Ausgabe des Freistaats gemeldet. 818 Darin veröffentlichte die Schriftleitung eine Art Hausmitteilung, in der sie um Rücksicht und „Verständnis für die schwierige Situation“ 819
der Redaktion bat und Konflikte aufgrund der „auferlegte[n] Vorzensur“ 820 ansprach. Man würde hoffen, „daß dabei nicht bloß der augenblicklich Stärkere Recht behielte.“ 821 Dies war der letzte freie Hinweis auf das Unrecht des NS-Regimes. Einen Tag später erschien nur noch der Fränkische Volksfreund in Würzburg und verkündete, als eine der wenigen noch erscheinenden sozialdemokratischen Tageszeitungen, sein eigenes Verbot. 822 Im Anschluss daran stellte Lorenz Zahneisen im Stadtrat Bamberg am 23. März 1933 den Antrag, dem Freistaat die Lizenz als Amtsblatt zu entziehen und diese der nationalsozialistischen Zeitung Fränkisches Volk zu übertragen. 823 Die vormalige Kampfpresse der NSDAP wurde zur Staatspresse erhoben. 824 Damit endete die 15-jährige Geschichte des Freistaats in Bamberg, denn weder der Titel noch die parteipolitische Ausrichtung passten mehr in die Zeit des Dritten Reiches. Freiheit und Freistaat wurden Fremdwörter in den darauffolgenden Jahren. Anders als der Fränkische Volksfreund kam es auch nicht zu einer Wiederbelebung nach dem Zweiten Weltkrieg. 825 Am selben Tag, dem 23. März, wurde im Endergebnis die Demokratie in Deutschland abgeschafft. 826 In Berlin diskutierte der Reichstag über das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ und dabei hielt der SPD-Parteivorsitzende Otto Wels seine mutige und später berühmte Rede gegen das sogenannte Ermächtigungsgesetz, das die Gewaltenteilung aufhob und der Regierung die al-
Vgl. BV v. 10. 3.1933, Nr. 58; BT v. 3. 5.1933, Nr. 101. Vgl. Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893. 813 Vgl. Wirsching, Mehrheitsgesellschaft, S. 18 f. 814 Wirsching, Mehrheitsgesellschaft, S. 14. 815 Vgl. Schneider, Hakenkreuz, S. 114–116; Brandt/Lehnert, Demokratie, S. 150–152. 816 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 342–346. 817 Vgl. Halbmonatsbericht des Stadtrats Bamberg v. 14. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 11587; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 340 f. 818 Vgl. FS v. 13. 3.1933, Nr. 59; Frei, Provinzpresse, S. 116 f. 819 FS v. 13. 3.1933, Nr. 59. 820 FS v. 13. 3.1933, Nr. 59. 821 FS v. 13. 3.1933, Nr. 59. 822 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 341; Grubmüller/Langewiesche, Arbeiterbewegung, S. 92; Krause, 115 Jahre, S. 66. Krause geht fälschlicherweise davon aus, dass auch der Freistaat am 14. März noch ein letztes Mal zusammen mit dem Fränkischen Volksfreund erschien. Eine Ausgabe des Freistaats vom 14. März 1933 ist jedoch nicht überliefert. 823 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 23. 3.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Frei, Provinzpresse, S. 103–112. 824 Vgl. Frei, Provinzpresse, S. 122. 825 Der Fränkische Volksfreund erschien zwischen 1949 und 1962 als sozialdemokratische Tageszeitung für Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg und musste dann aufgrund mangelnder Rentabilität eingestellt werden. Vgl. Bauer, Hannsheinz: 25 Jahre Wirken der Würzburger SPD nach dem Zweiten Weltkrieg. Persönliche Erinnerungen. In: Würzburger Sozialdemokraten. Vom Arbeiterverein zur Sozialdemokratischen Volkspartei 1868– 1978. Hg. v. H. W. Loew/K. Schönhoven. Würzburg 1978, S. 127–130. 826 Vgl. Hiemann, Roland: „Auf jede Gefahr hin werde ich es tun!“ – Otto Wels’ Krolloper-Rede am 23. März 1933. In: Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Hg. v. F. Walter/F. Butzlaff. Berlin 2013, S. 59. 811
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leinige Gesetzgebung zusprach. 827 Am 24. März trat das Gesetz in Kraft, mit dem das Parlament gegen die Stimmen der SPD-Fraktion seine eigene Entmachtung besiegelte. Daraufhin befand sich die SPD zwischen März und Juni „in einem eigentümlichen Schwebezustand instabiler Halblegalität“ 828 zwischen Verfolgung und rechtmäßiger Wahrung ihrer Parteifunktion. Zum 31. März stellte auch der sozialistische Pressedienst sein Erscheinen ein, weil er den Verhältnissen „unter den obwaltenden Umständen […] niemals so entsprechen [könnte] […] wie es angesichts der gegenwärtigen politischen Zustände notwendig“ 829 erscheinen würde. Die abschließenden Zeilen lauteten hoffnungsvoll: „Wir verabschieden uns nicht, um die Flinte ins Korn zu werfen. Wir kommen wieder! Mit besten Grüßen. ‚Soz. Pressedienst‘“ 830. Im umgebildeten Bamberger Stadtrat kamen die sozialdemokratischen Mandatsträger ihre Aufgaben weiterhin nach, doch kam es nach dem Protest gegen die Ehrenbürgerwürde für Hindenburg, Hitler und Schemm zu keinem öffentlichen Protest der Sozialdemokraten mehr. 831 Am 16. Juni waren die sozialdemokratischen Stadträte das letzte Mal in einer Sitzung anwesend. 832 Sechs Tage später wurde der SPD durch einen Erlass des Reichsinnenminister Wilhelm Frick jegliche Betätigung untersagt. 833 Im Protokoll des städtischen Gremiums hieß es am 5. Juli 1933: „Die Stadtratsmitglieder der SPD sind infolge Verbots der SPD. aus[ge]schlossen.“ 834 Anschließend wurde die Niederlegung aller sozialdemokratischen Ämter angeordnet und der Arbeiterpartei sämtliche Mandate
entzogen. 835 Der sozialdemokratische Einfluss auf die Bamberger Kommunalpolitik erlosch. Nachdem auch die BVP-Vertreter ihren Rücktritt erklärt hatten, 836 füllte die NSDAP diese Lücken mit eigenen Parteimitgliedern auf und zog einen „letzte[n] Schlußstrich unter die parteimäßige Entwicklung unseres Gemeindeparlaments“. 837 Von nun an übernahm die NSDAP uneingeschränkt die Macht im Bamberger Stadtrat. 838 Laut Aussage des Kommunisten Anton Riel bedeutete dies für die folgenden zwölf Jahre: „Zahneisen war der Herrgott von Bamberg.“ 839 Das sozialistische Milieu hatte in der neuen braunen Welt keine Existenzberechtigung mehr. Nur noch informell konnten Milieustrukturen fortbestehen und aufrecht erhalten werden. 840 Diese Möglichkeit wurde auch in Bamberg genutzt. So berichtete der Sozialdemokrat Adolf Firsching nach 1945, dass sich einige Mitglieder des früheren Arbeitermilieus während des Nationalsozialismus regelmäßig getroffen und abgesprochen hätten: „Wir ermunterten uns gegenseitig, jeder in seinem Kreis und nach seinen Kräften und bei jeder Gelegenheit gegen den Nationalsozialismus zu wirken und so den schließlichen Zusammenbruch des Systems herbeiführen zu helfen.“ 841
Das Geflecht an roten Verbindungen war also noch vorhanden – nicht nur in der Stadt, sondern auch zwischen Bamberg, dem Bezirk Nordbayern und der Sopade, der Exil-SPD, in der Tschechoslowa-
Vgl. Hiemann, Krolloper-Rede, S. 59–67; Schneider, Hakenkreuz, S. 71–73. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 341. 829 Sozialistischer Pressedienst an die Verlage und Redaktionen der Parteipresse v. 31. 3.1933, BArch RY 20/II 145/44. 830 Sozialistischer Pressedienst an die Verlage und Redaktionen der Parteipresse v. 31. 3.1933, BArch RY 20/II 145/44. 831 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 26. 4.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 10. 5.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 24. 5.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 7. 6.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 16. 6.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 832 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 16. 6.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 833 Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 346; Schneider, Hakenkreuz, S. 114–116. Das offizielle Parteienverbot folgte am 14. Juli 1933 durch das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“, mit dem die NSDAP zur einzigen politischen Partei in Deutschland wurde. 834 Stadtratsprotokoll v. 5. 7.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 835 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 19. 7.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Mehringer, Sozialdemokratie, S. 346. 836 Vgl. Stadtratsprotokoll v. 5. 7.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707; Stadtratsprotokoll v. 19. 7.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 837 Stadtratsprotokoll v. 2. 8.1933, StadtABa, C 1, Nr. 707. 838 Einzig Hans Brosius gehörte formal noch einer anderen Partei, nämlich der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, an. Er wurde jedoch Mitte Juli als „Hospitant“ in die NSDAP aufgenommen. Vgl. Zehentmeier, Entwicklung, S. 178. 839 Verhandlung mit Zeuge Anton Riel am 24. 9.1948 im Spruchkammerakt Lorenz Zahneisen, 31. 8.1897, StAM, Spruchkammern, Amtsgericht München, Karton Nr. 2024. 840 Vgl. Schneider, Hakenkreuz, S. 645–652. 841 Spruchkammerakt Adolf Firsching, 13.1.1892, StABa, Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt, Nr. F 55. 827
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kei. 842 Als deren Grenzsekretär für Nordbayern wirkte der frühere Bamberger Freistaat-Redakteur Hans Dill, der in der Folgezeit den Kontakt zur Ortsgruppe und Josef Dennstädt herstellte. 843 Illegale sozialistische Literatur konnte folglich weiterhin nach Bamberg gelangen – zum Unmut der Behörden. So kam es im September 1933 erneut zu einer großen Razzia der SA und der Politischen Polizei gegen das Arbeitermilieu, in der unter anderem solche verbotenen und geschmuggelten Schriften beschlagnahmt wurden. 844 Das Bamberger Tagblatt berichtete unter der Überschrift „Ein rotes Wespennest in Bamberg“ 845: „Gegenstand einer nicht unberechtigten ‚Razzia‘ war in der Frühe des gestrigen Tages ein Teil von Bamberg-Süd, wobei die angestellten Haussuchungen nicht nur ziemlich umfangreiches rotes Hetzmaterial in Form von Broschüren, Büchern, Zeitschriften, Zeitungen usw., sondern auch zahlreiche in Gartenhäuschen, unter Dachsparren, Kleintierställen usw. versteckte Waffen, und zwar Schlagund Schießwaffen sowie Munition zum Vorschein brachten.“ 846
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Die Verstecke der Gegenstände befanden sich in der Wunderburg, in dem Bereich um das ehemalige Hochgericht. 847 Das sozialistische Milieu lebte also genau in dem Viertel weiter, in dem es während der gesamten Weimarer Republik seine Hochburg gehabt hatte. 848 Hier griffen Parteiorganisation, Vereinsmilieu und Nachbarschaftsbeziehungen ineinander, sodass sogar 1935 das rote Herz noch schlagen konnte. Als Georg Brückner 1935 die Pacht für die Gaststätte „Schwarzenberger Hof“ in diesem Viertel übernahm, erschien fast das gesamte Spektrum des Arbeitermilieus Bamberg: der frühere SPD-Stadtrat Hans Willner für die Partei, der ehemalige Gewerkschaftssekretär Georg Dotterweich für den ADGB, der vormalige ASB-Vorstand Johann Engert für das Organisationsmilieu und der frühere Krankenkassendirektor Adolf Firsching. 849 Das sozialistische Milieu in Bamberg war folglich während der Weimarer Republik so gewachsen, erstarkt und gefestigt worden, dass es 1933 trotz der Maßnahmen und des Terrors der Nationalsozialisten nicht beseitigt werden konnte. Linke Ideen, Gesinnungen, Personen und Institutionen waren weder wegzudenken noch auszulöschen, sondern sie prägten die Bamberger Gesellschaft entscheidend mit. Bamberg war und blieb immer auch rot.
Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 352–391. Vgl. Mehringer, Sozialdemokratie, S. 364–368. Vgl. BT v. 29. 9.1933, Nr. 225; Zehentmeier, Entwicklung, S. 192; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 403–429. BT v. 29. 9.1933, Nr. 225. BT v. 29. 9.1933, Nr. 225. Vgl. BT v. 29. 9.1933, Nr. 225. Vgl. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 429–435. Vgl. Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893.
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7 Fazit
Die Arbeiterbewegung wird meist mit dem Bild der drei Säulen beschrieben: Parteien, Gewerkschaften und Arbeitervereine bildeten das sozialistische Milieu. 1 Dieses Modell beschreibt zwar auch in Bamberg die unterschiedlichen organisatorischen Bereiche, doch trifft es nicht den wahren Charakter des örtlichen Arbeitermilieus. Schließlich stehen Säulen getrennt voneinander und sind nicht zwangsläufig durch ein gemeinsames Fundament miteinander verbunden. Für Bamberg eignet sich daher besser die Metapher eines wachsenden Baumes, aus dessen Stamm verschiedene Äste hervortraten. Betrachtet man diesen Bamberger Baum der Arbeiterbewegung näher, so lassen sich folgende Merkmale und Fakten festhalten: Der Keim ging bereits 1848 während der Märzrevolution mit dem ersten Arbeiterverein auf. Ob der Spross sich überhaupt durchsetzen würde, blieb allerdings bis 1890 unsicher. Die junge Pflanze kämpfte in den ersten Lebensjahren mit mannigfachen Schwierigkeiten. So war der Boden nährstoffarm und trocken: Es mangelte an Industrie, großen Firmen und folglich der klassischen Arbeiterschaft als Wachstumsträger. Vielversprechende Triebe wie der Arbeiterbildungsverein zwischen 1869 und 1872 starben wieder ab, weil sie auf zu wenig Resonanz – man könnte sagen Sonnenlicht – stießen. Zudem waren auch andere äußere Bedingungen unwirtlich und widrig. Von Seiten der Kirche, der Behörden und des Staates blies dem neuen und unbekannten Gewächs starker Gegenwind entgegen. Die Social-demokratische Arbeiter-Partei Bamberg von 1873 wurde nach eineinhalbjähriger Existenz vom Magistrat der Stadt verboten. 1878 folgte das deutschlandweite Sozialistengesetz und untersagte alle linken Vereine, Versammlungen und Presseorgane. Stattdessen pflegte und förderte man in Bamberg lieber das katholische Vereinswesen in Form des Gesellen-Vereins, des katholischen Kasinos und des Arbeitervereins. Damit fühlte man sich sicher, Ruhe und Ordnung waren so garantiert. Protegiert und gestärkt wurde das Pflänzchen der Arbeiterbewegung allerdings von den bürgerli1
chen Demokraten vor Ort und den Nürnberger Genossen, die von Anfang an Wasser spendeten und Hilfe boten. Zu nennen sind hierbei insbesondere die Personen Nikolaus Titus und Karl Grillenberger. Durch die enge Bindung an die liberal-demokratische Bewegung zeigten sich in Bamberg früh reformistische Charakterzüge der Arbeiterbewegung. Bei Reichstagswahlen kam es häufig zu Wahlbündnissen mit den Demokraten, die von den 1880er Jahren bis Anfang des 20. Jahrhunderts reichten. Als das Sozialistengesetz 1890 nicht mehr verlängert wurde, war auch in Bamberg klar, dass der sozialdemokratische Spross nicht mehr gekappt werden konnte, da inzwischen die Arbeiterbewegung zur zweitstärksten Partei aufgestiegen war. 1890 feierte sie zum ersten Mal den Maifeiertag mit einem Fest auf dem Stephansberg. Ungehindert weiterwachsen sollte sie dennoch nicht, sondern in den Augen der Behörden möglichst kleingehalten und unterdrückt werden. Wann immer sich eine Chance bot, wurden neue Triebe gestutzt und zurechtgeschnitten. Den Maifeiern trat man mit Lokalverboten entgegen und die Etablierung der Bamberger Volks-Zeitung scheiterte unter anderem aufgrund der angestrengten Prozesse gegen den sozialdemokratischen Redakteur Joseph Straub. Allen Widrigkeiten zum Trotz zweigten sich langsam erste Äste neben der SPD vom Stamm ab: Die Gewerkschaften und die ersten Arbeitervereine wuchsen hervor. Sie behielten dabei festen Kontakt zur Partei und entwickelten sich in Abhängigkeit von ihr. Der Erste Weltkrieg unterbrach das Wachstum des kleinen Bäumchens erneut, denn infolge der Burgfriedenspolitik und der Einberufungen erlebte die Pflanze zwischen 1914 und 1916 ausgesprochene Dürrejahre. Anschließend schaffte es der SPDVorstand und Arbeitersekretär Johann Steitz, zumindest wieder neues Wasser zuzuführen und das Gewächs durch öffentliche Versammlungen wiederzubeleben. Das Resultat dieser Entwicklung war, dass der Baum der Bamberger Arbeiterbewegung 1918 als
Vgl. Adam, Arbeitermilieu, S. 314; Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus, S. 441.
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Fazit
ein langsam gewachsener Stamm mit kleinen Trieben dastand, der seine Widerstandsfähigkeit bereits mehrfach unter Beweis gestellt hatte. Er war mittlerweile fest im Boden verwurzelt, doch hatte er sich noch nicht entfalten können. Ein Geflecht aus Ästen und kleinen Zweigen bestand noch nicht, sie waren – wie im Fall der ersten Arbeitervereine – höchstens an ihrem Ausgangspunkt angelegt. Der Baum wartete noch auf ein Jahr mit günstiger Witterung und ohne schädigende Einflüsse, in dem er kräftig weiterwachsen und florieren könnte. Zu seiner ersten Blüte verhalfen ihm die Revolutionsmonate ab November 1918. Erstmals stimmten alle Faktoren: Die Bevölkerung verlangte im Anschluss an die Kriegsjahre nach einem Neuanfang unter anderen Vorzeichen. Die sozialistischen Ziele Frieden und Freiheit, Demokratisierung und Parlamentarisierung entsprachen den Forderungen auf der Straße. Mit Johann Steitz stand ein bewährter Politiker bereit, der die Umwälzung in Bamberg federführend lenkte. Ein Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat wurden gebildet und diese übernahmen die öffentliche Gewalt, ohne jedoch die gewachsenen Machtstrukturen zu missachten und die städtische Elite auszuklammern. Folglich blieb Oberbürgermeister Adolf Wächter im Amt. Die ersten demokratischen Wahlen brachten der SPD einen nie zuvor erlebten Erfolg, denn etwa ein Drittel der Wähler stimmte im Januar 1919 für die Arbeiterpartei. Der Baum stand in voller Blüte. Als Konsequenz erhielt Johann Steitz ein Mandat im Bayerischen Landtag und wurde nach den Kommunalwahlen zum dritten Bürgermeister der Stadt Bamberg ernannt. Die SPD erlebte einen Wachstumsschub, der zusätzlich durch die bayerische Entwicklung begünstigt und gedüngt wurde. Nachdem am 7. April 1919 die Räterepublik in München ausgerufen worden war, floh die Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann nach Bamberg. Eine Zeitung hielt zu diesem für die Regnitzstadt historischen Tag fest: „Seit gestern haben wir in Bamberg ein kleines Weimar.“ 2 Bamberg bot sich als vorübergehender Re-
gierungssitz unter anderem deshalb an, weil die radikale Arbeiterschaft in Form der neugegründeten USPD vor Ort wenig Einfluss besaß, schwach organisiert war und sich an die SPD anlehnte. Deren lokale Parteiführer zogen eine Revolution in Bamberg nicht einmal in Erwägung, sondern erwarteten den möglichen Umsturz von außen, ohne selbst die Initiative zu ergreifen. Ein kümmerlicher linksextremer Ast am inzwischen starken sozialistischen Baumstamm. Die Exilphase der bayerischen Regierung zwischen April und August 1919 erwies sich als Glücksfall für die Arbeiterbewegung in Bamberg. Die bayerischen Minister hielten auf dem Maxplatz Ansprachen zur neuen demokratischen Staatsordnung und stellten sich als Referenten für Mitgliederversammlungen der SPD-Bamberg zur Verfügung. Außerdem nahmen sie an der Feier des 1. Mai 1919 teil und verliehen dem Tag der Arbeit damit einen offiziellen und ehrenvollen Charakter. Erstmals erhielt das rote Bamberg an diesem Tag die Möglichkeit, die Straßen für sich zu reklamieren und sich öffentlich zu präsentieren. Partei, Gewerkschaften und Arbeitersportvereine riefen gemeinsam dazu auf, „sich geschlossen an diesen Veranstaltungen zu beteiligen“, 3 denn es gelte „eine Heerschau des Bamberger Proletariats“ 4 auf die Beine zu stellen. Tatsächlich erreichte man „eine wuchtige Kundgebung der Bamberger Arbeiterschaft“, 5 bei der Fahnen, Standarten, Embleme und beschriftete Tafeln mitgeführt wurden und das Lied „Empor zum Licht“ in der Hoffnung auf eine neue Zukunft gesungen wurde. Freiheit, Einheit, Gleichberechtigung und Solidarität sollten von nun an maßgebend sein. Die Tagespresse meldete: „Ganz Bamberg war auf den Beinen oder an den Fenstern beim Vorbeimarsch der Sozialdemokraten.“ 6 Bamberg hatte sich zum ersten Mal rot gefärbt. Die SPD hatte sich Respekt verschafft und wurde in diesen Wochen gesellschaftsfähig. Mit Verzögerung – verglichen mit anderen deutschen Städten und Regionen – hatte sich die Bamberger Arbeiterschaft die Straße erobert und feierte ihre neue Stellung in der Weimarer Republik. 7 Dies markierte den Aufbruch
FS v. 10. 4.1919, Nr. 3. FS v. 30. 4.1919, Nr. 18. 4 FS v. 30. 4.1919, Nr. 18. 5 FS v. 2. 5.1919, Nr. 19. 6 FS v. 2. 5.1919, Nr. 19. 7 Vgl. Marg, Stine/Walter, Franz: „Das Proletariat hat sich die Straße erobert.“ Sozialdemokratische Demonstrationen gegen das preußische Klassenwahlrecht. In: Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten. Hg. v. F. Walter/F. Butzlaff. Berlin 2013, S. 172–179. 2 3
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in eine neue Zeit: die Zeit des sozialistischen Milieus in Bamberg. Der Baum war fest verwurzelt und bot ein imposantes Bild. Zwar kehrten nach der Annahme der Bamberger Verfassung im August 1919 die bayerischen Parlamentarier und der SPD-Ministerpräsident wieder aus dem oberfränkische Exil nach München zurück, doch nach der Blütezeit im Frühjahr konnte die Arbeiterbewegung nun mit der Ernte beginnen. Viele rote Früchte waren am Baum gereift: Die eigene SPD-Zeitung Der Freistaat versorgte die linksdemokratische Bevölkerung Bambergs seit 1919 mit Meldungen und wurde zur Stimme der Arbeiterbewegung. In den nächsten 15 Jahren prägte sie den städtischen Diskurs entscheidend mit und bereicherte ihn vor allem durch das Vertreten konsequent republikanischer Ansichten. Der Name Freistaat blieb immer Programm, die Verteidigung dieser Staatsform oberstes Ziel der Bamberger Arbeiterbewegung. Die SPD organisierte zum Beispiel eine Bildungsreihe mit Vorträgen über den Sozialismus, die nicht nur den eigenen Mitgliedern, sondern ganz demokratisch allen Interessierten offen stand und auf großes Interesse bei der Bevölkerung stieß. Die Organisation der Arbeiterjugend wurde wieder zum Leben erweckt, beworben und etablierte sich. Steten Zulauf erhielten die Freien Gewerkschaften, die ihre Mitgliederzahl bis 1922 auf über 10.000 steigerten und 35 Einzelverbände in Bamberg ausbildeten. Dies hatte zur Folge, dass man feste Geschäftsstellen für die Metall-, Holz- und Textilarbeiter einrichtete und mehrere hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre einstellte. Unter ihnen waren Alexander Zwiebel vom Textilarbeiterverband und Georg Dotterweich vom Metallarbeiterverband zwischen 1919 und 1933 feste Stützen für die Arbeitnehmer. Außerdem erlangte Hans Rösch großen Einfluss, der ab 1919 für die SPD im Bamberger Stadtrat saß und 1920 das Amt des Gewerkschaftssekretärs des ADBG übernahm. Beide bekleidete er bis 1932. So blieben die beiden Äste der sozialdemokratischen Partei und der Freien Gewerkschaften in Bamberg personell eng verbunden und entwickelten sich fortwährend in Einklang miteinander weiter. Ebenso konnte nun der Zweig der Arbeitervereine sprießen: Die Freie Turnerschaft bekam 1919 erstmals eine städtische Turnhalle in der Luitpoldschule für ihre Übungsstunden zur Verfügung gestellt. Als Dachverband der Sportorganisationen 470
entstand das Arbeitersportkartell und koordinierte fortan die einzelnen Vereine. Nach einer Aufbauphase beging man im August 1920 das erste Arbeiter-Sportfest – zwei Tage lang trug man Wettkämpfe aus, die Turner präsentierten Figuren wie Massenpyramiden und die Arbeitersänger gaben Konzerte. Das rote Bamberg ertüchtigte sich und sang gemeinsam, gestaltete also seine Freizeit und demonstrierte seine Einheit. Das Angebot für alle Anhänger wurde erweitert: Nach Turnen, Leichtathletik und Radfahren kamen nun Fußball, Wandern und Schwimmen als neue Sportarten hinzu. Die Fußballer bildeten ab 1921 mit dem 1. Arbeiter-Fußball-Club „Pfeil“ eine erste eigenständige Organisation und ab 1922 löste sich die Spielvereinigung als Fußballabteilung von der Freien Turnerschaft ab. Ebenso wurde das Wandern in einem unabhängigen Verband organisiert, da sich 1921 der Touristenverein „Die Naturfreunde“ konstituierte. In ähnlicher Weise wuchsen die Arbeitersänger: Die bereits aus der Kaiserzeit stammende Sängerrunde „Arion“ erhielt neben dem Männerchor einen Frauen- und einen gemischter Chor. Gleichberechtigung fand Eingang in das Vereinswesen. Im April 1920 gaben die drei Chöre ein erstes gemeinsames Frühlings-Volkskonzert. Darüber hinaus entstand 1922 mit dem „Volkschor“ ein zweiter Arbeitergesangverein in Bamberg. Die Arbeiterkultur prosperierte also in alle Richtungen und bildete immer wieder neue Abteilungen, Sparten und Vereine aus: Ein starker Ast mit vielen Gabelungen und Verzweigungen entwickelte sich. Selbst auf dem Gebiet des Bauens wurde man solidarisch aktiv, um der Wohnungsnot zu begegnen. Im Juli 1919 schlossen sich vorwiegend Sozialdemokraten zur Siedlungsgenossenschaft „Eigenheim“ zusammen und errichteten schon im ersten Jahr ihres Bestehens ein Häuserensemble im Stadtteil Wunderburg. Auch der Konsumverein half mit und baute 1919 an seiner zentralen Geschäftsstelle mehrere Wohneinheiten. Selbsthilfe und Solidarität als Grundprinzipen der Arbeiterbewegung wurden erfahrbar und gelebt. Die angeführten Beispiele zeigen, dass die ersten Jahre der Weimarer Republik für das sozialistische Milieu in Bamberg entscheidend waren. Jetzt spannte sich ein Netz an linken Organisationen auf, das alle Lebensbereiche einschloss: Politik, Arbeitnehmervertretung, Presse, Freizeit und Feste. Aus dem linken Stamm der Kaiserzeit entwuchsen all
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diese Äste und verzweigten sich vielfach in verschiedene Richtungen. Die Pflanze wurde endgültig zum Baum. Sie war kein Setzling mehr, auf den man hinabblickte, sondern ein komplexes und filigranes Gewächs, zu dessen Geäst man immer mehr hinaufblicken musste. Aus dem ältesten Ast, der Sozialdemokratie, entwuchsen mit der USPD, der KPD und der KPO weitere linke Parteien. Außerdem entstanden zu diesen Nebenstränge wie Wehrorganisationen, Presseorgane und Gruppen für Frauen, Kinder und Jugendliche. Alle Altersstufen waren nun in das Geflecht integriert. Diese Zweige entwickelten sich zum politischen Sozialmilieu. Aber sie blieben nicht alleine. Neben ihnen entfalteten sich die Gewerkschaften, die zahlreiche Einzelorganisationen ausbildeten und Jugendabteilungen betrieben. Darüber hinaus erweiterten sie ihre Aufgaben: Sie kümmerten sich um die Bibliothek, offerierten Bildungsangebote und fungierten als Beratungsstellen. Zusammen mit den Freizeiteinrichtungen prägten sie den tragenden Ast des Organisationsmilieus aus. So wurde die Beschäftigung in der arbeitsfreien Zeit zunehmend sozialistisch überformt. Aus den drei ursprünglichen Sportvereinigungen der Arbeiter-Turner, Arbeiter-Radfahrer und Arbeiter-Athleten keimte ein umfassender Organismus aus Sport-, Kultur-, Hilfs- und Wohlfahrtsvereinen. Gerade durch diesen Bereich wurden neben den Partei- und Gewerkschaftsmitgliedern neue Anhänger für die Arbeiterbewegung rekrutiert und eingebunden. Das Milieu gewann Dichte, Bindekraft und Stabilität. 8 Die sozialistische Lebenswelt in Bamberg blühte weiter auf. Die Solidargemeinschaft wurde lebendig, das Gefühl der Zusammengehörigkeit wuchs und die Arbeiterbewegung bildete das „Wir-Gefühl“ einer Gruppenkultur aus. Das sozialistische Milieu in Bamberg grünte und florierte. Unzweifelhaft gab es dabei bessere und schlechtere Jahre. Besonders nach der Anfangseuphorie und dem überschwänglichen Aufbruch folgten Rückschläge, Verluste und Einschnitte. Die Zwanzigerjahre waren eben nicht golden, sondern geprägt von starken wirtschaftlichen Schwankungen, enttäuschten Hoffnungen, Angriffen auf die Republik und divergierenden gesellschaftlichen Kräften. Aber die Zwanzigerjahre wurden nichtsdestotrotz 8 9
zu roten Wachstumsjahren in Bamberg. Die Zunahme war zwar unstet und schwankend, der Aufstieg teils holprig, doch der Baum der Arbeiterbewegung vergrößerte sich beständig. Immer weiter spannte er sein Blatt- und Astwerk auf. So gab es ab Mitte der Zwanzigerjahre kaum mehr eine Aktivität, die man nicht in einer roten Organisation ausüben konnte. Die Angehörigen des Milieus gingen gemeinsam ins Theater, sie leisteten Erste Hilfe, sie tanzten, schwammen, spielten Mandoline und Handball, nähten und sprachen Esperanto. Nur sehr wenige Triebe konnten sich nicht dauerhaft durchsetzen und starben wieder ab, wie beispielsweise der Arbeiter-Schachklub oder die Sozialistische Abstinenzler-Gruppe. Das sozialistische Milieu zeigte sich während der Ausdifferenzierung offen in der Rezeption neuer Freizeitaktivitäten und der Eingliederung moderner gesellschaftlicher Strömungen. Zum Beispiel wurde demokratische Reformpädagogik bei den Ferienlagern der Roten Falken angewandt und die Naturfreunde bildeten eine Foto- und Lichtbildsektion, die Anfängerkurse für Fotografie anbot. Außerdem hörte man gemeinsam Radiomeldungen und besuchte das Kino, insbesondere wenn Filme mit links-ideologischem Inhalt gezeigt wurden. Drei besondere Meilensteine in der Entwicklung des Milieus waren die Etablierung des „Nöth“ als rotes Zentrum 1925, die Errichtung der Wassersportanlage des „Neptun“ 1927 und der Bau des Textilarbeiterheimes 1929/30. Mit der Gaststätte „Nöth“ am Schillerplatz schufen sich die SPD, der ADGB und der Freistaat eine gemeinsame und zentrale Anlaufstelle für alle Angehörigen des Milieus. Weitere Verbände wie der ASB, die SAJ oder die Athleten nutzten die Räume ebenfalls und machten das „Nöth“ schließlich zum roten „Volkshaus“ der Arbeiterbewegung. Am Schillerplatz schlug folglich das rote Herz während der Weimarer Republik und das sozialistische Milieu hatte seinen Platz in der Stadt gefunden. Die Schwimmanlage am Bughof des Wassersportvereins „Neptun“ war das „erste […] eigene […] Heim der Arbeitersportbewegung“, 9 sodass auch dieser Zweig eine feste Verankerung erreichte. In der Bauphase wurde vor allem der Zusammenhalt des Milieus offensichtlich, denn der Wassersportplatz entstand durch Mit-
Vgl. Walter, Milieus und Parteien, S. 484. FS v. 1. 4.1927, Nr. 75.
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gliedsbeiträge, Spenden, und Arbeitsdienste. Alle halfen mit, um an der Regnitz ein eigenes Sportareal entstehen zu lassen, das konsequenterweise schließlich auch von anderen Organisationen, wie der SAJ, in Gebrauch genommen wurde. Der dritte Bau des Milieus war das Textilarbeiterheim in der Kleberstraße. Zur Eröffnung jubelte der Freistaat: „Die Textilarbeiter im eigenen Heim“ 10. Besonders stolz war man auf die Tatsache, dass man das Gebäude komplett mit eigenen finanziellen Mitteln errichtet hatte. Wie der „Neptun“ stellte auch der Textilarbeiterverband seine Räumlichkeiten anderen linken Verbänden und Abteilungen zur Verfügung. Beispielsweise fand dort die sozialdemokratische Frauensektion ihr Domizil. So waren die Heime auch Sinnbilder der gelebten Solidarität innerhalb des sozialistischen Milieus. Sie verdeutlichten zudem, dass sich in Bamberg Partei, Gewerkschaften und Vereinswesen miteinander ausbildeten und alle drei Richtungen beziehungsweise Äste erstarkten. Der radikalere Teil der Arbeiterbewegung ließ hingegen die Zweige der USPD und KPD samt KJVD und eigenen Presseorganen wachsen – ohne jedoch in Bamberg das gemeinsame Fundament zu verlassen und den Kontakt zur SPD abzubrechen. Die Äste blieben Teil des Baumes, das linke Kommunikationsgeflecht war weiterhin intakt und auch die personellen Verbindungen rissen bei allen Differenzen nicht ab. Dies wurde zum Beispiel bei den Feiern des 1. Mai offensichtlich, bei der Sozialdemokraten und Kommunisten während der 1920er Jahre gemeinsam aufmarschierten. Der kollektive Umzug war möglich, weil die Rollen klar definiert und verteilt waren. Die SPD hatte die Führungsposition inne und dominierte das Geschehen, während sich die KPD unterordnen musste. Für die linke Festkultur und die Machtdemonstration des sozialistischen Milieus nahm sie die Herabstufung in Kauf. Die rote Gemeinschaft stand über den Einzelinteressen der Parteien. Zudem bildeten die Gewerkschaften und Arbeitervereine fixierende Klammern, die während der Weimarer Republik nie gelöst wurden. Versuche, beispielsweise innerhalb der Gewerkschaften kommunistische Sonderwege zu gehen, scheiterten und fanden keine Nachahmung. So hielten alle Gruppierungen und Schattierungen des Arbeitermilieus in Bamberg zusammen und 10
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sammelten sich immer wieder zu linken Ereignissen. Es war demnach ein einziges sozialistisches Milieu, das zu Beginn der Weimarer Republik in Bamberg entstanden war und als Solidargemeinschaft in der Folgezeit Knospen und Blüten trieb. Bei der Entwicklung half weiterhin die organisierte Arbeiterschaft aus Nürnberg, aber auch die Arbeitermilieus aus Würzburg, Schweinfurt und Coburg bildeten enge Beziehungen zur Bamberger Arbeiterbewegung aus. Oftmals kamen wichtige Impulse zur Gründung neuer Zweige aus diesen Städten, wie zum Beispiel bei der Konstituierung der KPD, des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold oder der Naturfreunde. Dabei erhielten die Bamberger Genossen Hilfestellungen durch Arbeiterführer aus den genannten Städten. Mit auswärtiger Unterstützung im Bayerischen Landtag wurde 1924 der ASB wieder zugelassen und der Freistaat konnte zusammen mit der Würzburger Zeitung Fränkischer Volksfreund fortgeführt werden. Die Anstöße und der Antrieb durch andere Arbeiterbewegungen waren vor allem deshalb wichtig, weil das linke Bamberg aufgrund seiner verspäteten Milieuentstehung oftmals den allgemeinen Entwicklungen hinterherhinkte. Allerdings vollzog man Gründungen meist erfolgreich nach und blieb den einmal etablierten Organisationen treu. Davon zeugen beispielsweise der Kleinkaliberschützenbund, die Eiserne Front oder die Roten Falken. Nur selten, wie im Falle der 1921 gegründeten Arbeiterwohlfahrt, reagierte man umgehend und ohne auswärtigen Anschub. So blieb die Verzögerung ein stetes Merkmal, das gut mit der fränkischen Mentalität der Gelassenheit und Gemütlichkeit harmonierte. In Bamberg machte man keine Revolution und bereitete keinen Umsturz vor. Der Sozialismus, der Klassenkampf und die linke Umwälzung würden sicherlich nicht in Bamberg entstehen, sondern von auswärts in die oberfränkische Stadt hineingetragen werden – diese Ansicht teilten die Mitglieder des Milieus, egal ob Sozialdemokraten oder Kommunisten. Insofern standen die Bamberger dem sozialdemokratischen Theoretiker Eduard Bernstein und seinem Revisionismus nahe, der bereits im Kaiserreich den Weg der schrittweisen Verbesserungen durch Reformen vorgezeichnet hatte. Die Bamberger handelten in der Tradition des bayerischen Reformismus von Georg von Vollmar und
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Karl Grillenberger. Das sozialistische Milieu Bamberg wartete – meist gemeinsam – auf den zukünftigen Sozialismus und kümmerte sich in der Zwischenzeit um die Verbesserung des Alltags vor Ort: Man erstritt Kleiderzulagen für die Kanalarbeiter, setzte eine Wärmestube im Winter durch und förderte Notstandsarbeiten. Im Glauben an den sozialistischen Fortschritt wählte man, organisierte sich, half sich gegenseitig und feierte. Die Ruhe und Ordnung der katholischen Mittelstadt wurden dabei in politischer Hinsicht nicht ernsthaft gefährdet oder in Frage gestellt; auch wenn die Behörden das linke Treiben stets kritisch beäugten. Provokationen wie eine Sowjetfahne zum 1. Mai 1925 auf dem Michaelsberg stellten Ausnahmen dar. Die pragmatische Grundhaltung des sozialistischen Milieus hatte den Vorteil, dass viele verschiedene Bevölkerungsteile und soziale Schichten in die linke Bewegung integriert werden konnten. Das Bamberger Arbeitermilieu war kompatibel und bot Anschlussmöglichkeiten an unterschiedliche Richtungen. Die Voraussetzungen dafür waren, dass die Mehrheit der Mitglieder nicht dem klassischen und ungelernten Industrieproletariat entstammte und der Linksextremismus eine Randerscheinung blieb. Die KPD war ein kleiner Ast im großen Geflecht ohne gewichtigen Einfluss. Statt der Fabrikarbeiterschaft stellte die Handwerkerschaft den größten Teil der Führungsriege der Bewegung – nicht nur im Kaiserreich, sondern auch während der Weimarer Republik. Für die SPD war vor allem Josef Dennstädt wichtig, ein gelernter Schlosser, der seit seiner Berufung zum Parteisekretär 1922 zur bestimmenden Persönlichkeit des sozialdemokratischen Astes wurde. Den linksradikalen Trieb prägte insbesondere der Maurer und Steinhauer Otto Geyer, der von der USPD über die KPD bis zur KPO alle Organisationsformen federführend leitete. Gelernte Handwerker bildeten also die Basis der Arbeiterbewegung, doch das sozialistische Milieu zeigte von Anfang an Merkmale einer Volksbewegung in Bamberg: Neben den Arbeitern fanden sich auch Beamte, Angestellte, Kaufleute, Akademiker, Intellektuelle und Künstler in ihren Reihen. Der Anwalt Dr. Josef Dietz war Mitglied der KPD und zudem für die Rote Hilfe aktiv; der Kommunist Anton Riel war Bildhauer; der Lehrer Georg Waller vertrat die SPD im Stadtrat und die Sozialdemokraten Michael Linsner und Adolf Firsching waren als Eisenbahnsekretär beziehungsweise Ge-
schäftsführer der Ortskrankenkasse angestellt. Dabei schloss das Milieu viele jüdische Bürger ein, die ebenso wie die Arbeiterbewegung nach Emanzipation, Anerkennung und Freiheit strebten. Führende Rollen in dieser Kategorie spielten der Gewerkschaftssekretär Alexander Zwiebel, die Kaufleute Nathan Rimpel und Wilhelm Hellmann sowie der juristische Referendar Wilhelm Aron. Sie alle prägten den offenen, kompromissbereiten, wenig radikalen und eher reformistischen Kurs in Bamberg mit. Genau in dieser Heterogenität lag die Stärke des Bamberger Milieus. Die Verschiedenartigkeit bedingte die Aufgeschlossenheit und Zugänglichkeit der Gemeinschaft, das Milieu war flexibel, konsens- und anknüpfungsfähig. Dies ermöglichte die Fortsetzung der guten Beziehungen zu den Demokraten, mit denen man zusammen für die Republik demonstrierte und den Verfassungstag feierte. Das links-demokratische Bündnis aus der Kaiserzeit blieb als roter Faden bestehen. In Einklang mit den Demokraten forderte die Arbeiterbewegung mehr gesellschaftliche Freiheit und Liberalität. Diese Toleranz lebte sie selbst vor: Als Mitglied des sozialistischen Milieus konnte man regelmäßig in die Kirche gehen oder aber die Versammlungen der Freidenker besuchen. Beides war möglich. Gottesdienstbesuch und eine anschließende sozialistische Feier am Sonntag schlossen sich in Bamberg nicht kategorisch aus, denn die SPD war keine zweite Freidenkerorganisation. Dieser Part wurde eher von der KPD übernommen. So teilte man sich die Rollen auf und vermied Konflikte. Beide Seiten traten für den gesellschaftlichen Fortschritt ein. Die Mitglieder des Arbeitermilieus kämpften in Bamberg für die sexuelle Aufklärung der Jugend durch Filme, in den Gewerkschaften organisierte man Vorträge über Verhütung und man trat für die Emanzipation der Frau ein. Darüber hinaus setzte man moderne Turnkostüme bei öffentlichen Auftritten durch und erwirkte Bademöglichkeiten im Fluss für die Bevölkerung. Diese Beispiele mögen banal klingen, sie waren es aber keinesfalls in Bamberg während der Weimarer Republik. Nicht zuletzt solche Faktoren bestimmten die Lebenswelt der Bamberger mit. Ohne die Arbeiterbewegung hätte Bamberg in den Zwanzigerjahren keine religionsfreie Erziehung gekannt, keine Hosen für Frauen und wohl auch keine Anti-Kriegsfilme gesehen. Der Grund war, dass die katholische Kirche, das konservative Bürgertum und Vertreter des Militärs 473
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während der Zwischenkriegszeit in Bamberg versuchten, den Kurs zu bestimmen und zu dominieren. Für sie war die Arbeiterbewegung noch immer ein rotes Tuch und als Richtlinien galten ihnen Ruhe und Ordnung, Moral und Hierarchie, Nationalismus und Vaterland. Wenn das sozialistische Milieu einen Umzug durch die Stadt veranstaltete, dann sahen sie sprichwörtlich rot. Beispielhaft für diese Haltung steht die Familie Freiherr von Gebsattel, die fortwährend gegen das aufstrebende Arbeitermilieu agierte. 1919 schrieb Hermann Freiherr von Gebsattel in einem Brief an die Regierung, dass „der Bolschewismus und der Kommunismus und deren Nebenarten ebenso wie sonstige politische Utopien als psychische Krankheit nur durch intensivste Aufklärung gründlich zu bekämpfen“ 11 seien. Konkrete Maßnahmen ergriff er gegen die Arbeiterbewegungen, indem er versuchte, dem neugegründeten ASB 1923 einen Arzt streitig zu machen. Die geforderte Aufklärung wurde insbesondere durch Konstantin Freiherr von Gebsattel, den Bruder Hermanns, betrieben, der führend im Alldeutschen Verband und im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund, wirkte. Unter anderem durch diese Organisationen wurden in Bamberg antidemokratische, antisozialistische und antisemitische Ideen verbreitet. Je häufiger sich jedoch die Gegner der Arbeiterbewegung als Antisemiten betätigten, desto dezidierter wurde das sozialistische Milieu, vor allem die SPD, zur Verteidigerin der jüdischen Mitbürger. Der Kampf gegen den Antisemitismus bildete in Bamberg eine wichtige Konstante zwischen 1919 und 1933. Die Dialektik formte das sozialistische Milieu und die antisozialistischen Kräfte prägten somit die Ausrichtung des Milieus mit. Auch die katholische Kirche leistete ihren Beitrag zur Ausformung des Arbeitermilieus. Sie bemühte sich darum, die Jugend Bambergs im katholischen Geist zu erziehen und für sich zu gewinnen. Dieses Engagement ging einher mit Kampagnen gegen die Sozialistische Arbeiterjugend, gegen die Kinderfreunde und die Roten Falken. Das Arbeitermilieu entzog daher bewusst seinen Nachwuchs dem religiösen Zugriff, indem man Ausflüge der Jugendlichen auf christliche Feiertage legte. Statt sich an Prozessionen zu beteiligen, wanderte man in der Natur, statt Fronleichnam zu feiern, beging 11
man die Sonnwende und statt Geschlechtertrennung praktizierte man Koedukation. Damit rief man heftige Kritik in der Bamberger Gesellschaft hervor. Darüber hinaus bildeten die Freidenker, die ebenfalls in das sozialistische Milieu integriert waren, ein zentrales Streitthema mit der Kirche. Durch Werbe-, Versammlungs- und Zeitungsverbote agierten die Behörden auf Druck der BVP und der Erzdiözese gegen die Freidenkerbewegung. Die Gebühr zum Kirchenaustritt beließ man in Bamberg überdurchschnittlich hoch, denn man wollte die Loslösung von der Religion erschweren. Außerdem stellte der Bamberger Erzbischof Jacobus von Hauck öffentlich seine Nähe zum bayerischen Königshaus der Wittelsbacher zur Schau. Bei wichtigen Anlässen und Ereignissen trat er zusammen mit dem ehemaligen Kronprinzen Rupprecht in Bamberg auf. So wurde der Ulanentag 1924 ebenso wie das Bayerische Turnfest 1926 durch die kirchlich-königliche Allianz geprägt. Raum für das sozialistische Milieu blieb bei solchen Veranstaltungen nicht. Es war unerwünscht und ausgegrenzt, denn Königstreue und Monarchismus standen der Verfassungstreue und Demokratie des Milieus gegenüber. Der rote Baum wurde nach Möglichkeit versteckt, totgeschwiegen und seine Existenz ignoriert. Immer wieder zeigte sich die Dependenz zwischen dem sozialistischen Milieu und seinen Gegnern in Bamberg. Im städtischen Alltag der Weimarer Republik wurde dies zum Beispiel im Flaggenstreit von 1924 sichtbar. Statt in den republikanischen Farben schwarz-rot-gold zu flaggen, bevorzugte man die Farben des Kaiserreiches schwarz-weiß-rot oder nutzte als Ausweg bayerische Fahnen. Ein demonstrativ republikanisches Bekenntnis in Form der Nationalflagge verweigerte man. Dieses Verhalten der Gegner und deren breite Front führten dazu, dass das sozialistische Milieu verstärkt für die Weimarer Republik ein- und auftrat. In Bamberg war die Demokratie während der gesamten Phase zwischen 1919 und 1933 nicht zur Selbstverständlichkeit geworden und die Idee der Wiedererrichtung der Monarchie ebenso präsent wie die alten Farben schwarz-weiß-rot. Dem setzte das sozialistische Milieu Demonstrationen zum Erhalt der Republik entgegen, man würdigte den Ver-
Schreiben des Hermann Freiherr von Gebsattel an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 31. 8.1919, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1809.
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fassungstag, protestierte gegen antirepublikanische Morde und verkaufte schwarz-rot-goldene Fahnen. Infolgedessen war es kein Zufall, dass ausgerechnet das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Bamberg zur Erfolgsgeschichte wurde. Die überparteiliche links-demokratische Abwehrorganisation zum Schutz der Republik entsprach sowohl in ihrer Zielsetzung als auch in ihrer Parteienkonstellation der Ausrichtung des Arbeitermilieus. Bereits die Vorläufervereinigung, der Sozialdemokratische Ordnungsdienst, war in Bamberg auf großen Zulauf gestoßen. Dies wiederholte sich 1924 mit der Gründung des republikanischen Bundes. Der Ast des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold wurde in der Folgezeit zu einem der wichtigsten, tragfähigsten und prosperierendsten des Milieu-Baumes. Aus ihm wuchsen die Zweige des Trommler- und Pfeiferkorps, des Republikanischen Kleinkaliberschützenvereins, des Jungbanners und der Schutzformationen. Im Namen des Reichsbanners gelang es Mitte der Zwanzigerjahre dem konservativ-nationalistischen Volkstrauertag eine republikanische Veranstaltung entgegenzusetzen und die Gefallenenehrung anders zu deuten. Noch gewichtiger war schließlich die Anerkennung dieser linken Organisation ab 1927 bei den offiziellen Gedenkveranstaltungen. Das Reichsbanner konnte nicht länger ignoriert und übergangen werden, sondern wurde von nun an in das öffentliche Gedenken an die Opfer des Krieges einbezogen. Nicht nur in Bamberg selbst wuchs die Bedeutung, sondern auch im Umkreis nahm das Bamberger Reichsbanner eine Führungsrolle ein. Das Reichsbanner Bamberg war der republikanische Botschafter in der Region. Auch deshalb fanden zweimal, 1924 und 1929, die fränkischen Gautage an der Regnitz statt. Bei der zweiten Veranstaltung marschierten 1.500 Republikaner auf und schwenkten die Nationalfahnen: Bamberg wurde in die Republikfarben schwarzrot-gold getaucht – ob es wollte oder nicht. Das Reichsbanner offenbart neben der demokratischen Seite auch eine andere, weniger positiv besetzte Facette des Arbeitermilieus: die Bewaffnung. Obwohl man Krieg als Mittel ablehnte, die Wertschätzung und Bedeutung des Militärs in der Gesellschaft kritisierte, Pazifismus und Völkerverständigung propagierte, schreckte man in Bamberg nicht davor zurück, sich zu bewaffnen. Die Militarisierung im Namen der Republik wurde nicht nur als Notwendigkeit gesehen, sondern sie erfreute
sich sogar großer Beliebtheit. Das rote Bamberg trug Schießwettbewerbe als „Verfassungsschießen“ aus. Skrupel und Skepsis gegen diese Aufrüstung traten nicht zum Vorschein. Diesbezüglich war selbst das sozialistische Bamberg durch die Garnison geprägt und militarisiert. Wenn es um den Erhalt und die Verteidigung der erreichten Staatsform ging, standen Ideologie und Theorie hinten an. Wiederum zeigte sich der ortsübliche Pragmatismus: Aktionismus zur Erhaltung der erkämpften Gegenwart, bewaffnete Abwehr der Gegner und offensive Maßnahmen für die Demokratie. Wo nötig bildete der Baum Dornen und säuerliche Früchte aus. Sie vergifteten die Atmosphäre in der Stadt ebenso wie die Aufrüstung der Gegner. Ähnliche Entschlossenheit kennzeichnete den Kampf gegen die rechten Kräfte in Bamberg und speziell die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Seit der Gründung der NSDAP wurde die Hitlerbewegung massiv durch das sozialistische Milieu angegriffen. Keinen Auftritt ließ man unbeantwortet und schickte entweder einen sozialdemokratischen oder einen kommunistischen Gegenredner. Selbst im Umland erschienen bereits Ende 1922 Bamberger Funktionäre des Arbeitermilieus, wenn die Nationalsozialisten Veranstaltungen abhielten. Die rechte Gefahr wurde in den Kreisen des Arbeitermilieus von Anfang an ernst genommen und nicht unterschätzt. Die frühe Agitation von Julius Streicher in Bamberg bewirkte schon Anfang der Zwanzigerjahre eine Mobilisierung von links. Auch hier wurde das sozialistische Milieu durch den Gegner geprägt. Antisemitismus, Nationalismus und die Verachtung der Republik führten zu noch deutlicheren Gegenpositionen und Abwehrmaßnahmen. Organisationsübergreifend eröffnete die Arbeiterbewegung während der Inflation in Bamberg einen Fonds zur Bekämpfung der Nationalsozialisten. In Versammlungen klärte man die eigenen Mitglieder über die wahren Ziele Hitlers, nämlich Diktatur und Krieg, auf. In der linken Presse hetzte man gegen die NSDAP und verleumdete die örtlichen Führer, insbesondere den Ortsgruppenleiter Lorenz Zahneisen. Außerdem sang man vor auswärtigen Nationalsozialisten die Internationale und demonstrierte vor Wahlen mit Fackelumzügen und Massenveranstaltungen die Stärke des sozialistischen Milieus. Am Ende der Weimarer Republik verlagerte sich dieser Kampf gegen die Nationalsozialisten 475
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immer öfter auf die Straße. Es ging nicht mehr nur um die Ideologie und Gewinnung der Wählerschaft, sondern um die Eroberung von Stadtvierteln und Plätzen. Bis zuletzt wehrte das Arbeitermilieu die nationalsozialistische Vereinnahmung der Wunderburg und des Schillerplatzes ab. Diese beiden Milieu-schauplätze blieben bis 1933 leuchtend rot. Selbst nächtliche Überfälle durch NSDAP-Mitglieder und eine gewaltsame Auseinandersetzung am Schillerplatz im Sommer 1932 konnten daran nichts ändern. Das sozialistische Milieu widersetzte sich dem Machtanspruch der NSDAP. Dabei traten auch Bestrebungen zur Bildung einer Einheitsfront aller linken Parteien zutage. Vor allem die KPO, die rechte Abspaltung der KPD, setzte sich dafür ein. Sie war in Bamberg überdurchschnittlich stark ausgeprägt und brachte den Einfluss des rechten Flügels zum Vorschein, selbst unter den Linksradikalen. Zwar kam es formal nie zu einem Bündnis, doch in der Praxis agierte man mit Aktionen gemeinsam gegen die NSDAP. Die Spaltung der Arbeiterbewegung war dem Kampf gegen die NSDAP sicherlich nicht förderlich, da sie Kräfte und Energien in den internen Auseinandersetzungen band. Doch sie war in Bamberg niemals so tief und unüberbrückbar, als dass sie nicht in entscheidenden Momenten überwunden werden konnte. Einen wichtigen Beitrag leistete bis zuletzt die 1932 gegründete Eiserne Front. Als übergreifender Zusammenschluss der unterschiedlichen Arbeiterorganisationen belebte das Bündnis den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Unter Führung von SPD, ADGB, Reichsbanner und ArbeiterTurn- und Sportbund erhob man sich vereint gegen den Nationalsozialismus. Selbst bislang politisch eher zurückhaltende Organisationen wie der Touristenverein „Die Naturfreunde“ marschierten ab Frühling 1932 in den Demonstrationszügen mit. Kundgebungen, moderne Propagandamethoden und neue Veranstaltungsorte wie das Bamberger
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Stadion belebten den Abwehrwillen gegen die rechte Gefahr zusätzlich. Durch vermeintliche Rückschritte, wie den Preußenschlag oder den Wahlausgang im Juli 1932 mit hohen Gewinnen für die NSDAP, ließ man sich in Bamberg nicht vom Weg abbringen. Bis Februar 1933 fanden regelmäßig Massenveranstaltungen der Arbeiterbewegung mit über tausend Teilnehmern gegen den Nationalsozialismus statt. Das „Wir“ des sozialistischen Milieus lebte. Der Baum stand trotzig, stolz und aufrecht mit all seinen Ästen und roten Früchten dar, die während der Weimarer Republik gewachsen und gereift waren. Er war vermeintlich gegen den aufziehenden Sturm des Nationalsozialismus gewappnet. Noch im Februar 1933 beendete man die Generalversammlung der SPD „mit einem begeisterten ‚Freiheit‘“, 12 dem kollektiven Ruf und Gruß der Eisernen Front. In der Gewissheit der eigenen Organisationsstärke und im Vertrauen auf die Solidarität des Milieus glaubte man daran, „daß die braune Unglückswelle, die unser Volk zu überfluten droht, zu einem kläglichen Rinnsal zusammenschmilzt und endlich wieder Vernunft und Besonnenheit Platz greifen und den Aufstieg des deutschen Proletariats im sozialistischen Geiste fördern helfen.“ 13
Eine Zukunft ohne die rote Lebenswelt und Solidargemeinschaft, ohne linke Organisationen und Zentren, abseits des sozialistischen Baumes und Milieus erschien den Mitgliedern der Arbeiterbewegung 1933 unvorstellbar – und wurde doch zwischen 1933 und 1945 Realität. So bleibt damals wie heute die Tatsache gültig, dass Demokratie nie ein Selbstläufer ist, niemals als Selbstverständlichkeit angesehen werden darf und eine freiheitliche Gesellschaft immer Bürger braucht, die aktiv und engagiert für sie eintreten. Nur unter diesen Bedingungen können republikanische Bäume leben.
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Quellen- und Literaturverzeichnis Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen Archiv der Arbeiterjugendbewegung (AAJB) Zeitschrift (ZA): 648, 842 Archiv der sozialen Demokratie Bonn (AdsD) Abteilung IV, Arbeiter-Turn- und Sportbund (4/ATSB): 13, 56 Abteilung IV, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (4/RSRG): 1 Archiv des Erzbistums Bamberg (AEB) Ottonianum, Rep. 29/4 (Rep. 29/4): 5 Pfarrarchive, Dompfarrei St. Peter und Paul, Rep. 60 18.1 (Rep. 60 18.1): 40.00/2 Rep. 80, Sammlung 30: 63 Archiv des SPD-Unterbezirks Bamberg-Forchheim (SPDBa) Dunkelgrünes Fotoalbum der SPD-Bamberg Karton „Geschichte, Bilder“ Ordner „SPD-Geschichte Volksfreund-Freistaat bis 1933“ Ordner „Geschichte SPD II“ Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA) Arbeiter- und Soldatenrat (ASR): 11, 36 Bayerischer Landtag (Bayer LT): 13268 Ministerium der Finanzen (MF): 70056 Ministerium der Finanzen, Landesentschädigungsamt (MF, LEA): 685 (Josef Dennstädt), 722 (Josepha Dietz, Dr. Josef Dietz), 744 (Georg Dotterweich), 782 (Michael Dräßel), 1088 (Max Früh), 1156 (Otto Geyer), 2958 (Anton Riel), 7135 (Georg Böhm), 7893 (Georg Brückner), 10379 (Johann Engert), 11234 (Adolf Firsching), 25880 (Konrad Mörsberger), 29178 (Radund Kraftfahrer Solidarität Gau 19 Nordbayern), 42263 (Alex Barth) Ministerium der Justiz (MJu): 13207, 20532 Ministerium des Äußern (MA): 101.236, 102.155/1–3, 102.046 Ministerium des Innern (MInn): 47381, 71718 Ministerium für Handel, Industrie und Gewerbe (MHIG): 550 Ministerium für Soziale Fürsorge (MFür): 1146 Staatskanzlei (StK): 6677 Bundesarchiv Berlin (BArch) Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland 1918/19, SgY 10 (SgY 10): V 236/7/30, V 236/7/36 Ü
Ehemaliges NS-Archiv Ministerium für Staatssicherheit, Z (Z): R 3017, ZC 06951; ZD I 4323 Hauptarchiv der NSDAP, NS 26 (NS 26): 821, 2348 Kartei zu Personen des antifaschistischen Widerstandskampfes: Josef Dennstädt, Dr. Josef Dietz, Wilhelm Hellmann, Anton Riel Kommunistische Partei Deutschlands, RY 1 (RY 1): I 2/3/48, I 2/3/136, I 3/27/1 Mitgliederkartei der NSDAP, Ortskartei, 3200 (3200): Y0012 Mitgliederkartei der NSDAP, Zentralkartei, 31XX (31XX): E0079 Nachlass Bernard Koenen, NY 4091 (NY 4091): 79 G Nationalsozialistische Justiz R 3018 (R 3018): 6833 Reichssicherheitshauptamt, R 58 (R 58): 2060a, 3230, 3256, 3305, 3312, 3333, 3381, 3566, 9682 Sozialistische Arbeiterjugend, RY 11 (RY 11): II 107/3 Sozialdemokratische Partei Deutschlands, RY 20 (RY 20): II 145/23, II 145/44 Staatsarchiv Amberg (StAAm) Bezirksamt Parsberg: 2989 Justizvollzugsanstalt Amberg: 1707 Staatsarchiv Bamberg (StABa) Akten der Spruchkammer I, Bamberg-Stadt: F 55 (Adolf Firsching); vorübergehend im Staatsarchiv Coburg ausgelagert Akten der Spruchkammer III, Bamberg-Stadt: W 49 (Waller Georg), D 66 (Josef Dennstädt); vorübergehend im Staatsarchiv Coburg ausgelagert Amtsgericht, K 110 (K 110): 81 Bezirksamt/Landratsamt Bamberg, K 5 (K 5): 5174, 5183, 5238, 5195 Deutsche Arbeitsfront, Akten über den Leistungskampf der deutschen Betriebe, M 36 (M 36): 22, 36, 103 Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, K 100/6 (K 100/6): 28 Kreisleitungen der NSDAP im Gau Bayerische Ostmark, M 33 (M 33): 656 Polizeistelle für Nordbayern in Bamberg 1919–1921, K 87 (K 87): 95, 99, 100, 104 Regierung von Oberfranken, K 3, Abgabe 1967 (K 3/1967): 2170, 4842, 4843, 4844, 4849, 4851, 4854, 4855, 4924, 4926, 4960, 4962, 5044 Regierung von Oberfranken, K 3, Abgabe 1971 (K 3/1971): 10791 Regierung von Oberfranken, K 3, Kammer des Innern, F I (K 3, F I): 2675
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Hauptregistratur Altakten, C 2 XV (C2 XV): 856/1, 860 Hauptregistratur, C 2 (C 2): 606, 611, 615, 620, 625, 627, 632, 636, 644, 647, 3933, 4182, 4183, 4274, 5015, 11586, 11587, 11940, 11960, 11962, 11963, 11964, 11965, 11966, 11969, 11975, 11976, 11987, 14330, 14331, 16186, 18193, 20862, 20873, 30138, 30392, 30400, 30403, 31257, 53006, 53007, 53009, 57124, 57665, 57666, 59530, 59531, 59727 Kriegsarchiv, C 56 (C 56): 610, 1025 Stadtverwaltungsrat/Munizipalrat/Stadtrat, C 1 (C 1): 667, 668, 669, 670, 671, 674, 675, 676, 681, 685, 690, 694, 698, 703, 707 D Nichtstädtische Bestände Erba, D 5011 (D 5011): 122, 233 Nachlass Röttinger Bruno, D 1008 (D 1008): 287 Naturfreunde Bamberg, D 3080 (D 3080): 35, 65, 98, 99, 128, 129 Stadtsterbepakt, D 3012 (D 3012): 257 VVN/Hilde Kaim, D 2021 (D 2021): 2, 26, 38
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509
wbg 27314 / p. 510 / 9.3.2021
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Anhang Tabellen Tabelle 6: Bevölkerungsentwicklung in Bamberg zwischen 1804 und 1933. Jahr
Bevölkerung
Angaben entnommen aus:
1804
18.610
Schenker, Bevölkerungsentwicklung.
1818
17.250
StadtABa, C 2, Nr. 53007.
1830
17.854
Hermann, Bevölkerung.
1840
20.863
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
1855
22.475
StadtABa, C 2, Nr. 53007.
1861
23.310
StadtABa, C 2, Nr. 53007.
1864
25.240
Krapf, Bamberg.
1871
25.738
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
1880
29.587
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
1890
35.815
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
1900
41.823
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
1905
45.483
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
1910
48.063
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
1917
46.397
StadtABa, C 2, Nr. 53007.
1919
49.179
StadtABa, C 2, Nr. 53007.
1923
49.792
Stadtrat Bamberg, Verwaltungsbericht 1923.
1925
50.152
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
1928
52.835
StadtABa, C 2, Nr. 53007.
1929
53.636
StadtABa, C 2, Nr. 53006.
1930
54.001
StadtABa, C 2, Nr. 53006.
1931
54.490
StadtABa, C 2, Nr. 53006.
1932
54.836
StadtABa, C 2, Nr. 53006.
1933
54.161
Statistisches Jahrbuch für Bayern 1934.
511
wbg 27314 / p. 512 / 9.3.2021
Anhang
Tabelle 7: Entwicklung der Konfessionsstruktur in Bamberg von 1871 bis 1933. Jahr 1871 1890 1900 1910 1925 1933
Bevölkerung
Katholiken
Protestanten
Juden
Sonstige
Absolut
25.738
21.958
2.898
857
25
Prozent
100
85,3
11,3
3,3
0,1
Absolut
35.815
29.607
4.905
1.249
54
Prozent
100
82,8
13,6
3,4
0,2
Absolut
41.823
35.066
5.595
1.155
7
Prozent
100
83,8
13,5
2,7
0,0
Absolut
48.063
40.361
6.460
1.177
65
Prozent
100
83,9
13,5
2,5
0,1
Absolut
50.152
42.245
6.809
972
126
Prozent
100
84,2
13,6
1,9
0,3
Absolut
54.161
46.161
7.045
812
143
Prozent
100
85,2
13,0
1,5
0,3
Angaben entnommen aus: Zeitschrift des Statistischen Bureaus 1872; Krapf, Bamberg; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 401,1; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 451,3.
Tabelle 8: Konfessionsstruktur der einzelnen Distrikte in Bamberg 1925. Distrikt Distrikt I Distrikt II Distrikt III Distrikt IV Distrikt V Distrikt VI Summe
Gesamtzahl
Katholiken
Protestanten
Juden
Sonstige
Absolut
12.980
10.140
2.129
653
58
Prozent
100
78,1
16,4
5,0
0,4
Absolut
10.958
9.116
1.571
249
22
Prozent
100
83,2
14,3
2,3
0,2
Absolut
5.974
5.309
640
10
15
Prozent
100
88,9
10,7
0,2
0,3
Absolut
7.793
6.819
936
28
10
Prozent
100
87,5
12,0
0,4
0,1
Absolut
6.749
5.814
877
28
30
Prozent
100
86,1
13,0
0,4
0,4
Absolut
5.698
5.047
643
4
4
Prozent
100
88,6
12,7
0,1
0,1
Absolut
50.152
42.245
6.796
972
139
Prozent
100
84,2
13,6
1,9
0,3
Angaben entnommen aus: StadtABa, C 2, Nr. 53007.
512
wbg 27314 / p. 513 / 9.3.2021
Tabellen
Tabelle 9: Wirtschaftliche Gliederung Bambergs 1925. Wirtschaftszweig
Erwerbstätige in %
Berufszugehörige in %
Land- und Forstwirtschaft
005,5
004,5
Industrie und Handwerk
037,5
039,2
Handel und Verkehr
020,7
025,1
Verwaltung und Heer
009,0
010,3
Gesundheitswesen
002,3
002,2
Häusliche Dienste/Erwerbstätigkeit ohne feste Stellung
005,5
003,2
Ohne Beruf oder Berufsangabe
019,5
0015,5
Gesamt
100,0
100,0
Erwerbstätige in %
Berufszugehörige in %
Land- und Forstwirtschaft
003,7
003,6
Industrie und Handwerk
032,4
038,0
Handel und Verkehr
021,3
024,0
Öffentlicher Dienst
013,2
013,1
Häusliche Dienste/Erwerbstätigkeit ohne feste Stellung
005,2
003,0
Berufslose Selbstständige
024,2
018,3
Gesamt
100,0
100,0
Angaben entnommen aus: StadtABa, C 2, Nr. 53009. Tabelle 10: Wirtschaftliche Gliederung Bambergs 1933. Wirtschaftszweig
Angaben entnommen aus: Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29. Tabelle 11: Aufteilung der Arbeiterschaft nach Wirtschaftszweigen in Bamberg 1925 und 1933. Wirtschaftszweig
Anteil der Arbeiter in % 1925*
1933
Land- und Forstwirtschaft
009,0
003,1
Industrie und Handwerk
070,0
078,1
Handel und Verkehr
015,8
013,2
Öffentlicher Dienst
003,2
004,6
Häusliche Dienste/ Erwerbstätigkeit ohne feste Stellung
002,0
001,0
Gesamt
100,0
100,0
* Arbeiter mit mithelfenden Familienangehörigen. Angaben entnommen aus: StadtABa, C 2, Nr. 53009; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 456,29.
513
514
82,3
70,5
75,8
77,4
86,6
85,3
86,6
90,3
06. 06. 1920
04. 05. 1924
07. 12. 1924
20. 05. 1928
14. 09. 1930
31. 07. 1932
06. 11. 1932
05. 03. 1933
NSDAP1 – – – – 6.798 32,0 2.463 10,7 3.397 13,3 8.055 27,1 12.128 40,2 11.497 36,6 15.469 46,6
Stimmen Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent
3,2
1.054
4,6
1.448
2,7
832
3,5
1.040
7,5
1.919
15,8
3.637
3,4
713
10,8
2.440
0,8
207
DNVP2
31,3
10.407
35,4
11.094
34,6
10.423
37,9
11.257
40,7
10.362
41,5
9.537
41,9
8.923
50,7
11.521
47,1
12.144
BVP
0,3
87
0,5
146
0,6
173
0,9
265
1,5
394
1,8
422
0,5
98
1,9
432
–
–
DVP
0,3
94
0,1
44
0,3
89
2,1
633
3,5
895
4,5
1.033
3,1
662
7,2
1.636
15,1
3.891
DDP3
15,4
5.125
16,5
5.164
17,6
5.318
19,5
5.779
21,8
5.562
19,1
4.401
15,1
3.215
17,5
3.973
36,6
9.424
SPD (MSPD)
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0,5
107
0,4
83
11,9
2.705
0,4
95
USPD
2,6
865
5,0
1.581
2,9
881
2,4
712
1,5
373
2,1
491
2,7
572
0,0
1
–
–
KPD
0,3
115
1,3
408
1,1
321
6,6
1.965
10,2
2.589
4,0
903
0,9
212
0,0
2
–
–
Sonstige
100,0
33.216
100,0
31.382
100,0
30.165
100,0
29.706
100,0
25.491
100,0
22.994
100,0
21.276
100,0
22.710
100,0
25.761
Gesamt
Angaben entnommen aus: Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 291,2; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,2; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315,4; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,2; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 382,2; Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 434.
2
Bei den Reichstagswahlen 1924 trat die NSDAP unter dem Namen Völkischer Block an. In Bayern trat bei den Wahlen 1919 und 1920 die Bayerische Mittelpartei für die DNVP an. Im März 1933 nannte sie sich Kampffront Schwarz-Weiß-Rot. 3 Bei der Wahl 1919 trat die DDP unter dem Namen Deutsche Volkspartei in Bayern an. Ab 1930 nannte sie sich Deutsche Staatspartei.
1
83,4
Wahlbeteiligung in %
19. 01. 1919
Datum
Tabelle 12: Ergebnisse der Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung 1919 und der Reichstagswahlen von 1920 bis 1933 in Bamberg.
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Anhang
82,1
75,6
77,0
82,0
06. 06. 1920
06. 04. 1924
20. 05. 1928
24. 04. 1932
NSDAP1 – – – – 8.021 35,5 3.347 13,7 12.189 41,2
Stimmen Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent Gesamt Prozent
2,7
796
7,0
1.707
3,4
777
12,3
2.837
1,4
376
DNVP2
2,2
643
1,3
319
–
–
–
–
–
–
DVP4
36,6
10.821
41,3
10.080
37,5
8.465
50,3
11.594
44,5
11.905
BVP
–
–
3,4
820
–
–
7,8
1.780
17,0
4.523
DDP3
12,9
3.811
21,6
5.274
15,8
3.565
17,6
4.065
34,7
9.282
SPD (MSPD)
–
–
–
–
–
–
11,7
2.690
0,3
87
USPD
2,9
854
1,5
364
3,5
786
–
–
–
–
KPD
1,5
438
10,2
2.499
4,3
961
0,3
66
2,1
557
Sonstige
100,0
29.552
100,0
24.410
100,0
22.575
100,0
23.032
100,0
26.730
Gesamt
Angaben entnommen aus: Statistisches Jahrbuch für Bayern 1919; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1924; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1928; Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 4 (1932).
2
1
Bei der Landtagswahl 1924 trat die NSDAP unter dem Namen Völkischer Block an. In Bayern trat bei den Wahlen 1919 und 1920 die Bayerische Mittelpartei für die DNVP an. Bei der Landtagswahl 1924 trat die DNVP zusammen mit der DVP unter dem Namen Vereinigte Nationale Rechte an. Im März 1933 nannte sich die DNVP Kampffront Schwarz-Weiß-Rot. 3 Bei der Wahl 1919 trat die DDP unter dem Namen Deutsche Volkspartei in Bayern an. Ab 1930 nannte sie sich Deutsche Staatspartei. 4 Bei der Wahl 1932 vereinigte sich die DVP mit der Wirtschaftspartei (Reichspartei des deutschen Mittelstandes).
89,3
Wahlbeteiligung in %
12. 01. 1919
Datum
Tabelle 13: Ergebnisse der Landtagswahlen in Bamberg von 1919 bis 1932.
wbg 27314 / p. 515 / 9.3.2021
Tabellen
515
516
62,9
68,9
Wahlkreis Franken
Reich
Prozent
38,8
36,7
28,5
Prozent Prozent
5.666
DVP, DNVP
Partei(en)
Gesamt
Stimmen
Karl Jarres
Kandidat
3,7
23,5
36,7
7.301
BVP
Heinrich Held
1,1
3,3
8,8
1.752
NSDAP bzw. Völkische
Erich Ludendorff
29,0
28,7
19,7
3.917
SPD
Otto Braun
73,7
77,6
Wahlkreis Franken
Reich
Prozent
Prozent 48,3
58,7
66,0
Prozent
DVP, DNVP, BVP, NSDAP (Reichsblock)
Paul von Hindenburg
16.201
Partei(en)
Kandidat
Gesamt
Stimmen
14,5
1,4
1,9
373
Zentrum
Wilhelm Marx
45,3
39,0
33,1
8.110
Zentrum, SPD, DDP (Volksblock)
Wilhelm Marx
Angaben entnommen aus: Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 321; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen.
78,5
Bamberg
Ort
Wahlbeteiligung in %
Tabelle 15: Ergebnisse des zweiten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 26. April 1925.
Angaben entnommen aus: Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 321; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen.
64,7
Bamberg
Ort
Wahlbeteiligung in %
Tabelle 14: Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 29. März 1925.
7,0
2,4
1,2
229
KPD
Ernst Thälmann
6,4
2,2
0,9
220
KPD
Ernst Thälmann
5,8
3,8
3,1
616
DDP
Willy Hellpach
0,0
0,1
0,0
3
Sonstige
0,1
0,2
0,1
21
Sonstige
100,0
100,0
100,0
24.534
Gesamt
100,0
100,0
100,0
19.875
Gesamt
wbg 27314 / p. 516 / 9.3.2021
Anhang
88,8
86,2
Wahlkreis Franken
Reich
Prozent
6,8
4,1
1,5
Prozent
Prozent
480
DNVP
Theodor Duesterberg
Gesamt
Partei(en)
Kandidat
49,6
53,3
57,2
18.741
Parteilos (Zentrum, BVP, SPD, DStP, DVP)
Paul von Hindenburg
30,1
36,6
37,5
12.277
NSDAP
87,8
83,5
Wahlkreis Franken
Reich
Prozent
Prozent 53,0
54,7
57,3
Prozent
Parteilos (Zentrum, BVP, SPD, DStP, DVP)
Paul von Hindenburg
18.213
Partei(en)
Kandidat
Gesamt
Stimmen
Angaben entnommen aus: Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen.
88,2
Wahlbeteiligung in %
Bamberg
Ort
Tabelle 17: Ergebnisse des zweiten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 10. April 1932.
13,2
5,8
3,6
1.186
KPD
Ernst Thälmann
36,8
41,2
40,1
12.745
NSDAP
Adolf Hitler
Adolf Hitler
Angaben entnommen aus: Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 427; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen.
91,5
Wahlbeteiligung in %
Bamberg
Ort
Stimmen
Tabelle 16: Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl am 13. März 1932.
10,2
4,1
2,6
822
KPD
Ernst Thälmann
0,3
0,2
0,3
87
k. A.
k. A.
0,0
1
k. A.
k. A.
0,0
1
100,0
100,0
100,0
31.781
Gesamt
100,0
100,0
100,0
32.772
Sonstige Gesamt
Sonstige
Inflationsgeschädigte
Gustav Winter
wbg 27314 / p. 517 / 9.3.2021
Tabellen
517
518
k. A.
Reich
k. A.
k. A.
88.933
2.507
Eintragungen zum Volksbegehren
31,8
20,6
19,2
7,8
Beteiligung Volksbegehren in %
k. A.
k. A.
122.180
4.735
VolksentscheidStimmen
Angaben entnommen aus: Statistisches Jahrbuch für Bayern 1926; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen.
k. A.
463.359
Oberfranken
Wahlkreis Franken
32.177
Stimmberechtigte
Bamberg
Ort
39,3
28,1
26,4
14,7
Beteiligung Volksentscheid in %
Tabelle 18: Volksbegehren vom 4. bis 17. März 1926 und Volksentscheid am 20. Juni 1926 zur Enteignung der Fürstenvermögen.
k. A.
k. A.
114.401
4.440
Stimmen für den Gesetzentwurf
36,4
26,5
24,7
13,8
Zustimmungsquote in %
wbg 27314 / p. 518 / 9.3.2021
Anhang
wbg 27314 / p. 519 / 9.3.2021
Tabellen
Tabelle 19: Volksbegehren vom 3. bis 16. Oktober 1928 zum Panzerkreuzerverbot. Ort
Eintragungen zum Volksbegehren
KPD-Stimmen bei der Reichstagswahl am 20. 5. 1928
Ausschöpfung des Wählerpotenzials in %
Augsburg
1.179
3.850
30,6
Bamberg
54
373
14,5
Erlangen
65
240
27,1
München
5.669
29.488
19,2
Nürnberg
5.087
15.500
32,8
Regensburg
226
1.114
20,3
Schweinfurt
470
786
59,8
Selb
543
1.578
34,4
Straubing
132
733
18,0
Würzburg
337
1.229
27,4
9.712
33.000
29,4
Wahlkreis Franken
Angaben entnommen aus: NV v. 19. 10. 1928, Nr. 242.
519
520
k. A.
Reich
k. A.
k. A.
86.303
02.293
10,0
13,3
18,0
06,9
k. A.
k. A.
485.563
034.799
k. A.
k. A.
124.437
005.784
14,9
20,1
25,6
16,6
k. A.
k. A.
118.821
005.549
2
Zahl der Stimmberechtigten gemäß der Reichstagswahl am 20. Mai 1928. Zahl der Stimmberechtigten gemäß der Stimmliste und Zahl der abgegebenen Stimmscheine 1929. Angaben entnommen aus: Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 372,3; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930; Falter/Lindenberger/Schumann, Wahlen.
1
k. A.
478.210
Oberfranken
Wahlkreis Franken
033.317
13,8
19,2
24,5
15,9
Stimmberechtigte Eintragungen zum Beteiligung Stimmberechtigte VolksentscheidBeteiligung Stimmen für den Zustimmungsquote Volksbegehren Volksbegehren Volksentscheid2 Stimmen Volksentscheid Gesetzentwurf in % Volksbegehren1 in % in %
Bamberg
Ort
Tabelle 20: Volksbegehren vom 16. bis 29. Oktober 1929 und Volksentscheid am 22. Dezember 1929 zum „Freiheitsgesetz“ (Anti-Young-Plan).
wbg 27314 / p. 520 / 9.3.2021
Anhang
76,3
63,9
07. 12. 1924
08. 12. 1929
– – 1.551 7,0 2 2.928 14,0 5
Stimmen (Prozent)
Sitze
Stimmen (Gesamt)
Stimmen (Prozent)
Sitze
Stimmen (Gesamt)
Stimmen (Prozent)
Sitze
–
–
–
11
33,6
7.036
9
29,0
1
4,6
961
2
8,0
6.402 1.765
18
57,8
9.285
7
23,7
6
18,4
0
2,8 6
19,1
581 4.003
1
3,2
716 4.072
4
14,3
2.292 3.811
–
–
–
–
–
–
1
4,2
672
0
0,8
151
0
1,4
318
–
–
–
–
–
–
2
5,9
1.302
–
–
–
3
8,1
1.693
3
9,7
2.143
–
–
–
2
7,1
1.483
5
17,4
3.843
–
–
–
0
1,9
401
–
–
–
–
–
–
2
8,2
1.707
–
–
–
–
–
–
30
100,0
20.944
30
100,0
22.112
30
100,0
16.060
Angaben entnommen aus: BT v. 16. 6. 1919, Nr. 135; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1921; FS v. 9. 12. 1924, Nr. 285; Adressbuch der Stadt Bamberg 1926/27, StadtABa; FS v. 9. 12. 1929, Nr. 283; Statistisches Jahrbuch für Bayern 1930.
62,1
–
Stimmen (Gesamt)
WahlStimmen und NSDAP BVP DNVP DDP SPD USPD KPD Gemeinde- Grund- und Wirtschaftliche Bürgerverein Reichs- Gesamt beteiligung Mandate beamte Hausbesitzer Vereinigung Helldorfer partei in %
15. 06. 1919
Datum
Tabelle 21: Ergebnisse der Stadtratswahlen in Bamberg 1919, 1924 und 1929.
wbg 27314 / p. 521 / 9.3.2021
Tabellen
521
522 50 (Kinderkrippe) 22 (Rupprechtschule)
KPD
22 (Rupprechtschule)
KPD
SPD
50 (Kinderkrippe)
23 (Rupprechtschule)
KPD
SPD
49 (Kinderkrippe)
23 (Rupprechtschule)
KPD
SPD
49 (Kinderkrippe)
43 (Krankenhaus)
KPD
SPD
39 (Wunderburgschule)
30 (Kaulbergschule)
KPD
SPD
39 (Wunderburgschule)
SPD
30 (Kaulbergschule)
USPD
15,8
54,3
10,4
48,1
06,6
55,5
07,1
61,5
10,7
55,1
06,5
47,2
28,6
50,0
02,3
71,0
%
50 (Kinderkrippe)
49 (Wunderburgschule)
42 (Gasthaus „Bocksgarten“)
42 (Gasthaus „Bocksgarten“)
37 (Kaulbergschule)
48 (Wunderburgschule)
25 (Viehhof)
42 (Gasthaus „Bocksgarten“)
35 (Gasthaus „Mondschein“)
36 (Alte Hebammenschule)
39 (Wunderburgschule)
36 (Alte Hebammenschule)
39 (Wunderburgschule)
39 (Wunderburgschule)
30 (Kaulbergschule)
42b (Infanteriekaserne)
2
12,9
33,1
06,5
29,9
06,4
41,4
04,5
44,8
04,7
43,1
05,7
37,1
26,1
40,5
02,0
66,8
%
3
27 (Städtisches Gaswerk)
42 (Gasthof „Bocksgarten“)
49 (Wunderburgschule)
46 (Wunderburgschule)
27 (Städtisches Gaswerk)
22 (Rupprechtschule)
50 (Krankenhaus)
48 (Wunderburgschule)
30 (Kaulbergschule)
38 (Wunderburgschule)
36 (Alte Hebammenschule)
38 (Wunderburgschule)
24 (Viehhof)
36 (Alte Hebammenschule)
43 (Ulanenkaserne)
42a (Infanteriekaserne)
Stimmbezirke mit den höchsten Stimmanteilen für SPD, USPD bzw. KPD
12,7
27,5
06,1
28,2
06,2
33,4
03,6
43,9
04,5
39,4
05,6
33,3
23,9
33,2
02,0
64,0
%
Angaben entnommen aus: BT v. 3. 1. 1919, Nr. 2; BV v. 20. 1. 1919, Nr. 15; Reichstags- und Landtagswahlen im Jahre 1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; FS v. 6. 5. 1924, Nr. 104; FS v. 9. 12. 1924, Nr. 285; FS v. 14. 5. 1928, Nr. 110; Wahlen zum Reichstag, Landtag und Kreistag am 20. 5. 1928, StadtABa, C 2, Nr. 627; FS v. 16. 9. 1930, Nr. 212; BV v. 1. 8. 1932, Nr. 174; FS v. 8. 11. 1932, Nr. 257.
Reichstagswahl am 06. 11. 1932
Reichstagswahl am 31. 07. 1932
Reichstagswahl am 14. 09. 1930
Reichstagswahl am 20. 05. 1928
Reichstagswahl am 07. 12. 1924
Reichstagswahl am 06. 05. 1924
42 (Infanteriekaserne)
SPD
24 (Viehhof)
USPD
Reichstagswahl am 06. 06. 1920
39 (Wunderburgschule)
SPD
Nationalversammlung am 19. 01. 1919
1
Partei
Wahl
Tabelle 22: Rote Stimmbezirke in Bamberg zwischen 1919 und 1932.
wbg 27314 / p. 522 / 9.3.2021
Anhang
Infanteriekaserne, Offiziersspeiseanstalt 1919
Infanteriekaserne, Offiziersspeiseanstalt 1919
Infanteriekaserne
42a (Infanteriekaserne)
42b (Infanteriekaserne)
42 (Infanteriekaserne)
Wunderburgschule, Mädchenabteilung, 1928–1930 Eichelbergerweg, Geisfelderstraße, Holzstraße, Kärntenstraße, Kloster-Langheimstraße, Zimmer 8 Mannlehenweg, Moosgasse, Schildstraße
48 (Wunderburgschule)
1932
Egelseestraße Nr. 59 bis Schluss und 72 bis Schluss, Obere Sterngasse, Mittlere Sterngasse, Wunderburg
Wunderburgschule, Knabenabteilung, Zimmer 2
46 (Wunderburgschule)
1924
Allgemeines Krankenhaus
Artilleriedepot, Holzhofkaserne I und II, Ersatz-Pferdedepot Koppenhof, Koppenhofkaserne, Proviantamt
43 (Krankenhaus)
1919
Ulanenkaserne
43 (Ulanenkaserne)
42 (Gasthof „Bocksgarten“) Gasthaus „Zum Bocksgarten“, Schwein- 1928–1932 Abtsberg, Gumboldsleite, Am Leinritt, Maienbrunnen, Schweinfurterstraße furterstraße
1920
Bezirkskommando, Flugplatzkommandantur, Infanteriekaserne
Bezirkskommando, Flugplatzkommandantur, Infanteriekaserne
1919–1926 Erlichstraße, Fohlengartenstraße, Hirschbühlstraße, Hüttenfeldstraße, Jägerstraße, Kapellenstraße, Magdalenenstraße, Theresienstraße
1919–1926 Eichelbergerweg, Geisfelderstraße, Holzstraße, Koppenhofgasse, Moosstraße, Schildstraße
Wunderburgschule links, Zimmer 9
1919–1926 Untere Sandstraße, Schrottenberggasse
39 (Wunderburgschule)
Gasthaus „Mondschein“, Unterer Sand 16
35 (Gasthaus „Mondschein“)
1919–1926 Kroatengasse, Laurenziplatz, Laurenzistraße, Obere Seelgasse, Würzburgerstraße
Wunderburgschule links, Zimmer 8
Kaulbergerschule, Neubau I
30 (Kaulbergschule)
1928–1932 Äußere Löwenstraße, Margaretendamm, Margaretenstraße, Siechenstraße 1–72b
38 (Wunderburgschule)
Städtisches Gaswerk, II
27 (Städtisches Gaswerk)
1928–1932 Aufseßhöflein, Bahnwärterhäuser, Hasenstraße, Hallstadterstraße, Jäckstraße, Lichtenhaiderstraße, Thorackerstraße
1928–1932 Hinterer Bach, Vorderer Bach, Maternstraße, Sutte, Teufelsgraben, Gartenstraße
Viehhof
25 (Viehhof)
1919–1926 Hasenstraße, Hallstadterstraße, Jäckstraße, Lichtenhaidestraße, Thorackerstraße, Ersatz-Pferdedepot am Viehhof
Kaulbergschule, Neubau II
Viehhof
24 (Viehhof)
1928–1932 Fallmeisterei, Zollnerstraße
37 (Kaulbergschule)
Rupprechtschule, Zimmer 22
23 (Rupprechtschule)
1928–1932 Aillywaldhof, Aillywaldstraße, Hollebecke, Lagardestraße, Solokistraße, Am Steinknock, Weißenburgerstraße
1919–1926 Abtsberg, Gumboltsleite, Maienbrunnen, Schweinfurterstraße, Vereinslazarett, Allgemeines Krankenhaus
Rupprechtschule, Zimmer 28
22 (Rupprechtschule)
Wahljahr Straßen
36 (Alte Hebammenschule) Alte Hebammenschule, Unterer Sand 34
Ausführlicher Name Stimmbezirk
Kurztitel Stimmbezirk
Tabelle 23: Straßenzuordnung zu den roten Stimmbezirken zwischen 1919 und 1932 aus Tabelle 22.
wbg 27314 / p. 523 / 9.3.2021
Tabellen
523
524
Wunderburgschule, Mädchenabteilung, 1932 Zimmer 8
Allgemeines Krankenhaus
Kinderkrippe, Erlichstraße
49 (Wunderburgschule)
50 (Krankenhaus)
50 (Kinderkrippe)
Erlichstraße, Fohlengartenstraße, Galgenfuhr, Hirschbühlstraße, Hochgericht, Hüttenfeldstraße
Angaben entnommen aus: BT v. 3. 1. 1919, Nr. 2; Reichstags- und Landtagswahlen im Jahre 1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; FS v. 18. 6. 1926, Nr. 136; FS v. 14. 5. 1928, Nr. 110; Wahlen zum Reichstag, Landtag und Kreistag am 20. 5. 1928, StadtABa, C 2, Nr. 627.
1932
1928–1930
Eichelbergerweg, Geisfelderstraße, Holzstraße, Kärntenstraße, Kloster-Langheimstraße, Mannlehenweg, Moosgasse, Schildstraße
1928–1930 Erlichstraße, Fohlengartenstraße, Galgenfuhr, Hirschbühlstraße, Hochgericht, Hüttenfeldstraße
Kinderkrippe, Erlichstraße
49 (Kinderkrippe)
Wahljahr Straßen
Ausführlicher Name Stimmbezirk
Kurztitel Stimmbezirk
wbg 27314 / p. 524 / 9.3.2021
Anhang
wbg 27314 / p. 525 / 9.3.2021
Prosopografie Die wichtigsten Personen des sozialistischen Milieus in Bamberg während der Weimarer Republik 1 Arneth, Paul: geb. 20. 9. 1902 in Bamberg, gest. 7. 10. 1980, Bauarbeiter, Michaelsberg 37. 2 Aron, Wilhelm: geb. 3. 6. 1907 in Bamberg, gest. 19. 5. 1933 in Dachau, jüdisch, Gymnasiast/Rechtsreferendar, Luitpoldstraße 32. Barth, Alex: geb. 23. 3. 1903 in Bamberg, katholisch, ab 23. 2. 1928 konfessionslos, Bauarbeiter, Gangolfsplatz 3/Margaretendamm 54 b. Barth, Christine, geb. Scharf, gesch. Wienand: geb. 1. 11. 1898 in Bamberg, evangelisch, ab 4. 8. 1931 konfessionslos, Gangolfsplatz 3/Margaretendamm 54 b. Bauer, Andreas: geb. 5. 6. 1870 in Schwarzach bei Kulmbach, gest. 26. 8. 1953 in Bamberg, evangelisch, Schreiner, Untere Königstraße 12/Heiliggrabstraße 67/Färbergasse 8. Bayer, Andreas: geb. 12. 9. 1895 in Zapfendorf, gest. 14. 11. 1939 in Bamberg, katholisch, ab 28. 5. 1923 konfessionslos, Schlosser, Nürnberger Straße 18/Gundelsheimer Straße 43/Langestraße 8/Habergasse 7. Bittel, Georg: geb. 29. 7. 1881 in Bamberg, gest. 13. 5. 1960 in Bamberg, katholisch, ab 6. 6. 1931 konfessionslos, Sattler, Fischerei 19/Fischerei 31/Solokistraße 12. Böhm, Georg: geb. 21. 9. 1896 in Gaustadt, gest. 1. 9. 1942 in Bamberg, evangelisch, ab 6. 12. 1929 konfessionslos, Mälzereiarbeiter/Bauarbeiter/Händler, Spiegelgraben 37/Weidendamm 1. Brand, Karolina (Lina), geb. Reiß: geb. 16. 11. 1881 in Groß-Zimmern, gest. 13. 5. 1957 in Bamberg, jüdisch, ab 1907 katholisch, Härtleinstraße 14/Härtleinstraße 16. Brückner, Georg: geb. 3. 1. 1887 in Bamberg (teilweise auch 2. 1. 1887 genannt), gest. 23. 1. 1967 in Bamberg, Kupferschmied/Kraftfahrer/Gastwirt, Mittelstraße 45/ Innere Löwenstraße 21/Schillerplatz 11. 3 Burk, Martin: geb. 6. 4. 1888 in Frankfurt am Main, evangelisch, Kaufmann, Pfeuferstraße 3/Am Stein-
knock 14/Zollnerstraße 136, Umzug 1931 nach Würzburg. Dennstädt, Josef: geb. 7. 7. 1891 in Gunzenhausen, gest. 23. 1. 1959 in Bamberg, katholisch, ab 8. 2. 1927 konfessionslos, Schlosser/Parteisekretär/Redakteur, Kleberstraße 6/Peuntstraße 13/Am Hochgericht 11. Dewald, Georg: geb. 29. 9. 1892 in Aschbach bei Schlüsselfeld, gest. 11. 11. 1970 in Aschaffenburg, katholisch, Zuschneider/Redakteur, Obere Karolinenstraße 1 a/ Pödeldorferstraße 46/Vorderer Graben 16/Obere Karolinenstraße 1 a, Umzug 1921 nach Aschaffenburg. 4 Dietz, Josef, Dr. jur.: geb. 16. 2. 1895 in Bamberg, gest. 10. 12. 1961 in Bamberg, katholisch, ab 1920 konfessionslos, Kandidat des Rechts/Rechtspraktikant/ Regierungsassessor/Rechtsanwalt, Dorotheenstraße 9/Dorotheenstraße 7/Frauenstraße 1, Kanzlei: Friedrichstraße 21. Dotterweich, Georg: geb. 16. 9. 1884 in Bamberg, gest. 15. 4. 1949 in Bamberg, katholisch, Eisendreher/Gewerkschaftssekretär, Schwarzenbergstraße 44/Spiegelgraben 20/Hemmerleinstraße 14. Dotterweich, Margarete, geb. Bittel: geb. 18. 2. 1885 in Bamberg, gest. 8. 2. 1965 in Bamberg, katholisch, Schwarzenbergstraße 44/Spiegelgraben 20/Hemmerleinstraße 14. Dräßel, Michael: geb. 17. 1. 1891 in Bamberg, gest. 15. 7. 1954 in Bad Tölz, katholisch, Möbelschreiner/ Montagehelfer/Krankenüberwacher der Allgemeinen Ortskrankenkasse, Heiliggrabstraße 46/Am Steinknock 1. Duschl, Friedrich (Fritz): geb. 1873, gest. 12. 11. 1923 in Bamberg, Lagerhalter, Untere Sandstraße 14/Fischerei 37. 5 Eisenbrand, Jakob: geb. 1. 4. 1885 in Bamberg, gest. 5. 12. 1966, Kaufmann, Siechenstraße 48. 6
Als Datengrundlage der Prosopografie diente die Einwohnermeldekartei des Stadtarchivs Bamberg (StadtABa, C 9, Nr. 58/58a/58b/58c). Abweichende oder zusätzliche Quellen werden separat zu den einzelnen Personen angegeben. 2 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes noch nicht möglich. Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 3 Die Einwohnermeldekarte von Georg Brückner konnte laut Auskunft des Stadtarchivs Bamberg am 4. 7. 2018 und 10. 7. 2018 nicht ermittelt werden. Vgl. Entschädigungsakte Georg Brückner, 3.1.1887, BayHStA, MF, LEA, Nr. 7893; Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 4 Vgl. Götschmann/Henker, Geschichte. 5 Die Einwohnermeldekarte von Friedrich Duschl wurde am 14. 5. 2015 im Stadtarchiv Bamberg bestellt, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; FS v. 13.11.1923, Nr. 255; Bekanntmachung zur Landtagswahl v. 7.1.1919, StadtABa, C 2, Nr. 606. 6 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes noch nicht möglich. Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa. 1
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Prosopografie
Engert, Johann: geb. 4. 8. 1893 in Bamberg, katholisch, Former/Gewerkschaftssekretär, Koppenhofgasse 12/ Egelseestraße 105/Egelseestraße 145/Hirschbühlstraße 10. 7 Firsching, Adolf: geb. 13. 1. 1892 in Bamberg, gest. 13. 12. 1978 in Bamberg, katholisch, stellvertretender Geschäftsführer/Krankenkassenverwalter/Ortskrankenkassendirektor, Unterer Kaulberg 15/Schützenstraße 9/St. Getreu-Straße 22. Firsching, Elisabeth (Elise), geb. Kuhn: geb. 13. 1. 1891 in Bad Dürkheim, gest. 6. 1. 1951 in Bamberg, evangelisch, Unterer Kaulberg 15/Schützenstraße 9/St.Getreu-Straße 22. Freidhöfer, Ludwig: geb. 18. 7. 1894 in Bamberg, gest. 30. 9. 1963 in Bamberg, katholisch, Fabrikarbeiter/ Biersieder, Eisgrube 8/Moosgasse 10/Moosgasse 39/ Am Hochgericht 7/Nürnberger Straße 153 a. Fritsch, Paul: geb. 20. 7. 1873 in Hohenfelden, gest. 17. 7. 1929 in Bamberg, Buchhändler, Bleichanger 2/ Frauenstraße 1. 8 Früh, Max: geb. 24. 1. 1874 in Hallerndorf, gest. 3. 7. 1935 in Bamberg, jüdisch, Kaufmann, Concordiastraße 9/Vorderer Bach 4/Sophienstraße 14. Geißler, Johann: geb. 27. 6. 1877 in Moggendorf, Gemeinde Treppendorf, katholisch, Hilfsarbeiter, Nürnberger Straße 95/Kunigundenruhstraße 32/Spiegelgraben 41. 9 Geyer, Jodokus (Otto): geb. 2. 11. 1888 in Bamberg, gest. 1961, katholisch, später konfessionslos, Seemann/Fabrikarbeiter/Steinhauer/Maurer, Jäckstraße 42. 10 Göttling, Georg: geb. 10. 3. 1896 in Bamberg, gest. 9. 8. 1959 in Bamberg, evangelisch, Sattler/Orthopäde, Markusplatz 22/Grünhundsbrunnen 3/Abtsberg 19 c/ St.-Getreu-Straße 22 a.
Grassl, Josef: Brauer, Nürnberger Straße 22. 11 Grosch, Georg: geb. 9. 12. 1906 in Bamberg, gest. 27. 7. 1987, katholisch, Arbeiter/kaufmännischer Angestellter/Bauarbeiter/Redaktionsmitarbeiter, Hüttenfeldstraße 8. 12 Heizer, Wilhelm: geb. 2. 3. 1900 in Gerolzhofen, Architekt, Ottostraße 7 a/Wildensorg. 13 Heller, Andreas: geb. 24. 12. 1894 in Bamberg, katholisch, später konfessionslos, Schreiner, Hüttenfeldstraße 9/Hüttenfeldstraße 1/Altenburger Straße 17, Emigration am 13. 1. 1930 nach New York, USA. Hellmann, Wilhelm: geb. 27. 7. 1902 in Bamberg, jüdisch, Kaufmann, Fleischstraße 29, Flucht im März 1933 nach Paris, Frankreich, später Palästina und Israel. Hößbacher, Anton: geb. 18. 1. 1888 in Obernau, gest. 17. 12. 1937 in Litzendorf, katholisch, Tüncher/ Schließwächter/Stuckateur, Erlichstraße 52/Fohlengartenstraße 3/Hellerstraße 6/Schillerplatz 11. Hollfelder, Eleonore, geb. Weinsheimer: geb. 17. 5. 1895 in Bamberg, Arbeitersfrau, Hüttenfeldstraße 4. 14 Hollfelder, Michael: geb. 5. 9. 1916 in Bamberg, katholisch, Fabrikarbeiter/Stuckateur, Hüttenfeldstraße 4. Huber, Georg: Schreiner, Mittelstraße 49/Mittelstraße 51. 15 Huber, Sebastian: geb. 8. 7. 1879 in Bamberg, gest. 23. 5. 1926 in Bamberg, katholisch, Schreiner/Gewerkschaftssekretär, Schrottenberggasse 1/Hellerstraße 13/ Innere Löwenstraße 15/Schillerplatz 11/Laurenziplatz 21. Jahreis, Franz: geb. 4. 11. 1879, Maurer, Teufelsgraben 7. 16 Kaim, Adam: geb. 20. 6. 1913 in Bamberg, gest. 13. 4. 1999 in Bamberg, Schreiner, Am Leinritt 11. 17
Von Johann Engert konnte nur die Ledigenkarte im Stadtarchiv Bamberg eingesehen werden, jedoch nicht die Familienkarte. Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Entschädigungsakte Johann Engert, 4. 8.1893, BayHStA, MF, LEA, Nr. 10379. 8 Die Einwohnermeldekarte von Paul Fritsch wurde am 14. 5. 2015 im Stadtarchiv Bamberg bestellt, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; NV v. 26.7.1929, Nr. 171; Vernehmungsprotokoll von Paul Fritsch v. 5. 5.1919, StABa, K 105, Nr. 73. 9 Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1928/29, StadtABa. 10 Vgl. Entschädigungsakte Otto Geyer, 2.11.1888, BayHStA, MF, LEA, Nr. 1156; Bericht des Stadtkommissars Bamberg an die Regierung von Oberfranken v. 1. 8.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 4855. 11 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 4. 5.1924, StadtABa, C 2, Nr. 615; FS v. 14. 9.1921, Nr. 211. 12 Vgl. Götschmann/Henker, Geschichte. 13 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Bericht des Stadtkommissars Bamberg v. 12. 6.1931, StABa, K 3/1967, Nr. 5044. 14 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes und Archivgesetzes noch nicht möglich. Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 15 Die Einwohnermeldekarte von Georg Huber wurde am 1. 7. 2018 im Stadtarchiv Bamberg bestellt, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 4. 5.1924, StadtABa, C 2, Nr. 615; Liste der SPDWahlbeisitzer für die Wahlen am 31. 7.1932, StadtABa, C 2, Nr. 636. 16 Die Einwohnermeldekarte von Franz Jahreis wurde am 1. 7. 2018 im Stadtarchiv Bamberg bestellt, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 17 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 7
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Prosopografie
Kempf, Therese: geb. 1863 oder 1864, Weide 12. 18 Kilian, Wilhelm: geb. 12. 10. 1891, Angestellter, Unterer Kaulberg 26. 19 Kistner, Josef: geb. 12. 4. 1906, Schuhmacher, Hallstadterstraße 64. 20 Kreiner, Jakob: geb. 30. 1. 1900 in Bamberg, gest. 17. 8. 1983 in Bamberg, Schreiner, Edelstraße 4/Heinrich-Manz-Straße 5. 21 Kreiner, Johann: geb. 15. 2. 1899 in Bamberg, gest. 30. 6. 1976, Schuhmacher, Obere Königstraße 49. 22 Linsner, Michael: geb. 30. 7. 1880 in Waigoldshausen, katholisch, Eisenbahnamtsassistent/Expeditor/Eisenbahnobersekretär, Härtleinstraße 10/Bamberger Straße 226, Umzug 1933 nach Eltmann. Löwenthal, Friedrich (Fritz), Dr.: geb. 15. 9. 1888 in München, gest. 28. 8. 1956 in Valdorf bei Herford, jüdisch, Ratsassessor, Schönleinsplatz 3/Schillerplatz 11, Umzug 1919 nach Nürnberg. 23 Mörsberger, Konrad: geb. 13. 7. 1879 in Bruck, gest. 16. 5. 1957 in Erlangen, Schreiner/Arbeitersekretär, Innere Löwenstraße 11, Umzug 1919 nach Nürnberg. 24 Moritz, Gottfried: geb. 21. 6. 1905 in Bamberg, katholisch, Maurer, Storchsgasse 11. Müller, Fritz: geb. 4. 12. 1880 in Nürnberg, gest. 8. 1. 1951, Artist/Fahrradhändler, Judengasse 9. 25 Müller, Gustav: geb. 7. 9. 1877 in Morsleben, gest. 9. 1. 1954 in Bamberg, Schreinergeselle/Werkmeister, Egelseestraße 64. Münch, Otto: geb. 2. 3. 1891 in Kitzingen, gest. 4. 4. 1954, Moosgasse 28. 26
Neubauer, Irene: geb. 4. 12. 1894 in Bamberg, katholisch, Berufsschullehrerin, Umzug 1923 nach Apolda, Umzug 1930 nach Regensburg. Nossol, Anton: geb. 30. 9. 1902 in Raschowa (Schlesien), katholisch, ab 12. 9. 1931 konfessionslos, Weinküfer/ Reichsbahnbetriebswart, Weidendamm 3/Zinkenwörth 4/Untere Sandstraße 2/Untere Sandstraße 28/ Untere Sandstraße 16. Pfaff, Josef: geb. 1870, Schreiner, Concordiastraße 8. 27 Pickel, Elise: geb. 1. 3. 1899, Untere Königstraße 3. 28 Rebhahn, Martin: geb. 16. 2. 1884 in Bamberg, gest. 18. 2. 1944, Zimmerer, Magazinstraße 13/Magazinstraße 8. 29 Reitwießner, Paul: geb. 24. 1. 1870 in Mechenried, gest. 10. 4. 1945 in Bamberg, katholisch, Schuhmacher/ Schuhmachermeister, Weidendamm 1 c/Pödeldorferstraße 26. Riel, Anton: geb. 1. 2. 1897 in Bamberg, gest. 24. 4. 1971 in Bamberg, Bildhauer, Schweinfurterstraße 39/ Schweinfurterstraße 1/Untere Sandstraße 20. 30 Rösch, Johann: geb. 25. 6. 1874 in Bamberg, gest. 7. 1. 1933 in Bamberg, katholisch, Tüncher/Arbeitersekretär, Obere Sandstraße 6/Färbergasse 8/Färbergasse 6. Rosenfelder, Samuel: geb. 6. 2. 1868 in Bamberg, jüdisch, Kaufmann, Langestraße 3, Umzug 1932 nach Heroldsberg, 1935 Flucht nach Palästina. Rüffer, Julius: geb. 19. 9. 1862 in Rohnau, gest. 18. 4. 1944 in Bamberg, evangelisch, Geschäftsführer, Heiliggrabstraße 51/Klosterstraße 8 a. Ruß, Peter: geb. 24. 10. 1890 in Mühlendorf, gest. 20. 2. 1975, Pödeldorferstraße 58. 31
Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49. Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79; Pierdzig, Erinnern, S. 7–12. 20 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 21 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 7.12.1924, StadtABa, C 2, Nr. 620; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa; Stenglein, Andreas: Die Gaustadter SPD. URL: hhttps://andreas-stenglein.de/veroeffentlichungen/heimatgeschichte/die-gaustadter-spd/i (17. 9. 2018). 22 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes und Archivgesetzes noch nicht möglich. Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644. 23 Vgl. Weber/Herbst, Kommunisten, S. 462 f. 24 Vgl. FS v. 10. 4.1919, Nr. 3; Götschmann/Henker, Geschichte; Bekanntmachung zur Landtagswahl v. 7.1.1919, StadtABa, C 2, Nr. 606; Entschädigungsakte Konrad Mörsberger, 13. 7.1879, BayHStA, MF, LEA, Nr. 25880. 25 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Archivgesetzes noch nicht möglich. Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; NV v. 26.10.1928, Nr. 248; Wochenbericht der Polizeistelle für Nordbayern v. 14. 9. 1921, StABa, K 87, Nr. 100; Schreiben der Polizeidirektion Nürnberg-Fürth an den Stadtkommissar Bamberg v. 9.10.1924, StABa, K 5, Nr. 5174. 26 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes noch nicht möglich. Vgl. Nordbayerischer Wanderer v. 9./10.1921, Nr. 9/10. 27 Die Einwohnermeldekarte von Josef Pfaff wurde am 14. 5. 2015 im Stadtarchiv Bamberg bestellt, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. FS v. 7. 6.1919, Nr. 49; Bekanntmachung zur Landtagswahl v. 7.1.1919, StadtABa, C 2, Nr. 606. 28 Die Einwohnermeldekarte von Elise Pickel wurde am 1. 7. 2018 im Stadtarchiv Bamberg bestellt, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 29 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes noch nicht möglich. Vgl. FS v. 14. 9.1921, Nr. 211; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 20. 5.1928, StadtABa, C 2, Nr. 625. 30 Vgl. Entschädigungsakte Anton Riel, 1. 2.1897, BayHStA, MF, LEA, Nr. 2958. 31 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundes18
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Prosopografie
Sandel, Josef: geb. 5. 4. 1888 in Adelsdorf, gest. 15. 2. 1955 in Bamberg, katholisch, Bader/Friseur, Nonnenbrücke 4. Schlauch, Anton: geb. 27. 9. 1895 in Bamberg, katholisch, Maschinenschlosser, Magazinstraße 4/Spiegelgraben 1 c. 32 Schlauch, Bernhard: Textilarbeiter, Heinrich-ManzStraße 1. 33 Schlauch, Thomas: städtischer Arbeiter/Vorarbeiter, Eichelbergerweg 7/Eichelbergerweg 2/Kärntenstraße 1. 34 Schühlein, Johann: geb. 1876 oder 1877, städtischer Arbeiter. 35 Seel, Alfred: geb. 14. 12. 1898 in Bayreuth, gest. 19. 4. 1978. 36 Seelmann, Grete: geb. 8. 5. 1898 in Bamberg, Alter Graben 6. 37 Seelmann, Konrad: geb. 28. 4. 1903 in Stegaurach, gest. 14. 10. 1980, Maurer, Alter Graben 6. 38 Senft, Pankraz: geb. 16. 7. 1895 in Bamberg, katholisch, Flaschner, Tocklergasse 19/Grafensteinstraße 1. 39 Sporrer, Michael: geb. 12. 7. 1889, gest. 23. 1. 1962, Schlosser/Händler, Mittelstraße 49. 40 Steitz, Johann: geb. 7. 7. 1866 in Bamberg, gest. 13. 2. 1953 in Bamberg, katholisch, Maurer/Arbeitersekretär, Vorderer Graben 14. Stirner, Baptist: geb. 30. 9. 1888 in Bamberg, gest. 22. 12. 1973, Lokomotivführer, Hirschbühlstraße 16/ Heiliggrabstraße 65. 41 Straub, Ernst: geb. 24. 1. 1891 in Bamberg, katholisch, später konfessionslos, Handlungsgehilfe/Arbeiterse-
kretär/Reisevertreter, Habergasse 9/Färbergasse 6/ Weidendamm 49, Umzug am 1. 7. 1925 nach Eisenach. Ströhlein, Georg: geb. 7. 2. 1904 in Gaustadt, Spinnereiarbeiter. 42 Waller, Georg: geb. 19. 12. 1887 in Asch (Böhmen), gest. 26. 6. 1951 in Bamberg, katholisch, Volksschullehrer/ Gewerbeoberlehrer, Kettenbrücke 1. Waßmann, Johann: geb. 17. 5. 1892 in Ingolstadt, gest. 8. 10. 1971 in Bamberg, katholisch, Monteur/städtischer Angestellter, Kapellenstraße 14/Mühlwörth 17. Willner, Johann: geb. 4. 5. 1886 in Bamberg, gest. 2. 2. 1958 in Bamberg, katholisch, Schreiner/Kaufmann, Moosgasse 24/Plattengasse 10/Fohlengartenstraße 3. Wirth, Ludwig: geb. 20. 11. 1875 in Jettenbach, gest. 11. 10. 1932 in Bamberg, evangelisch, Schreiner/Gewerkschaftssekretär, Spiegelgraben 24. Wirthmann, Magdalena, geb. Datscheg: geb. 31. 8. 1862 in Völkersleier, gest. 3. 1. 1941 in Bamberg, katholisch, ab 1925 konfessionslos, Untere Sandstraße 26/Erlichstraße 38/Am Kranen 14/Am Leinritt 14. Wohlpart, Adam: geb. 19. 12. 1888 in Trunstadt, gest. 14. 3. 1955, Eisendreher, Heinrich-Manz-Straße 3. 43 Zapf, Karl, Dr. jur.: geb. 1. 12. 1903 in Bamberg, katholisch, ab 26. 10. 1927 konfessionslos, Student der Rechtswissenschaft/Referendar/Gerichtsassessor/ Rechtsanwalt, Concordiastraße 15, Kanzlei in Bamberg: Sophienstraße 5, Umzug am 1. 3. 1931 nach Kulmbach. Zettelmaier, Karl: geb. 28. 2. 1885 in Bamberg, gest. 21. 2. 1963 in Bamberg, katholisch, Maurer/Wächter
meldegesetzes und Archivgesetzes noch nicht möglich. Vgl. Adressbuch der Stadt Bamberg 1922, StadtABa; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647. 32 Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 33 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 7.12.1924, StadtABa, C 2, Nr. 620. 34 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 35 Die Einwohnermeldekarte von Johann Schühlein wurde am 1. 7. 2018 im Stadtarchiv Bamberg bestellt, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 2. 8.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718; Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 36 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes und Archivgesetzes noch nicht möglich. 37 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes und Archivgesetzes noch nicht möglich. 38 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes und Archivgesetzes noch nicht möglich. Vgl. Liste der KPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 5. 3.1933, StadtABa, C 2, Nr. 647; Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 39 Von Pankraz Senft konnte nur die Ledigenkarte im Stadtarchiv Bamberg eingesehen werden, jedoch noch nicht die Familienkarte. 40 Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6.11.1932, StadtABa, C 2, Nr. 644; Totentafel der Naturfreunde Bamberg, StadtABa, D 3080, Nr. 35. 41 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes und Archivgesetzes noch nicht möglich. Vgl. FS v. 1. 6.1928, Nr. 124; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa. 42 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes noch nicht möglich. Vgl. Schreiben des Stadtkommissars an das Staatsministerium des Innern v. 5.12.1932, BayHStA, MInn, Nr. 71718. 43 Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes noch nicht möglich. Vgl. Liste der SPD-Wahlbeisitzer für die Wahlen am 6. 6.1920, StadtABa, C 2, Nr. 611; Adressbuch der Stadt Bamberg 1930/31, StadtABa.
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Prosopografie
beim Zeugamt/Portier, Kapellenstraße 10/Fohlengartenstraße 7. Zettelmeier, Andreas: geb. 1. 12. 1897 in Bamberg, katholisch, Erlichstraße 46. Zimmer, Wilhelm: geb. 10. 4. 1887 in Bamberg, gest. 27. 2. 1973, Architekt, Obere Seelgasse 2. 44 Zimmerer, Sebastian: geb. 30. 10. 1867 in Roth bei Zapfendorf, gest. 2. 10. 1952 in Bamberg, katholisch, ab
3. 3. 1923 konfessionslos, Färber/Appreteur, Schimmelsgasse 2. 45 Zwiebel, Alexander (Sender): geb. 27. 12. 1877 in Podlesie/Reichau, jüdisch, später konfessionslos, Geschäftsführer/Gewerkschaftssekretär, Obere Sandstraße 18/Kleberstraße 33 a, Emigration am 20. 3. 1934 nach Milwaukee, USA.
Einsichtnahme der Einwohnermeldekarte laut Auskunft von Winfried Theuerer vom Stadtarchiv Bamberg am 10. 7. 2018 aufgrund des Bundesmeldegesetzes noch nicht möglich. Vgl. Liste der politisch unzuverlässigen Bamberger Personen v. 1934, StadtABa, C 9, Nr. 79. 45 Vgl. Bericht des Stadtkommissars Bamberg an den Regierungspräsidenten von Oberfranken v. 11. 7.1929, StABa, K 3, Präs. Reg., Nr. 1928, Bd. 5. 44
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Personenregister Abert, Friedrich Philipp von 85 Adam, Thomas 17, 30, 34 Alt, Johann 302 Amende, Dietrich 410 Ament, Wilhelm 42 Ammon, Lina 200–201 Amon, Hans 358 Amon, Johann 236, 358 Arneth, Paul 312, 323, 463, 525 Aron, Wilhelm 37, 161, 169, 190–191, 197, 213, 248, 268, 274, 286, 404, 406, 437–438, 452, 455–457, 459, 473, 525 Auer, Erhard 152 Bähr, Konrad 290 Baier, Johann 226, 229, 231–232 Bald, Albrecht 29 Barth, Alex 244–250, 252, 268, 271, 277, 306, 357, 371, 373, 406, 452, 455, 461, 525 Barth, Christine 250, 371, 461, 525 Bauer, Andreas 375, 525 Baumer, Karl 213 Bauschen, Heinrich 409–410 Bayer, Andreas 450–451, 459, 525 Bayer, Balthasar 248 Bebel, August 76–77, 90, 95, 201, 287 Becher, Paul 329 Beck, Anton 371 Beck, Hans 275 Beethoven, Ludwig van 345 Behr, Johann 365 Behringer, Christian 365 Beiersdorfer, René 37 Bergmann, Eberhard 267 Bernstein, Eduard 100, 472 Bertuch, Ludwig 247 Betz, Georg 379 Betzer, Eugen 306 Bezold, Karl 453–454 Birklein, Luise 411 Bismarck, Otto von 34, 81, 83, 287, 370 Bittel, Georg 159, 286, 357, 525 Blackbourn, David 27 Blessing, Werner K. 36 Blumtritt, Max 232 Böhm, Georg 247–249, 256, 260, 274, 373, 440, 452, 455, 525 Böhnlein, Katharina 290, 295 Böhnlein, Nikolaus 260 Born (Jesuitenpater) 205 Born, Stephan 71
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Boulanger, Jakob 235 Brahms, Johannes 345 Brand, Karolina 198–199, 369, 424, 525 Brandt, Peter 35 Braun, Otto 113, 516 Bräuning, Josef 349 Breder, Carl 93 Bröger, Karl 211, 390 Brückner, Georg 172, 458–461, 465, 467, 525 Brüning, Heinrich 68, 118, 123, 247, 359, 429, 435, 439– 440 Bschorer, Josef 117 Bühner (Mitglied der KPD) 243 Burger, Lorenz 37 Burk, Martin 376, 525 Clajus, Franz 227 Comte, Auguste 26 Crailsheim, Gustav Freiherr von 163, 331 Davies, Cecil 355 Decker, Wilhelm 248, 267 Deckert, Nikolaus 439 Dehler, Irma 268, 406 Dehler, Thomas 214, 268–269, 390, 405–406, 437–438, 461 Dennstädt, Josef 107, 122, 128, 141, 159–162, 166, 169, 171, 175–176, 187, 208, 210–211, 219, 222, 260, 282– 283, 312, 315, 322, 343, 349, 352, 357, 368, 375, 379, 382, 386–387, 392, 398, 401–402, 417–421, 423–424, 427, 430–431, 436–437, 439, 441–442, 447, 450–452, 455, 460, 467, 473, 525 Dessauer, Karl Isidor 52 Dessauer, Paul 205, 365 Deubler, Konrad 353 Dewald, Georg 104, 107, 156, 159–161, 169, 175, 192, 233, 352, 398, 525 Dietrich, Johann Baptist 24, 117, 220, 254 Dietz, Franz 193, 204 Dietz, Fritz 197 Dietz, Josef 111, 239–241, 248, 264, 268–269, 273, 357, 371–372, 406, 452–453, 460–461, 473, 525 Dill, Hans 114, 154, 174–175, 200, 390, 407, 425, 429– 430, 467 Dittmann, Wilhelm 444 Dittmar, Johann Ernst 140, 168 Döll, Nikolaus 454 Döring, Christian 167 Dorn, Konrad 89 Dorn, Salo 58 Dornheim, Andreas 37
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Personenregister
Dorpalen, Andreas 426 Dotterweich, Georg 141, 160, 168, 183, 220, 283, 287, 294, 307, 312, 349, 424, 449, 452, 458–460, 467, 470, 525 Dotterweich, Margarete 199, 525 Dräßel, Michael 159–160, 168, 283, 375, 525 Dresch, Carl 73 Dresch, Johann Casimir 71–72 Duesterberg, Theodor 121, 517 Dünninger, Michael 371 Duschl, Friedrich 135, 151, 379, 525 Eberhard, Konrad 161 Eberlein, Fritz 324 Ebert, Friedrich 36, 164, 166, 393 Eger, Eduard 267 Ehberger, Wolfgang 36 Eisenbrand, Jakob 312, 525 Eisner, Kurt 101, 104, 151–153, 225, 231 Eisner, Reinhard 197 Eley, Geoff 27 Endres, Friedrich 339 Endres, Fritz 89, 154–156, 177, 180, 200, 229, 401 Engels, Friedrich 75 Engert, Johann 222, 227, 237, 254, 283, 287, 289, 297, 304, 365–366, 379, 382, 392, 424, 447, 458–460, 467, 526 Epp, Franz Ritter von 416, 447 Erhard, Max 295, 375, 378 Erk, Josef 365 Erzberger, Matthias 165 Escherich, Georg 206 Esser, Hermann 411–412 Fack, Peter 236–237 Fackelmann, Sebastian 19, 113, 209–210, 212, 292, 299, 363, 396 Falter, Jürgen 33 Fehler, Andreas 194 Felber, Leopold 414 Firsching, Adolf 140, 168, 211, 424, 452, 455–456, 459– 460, 466–467, 473, 526 Firsching, Elisabeth 140, 160, 168, 198–199, 456, 526 Fischer, Conan J. 125 Förtsch, Johann 90 Förtsch, Michael 213 Förtsch, Peter 248–249 Fraenkel, Ernst 453 Franco, Francisco 266, 461 Freidhöfer, Ludwig 234, 526 Freier, Erhard 355 Freiligrath, Ferdinand 391 Frick, Wilhelm 466 Frisch, Wilhelm 248 Fritsch, Maria 239 Fritsch, Paul 226–228, 232–236, 239, 241, 371, 526
Frölich, August 130, 424 Frölich, Paul 276 Früh, Max 169, 174, 404, 526 Fuchs, August 324–325 Funk, Albert 76 Gampe, Franz Josef 305 Gareis, Heinrich 18, 212, 270, 432 Gareis, Karl 233, 237, 407 Gasteiger, Hans 154 Gasteiger, Johann 94 Gebsattel, Adelheid Freifrau von 395 Gebsattel, Hermann Freiherr von 363, 365, 394–396, 432, 474 Gebsattel, Konstantin Freiherr von 170, 395, 474 Gehringer, Horst 37 Geiger, Hans 375 Geißler, Johann 312, 526 Gemeinhardt, Carl 59, 67 Geyer, Curt 99, 229 Geyer, Jodokus (Otto) 106, 230–232, 239, 241–242, 244, 248, 254–255, 257–258, 264, 272–277, 304–305, 341, 357, 360–362, 371, 373, 404, 407, 427, 430–431, 452, 454–455, 460, 473, 526 Geyer, Martin 96 Giehl, Valentin 87–88 Giel, Margarethe 295 Gitter, Gustav 63 Goch, Stefan 33 Göckeler, Emil 373 Goebbels, Joseph 277, 412, 418, 427 Gold, Christine 37 Göppner, Karl 248 Göttling, Georg 159–160, 168, 211, 213, 222, 232–233, 371, 424, 442, 452, 526 Gottschall, Simon 51 Gräf, August 401 Graf, Otto 235 Gramß, Wilhelm 52 Grassl, Josef 281, 283, 526 Grebing, Helga 29, 31 Grießmann, Betty 95 Grillenberger, Karl 78–80, 82–83, 468, 473 Groh, Dieter 34 Grönsfelder, Emma 235, 250 Grönsfelder, Karl 235, 242, 275 Grosch, Georg 161, 175–176, 188–190, 193, 197, 220, 309, 400, 450–452, 459, 526 Großmann, Anton 33 Gumbel, Emil Julius 267 Haase, Hugo 100 Häberlen, Joachim C. 16, 35 Hag (Glasergeselle) 70 Haller, Sigmund von 90 Hambrecht, Rainer 36
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Personenregister
Harms (Kapellmeister) 346 Hartenfels, Karl 414 Harth, Friedrich 413 Hartwig, Theodor 358 Hass (Schneidergeselle) 70 Hauck, Johannes Jacobus von 163, 316, 396, 399, 474 Hauptmann, Gerhard 356 Hauptmann, Hans 95 Hausen, Erich 275 Hausladen, Anton 235, 245 Haustein, Alfons 260 Haydn, Joseph 388 Heger, Carl 75–76 Heigl, Ferdinand 91 Heim, Clemens 55 Heinkelmann, Heinrich 74 Heinrich II. (Kaiser) 15, 42 Heizer, Wilhelm 267, 269, 526 Held, Heinrich 123, 316, 445, 516 Helldorfer, Johann 193 Heller, Andreas 305, 357–358, 361, 526 Heller, Joseph 53 Heller, Vitus 392 Hellmann, Wilhelm 247, 250, 274, 371, 389, 404, 407, 429–431, 458, 473, 526 Hellmuth, Otto 414 Hellpach, Willy 516 Herbst, Adam 338 Hering, Johann Baptist 83, 92–93 Herrmann, Matthäus 165 Heß, Karl August 88 Hessdorfer (Schneidergeselle) 70 Hiller, Kurt 267 Himmler, Heinrich 457 Hindenburg, Paul von 106, 111–114, 120–121, 215, 220, 264, 386, 451, 460, 466, 516–517 Hirsch, Moritz 50 Hitler, Adolf 36, 112, 120–121, 127, 130, 134, 146–147, 264, 277, 410, 412, 414, 416–417, 419, 421–422, 424– 426, 429, 440–441, 447, 449, 451, 460–461, 466, 475, 517 Hobsbawm, Eric 35 Hoegner, Wilhelm 216, 222, 425–426, 431 Hoffmann, Johannes 17, 36, 153–154, 399, 469 Hofmann, Andreas Stefan 36 Hofstädter, Hans 256, 278 Hoh, Georg 61 Hohl, Georg 296 Hollfelder, Eleonore 251, 452, 526 Hollfelder, Michael 248, 526 Höllinger, Anton 231 Höltermann, Karl 221, 447 Hölz, Max 370 Hoppe, Bert 426 Hößbacher, Anton 312, 526 Huber, Georg 350, 526
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Huber, Sebastian 135, 156, 159, 168, 172, 386, 526 Hugenberg, Alfred 133 Hummel, Tiberius 398 Hundt, Franz 268–269 Hundt, Max 55 Jäckel, Hermann 299 Jagemann, Georg 76 Jahn, Friedrich Ludwig 318 Jahreis, Franz 438, 526 Jehnes, Johann 283, 349 Juchacz, Marie 367 Jüchen, Aurel von 168 Jung, Otmar 117 Kachel, Steffen 33 Kahn, Louis 52 Kahr, Gustav Ritter von 179–180, 206–207, 209, 319, 387, 410 Kaim, Adam 194, 248–249, 260, 264, 266–267, 431– 432, 440, 452, 454, 460–461, 526 Kalischak, Salusch 55 Kandel, Alfred 365 Karl, Johann 248 Karsten, August 100 Kautsky, Karl 100 Kellerbauer, Walter 420 Kellner, Karl 160, 406 Kempf, Therese 141, 198, 369, 527 Kerner (Mitglied der SAJ) 193 Kerschbaum, Albert 268 Kestenberg, Leo 167 Kießling, Stefanie 37 Kilian, Wilhelm 349, 527 Kistner, Josef 462 Kleinschmidt, Karl 168 Klingler, Franz 403 Kluge, Max 421 Köhler, Heinrich 364 Kolb, Eberhard 117 Kolb, Joseph 225, 399 König, Adam 364 König, Heinrich 173, 214, 435 Konrad, Johann Baptist 267 Körk, Albert 422 Köttnitz, Paul 19, 163, 217, 246, 268, 331–332, 343, 394, 400, 430, 434, 447, 453 Krackhardt, Friedrich 52 Kral, Herbert 29 Kraus, Euchar 82 Kraus, Ludwig 212 Krauß, Lorenz 382 Krause, Oskar 37 Kreiner, Jakob 95, 194, 197, 365, 527 Kreiner, Johann 194, 350, 527 Kritzer, Peter 29
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Personenregister
Kuhn, Axel 117 Kühnle (Polizist) 460 Kunert, Fritz 100 Kunstmann, Richard 95 Kupfer, Benjamin 52 Lampe, Emil 229 Langewiesche, Dieter 30–31 Lassalle, Ferdinand 75–76 Laub, Josef 268 Leicht, Johann Martin 76 Leicht, Joseph 256 Lenin, Wladimir Iljitsch 259 Lepsius, Mario Rainer 25–27, 30–31 Lessing, Simon 52, 55 Lieb, Georg 172 Liebknecht, Karl 152, 261 Liebknecht, Wilhelm 76 Lilje, Peter 355 Link, Stephan 34, 72 Linsner, Michael 135, 140–141, 168, 473, 527 Lipset, Seymour Martin 26 Löbe, Paul 425 Lösche, Peter 32, 38 Loth, Winfried 27 Löwenthal, Friedrich 166, 226, 527 Lowig, Georg 444 Ludendorff, Erich 102, 107, 397, 516 Ludendorff, Mathilde 354 Ludwig I. (König von Bayern) 53, 397 Ludwig II. (König von Bayern) 130 Luppe, Hermann 18, 211, 214, 390, 392, 404 Luster, Viktor 316 Luthardt, Wolfgang 29 Lutz, Franz Michael 85 Luxemburg, Rosa 261 Madlener, Hermann 302 Malkmus, Theo 267–269 Mallmann, Klaus-Michael 249, 264, 342 Mamme, August 78, 82 Mandel (Jungsozialistin) 194 Mann, Thomas 119 Manz, Heinrich 54 Manz, Wilhelm 54 Marg, Stine 36 Marx, Karl 75, 167 Marx, Wilhelm 112–113, 516 Maßmann, Adam 213 Mayershofer, Ingrid 36 Mehring, Franz 94 Mehringer, Hartmut 37, 161 Meisel, Lina 290, 295 Meixner, Georg 122 Memminger, Anton 78 Mergner, Johann 55
Messerschmitt, Wilhelm 58, 63 Meyer, Johann 235, 259 Meyer, Philipp 54 Michel-Raulino, Richard Freiherr von 24, 421 Miller, Susanne 29 Mohr, Johann 375 Moll, Leonhard 174 Mommsen, Hans 29 Montgelas, Maximilian von 42 Morhard, Bruno 86 Moritz, Gottfried 248, 452, 455, 527 Mörsberger, Konrad 94–95, 102, 104, 150–151, 153– 154, 159, 206, 281, 527 Mozart, Wolfgang Amadeus 356, 388 Müller, Adolf 248 Müller, Friedrich 84 Müller, Fritz 256, 264, 341, 527 Müller, Georg 52 Müller, Gustav 312, 314, 318, 333, 354, 527 Müller, Hans 260 Müller, Hermann 105, 130, 171, 425 Müller, Lorenz 248 Münch, Otto 335, 527 Nenninger (Redakteur) 161 Neppel, Maria 290 Neubauer, Irene 406, 527 Neuhäußer-Wespy, Ulrich 37 Neumann, Erwin 22 Nipperdey, Thomas 34, 70 Noske, Gustav 99, 101, 229 Nossol, Anton 248–249, 342, 357, 371, 452, 454, 527 Nüßlein, Johann 324 Oehme, Heinrich 89 Oertel, Carl 89–90 Papen, Franz von 123, 435, 440 Pelikan, Karl 88, 92–93, 96, 314 Peukert, Detlef 31 Pfaff, Josef 94, 104, 136, 227–228, 264, 357, 527 Pfleiderer, Otto 268 Pfuhlmann, Georg 296 Pickel, Elise 251, 527 Pickel, Johann 248 Pohl, Karl Heinrich 29 Popp, Eugen 76–77 Pötz, Franz 226 Prell, Hermann 403 Preußen, August Wilhelm von 125, 416 Pröls, Leonhard 174 Puchta, Friedrich 444 Rappel, Josef 227 Rathenau, Walther 165, 303, 399 Rattel, Georg 136–138, 185
533
wbg 27314 / p. 534 / 9.3.2021
Personenregister
Rauh-Kühne, Cornelia 33, 127 Raynal, Paul 356 Reber, Otto 353 Rebhahn, Margarete 458 Rebhahn, Martin 458, 527 Reddig, Wolfgang F. 37, 367 Reichert (Brauergeselle) 70 Reinlein, Nikolaus 82 Reitwießner, Paul 344, 349–350, 527 Reitz, Karl 211 Renner, Gottlieb 213 Renz, Robert 409–410 Reuss, Anja 268 Reuss, Friedrich 268 Riedinger, Ludwig August 52 Riel, Anton 244–245, 248, 250, 254, 262, 264, 273–277, 373, 406, 452–455, 460, 466, 473, 527 Riep, Gustav 191 Rieß, Johann 379 Rimpel, Nathan 213, 473 Ritter, Gerhard A. 31 Ritz, Johann Georg 233 Rohe, Karl 27 Rokkan, Stein 26 Römer, Heinrich 294 Rösch, Johann 135, 140–141, 160, 168, 182, 186, 206, 281–283, 312, 379, 470, 527 Rosenfelder, Carl 52 Rosenfelder, Emil 52 Rosenfelder, Samuel 169, 527 Roßhaupter, Albert 208, 420 Rossini, Gioachino 356 Rückel, Adam Reimund 140, 449 Rüffer, Julius 135, 168, 375–376, 378, 527 Rupp, Albert 62 Rupprecht (Kronprinz von Bayern) 163, 316–317, 396– 397, 474 Ruß, Peter 312, 527 Sacco, Nicola 370 Sachs, Ernst 332 Sachs, Wilhelm 291, 381 Sachsen-Coburg-Gotha, Sybilla von 20 Saldern, Adelheid von 28, 31 Sandel, Josef 366, 528 Schachinger, Friedrich 18 Schäder, Leonhard 455 Schädler, Franz Xaver 88, 90 Schäfer, Anton 448 Schäfer, Franz Xaver 212, 406 Schäfer, Matthias 35 Scharnagel, Alexander 71 Schedel, Melchior 174 Scheler, Christoph 220 Schemm, Hans 205, 414, 416, 418, 451, 460, 466 Schenkel, Johann 248
534
Schiemann, Peter 324 Schiller, Friedrich 356 Schirmer, Hermann 23, 258 Schlauch, Anton 192, 451, 459, 528 Schlauch, Bernhard 283, 528 Schlauch, Thomas 327, 528 Schlee (Flaschnergeselle) 70 Schlee, Gustav 226 Schmeling, Max 327–328 Schmidt, Sebastian 37 Schmiechen-Ackermann, Detlef 33 Schmitt, Albin 406 Schmitt, Hans 414 Schmitt, Johann 245 Schmitt, Ludwig 268 Schmitt, Michael 247 Schneider, Michael 194 Schneider, Niklas 37 Schneller, Ernst 129 Schneppenhorst, Ernst 154–155, 222, 426 Schöpf, Josef 248 Schott, Hermann 427 Schrenker, Fritz 438 Schröppel, Anton 59 Schubert, Franz 345 Schuberth, Margarete 268–269 Schühlein, Johann 528 Schulze, Gerhard 28 Schulze-Delitzsch, Hermann 75 Schumann, Dirk 117 Schumm, Georg 248–249 Seel, Alfred 339–340, 528 Seelmann, Grete 251, 528 Seelmann, Konrad 248, 454, 528 Seger, Gerhart 444 Segitz, Martin 154 Seidel, Hans 392–393, 403 Seidler, Emil 248 Semlinger, Heinrich 57, 101, 298 Senft, Pankraz 312–313, 335, 337, 528 Severing, Carl 222 Shakespeare, William 356 Sieber, Johann Baptist 364 Simon, Josef 118, 386 Soden-Fraunhofen, Joseph Maria Graf von 17–18, 231, 384 Sollmann, Wilhelm 107, 168, 199 Sperber, Franziska 141 Sperber, Heinrich 365 Spiegel, Franz 401 Spornheimer, Johann 91 Sporrer, Michael 365–366, 528 Staudt, Hans 464 Stauffenberg, Claus Schenk Graf von 460 Steinberger, Xaver 334 Steinfelder, Karl 379
wbg 27314 / p. 535 / 9.3.2021
Personenregister
Steitz, Johann 88, 92, 96, 98–99, 101–104, 128, 135, 137, 140–141, 150, 152, 156, 165, 168–169, 174, 182–185, 187–188, 234, 303–304, 316, 349, 368, 380, 405, 417– 418, 449, 455, 468–469, 528 Stillerich, Kunz 56 Stimpfl, Josef 293 Stirner, Baptist 312, 528 Stock, Richard 412, 414 Stöcker, Helene 267 Stöcklein, Johann 248 Strasser, Gregor 412, 418 Strätz, Joseph 352 Straub, Babette 95 Straub, Ernst 156, 175, 281, 528 Straub, Joseph 91–92, 95–96, 175, 468 Straub, Michael 194 Strauß, Johann 345 Streicher, Julius 258, 404, 410–415, 417, 419, 427, 450, 475 Stresemann, Gustav 133, 179 Strobel (Mitglied der KPD) 243 Ströhlein, Georg 528 Strößenreuther, Otto Ritter von 19–20, 66, 102, 108, 123, 163, 212, 277, 300, 363, 395 Stuiber, Marie 406 Stumpf, Ferdinand 413 Südekum, Albert 90 Sufa, Josef 236–237 Süß, Baptist 379 Syroka, Johann 248 Tenfelde, Klaus 48 Thalheimer, August 275 Thälmann, Ernst 112–114, 121, 516–517 Thomas, Karl 52 Timm, Johannes 99, 101 Titus, Nikolaus 72–77, 80, 468 Toller, Ernst 267 Trautner, Hans 89 Tschachotin, Sergej 221 Übel, Adam Franz 95–96 Uebel, Adam 326 Uebel, Adolf 463 Ulrich, Ludwig 225 Uthmann, Gustav Adolf 344 Vanzetti, Bartolomeo 370 Vierbücher, Heinrich 423, 431 Vogel, Johann 89, 161, 164, 171, 219 Voigt, Carsten 442 Vollmar, Georg von 88, 472 Voye, Otto 140, 403, 425–426 Wächter, Adolf 51, 58, 61, 97–98, 102, 104, 136–138, 151, 153, 183, 410, 469
Wäckerle, Hilmar 457 Wagner, Adolf 451 Wagner, Julius 194 Wagner, Richard 345 Waller, Georg 156–157, 192, 406, 461, 473, 528 Walter, Franz 29, 32–33, 35–36, 194 Walter, Johann Baptist 76 Walther, Max 174–175 Wanderer, Theodor 448 Waßmann, Johann 284, 528 Weber, Hans 330 Weber, Hermann 29 Weegmann, Luitpold 61–62, 68, 137–139, 163–164, 177, 212, 217, 316, 332, 360, 381, 396, 413–414, 447– 450 Wehler, Hans-Ulrich 27, 34, 117 Weich, Hans 462 Weichlein, Siegfried 30, 34, 249 Weigand, Joseph 70, 72 Weinberger, Johann 202 Weinheim, Heinrich Freiherr Horneck von 81 Weinkauf, Kaspar 236–237 Wels, Otto 465 Werner, Emil 29 Werner, Josef 140, 186, 405 Weyermann, Johann Baptist 55 Weyermann, Rudolf 316 Wicht, Hans 227 Wiecking, Carl 54 Wieland, Fritz 55 Wiemer, Philipp 91 Wilde, Oskar 356 Wildt, Michael 117 Wilhelm I. (Kaiser des Deutschen Reichs) 179 Wilhelm II. (Kaiser des Deutschen Reichs) 130, 397 Willner, Franz 365 Willner, Johann 140–141, 213, 256, 449, 467, 528 Wimmer, Franz 63 Winkler, Heinrich August 29, 31, 117 Winter, Gustav 517 Winterstein, Nikolaus 406 Wirsching, Andreas 434, 465 Wirth, Ludwig 159, 287, 294, 364, 528 Wirthmann, Magdalena 95, 135, 137, 140, 186, 198– 199, 357, 369, 528 Wirthmann, Philipp 175 Witt, Karl 453–454, 456 Wohlfahrt, Jean 258 Wohlhöfner, Johann 63 Wohlpart, Adam 312, 528 Wolf, Hans 160 Wölfel, Hans 456, 459 Wölflein, Johann 324
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wbg 27314 / p. 536 / 9.3.2021
Personenregister
Zahneisen, Lorenz 122, 125, 142, 410–412, 414–418, 422–423, 428, 436–437, 447–451, 453–454, 458, 464– 466, 475 Zamenhof, Ludwik Lejzer 353 Zapf, Karl 350–351, 528 Zehentmeier, Wolfgang 36 Zetkin, Clara 95 Zettelmaier, Karl 215, 528 Zettelmeier, Andreas 215, 529
536
Ziegler, Karl 174 Ziemann, Benjamin 432 Zimmer, Karl 88 Zimmer, Kaspar 81, 160 Zimmer, Wilhelm 406, 529 Zimmerer, Sebastian 245, 264, 306, 529 Zollitsch, Wolfgang 31 Zwiebel, Alexander 160, 200, 248, 283, 286–287, 290– 292, 306, 357, 458, 470, 473, 529