Parteiverbote in der Weimarer Republik [1 ed.] 9783428495085, 9783428095087

Es besteht Einigkeit darüber, daß die durch Art. 21 Abs. 2 GG eingeräumte Möglichkeit, Parteien zu verbieten, $aaus$z de

140 105 20MB

German Pages 227 Year 1999

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Parteiverbote in der Weimarer Republik [1 ed.]
 9783428495085, 9783428095087

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KATRIN STEIN

Parteiverbote in der Weimarer Republik

Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 56

Parteiverbote in der Weimarer Republik Von Katrin Stein

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Stein, Katrin:

Partei verbote in der Weimarer Republik / von Katrin Stein. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zur Verfassungs geschichte ; Bd. 56) Zugl.: Osnabrück, Univ., Diss., 1997/98 ISBN 3-428-09508-1

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 3-428-09508-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

,,Ich will nicht die Parlaments- und Parteiwirtschaft, welche die Verpestung des gesamten nationalen Lebens mit Politik bewirkt..." (Thomas Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen, [1918], Neuausgabe Frankfurt a. Main 1956, S. 253)

"Wenn Sie nicht begriffen haben, daß die Erhaltung der Demokratie und der Republik das wichtigste Interesse der Partei ist, haben Sie nicht das ABC des politischen Lebens begriffen." (Rudolf Hilferding auf dem Kieler Parteitag der SPD 1927, zitiert nach: Gordon Alexander Craig, Deutsche Geschichte 1866-1945, München 1980, S. 436)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1997/98 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurden Rechtsprechung und Literatur bis Februar 1998 berücksichtigt. Mein Dank gilt vor allem Herrn Professor Dr. Jörn Ipsen, der mir die Anregung zur Bearbeitung des Themas gegeben hat und durch den ich jederzeit die erforderliche Unterstützung erfahren habe. Die Mühe der Erstellung des Zweitgutachtens nahm Herr Professor Dr. Wulf-Eckart Voß auf sich, dem ich ebenfalls meinen herzlichen Dank aussprechen möchte. Ferner bedanke ich mich für die Hilfe, die mir durch die Mitarbeiter des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde und in Dahlwitz-Hoppegarten zuteil geworden ist. Osnabrück, im November 1998

Katrin Stein

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel

Einleitung

21

A.

Die Bedeutung der Thematik............................................................................

21

B.

Der Gang der Untersuchung.............................................................................

24

Zweites Kapitel

Parteiverbote in der historischen Perspektive

27

A.

Die Bestimmung des ,,Partei begriffs" als Voraussetzung einer historischen Betrachtung - Die Anfänge des Parteiwesens....................................................

27

B.

Vorläufer von Parteiverbotsregelungen.............................................................

30

C.

Das Revolutionsjahr 1848/49............................................................................

33

D.

Zwischen Revolution und Reichsgründung......................................................

34

E.

Parteiverbote im Kaiserreich.............................................................................

37

I.

Der öffentlich-rechtliche Status der Parteien..........................................

37

11.

Verbotsregelungen im Kaiserreich.........................................................

40

1. Parteiverbote auf der Verfassungsebene...........................................

40

2. Parteiverbote auf der einfachgesetzlichen Ebene..............................

40

a) Parteiverbote aufgrund des Sozialistengesetzes............................

40

b) Parteiverbote aufgrund des Reichsvereinsgesetzes........................

43

Zusammenfassung.............................................................................................

43

F.

Drittes Kapitel

Die Position der Parteien in der Weimarer Republik A.

Die Parteien in den Beratungen der verfassunggebenden NationalversammJung...................................................................................................................

45

45

10

Inhaltsverzeichnis

B.

Die Stellung der politischen Parteien in der Weimarer Staatsordnung..............

46

C.

Die grundrechtliche Absicherung der Parteien..................................................

48

D.

Zusammenfassung.............................................................................................

50

Viertes Kilpitel

A.

Parteiverbote in der Weimarer Republik

51

Verfassungsrechtliche Ausgangslage ................................................................

51

I.

Die Möglichkeiten zu einem Ausspruch von Parteiverboten im ,,staatsrechtlichen Normalzustand" ....................................................................

51

11.

Die Möglichkeiten zum Ausspruch von Parteiverboten unter Ausschaltung der Wirkung des Art. 124 Abs. 1 WRV ..........................................

52

l. Parteiverbote als Maßnahmen der ,,Diktaturgewalt" ........................

53

a) Einordnung der ,,Diktaturgewalt" .................................................

53

b) Die Diktaturbefugnisse als Rechtsgrundlage für Parteiverbote ....

54

aa) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung von Diktaturgewalt ..............................................................................

54

(1) Die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten .......................

54

(2) Die Diktaturgewalt der Landesregierungen ......................

57

bb) Der Inhalt der Diktaturmaßnahmen ........................................

58

ce) Möglichkeiten für eine Kontrolle der Diktaturgewalt... ..........

62

(1) Die Möglichkeiten für eine politische Kontrolle der Dik-

taturgewalt ........................................................................

62

(2) Die Möglichkeiten für eine gerichtliche Kontrolle der Diktaturgewalt ..................................................................

63

(a) Kontrolleröffnung .....................................................

63

(aa) Verfassungsgerichtsbarkeit ................................

63

(bb) Abstrakte Normenkontrolle ................................

65

(ce) Inzidente Kontrolle ............................................

65

(b) Der Umfang der richterlichen Kontrolle ...................

66

(3) Zusammenfassung der Kontrollmöglichkeiten .................

66

2. Parteiverbote als Folge verfassungsändernder oder verfassungsdurchbrechender Gesetze .................................................................

67

Zusammenfassung ..................................................................................

68

Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote .......................................

69

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes ........................................

69

III.

B.

I.

Inhaltsverzeichnis

11.

1. Eingrenzung der behandelten Verbotsgrundlagen.............................

69

2. Exkurs: Überblick über die Parteien am rechten und linken Rand des Parteienspektrums.......................................................................

71

a) Die Parteien der äußersten politischen Rechten.............................

72

aa) Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.................

72

bb) Die Deutschsoziale Partei........................................................

73

ce) Die Deutschsozialistische Partei..............................................

73

dd) Die Deutschvölkische Freiheitpartei.......................................

74

b)Die Kommunistische Partei Deutschlands als Partei der äußersten politischen Linken.........................................................................

74

Parteiverbote aufgrund des Reichsvereinsgesetzes vom 19. April 1908 ......................................................................... ,............... ................

75

1. Regelungsinhalt der aus dem Reichsvereinsgesetz als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm.......................

75

a) Fortgeltung des § 2 Abs. 1 RVereinsG.........................................

75

b) Voraussetzungen ...........................................................................

76

c) Formelle Erfordernisse..................................................................

77

aa) Zuständigkeiten......................................................................

77

bb) Sonstige formelle Erfordernisse..............................................

78

d)Rechtsfolgen..................................................................................

78

2. Rechtsschutzmöglichkeiten...............................................................

79

3. Die Anwendung des § 2 Abs. 1 RVereinsG auf politische Parteien in der Staatspraxis............................................................................

80

a) Die auf der Grundlage des § 2 Abs.l RVereinsG erfolgten Parteiauf]ösungen..................................................................................

III.

11

80

b)Die auf der Grundlage des § 2 Abs.1 RVereinsG ausgesprochenen Parteiauf]ösungen als Gegenstände gerichtlicher Entscheidungen..................................................................................

81

c) Geltungsdauer der Parteiauf]ösungen...........................................

81

4. Zusammenfassung............................................................................

82

Parteiverbote aufgrund des Gesetzes zur Durchführung der Art. 177, 178 des Friedensvertrages von Versailles...............................................

83

1. Regelungsinhalt der aus dem GDFV als Rechtsgrundlage für den Ausspruch von Parteiverboten in Betracht kommenden Norm........

83

a) Voraussetzungen..........................................................................

83

b) Zuständigkeit...............................................................................

84

c) Rechtsfolgen................................................................................

85

12

Inhaltsverzeichnis

IV.

V.

VI.

2. Rechtsschutzmöglichkeiten...............................................................

85

3. Zusammenfassung............................................................................

85

Parteiverbote aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. August 1921......................................................................................

86

1. Geschichtlicher Hintergrund.............................................................

86

2. Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 29. August 1921 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm...

87

a) Voraussetzungen............................................................................

87

b)Sachliche Zuständigkeit.................................................................

90

c) Rechtsfolgen..................................................................................

90

3. Kontrollmöglichkeiten......................................................................

91

4. Die Anwendung des § 4 Abs. 1 VO I in der Staatspraxis.................

91

5. Zusammenfassung............................................................................

91

Parteiverbote aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. September 1921................................................................................

93

1. Geschichtlicher Hintergrund.............................................................

93

2. Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 28. September 1921 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm.................................................................................................

95

a) Voraussetzungen...........................................................................

96

b)Sachliche Zuständigkeit................................................................

96

c) Rechtsfolgen.................................................................................

97

3. KontrollmögIichkeiten......................................................................

97

4. Die Anwendung des § 3 VO 11 in der Staatspraxis...........................

98

5. Zusammenfassung.............................................................................

99

Parteiverbote aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten ,,zum Schutze der Republik" vom 26. Juni 1922..............................................

99

1. Geschichtlicher Hintergrund..............................................................

99

2. Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 26. Juni 1922 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm................................................................................................

101

a) Voraussetzungen..........................................................................

101

b)Zuständigkeiten............................................................................

103

aa) Sachliche Zuständigkeit.........................................................

103

bb) Örtliche Zuständigkeit............................................................

104

c) Rechtsfolgen.................................................................................

105

Inhaltsverzeichnis

13

3. Rechtsschutzmöglichkeiten..............................................................

105

4. Die Anwendung des § 1 Abs. 2 VO III in der Staatspraxis.............

107

a) Die Geltungsdauer der VO III.....................................................

107

b)Der Erlaß von Parteiverboten auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 VO III und ihre Begründungen...................................................

108

aa) Verbote der Deutschsozialen Partei......................................

108

bb) Verbote der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.....................................................................................

110

c) Die auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 VO III ausgesprochenen Partei verbote als Gegenstände gerichtlicher Entscheidungen ......

111

aa) Die maßgeblichen Entscheidungsorgane und Entscheidungsgrundlagen............................................................................. 111 bb) Die einzelnen Entscheidungen des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik über die Rechtmäßigkeit der Parteiverbote........................................................................................ 113

VII.

(1) Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die Deutschsoziale Partei ausgesprochenen Verbote.............

113

(2) Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verhängten Verbote......................................................................

114

d)Die Geltungsdauer der aufgrund des § 1 Abs. 2 VO III erlassenen Parteiverbote.........................................................................

115

5. Zusammenfassung...........................................................................

116

Parteiverbote aufgrund des Ersten Gesetzes zum Schutze der Republik........................................................................................................

117

1. Entstehungsgeschichte....................................................................

117

2. Regelungsinhalt der aus dem Ersten Republikschutzgesetz als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm...............................................................................................

122

a) Voraussetzungen..........................................................................

122

aa) Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 RepSchG I auf politische Parteien..................................................................................

122

bb) Verbotsgründe.......................................................................

124

(1) Erörterungen und Bestrebungen als Verbotsgründe........

124

(a) Die Bestimmungen gegen die "Mörderzentralen" (§§ 1,2,4-6,7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 RepSchG I)...............................................................

126

(b) Die "Organisationsdelikte" (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 und Nr.5 RepSchG I) einschließlich der Normen gegen den illegalen Waffenbesitz (§§ 7 Abs. 1 Nr. 6, 8 Nr. 3 RepSchG I)......................................................

127

14

Inhaltsverzeichnis (c) Die ,,Äußerungsdelikte" (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bis NT. 3, § 8 NT. 1 und Nr. 2 RepSchG 1)...............

129

(2) Monarchistische Bestrebungen als Verbotsgrund...........

132

b)Zuständigkeiten...........................................................................

133

aa) Sachliche Zuständigkeit........................................................

133

bb) Örtliche Zuständigkeit..........................................................

135

c) Sonstige formelle Erfordernisse..................................................

135

d)Rechtsfolgen...............................................................................

136

3. Rechtsschutzmöglichkeiten.............................................................

138

4. Die Anwendung des § 14 Abs. 2 RepSchG I in der Staatspraxis...................................................................................................

141

a) Der Streit zwischen Bayern und dem Reich über den Vollzug des Ersten Republikschutzgesetzes.............................................

141

b)Änderungen und Geltungsdauer des Ersten Republikschutzgesetzes...........................................................................................

143

c) Der Erlaß von Parteiverboten auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 RepSchG I und ihre Begründungen.............................................

145

aa) Das Verbot der Deutschsozialistischen Partei........................

145

bb) Verbote der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei......................................................................................

146

ce) Das Verbot der Deutschsozialen Partei.................................

151

dd) Verbote der Deutschvölkischen Freiheitspartei.....................

151

ee) Verbote von Ersatzorganisationen verbotener Parteien.........

153

d)Die auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 RepSchG I ausgesprochenen Parteiverbote als Gegenstände gerichtlicher Entscheidungen..........................................................................................

154

aa) Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des gegen die Deutschsozialistische Partei verhängten Verbots...................

154

bb) Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verhängten Verbote........................................................................................

155

ce) Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die Deutschvölkische Freiheitspartei verhängten Verbote...........

159

dd) Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des gegen die Deutschsoziale Partei verhängten Verbots.............................

161

e) Die Reaktion auf die Parteiverbote..............................................

162

f) Die Geltungsdauer der aufgrund des § 14 Abs. 2 RepSchG I

ausgesprochenen Parteiverbote....................................................

164

Inhaltsverzeichnis

15

aa) Geltungsdauer der gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verhängten Verbote.................................

164

bb) Geltungsdauer der gegen die Deutschvölkische Freiheitspartei verhängten Verbote...........................................................

165

5. Zusammenfassung..........................................................................

166

VIII. Parteiverbote aufgrund der Verordnungen vom 26. September 1923...

169

1. Geschichtlicher Hintergrund...........................................................

169

2. Regelungsinhalt der aus den Verordnungen vom 26. September 1923 als Rechtsgrundlagen für Parteiverbote in Betracht kommenden Normen......................................................................................

172

a) Die Verbotsnorm in der Bayerischen Verordnung.......................

172

b) Die Verbotsnorm in der Verordnung des Reichspräsidenten.......

172

3. Rechtsschutzmöglichkeiten..............................................................

172

4. Die Anwendung der Verordnungen vom 26. September 1923 in der Staatspraxis................................................................................

173

a) Das den Parteiverboten vorausgehende Geschehen ......................

173

b)Der Erlaß von Parteiverboten auf der Grundlage der Verordnungen vom 26. September 1923................................................

174

aa) Die aufgrund der Bayerischen Verordnung ausgesprochenen Parteiverbote..........................................................................

174

bb) Die aufgrund der Reichsverordnung ausgesprochenen Parteiverbote................................................................................... 174

IX.

X.

c) Geltungsdauer der Verordnungen und Verbote............................

175

5. Zusammenfassung............................................................................

178

Parteiverbote aufgrund der Verordnung vom 28. Februar 1924............

179

1. Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 28. Februar 1924 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm, Rechtsschutzmöglichkeiten und die Anwendung der Verordnung in der Staatspraxis..............................................................

179

2. Zusammenfassung............................................................................

180

Parteiverbote aufgrund des Zweiten Gesetzes zum Schutze der Republik.........................................................................................................

181

1. Geschichtlicher Hintergrund............................................................

181

2. Regelungsinhalt der aus dem Zweiten Republikschutzgesetz als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm...............................................................................................

182

a) Voraussetzungen.........................................................................

182

b)Zuständigkeit...............................................................................

184

16

Inhaltsverzeichnis aa) Die Begründung der Zuständigkeit nach dem Zweiten Republikschutzgesetz.................................................................... 184 (1) Verstöße gegen die Strafbestimmungen des Zweiten

Republikschutzgesetzes als Zuständigkeitsbegründung..

184

(a) Die "Gewaltdelikte" (§§ 1-3 RepSchG 11)...............

184

(b) Die "Organisationsdelikte" (§ 4 RepSchG 11)..........

185

(c) Die ,,Äußerungsdelikte" (§ 5 RepSchG 11)...............

186

(d) Die ,,Pressedelikte" (§ 14 RepSchG 11)....................

187

(e) Die Fortsetzung einer Partei (§ 11 RepSchG 11).......

188

(2) Verstöße gegen die Hochverratsbestimmungen als Zuständigkeitsbegründung.................................................... 188 bb)Sachliche und örtliche Zuständigkeiten................................... 189

XI.

c) Weitere formelle Erfordernisse.....................................................

191

d)RechtsfoIgen.................................................................................

191

3. Rechtsschutzmöglichkeiten..............................................................

191

4. Die Anwendung des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 in der Staatspraxis.....

192

5. Zusammenfassung............................................................................

192

Parteiverbote aufgrund der Verordnungen zum Schutze des inneren Friedens..................................................................................................

194

1. Die Krisenlage in der ,,Auflösungsphase" der Republik..................

194

2. Die "Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen" vom 28. März 1931 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote.............

195

a) Geschichtlicher Hintergrund........................................................

195

b)Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 28. März 1931 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm............................................................................................

195

c) Rechtsschutzmöglichkeiten..........................................................

196

d)Die Geltungsdauer des § 7 Satz 1 VO VI....................................

196

3. Partei verbote aufgrund der "Verordnung zur Erhaltung des inneren Friedens" vom 19. Dezember 1932.................................................. 197 a) Geschichtlicher Hintergrund........................................................

197

b)Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 19. Dezember 1932 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm...................................................................................... 198 c) Rechtsschutzmöglichkeiten..........................................................

198

4. Zusammenfassung............................................................................

199

Inhaltsverzeichnis

17

Fünftes Kapitel Abschließende Betrachtung

200

Quellenverzeichnis

205

Literaturverzeichnis

209

Anhang: Die Rechtsgrundlagen für Parteiverbote in der Weimarer Republik Personen- und Sachregister

2 Stein

218 221

Abkürzungsverzeichnis Die Zitierweise folgt grundsätzlich: Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin/ New York 1993. Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet: BA

Bundesarchiv

BAB

Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde

Bad.

Badisch(es)

BAD-H

Bundesarchiv, Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten

Bayer.

Bayerisch(es)

Bayer. VereinsG

Bayerisches Vereinsgesetz v. 28. Februar 1850 (Bayer. GYBI. 1849/1850, S. 53)

Braunschw.

B raunschweigisch(es)

BVereinsG

Bundesbeschluß über die Maßregeln zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ruhe und Ordnung im Deutschen Bunde, insbesondere das Vereinswesen betreffend v. 13. Juli 1854 (Protokolle der Bundesversammlung 1854,21. Sitzung, § 219)

BVP

Bayerische Volkspartei

DDP

Deutsche Demokratische Partei

DNVP

Deutschnationale Vokspartei

DsozP

Deutschsozialistische Partei

DSP

Deutschsoziale Partei

DVFP

Deutschvölkische Freiheitspartei

DVP

Deutsche Volkspartei

FRV

Verfassung des Deutschen Reichs vom 28. März 1849 (RGBI. 101 ff.)

GDFV

Gesetz zur Durchführung der Artikel 177, 178 des Friedensvertrags von Versailles. Vom 22. März 1921 (RGBI. S. 235 ff.)

Hamburg.

Hamburgisch(es)

KPD

Kommunistische Partei Deutschlands

MSPD

Mehrheits-Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Abkürzungsverzeichnis NSDAP

19

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

Preuß.

Preußisch(es)

PVereinsG

Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinsrechts v. 11. März 1850 (PrGS S. 277 ff.)

PVerfUrk

Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat v. 31. Januar 1850 (PrGS S. 17 ff.)

PVG

PolizeiverwaItungsgesetz i. d. Fassung v. 1.Juni 1931 (PrGS S. 77 ff.)

RepSchG I

(Erstes) Gesetz zum Schutze der Republik v" 21. Juli 1921 (RGBI. I S. 585 ff.)

RepSchG II

(Zweites) Gesetz zum Schutze der Republik v. 25. März 1930 (RGBI. I S. 91 ff.)

RepSchStGH

Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik

RS

Rückseite

RV

Verfassung des Deutschen Reichs v. 16. April 1871 (RGBI. S. 63 ff.)

RVereinsG

Vereinsgesetzv.19.AprilI908(RGBI.S.151 ff.)

RWG

Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes v. 31. Mai 1863 ( BGBI. des Norddeutschen Bundes 1869, S. 145 ff., übernommen durch § 2 des Gesetzes betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs v. 16. April 1871)

Sitz.

Sitzung

SozG

Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie v. 21.0ktober 1878 (RGBI S. 35 ff.)

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

StrGB

Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich v. 15. Mai 1871 (RGBI. S. 127 ff.)

USPD

Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Verh. Natvers.

Verhandlungen der verfassunggebenden Nationalversammlung

VO

Verordnung

VOI

Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikel 48 der Reichsverfassung vom 29. August 1921 (RGBI. S. 1239 f.)

va II

Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikel 48 der Reichsverfassung vom 28. September 1921 (RGBI. S. 1271 f.)

VO III

Verordnung zum Schutze der Republik vom 26. Juni 1922 (RGBI. I S. 521 f.)

Deutschen

20

Abkürzungsverzeichnis

VOIV

Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikel 48 Abs. 11 der Reichsverfassung vom 26. September 1923 (RGBI. I S. 905 f.)

VOV

Verordnung des Reichspräsidenten über die Aufhebung des militärischen Ausnahmezustandes und die Abwehr staatsfeindlicher Bestrebungen vom 28. Februar 1924 (RGBI. I S. 152 f.)

VOVI

Verordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 (RGBI. I S. 79 ff.)

VO VII

Verordnung des Reichspräsidenten zur Erhaltung des inneren Friedens vom 19. Dezember 1932 (RGBI. I S. 548 ff.)

VS

Vorderseite

WRV

Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (RGBI. S. 1383 ff.)

z

Zentrum

Erstes Kapitel

Einleitung

A. Die Bedeutung der Thematik ,,An der Wiege des Bonner Grundgesetzes" sah Eduard Dreher schon 1950 die "Gespenster von Weimar" stehen.! Daß das in Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes vorgesehene Parteiverbot 2 einer der Abwehrmechanismen ist, die die Bonner Demokratie vor dem Übermächtigwerden der bösen Geister der Vergangenheit bewahren helfen sollen, klingt an, wenn das Bundesverfassungsgericht diese Norm in seinem ,,KPD Verbotsurteil"3 als " .. Ausdruck des bewußten verfassungspolitischen Willens zur Lösung eines Grenzproblems der freiheitlichen demokratischen Staatsordnung, Niederschlag der Erfahrungen eines Verfassungsgebers, der in einer bestimmten historischen Situation das Prinzip der Neutralität des Staates gegenüber den politischen Parteien nicht mehr rein verwirklichen zu dürfen glaubte, Bekenntnis zu einer - in diesem Sinne ,streitbaren Demokratie' ... " bezeichnet.' Wegen der Zäsur, die die nationalsozialistische Diktatur für die deutsche Verfassungsgeschichte bedeutet, war mit der Vorgängerin, deren Lehren das Gericht in Art. 21 Abs. 2 GG umgesetzt sieht, die Weimarer Reichsverfassung gemeinCS Nun ist die historische Auslegung von Normen ein allgemein anerkannter Auslegungsgrundsatz,6 so daß die Argumentation mit dem Weimarer Rechtszustand an sich nicht überraschend ist. Das Bundesverfassungsgericht

!E. Dreher, NJW 1950, S.130. Die in Art. 21 Abs. 2 GG i. V. m. § 46 BVerfGG vorgesehene Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei, ihre Auflösung und das Verbot von Ersatzorganisationen ist materiell nichts anderes als ein ,,Parteiverbot" (BVerfGE 5, 85 [137]; W. Henke, in: BK GG, Bd. 4, Art. 21, Rn. 342 ff.;J. Ipsen, in: Sachs [Hrsg.], GG, Art. 21, Rn. 166; F. Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu [Hrsg.], BVerfGG, § 46, Anm. 1 ff.; vgI. auch die Normierung der "verbotenen Partei" in § 33 Abs. 1 PartG). 3BVerfGE 5, 85 ff. 'BVerfGE 5, 85 (139). S "Verfassung des Deutschen Reiches" v. 11. August 1919 (RGBI. S.1383 ff.), in Kraft getreten am 14. August 1919. 6 K. Laren" S. 328 ff. 2

22

Erstes Kapitel: Einleitung

zog die Weimarer Rechtslage jedoch nicht nur heran, um den Inhalt des Art. 21 Abs. 2 GG zu konkretisieren, sondern sprach sich vor dem geschichtlichen Hintergrund auch mit außergewöhnlichem Nachdruck für die Legitimität der Entscheidung des Bonner Verfassungsgebers aus, die Möglichkeit zu Parteiverboten im Grundgesetz zu verankern. 7 In der Tat belegen die Beratungen des Herrenchiemseer Verfassungskonvents, daß Art. 21 Abs. 2 GG aus den Erfahrungen mit der Weimarer Zeit und als Reaktion auf die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten konzipiert worden ist.8 Schon weil Art. 21 Abs. 2 GG nur aus der mahnenden Erinnerung an die Parteiverbote in der Weimarer Republik verständlich ist, ist also der rechtsgeschichtliche Rückblick geboten. Neben der rechtsdogmatischen Dimension hat eine Betrachtung der Parteiverbote in der Weimarer Republik gerade in letzter Zeit an rechtspolitischer Bedeutung gewonnen. So mehren sich in der angesichts der deutschen Wiedervereinigung entfachten Kontroverse um eine Verfassungsreform die Stimmen, die eine Öffnung des Grundgesetzes gegenüber Minderheitenpositionen und damit zugleich gegenüber Zielen von (extremistischen) Minderheitenparteien fordern.9 Die aktuelle Belebung der Diskussion sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die in Art. 21 Abs. 2 GG und in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes zum Ausdruck kommende Entscheidung für eine ,,streitbare Demokratie"l0 auch in der ,,alten" Bundesrepublik längst selbst zum Streitfall geworden war. Die zwei konträren Standpunkte, die sich in dieser rechtspolitischen Diskussion abzeichnen, argumentieren bemerkenswerterweise beide mit den Erfahrungen der Weimarer Zeit.

7 Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, die im Grundgesetz eröffnete Möglichkeit zu Parteiverboten sei vor dem geschichtlichen Hintergrund ,,nicht zu beanstanden" (BVerfGE 5, 85 [137, 139]) ist nichts anderes als die Bejahung ihrer legitimität im Sinne der ,,Richtigkeit des Rechts" (dazu: C. Gusy, Legitimität, S.64; S.95; R. Zippelius, § 1611). 8 So äußerte der Abgeordnete KiJtz in diesem Konvent: "Wir dürfen nicht vergessen, hinter uns liegen zwölf Jahre Diktatur, und die Gespenster derartiger Parteien spuken in gewissen Volksgruppen noch sehr lebendig herum. Wir haben damit zu rechnen, daß in Kürze verkappte Diktaturparteien der Kommunisten oder der Nationalsozialisten auftauchen werden; in gewissen Formen sind sie vielleicht schon da. Daher halte ich eine Bestimmung für notwendig, die ein sofortiges Einschreiten gegen solche Parteien zuläßt." (zitiert bei: A. Zirn, S. 6). Ausführlich: W. Henke, in: BK GG, Bd.4, Ein\. zu Art. 21. 9 M. Kloepfer, S. 148 f.; H. Meier, Parteiverbote, S. 363 ff. 10 BVerfGE 5,85 (139); w. Henke, in: BK GG, Bd. 4, Art. 21, Rn. 343; I. v. Münch, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 2, Art. 21, Rn. 86.

A. Die Bedeutung der Thematik

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Für diejenigen, die die Entscheidung des Parlamentarischen Rates für zwingend halten, ist der Weimarer Rechtszustand hinsichtlich der Parteiverbote lediglich ein Zeichen der allgemeinen Wertneutralität der Weimarer Verfassung, die die Demokratie schließlich wehrlos ihren Feinden ausgeliefert habe. Nur ein Bekenntnis zu den Werten einer freiheitlichen Parteiendemokratie und zugleich ein Vorsorgemechanismus gegen den Mißbrauch dieser Freiheit könne eine erneute extremistische Gewaltherrschaft verhindern.\l Vertreter der gegenteiligen Position erklären die auf Wertneutralität gegründete Wehrlosigkeit der Weimarer Verfassung zu einer Chimäre, mit der der einzige Zweck verfolgt werde, von den eigentlichen Ursachen für den Untergang der Weimarer Republik abzulenken. 12 Da somit das Scheitern der Weimarer Republik ohnehin anders begründet sei, sei jedenfalls nach dem Wegfall der äußeren Bedrohung mit dem Ende des ,,Kalten Krieges" der als Einschränkung der Demokratie und damit als ihr eigener Feind empfundene Art. 21 Abs. 2 GG überflüssig oder zumindest zu ändern. 13 In jeder gegenwärtigen und künftigen Auseinandersetzung um die im Grundgesetz vorgesehene Parteiverbotsmöglichkeit wird die Weimarer Vergangenheit also zwangsläufig eine wichtige Rolle spielen. 14 Fast fünfzig Jahre demokratische Stabilität mit einem Grundgesetz, das Art. 21 Abs. 2 enthält, sind es zu Recht, die die Fürsprecher der bestehenden Regelung anführen können. ls Allerdings sollte gleichzeitig nicht verkannt werden, daß eine Neuerung, wie sie Art. 21 Abs. 2 GG im Jahre 1949 bedeutete, sich zwar möglicherweise in einer der Lage in der Weimarer Republik ähnli-

\l Zur "Wertneutralität" schon: C. Schmitt, Legalität und Legitimität, S.50; R. Thoma, Über Wesen und Erscheinungsform, S.40. Für die "Wertneutralität" der Weimarer Verfassung benutzte H. Nawiasky während der 6. Sitzung des Unterausschusses I des Herrenchiemseer Konvents das oft wiederholte Wort von der ,,Demokratie als Selbstmord" (Prot. ParIR, Bd.2, S.229, Rn. 124). Ebenso: G. Jasper, S.8 ff.; T. Maunz, in: MaunzIDürig/Herzog/Scholz, GG, Bd.lI!l, Art. 18, Rn.5; Bd.1I!2, Art. 21, Rn. 101; H. Peters, in: FG für Z. Giacometti, S. 229 ff. 12 H. Meier, Parteiverbote, S. 319 ff.; skeptische I\.nklänge auch bei: K.-H. Seifert, Die politischen Parteien, S. 453. An anderer Stelle (DOV 1961, S. 81 f.) bezeichnet K.H. Seifert eine pointierte Wertneutralität als ,,Legende", sieht aber trotzdem Art. 21 Abs. 2 GG als Fortschritt an. Die Wertneutralität bezweifelnd auch: H. Maurer, AöR 96 (1971), S. 203 (207). 13 H. Meier, Parteiverbote, S. 363 ff.; ders., KJ 1987, S. 460 (473); c. v. Pestaloua, VVDStRL 44 (1986), S.122 f.; ders., Verfassungsprozeßrecht, § 4, Rn.l; H. Ridder, in: AK GG, Bd 1, Art. 21 Abs. 2, Rn. 1 ff. K. Hesse, Rn. 715 bezeichnet Parteiverbote als "überholt". D. Grimm, in: Benda/MaihoferNogel (Hrsg.), HdbdVerfR, Bd. 1, § 14, Rn. 38 hält Parteiverbote für "demokratieabträglich". 14 Zur Gefährlichkeit einer durch Tatsachenmaterial nicht erhärteten rechtspolitischen Diskussion: R. Schmid, S. 132 f. IS R. Scholz, in: FS für P. Lerche, S. 65 (70, 81).

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Erstes Kapitel: Einleitung

chen Konstellation bewähren mag. ,,Doch pflegen sich geschichtliche Situationen selten zu wiederholen, und die Gefahren, die einer Verfassung drohen, erwachsen meist aus einer ganz neuartigen Situation, mit der man nicht gerechnet hat."16 Wer sich weder die einseitige Orientierung an Gewesenem und die damit - vielleicht - verbundene Hilflosigkeit gegenüber kommenden Gefahren vorwerfen noch zulassen will, daß ein in der Vergangenheit erfolgreiches Konzept in blindem Aktionismus leichtfertig geopfert wird, muß sich demnach mit den Erfahrungen der Weimarer Zeit auseinandersetzen. Eine Beschäftigung mit den Parteiverboten in der Weimarer Republik ist daher mehr als rückwärts gewandte Reflexion. Sie kann nicht nur zum Verständnis der gegenwärtigen Rechtslage beitragen, sondern auch helfen, die Aufforderung, durch Abschaffung des Art. 21 Abs. 2 GG in der Zukunft ,,mehr Demokratie zu wagen",!' nicht zu einem für die Demokratie gefährlichen Wagnis werden zu lassen.

B. Der Gang der Untersuchung Eine rechtliche Würdigung18 der Parteiverbote in der Weimarer Republik hat die Erörterung der Rechtsgrundlagen für Parteiverbote und ihre Anwendung in der Staatspraxis in den Vordergrund zu stellen, was im vierten Kapitel dieser Arbeit in zeitlich chronologischer Reihenfolge, die vom Beginn des Inkrafttretens der jeweiligen Regelung gerechnet wird, geschieht. Die rechtlichen Voraussetzungen und Folgen eines Verbots und deren Konkretisierung durch Rechtsprechung und Lehre werden dabei für jede einzelne Norm im Zusammenhang erörtert, bevor auf die konkrete Anwendung im Einzelfall eingegangen wird. Um ein umfassendes Bild zu gewinnen, erschien es angezeigt, auch die als Rechtsgrundlage denkbaren Normen zu untersuchen, die tatsächlich nicht für den Ausspruch eines Verbots herangezogen wurden, denn schließlich war durch sie ja eine Verbotsmöglichkeit eröffnet. Angesichts der heutigen ,,Parteiverbotsnorm" Art. 21 Abs. 2 GG setzt die Darstellung der rechtlichen Grundlagen bei der Frage einen Schwerpunkt, ob W. Grewe, DRZ 1949, S. 313 (317). So H. Meier, Parteiverbote, S. 408, der damit Worte aus der Regierungserklärung Willy Brandts von 1969 aufgreift (Verh.BT, Sitz. v. 28.0ktober 1969, Bd.71, S. 20 C). 18 Zu der politischen Bedeutung von Parteiverboten: W. Schön, Grundlagen der Verbote politischer Parteien als politische Gestaltungsfaktoren in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik (1972). Einzelfragen der Umsetzung der Verbote behandelt auch: M. Grünthaler, Parteiverbote in der Weimarer Republik (1994). 16

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B. Der Gang der Untersuchung

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ein Angriff auf die in der Verfassung niedergelegten Grundlagen der Weimarer Republik ein Verbotsgrund war. Weil sowohl die Schaffung und Geltungsdauer von ,'parteiverbotsnormen" als auch der Erlaß und die Geltungsdauer von Parteiverboten in der Weimarer Republik eng mit dem politischen Geschehen zusammenhing, war es erforderlich, hierzu die geschichtlichen Bezüge herzustellen. Von besonderem Interesse für eine juristische Betrachtung der Parteiverbote in der Weimarer Republik sind ferner Rechtsschutz- und andere Kontrollmöglichkeiten, die verbotenen Parteien zur Verfügung standen, sowie die zu Parteiverboten ergangenen gerichtlichen Entscheidungen. Diese beiden Themen sind ebenfalls Gegenstand des vierten Kapitels. Unabhängig davon, auf welcher rechtlichen Grundlage ein Parteiverbot ergeht, und unabhängig davon, wie weitgehend die Folgen eines Verbots sind: immer bedeuten Parteiverbote eine Einschränkung der ohne staatliche Regelung bestehenden Parteienfreiheit. 19 Die rechtliche Zulässigkeit und die Folgewirkungen eines Parteiverbots im Staat und in der Gesellschaft werden also wesentlich davon geprägt, ob und in welcher Weise der Status der Parteien in einer Rechtsordnung bestimmt ist. Eine Auseinandersetzung mit den Parteiverboten in der Weimarer Republik kann sich demgemäß nicht darauf beschränken, Rechtsgrundlagen zu erörtern und die verhängten Verbote festzustellen. Sie muß vielmehr auch die Einordnung der politischen Parteien in die Gesamtkonzeption des Weimarer Staates thematisieren, was Inhalt des dritten Kapitels dieser Untersuchung ist. Politische Parteien sind keine ,,Erfindung" der Weimarer Republik gewesen, sondern waren bereits vorher eine bekannte Erscheinung. In tatsächlicher Hinsicht wird dies daran deutlich, daß das überkommene Parteiengefüge des Konstitutionalismus die Anfangsjahre der Weimarer Republik dominierte.20 Auch waren die Parteien zuvor schon Gegenstand rechtlicher Normierung gewesen. Somit steht die Ausgestaltung der Position der Parteien im staatlichen Gefüge der Weimarer Republik nicht isoliert in Raum und Zeit, sondern ist Ergebnis eines geschichtlichen Prozesses. Bedeutung und Tragweite der Parteiverbote in der Weimarer Republik können folglich nur erschlossen werden, wenn man sich die der Weimarer Zeit vorausgegangenen Kodifikationen im Bereich der Parteien - themenspezifisch 19 Zur Parteienfreiheit nach Art. 21 Abs. 1 GG: W. Henke, in: BK GG, Bd. 4, Art. 21, Rn. 342; J. lpsen, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 21, Rn. 146; H. Maurer, AöR 96 (1971), s. 203 (220 f.); K.-H.Seifert, Die politischen Parteien, S. 450; K. Stern, § 13 III 2 c. 20 Zu der Kontinuität in der deutschen Parteiengeschichte: L. Bergsträßerl w. Mommsen (1965), S. 197; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. V, S.958 ff., 1068 ff.; Bd. VI, S. 141; H. Kilack, S.91; G. A. Ritter, Kontinuität und Umformung, S. 116 ff.; W. Tormin, S. 127.

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Erstes Kapitel: Einleitung

unter dem Blickwinkel der wichtigsten Verbotsmöglichkeiten - zumindest abrißhaft vergegenwärtigt, was im zweiten Kapitel dieser Arbeit entlang der durch den Wechsel der deutschen Verfassungen vorgegebenen historischen Zäsuren erfolgt.

Zweites Kapitel

Parteiverbote in der historischen Perspektive A. Die Bestimmung des ,,ParteibegritTs" als Voraussetzung einer historischen Betrachtung - Die Anfänge des Parteiwesens Eine geschichtliche Betrachtung von Parteiverboten kann erst zu dem Zeitpunkt einsetzen, in dem es überhaupt Parteien gab, gegen die sich Verbote richten konnten. Für eine Festlegung des Beginns der Entwicklungsgeschichte ist also zu klären, welche Erscheinung mit dem Begriff der politischen Partei! umschrieben wird. Will man sich nicht dem Einwand aussetzen, der Vergangenheit eine modeme Sichtweise gleichsam "überzustülpen", so darf hier nicht auf die Merkmale abgestellt werden, die eine Partei nach heutigem staatsrechtlichen Verständnis prägen,2 der Parteibegriff ist vielmehr zeitunabhängig in einem tatsächlich-soziologischen Sinne zu bestimmen. Neben ihrer Bedeutung für die Entwicklungsgeschichte der Parteien leistet eine solche Konkretisierung auch eine wichtige Vorarbeit für die Beantwortung der Frage, welche Verbote, die gegenüber einer ganzen Reihe von Vereinigungen in der Weimarer Republik verhängt worden sind, als Parteiverbote den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden.3 Eine allgemein anerkannte Definition der tatsächlichen Erscheinung Partei existiert nicht, obwohl ihr Wesen und ihre Funktion in der Soziologie, Politik-, Rechts- und Geschichtswissenschaft thematisiert werden." Für eine eingehende ! Auf die andere denkbare Bedeutung ,'prozeß- oder Vertragspartei" kommt es hier nicht an. 2 Dazu: W. Henke, in: BK GG, Bd. 4, Art. 21, Rn. 15 ff. ; J./psen, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 21, Rn. 15 ff. ; K. Stern, § 13 III l. 3 Zu den Verboten von Vereinigungen in der Weimarer Republik allgemein: Verzeichnis des Reichsministers des [nnem über die verbotenen Vereine und Vereinigungen aufgrund der Mitteilungen der Landesregierungen auf das Schreiben vom 3. Juni 1924, BA B, R 1501/13251, BI. 90. Übersicht auch bei: G. Jasper, Anh. [[[ b, S. 316 ff. " Aus der Vielzahl der hierzu angestellten Überlegungen seien hier lediglichelWähnt: K. von Beyme, in: Brunner/ConzelKoselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, S. 677 ff. ; H. Fenske, JöR NF 22 (1973), S. 249 (252 f.); W. Grewe, in: FG für E. Kaufmann, S. 65 ff.

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Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen zum Parteibegriff ist die vorliegende Arbeit zwar nicht der richtige Ort.s Weil aber die Thematik ,,Parteiverbote" nicht anders eingegrenzt werden kann, muß wenigstens eine vereinfachende Typisierung der für eine Partei bestimmenden Kriterien erfolgen. Geht man von der lateinischen Wurzel des Wortes Partei "pars" aus, bedeutet dies zunächst nichts anderes als "Teil". Da ein Teil logisch ein Ganzes voraussetzt, aus dem er sich herauslöst, läßt sich Partei mit Teil einer Gesamtheit übersetzen. An diesen Wortsinn anknüpfend, ist es einigermaßen konsensfähig, politische Parteien als Gruppen von Menschen zu begreifen, die nicht auf Angehörige eines Standes oder Berufes beschränkt sind und die im Wettbewerb untereinander stehend Einfluß auf die politische Willensbildung erlangen wollen.6 Durch die Herausstellung dieser Merkmale wird eine Abgrenzung des soziologischen Phänomens der Partei gegenüber Gruppenbildungen möglich, die zu anderen Zielen erfolgen.' Sehr umstritten ist, ob die Organisation, also etwa eine feste Hierarchie, ein Parteiname und eine Parteisatzung, ein notwendiges Kriterium des Parteibegriffes ist. Wenn man den Begriff der Partei auf organisierte Gruppen beschränkt,8 kommt man wohl kaum umhin, den tatsächlichen Beginn des Parteiwesens im Jahrzehnt vor der Revolution von 1848 festzustellen. 9 Der liberalen Staatslehre

S Allein das die ,,Partei" mitbestimmende Merkmal der Politik führt in einen wahren ,,Irrgarten" (so: W. Grewe, in: FG für E. Kaufmann, S. 65 [69]) der Begriffsbestimmungen. Vgl. ferner: R. Robert, S. 15 ff. 6 L. BergsträßerlW. Mommsen (1965), S. 13; H. Fenske, JöR NF 22 (1973), S. 249 (250); W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 18 ff.; F. A. von der Heydte, in: von der Heydte/Sacherl, S. 3 ff.; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 11, S. 320 f.; P. Lösche, S. 11; S. Neumann, S.15; G. A. Ritter, Politische Parteien in Deutschland, S. 102; K. Stern, § 13 III 2; W. Tormin, S. 11 f. 7 So z. B. zu Hofcliquen oder Familienverbindungen über das Merkmal der prinzipiellen Offenheit der Parteien für Angehörige aller Stände (dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 11, S. 320; G. A. Ritter, Politische Parteien in Deutschland, S. 102) oder über das Merkmal der politischen Zielsetzung zu Verbänden wie Gewerkschaften (dazu: W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 19; F. A. von der Heydte, in: von der Heydte/Sacherl, S. 5). 8 L. BergsträßerlW. Mommsen (1965), S.14; w. Boldt, S.5; P. Lösche, S.13; S. Neumann, S. 15; W. Tormin, S. 12;A. Zirn, S. 4. 9 Anders z. T. die Vertreter eines an die Organisation gebundenen Parteibegriffs, für die die Parteiengeschichte erst im Revolutionsjahr 1848/49 (so: L. BergsträßerlW. Mommsen (1965), S. 17; w. Boldt, S.5; P. Lösche, S.24 ff.; W. Tormin) oder sogar erst im Umfeld der Reichsgründung 1871 (so: R. Hofmann, Geschichte der deutschen Parteien, S. 13) beginnt. Allerdings räumen auch die meisten Befürworter einer späteren zeitlichen Einordnung den Gruppenbildungen des Vormärzes als "parteiähnliche Zusammenschlüsse" oder "Vorstufen politischer Parteien" in ihren Werken breiten Raum ein (z. B.: L. BergsträßerlW. Mommsen über 44 Seiten), so daß die zeitli-

A. Die Bestimmung des ,,Parteibegriffs" - Anfänge des Parteiwesens

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galt die Freiheit, - insbesondere zu politischen Zwecken - Vereinigungen zu bilden, als unabdingbares Attribut eines freien parlamentarischen Staates,1O sie gehörte zu ihren vorrangigen Märzforderungen.ll Im Vormärz war auch in weiten Teilen der Bevölkerung das Interesse an politischen Themen sprunghaft angestiegen, das Streben der Menschen auf Konstitutionalisierung und Demokratisierung gerichtet, was sich in einer Vielzahl von Neugründungen "politischer Vereine" manifestierteY Zur Zeit des Vormärzes wurde unter einem politischen Verein als Sonderfall des Oberbegriffs Verein ein organisierter, freiwilliger Zusammenschluß gleichgesinnter Menschen zur Verwirklichung politischer Ziele verstanden. 13 Für diesen Zusammenschluß war der Ausdruck Partei zwar kaum gebräuchlich,!4 in der Form politischer Vereine sind aber im Vormärz zumindest rudimentäre Ansätze einer Parteiorganisation feststellbar, die auch Befürworter eines an die Organisation gebundenen Parteibegriffs nicht vernachlässigen können, ohne ein modemes Verständnis von organisatorischen Strukturen in eine vergangene Epoche zurückzuverlagern. 15 Vertreter des gegenteiligen Standpunktes, die auf die Organisation als Begriffsmerkmal der Partei verzichten wollen,16 verlangen, daß Parteien von vorausgegangenen geistigen Strömungen unterschieden werden, denen der Wille

che Einschätzung in Wahrheit nicht so weit von der hier vertretenen Konzeption entfernt ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. 10 Vgl. F. Müller, S. 220 ff.; C. v. Rotteck, in: v. Roueck/Welcker, Staatslexikon, Art. Konstitution. 11 So z. B. im "Offenburger Programm" vom 12. September 1847 und im ,,Heppenheimer Manifest" vom 10. Oktober 1847 (abgedruckt bei: M. Botzenhart, S. 84, 324). Allerdings fehlte noch der Gedanke, der Assoziation selbst könne Schutz zuteil werden; Vereinigungsfreiheit wurde vielmehr allein als Grundrecht des Einzelnen verstanden. 12 H. Fenske, Parteiengeschichte, S. 40; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 11, S. 128 ff.; G. A. Ritter, Politische Parteien in Deutschland, S. 102. 13 C. Welcker, in: v. Roueck/Welcker, Staatslexikon, Art. Assoziation. 14 Der Begriff Partei bezeichnete hier die politische Gesamtrichtung: K. von Beyme, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.4, S.716; W. Boldt, S.46; T. Nipperdey, Organisation der Parteien, S.9 ff. An repräsentativer Stelle bezeichnete Partei erstmals auch die Organisation bei der Gründung der Deutschen Fortschrittspartei 1861 (vgl. H. Fenske, Parteiengeschichte, S. 15). 15 Auf diese Inkonsequenz des an die Organisation gebundenen Parteibegriffs weist hin: G. A. Ritter, Die deutschen Parteien, S. 11. 16 H. Fenske, Parteiengeschichte, S. 17; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 11, S.322; H. Kaack, S. 21; F. Müller, S.307; T. Nipperdey, Organisation der Parteien, S. 9 ff.; G. A. Ritter, Politische Parteien in Deutschland, S. 102; ausführlich: F. Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland (1951). In Wahrheit verzichtete diese Auffassung deshalb auch nicht auf organisatorische Strukturen als Begriffsmerkmal, da in ihnen der Wille, politische Verantwortung zu übernehmen, widergespiegelt gesehen wurde.

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Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

gefehlt habe, konkrete politische Aufgaben wahrzunehmenY Als zeitlicher Wendepunkt, in dem dieser Wille deutlich hervorgetreten sei, wird ebenfalls der Vormärz ausgemachL I8 Folglich liegt nach beiden Ansätzen der Beginn des Parteiwesens in den Jahren zwischen dem Ende der dreißiger und dem Anfang der vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, so daß eine geschichtliche Betrachtung von Parteiverboten in dieser Periode einsetzen kann.

B. Vorläufer von Parteiverbotsregelungen Sieht man die Anfänge des deutschen Parteiwesens im Vormärz begriindet, ist allerdings zu beriicksichtigen, daß der Zusammen schluß zu Parteien nur eine mögliche Form der Wahrnehmung von Vereinigungsfreiheit isLI9 Repressionen gegen Menschen, die sich zur Diskussion über politische Themen zusammengefunden hatten, ohne daß sie bereits als Partei zu bezeichnen wären/v erfolgten bereits vor der Mitte der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts. Da sie gleichsam die Vorläufer von Parteiverbotsregelungen und mit ein Grund dafür waren, daß sich das Parteiwesen in Deutschland gegenüber anderen europäischen Ländern verspätet herausgebildet hat,21 sind auch diese Maßnahmen im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung. Der absolute Staat, in dem die Entscheidungen allein durch den Monarchen ohne Bindung an Gesetz und Recht getroffen wurden, mußte seiner Idee nach jeder politischen Gruppenbildung ablehnend gegenüberstehen, weil sie eine Gefahr für seine Willenseinheit bedeutete. 22 Aber auch, als sich die Ideen der Aufklärung durchzusetzen begannen, dominierte in den deutschen Ländern die Auffassung, die eine selbständige Rechtsstellung von Vereinigungen ablehnte, sie vielmehr in staatlicher Abhängigkeit, gemeinwohlorientiert, als dienend betrachtete. 23 Beispielhaft für diese Sichtweise steht das Preußische Allgemeine 17 H. Fenske, Wahlrecht, S. 36; ders., Parteiengeschichte, S. 19 ff.; G. A. Ritter, Politische Parteien in Deutschland, S. 102. 18 So: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd.lI, S. 318 f.: " ...war das deutsche Parteiwesen Produkt des Vormärz und ... nicht erst Ergebnis der Märzrevolution." 19 Zum Ganzen: F. Müller, Korporation und Assoziation (1965); T. Schmidt, Die Freiheit verfassungswidriger Parteien und Vereinigungen (1983). 20 Gerade diese Zusammenschlüsse werden als geistige Strömungen gekennzeichnet (vgl. oben A.). 21 Vgl. dazu F. Wende, (Hrsg.), Lexikon zur Geschichte der Parteien in Europa. 22 O. Kimminich, S. 242 f.; R. Zippelius, § 21 I. 23 T. Schmidt, S. 25. Dabei sollte nicht übersehen werden, daß gerade den naturrechtlichen Vorstellungen vorn Gesellschaftsvertrag die Zuordnung originärer Rechte zu Assoziationen entsprang (F. Müller, S. 42 ff.).

B. Vorläufer von Parteiverbotsregelungen

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Landrecht,24 das zwar "Gesellschaften" erlaubte, sie aber unter einen Gemein-

wohlvorbehalt stellte (§ 2 11 6 ALR). Ferner wurde den Regierungen die Befugnis eingeräumt, nach dem Opportunitätsprinzip Gesellschaften zu verbieten, " ...sobald sich befindet, daß dieselben anderen gemeinnützigen Absichten oder Anstalten hinderlich oder nachtheilig" waren (§ 4 11 6 ALR). Neben dieser Möglichkeit Gesellschaften durch Verwaltungsverfügung zu verbieten, waren solche Zusammenschlüsse gesetzlich verboten, deren Zweck der gemeinen Ruhe, Sicherheit und Ordnung zuwiderlief (§ 311 6 ALR). Von Gesetzes wegen waren auch die ,,geheimen Gesellschaften" verboten (§§ 184, 185 11 20 ALR). Als Reaktion auf die Ereignisse der Französischen Revolution25 wurde die politische Zielsetzung von Vereinen durch das vom 20. Oktober 1798 stammende preußische Vereins-Edikt ("Edikt wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachtheilig werden könnten")26 ausdrücklich zum Anknüpfungspunkt für ein generelles Verbot gewählt. In § 2 Ziff. 1 dieses Edikts wurden Gesellschaften und Vereine für unzulässig und verboten erklärt, ". ..deren Zweck, Haupt- oder Nebengeschäft darin besteht, über gewünschte oder zu bewirkende Veränderungen in der Verfassung oder in der Verwaltung des Staates, oder über die Mittel, wie solche Veränderungen bewirkt werden könnten, oder aber über die zu diesem Zweck zu ergreifenden Maaßregeln, Berathschlagungen, in welcher Absicht es sey, anzustellen." In das Bild der nach dem Wiener Kongreß einsetzenden Restaurationszeit fügte sich eine königliche Kabinettsordre ("Verordnung wegen der angeblich geheimen Gesellschaften") vom 6. Januar 1816,27 die das Verdikt von 1798 für das preußische Staatsgebiet bestätigte und seine Geltung auf die neu hinzugewonnenen Gebiete ausdehnte. Aber nicht allein in Preußen, sondern sogar in den als vergleichsweise fortschrittlich geltenden mittel- und süddeutschen Staaten wurde versucht, die politische Gruppenbildung zu verhindern bzw. zu erschweren. So wurde nicht nur der Begriff der politischen Vereinigung in den landständischen Verfassungen unerwähnt gelassen,28 sondern die Regierungen versuchten auch, Zusammen24 Abgedruckt in: H. Hattenhauer (Hrsg.), Allgemeines Landrecht für die Preussisehen Staaten von 1794. 25 Zu den Hintergründen und den repressiven Maßnahmen allgemein: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 110 ff.; F. Valjavec, S. 24 ff. 26 Als Anlage neu publiziert in: PrGS 1816, S. 55. 27 PrGS S. 55. Bemerkenswert ist, daß in dieser Verordnung der ,,Partheigeist" i. V. m. einem Streit über die Existenz geheimer Verbindungen erwähnt wird, was das Aufkommen neuer Begrifflichkeiten anzeigt. 28 Abgedruckt bei: E. R. Huber (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, S. 155 - 263. Zu erwähnen ist allerdings das "Grundgesetz für die vereinigte landschaftliche Verfassung des Herzogtums Sachsen-Meiningen" vom 23. August 1829 (auszugsweise bei: F. Müller,

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Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

schlüsse von Abgeordneten in den Parlamenten und ihren Kontakt zu den Wählern zu erschweren, indem zum Beispiel die Geschäftsordnungen regierungsopportun ausgestaltet, die Öffentlichkeit beschränkt oder schikanöse Maßnahmen ergriffen wurden.29 Letztlich wurden diese Vertretungskörperschaften jedoch hier für unentbehrlich oder wenigstens unvermeidbar gehalten,30 was schließlich unausweichlich Fraktions- und Parteibildungen nach sich ziehen mußte.31 Beeinträchtigt wurde die Herausbildung des Partei wesens noch einmal durch das als Reaktion auf die sich nach 1830 verstärkende nationale und demokratische Stimmung erlassene32 sogenannte Maßregeln-Gesetz (Zweiter Bundesbeschluß "über die Maßregeln zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ruhe und Ordnung im Deutschen Bunde") vom 5. Juli 1832,33 in dessen Art. 2 es hieß: ,,Alle Vereine, welche politische Zwecke haben, oder unter anderm Namen zu politischen Zwecken benutzt werden, sind in sämmtlichen Bundesstaaten zu verbieten und ist gegen deren Urheber und die Theilnehmer an denselben mit angemessener Strafe vorzuschreiten. "

Die Herausbildung eines legalen organisierten Parteiwesens konnte durch diesen Beschluß und die ihn begleitenden Maßnahmen34 zwar noch einmal empfindlich gestört werden. Das Prinzip der politischen Partei war jedoch wie Ernst Rudolf Huber überzeugend feststellte, ein "Grundbedürfnis des Vormärzes",3s als sich das Bürgertum erfolgreich gegen die aItständische Gesellschaft auflehnte. Somit ließ sich die Verfestigung des Parteiwesens noch verzögern, aber nicht mehr verhindern. Die eher vorsichtige Handhabung des Verbots von 1832 in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts durch die meisten deutschen S. 252 f.), in dem § 28 bestimmte, daß es " ...den Unterthanen nicht verwehrt (ist) zu Zwecken, welche an sich nicht gesetzwidrig sind, Gesellschaften zu stiften ... " Immerhin wird damit die Vereinigungsfreiheit gesetzlich fixiert, sie erscheint aber als Geschenk, als bloßes Dulden von Seiten der Obrigkeit. Keine Ausnahme bildet auch die Verfassungsurkunde für das Kurfürstentum Hessen vom 5. Januar 1831 (abgedruckt bei: E. R. Huber (Hrsg.), Dokumente, Bd. I, Nr.58, S. 238 ff.). In Art. 154 dieser Verfassung bezeichnete der Begriff Partei die Regierung und die Stände, die ein ,,Komprorniß - Gericht" zu wählen hatten, aber nicht politische Parteien. 29 L. Bergsträßer/W. Mommsen (1965), S. 49 f.; G. Ziebura, in: FG für E. Fraenkel, S. 185 (188). 30 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 11, S. 319. 31 L. Bergsträßer (1955) stellte auf S. 14 überzeugend fest: " ...die Geschichte der politischen Parteien fällt mit der Geschichte des Parlamentarismus zusammen." 32 Zu den Hintergründen: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd.II, S. 151 ff.; O. Kimminich, S. 340. 33 Protokolle der Bundesversammlung 1832, 24. Sitzung, § 231, abgedruckt bei: E. R. Huber (Hrsg.), Dokumente, Bd. I, NT. 45, S. 134 f. 34 Z. B. die "Sechs Artikel" vom 28. Juni 1832 (abgedruckt bei: E. R.,Huber (Hrsg.), Dokumente, Bd. I, NT. 44, S. 132 ff.). 3S E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 11, S. 322.

c. Das Revolutionsjahr 1848/49

33

Regierungen 36 trug dazu bei, daß bereits vor der Revolution von 1848 die Anfänge eines fünfgliedrigen Parteigefüges ausgemacht werden können.37

C. Das Revolutionsjahr 1848/49 Als die bis dahin so repressionsfreudige Bundesversammlung vor dem Druck der Märzunruhen zurückgewichen war und am 2. April die Ausnahmegesetze - unter ihnen das Maßregeln-Gesetz von 1832 - aufgehoben hatte/8 war die legale Herausbildung organisierter Parteistrukturen möglich geworden.39 Die Frankfurter Reichsverfassung ("Verfassung des Deutschen Reichs'') vom 28. März 184940 enthielt keine Aussage über den Status der Parteien. § 162 FRV garantierte41 den Deutschen jedoch wie zuvor schon § 32 des "Gesetzes betreffend die Grundrechte des Deutschen Volkes" vom 27. Dezember 184842 das Recht der freien Vereinsbildung, das durch keine vorbeugende Maßregel beschränkt werden sollte. Eine nähere Bestimmung über das von den geschützten Vereinen zu verfolgende Ziel traf § 162 FRV nicht, womit diese Regelung auch auf politische Vereine (Parteien) anwendbar war.

H. Fenske, Parteiengeschichte, S. 39 f. Die Auffächerung in die fünf Richtungen des Konservatismus, gemäßigten Liberalismus, Radikalismus bzw.linken Liberalismus, Sozialismus und politischen Kiltholizismus (so: H. Fenske, Parteiengeschichte, s. 38 ff.; ders., Wahlrecht, S.47; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd.lI, S. 324 ff.) ist nicht unumstritten. Diejenigen, die eine geringere Anzahl von Parteien favorisieren (so: L. Bergsträßer/ w. Mommsen (1965), S. 33 ff.; W. Tormin, S. 12), kommen aber zu dem gleichen Ergebnis, wenn man die von ihnen vertretenen Strömungen innerhalb einer Partei als selbständige politische Richtung berücksichtigt. 38 Protokolle der Bundesversammlung 1848, 27. Sitzung, § 214, abgedruckt bei: E. R. Huber (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, NT. 78, S. 330. 39 Im Umfeld der Märzrevolution sind dann auch etliche Gründungen politischer Vereine zu verzeichnen. Aus der Gesamtentwicklung seien hier nur erwähnt: Die am 26. März 1848 gegründeten "Württembergischen Vaterlandsvereine" (Datum nach: T. Schmidt, S.26) und der am 23. November 1848 gegründete "Zentralmärzverein" (Datum nach: W. Boldt, S. 39). 40 RGBI. S. 101 ff., abgedruckt bei: E. R. Huber (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, Nr. 108, S. 375 ff. 41 § 162 war "reichsgesetzkräftig" (dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd.lI, S.781). 42 RGBI. v. 28. Dezember 1848, S.49, abgedruckt bei: E. R. Huber (Hrsg.), Dokumente, Bd. 1, NT. 108, S. 375 ff. 36 37

3 Stein

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Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

Gewährleistet war demnach das Individualrecht, Parteien zu bilden, worunter trotz des Wortlautes ("bilden") neben der Gründung einer Partei auch die gesetzmäßige Betätigung in einer Partei verstanden wurde.43

D. Zwischen Revolution und Reichsgründung Mit dem Scheitern des Reichgründungsversuchs von 1848/4944 verloren die Parteien die Garantie, die ihnen § 162 FRV auf dem Umweg über den Individualschutz geboten hatte. Trotzdem begannen einige Länder, in ihren Verfassungen allgemein die Vereinigungsfreiheit zu garantieren. So hieß es z. B. in Art. 30 Abs. 1 der revidierten Preußischen Verfassung ("Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat") vom 31. Januar 1850:45 ,,Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen."

In anderen deutschen Ländern wurde eine solche Garantie in den Vereinsgesetzen verankert.46 Ähnlich waren sich diese Bestimmungen darin, daß das individuelle Recht auf Bildung einer Vereinigung und keine Rechte für die Vereinigung selbst gewährleistet wurden. Den Garantien standen auf der anderen Seite vielfältige Einschränkungsmöglichkeiten gegenüber. Dabei fanden sich von den bei den grundsätzlich denkbaren Möglichkeiten, nämlich festzulegen, unter welchen Bedingungen die Vereinsbildung zugelassen war oder die prinzipiell gewährleistete Vereinigungsfreiheit einem Gesetzesvorbehalt zu unterstellen, beide in den landes-

43 So die amtliche Stellungnahme R. Mohls, Sitz. v. 15. Februar 1849, Wigard, Steno Ber., Bd. VII, S.5206. Unumstritten war, daß diese Freiheit durch Strafgesetze beschränkt wurde, denn ein Antrag auf unbeschränkte Geltung wurde von der Nationalversammlung abgelehnt (Sitz. V. 16. Dezember 1848, Wigard, Steno Ber., Bd. VI, S. 4178). Auch gestatteten die §§ 54, 55 FRV der Reichsgewalt zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unbeschadet des Rechts auf Vereinsfreiheit gesetzliche Regelungen zu erlassen (E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd.lI, S. 782). Eingehend zum Ganzen:J.-D. Kiihne, S. 405 ff. 44 Rechtlich vollendet wurde diese Entwicklung durch die Aufhebung der Grundrechte in einem Bundesbeschluß vom 23. August 1851 (Protokolle der Bundesversammlung 1851,20. Sitzung, § 121, abgedruckt bei: E. R. Huber [Hrsg.J, Dokumente, Bd. 2, Nr. 2, S. 2). 45 PrGS S. 17 ff. 46 Vgl. z. B. Art. 11 des Bayerischen Vereinsgesetzes v. 28. Februar 1850 (Bayer. GVBI. 1849/50, S. 53), der das Recht gewährleistete, "Vereine ohne vorgängige Erlaubnis zu bilden". Eine Übersicht der vereinsrechtlichen Regelungen findet sich bei: G. Meyer/G. Anschütz, § 230, FN 9.

D. Zwischen Revolution und Reichsgriindung

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rechtlichen Regelungen.47 Groß war vor allem die Skepsis gegenüber politischen Vereinen, also nach heutiger Terminologie gegenüber den politischen Parteien. So sah Art. 30 PVerfUrk, neben dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt für die Ordnung des Vereins- und Versammlungswesens in Abs. 2, ausdrücklich in Abs.3 die Möglichkeit vor, politische Vereine Beschränkungen und vorübergehenden Verboten im Wege der Gesetzgebung zu unterwerfen. Aufgrund dieser Ermächtigung erging das Preußische Versammlungs- und Vereinsgesetz ("Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinsrechts") vom 11. März 1850.48 Alle Vereine, die sich mit öffentlichen Angelegenheiten befaßten, mußten nach § 2 dieses Gesetzes ihr Statut und ihr Mitgliederverzeichnis bei der Ortspolizei einreichen. Einer Genehmigung bedurften die "Vereine" bei Erfüllung dieser Verpflichtung nicht, so daß der Grundsatz der freien Parteibilpung galt.49 Neben dem Verbot, bestimmte Personengruppen aufzunehmen, wurde es politischen Vereinen (Parteien) verwehrt, sich mit anderen Vereinen gleicher Art zu gemeinsamen Zwecken zu verbinden ( § 8 Abs. 1 PVereinsG), was die Möglichkeiten der Parteien, überörtliche Organisationen zu bilden, beschränkte.50 Gemäß § 8 Abs. 2 PVereinsG konnte die Polizei bei Zuwiderhandlungen die vorübergehende Schließung des Vereins verfügen; die endgültige Entscheidung über die Schließung war den Gerichten vorbehalten (§ 16 PVereinsG). Damit stand im preußischen Vereinsrecht gerade hinsichtlich politischer Parteien nicht die Zusicherung einer Freiheit, sondern die Schaffung polizeilicher Eingriffsbefugnisse im Vordergrund. Allerdings waren von den Beschränkungen des § 8 PVereinsG Wahlvereine, also Vereine, deren Zweck die Vorbereitung einer Wahl war/I gemäß § 21 Abs. 2 PVereinsG ausgenommen, was für einen Teil der Tätigkeit der Parteien einen besonderen Schutz vermittelte. Ähnlich schützend wirkte auch § 21 Abs. 1 PVereinsG, der vorsah, daß die Arbeit der gewählten Volksvertreter in den Kammern durch vereinsrechtliche Sanktionen nicht angetastet werden durfte. 47 Eine Begrenzung auf solche Vereine, die strafgesetzmäßige Zwecke verfolgten, sah z. B. § 20 des Vereins- und Versammlungsgesetzes des Königreichs Sachsen v. 22. November 1850 (Sächs. GVBI. S. 264) vor. Preußen schrieb dagegen in Art. 30 Abs. 2 PVerfUrk einen Gesetzesvorbehalt fest. 48 PrGS S. 277 ff. 49 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 109. 50 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 7 ff. Dieses Affiliationsverbot sowie die ihm in anderen Ländern entsprechenden Vorschriften wurde erst durch ein Gesetz des Reiches v. 11. Dezember 1899 (RGBI. S. 699) - das sog. ,)ex Hohenlohe" - aufgehoben. 51 So später: L. v. Rönne/P. Zorn, S. 288.

36

Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

Trotz aller Ähnlichkeiten wichen die vereinsrechtlichen Regelungen in den einzelnen Ländern erheblich voneinander ab.52 Um hier einen einheitlichen Rahmen zu schaffen, erließ die Bundesversammlung den Bundesbeschluß "über die Maßregeln zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ruhe und Ordnung im Deutschen Bunde, insbesondere das Vereinswesen betreffend" vom 13. Juli 1854/3 der deutlich die Züge seines preußischen Vorbildes trug. Nach Bundesrecht durften Vereine gemäß § 1 BVereinsG nur bestehen, wenn sie sich darüber genügend auszuweisen vermochten, daß ihre Zwecke mit der Bundesund Landesgesetzgebung im Einklang standen, und daß sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdeten. Wie sehr vor allem der Gruppenbildung zu politischen Zwecken weiterhin mit Mißtrauen begegnet wurde, belegen die für sie geschaffenen Sonderregelungen, die auf Parteien anwendbar waren.54 Sofern politische Vereine (Parteien) nicht schon landesrechtlich verboten waren oder einer Genehmigung bedurften, mußten sich die Landesregierungen nach § 3 BVereinsG die Befugnis zu besonderen vorübergehenden Beschränkungen oder Verboten sichern. Wie die preußische Regelung untersagte § 4 BVereinsG neben der Aufnahme bestimmter Personengruppen den Zusammen schluß mit anderen Vereinen. § 8 BVereinsG verpflichtete die Landesregierungen ferner zur Auflösung von ,,Arbeitervereinen und Verbrüderungen, welche politische, sozialistische oder kommunistische Zwecke verfolgen". Die Gesetzgebung im Deutschen Bund und in den Ländern mag sich mit ihren zahlreichen Überwachungs- und Beschränkungsmöglichkeiten nicht gerade positiv auf politische Zusammenschlüsse ausgewirkt haben. Darin, daß sich die rechtliche Ordnung des Parteiwesens auf die Festschreibung von Restriktionen beschränkte, spiegelt sich im Gegenteil die Skepsis des Obrigkeitsstaates gegenüber jeder Forderung nach politischer Mitbestimmung wider. Die staatlichen Maßnahmen wiesen dabei keine spezifisch verfassungsschützende Wirkung auf, sondern hatten die Erfüllung von Generalklauseln zur Voraussetzung. Erreicht werden sollte mit ihnen die Aufrechterhaltung der Staatsautorität. Immerhin wurde aber das Recht auf Vereinsbildung in den landesrechtlichen Vorschriften grundsätzlich bestätigt und ein Mindestmaß an rechtsstaatlicher Verfahrensweise (z. B. durch den Gesetzesvorbehalt und die Zuständigkeit der Gerichte für ein endgültiges Verbot) sichergestellt. Besonders bedeutsam waren Ausnahmeregelungen wie zum Beispiel die für Wahlvereine in § 21 Abs. 2 52 Z. B. richtete sich Art. 17 Bayer. VereinsG nur gegen die gemeinsame Organisation zu Zentralvereinen im Gegensatz zum umfassenden Affiliationsverbot in § 8 Ziff. b PVereinsG. 53 Protokolle der Bundesversammlung 1854, 21. Sitzung, § 219, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 2, Nr. 4, S. 7 ff. 54 H. Fenske, Parteiengeschichte, S. 81; W. Tormin, S. 46.

E. Parteiverbote im Kaiserreich

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PVereinsG oder die für die Tätigkeit der Abgeordneten in den Parlamenten in § 21 Abs. 1 PVereinsG, die wegen des engen Zusammenhangs mit der Tätigkeit politischer Parteien zu Rechtsgrundlagen für das Wirken der Parteien wurden.55 Demnach war die Rechtslage für die Parteien jedenfalls günstiger als vor 1848, als die politische Organisation überhaupt unzulässig war. Es ist deshalb nur folgerichtig gewesen, daß in diese Phase der deutschen Verfassungsgeschichte die ersten formellen Parteigründungen fielen. 56

E. Partei verbote im Kaiserreich I. Der öffentlich-rechtliche Status der politischen Parteien Die" Verfassung des Deutschen Reichs" vom 16. April 1871 57 erwähnte die politischen Parteien nicht ausdrücklich und garantierte auch keine individuelle Vereinigungsfreiheit, wie ja diese Verfassung überhaupt keine Grundrechte enthielt. Art. 4 Ziff. 16 RV begründete für das Reich lediglich eine Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Vereinswesens, von der bis 1908 kein Gebrauch gemacht wurde. Fraglich ist aber, ob die politischen Parteien in der staatlichen Ordnung tatsächlich ignoriert wurden, wie es dieser Blick auf die Verfassungsurkunde vermuten läßt. Zwar werden nur die Normen dem (formellen) Verfassungsrecht zugeordnet, die in der Verfassung selbst niedergelegt sind. Von ähnlich wesentlicher Bedeutung für einen Staat wie die Verfassung selbst sind aber die sonstigen Rechtssätze des Staatsrechts, die die Kreation, Organisation und Zuständigkeit der obersten Staatsorgane sowie die grundsätzliche Stellung des Bürgers zur Staatsgewalt bestimmen.s8 Insbesondere die Normen, die Einzelheiten zur Wahl der Volksvertretung enthalten, sind von solch fundamentalen Charakter.59 Das Wahlgesetz des Norddeutschen Bundes ("Wahlgesetz für den Reichstag des E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, ßd. III, S. 110. So etwa: 6. Juni 1861: Deutsche Fortschrittspartei (F. Wende, in: Wende [Hrsg.], S.88); 23. Mai 1863: Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (F. Wende, in: Wende [Hrsg.], S. 121); 20. Juli 1866: Freie Konservative Vereinigung (F. Wende, in: Wende [Hrsg.], S. 120); 13. Dezember 1870: Zentrum (F. Wende, in: Wende [Hrsg.], S. 133). 57 RGßI. S. 63 ff. 58 Näheres bei: R. Herzog, Staatslehre, S. 308 f.; J.lpsen, StaatsR I, Rn. 16; G. Jellinek, Staatslehre, S. 505; K. Stern, § 1 II 1. 59 K. Stern, § 4 I 4. 55

56

38

Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

Norddeutschen Bundes") vom 31. Mai 1869,60 das vom Deutschen Reich übernommen wurde,61 enthielt nun mit § 17 Abs. 1 eine Bestimmung, die für die Parteien von großer Wichtigkeit war. In dieser Vorschrift hieß es: "Die Wahlberechtigten haben das Recht, zum Betrieb der den Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten Vereine zu bilden und in geschlossenen Räumen unbewaffnet öffentliche Versammlungen zu veranstalten." Damit war der Bestand und die Tätigkeit der Wahlvereine im Verhältnis zur Landesexekutive geschützt. Die Bestimmungen der Landesgesetze über die Anzeige von Versammlungen und Vereinen und die Überwachung derselben blieben allerdings zunächst hiervon gemäß § 17 Abs. 2 RWG unberührt.62 Darüber hinaus konnte auch die Reichsexekutivgewalt in den Bestand der Wahlvereine nur noch dann eingreifen, wenn § 17 Abs. 1 RWG für den konkreten Fall reichsgesetzlich suspendiert wurde.63 Rechtsprechung6' und zeitgenössisches Schrifttum65 waren sich jedoch darin einig, daß die durch § 17 Abs. 1 RWG bewirkte Privilegierung nur auf "Wahlvereine", also auf die ad hoc gebildeten, die Vorbereitung einer einzelnen Wahl betreibenden lokalen Organisationen, unmittelbar anwendbar war, während in der damaligen Gesetzessprache politische Parteien weiter als "politische Vereine" bezeichnet zu werden pflegten. In der Praxis stellten die Wahlvereine jedoch die Kandidaten für die Wahl nicht im Auftrag und Namen eines einzelnen Wählers, sondern im Namen und Auftrag der politischen Parteien auf und führten auch für diese den Wahlkampf. Somit waren die Wahlvereine der Sache nach nichts anderes als der verlängerte Arm der Parteien.66 § 17 RWG bedeutete also de facto eine Anerkennung der politischen Parteien durch das

Staatsrecht. 67

Hiergegen wird eingewandt, daß mit § 17 RWG nur ein ohnehin nach den Landesgesetzen (z. B. § 21 Abs. 2 PVereinsG) vorhandener Rechtszustand bestätigt, also durch diese Regelung kein neuer Schutz gegen die Landesstaatsgewalt errichtet worden sei.68 Auch sei § 17 RWG lediglich wahlrechtsbezogen 60 BGBI. des Norddt. Bundes S. 145 ff. 61 Vgl. § 2 des Gesetzes betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches v. 16. April 1871 (BGBI. des Norddt. Bundes 1871, S. 63). 62 Aufgehoben wurde § 17 Abs. 2 RWG durch § 23 des Reichsvereinsgesetzes vom 19. April 1908 (RGBI. 1908, S. 151 ff.). 63 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 11, S. 868. 64 Entscheidungen des Preußischen Obertribunals vom 27. Januar 1869 (GA 17 [1869], S. 286) und vom 15. Dezember 1875 (GA 23 [1875], S. 632). 65 P. Laband, S. 308; L. von Rönne/P. Zorn, S. 288. 66 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 111, S. 867; W. Tormin, S. 71. 67 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 111, S. 867; W. Tormin, S. 71. 68 T. Schmidt, S. 34.

E. Partei verbote im Kaiserreich

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zu verstehen, so daß von einer rechtlichen Anerkennung der Parteien nicht die Rede sein könne.69 Diese Sichtweise verkennt jedoch, daß § 17 RWG anders als landesrechtliche Normen Wahlvereine nicht nur von einzelnen Restriktionen ausnahm, sondern generell die Bildung und versammlungsspezifische Betätigung in ihnen garantierte, also eine stärkere Schutzwirkung entfaltete als das Landesrecht. Mag auch der Schutz der Parteien wahlrechtsbezogen gewesen sein, so ändert dies, da die Entscheidung des Gesetzgebers in Kenntnis des Zusammenhangs zwischen Parteien und Wahlvereinen getroffen wurde, nichts daran, daß mit § 17 RWG ein rechtlicher Schutz der Parteien gewollt und in eine Norm umgesetzt worden war. Daß Parteien längst zu einer notwendigen Erscheinung der Verfassungswirklichkeit geworden waren, belegt ein Blick auf die Verfahrensweisen, die notwendig waren, um den Reichstag funktionsfähig zu erhalten. So konnte etwa der Reichskanzler, der für die Gesetzgebung auf die Zustimmung des Reichstags angewiesen war/o nicht mit jedem einzelnen Abgeordneten verhandeln, sondern suchte zweckmäßigerweise die Unterstützung bei den Parteien.71 Auch ließen sich die Stichwahlen zum Reichstag, die infolge des Mehrheitswahlrechts häufig erforderlich waren, ohne Mitwirkung der Parteien nur schwer durchführen.72 Demnach sind genügend Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Parteien trotz formeller Ignorierung im Kaiserreich tatsächlich und rechtlich zu mitgestaltenden Faktoren des Verfassungslebens geworden waren.73 Wie die Reichsverfassung schwiegen auch die die Reichsgründung überdauernden Landesverfassungen weiterhin zu einem öffentlich-rechtlichen Status politischer Parteien. Geregelt wurde das Parteiwesen der Sache nach immer noch durch die Vereinsgesetze der Länder. Maßgeblich änderte sich diese Rechtslage erst, als das Reich von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machte und das Reichsvereinsgesetz vom 19. April 190874 erließ, das die landesrechtlichen Regelungen verdrängte. § 1 Abs. 1 Satz 1 RVereinsG garantierte ausdrücklich für alle Reichsangehörigen das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderliefen, Vereine zu bilden, also die individuelle Vereinigungsfreiheit. Weil als Verein im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 RVereinsG auch politische Parteien angesehen wurden, wenn sie über einigermaßen feste Orga-

T. Schmidt, S. 34. Z. B. Art. 5 RV. 71 W. Tormin, S. 71. 72 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I1I, S. 868; W. Tormin S. 71. 73 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I1I, S. 866. 74 RGBI. S. 151 ff.

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Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

nisationsstrukturen verfügten, wurde durch diese Bestimmung auch das Individualrecht auf Bildung politischer Parteien garantiert.75 11. Verbotsregelungen im Kaiserreich 1. Parteiverbote auf der Verfassungsebene

Vor dem Hintergrund, daß die Reichsverfassung den Status der politischen Parteien nicht ausdrücklich regelte, ist es nicht verwunderlich, daß sie selbst auch keine Rechtsgrundlage für das Verbot von Parteien vorsah. 2. Parteiverbote auf der einfachgesetzlichen Ebene

a) Parteiverbote au/grund des Sozialistengesetzes

Nachdem im Mai und Juni 1878 zwei Attentate auf den Kaiser verübt worden waren, wurde die emotionsgeladene Situation genutzt, um das sogenannte Sozialistengesetz ("Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie") vom 21. Oktober 1878 76 im Reichstag durchzusetzen. 77 Gemäß § 1 Abs. 1 dieses ,,Ausnahmegesetzes" gegen die von der Obrigkeit schon seit geraumer Zeit als bedrohlich empfundene Sozialdemokratie78 waren Vereine, die "durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung bezweckten", - zwingend - zu verbieten. Um die Schutzbehauptung auszuschließen, daß das Verhalten einzelner Mitglieder nicht im Einklang mit der Satzung der Vereinigung stünde, dehnte § 1 Abs. 2 SozG die Anwendbarkeit der Verbotsnorm auf die Vereinigungen aus, in denen ,,sozialistische Umsturzbewegungen" zutage traten. § 1 Abs. 3 SozG stellte den politischen Vereinen, also den Parteien, Verbindungen aller Art gleich. Zuständig für den Erlaß eines Verbots waren nach § 6 Abs. 1 SozG die Landespolizeibehörden, denen - trotz des gebundenen Charakters der Entscheidung - wegen der Unbestimmtheit der einzelnen Normmerkmale ein erheblicher Entscheidungsspielraum verblieb. 79 Als Rechtsbehelf gegen ein Verbot 75 KG, Entsch. v. 14. Dezember 1895, DJZ 1896, Sp.39; G. Lindenberg, in: Stengleins Kommentar, Bd. I (1911), Abt. I, § 3, Anm. 4; E. v. Sartor, § 3, Anm. 1 ff. 16 RGBI. S. 35 ff. 17 Zu den Hintergründen vgl. : H. Fenske, Parteiengeschichte, S. 144 f.; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 1153 ff.; H. KtJack, S. 48 ff.; W. Tormin, S. 91 ff. 78 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 1157. 79 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 1161, 1167.

E. Parteiverbote im Kaiserreich

41

konnte gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SozG Beschwerde durch den Vereinsvorstand eingelegt werden. Eine besondere Reichskommission, die sich aus vier Mitgliedern des ,,Bundesrhates", fünf Mitgliedern der höchsten Gerichte des Reichs oder der einzelnen Bundesstaaten und einem durch den Kaiser zu ernennenden Vorsitzenden zusammensetzte, entschied endgültig und für alle Staatsbehörden verbindlich über die Beschwerde (§§ 26,27 SozG). Obwohl das Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Partei einem drohenden Verbot durch Selbstauflösung zuvorgekommen war, wurden auf der Rechtsgrundlage des § 1 SozG etwa 330 Verbote sozialdemokratischer Ortsgruppen und Nebenorganisationen ausgesprochen.so Selbst ein endgültiges Verbot tastete aber ebensowenig das aktive und das passive Wahlrecht der Sozialdemokraten an, wie die in Art. 31 RV verankerte Immunität der sozialdemokratischen Abgeordneten. Eine Aberkennung der Mandate war im Sozialistengesetz ebenfalls nicht vorgesehen und wäre in einer Zeit, in der man das geltende Repräsentativsystem mit einer völligen Unabhängigkeit der Abgeordneten von ihrer Partei gleichsetzte, auch kaum denkbar gewesen.8l Dies erklärt, warum die Sozialdemokratische Partei während der gesamten Geltungsdauer des Gesetzes, die bis zum 30. September 1890 reichte,82 mit Abgeordneten im Reichstag vertreten sein konnte. Damit entzog das Sozialistengesetz der Sozialdemokratischen Partei also zwar ihre organisatorische Basis in der Gesellschaft, die staatsmitwirkungsbezogene Tätigkeit der Partei blieb dagegen weitgehend von Sanktionen verschont. Die fehlende Aberkennung der Mandate, der Aufbau getarnter Organisationen 83 und die Verlegung von Aktivitäten ins Ausland führten dazu, daß nicht nur das Ziel einer Vernichtung der Sozialdemokratie verfehlt wurde, sondern daß die Partei sogar gestärkt aus der Verbotszeit hervorging.84 Das durch das Sozialisten gesetz vermittelte Bild eines Widerspruchs zwischen Parteienfreiheit und Parteiverboten sollte aber die Überzeugungen vor allem der Sozialdemokraten bis in die Weimarer Zeit hinein prägen. 8s so Nach: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 1171. 81 Vgl. E. Bock, S. 121 f.; P. Laband, S. 269 ff. 82 Nach § 30 seiner ursprünglichen Fassung war das SozG bis zum 31. März 1881 befristet. Seine Geltung wurde viermal verlängert durch die Reichsgesetze vom: 31. Mai 1880 (RGBI. S. 117), 28. Mai 1884 (RGBI. S. 53), 10. April 1886 (RGBI. S. 77), 18. März 1888 (RGBI. S. 109) bis zum 30. September 1890. Eine fünfte Verlängerung scheiterte im Reichstag am 25. Januar. 83 Zu den sogenannten "Corpora" vgl. H. Fenske, Parteiengeschichte, S. 145; W. Tormin, S. 93. 84 Nach anfänglichen Verlusten stieg die Mandatszahl während der Verbotszeit sogar noch an (vgl. die Wahlergebnisse, die abgedruckt sind bei: H. Kilack, S. 51,53,55,56, 57). 8S H. Kilack, S. 51.

42

Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

Betrachtet man das Sozialistengesetz näher, fällt auf, daß im Unterschied zu vorangegangenen Verbotsnormen nicht die Bekämpfung jeder beliebigen Parteiorganisation beabsichtigt wurde, sondern die einer bestimmten politischen Richtung, die als der bestehenden Staatsordnung feindlich gegenüberstehend eingestuft wurde. Diese Ordnung wird nun in ihren wesentlichen Grundzügen in der Verfassung eines Staates fixiert. Damit war als Schutzgut des Sozialistengesetzes die Verfassung festgeschrieben. 86 Die Formulierungen des § 1 SozG (',Bestrebungen", "bezwecken") weisen dabei vorbeugenden Charakter auf, womit das Sozialistengesetz eine ,~n Gesetzesform gekleidete Maßnahme des präventiven Verfassungsschutzes" darstellte.87 Die Befristung des Gesetzes zeigt, daß es nach der Intention seiner Urheber zur Abwehr einer zeit- und situationsbedingten konkreten Gefahrenlage bestimmt war,ss und aus diesem Grund nicht mehr die absoluten Züge seiner Vorläufer trug. Auch wenn für die Aufstellung der Verbotsnorm und deren Verlängerung ein Zusammenwirken des Reichstags mit dem Bundesrat erforderlich war, und so das Höchstmaß der in einem monarchisch-konstitutionellen System denkbaren demokratischen Legitimation erreicht sein mag,89 war die Methode, den als "gefährlich" eingestuften Parteien mit polizeilichen Mitteln begegnen zu wollen, trotzdem nicht aufgegeben worden. Die Übertragung der Entscheidung über das im konkreten Fall auszusprechende Verbot an die Polizeibehörden bot dabei einen Ansatzpunkt für ein exekutivisches Vorgehen, das sich als Einfallstor für eine willkürliche Handhabung der Verbotsnorm erwies.90 Gegen ein Verbot war zwar ein Kontrollverfahren nach den §§ 26, 27 SozG eröffnet, gleichzeitig wurde damit aber die eigentlich zuständige91 Verwaltungsgerichtsbarkeit der Länder ausgeschaltet.

86 Darauf, ob die Sozialdemokratie tatsächlich verfassungsfeindliche Ziele verfolgte, kommt es hier nicht an. Im vorliegenden Zusammenhang ist nur die rechtliche Methode relevant, mit der Parteien aus dem Prozeß der politischen Willensbildung ausgeschaltet wurden (v gl. E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 1158). 87 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 102l. 88 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 1157. 89 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 1158. 90 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 1167 ff. 91 Vgl. E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 985.

F. Zusammenfassung

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b) Parteiverbote aufgrund des Reichsvereinsgesetzes

Nach § 2 Abs. 1 RVereinsG konnte ein Verein aufgelöst werden, wenn sein Zweck den Strafgesetzen zuwiderlief. Diese Norm wurde auf politische Parteien angewandt92 und war folglich eine Rechtsgrundlage für Parteiverbote, die jedoch keinen spezifisch verfassungsschützenden Bezug aufwies.93

F. Zusammenfassung Die Entwicklungsgeschichte der Parteien in Deutschland ist von den ersten zaghaften politischen Zusammenschlüssen des 19. Jahrhunderts an nicht nur auch eine Geschichte der Parteiverbote gewesen. Vielmehr weigerte sich die Staatsgewalt lange, die Parteien überhaupt anders als durch absolute Organisationsverbote rechtlich wahrzunehmen. Auch wenn diese unbedingten Verbote im Laufe der Zeit gelockert wurden, fehlte es doch an Vorschriften, die das Hineinwirken der Parteien in die organisierte Staatlichkeit, das vor allem nach der Reichsgründung festzustellen ist, erfaßten. So kannte das öffentliche Vereinsrecht zwar Parteien als politische Vereine, unterwarf sie aber differenzierungslos den vereinsrechtlichen Restriktionen. Bezeichnend ist hier überhaupt die Gesetzessprache, die den Begriff der Partei, obwohl dieser sich seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts im sonstigen Sprachgebrauch durchgesetzt hatte, standhaft ignorierte. Parteien wurden allenfalls der Sphäre der Gesellschaft zugeordnet; dem Staatsrecht galten sie als Fremdkörper. Falls eine Vorschrift Schutzwirkung für Parteien entfaltete (z. B. § 17 RWG), so geschah dies nicht unter Anknüpfung an die besondere politische Funktion der Parteien, sondern auf dem Umweg über den Individualschutz. Mit Ausnahme des Sozialistengesetzes, in dem der Gesetzgeber die Illegalisierung einer bestimmten politischen Richtung zwingend vorgab, legte er die Entscheidung über Eingriffe in den Bestand von Parteien durch Generalklauseln mit Ermessenscharakter in die Hände der Exekutive. Während die übrigen Verbotsgrundlagen klassische polizei- und ordnungsrechtliche Wendungen wie "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" oder "Verstöße gegen Strafgesetze" als Voraussetzungen für ein Verbot vorsahen, ist hinter der Ver-

92 KG, Entsch. v. 14. Dezember 1895, DJZ 1896, Sp. 39; G. Lindenberg, in: Stengleins Kommentar, Bd. I (1911), Abt. I, § 3, Anm. 4. 93 Weil § 2 Abs. 1 RVereinsG auch im Zusammenhang mit Parteiverboten in der Weimarer Republik relevant war, werden Einzelheiten im 4. Kapitel unter B. 11. dargestellt.

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Zweites Kapitel: Parteiverbote in der historischen Perspektive

botsnorm des Sozialistengesetzes erstmals die Intention erkennbar, die Verfassung vor den Parteien, die als ihre Feinde eingestuft wurden, zu schützen. Der Gesetzgeber in der Weimarer Republik wurde demnach gezwungen, an eine Rechtslage anzuknüpfen, unter der ein der Bedeutung der Parteien in Staat und Gesellschaft gerecht werdender Standort für sie noch nicht gefunden worden war. Dabei hatten die Erfahrungen mit den vielfältigen, oft willkürlich gehandhabten Repressionen, den verhängnisvollen Eindruck eines Gegensatzes der Parteienfreiheit zur Staatsgewalt hervorgerufen, der für jede Art von Einschränkung dieser Freiheit eine erhöhte Sensibilität geschaffen hatte.

Drittes Kapitel

Die Position der Parteien in der Weimarer Republik

A. Die Parteien in den Beratungen der verfassunggebenden Nationalversammlung In den Beratungen der verfassunggebenden Nationalversammlung von Weimar nahm die Diskussion um die Demokratie, den Parlamentarismus und das Wahlrecht großen Raum ein; die Festlegung eines verfassungsrechtlichen Status von Parteien spielte demgegenüber keine Rolle. Die demokratische Staatsfonn, mit der eine Verknüpfung der Frage nach Funktion und Aufgaben politischer Parteien denkbar gewesen wäre, wurde vor allem in der Konfrontation von Parlamentarismus und Rätesystem diskutiert.! Auch in den Kontroversen, die um die Aufhebung bisher üblicher Beschränkungen für politische und sozialpolitische Vereinigungen geführt wurden, und die schließlich die Verankerung des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit in Art. 124 WRV zur Folge hatten, wurde der Aspekt einer besonderen ,,Parteienfreiheit" nicht berücksichtigt.2 Ebensowenig wie es zu einer Auseinandersetzung mit der positiven Bedeutung der Parteien im Staat und mit ihren Rechten kam, wurden mögliche Verbotsregelungen erörtert. Obwohl die Abgeordneten der Nationalversammlung selbst nach parteipolitischen Gesichtspunkten gewählt worden waren und ihr Verhalten von ihrer Parteizugehörigkeit geprägt war, ist aus den Äußerungen in der Nationalversammlung für die Einordnung der Parteien in das staatliche Gefüge kein Erkenntnisgewinn zu erzielen.

!Z.B.: Sitz. v. 20.Februar 1919, Verh. Natvers., Bd.326, S.218C; Sitz. v. 28. Februar 1919, a. a. 0., S. 392 B; Sitz. v. 4. März 1919, a. a. 0., S. 489 ff.; Sitz. v. 21. Juli 1919, Verh. Natvers., Bd.328, S. 1747 ff.; Sitz. v. 30. Juli 1919, a. a. 0., S. 2089 C. 2 Dazu: Abg. Beyerle (Z), Sitz. v. 16. Juli 1919, Bd. 328, S. 1597 ff.; vgl. auch: Sitz. v. 17. Juli 1919, a. a. 0., S. 1632 ff.

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Drittes Kapitel: Die Position der Parteien in der Weimarer Republik

B. Die Stellung der politischen Parteien in der Weimarer Staatsordnung Der Begriff der politischen Partei fand sich nur an einer Stelle in der Weimarer Reichsverfassung, nämlich in Art. 130 Abs. 1, der feststellte, die Beamten seien "Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei".3 Über das Wirken der Parteien in der organisierten Staatlichkeit traf diese Norm keine Aussage; aus der negativen Fassung des Art. 130 Abs. 1 WRV wurde - und wird bis heute - eine parteien skeptische Grundhaltung der Weimarer Verfassung entnommen. 4 Daß die Parteien gleichzeitig faktisch zu bestimmenden Faktoren der sozialen und politischen Wirklichkeit aufgestiegen waren/ stellte für Teile der Weimarer Staatsrechtslehre eine - bedenkliche - "extrakonstitutionelle Erscheinung" dar. 6 Auch heute noch werden die Parteien der Weimarer Republik als das Paradebeispiel für eine Diskrepanz zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit angeführt. 7 Demgegenüber hat Gustav Radbruch bereits 1930 festgestellt, daß die Verfassung und die staatsrechtlichen Normen außerhalb der Verfassung die Existenz und das Wirken politischer Parteien auch rechtlich voraussetzten, und deshalb jedenfalls nicht generell von den Parteien als " ...soziologischen Erscheinungen ohne juristischen Begriffswert ... " gesprochen werden dürfte.8 Weil die Einflußnahme auf die Staatsgewalt als Erlangung und Ausübung von politischer Macht schon begrifflich das Ziel politischer Parteien vorgibt,9 bot es sich an, den Beleg für diese These anhand der Normen zu erbringen, die die Staatsgewalt zum Gegenstand hatten. So wies Gustav Radbruch zunächst auf die über die Kreation der Parlamente entscheidenden Wahlvorschriften des Reichs und der Länder hin, die als zentraler Mechanismus gewährleisteten, daß das Volk, 3 Der in Art. 18 Abs. 8 WRV verwendete Begriff der Partei bezeichnete die ,'prozeßpartei" (F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 18, Anm. 21). 4 So von den zeitgenössischen Autoren: S. Neumann, S.116, FN 2; H. Triepe!, Staatsverfassung, S. 23; L. Wittmayer, S.64: " ...charakteristischerweise nur mit einer Geste sprödester Abwehr". Aus neuerer Zeit z. B.: c.-F. Menger, AöR 78 (1952/53), S. 149 (150); K. Stern, § 13 II 1. 5 Dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. V, S. 615 ff., 673 ff., 706 ff., 1069 ff.; Bd. VI, S. 144 ff. 6 H. Triepe!, Staatsverfassung, S. 24. In der Feststellung der tatsächlichen Bedeutung der Parteien war sich die Weimarer Staatsrechtslehre einig. Umstritten war jedoch, welche Konsequenz aus diesem Befund zu ziehen war. Die Kontroverse ist eingehend dargestellt bei: F. Glum, S. 182 ff. und bei: C. Gusy, Der Staat 32 (1993), S. 57 (69 ff.); ders., Reichsverfassung, S. 121,125 f. 7 BVerfGE 1,208 (225); H. Meier, Parteiverbote, S. 320. 8 G. Radbruch, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. I, S. 285 (288). 9 Vgl.: 2. Kapitel, A.

B. Die Stellung der politischen Parteien in der Weimarer Staatsordnung

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wie es Art. 1 Abs. 2 WRV verlangte, bei der Ausübung der Staatsgewalt durch den Reichstag Ursprung derselben blieb. 1O Die Bedeutung der Parteien für die Wahlen war zwar nicht ausdrücklich im Verfassungstext hervorgehoben. Das durch Art. 22 Abs. 1 Satz 1 WRV für die Wahlen zum Reichstag und durch Art. 17 Abs. 1 Satz 2 WRV für die Wahlen zu den Länderparlamenten zwingend vorgeschriebene Verhältniswahlsystem war jedoch nur mittels des Wirkens organisierter Gruppen, die Kandidatenlisten aufstellten und zur Abstimmung brachten, durchführbarY Daß es sich bei diesen konkurrierenden Gruppen um Parteien handelte, wurde an den die Einzelheiten des Wahlverfahrens regelnden Wahlbestimmungen des Reichs deutlichY In ihren Wahlgesetzen strichen die Länder zum Teil die Bedeutung der Parteien sogar ausdrücklich heraus. 13 Als weiteren Beweis für die Rolle, die die Parteien im Staatsrecht der Weimarer Zeit spielten, konnte Gustav Radbruch ferner die für ihre politische Wirkungskraft wichtigen Mitwirkungs- und Einwirkungsmöglichkeiten in den Parlamenten anführen. 14 Im Reichstag (Art. 21 Satz 2 WRV) und in den Landtagen (z. B. § 22 Württembergische Verfassung l5) galt zwar der Grundsatz des freien Mandats, der so verstanden wurde, daß er in erster Linie die Unabhängigkeit des Abgeordneten VOn parteipolitischen Bindungen garantieren sollte, um das in Art.21 Satz 1 WRV verankerte Repräsentativsystem zu sichern.16

10 G. Radbruch, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. I, S. 285 (290 f.). Zur zentralen Funktion des Reichstags: L. Gebhard, Art. 1, Anm. 5; Vorb. Art. 20, Anm. 2; F. Stier-Somlo, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. eS. 381 (386). 11 Einzelheiten bei F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 22, Anm. 7; H. Pohl, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. I, S. 397 ff. 12 Zurückhaltend noch § 25 Abs. 1 Reichswahlgesetz v. 27. April 1920 (RGBI. S. 627 ff.), der die Angabe einer Partei auf dem Stimmzettel für "unbeachtlich" erklärte. Die späteren Änderungsgesetze des Reichswahlgesetzes (z. B. § 24 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes v. 24. Oktober 1922 [RGBI. I S. 801 ff.], § 24 Satz 1 des 2. Änderungsgesetzes v. 31. Dezember 1923 [RGB1.1924 I, S.l ff.,40]) betonten dagegen schon ausdrücklich die Bedeutung der Parteien, ebenso wie die §§ 29 Abs. 2 Satz 2,35 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 2 Satz 1,49 Abs. 2 der die weitere Einzelheiten der Wahl festlegenden Reichsstimmordnung v. 14. März 1924 (RGBI. I S. 173 ff.). 13 Z. B. § 17 des Braunschweigischen Wahlgesetzes v. 19. März 1921 (Braunschw. GVSlg. S. 61), wonach die Wahlvorschläge ,,mit einem auf die ParteisteIlung hinweisenden oder sonstigen Kennwort" versehen werden sollten. Sogar in der Landesverfassung erwähnte Thüringen die Bedeutung der Parteien für die Wahlen (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung v. 11. März 1921 [Thüring. GS S. 57 ff.]). 14 G. Radbruch, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. I, S. 285 (291). 15 Vgl. Verfassung v. 25. September 1919, abgedruckt bei 0. Ruthenberg (Hrsg.), S. 218 ff. 16 G. Anschül'l., Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 21, Anm. 1; L. Gebhard, Art. 21, Anm. 5; E. Tatarin-Tarnheyden, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. I, S. 413 ff.

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Drittes Kapitel: Die Position der Parteien in der Weimarer Republik

Trotzdem setzte sich zunehmend die Ansicht durch, daß die Abgeordneten in gewissem Umfang nicht nur tatsächlichen, sondern auch rechtlichen Bindungen an ihre Partei unterlagenP Die Geschäftsordnungen des Reichs und der Länder kannten den Abgeordneten sogar fast ausschließlich als innerhalb seiner Fraktion handlungsfähig, die ja wesentlich durch die Parteizugehörigkeit bestimmt wurde. 18 Ihre Fortsetzung fand die Bedeutung, die den Parteien im Staatsrecht eingeräumt war, darin, daß die Rechtsprechung die Parteien in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich für parteifähig hielL 19 Auch wenn die Parteien nach dem Wort Gustav Radbruchs die "partie honteuse"20 des deutschen Staatsrechts gewesen sein mögen; ihre ohnehin tatsächlich bedeutsame Rolle hat in der Weimarer Demokratie auch eine rechtliche Fixierung erfahren .21

C. Die grundrechtliche Absicherung der Parteien Obwohl dem rechtlich vorausgesetzten und faktisch bedeutsamen Rang der politischen Parteien eigentlich eine grundrechtliehe Absicherung entsprochen hätte, waren ihr Ent- und Bestehen sowie ihre Betätigung nicht in dieser Weise garantiert. Daß die Parteien der Weimarer Zeit gleichwohl nicht - wie ihre Vorgänge rinnen im Kaiserreich - ohne gesicherte Rechte auf dem schmalen Grat zwischen faktischer Freiheit und rechtlicher Duldung balancieren mußten, resultierte daraus, daß Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV allen Deutschen das Recht gewährleistete "...zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine und Gesellschaften zu bilden." Inhalt des Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV war also die Garantie einer freien ,,Bildung von Vereinen und Gesellschaften". Unter einem Verein im Sinne des Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV wurde in Anknüpfung an die Begriffsbestimmung zum Reichsvereinsgesetz von 1908 ,jeder auf längere Zeit berechnete Zusammenschluß mehrerer Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes mit 17 Eingehend: F. Morstein-Marx, AöR NF 11 (1926), S. 430 ff.; T. v. Pistorius, AöR 50 (1926), S. 418 ff. 18 Geschäftsordnungen des Reichstages v. 12. Dezember 1922 (RGBI. I S. 101 ff.) und v. 31. März 1931 (RGBI. I S. 221 ff.); Geschäftsordnungen der Länder abgedruckt bei O. Th. L. Zschucke (Hrsg.), Die Geschäftsordnungen der deutschen Parlamente (1928). 19 StGH, Entsch. v. 17. Dezember 1927, Lammers/Simons, Bd. I, S. 329 ff.; Entsch. v. 17. Dezember 1927, a. a. 0., S. 341 ff.; Entsch. v. 22. Juni 1928, a. a. 0., S. 356 ff.,

sI. Rspr. 20 G. Radbruch, in: Anschütz{fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. I, S. 285 (288). 21 Vgl. dazu auch: H. Kelsen, S. 20 ff.

C. Die grundrechtIiche Absicherung der Parteien

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einem gewissen Organisationsgrad" verstanden.22 Das daneben gewährleistete Recht zur Bildung von GeseLLschaften wurde lediglich als Hinweis darauf gewertet, daß die Personenvereinigung kein Verein im privatrechtlichen Sinne sein mußte.23 Da es auf die Qualität des gemeinsam verfolgten Zwecks grundsätzlich nicht ankommen sollte, wurde auch der Zusammenschluß zu einer politischen Partei, sofern er über die sonstigen Merkmale eines Vereins verfügte, als geschützte Tätigkeit eingeordnet.24 Die herrschende Auffassung faßte als Träger des Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV allerdings nur natürliche Personen und nicht die Vereinigung selbst auf. Weil eine Art. 19 Abs. 3 GG vergleichbare Regelung in der Weimarer Reichsverfassung fehlte, wäre die Grundrechtsträgerschaft politischer Parteien nur über die Konstruktion eines ,,Doppelgrundrechts" möglich gewesen, die jedoch überwiegend auf Ablehnung stieß.25 Das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit garantierte folglich nicht der Partei als solcher ihre Existenz. Wenn eine staatliche Maßnahme allerdings die einzelnen Staatsbürger daran hinderte, eine ,,Partei zu bilden", war der Gewährleistungsbereich des Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV eingeschränkt. Da man sich trotz aller grundsätzlichen Differenzen um die Wirkung der Grundrechte über den rechtlich bindenden Charakter des Art. 124 Abs. 1 WRV einig war,26 waren die Parteien in den Grenzen, in denen das Individualrecht der Vereinigungsfreiheit durch Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV garantiert war, mittelbar ebenfalls geschützt.

22 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 124, Anm. 1; L. Gebhard, Art. 124, Anm. 4; F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 124, Anm. 3. 23 H. Delius, in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Bd.lI, S. 138 (157); L. Gebhard, Art. 124, Anm. 4. 24 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 124, Anm.2; L. Gebhard, Art. 124, Anm.5 c; F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 124, Anm. 4 c. 25 Zu Art. 124 Abs. 1 WRV sowie allgemein: C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 173, 181; ders., in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S. 591 (597); L. Waldecker, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S.637 (643); a. A.: L. Gebhard, Art. 124, Anm. 2 b; jedenfalls für den Gleichheitssatz anders: G. Leibholz, Gleichheit vor dem Gesetz, S. 85 f. 26 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Vorb. zu Art. 109, Anm.7; L. Gebhard, Art. 109, Anm. 5 b. Zu den grundsätzlichen Differenzen darum, ob Grundrechte überhaupt rechtliche Bindungswirkung besaßen: J. Hatschek, S. 173; A. Hensel, in: FG zum 50-jährigen Bestehen des RG, S. 1 (4,23); grundlegend: R. Thoma, in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Bd. I, S. 1 ff. Ferner war zwar die Bindung der gesetzesanwendenden Organe, also der Exekutive und der Judikative, an die Grundrechte, die Rechtscharakter aufwiesen, anerkannt. Offen war aber die Bindung des Gesetzgebers an diese Grundrechte (vgl.: L. Gebhard, Vorb. zu Art. 109, Anm. 3; G. Leibholz, Gleichheit vor dem Gesetz, S. 30 ff.; C. Schmitt, in: Anschütz!fhoma [Hrsg.], HdbdtStR, Bd. 11, S. 572 [597 ff.]).

4 Stein

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Drittes Kapitel: Die Position der Parteien in der Weimarer Republik

Über den Umfang der den Parteien über Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV vermittelten grund rechtlichen Absicherung entschied der Inhalt des Individualrechts der Vereinigungsfreiheit. Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV schützte nach überwiegender Auffassung die Freiheit der Gründung, des Eintritts und der Zugehörigkeit zu der Vereinigung, nicht aber die der Betätigung in ihr.27 Eine Betätigungsgarantie war hier auch nicht erforderlich, da die Tätigkeit in der Vereinigung von anderen Grundrechten (z. B. dem Versammlungsrecht) ausreichend gewährleistet war. Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV vermittelte Parteien folglich Schutz gegen die staatlichen' Maßnahmen, die die Existenz einer Partei verhindern oder sie beseitigen sollten; gegen andere Einschränkungen, wie das Verbot von Parteiversammlungen, waren die Parteien auf dem Umweg über andere Individualgrundrechte ihrer Anhänger geschützt.

D. Zusammenfassung In der Weimarer Reichsverfassung erfolgte keine Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Status' der politischen Parteien. Wenn die Verfassung ein Hineinwirken der Parteien in die organisierte Staatlichkeit anerkannt hätte, wäre dies von Teilen der Staatsrechtslehre, denen der tatsächliche Einfluß der Parteien ohnehin zu weit ging, auch als Widerspruch zum Repräsentativsystem empfunden worden. Die Demokratie trug der steigenden Bedeutung der Parteien damit ebensowenig Rechnung, wie die von ihr gestürzte Monarchie. Wenigstens konkludent setzte die Weimarer Republik - wenn auch nach dem Wort Gustav Radbruchs "verschämt" - jedoch die Parteien voraus; einfachgesetzliche staatsrechtliche Normen bezogen die Parteien sogar ausdrücklich in die politische Willensbildung der demokratischen Republik ein. Die Ausschaltung von Parteien aus dem politischen Artikulationsprozeß mußte für die Weimarer Demokratie auch ohne verfassungsrechtlichen Status der Parteien somit erhebliches Gewicht besitzen. Grundrechtlieh gewährleistet war die Parteienfreiheit nicht. Die Absicherung der Parteien hing vielmehr von Individualrechten ab und nahm insbesondere auch an deren Begrenzungen teil. Allerdings bedeutete es für die Parteien im Vergleich mit der Vergangenheit immerhin einen Vorteil, daß die Weimarer Verfassung überhaupt das Individualrecht der Vereinigungsfreiheit garantierte.

27 H. v. Jan, § 1, Anm.6 a; F. Poetz.sch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 124, Anm. 3; L. Waldecker, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S. 637 (649); a. A.: RegerE 33, 498.

Viertes Kapitel

Partei verbote in der Weimarer Republik A. Verfassungsrechtliche Ausgangslage Ebensowenig wie die Weimarer Verfassung den Status der politischen Parteien positiv regelte, enthielt sie eine Art. 21 Abs. 2 GG vergleichbare Rechtsgrundlage, auf die das Verbot einer politischen Partei gestützt werden konnte. Damit fehlte gleichzeitig die Sperrwirkung, die eine verfassungsrechtliche Verbotsnorm durch ihren speziellen Charakter entfalten kann: 1 Die Entscheidung über ein Verbot war weder der Legislative, einem Gericht oder einer bestimmten Stelle der Exekutive vorbehalten, noch waren die Verbotsvoraussetzungen oder -folgen enumerativ festgelegt. Weil ein Parteiverbot sich gegen die Existenz einer Partei als solche richtet, schränkt es jedoch die individuelle Freiheit eine Partei ,,zu bilden" ein. Es war folglich in der Weimarer Republik nur in den Grenzen verfassungsrechtlich zulässig, die Art. 124 Abs. 1 WRV vorgab. 2 I. Die Möglichkeiten zu einem Ausspruch von Parteiverboten im ,,staatsrechtlichen Normalzustand"3 Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV gewährleistete das Recht " .. .zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen ... ", Vereine zu bilden, stand also unter dem Vorbehalt der Strafgesetze.4 Zu den Strafgesetzen wurden unabhängig von I Zum sogenannten ,,Parteienprivileg" des Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfGE 12, 296 (305); 17, 155 (166); T. Maunz, in: MaunzlDürigJHerzogJScholz, GG, Bd. 11/2, Art. 21, Rn. 123; l. v. Münch, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 2, Art. 21, Rn. 96. Zurückhaltender in der Bezeichnung als ,,Privileg": W. Henke, in: BK GG, Bd.4, Art.21, Rn. 367;J. Ipsen, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 21, Rn. 145. 2 Vgl. 3. Kapitel, C. 3 Begriff nach C. Gusy, Wehrlose Republik? S. 26. 4 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 124, Anm.2; F. PoetzschHeffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 124, Anm. 3 b. Nach der Gegenansicht (L. Gebhard, Art. 124, Anm. 5 c) waren strafrechtswidrige Vereine bereits von der Schutzwirkung des Art. 124 Abs. 1 WRV ausgenommen. Die Frage blieb von theoretischer Bedeutung, d:i selbst, wenn man der letzteren Ansicht folgte, nur ein Strafgesetz den Schutzgehalt des Art. 124 Abs. 1 WRV ausfüllen konnte.

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Viertes Kapitel: Partei verbote in der Weimarer Republik

ihrem Erlaß als fonnelle Gesetze alle Strafnonnen gezählt. Neben Reichs- und Landesgesetzen kamen demnach auch Polizeiverordnungen als Eingriffsgrundlage in Betracht.5 Außerhalb dieser Möglichkeit untersagte Art. 124 Abs. 1 Satz 2 WRV ausdrücklich die Vereinigungsfreiheit durch "Vorbeugungsmaßregeln" zu beschränken. Vorbeugungsmaßregeln waren Maßnahmen, die die Vereinsbildung präventiven Einschränkungen unterwarfen, also z. B. die Vereinsgründung von einer staatlichen Erlaubnis abhängig machten.6 Aus der Erwähnung der Vorbeugungsmaßregeln wurde nun aber nicht etwa der Umkehrschluß gezogen, daß das Verbot einer Partei, deren Zwecke sich im Einklang mit den Strafgesetzen befanden, nach ihrer Gründung ohne weiteres zulässig war. Vielmehr wurde Art. 124 Abs. 1 Satz 2 WRV lediglich als Bekräftigung der Untersagung des als besonders schwerwiegend empfundenen präventiven Einschreitens der Behörden gegen Vereinigungen gewertet. 7 Ohne daß es darauf ankam, ob das Verbot einer politischen Partei vor oder nach ihrer Gründung erfolgte, hielten sich Parteiverbote folglich nur dann in den durch Art. 124 Abs. 1 WRV vorgegebenen Grenzen, wenn der Zweck der Partei den Strafgesetzen zuwiderlief. 11. Die Möglichkeiten zum Ausspruch von Parteiverboten unter Ausschaltung der Wirkung des Art. 124 Abs. 1 WRV Neben der in Art. 124 Abs. 1 WRV selbst angelegten Verbotsmöglichkeit, war ein Parteiverbot mit der Verfassung nur dann vereinbar, wenn die Schutzwirkung des Art. 124 Abs. 1 WRV ausgeschaltet wurde. Hierfür kamen nach der Weimarer Reichsverfassung zwei Verfahrensweisen in Betracht: die Außerkraftsetzung des Art. 124 Abs. 1 WRV durch Ausübung der Diktaturbefugnisse oder die Änderung bzw. Durchbrechung des Art. 124 Abs. 1 WRV durch Gesetz.

5 H. Delius, in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten , Bd. 11, S. 138 (146). 6 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 124, Anm. 2; H. v. Jan, § 1, Anm.6 b; L. Waldecker , in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S. 637 (649). 7 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 124, Anm. 2; H. Delius, in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Bd. 11, S. 138 (159); L. Gebhard, Art. 124, Anm. 6 a. Abw.: Rempe, S. 48.

A. Verfassungsrechtliche Ausgangslage

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1. Parteiverbote als Maßnahmen der ,,Diktaturgewalt"

a) Einordnung der " Diktaturgewalt"

Art. 124 Abs.1 WRV gehörte zu den Grundrechten, die nach Art. 48 Abs. 2 Satz 2 WRV, nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV und nach § 64 Abs. 1 Satz 2 Bayerische Verfassungs "außer Kraft" gesetzt bzw. nach § 12 Abs. 1 Satz 201denburgische Verfassung9 "gehemmt" werden konnten, was verfassungsrechtlich den Weg für einen Ausspruch von Parteiverboten außerhalb des grundrechtlichen Vorbehalts freimachte. Bevor Parteiverbote als ihr möglicher Anwendungsfall näher betrachtet werden, erscheint eine Bemerkung zu dem für diese Befugnisse überwiegend verwendeten Begriff der " Diktaturgewalt" geboten. 1O Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV ermächtigte den Reichspräsidenten, " ...wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet ist, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen zu treffen ..."

Unter ähnlichen Voraussetzungen konnten die Landesregierungen aufgrund des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV und in Bayern und Oldenburg auch aufgrund der Landesverfassungen besondere Rechte für sich in Anspruch nehmen. Ohne daß es der förmlichen Erklärung des Ausnahmezustands wie nach der Vorläufernorm des Art. 68 RV bedurft hätte,t' wurde es damit Organen der Exekutive l2 ermöglicht, auf besondere Krisensituationen mit außerordentlichen Maßnahmen zu reagieren, die in bestimmtem Umfang (auch) von der Verfassung abweichen konnten. Die Befugnisse in dieser ,,Diktatur" leiteten sich also aus der Verfassung selbst ab und erfuhren folgerichtig zugleich eine Begrenzung durch sieY Geht man hier von der klassischen Unterscheidung zwischen Bayer. GVBI. 1919, S. 531 ff. Old. GBI. 1919, S. 391 ff. 10 Soweit ersichtlich, wurde der Ausdruck ,,Diktaturgewalt" im vorliegenden Zusammenhang erstmals verwendet von: R. Grau, Die Diktaturgewalt Reichspräsidenten und der Landesregierungen aufgrund des Art. 48 der Reichsverfassung (1922). Der Begriff bürgerte sich schnell ein (vgI. nur die für Art. 48 Abs. 2 WRV verwendeten Überschriften in den Kommentaren zur Reichsverfassung von L. Gebhard, G. Anschütz, F. Poetzsch-Heffter) und machte die auf die Weimarer Republik folgende Nationalsozialistische Diktatur in symptomatischer Weise sprachvertraut (K. D. Bracher, S. 53). 11 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art.48, Anm.6; L. Gebhard, Art. 48, Anm. l;F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 48, Anm.1. 12 Zur Einordnung des Reichspräsidenten und der Regierungen als Organe der Exekutive: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 307 ff., 323 ff. 13 Welche Grenzen dies i. e. waren, war umstritten: vgl. G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 14 b; R. Grau, S. 50 ff.;]. Heckel, AöR NF 22 (1932), 8

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

kommissarischer und souveräner Diktatur aus,14 begründeten die in den Verfassungen der Weimarer Republik verankerten Befugnisse keine souveräne unumschränkte, sondern eine kommissarische DiktaturY Sowohl der nach Art. 41 WRV gewählte Reichspräsident als auch die sich in der Regel aus den Mehrheitsfraktionen der gewählten Landtage zusammensetzenden Landesregierungen verfügten als potentielle Inhaber der Diktaturgewalt zudem über eine demokratische Legitimation. Die in den Verfassungen verankerten außerordentlichen Rechte waren also nicht diktatorisch statt demokratisch, sondern sie gliederten sich in die demokratische Verfassungsordnung ein. 16 Wenn deshalb Parteiverbote einen Anwendungsfall der Diktaturgewalt bildeten und im folgenden auch so bezeichnet werden, blieben sie trotzdem Mittel der Demokratie, die in der Weimarer Verfassung und den Landesverfassungen ihren Ausdruck gefunden hatte.

b) Die Diktaturbefugnisse als Rechtsgrundlage für Parteiverbote aa) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung von Diktaturgewalt

(1) Die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten Damit die Möglichkeit bestand, das Verbot einer politischen Partei auf Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV zu stützen, mußte die Existenz einer Partei eine "erhebliche Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" darstellen können. Obwohl die Begriffe öffentliche Sicherheit und Ordnung der klassischen Generalklausel des Polizeirechts entnommen waren,17 war man sich darüber einig, daß sie aus ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Kontext heraus eine eigenständige Interpretation erfahren mußten. Während wegen der Aufgaben-

S.257 (281, 297); R. Thoma, in: Anschützffhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S. 221 (225 f.). A. A.: C. Schmitt, VVDStRL 1 (1924), S. 63 (77). 14 Ausführlich: C. Schmitt, Diktatur, insbes. S.130, 134 f., 137. R. Zippelius, § 21 11 1. 15 Vgl. G. Anschüt4, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm.13; F. Poetl.Sch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm.12. Anders nur C. Schmitt, VVDStRL 1 (1924), S. 63 (87), der seine Aussage jedoch selbst auf den Seiten 84,86,91 relativiert. 16 C. Gusy, Wehrlose Republik? S. 47. Kritisch zur Terminologie schon L. Waldekker, Justiz VI (1930/31), S. 342 ff. 17 Vgl. § 10 II 17 ALR und den dieser Bestimmung nachgebildeten § 14 Abs. 1 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes v.!. Juni 1931 (PrGS S. 77 ff.).

A. Verfassungs rechtliche Ausgangslage

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stellung des Polizeirechts dort die Thematisierung des Schutzes personell, räumlich oder gegenständlich überschaubarer Individualrechtsgüter im Vordergrund stand,18 wurde Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV auf das Zusammenleben und Zusammenwirken der Menschen im staatlichen Gefüge oder Teilen davon bezogen. 19 Eine Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV war bei ,,nur" polizeiwidrigen Vorgängen deshalb lediglich dann denkbar, wenn sie von ungewöhnlicher Intensität waren. Die Existenz einer Partei erfüllte diese Voraussetzung etwa, wenn sie Massenunruhen und Gewalttätigkeiten auslöste bzw. unterstützte oder dies zu befürchten war. Allein zu den Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im verfassungsrechtlichen Sinne zählten demgegenüber Funktionsstörungen im Wirtschaftsorganismus oder in der Gesetzgebungs- und Regierungstätigkeit. 20 Da das Zusammenleben in einem Staat wesentlich von der Verfassung als der staatlichen Grundordnung schlechthin geprägt wird, war die Verfassung ein Schutzgut des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV. Angriffe auf ihren Bestand oder ihre Funktionsfähigkeit stellten somit eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV dar,21 Es lag nun in der Natur eines freiheitlich-demokratischen Staates wie der Weimarer Republik, daß die politischen Parteien ihr Verhältnis zur Verfassung unterschiedlich definierten. So war von den Parteien, die selbst mit den Stimmen ,Jhrer" Abgeordneten die neue Verfassung durch Mehrheitswillen festgestellt hatten,22 eine systembejahende Einstellung zu erwarten. Dagegen konnten sich

18 B. Drews/G. Lassar, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd. 11,1. Halbbd. (1932), Abschn. I 1, Anm. 8,10; B. Drews, Preußisches Polizeirecht, Bd. I, S. 12 ff. 19 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm.8; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 10 b; J. Hecket, AöR NF 22 (1932), S. 257 (263); C. Schmitt, VVDStRL 1 (1924), S. 63 (92). 20 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 8; R. Grau, S. 34. Die Einbeziehung des sog. Wirtschaftsnotstands war umstritten: Vgl. G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 8; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 10 b. In der Staatspraxis war der wirtschaftliche Notstand sogar herausragender Anwendungsfall des Art. 48 WRV (vgl. F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII [1925], S. 145 ff., JöR XXI [1933/34], S. 127 ff. - jeweils besonders gekennzeichnet). Gegen die Anwendung des Art. 48 Abs. 2 WRV im Falle jeder inneren Beeinträchtigung des Staates: J. Hecket, AöR NF 22 (1932), S. 257 (269 ff.), der aber insofern ein ungeschriebenes Recht zu Notstandsakten heranzieht. 21 C. Schmitt, VVDStRL 1 (1924), S. 63 (91) bezeichnete die Verfassung sogar als "Voraussetzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung". Vgl. ferner: J. Hecket, AöR NF 22 (1932), S. 257 (276). Historisch: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S.703. 22U.a. waren dies die MSPD, das Zentrum und die DDP (Sitz. v. 31. Juli 1919, Verh. Natvers., Bd. 329, S. 2197 ff.).

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

die in dieser Entscheidung unterlegenen 23 und unter Umständen auch die nicht an ihr teilhabenden Parteien naturgemäß nicht oder nur in geringerem Maße mit der Verfassung identifizieren. Kritik an der Verfassung oder das Bemühen um eine Verfassungs revision konnte diesen Parteien in einer Demokratie kaum versagt werden. Wo diese Parteien allerdings eine vollständige Systemänderung wollten, strebten sie nicht nur eine Reform an, sondern waren verfassungsfeindlich.14 Weil solche Parteien mit der Verfassung ein zentrales Schutzgut des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV bekämpften, konnten sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung im verfassungsrechtlichen Sinne beeinträchtigen. Da ein Handeln gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV sowohl nach eingetretener Störung als auch im Falle einer (konkreten) Gefahr, also der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, zulässig war, konnte gegen das Bestehen von Parteien repressiv oder präventiv eingeschritten werden. 25 Die Beeinträchtigung war regelmäßig erheblich, wenn die eigentlich zuständigen Organe des Reichs oder der Länder nicht in der Lage waren, sie durch Gesetzgebungs- oder Verwaltungsmaßnahmen abzuwenden,26 wobei die auf andere Organe unübertragbare Entscheidung über das Vorliegen einer solchen Ausnahmesituation allein im pflichtgemäßen Ermessen des Reichspräsidenten als dem Träger der aus Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV folgenden Ausnahmebefugnisse lag. 27 Da für die Wirksamkeit aller Anordnungen des Präsidenten des Reichs jedoch gemäß Art. 50 WRV die Gegenzeichnung durch den Reichskanzler bzw. den zuständigen Minister erforderlich war, mußte die Diktaturmaßnahme durch die Reichsregierung beschlossen worden sein, ja sie wurde regelmäßig überhaupt erst durch sie veranlaßt.28

23 U. a. waren dies die DVP, die Deutschnationalen, die USPD und der Bayer. Bauembund (Sitz. v. 31. Juli 1919, Verh. Natvers., Bd. 329, S. 2197 ff.). 204 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 150. 25 L. Gebhard, Art.48, Anm. 11 a; F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 48, Anm. 4; R. Grau, S. 33 f. 26 F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 48, Anm. 4; F. Poetzsch-HeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 9 b. 27 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. l1;A. Brecht, in: v. Brauchitsch/Drews/Lassar, Verwaltungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn. IV 1, Anm.3; L. Gebhard, Art.48, Anm. 10 e; F. Poetzsch-HeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 8. 28 F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 48, Anm. 5; R. Grau, S. 134; H. Nawiasky, S.204; F. Poetzsch-HeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 8.

A. VerfassungsrechtIiche Ausgangslage

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(2) Die Diktaturgewalt der Landesregierungen

Für den Erlaß von Diktaturmaßnahmen durch die Landesregierungen gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV war neben den Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV entsprechenden Voraussetzungen 29 erforderlich, daß Gefahr im Verzuge vorlag. Dazu mußte die Besorgnis begründet sein, daß ein Abwarten der Entscheidung des Reichspräsidenten über etwaige seinerseits gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV zu treffende Maßnahmen die Beseitigung der Störung oder Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vereiteln oder wesentlich erschweren würde. 3D Die in diesem Sinne zu verstehende Subsidiarität der Befugnisse der Landesregierungen gegenüber denen des Reichspräsidenten wurde allerdings dadurch relativiert, daß die Landesregierungen über das Vorliegen der Voraussetzungen ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden.3J Wer die zum Träger der Diktaturgewalt bestimmte Landesregierung war, ergab sich aus dem jeweiligen Landesverfassungsrecht i. V. m. Art. 17 WRV; in der Regel war danach die Landesregierung als Kollegialorgan zuständig.32 Zweifelhaft war, ob es zulässig war, daß die Landesverfassungen den Landesregierungen über die ihnen durch Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV eröffneten Befugnisse hinaus unabhängig von der Reichsverfassung - und damit unabhängig von einem Tätigwerden des Reichspräsidenten sowie besonderer Kontrollrechte - unter ähnlichen Voraussetzungen das Recht zum Erlaß außerordentlicher Maßnahmen einräumten. 33 Da die Möglichkeit zur Errichtung einer solchen originären Landesdiktatur von der Staatspraxis akzeptiert wurde und bis zum 29 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 19 a; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 21 c; R. Grau, S. 138; F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 19; M. Schwalb, DJZ 1925, Sp. 209 (210); K. Strupp, AöR NF 5 (1923), S. 182 (195). 3D R. Grau, S.138; F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 19; M. Schwalb, DJZ 1925, Sp. 209 (210); K. Strupp, AöR NF 5 (1923), S. 182 (194). 3J L. Gebhard, Art. 48, Anm. 21 c, d; F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 24. 32 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 19 b; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 21 b; R. Grau, in: AnschützfThoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. H, S.274 (298); F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 18. 33 Für die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen: RGSt 55,115 (119); 56,177 (186); E. H. Hoffmann, AöR NF 7 (1927), S.257 (321); M. Schwalb, DJZ 1925, Sp.209 (210); K. Strupp, AöR NF 5 (1923), S. 182 (193 f.). Anders: Bayer. Staatsgerichtshof, Entsch. v. 31. Januar 1924, Lammers/Simons, Bd. III, S. 171 ff.; L. Gebhard, Art.48, Anm. 21 a; H. Nawiasky, S. 203 ff. Von den Diktaturbefugnissen zu unterscheiden war das in den Landesverfassungen verankerte Recht zum Erlaß von Notverordnungen, wenn die Legislative vorübergehend handlungsunfähig war (Dazu: U. Nesemann, NotveTOrdnungsrecht und -praxis in den Ländern der Weimarer Republik [1973]).

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Viertes Kapitel: Partei verbote in der Weimarer Republik

Ende der Weimarer Republik in § 12 Abs. 1 der Verfassung für Oldenburg34 und § 64 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung3S bestehen blieb, waren für die Regierungen dieser bei den Länder zwei weitere Rechtsgrundlagen für den Erlaß außerordentlicher Maßnahmen vorhanden. Auch die Landesregierungen besaßen demnach die Möglichkeit, aufgrund der Reichsverfassung und in Bayern und Oldenburg zusätzlich aufgrund der Landesverfassungen im Wege der Wahrnehmung außerordentlicher Befugnisse Maßnahmen gegen die Existenz politischer Parteien zu richten. bb) Der Inhalt der Diktaturmaßnahmen Mit der Befugnis die nötigen "Maßnahmen" zu treffen, eröffnete Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV dem Reichspräsidenten verschiedene Handlungsmöglichkeiten . Maßnahmen im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV bezeichneten zunächst einmal tatsächliche Handlungen.36 Sodann fielen unter den Begriff der Maßnahme alle Rechtshandlungen. Als solche kamen zum einen Verwaltungsakte in Betracht, deren Regelungsgehalt sich am Einzelfall erschöpfte.37 Nach ganz überwiegender Auffassung war zum anderen die abstrakte Regelung einer Vielzahl von Fällen "Maßnahme" im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV, der Reichspräsident also zur Setzung rechtlicher Normen befugt. Mit diesen als besondere Form der Rechtsverordnung eingeordneten Diktaturverordnungen konnten andere Rechtsverordnun-

§ 12 Abs. 1 Verfassung für Oldenburg (Old. GBI. 1919, S. 391 ff.): "Im Falle eines Aufstandes kann das Staatsministerium, wenn die übrigen Mittel nicht ausreichen, ihn zu unterdrücken, durch außerordentliche Mittel die gesetzliche Ordnung wiederherstellen ... Es darf zu diesem Zwecke in den bedrohten Orten oder Bezirken die Ausübung der in den §§ 7, 8, 9 und 11 gesicherten Rechte einstweilen hemmen ... " 3S § 64 Abs. 1 Bayerische Verfassungsurkunde (Bayer GVBI. 1919, S. 531 ff.): ,,Das Gesamtministerium wacht über die Sicherheit des Staates. Es hat bei drohender Gefahr die Maßnahmen zu ergreifen, welche die Ruhe und Ordnung im Innern sichern oder gegenüber der Gefahr eines Angriffs von außen unmittelbar erforderlich sind. Zu diesem Zweck kann es vorübergehend die verfassungsmäßigen Grundrechte ganz oder teilweise außer Kraft setzen." 36 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 13 a; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 13 b. 37 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art.48, Anm. 13 b; R. Grau, S.44. 34

A. Verfassungsrechtliche Ausgangslage

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gen und sogar formelle Gesetze des Reichs und der Länder durchbrochen, abgeändert oder aufgehoben werden.18 Wenn die Verfassung auch eine - im einzelnen umstrittene - Grenze für die nach Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV zulässigen Maßnahmen zog,l9 war der Reichspräsident jedenfalls in dem durch Art. 48 Abs. 2 Satz 2 WRV ausdrücklich bezeichneten Fall berechtigt, von ihr abzuweichen: die dort genannten Grundrechte konnte er "ganz oder zum Teil außer Kraft setzen." Diese Suspension, die in der Staatspraxis nicht immer durch besondere Erklärung erfolgte,40 befreite den Reichspräsidenten für den Erlaß der konkreten Maßnahme von jeder Bindung an die außer Kraft gesetzten Grundrechte.41 Der Reichspräsident befand ebenso allein darüber, ob die Voraussetzungen für ein Handeln nach Art. 48 Abs. 2 WRV vorlagen, wie er die Ermessensentscheidung, welche Maßnahme ergriffen werden sollte, nicht auf andere Stellen übertragen konnte.42 Davon zu unterscheiden war die Durchführung der Maßnahme, die grundsätzlich auch dann auf andere Organe des Reichs oder der Länder übertragbar war, wenn dadurch von der in der Verfassung festgelegten Zuständigkeitsverteilung abgewichen wurde. Der Reichspräsident konnte dabei zum Vollzug seiner Entscheidung ermächtigen oder sogar die Rechtssetzungsbefugnis delegieren. Insbesondere war auch die vollständige Übertragung der vollziehenden Gewalt an bestehende bzw. neu geschaffene Zivilbehörden (Reichskommissare) oder Militärbefehlshaber möglich.41 Ausreichend sollte es sein, daß der Reichspräsident "die Maßnahmen selbst nur ihrer allgemeinen 18StGH, Entsch. v. 9.Juli 1928, Lammers/Simons, Bd.l, S.276 (284); Entsch. v. 17. Dezember 1927, Lammers/Simons, Bd. I, S. 398 (404) für vergleichbares Landesrecht. RGSt 55, 115 (115 f.); G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 13 b, 19 b; L. Gebhard, Art. 48, Anm.13 b, c; R. Grau, S.45; F. PoetzschHeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 11 B; W. Schoenborn, in: Anschütz!Thoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S. 310 (318); K. Strupp, AöR NF 5 (1923), S. 182 (196); a. A.: C. Schmitt, VVDStRL 1 (1924), S. 63 (97), der jedoch auf S. 101 Ausnahmemaßnahmen mit Gesetzeskraft aufgrund ungeschriebenen Staatsnotrechts zulassen will. 19 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 14 b; R. Grau, S. 50 ff.; f. Poetzsch-HeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 14 b. Einen Uberblick des Streitstands gibt: C. Gusy, Wehrlose Republik? S. 70 ff. 40 Kritisch: R. Grau, S. 87 ff. 41 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 15; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 15 d; C. Schmitt, VVDStRL 1 (1924), S. 63 (74). 42 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 11; R. Grau, in: Anschützffhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S. 274 (289 f.); F. Poetzsch-HeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 8. 41 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 14 b, 16; A. Brecht, in: v. BrauchitschIDrewslLassar (Hrsg.), VerwaItungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn. IV 1, Anm. 6 b, 10; R. Grau, S.106; F. Poetzsch-HeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 12.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Richtung nach" kundgab und ,,anderen Stellen dann die weitere Ausgestaltung" übertrug," wobei deren Befugnisse jedoch nicht weitergingen als die des Übertragenden. 45 Hatte der Reichspräsident gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 2 WRV Grundrechte außer Kraft gesetzt, waren die ermächtigten Stellen für die Handlungen, die sich auf Diktaturbefugnisse stützten, ebenfalls von der Beachtung dieser Grundrechte sowie der zur Ausfüllung ihrer Schranken erlassenen Bestimmungen entbunden.46 Daß die Maßnahme nötig sein mußte, bedeutete allenfalls eine weitmaschige Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten. So wurden etwa "Maßnahmen mit Dauerwirkung" für unzulässig gehalten,4' was die von der Rechtsprechung gebilligte48 Staatspraxis jedoch nicht daran hinderte, die Geltungsdauer ihrer Verordnungen über mehrere Jahre auszudehnen.·9 Die Landesregierungen waren gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV berechtigt, ,,für ihr Gebiet einstweilige Maßnahmen der in Abs. 2 bezeichneten Art zu treffen." Im Unterschied zur Diktaturgewalt des Reichspräsidenten, der seine Maßnahmen auf einzelne oder alle Länder erstrecken konnte,50 war die Landesdiktaturgewalt also auf das eigene Landesgebiet beschränkt,51 Bis auf diese örtliche Grenze und die durch den Begriff der Einstweiligkeit noch einmal im oben dargestellten Sinne betonte Subsidiarität der Maßnahmen,s2 hatten die Landesregierungen und die von ihnen ermächtigten Organe in gleichem Umfang die Möglichkeit zu faktischem Handeln sowie zum Erlaß von Verfügun-

.. RGSt 56,161 (165). VgJ. auch: RGSt 59,185 (189). 45 RepSchStGH, Entsch. v. 9. Februar 1924, JW 1924, S.1378; aLG Kiel, Entsch. v. 9. Oktober 1925, JW 1925, S. 1028 (1029). 46 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 15. 4' So trotz unterschiedlicher Akzente übereinstimmend: G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art.48, Anm.9; W. Apelt, JW 1931, S.698 (702); L. Gebhard, Art. 48, Anm. 12 a; R. Grau, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S.274 (280 f.); L. Waldecker, Justiz VI (1930/31), S. 342 (349). 48 RGSt 59, 29 (30). In der Schlußphase der Weimarer Republik wollte der Staatsgerichtshof den Reichspräsidenten zwar auf eine begrenzte Geltungsdauer verpflichten; zugelassen wurden aber Maßnahmen mit Dauerwirkung aufgrund der vorübergehend gültigen Verordnungen (StGH, in: RGZ Anh. S. 12 [24]; 26 [43]). 49 Dies war vor allem bei Verordnungen mit wirtschaftlichen Inhalten der Fall, vgl. den Überblick bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XXI (1933/34), S. 132 f. 50 L. Gebhard, Art. 48, Anm. 9; F. Poetzsch-HeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 9 a. 51 L. Gebhard, Art. 48, Anm. 21 d; R. Grau, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S. 295 (297); M. Schwalb, DJZ 1925, Sp. 209 (211). 52 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 19 c I; A. Brecht, in: v. Brauchitsch/Drews/Lassar (Hrsg.), VerwaItungsgesetze, Bd. 11, 1. Halbbd. (1932), Abschn. IV 1, Anm. 16 c; F. Poetzsch-HeJfter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 20; M. Schwalb, DJZ 1925, Sp. 209 (211).

A. Verfassungsrechtliche Ausgangslage

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gen und Verordnungen wie der Reichspräsident; insbesondere konnten sie dieselben Grundrechte außer Kraft setzen.53 Ebenso weitgehende Befugnisse eröffneten die Landesverfassungen den Regierungen in Bayern und Oldenburg, wobei die bayerische Regelung sogar die Suspension aller Grundrechte zuließ.54 Demnach waren auf Diktaturbefugnisse gegründete Verbotsmaßnahmen in zwei Grundformen denkbar. Ein Träger der Diktaturgewalt konnte selbst das Verbot einer bestimmten politischen Partei verfügen oder in einer Verordnung andere Stellen zu einem Verbot ermächtigen. Entschied er sich für die zuletzt genannte Alternative, war eine Regelung möglich, die bestimmte Merkmale vorgab, bei deren Vorliegen eine Partei verboten werden konnte bzw. mußte. Möglich war aber auch, daß mit der gesamten vollziehenden Gewalt die Befugnis übertragen wurde, ein Parteiverbot auszusprechen. Die kraft Diktaturrechts erlassenen Rechtsnormen entfalteten ohne ausdrückliche Zeitbestimmung Geltungskraft, bis sie vom jeweiligen Träger der Diktaturgewalt aufgehoben wurden.55 Daneben war nach herrschender Meinung die Aufhebung auch einzelner Teile einer Diktaturverordnung nach dem Grundsatz ,;ex posterior derogat legi priori" zulässig.56 Die auf eine solche Verordnung gestützte Einzelverfügung blieb jedoch in Anwendung allgemeiner Grundsätze des Verwaltungsrechts nach Aufhebung ihrer Rechtsgrundlage wirksam, bis sie selbst aufgehoben wurde.57 Obgleich Voraussetzungen und zulässiger Inhalt der Diktaturbefugnisse extensiv interpretiert wurden, waren auf diese Rechte gestützte Parteiverbote durch eine besondere Ausnahmesituation geprägt.

53 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 19 c; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 21 d; R. Grau, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S.295 (297); F. Poetzsch-HefJter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm.20; M. Schwalb, DJZ 1925, Sp. 209 (211). 54 Dazu: H. Nawiasky, S. 202. 55 A. Brecht, in: v. Brauchitsch/Drews/Lassar (Hrsg.), VerwaItungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn.IV 1, Anm. 14. 56 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art.48, Anm. 18 d; E. Jacobi, VVDStRL 1 (1924), S. 103 (128 fL); F. Poetzsch-HefJter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 16 e; M. Schwalb, DJZ 1925, Sp. 209 (214); a. A.: R. Grau, in: Anschützffhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S. 274 (293). Zur Praxis, in der nur ein Anwendungsfall relevant wurde: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 727. 57 Vgl. nur R. H. Herrnritt, S. 324.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

cc) Möglichkeiten für eine Kontrolle der Diktaturgewalt War ein Parteiverbot ergangen, hatten die Betroffenen (z. B. Parteien, Parteimitglieder und u. U. die zur Umsetzung verpflichteten Länder) naturgemäß ein erhebliches Bedürfnis nach einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Prüfung dieser Maßnahme. Ermächtigte der Träger der Diktaturgewalt andere Stellen durch Verordnung zum Erlaß von Verboten, konnte er zugleich Bestimmungen für eine Kontrolle der Verfügungen vorsehen.s8 Die von der ermächtigten Stelle erlassene Maßnahme war dann anhand dieser besonderen Vorschriften auf eine Übereinstimmung mit der Diktaturverordnung zu prüfen. Solche Kontrollmöglichkeiten, die auch in den Verordnungen vorgesehen waren, die zum Erlaß von Parteiverboten herangezogen wurden, werden bei der Darstellung der einzelnen Verbotsgrundlagen erörtert. Davon zu unterscheiden war die unmittelbare Kontrolle der Diktaturgewalt. Nach Beseitigung der Rechtsgrundlage konnten keine Parteiverbote mehr ausgesprochen werden,s9 für die bestandskräftigen Verbote lag dann ihre Aufhebung zumindest nahe. Erließ der Träger der Diktaturgewalt unmittelbar ein Verbot, konzentrierte sich das Interesse der Betroffenen sogar ausschließlich auf die Beseitigung der Diktaturmaßnahme. Da sich die Möglichkeiten zu einer solchen unmittelbaren Kontrolle der Diktaturgewalt unabhängig von der einzelnen Maßnahme allein aus den Verfassungen ergaben, werden sie im folgenden im Zusammenhang skizziert. (1) Die Möglichkeiten für eine politische Kontrolle der Diktaturgewalt

Gemäß Art. 48 Abs. 3 Satz 1 WRV war der Reichspräsident verpflichtet, den Reichstag unverzüglich über eine Ausübung der aus Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV folgenden Befugnisse zu informieren.60 Aufgrund dieser Mitteilung wurden die Reichstagsabgeordneten in die Lage versetzt, ihr allgemeines parlamentarisches Kontrollrecht gegenüber den Mitgliedern der Reichsregierung wahrzunehmen, die durch die Gegenzeichnung die Verantwortung für die

58 R. Grau, S. 150; W. Roche, RuPrVBI. 1929, S. 521 (523) nahm sogar eine rechtsstaat! iche Verpflichtung an. 59 Vgl. zur Sichtweise des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes in der Weimarer Zeit: R. Thoma, in: Anschützffhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S. 221 (227). 60 A. Brecht, in: v. Brauchitsch/DrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn. IV 1, Anm. 13; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 16; F. PoetzschReffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art.48, Anm. 16 a; a. A.: R. Grau, S. 161 f. und passim, der die Mitteilungspflicht auch auf die Maßnahmen der vom Reichspräsidenten ermächtigten Stellen erstreckte.

A. Verfassungsrechtliche Ausgangslage

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Diktatunnaßnahme übernommen hatten. So konnten die Abgeordneten z. B. im Wege einer Interpellation die Rechtfertigung der Maßnahme von der Regierung verlangen .61 Soweit dies wegen ihres tatsächlichen Charakters nicht ausgeschlossen war, konnte der Reichstag ferner nach Art. 48 Abs. 3 Satz 2 WRV durch einen mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschluß die "Außerkraftsetzung" der Maßnahme verlangen, was für den Reichspräsidenten eine Verpflichtung zur Aufhebung der gesamten Maßnahme begründete.62 Von einer Landesregierung konnte gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 2 WRV ebenfalls mit bindender Wirkung verlangt werden, daß sie eine aufgrund des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV erlassene Maßnahme aufhob. Antragsbefugt war hier neben dem Reichstag auch der Reichspräsident. Demgegenüber bestand weder für ein Reichsorgan noch für ein Landesorgan eine Handhabe, um die Außerkraftsetzung einer auf eine Nonn des Landesverfassungsrechts gestützten Maßnahme zu verlangen.63 (2) Die Möglichkeiten für eine gerichtliche Kontrolle der Diktaturgewalt (a) Kontrolleröffnung (aa) Verfassungsgerichtsbarkeit Streitigkeiten innerhalb des Reichsorganismus waren dem" Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich" als dem Reichsverfassungsgericht der Weimarer Republik nicht zugewiesen,64 so daß weder Reichstag noch Reichsrat noch einzelne politische Parteien oder Fraktionen in der Lage waren, die Rechtmäßigkeit von Diktatunnaßnahmen des Reichspräsidenten unter dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit im verfassungsgerichtlichen Verfahren anzugreifen.65

G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 18 vor a). G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 17 b; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 20 b; F. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 16 d. Zur Praxis des Außerkraftsetzungsverlangens: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 722 ff. 63 Vgl. zu den keine Verpflichtung begründenden Möglichkeiten der Landtage: R. Grau, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S.295 (300); H. Nawiasky, S. 201 f. 64 Zu den Hintergründen: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 542 ff. 65StGH, Entsch. v. 7.Juli 1928, Lammers/Simons, Bd.I, S.154 (155); Entsch. v. 7. Juli 1928, Lammers/Simons, a. a. 0., S. 155 (156); Entsch. v. 7. Dezember 1929, Lammers/Simons, Bd.lI, S.41 (42). Zur enumerativen Bestimmung der Verfahren: E. Friesenhahn, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S. 523 (529 ff.). 61

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Dagegen entschied der Staatsgerichtshof gemäß Art. 19 Abs. 1 Alt. 3 WRV, wenn die Verfassungsmäßigkeit einer durch den Reichspräsidenten erlassenen Diktaturmaßnahme zwischen einem Land und dem Reich umstritten war.66 Das Reich konnte in demselben Verfahren eine von einer Landesregierung auf die Landesverfassung gestützte Maßnahme sowie nach herrschender Meinung'i7 die Ausübung der Befugnisse aus Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV gerichtlich überprüfen lassen. In diesem Reich-Länder-Streit waren jedoch allein die Länder, i. d. R. vertreten durch die Landesregierungen, und das Reich, vertreten durch die Reichsregierung, parteifähig, aber nicht einzelne Personen, Fraktionen und politische Parteien.68 Demgegenüber waren in den Verfahren vor dem Staatsgerichtshof oder den Landesstaatsgerichtshöfen, die Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes zum Inhalt hatten (Art. 19 Abs. 1 Alt. 1 WRV), worunter auch Maßnahmen der Landesdiktaturgewalt subsumiert wurden,69 grundsätzlich alle Staatsorgane, Fraktionen, politische Parteien und sogar der einzelne Abgeordnete parteifähig. 70 Politischen Parteien wurde allerdings in diesen Verfahren nur dann die Aktivlegitimation zuerkannt, wenn um ihre Rechte und Funktionen im verfassungsmäßigen Ablauf des Wahl- oder Volksgesetzgebungsverfahrens, also nicht wenn um die Berechtigung von Verbotsmaßnahmen gestritten wurde.71

66 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 18 d; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 12 b; R. Grau, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S.275 (294). 67 Zu dem hinter dieser Streitfrage stehenden Problem, ob die Landesregierung als Reichs- oder Landesorgan handelte: vgl. für ein Handeln als Landesorgan: G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm.19 b; E. Jacobi, VVDStRL 1 (1924), S.103 (128 ff.); M. Schwalb, DJZ 1925, Sp.209 (212 ff.). Anders: RGSt 59, 185 (187 ff.); Bayer. Staatsgerichtshof, Entsch. v. 31.Januar 1924, Lammers!Simons, Bd. III, S. 171 (177); R. Grau, S. 142 und passim, der trotzdem die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 1 Alt. 3 WRV bejahte. 68 StGH, Entsch. v. 12. Mai 1928, Lammers/Simons, Bd. I, S.176 (176-4/28); 176 (177-2/28); Entsch. v. 13. Dezember 1929, Lammers/Simons, Bd.lI, S.42 (46); Entsch. v. 25. Oktober 1932, Lammers/Simons, Bd. V, S.30 (54 f.). Ausführlich: H. Triepel, Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern, S. 56 ff. 69 E. Friesenhahn, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 1I, S. 523 (534). 7°StGH, Entsch. v. 12. Januar 1922, Lammers/Simons, Bd.I, S.313 (315); Entsch. v. 17. Januar 1927, a. a. 0., S. 329 (334); Entsch. v. 23. März 1929, Lammers/Simons, Bd. 11, S. 51 (57); Entsch. v. 11. Dezember 1929, a. a. 0., S. 114 (115). Weitere Nachweise bei: E. Friesenhahn, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S. 523 (533). 71 SI. Rspr.: StGH, Entsch. v. 17. Dezember 1927, Lammers/Simons, Bd. I, S. 329 (335); Entsch. v. 17. Dezember 1927, a. a. 0., S. 341 (344 f.); Entsch. v. 17. Dezember 1927, a. a. 0., S. 398 (402); Entsch. v. 12. Mai 1928, a. a. 0., S. 411 (413); Entsch. v. 7. Juli 1928, a. a. 0., S. 309 (311); Entsch. v. 23. März 1929, Lammers/Simons, Bd.lI, S. 176 (181).

A. Verfassungsrechtliche Ausgangslage

65

(bb) Abstrakte Nonnenkontrolle Auf Landesverfassungsrecht gestützte und nach herrschender Meinung 72 auch auf der Grundlage des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV erlassene Verordnungen der Landesregierungen waren gemäß Art. 13 Abs. 2 WRV Gegenstand einer abstrakten Nonnenkontrolle vor dem Reichsgericht,n wenn die zuständige Landes- oder Reichszentralbehörde Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Reichsrecht hatte und das Verfahren beantragte. (ce) 1nzidente Kontrolle Da das richterliche Prüfungsrecht ernsthaft lediglich für die Vereinbarkeit fonneller Gesetze mit der Verfassung bestritten wurde/'ließ dieses "Modeproblem"75 der Weimarer Staatsrechtslehre die Zu lässigkeit einer richterlichen 1nzidentprüfung von Diktaturverordnungen nicht zweifelhaft erscheinen.'6 Wenn deshalb die Möglichkeit bestand, gegen ein Parteiverbot vor einem Gericht zu klagen, war auch seine in einer Verordnung bestehende Rechtsgrundlage gerichtlich überprüfbar. Die Verwaltungsgerichte verneinten allerdings regelmäßig ihre Zuständigkeit für die Prüfung der auf Diktaturverordnungen gestützten Einzelakte,77 so daß es, wenn durch die Verordnung kein besonderer Rechtsweg eröffnet wurde, gar nicht erst zu einer inzidenten Kontrolle kommen konnte. Hätte ein Gericht zudem inzidenter die Verfassungsmäßigkeit einer Verordnung verneint, wäre diese Feststellung nicht allgemeinverbindlich

72 Ob dies der Fall war, entschied sich ebenfalls danach, welche Position man in dem in der Fußnote 67 angedeuteten Streit einnahm. 73 Vgl. das Reichsgesetz zur Ausführung des Art. 13 Abs. 2 der WRV v. 8. April 1920 (RGB!. S. 510). 7' Vgl.: RGZ 111, 320 (322 ff.); E. v. Hippel, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S. 646 ff.; F. Morstein Marx, Variationen über richterliche Zuständigkeit zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Gesetzes (1927); R. Thoma, AöR 43 (1922), S. 267 ff. Ein Überblick über diese Streitfrage und ihre Konsequenzen fin~et sich bei: J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit, S. 57 ff.; H. Maurer, DOV 1963, S. 683 ff. 75 F. Morstein Marx, Variationen über richterliche Zuständigkeit, S. 5. 76 So sogar der erklärte Gegner des richterlichen Prüfungsrechts G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm.18 d. Vgl. ferner: RGZ 107,377 (379); RGSt 59,41 (44); 185 (187). Zweifelnd: G. Lassar, WDStRL 2 (1925), S. 81 (94). 77 Verwaltungsgericht Hamburg, Entsch. v. 2. April 1928 (auszugsweise abgedruckt bei: F. Morstein Marx, AöR 55 [1929], S. 268 [274]) anknüpfend an eine Entscheidung aus dem Jahre 1923 (veröffentlicht in: Entscheidungen der Hamburgischen Verwaltungsgerichte, Bd. I, S. 85, nach F. Morstein Marx, AöR 55 [1929], S. 268 [273]). Näheres bei: R. Grau, S. 152 f. Kritisch: F. Morstein Marx, AöR 55 (1929), S.268 (280 ff.).

S Stein

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

gewesen. Die Norm wäre vielmehr lediglich auf den Einzelfall nicht anwendbar gewesen. 78 (b) Der Umfang der richterlichen Kontrolle Wenn die Verfassungsmäßigkeit einer Diktaturmaßnahme Gegenstand in einem der aufgeführten, zulässigen gerichtlichen Verfahren war, stellte sich die Frage, in welchem Umfang diese Kontrolle erfolgen konnte. Trotz unterschiedlicher Begründungsansätze waren sich das Schrifttum79 und die RechtsprechungSO einig, daß den Trägem der Diktaturgewalt ein sehr weiter, zum Teil nicht justiziabler, Entscheidungsspielraum zur Verfügung stand. Die Diktaturmaßnahmen wurden deshalb allenfalls daraufhin geprüft, ob eine "offensichtliche Verkennung" der rechtlichen Erfordernisse oder ein "willkürlicher Mißbrauch" vorlag.81 (3) Zusammenfassung der Kontrollmöglichkeiten

Die politischen Parteien, die ein Verbot ja in erster Linie betraf, besaßen somit keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit einer zugrunde liegenden Diktaturmaßnahme in einem gerichtlichen Prinzipalverfahren klären zu lassen. Weil die Gerichte die Diktaturgewalt weitgehend außerhalb jeder lustiziabilität stellten, bot aber auch eine Inzidentkontrolle oder ein von einem anderen Antragsteller eingeleitetes Prinzipalverfahren wenig Aussicht auf Erfolg. Wie gering die Betroffenen selbst diese Möglichkeiten einschätzten, spiegelt sich darin wider, daß in der Praxis kein Versuch unternommen wurde, die Verfassungswidrigkeit einer Diktaturmaßnahme, auf die ein Parteiverbot gestützt wurde, gerichtlich klären zu lassen. Mehr Erfolg versprach demgegenüber der Versuch, darauf hinzuwirken, daß der Reichstag ein Außerkraftsetzungsverlangen stellte. Ob dieser die Aufhe78 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 18 d; R. Grau, S. 152 f. 79 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 18 d; L. Gebhard, Art. 48, Anm. 12 b; F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 48, Anm.5; R. Grau, S. 152 f.; E. Jacobi, VVDStRL 1 (1924), S. 103 (122); c. Schmitt, Die staatsrechtliche Bedeutung der Notverordnung, S.235 (258). A. A.: W. Apelt, JW 1931, S. 698 (701). so RGSt 59, 185 (188); 66, 255 (257); RGZ 137, 183 (186); StGH, Entsch. v. 21. November 1925, Lammers/Simons, Bd. I, S. 267 (273); in: RGZ 134, Anh. 26 (44); 138, Anh. 1 (36). Die unterschiedlichen Ansätze sind ausführlich dargestellt bei: C. Gusy, Wehrlose Republik? S. 77 ff. 81 RGSt 59,185 (188).

A. Verfassungsrechtliche Ausgangslage

67

bung der Maßnahme verlangte, hing allein von wechselnden Mehrheiten sowie von persönlichen Überzeugungen und dem parteipolitischen Zugehörigkeitsgefühl des einzelnen Abgeordneten ab.82 Politischen Parteien, die selbst mit einer größeren Anzahl von Abgeordneten im Parlament vertreten waren oder die über einen gewissen Einfluß auf die Mehrheitsfraktionen verfügten, war es auf diesem Weg ohne Rücksicht auf Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte möglich, die Aufhebung von Verboten zu erreichen. Die Aufrechterhaltung der aufgrund der Diktaturbefugnisse verhängten Parteiverbote hing folglich in besonderer Weise von der politischen Opportunität der Maßnahmen ab. 2. Parteiverbote als Folge verfassungsändemder oder verfassungsdurchbrechender Gesetze

Wenn Parteiverbote außerhalb des Vorbehalts der Strafgesetze auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden sollten, deren Anwendung nicht so krisenabhängig und durch ein Außerkraftsetzungsverlangen des Reichstags gefährdet war wie die Diktaturbefugnisse und die deshalb eher Kontinuität versprach, war es erforderlich, Art. 124 WRV zu ändern. Anders als Art. 79 Abs. 3 GG, der ausdrücklich bestimmte materielle Elemente der Verfassung einer Änderung entzieht,83 knüpfte der insofern thematisch einschlägige Art. 76 Abs. 1 Satz 2 WRV die Verfassungsänderung durch den Gesetzgeber lediglich daran, daß bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglieder des Reichstags mindestens zwei Drittel der Anwesenden einer Änderung zustimmten. Ferner durfte grundsätzlich nicht mehr als ein Drittel der Reichsratsmitglieder gegen die Verfassungsänderung Einspruch erheben.84 Ganz im Zeichen des Positivismus hielt die herrschende Meinung, bei Wahrung dieser sich aus dem Wortlaut ergebenden formellen Erfordernisse, jede Verfassungsänderung bis hin zu einer Totalrevision für zulässig85 • Auch Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV konnte also mit den beschriebenen Mehrheiten im Reichstag und Reichsrat geändert werden. 82 Deshalb wurde diese Kontrolle auch als politisch bezeichnet, so: G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 18 vor a); R. Grau, S. 160. 83 H. U. Evers, in: BK GG, Bd.7, Art. 79 Abs. 3, Rn. 161 ff.; J. Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 79, Rn. 20 ff.; K. Stern, § 5 IV 1. 84 Zu den Besonderheiten der Abstimmung im Reichsrat: E. R. Huber Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 419. 85 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 76, Anm. 1, 3; F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art.76, Anm.1; W. Jellinek, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S. 182 ff.; K. Loewenstein, S. VII, 229 ff.; F. PoetzschHeffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 76, Anm. 1; R. Thoma, in: Anschütz(fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd.lI, S. 108 (153); ders., in: Nipperdey (Hrsg.),

68

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

In der Staatspraxis überwog im Vergleich zu einer solchen ausdrücklichen Änderung des Verfassungswortlauts die sogenannte "Verfassungsdurchbrechung" , bei der ein mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossenes Gesetz von der Verfassung abweichen konnte, ohne daß der Verfassungstext geändert wurde.86 Die Möglichkeit einer Verfassungsdurchbrechung wurde auch durch die Rechtsprechung87 und den überwiegenden Teil der Staatsrechtslehre88 als zulässig anerkannt. Im Geltungsbereich eines verfassungsändernden oder verfassungsdurchbrechenden Gesetzes bestand demnach die Möglichkeit, auch die Parteien zu verbieten, die keinen strafrechtswidrigen Zweck verfolgten.

IH. Zusammenfassung Obwohl sie selbst keine Verbotsnorm enthielt, gab die Weimarer Verfassung doch die Grenzen vor, in denen ein Parteiverbot zulässig war. Der Gesetzgeber konnte die Exekutive durch Normen, die er im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschloß und die den in Art. 124 Abs. 1 WRV vorgesehenen Vorbehalt der Strafgesetze ausfüllten, zu einem Verbot politischer Parteien ermächtigen. Wenn sich im Reichstag und im Reichsrat die notwendigen verfassungsändernden Mehrheiten fanden, war es dem Gesetzgeber zudem möglich, Normen zu erlassen, die ein Verbot von anderen Voraussetzungen abhängig machten als von einem strafrechtswidrigen Zweck der Parteien. Denkbar war ferner, daß der Reichspräsident oder die Landesregierungen kraft der ihnen eingeräumten Diktaturbefugnisse Parteiverbote verfügten oder Verordnungen in Kraft setzten, auf deren Grundlage Parteiverbote ausgesprochen werden konnten.

Grundrechte und Grundpflichten, Bd. I, S.1 (39 ff.); L. Wittmayer, S.439. A. A.:

C. Bilfinger, AöR NF 11 (1926), S. 163 (180); C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 11 ff.,

26, 102 ff. und passim. 86 Vgl. die Übersicht bei: F. Poetzsch-HefJter, JöR XIII (1925), S. 226 ff.; JöR XVII (1929), S. 139 ff.; JöR XXI (1933/34), S. 201 ff. 87 RG, Entsch. v. 25. März 1927, JW 1927, S. 2198 (Nr. 14). 88 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 76, Anm. 2; F. Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 76, Anm. 1; W. Jellinek, in: Anschütz!fhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S. 182 (187); F. Poetzsch-HefJter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 76, Anm. 2. Kritisch dazu mit unterschiedlichen Akzenten: C. Bilfinger, AöR NF 11 (1926), S. 163 ff.; A. zu Dohna, 33. DJT (1924), S. 31 ff.; K. Loewenstein, S. 164 ff., 233 ff., 295; H. Triepel, 33. DJT (1924), S. 45 ff.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

69

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote I. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes 1. Eingrenzung der behandelten Verbotsgrundlagen

Alle der unter A. dargestellten drei Wege wurden in der Weimarer Republik bei der Verhängung von Parteiverboten beschritten. Vor allem der Reichspräsident und die Landesregierungen erließen - gestützt auf ihre Diktaturbefugnisse - eine Vielzahl von Verordnungen, die wegen der zugleich erfolgten Außerkraftsetzung des Art. 124 Abs. 1 WRV als Rechtsgrundlagen für Parteiverbote in Betracht kamen. Aufgrund der meisten dieser Verordnungen, die überwiegend in den ersten nach revolutionären Wirren ergingen, wurde jedoch tatsächlich kein Parteiverbot verhängt. Auch enthielten diese in ihrer Wirkung zeitlich und örtlich eng umgrenzten Bestimmungen regelmäßig keine Merkmale, die über den Wortlaut des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV hinausgingen und die sie zumindest unter dem besonderen Blickwinkel der Parteiverbotsmöglichkeiten interessant gemacht hätten.89 Deshalb soll über die Verordnungen, die bis auf die Außerkraftsetzung des Art. 124 Abs. 1 WRV keine speziell auf Parteiverbote hinweisenden Voraussetzungen enthielten und die tatsächlich nicht für den Ausspruch von Parteiverboten herangezogen wurden, der Vollständigkeit halber lediglich ein Überblick gegeben werden. Es handelte sich um folgende auf Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV gestützte Verordnungen des Reichspräsidenten: • VO vom 20. Oktober 1919,90 • VO vom 30. Oktober 1919,91 • VO vom 14. November 1919,92 • VO vom 21. November 1919,93

89 Zu den Verordnungen vor Inkrafttreten der WRV und der ersten nachrevolutionären Phase ausführlich: H.-D. Kimmei, Der Belagerungs- bzw. Ausnahmezustand in Deutschland von 1919 - 1921 (1971). 90 Drucks. Nr. 1430, An\. Verh. Natvers., Bd.339, S. 1371 f. mit Geltung für den Kreis Schleusingen, den Landkreis Ohrdruf und die Stadt Zehla-Mehlis; aufgehoben durch VO v. 11. November 1919 (Drucks. Nr.1442, An\. Verh. Natvers., Bd.339, S.1378). 91 Drucks. Nr. 1437, An\. Verh. Natvers., Bd. 339, S. 1375 f. mit Geltung für Siegen; aufgehoben durch VO v. 11. November 1919 (Drucks. Nr. 1442, An\. Verh. Natvers., Bd. 339, S. 1378). 92 Drucks. Nr. 1881, An\. Verh. Natvers., Bd. 341, S. 2036 mit Geltung im Kreis Labiau; aufgehoben durch VO v. 13. Januar 1920 (RGB\. S. 207 ff.).

70

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik • VO vom 26. November 1919,9' • VO vom 11. Januar 1920,95 • VO vom 13. Januar 1920,96 • VO vom 10. April 1920,97 • VO vom 27. Juni 1920,98 • VO vom 23. Juli 1920,99 • VO vom 6. September 1920,100 • VO vom 24. März 1921,101 • VO vom 20. Juli 1932 102 .

In folgenden Ländern erließen die Landesregierungen in Berufung auf ihre Rechte aus Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV Verordnungen, in denen Art.124 Abs. 1 WRV außer Kraft gesetzt wurde: • Baden: VO vom 18. September 1923,103 • Bayern: VO vom 16. Januar 1923 104 und VO vom 11. Mai 1923,105

93 Drucks. NT. 1536, Anl. Verh. Natvers., Bd. 340, S. 1532 mit Geltung für Bitterfeld; aufgehoben durch VO v. 12. Dezember 1919 (nach: F. Poetzsch-Heffter, JöR XIII [1925], S. 141). 94 Drucks. NT. 1658, Anl. Verh. Natvers., Bd. 340, S. 1694 f. mit Geltung für Gummersbach; aufgehoben durch VO v. 8. Januar 1920 (Drucks. NT. 1900, Anl. Verh. Natvers., Bd. 341, S. 2043). 95 RGBI. S. 41 f. mit Geltung für Düsseldorf, Amsberg, Münster und Minden; aufgehoben durch VO v. 12. Juni 1920 (RGBI. S. 1198). 96 RGBI. S. 207 mit regionaler Geltung; aufgehoben im letzten Gebiet durch VO v. 31. August 1920 (RGBI. S. 1643). 97 RGBI. S. 477 mit Geltung für Sachsen-Gotha; aufgehoben durch VO v. 6. Juli 1920 (RGBI. S. 1453). 98 RGBI. S. 479 mit Geltung für Hamburg und Schleusingen; aufgehoben durch VO v. 5. August 1920 (RGBI. S.1557) und v. 31. August 1920 (RGBI. S.1643). 99 RGBI. S. 1477 f. mit Geltung für den Wehrkreis I; aufgehoben durch VO v. 30. August 1921 (RGBI. S. 1256). 100 RGBI. S. 1659 f. mit Geltung für Breslau; aufgehoben durch VO v. 20. September 1920 (nach: F. Poetzsch-Heffter, JöR XIII [1925], S. 143). 101 RGBI. S. 253 f. mit Geltung für Sachsen; aufgehoben durch VO v. 30. August 1921 (RGBI. S. 1250). RGBI. S. 254 f. mit Geltung für Hamburg; aufgehoben durch VO v. 3. Juni 1921 (RGBI. S. 734). 102 RGBI.I S. 377 mit Geltung für Berlin-Brandenburg; aufgehoben durch VO v. 26. Juli 1932 (RGBI. I S. 387). IOJ Drucks. NT. 6242, Anl. Verh. RT, Bd. 380, S. 7532 f.; aufgehoben durch VO v. 25. September 1923 (Drucks. NT. 6285, Anl. Verh. RT, Bd. 380, S. 7554). 104 Drucks. NT. 5538, Anl. Verh. RT, Bd. 376, S. 6240, gestützt auf Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV und auf § 64 Bayer. Verfassung; aufgehoben durch VO v. 5. Februar 1923 (Drucks. NT. 5549, Anl. Verh. RT, Bd. 376, S. 6250).

71

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote • Hamburg: va vom 27. Juni 1920/06 13. August 1923,108

va

vom 23. März 1921 107 und

va

vom

va vom 1. August 1920,109 • Württemberg: va vom 23. Juni 1920110 . • Sachsen:

2. Exkurs: Überblick über die Parteien am rechten und linken Rand des Parteienspektrums

Die für die Zeit des Konstitutionalismus typische Auffächerung des Parteienspektrums in die fünf Grundrichtungen des Konservatismus, des politischen Katholizismus, des rechten und des linken Liberalismus und des Sozialismus blieb über die Novemberrevolution hinaus erhalten, was sich zunächst auch in dem Erfolg der neu organisierten Parteien in der Januarwahl 1919 zur verfassunggebenden Nationalversammlung widerspiegelte,111 Schon bald bildeten sich neben neuen gemäßigten Splitterparteien ll2 an den Rändern dieses überkommenen Parteiengefüges extremistische Parteien heraus, die zunehmend auch in Wahlen erfolgreich waren. Da diese Parteien mit ihren extremen Forderungen naturgemäß am ehesten als Adressaten von Parteiverboten in Frage kamen, erscheint es angebracht, die

105 Drucks. Nr. 5878, Anl. Verh. RT, Bd. 378, S. 69 fL, gestützt auf Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV und auf § 64 Bayer. Verfassung; aufgehoben durch va v. 14. Februar 1925 (Bayer. Staatszeitung vom 14. Februar 1925, Nr. 37, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 345, S. 368 L). 106 Drucks. Nr. 152, Anl. Verh. RT, Bd. 363, S. 140; aufgehoben durch va v. 9. Juli 1920 (Drucks. Nr. 357, Anl. Verh. RT, Bd. 363, S. 259). 107 Drucks. Nr. 1776, Anl. Verh. RT, Bd.366, S. 1488; aufgehoben durch va v. 30. März 1921 (Drucks. Nr. 1842, Anl. Verh. RT, Bd. 366, S. 1561). 108 Drucks. Nr. 6179, Anl. Verh. RT, Bd.379, S.7442; aufgehoben durch va v. 7. November 1923 (Drucks. Nr. 6392, Anl. Verh. RT, Bd. 380, S. 7657). 109 Drucks. Nr. 418, Anl. Verh. RT, Bd.363, S. 295 L; aufgehoben durch va v. 5. August 1920 (Drucks. Nr. 520, Anl. Verh. RT, Bd. 364, S. 395). 110 Drucks. Nr. 181, Anl. Verh. RT, Bd.363, S. 158 L; aufgehoben durch va v. 14. Juli 1920 (Drucks. Nr. 412, Anl. Verh. RT, Bd. 363, S. 290). 111 Ergebnis bei: H. Kaack, S. 86, Tabelle 14 und E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 141. Bei den Parteien handelte es sich um die Deutschnationale Volkspartei (nationalkonservativ), Deutsche Volkspartei (nationaler Liberalismus), Deutsche Demokratische Partei (linker Liberalismus), Zentrum (politischer Katholizismus) und die Sozialdemokratische Partei + Unabhängige Sozialdemokratische Partei (Sozialismus). 112 Z. B. Christlich-soziale Bewegung (dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 174), WirtschaJtspartei (dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 187 fL), Bayerische Volkspartei (dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 205 fL).

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

72

Umstände ihrer Gründung und ihr Programm zunächst in einem Überblick darzustellen. Berücksichtigt werden dabei nur die Gruppierungen, die die Kriterien des oben dargestellten Parteibegriffs erfüllten. 1I3

a) Die Parteien der äußersten politischen Rechten aa) Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Die eigentliche Gründung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, die aus der national-revolutionären Deutschen Arbeiterpartei hervorging, erfolgte am 24. Februar 1920 mit Sitz in München.114 Das am selben Tag von dem späteren Vorsitzenden der Partei Adolf Hitler verkündete Programm der NSDAP wurde durch antisemitische Forderungen bestimmt. So hieß es in den Ziffern 4 - 6 des Programms unter anderem:

"Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein. Wer nicht Staatsbürger ist, soll nur als Gast in Deutschland leben können und muß unter fremder Gesetzgebung stehen. Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates zu bestimmen, darf nur dem Staatsbürger zustehen. Daher fordern wir, daß jedes öffentliche Amt, gleich welcher Art, gleich ob im Reich, Land oder Gemeinde nur durch Staatsbürger bekleidet werden darf."115 In Ziffer 6 des Programms kam mit der Formel ,,Bekämpfung der korrumpierenden Parlamentswirtschaft" die weitere Hauptforderung der NSDAP nach einer Abschaffung des parlamentarischen Systems zum Ausdruck. Diesem Ziel entsprechend lehnte die NSDAP zunächst ihre Beteiligung an Wahlen ab. Die Partei änderte diese Strategie jedoch schnell und konnte in der Reichstagswahl vom Mai 1924 bereits 32 Abgeordnetenmandate im Reichstag erringen. 116

Vgl.: 2. Kapitel, A. M. Weißbecker, in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. 11, S. 388. Zur Frühgeschichte ausführlich: W. Maser, Der Stunn auf die Republik (1973). 115 Programm abgedruckt bei: W. Maser, S. 465 ff. 116 Die NSDAP trat in dieser Wahl im Bündnis mit der DVFP als Nationalsozialistische Freiheitsbewegung an. Zum Wechsel der Strategie: M. Weißbecker, in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. 11, S. 385 ff. (dort auch das Ergebnis der MaiWahl). 113

114

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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bb) Die Deutschsoziale Partei Die Deutschsoziale Partei wurde am 9. November 1921 von einer Gruppe Deutschnationaler, die aus der DNVP ausgetreten waren, mit Sitz in Berlin gegrundeL 117 Sie charakterisierte sich selbst als politische Partei, "die für die ausschließliche Herrschaft der Deutschen im Deutschen Reich und die staatliche Selbständigkeit des deutschen Volkes inmitten aller Staaten und Völker der Erde kämpft", die "als soziale Partei den Ausgleich aller ...Scheidungen im deutschen Volk von jeder wirtschaftlichen Not erstrebt."118 In ihrem Programm stellte die DSP eine Reihe wirtschaftlicher, antikapitalistischer Forderungen auf. Eines ihrer zentralen Ziele war ferner die ,,Ausweisung aller seit dem 1. August 1914 eingewanderten Juden und sonstigen Ausländer ... , die Schließung der Grenzen gegen neue Einwanderung ... , die im Land verbliebenen Juden unter Fremdenrecht zu stellen."119 Die Staatsform wollte die DSP durch einen Volksentscheid bestimmen lassen .120 Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung hatte die Partei mehr als 34000 Mitglieder und zog nach den Reichstagswahlen im Mai 1924 sogar mit vier Abgeordneten in den Reichstag ein. l2l cc) Die Deutschsozialistische Partei Die Deutschsozialistische Partei ging aus den nach dem Ersten Weltkrieg zahlreich gebildeten "völkischen" Gruppen hervor. Auf ihrem Grundungsparteitag Ende April 1920 beschrieb der Parteiführer Alfred Brunner das Hauptziel der Partei mit der Forderung nach einer grundlegenden Umgestaltung der Wirtschaft. Die DsozP forderte die "Verstaatlichung des Geldwesens, den Abbau der Zinswirtschaft, die Enteignung von Großbetrieben, die Regelung des Großgrundbesitzes und eine neue Steuergesetzgebung."I22 Dabei grenzte sich die Partei streng von den Kommunisten und allen sonstigen marxistischen Ideen ab. Sozialismus wurde vielmehr als "uneingeschränkte Pflichterfüllung", als M. Weißbecker , in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. I, S. 757. 118 Auszug aus einer parteiamtlichen Erklärung, bei: M. Weißbecker, in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. I, S. 757. 119 Punkt 16 des Programms, zitiert nach RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 137 (138 VS). 120 Punkt 17 des Programms, zitiert nach RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, a. a. 0., BI. 137 (138 VS). 121 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 282. 122 Programm bei: M. Weißbecker, in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. I, S. 763. 117

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

"christlich-ethisches Postulat" verstanden. l23 Gemeinsam mit der NSDAP war der DSozP vor allem ihr Ruf nach einem ,judenreinen" Staat; im Gegensatz zur NSDAP nahm die DSozP von vornherein - zunächst sogar mit einigem Erfolg - an Wahlen teil. l24 dd) Die Deutschvölkische Freiheitspartei Wie die DSP entstand die Deutschvölkische Freiheitspartei aus einer Abspaltung von der DNVP. Den Anlaß für die Gründung der DVFP boten die Versuche deutschnationaler Parteiführer, die radikale nationale Strömung innerhalb der DNVP zu gemäßigteren Aussagen zu bewegen. Als dies bei dem Reichstagsabgeordneten Wilhelm Henning nicht gelang, schloß die DNVP ihn Ende Juli 1922 aus. l2S Nachdem zwei weitere Abgeordnete der DNVP mit dem Ausgeschlossenen solidarisch ihren Austritt erklärt hatten, und eine Beilegung des Konflikts nicht gelang, gründeten diese Abgeordneten und andere Angehörige des rechten Flügels der DNVP am 16. Dezember 1922 die DVFP mit Sitz in Berlin .126 Als Hauptziel bezeichnete die DVFP die Errichtung einer "völkischen Diktatur", in der der Reichstag durch ein ständisches Berufsparlament ersetzt werden sollte. 127 Ihre Aktivitäten konzentrierte die DVFP auf Norddeutschland. 1Z8 b) Die Kommunistische Partei Deutschlands als Partei der äußersten politischen Linken

Die Angehörigen des Spartakus-Bundes trennten sich im Dezember 1918 von der USPD und gründeten am Jahreswechsel 1918/19 die Kommunistische Partei Deutschlands. l ]!} Auf ihrem Gründungsparteitag übernahm die KPD die Leitsätze des Spartakus-Bundes als Programm. Als Ziel bezeichneten diese Leitsätze den Kommunismus, nämlich einen Gesellschaftszustand, in dem alle Produktionsmittel in den Händen "des gesamten arbeitenden Volkes" stünden, in dem es keine ,,Klassen" mehr gebe. Um diese Forderung zu verwirklichen, sei die "bewaffnete Herrschaft der Arbeiterklasse" erforderlich. In verfassungsNachweis bei: W. Maser, S. 231. W. Maser, S. 228. 12S Dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 282. 126 M. Weißbecker , in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. I, S. 767. 127 Vgl. das Programm v. 1923, bei: M. Weißbecker, in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. I, S. 767. 128 M. Weißbecker , in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. I, S. 767. 129 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. V, S. 1000. 123

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B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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politischer Hinsicht strebte die KPD nach einer Abschaffung der Einzelstaaten und der Beseitigung aller Parlamente zugunsten von Arbeiter- und SoldatenrätenYo An Wahlen wollte sich die KPD zunächst nicht beteiligen. 13I Nachdem die kommunistischen Aufstandsbewegungen Anfang und Mitte des Jahres 1919 fehlgeschlagen waren, verwarf die KPD ihren Beschluß, sich nicht an Wahlen zu beteiligen, und bejahte die Teilnahme daran als "taktisches Mittel" .132

11. Parteiverbote aufgrund des Reicbsvereinsgesetzes vom 19. April 1908 1. Regelungsinhalt der aus dem Reichsvereinsgesetz als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm

Als Rechtsgrundlage für den Erlaß eines Parteiverbots war von den Normen des Reichsvereinsgesetzes 133 § 2 Abs. 1 heranzuziehen, wonach ein Verein, dessen Zweck den Strafgesetzen zuwiderlief, aufgelöst werden konnte.

a) Fortgeltung des § 2 Abs. 1 RVereinsG Die Geltung des Reichsvereinsgesetzes war nach den Ereignissen der Revolution von 1918 fraglich geworden. Soweit man dem Aufruf der Volksbeauftragten vom 12. November 1918,'34 nach dessen Ziffer 2 die Vereins- und Versammlungsfreiheit keiner Beschränkung mehr unterlag, Gesetzeskraft zuerkannte,135 bestand Einigkeit darüber, daß durch diese Bestimmung nicht das Reichsvereinsgesetz insgesamt aufgehoben worden war. Vielmehr waren die Normen, die keine Beschränkungen im Sinne der Ziffer 2 des Aufrufs enthielten, in Kraft geblieben, was überwiegend auch für § 2 Abs. 1 RVereinsG angenommen wurde. l36

130 Das Programm ist auszugsweise zitiert bei: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. V, S. 999. 131 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. V, S. 1001. 132 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. V, S. 1093 ff.; Bd. VI, S. 257. 133 RGBI. 1908, S. 151 ff., i. d. F. v. 26. Juni 1916 (RGBI. S. 635) und v. 19. April 1917 (RGBI. S. 361). 134 RGBI. S.1303, i. V. m. dem Übergangsgesetz v. 4. März 1919 (RGBI. S. 285) und dem im RAnz. Nr. 79 v. 5. April 1919, Beil. 1 veröffentlichten Verzeichnis. 135 A. A.: PrKG, Entsch. v. 10. Juni 1921, JW 1921, S. 1092 ff. (Nr. 1). 136 RGSt 56, 177 (183); G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 123, Anm. 3; A. Brecht, in: v. Brauchitsch/DrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd. 11, 1. Halbbd. (1932), Abschn.1I Vorbem., Anm.2; H. v. fan, Einl., S. 16 ff.; a. A.:

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Da die Auflösungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 RVereinsG dem Vorbehalt in Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV entsprachen, stand die vereinsrechtliche Norm auch nicht der Weimarer Reichsverfassung entgegen und galt gemäß Art. 178 Abs. 2 WRV fort. I37 b) Voraussetzungen

Im öffentlichen Vereinsrecht war seit langem anerkannt, daß politische Parteien, die die Merkmale eines (öffentlich-rechtlich verstandenen) vereinsmäßigen Zusammenschlusses aufwiesen, unter den Vereinsbegriff subsumiert werden konntenYs Die Auslegung zum Vereins recht in der Weimarer Republik übernahm den zuvor entwickelten Vereinsbegriff, so daß § 2 Abs. 1 RVereinsG weiter auf politische Parteien angewandt wurdeY9 Der Zweck einer Partei lief den Strafgesetzen zuwider, wenn das Ziel der Partei strafbar war. Hierfür reichte es nicht aus, daß einzelne Partei anhänger die Begehung von Straftaten mit Hilfe der Partei (z. B. unter Nutzung der Parteieinrichtungen) bezweckten, sondern die strafrechtswidrige Zielsetzung mußte der Partei als solcher zurechenbar sein, was etwa der Fall war, wenn eine größere Anzahl ihrer Anhänger oder einzelne führende Mitglieder die Verübung von Straftaten anstrebten. l40 Unerheblich war dabei, ob die Verfolgung des strafrechtswidrigen Zweckes Haupt- oder nur Nebenziel der Partei war.141 Im Zusammenhang mit politischen Parteien kamen als Strafgesetzverstoß von den Vorschriften des Strafgesetzbuches l42 vor allem die Bestimmungen über Hochverrat (§§ 81-86 StrGB), Landfriedensbruch (§ 125 StrGB) und Aufruhr (§ 115 StrGB) in Betracht. 143 Da es immer der erste Zweck einer Partei ist zu bestehen und Mitglieder zu haben, war ihre Auflösung ohne Nachweis des Zwecks einer Begehung strafbarer Handlungen ebenfalls möglich, wenn bereits W. fellinek, JW 1920, S.753 (756); L. Waldecker , in: AnschützfThoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. 11, S. 637 (649). I37 H. v. fan, Ein!., S. 24; K. Schneidewin, in: Stengleins Kommentar, Bd. 11 (1931), Nr. 81, S. 860. 138 Vg!. 2. Kapitel, E.l. und 11. 2. b). 139PrOVG, Entsch. v. 16.Januar 1930, RuPrVBI. 1930, S.500;A.Brecht, in: v. Brauchitsch/DrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn. 11, Vorbem., Anm. 1; H. v. fan, § 1, Anm. 5 b; G. Lindenberg, in: Stengleins Kommentar, Bd.1 (1911), Ab!. I, § 3, Anm. 4. J.40 H. v. fan, § 1, Anm. 4 a; G. Lindenberg, in: Stengleins Kommentar, Bd.1 (1911), Abt. I, § 2, Anm. 3. 141 E. v. Sartor, § 1, Anm. 4 m. w. N. 142 Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich v. 15. Mai 1871 (RGBI. S. 127 ff.) i. V. m. dem Übergangsgesetz v. 4. März 1919 (RGBI. S. 285). 143 H. v. fan, § 2, Anm. 2.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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die Existenz der Partei im Widerspruch zum Strafrecht stand, was zum Beispiel bei geheimen oder staatsfeindlichen Verbindungen im Sinne der §§ 128, 129 StrGB der Fall war. l44 Um Verschleierungen der wahren Zielsetzung zu vermeiden, wurde die Frage, ob der Zweck einer Partei den Strafgesetzen zuwiderlief, in erster Linie auf der Grundlage der Betätigung der Partei (z. B. der Thematik der Parteiversammlungen) und dem Verhalten ihrer Anhänger, die als Parteianhänger agieren mußten, entschieden; nur ergänzend wurde auf das Parteiprogramm oder andere parteioffizielle Erklärungen abgestellt.14s Der Zweck der Partei lief den Strafgesetzen zuwider, wenn die Möglichkeit einer Strafverfolgung gegeben war. Dafür war es nicht erforderlich, daß ein Strafverfahren tatsächlich eingeleitet worden war. Weil es nur auf den Zweck ankam, brauchte auch die strafbare Handlung noch nicht tatsächlich begangen worden zu sein. l46 c) Formelle Erfordernisse

aa) Zuständigkeiten Das Reichsvereinsgesetz benannte keine zum Erlaß einer auf § 2 Abs. 1 RVereinsG gestützten Verfügung berechtigte Behörde, so daß der Vollzug nach Art. 14 WRV den Ländern oblag, die Ausführungsbestimmungen erlassen konnten. 147 In diesen Bestimmungen, die mit geringfügigen Änderungen überwiegend aus der Zeit vor 1918 stammten, wurde die sachliche Zuständigkeit für den Erlaß von Auflösungsverfügungen den Ortspolizeibehörden, den Kreisämtern oder vergleichbaren Ortsbehörden zugewiesen. l48 Die örtliche Zuständigkeit richtete sich grundsätzlich nach dem Sitz der Partei. 149

144 A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.lI, I. Halbbd. (1932),Abschn. 11 2, § 2,Anm. 3 a;H. v.Jan, § I,Anm. 4 b, § 2,Anm. 2. 145 Bayer. VGH, Entsch. v. 11. Oktober 1922, JW 1923, S. 544 (Nr. 2); A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn.1I 2, § 2, Anm. 3 b. 146 H. v. Jan, § 1, Anm. 4 c, § 2, Anm. 1. 147 H. v. Jan, § 2, Anm.4. Zur Zuständigkeitsverteilung insgesamt: F. Giese, Dt. Staatsrecht, S. 114. 148 Vgl. z. B. für Bayern: Bayer. Gesetz zum Vollzug des Vereinsgesetzes v. 6. Juli 1908 (Bayer. GVBI. S. 351). Ein nur teilweise für die Zeit der Weimarer Republik nicht mehr aktueller Überblick über die landesrechtlichen Regelungen findet sich bei: G. Lindenberg, in: Stengleins Kommentar, Bd. I (1911), Abt. I, § 2, Anm. 14. 149 A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn. 11 2, § 2, Anm. 8.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

bb) Sonstige fonnelle Erfordernisse Gemäß § 2 Abs. 2 RVereinsG war die endgültige Auflösung öffentlich bekanntzumachen. Wie die Bekanntmachung zu erfolgen hatte, ergab sich aus Bestimmungen des Landesrechts; jedenfalls mußte die Allgemeinheit die "Möglichkeit zur Kenntnisnahme" (z. B. durch eine Veröffentlichung in Zeitungen) haben. lso

d) Rechtsfolgen Da die Auflösung aufgrund des Reichsvereinsgesetzes erfolgen konnte, war die Entscheidung in das Ennessen der zuständigen Behörde gestellt. lSl Durch eine Auflösung wurde die rechtliche Existenz einer Partei für beendet erklärt. 1S2 Fraglich war, in welcher Beziehung die Rechtsfolge der Auflösung zu der naheliegenden Rechtsfolge des Verbots stand. Der Unterschied zwischen diesen bei den Rechtsfolgen wurde nicht etwa darin gesehen, daß eine Auflösung nach und ein Verbot nur vor der Gründung der Partei ausgesprochen werden konnte. Vielmehr wurde die Auflösung als die im Vergleich zum Verbot einschneidendere Sanktion bewertet: Die Auflösung bedeutete die völlige rechtliche Beseitigung der Partei, die Zerschlagung all ihrer Organe und Einrichtungen, während das Verbot ,)ediglich" befahl, daß sie sich jeder Daseinsäußerung zu enthalten hätte. 1S3 Insofern schloß die Auflösung die Rechtsfolge eines Verbots einY" Allerdings wurde darauf hingewiesen, daß ein Verbot zum Ausdruck bringe, daß die von ihm betroffene Partei der Rechtsordnung zuwiderlaufe und damit nicht von ihr zugelassen werde. Dies bedeute aber letztlich nichts anderes als die rechtliche Vereitelung ihrer Existenz, eben ihre Auflösung. 1SS Weil die theoretische Bezeichnung bei der Rechtsfolgen also erhebliche Überschneidungen aufwies, wurde versucht, den Unterschied an den praktischen späteren Folgen beider Sanktionen zu verdeutlichen: Eine aufgelöste Partei mußte nach Aufhebung dieser Maßnahme neu gegründet werden,

H. v. Jan, § 2, Anm. 6. G. Lindenberg, in: Stengleins Kommentar, Bd. I (1911), Abt. I, § 2, Anm. 4. 152 RGSt 59, 163 (165); RG, Entsch. v. 3. März 1930, JW 1930, S. 2554 (Nr.2); H. v. Jan, § 2, Anm. 4. 153 RGSt 59, 163 (165); H. v. Jan, § 2, Anm.4; W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. IX. 154 PrOVG, Entsch. v. 5. Februar 1931, DJZ 1931, Sp. 712. ISS RGSt 59,163 (165); H. v. fan, § 2, Anm. 4. ISO

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B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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während die verbotene Partei ihre Tätigkeit nach Wegfall des Verbots ohne weiteres wieder aufnehmen konnte. 156 Zur Durchsetzung der Auflösungsverfügung konnten zwar die polizeilichen Zwangsmittel des Landesrechts angewandt werdenY7 Die tatsächliche Fortsetzung einer nach dem Reichsvereinsgesetz aufgelösten Partei war jedoch nicht strafbar. Auch war die Bildung von Ersatzorganisationen der aufgelösten Partei, die dieselben Ziele unter einer anderen Bezeichnung weiterverfolgten, sanktionslos zulässig. Diese ,,neuen" Parteien konnten lediglich durch eine selbständige Verfügung aufgrund des § 2 Abs. 1 RVereinsG aufgelöst werden. 158 Als die allgemeinere Regelung wurde § 2 Abs. 1 RVereinsG von den Normen, die die Möglichkeit eines Parteiverbots an die Begehung bestimmter Sonderdelikte knüpften, verdrängt. Verfolgte die Partei Zwecke, die sowohl den Sondervorschriften als auch den allgemeinen Strafvorschriften zuwiderliefen, konnten die Verbotsgrundlagen nebeneinander zur Anwendung kommen. 159 2. Rechtsschutzmöglichkeiten Die Auflösungsverfügung konnte gemäß § 2 Abs. 2 RVereinsG im Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden, dessen Einzelheiten die Länder in ihren Verwaltungsgesetzen regelten. l60 Stand ein solches Verfahren nach dem Landesrecht nicht zur Verfügung, was seit 1926 nicht mehr der Fall war, konnte ersatzweise das Rekursverfahren nach den §§ 20, 21 der Gewerbeordnung eingeleitet werden. 161 Weil eine Auflösungsverfügung gemäß § 2 Abs. 2 RVereinsG in den in dieser Norm beschriebenen Verfahren lediglich angefochten werden konnte, blieben dem Betroffenen daneben die sonstigen Anfechtungsmittel, die das Landesrecht vorsah, erhalten (z. B. das Beschwerdeverfahren nach § 45 PVG).162

156 S. Cohn/K. Schäfer/E. Wichards, § 9, Anm.5; W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. IX. 157 PrOVG, Entsch. v. 5. Dezember 1931, DJZ 1931, Sp. 712;A. Brecht, in: v. Brauchitsch/Drews!Lassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn. 11 2, § 2, Anm. 10. 158 Zu den Reformüberlegungen: H. v. fan, § 2, Anm. 4. 159 H. v. fan, Ein!., S. 24 f.; W. Kiesow/E. Zweigert, vor § 14, Anm. 3 b) bb). 160 Z. B. in Preußen: zunächst nach den §§ 127 ff. des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung v. 30. Juli 1883 (PrGS S. 195 ff.) und ab dem 1. Oktober 1931 nach den §§ 45 ff. des Polizeiverwaltungsgesetzes v. 1. Juni 1931 (PrGS S. 77 ff.). 161 Neufassung der Gewerbeordnung v. 26. Juli 1900 (RGBI. S. 87 ff.), mehrfach geändert. 162 H. v. fan, § 2, Anm. 5.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Zur Anfechtung berechtigt waren nach Ansicht der Rechtsprechung in allen Verfahren der Vorstand, sonstige satzungsmäßige Organe und sogar jedes einzelne Mitglied. I63 3. Die Anwendung des § 2 Abs. 1 RVereinsG auf politische Parteien in der Staatspraxis

a) Die auf der GrundLage des § 2 Abs. 1 RVereinsG erfoLgten Parteiauflösungen Von Verfügungen aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 1 RVereinsG war in der Weimarer Republik als einzige Partei die NSDAPlf>4 betroffen. Durch Bekanntmachung vom 5. Mai 1927 löste der Polizeipräsident von Berlin die Partei im "Gau Berlin-Brandenburg" mitsamt ihren dort bestehenden Unterorganisationen auf. I65 Zur Begründung führte er an, daß Mitglieder der Partei " ...seit Mitte Oktober in etwa dreißig Fällen, zum Teil plan- und bandenmäßig, Angehörige der gegnerischen Organisationen und auch sonst politisch Andersdenkende überfallen, Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen begangen, sich der Körperverletzung schuldig gemacht ... "

hätten. I66 Durch eine weitere auf § 2 Abs. 1 RVereinsG gestützte Verfügung, deren Begründung nicht ermittelt werden konnte, wurden am 2. Oktober 1929 die schlesischen Ortsgruppen der NSDAP in BresLau, Striegau, Schweidnitz, WaLdenburg und Freiburg aufgelöst. I67

163 OVGE 56, 321 (329); ebenso: A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), VerwaItungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn.1I 2, § 2, Anm.9; a. A.: G. Lindenberg, in: Stengleins Kommentar, Bd. I (1911), Abt. I, § 2, Anm. 8. 164 Zur NSDAP vgl. 4. Kapitel, B.1. 2. a) aa). 165 Die Verfügung ist teilweise abgedruckt in der Entscheidung des PrOVG v. 16. Januar 1930, RuPrVBI. 1930, S. 500 f. 166 Begründung teilweise in: PrOVG, Entsch. v. 16. Januar 1930, RuPrVBI. 1930, S.500. 167 Vgl. A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), VerwaItungsgesetze, Bd. 11, 1. Halbbd. (1932), Abschn. 11 2, § 2, Anm. 6.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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b) Die auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 RVereinsG ausgesprochenen Parteiauflösungen als Gegenstände gerichtlicher Entscheidungen Über das durch den Vorstand der NSDAP gegen die Auflösung in Berlin-Brandenburg eingelegte Rechtsmittel entschied das Preußische Oberverwaltungsgericht am 16. Januar 1930.168 Da das Gericht die Ortsgruppe Berlin-Brandenburg der Partei, die keine Klage erhoben hatte, als selbständigen Verein im Sinne des Vereinsgesetzes betrachtete, verneinte es jedoch bereits die Aktivlegitimation der klagenden Gesamtpartei. Begründet wurde diese Entscheidung mit den zu den sogenannten Zweigvereinen entwickelten Grundsätzen, nach denen Unter- oder Nebengruppen eines Gesamtvereins selbständig aufgelöst werden konnten und mußten, wenn ihre Mitglieder eine abgeschlossene Einheit gegenüber dem Gesamtverein darstellten, sie über eine eigenständige Leitung und ein getrenntes Vereinsleben verfügten. l69 Diese Kriterien galten nach der Überzeugung der Richter auch im Verhältnis zwischen Gesamtpartei und Ortsgruppen. I7O Da die Ortsgruppe Berlin-Brandenburg nach der Einschätzung des Gerichts einen selbständigen Charakter gegenüber der NSDAP aufwies, war die Gesamtpartei nicht von der Auflösung betroffen und wurde folglich als nicht aktivlegitimiert angesehen. l7l Ohne daß eine Prüfung der durch den Polizeipräsidenten erhobenen Vorwürfe und eine materielle rechtliche Würdigung erfolgte, wurde die Klage deshalb abgewiesen .172

c) Geltungsdauer der Parteiauflösungen Die Auflösung der NSDAP-Ortsgruppe Berlin-Brandenburg war noch vor der gerichtlichen Entscheidung am 31. März 1928 aufgehoben worden 173. Die schlesischen Ortsgruppen waren jedenfalls noch am 15. Oktober 1931 aufgelöstY'

168

Entscheidung auszugsweise veröffentlicht in RuPrVBJ. 1930, S. 500 f.

OVGE 31, 412 (417); 39,427 ff. 170 PrOVG, Entsch. v. 16. Januar 1930, RuPrVBJ. 1930, S. 500. Femer:A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn.1I 2, § 2, Anm. 1; H. v. Jan, § 1, Anm. 5 b. 17l PrOVG, Entsch. v. 16. Januar 1930, RuPrVBJ. 1930, S. 500 (501). 172 PrOVG, Entsch. v. 16. Januar 1930, RuPrVBJ. 1930, S. 500. 173 Nach A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd. 11,1. Halbbd. (1932), Abschn.1I 2, § 2, Anm. 6. Die gerichtliche Entscheidung war trotz dieser zwischenzeitlichen Erledigung möglich (Dazu: W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 301 f.). 169

6 Srein

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik 4. Zusammenfassung

Politische Parteien konnten aufgrund des Reichsvereinsgesetzes nach derselben Norm aufgelöst werden wie Vereine mit wirtschaftlichen, kulturellen oder anderen Zielen, wenn diese den Strafgesetzen zuwiderliefen. Die besonderen Strukturen einer Partei und ihre den Staat in besonderer Weise betreffenden politischen Ziele konnten durch diese aus dem Kaiserreich übernommene Regelung nicht erfaßt werden. Die einzige materielle Auflösungsvoraussetzung vermittelte zwar Schutz vor einer strafrechtswidrigen Betätigung der Parteien. Auf die Gefahren, die dem Staat und seiner Verfassung von Parteien drohten, die eine umfassende Systemumwälzung anstrebten, konnte jedoch allenfalls in den Grenzen der aus der vorrevolutionären Zeit stammenden Hochverratsvorschriften reagiert werden, die nicht auf den Schutz der Einrichtungen der Demokratie ausgerichtet waren. § 2 Abs. 1 RVereinsG stand somit vorrangig im Dienste des Schutzes individueller Rechtsgüter, was sich auch in der durch den Berliner Polizeipräsidenten für seine Verfügung vorgebrachten Begründung widerspiegelte. Ein effektives Vorgehen gegen politische Parteien, die ihr Aktionsfeld regelmäßig nicht regional begrenzen, war dadurch, daß die Zuständigkeit für Verfügungen bei den Ortsbehörden lag, schwierig. Wie wenig das Vereinsgesetz als Rechtsgrundlage für Verbote politischer Parteien geeignet war, zeigt auch die Staatspraxis. Obwohl § 2 Abs.l RVereinsG als einzige der als Rechtsgrundlagen für Parteiverbote in Betracht kommenden Normen während der gesamten Weimarer Zeit galt, und andere Normen durchaus gegenüber Parteien zur Anwendung kamen,175 wurde die Auflösungsmöglichkeit des Vereinsgesetzes nur in zwei Fällen genutzt. Aber nicht nur die vereinsrechtliche Regelung, sondern auch die Rechtsprechung zu ihr war durch eine Übernahme der aus der vorrepublikanischen Zeit stammenden Kriterien geprägt. So ließ das Preußische Oberverwaltungsgericht in seiner, die Auflösung der Berliner Ortsgruppe der NSDAP betreffenden Entscheidung, unter Anknüpfung an die überkommene Rechtsprechung zu den Zweigvereinen den durch die Gesamtpartei vermittelten Zusammenhang zwischen den Ortsgruppen außer acht. Zwar führte dies im vorliegenden Fall wegen der fehlenden Aktivlegitimation der Gesamtpartei zu einer Abweisung der Klage. Hätte aber die Ortsgruppe Berlin-Brandenburg geklagt, hätte das Gericht auf der Grundlage dieser Sichtweise die Ziele der Gesamtpartei umge174 Nach A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn.1I 2, § 2, Anm.6, der die Rechtslage bis zum 15. Oktober 1931 berücksichtigte. m Vgl. die im folgenden dargestellten Regelungen.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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kehrt wohl kaum berücksichtigen können. Diese Vermutung wird dadurch belegt, daß das Gericht in der gleichen Entscheidung der zulässigen Klage der ebenfalls aufgelösten NSDAP-Nebengruppe ,,Nationalsozia-listischer Studentenbund" stattgab, weil es nur in einem Fall den Beweis für erbracht hielt, daß die Mitglieder gerade dieses Bundes an den Ausschreitungen beteiligt waren. III. Partei verbote aufgrund des Gesetzes zur Durchfiihrung der Art. 177, 178 des Friedensvertrages von Versailles 1. Regelungsinhalt der aus dem GDFV als Rechtsgrundlage für den Ausspruch von Parteiverboten in Betracht kommenden Norm

Als Rechtsgrundlage für den Erlaß eines Parteiverbots kam § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Art. 177, 178 des Friedensvertrages von Versailles vom 22. März 1921 176 in Betracht. Nach dieser Norm war eine Vereinigung, aus deren Satzung oder Verhalten hervorging, daß ihr Zweck im Widerspruch zu den Bestimmungen der Art. 177, 178 des Friedensvertrages stand, aufzulösen. a) Voraussetzungen Die Vereinigung wurde gegenüber dem Verein traditionell als der umfassendere Begriff verstanden. Sie sollte alle Merkmale eines Vereins im öffentlichrechtlichen Sinne aufweisen, aber keine festen Organisationsstrukturen voraussetzen, durch diese allerdings auch nicht gehindert werden. 177 Vereinigungen im Sinne des GDFV waren demnach mindestens alle Vereine, also nach dem zeitgenössischen Verständnis auch politische Parteien. 178 Art. 177 des Friedensvertrages von Versailles 179 untersagte es Vereinigungen jeglicher Art, sich mit militärischen Dingen zu befassen; nach Art. 178 durften keine Mobilmachungsmaßnahmen stattfinden. Diese Bestimmungen stellten zwar keine Strafvorschriften im Sinne des Art. 124 Abs. 1 Satz 1 WRV dar, konnten aber trotzdem ohne Verfassungsänderung als Auflösungsgrundlage herangezogen werden, weil der Art. 178 Abs. 2 Satz 2 WRV vorsah, daß die Regelungen des Friedensvertrages durch die Verfassung nicht berührt wurden,

RGBI. S. 235 ff. G. Lindenberg, in: Stengleins Kommentar, Bd.1 (1911), Ab!. I, § 1, Anm. 12 c; E. v. Sarlor, § 1, Anm. 6, 7 A. 178 K. Schneidewin, in: Stengleins Kommentar, Bd.lI (1931), Nr. 83, § 1, Anm. 5. 17' RGBI. 1919, S. 933. 176 177

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

wodurch die vorherrschende Meinung die Verfassung insoweit in ihrer Geltungskraft gehemmt sah. l80 Mit der Ausbildung und Übung an Waffen gab Art. 177 Abs. 2 des Versailler Friedensvertrages den Hauptanwendungsfall für die militärischen Dinge selbst VOr. 181 Darüber hinaus kamen andere Betätigungen mit militärischem Bezug wie Exerzieren oder Kampfübungen in Betracht. 182 Ob der Zweck einer Vereinigung friedensvertragswidrig war, ergab sich nach der ausdrücklichen Regelung des § 1 Satz 1 GDFV aus ihrer Satzung oder ihrem tatsächlichen Auftreten. Da die militärischen Dinge nicht der einzige Zweck der Vereinigung sein mußten,t83 war die Anwendbarkeit des § 1 Satz 1 GDFV auf politische Parteien nicht etwa wegen der politischen Ziele ausgeschlossen, die sie definitionsmäßig haben mußten.

b) Zuständigkeit Über den Erlaß einer Auflösungsverfügung entschieden nach § 1 Satz 2 Halbs. 1 GDFV die obersten Landesbehörden mit Zustimmung der Reichsregierung. Oberste Landesbehörden waren nach den Landesverfassungen die Regierungen (z. B. Art. 7 der Preußischen Verfassung vom 30. November 1920184 : das Staatsministerium), für die regelmäßig die Innenminister handelten.1ss Sah die oberste Landesbehörde von einer Auflösung ab, war die Reichsregierung allein für den Erlaß einer Auflösungsverfügung zuständig (§ 1 Satz 2 Halbs. 2 GDFV).

c) Rechtsfolgen Lagen die Voraussetzungen für die Auflösung einer Partei vor, war die zuständige Behörde verpflichtet, die Verfügung zu erlassen. l86 Die Auflösung auf180 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 178, Anm.3; M. Fleischmann, in: Anschützffhoma (Hrsg.), HdbdtStR, Bd. I, S. 209 (222); L. Gebhard,Art.178,Anm.3. 181 Vgl. auch die wortgleich formulierte Ausführungsverordnung v. 12. Februar 1926 (RGBI. I S. 100). 182 K. Schneidewin, in: Stengleins Kommentar, Bd. 11 (1931), Nr. 83, § 1, Anm. 3. 183 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, Anh. zu § 9, § 1, Anm. III; H. v. fan, § 1, Anm.3. 184 PrGS S. 543 ff. Übersicht bei: F. Giese, in: Giese/Neuwiem/Cahn, Dt. Verwaltungsrecht, S. 51 ff. ISS Vgl. R. Huber, Preußische Verfassung, vor Art. 43, Anm. 3 b. Ein Überblick über die Behördenorganisation in der Weimarer Republik findet sich bei: W. Frotscher, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Dt. Verwaltungsgeschichte, Bd. IV, S. 112 (123 ff.). 186 K. Schneidewin, in: Stengleins Kommentar, Bd. 11 (1931), Nr. 83, § I,Anm. 7.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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grund des GDFV beendete, wie eine Auflösung nach dem Reichsvereinsgesetz, die rechtliche Existenz der Vereinigung. 187 Als Nebenfolge bestimmte § 3 GDFV, daß alle Gegenstände der aufgelösten Vereinigung oder ihrer Mitglieder, die den vertragswidrigen Zwecken gedient hatten, zugunsten des Reichs zu beschlagnahmen und einzuziehen waren. Die Beteiligung an der aufgelösten Partei war nach § 4 GDFV strafbar. Eine Regelung über Ersatzorganisationen einer aufgelösten Partei enthielt das GDFV nicht. 2. Rechtsschutzmöglichkeiten

Gegen eine auf § 1 Satz 1 GDFV gestützte Auflösungsverfügung gab es kein Rechtsmittel und auch kein sonstiges Kontrollverfahren. Es bestand lediglich die Möglichkeit, daß die erlassende Behörde die Verfügung wegen veränderter Umstände aufhob. l88 3. Zusammenfassung

Der Anwendungsbereich des § 1 Satz 1 GDFV war durch die Benennung des militärischen Zwecks der Vereinigungen als Auflösungsgrund eng umgrenzt und eröffnete die Möglichkeit, gegen radikale politische Parteien vorzugehen nur für einen Teilbereich, der nicht durch den innenpolitischen Schutz der Verfassung, sondern durch außenpolitische Notwendigkeiten geprägt wurde. Anknüpfungspunkt für eine Auflösung war ein Verhalten, das auf Gewaltbereitschaft schließen ließ. Allerdings unterstützten gerade die Parteien häufig paramilitärische Verbände - wie den Stahlhelm - oder initiierten sogar deren Bildung - wie im Falle des Roten Frontkämpferverbandes oder der SN89 - , so daß die Anwendung des § 1 Satz 1 GDFV auf politische Parteien durchaus für die Praxis nahelag. Diese ,,Parteiarmeen" wiesen jedoch wenigstens formal gegenüber den Parteien selbständige Strukturen auf. Weil das Gesetz keine Regelung enthielt, aufgrund der eine im Hintergrund der paramilitärischen Verbände wirkende Vereinigung aufgelöst werden konnte, mußte die Anwendbarkeit des § 1 Satz 1 GDFV auf

187 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm. 11 5; K. Schneidewin, in: Stengleins Kommentar, Bd. 11 (1931), Nr. 83, § 1, Anm. 6. 188 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, Anh. zu § 9, § 1, Anm. III. 189 Dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 264, 286.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

politische Parteien notwendig ins Leere laufen, wie es dann in der Staatspraxis auch der Fall war. l90

IV. Parteiverbote aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. August 1921 1. Geschichtlicher Hintergrund

Nach der Niederschlagung des Kapp-Lüttwitz-Putsches vom 13. März 1920 und verschiedenen anderen regionalen Aufständen und Unruhen 191 erreichte die Weimarer Republik mit der Ermordung Matthias Erzbergers am 26. August 1921 einen weiteren Höhepunkt der inneren Krise ihrer Anfangsjahre. 192 Vorausgegangen war dem Anschlag eine Kampagne gegen den Zentrumspolitiker in Teilen der politisch rechts stehenden Presse, die mehr oder weniger offen zu Gewalttätigkeiten aufgefordert hatte. 193 Als der Mord auch noch nachträglich mit einem " ...gewissen Gefühl der Befreiung ... " kommentiert wurde,194 war der Zusammenhang zwischen den gewalttätigen Aktionen der letzten Zeit und dem Anwachsen der rechtsradikalen Strömungen endgültig offensichtlich geworden. 195 Neben der Angst vor dem Rechtsextremismus wog die Befürchtung, daß sich die Empörung republiktreuer Kräfte in der Bevölkerung ähnlich wie während des Kapp-Lüttwitz-Putsches in Unruhen und Streiks entladen würde, als Motiv für die Regierung, endlich die Initiative zum Handeln zu ergreifen, ebenfalls schwer. l96 Auf welche Weise die Regierung diesen Gefahren zu begegnen gedachte, kam in ihrem vom Attentatstag stammenden offiziellen Aufruf zum

190 VgJ. die Übersicht der aufgrund des § 1 Satz 1 GDFV aufgelösten paramilitärischen Verbände bei: A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd. 11, 1. Halbbd. (1932), Abschn. 11 5, Anm. 1. 191 Dazu: W. Hoegner, S. 60 ff.; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 100 ff. 192 Zum Attentat auf M. Erzberger: K. Epstein, S. 431 ff.; E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 207 ff. 193 Vgl. Z. B. das bei: H. G. Erdmannsdörffer, S. 11 zitierte Wort eines Berliner Blatts vom "...kugelrunden aber nicht kugelsicheren Erzberger ...". 194 Zitat aus der Pommersehen Tagespost nach W. Hoegner, S. 101. Ungerügte nationalsozialistische Plakate in Bayern lauteten: "Erzberger ist leider tot, Wirth und Rathenau leben noch." (zitiert bei: C. Gusy, Wehrlose Republik? S.128, FN 188). Weitere Beispiele in: Sitz. v. 30. September 1921, Verh. RT, Bd. 351, S. 4662 und bei: G. Jasper, S. 36. 195 Zu den rechtsradikalen Strömungen in der Frühzeit der Republik: W. Maser, Der Sturm auf die Republik (1973). 196 G. Jasper, S. 35 f., der diesen zweiten Grund sogar für bedeutsamer hält.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Ausdruck, der sich u. a. gegen "Organisationen, Vereine, Gruppen ... " richtete, die " ...aus Haß gegen die demokratisch-republikanische Staatsform offen zur Verachtung der Verfassung und Übertretung der Gesetze, aufforderten." Die Republik sei gegen solche Bestrebungen jedoch nicht hilflos: ,,Die Verfassung, welche die demokratischen Forderungen der Freiheit der Presse, der Vereine und der Versammlungen verwirklicht, gewährt zugleich die Möglichkeit diese Freiheiten zu beschränken, wenn sie zur Beseitigung der Verfassung selbst und aller Freiheit schlechthin mißbraucht werden."197 Die in dem Aufruf der Reichsregierung ebenfalls angekündigte Verordnung wurde durch den Reichspräsidenten gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV am 29. August 1921 erlassen. 198

2. Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 29. August 1921 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm Als Rechtsgrundlage für ein Parteiverbot kam § 4 Abs. 1 VO I in Betracht, wonach Vereinigungen verboten werden konnten, " ...wenn die Besorgnis begründet ist, daß in ihnen Erörterungen stattfinden, die • zur gewaltsamen Änderung oder Beseitigung der Verfassung oder verfassungsmäßiger Einrichtungen des Reichs oder der Länder (1. Alternative l99 ), • zu Gewalttaten gegen Vertreter der republikanisch-demokratischen Staatsform (2. Alternative), • zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen Behörden (3. Alternative) aufreizen, solche Handlungen billigen oder verherrlichen • oder die verfassungsmäßigen Organe und Einrichtungen des Staates in einer den inneren Frieden gefährdenden Weise verächtlich machen (4. Alternative)."

a) Voraussetzungen In Rechtsprechung und Schrifttum kam es zu keiner nennenswerten Erörterung der in der VO I aufgestellten Voraussetzungen. Weil die verwendeten Begriffe aber seit langer Zeit gebräuchlichen strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Normen entnommen waren, kann der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 VO I auf der Grundlage der gefestigten Auslegung dieser Normen abgesteckt werden.

197 Abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJtter, JöR XIII (1925), S. 7. 198 RGBI. S. 1239 f. 199 Bezeichnung als ,,Alternativen" von der Verfasserin.

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Legt man dem Begriff der Vereinigung das unter B. III. 1. a) dargestellte Verständnis zugrunde, waren politische Parteien mögliche Adressaten einer auf § 4 Abs. 1 VO I gestützten Verfügung. Auf welche Parteien die erste Verbotsalternative anwendbar war, hing wesentlich von der Auslegung des Begriffs Verfassung ab. Die Verfassung war mit einer ähnlichen Schutzintention im strafrechtlichen Hochverratstatbestand des § 81 Nr. 2 StrGB erwähnt, so daß an die hierfür entwickelten Kriterien angeknüpft werden kann, um den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 VO I zu konkretisieren. Im Strafrecht wurden grundsätzlich zwei Auslegungsmöglichkeiten diskutiert: Entweder konnte die Verfassung formell durch alle geschriebenen Verfassungsbestimmungen oder materiell durch wesentliche geschriebene und ungeschriebene Verfassungsgrundlagen bestimmt werden.200 Schon vor der Revolution von 1918 waren Rechtsprechung 201 und Schrifttum202 zu einem materiellen Verständnis der Verfassung im Sinne der sie "tragenden und stützenden Einrichtungen" übergegangen. Nach der Staatsumwälzung wurde diese Auslegung mit dem Unterschied beibehalten, daß jetzt die Grundlagen der neuen Verfassung vom 11. August 1919 zum Bezugspunkt gewählt wurden.203 Zu den Grundlagen der neuen Ordnung zählte das Reichsgericht ausdrücklich Reichswehr, Verwaltung und Polizei. 204 Ob spezifisch demokratisch-republikanische Institutionen und Organe der Weimarer Verfassung, wie der Reichstag oder das Wahlrecht, Gegenstand des strafrechtlichen Verfassungsschutzes waren, blieb dagegen offen. Überträgt man diesen Ansatz auf § 4 Abs. 1 VO I, konnte das Verbot einer Partei erwogen werden, wenn sie sich gegen die traditionellen Ordnungsfaktoren im Staat wendete. Demgegenüber war zweifelhaft, ob Angriffe auf den demokratisch-republikanischen Kern der Verfassung, wie den Parlamentarismus, als Grund für ein Verbot herangezogen werden konnten. Da die Erörterungen auf eine gewaltsame Verfassungsänderung oder -beseitigung abzielen mußten, war das gewaltlose Bemühen um eine Verfassungsrevision jedenfalls kein Verbotsgrund.

Dazu der Überblick bei: F.-c. Schroeder, S. 87 ff. Re, Entsch. v. 12. Oktober 1907, zitiert bei: H. v. Weber, in: FG zum 50-jährigen Bestehen des RG, S. 173 (180); ReSt 41,138 (140). 202 T. Oppenhoff, § 81, Anm. 8 zu Nr. 2. 203 Grundlegend für die Revolutionsphase: ReSt 53, 289 (290); ferner ausführlich: E. Kern, DJZ 1919, Sp. 566 (567 ff.). Für die WRV: ReSt 56,173 (174); 259 (260 f.); 200

201

R. Frank, § 81, Anm. 11. 204 ReSt 53, 289 (290) anknüpfend an ReSt 41, 138 ff.; ähnlich später für einen vergleichbaren Tatbestand: ReSt 54, 102 (104).

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War der Begriff der Verfassung auf die staatliche Ordnung schlechthin bezogen, enthielt die zweite Alternative des § 4 Abs. 1 VO I eine Wertung: Die Gewalttaten mußten die Vertreter der republikanisch-demokratischen Staatsform betreffen. Damit waren die Repräsentanten des Weimarer Staates in ihrer körperlichen Integrität geschützt, in denen sich der republikanischdemokratische Staatsgedanke widerspiegelte, wie etwa der gewählte Reichspräsident oder die gewählten Abgeordneten. Ein Ungehorsam gegen Gesetze, rechtsgültige Verordnungen oder gegen die innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen Behörden lag in jeder Nichtbefolgung gültiger Rechtsakte.205 Wenn nach § 4 Abs. 1 Alt. 3 VO I also ein Verbot bei Erörterungen zulässig war, die einen solchen Ungehorsam zum Inhalt hatten, waren dadurch Staatsgewalt und -autorität geschützt. Gemeinsam war den ersten drei Verbotsalternativen des § 4 Abs. 1 VO I, daß nicht die tatsächliche Begehung der bezeichneten Handlungen oder die Absicht, diese vorzunehmen bzw. sich an ihnen zu beteiligen, zum Anknüpfungspunkt für ein Verbot gewählt worden war, sondern, daß diese Handlungen in der Partei erörtert wurden. Erörterungen fanden statt, wenn eine bestimmte Angelegenheit nach ihrem Grund und Wesen untersucht und auseinandergesetzt wurde. Eine Wechselrede war dazu nicht erforderlich, sondern die mündliche, mimische oder sonstige - auch völlig einseitige - Äußerung eines Einzelnen, die nicht zwingend eigene Gedanken wiederzugeben brauchte (z. B. das Ablesen eines Vortrages), genügte.206 In einer Partei fanden Erörterungen nur dann statt, wenn sie Bestandteil der Partei waren, ihr als solcher zugerechnet werden konnten, wofür einzelne Äußerungen von Parteianhängern nicht ausreichten. 201 Neutrale Äußerungen erfüllten dabei nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 VO I. Weil zu den bezeichneten Handlungen entweder aufgereizt werden mußte, oder sie gebilligt bzw. verherrlicht werden mußten, konnten vielmehr nur die Erörterungen einen Verbotsgrund darstellen, die zu einem zukünftigen Verhalten aufforderten oder solche Handlungsweisen allgemein als richtig bzw. sogar lobenswert hinstellten. 208 Ohne daß sich die Äußerungen auf die Vornahme konkreter Handlungen richten mußten, war die Erörterung als solche alleiniger Anknüpfungspunkt für R. Frank, § 110, Anm. Im. w. N. PrKG, GA, Bd.43, S.150; PrOVG, GA, Bd.47, S.471; G. Lindenberg, in: S~engleins Kommentar, Bd. I (1911), Abt. I, § 5, Anm. 8; E. v. Sarlor, § 5, Anm. 4. 201 So später für das insofern gleichlautende Merkmal in der VO v. 26. Juni 1922 (RGBI. I S. 521 f.): A. Lobe, I, § 1, Anm. 5 vor a). 208 Vgl. z. B. zur Aufreizung: R. Frank, § 110, Anm. 11. 205

206

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ein Verbot aufgrund der vierten Alternative des § 4 Abs. 1 VO I. Ein Verächtlichmachen der verfassungsmäßigen Einrichtungen des Staates, wie es diese Verbotsalternative zur Voraussetzung hatte, lag vor, wenn die Staatsgewalt in ihrem Ansehen herabgesetzt wurde. 209 Da diese Äußerung jedoch in einer den inneren Frieden gefährdenden Weise zu erfolgen hatte, also den Rechtsfrieden erheblich erschüttern mußte, erfüllte nicht etwa jede Beleidigung diese Voraussetzung.2lO Da die begründete Besorgnis, daß die Erörterung eines der beschriebenen Gegenstände stattfand, genügte, war zwar einerseits (begründet) eine bestimmte Tatsachengrundlage, aber andererseits kein Nachweis (Besorgnis) entsprechender Erörterungen erforderlich.211 Der Behörde stand bei der Beurteilung der Situation demnach eine erhebliche Einschätzungsprärogative zur Verfügung. b) Sachliche Zuständigkeit

Nach § 4 Abs. 2 VO I war der Reichsminister des Innem für den Ausspruch eines Verbots zuständig. Aufgrund der ihm durch § 4 Abs. 2 a. E. VO Ii. V. m. Art. I der Verordnung vom 30. August 1921212 erteilten Ermächtigung erließ der Reichsinnenminister am 30. August 1921 Ausführungsbestimmungen.213 In Nr.2 dieser Ausführungsbestimmungen übertrug er, unter Wahrung der eigenen Befugnisse, Zuständigkeiten auf Ortspolizeibehörden und die ihnen vorgesetzten Behörden, also Landesbehörden. c) Rechts/olgen

Da nach § 4 Abs. 1 VO I ein Verbot ausgesprochen werden konnte, galt für die Entscheidung der zuständigen Behörde das Opportunitätsprinzip. Die gemäß § 4 Abs. 1 VO I allein zulässige Rechtsfolge des Verbots untersagte der Partei die weitere Betätigung.21 < Eine Auflösung war nach der VO I dagegen ebensowenig vorgesehen, wie ein Verbot oder eine Strafbarkeit von Ersatzor209 Vg\. zur vergleichbaren Formulierung in § 131 StrGB: J. v. Olshausen, § 131, Anm.l m. w. N. 210 Zum vergleichbaren Begriff des öffentlichen Friedens: R. Frank, § 126. 211 So für das gleichlautende Tatbestandsmerkmal in § 1 der Verordnung v. 26. Juni 1922 (RGB\. I S. 521 f.) später: RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922, (St. R. 196) auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr.5444, An\. Verh. RT, Bd.376, S. 5915 (5916); Entsch. v. 3. November 1922 (St. R. 322/22), a. a. 0., S. 5915 (5916). 212 RGB\. S. 1249. 213 RGB\. S. 1250. 214 Vg\. 4. Kapitel, B. 11. 1. d).

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ganisationen. Gemäß § 5 VO I war die Beteiligung an der verbotenen Partei für den Einzelnen strafbar. 3. Kontrollmöglichkeiten

Gemäß § 6 Satz 1 VO I konnte gegen die Verbotsentscheidung Beschwerde erhoben werden, was jedoch keine aufschiebende Wirkung hatte. Die Beschwerde war bei dem Reichsminister des Innem einzureichen (§ 6 Satz 4 VO I). Gab er der Beschwerde nicht statt, hatte er sie einem aufgrund der VO I gebildeten besonderen Beschwerdeausschuß vorzulegen. Dieser Beschwerdeausschuß entschied in einer Besetzung mit sieben Mitgliedern, die der Reichsrat aus seiner Mitte gewählt hatte, wobei der Reichsinnenminister ohne Stimmrecht den Vorsitz führte (§ 6 Sätze 2-4 VO I). Die Mitglieder des Ausschusses entschieden gemäß § 6 Satz 3 VO I nach ,,freier Überze\lgung", waren also nicht auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Ein Verbot als Entscheidung der Exekutive konnte demnach nicht gerichtlich, sondern in einem besonderen Beschwerdeverfahren von Teilen des Legislativorgans Reichsrat215 kontrolliert werden. 4. Die Anwendung des § 4 Abs. 1 VO I in der Staatspraxis

Bereits am 28. September 1921 wurde die VO I durch eine neue Verordnung des Reichspräsidenten aufgehoben.216 Während ihrer nicht einmal einen Monat betragenden Geltungsdauer wurden aufgrund der VO I einige Zeitungen verboten;217 ein Parteiverbot erging indes nicht. S. Zusammenfassung

Wie aufgrund des öffentlichen Vereinsrechts und der zuvor ergangenen Ausnahmebestimmungen hätte das Verbot einer politischen Partei nach § 4 Abs. 1 VO I wieder nur allgemein als Verbot einer Vereinigung wirksam werden können; die Zuständigkeit lag ebenfalls wie im Vereinsrecht in den Händen der Exekutive. Die Verordnung insgesamt, die als unmittelbare Reaktion auf eine zu eskalieren drohende Ausnahmesituation erging, war wie die 215 Zur systematischen Einordnung: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 373 ff. 216 § 10 der Verordnung v. 28. September 1921 (RGBI. S. 1271 f.). 217 G. Jasper, S. 41 ff.

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Maßnahmen der Revolutionszeit in der Form der regelmäßig temporär begrenzt wirkenden Ausnahmebestimmung erlassen worden. Trotz dieser Parallelen mit den zuvor erlassenen Verbotsgrundlagen markiert § 4 Abs. 1 VO I den Beginn einer rechtlichen Neuorientierung. So beanspruchte die Verordnung Geltung im ganzen Reichsgebiet und nicht nur in einzelnen, territorial umrissenen Notstandsgebieten wie die Ausnahmeverordnungen der Übergangszeit. Wegen der Übertragung der Vollzugszuständigkeit auf den Reichsinnenminister gemäß § 4 Abs. 2 VO I war es dem Reich aber vor allem möglich, die Ausführung der Verordnung unmittelbar zu steuern. Der materielle Regelungsgehalt des § 4 Abs. 1 VO I hob sich dadurch von anderen einschlägigen Normen ab, daß alle Verbotsalternativen unter dem Vorzeichen des Verfassungsschutzes standen. Dabei war allerdings der republikanisch-demokratische Gehalt der Verfassung - wenn man die von der Rechtsprechung zum Hochverrat bis zu diesem Zeitpunkt entwickelten Kriterien zugrunde legt - nur in den Repräsentanten des Weimarer Staates geschützt (§ 4 Abs. 1 Alt. 2 VO I). Die politischen Parteien wurden über das ihnen nach § 4 Abs. 1 VO I drohende Verbot also zwar auf die Respektierung der traditionellen Ordnungsfaktoren des Staates und Gewaltfreiheit gegenüber den Vertretern der Demokratie verpflichtet, nicht aber auf eine Akzeptanz des republikanisch-demokratischen Staatsgedankens. Bemerkenswert ist ferner, daß in allen Verbotsalternativen die begründete Besorgnis, daß die bezeichneten Handlungen erörtert wurden, und nicht die Verfolgung gegen die Verfassung gerichteter Ziele oder die tatsächliche Vornahme von Handlungen, Anknüpfungspunkt für ein mögliches Verbot war. Der Behörde wurde dadurch zwar ein besonders effektives Einschreiten vor der Verletzung eines Rechtsgutes ermöglicht. Solange in den Parteien jedoch vermieden wurde, die verfolgten Ziele zu erörtern, also nach außen kundzutun, war § 4 Abs. 1 VO I nicht anwendbar. Damit erfaßte § 4 Abs. 1 VO I die Äußerungen extremistischer Parteien, stand ihrer inneren Zielsetzung aber neutral gegenüber, was die Schutzwirkung dieser Verbotsgrundlage abschwächte. Obwohl in der Staatspraxis kein Verbot einer politischen Partei auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 VO I ausgesprochen wurde, ist festzuhalten, daß mit § 4 Abs. 1 VO I erstmals eine Verbotsnorm geschaffen worden war, die von dem Gedanken geprägt war, den Weimarer Staat und seine Repräsentanten vor Angriffen zu bewahren.

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V. Parteiverbote aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. September 1921 1. Geschichtlicher Hintergrund

Der Erlaß der Verordnung vom 29. August 1921 rief erbitterten Widerstand hervor. So bezeichneten politisch rechts stehende Parteienvertreter, Publizisten und Verbände die Formulierungen der Verordnung als gegen sie gerichtete ,,Kriegserklärung" und rügten die einseitige Anwendung der Verordnung. 218 Gewichtiger als diese Kritik war, daß die Verordnung von vornherein im Spannungsfeld zwischen Reich und Ländern stand. Je nach Parteienzusammensetzung reagierten die Landesregierungen unterschiedlich auf die Verordnung. Die sozialdemokratische Regierung in Sachsen etwa brachte ihre Unterstützung für das Vorgehen der Reichsregierung zum Ausdruck,219 wogegen die von den bürgerlichen Parteien dominierte Württembergische Regierung Vorbehalte äußerte.22O Der heftigste Protest kam jedoch von der Bayerischen Regierung, die die Verordnung rigoros ablehnte.221 Weil sich der Gegensatz zwischen Bayern und dem Reich wie ein roter Faden durch die Gesetze und Verordnungen zog, die Rechtsgrundlagen für Verbote politischer Parteien enthielten, und dieser Konflikt die Vollzugspraxis in besonderer Weise bestimmte, erscheint es angezeigt, die grundsätzlichen Differenzen dieser beiden ,,Kontrahenten" näher zu betrachten. In Bayern, wo von jeher die Eigenstaatlichkeit der Länder in besonderer Weise betont und gegen den Zentralstaat behauptet wurde, hatte sich gegenüber dem Reich ein ausgeprägtes Mißtrauen entwickelt.222 Verwurzelt in grundsätzlichen Ressentiments, verstärkte sich der Gegensatz zwischen Bayern und dem Reich durch unterschiedliche (partei-) politische Standpunkte der amtierenden Regierungen. Sowohl das Reich, unter Führung der Weimarer Koalition aus SPD, DDP und Zentrum, als auch Bayerns ständiger "Gegenspieler" Preußen, mit der durch den Sozialdemokraten Dtto Braun geführten Regierung, symboli-

218 Erklärung des DNVP-Abgeordneten Hergt auf dem Partel~ag der DNVP am 1. September 1921 (zi!. nach G. Jasper, S.38); ferner die Außerungen in der RT-Sitzung v. 30. September 1921, Verh. RT, Bd.351, S.4629ff.; ferner: K. Hempfing, PrVerwBI. 1920/21, S.594 (595); O. v. Lilienthai, DJZ 1921, Sp.667 (668 f.). 219 SchuIthess, EGK 1921 II, S. 260. 220 Purlitz, DGK 1921 II, S. 91. 221 Protest der Bayerischen Regierung v. 1. September 1921 gegen die Verordnung v. 29. August 1921, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 237, S. 251. 222 W. Hoegner, S.109 ff.; E. R. Huber, MilitärgewaIt, S. 171 ff.

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

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sierten den Übergang zur Weimarer Demokratie.223 Dagegen war Bayern nach dem kurzen Intermezzo der Münchener Räterepublik zu einer ,,Hochburg des bedrängten Deutschtums"22A geworden, in der die monarchistischen Kreise dominierten. Hier hatten sich die während der Revolution gebildeten Freikorps gesammelt, die aufgrund der im übrigen Reich eingeleiteten Entmilitarisierung in anderen deutschen Ländern keine politische Heimat mehr fanden. 22S Längst hatten auch die traditionellen "Vaterländischen Vereinigungen" und die Einwohnerwehren einen starken Einfluß auf die bayerische Politik gewonnen.lU Die im März 1920 gewählte Bayerische Landesregierung, unter dem der konservativen BVP angehörenden Ministerpräsidenten Gustav von Kahr, widersetzte sich dann auch offen der von der Reichsregierung betriebenen Auflösung der Einwohnerwehren, was die "Flucht"227 monarchistischer und anderer rechts stehender Kräfte nach Bayern beschleunigte und zu ersten ernsthaften Spannungen zwischen dem Reich und Bayern führte. 228 Daß dem Reichsinnenminister in der va I die Zuständigkeit für den Erlaß der darin bestimmten Verbotsmaßnahmen zugewiesen wurde, war deshalb in erster Linie als Kritik an der Bekämpfung radikaler Kräfte durch die Bayerische Landesregierung zu deuten. In Bayern reagierte man auf diesen Versuch Berlins, als innerbayerisch empfundene Angelegenheiten zu regeln, empört. Die Bayerische Regierung protestierte nicht nur offiziell gegen die Verordnung, die nach ihrer Ansicht eine Verletzung der Verwaltungs- und Gerichtshoheit der Länder darstellte 229 , sondern weigerte sich sogar die vom Reichsinnenminister auch für Bayern verpflichtend erlassenen Zeitungsverbote auszuführen. 230 Der Gegensatz zwischen Bayern und dem Reich in Fragen der inneren Sicherheit war damit zu einer offenen Konfrontation geworden. Da der Reichsregierung nicht an einer Zuspitzung des Konflikts, die die Anwendung von Zwangsmitteln bedeutet hätte, gelegen war, und sie außerdem die Beseitigung einer von der Bayerischen Regierung am 4. November 1919 erlassenen Diktaturverordnung231 anstrebte,232 versuchte sie auf dem VerhandE. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 9 ff., 122 ff., 193 f. 22A H. Preuß, S. 45. 22S E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 583 ff. 226 E. J. Gumbel, S. 124 ff., 130 ff. mit beispielhafter Aufzählung; G. Schuh, S. 329 ff. 227 H. H. Hofmann, Der Hitlerputsch, S. 48. 228 G. Schuh, S. 362 ff. 229 So der Protest der Bayerischen Regierung v. 1. September 1921, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 237, S. 251. 230 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 210; Kritik an der bayerischen Praxis äußerte: M. Hachenburg, DJZ 1921, Sp. 743 (744). 231 Bayer. GVBI. S. 791 ff. Diese Verordnung enthielt schwerpunktmäßig strafrechtliche Sonderbestimmungen. 223

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lungswege eine Lösung zu erreichen. 233 Nachdem das Ministerium von Kahr im September 1921 zurückgetreten war, gelang schließlich eine Verständigung mit der Bayerischen Regierung, die nunmehr von dem als vergleichsweise gemäßigt geltenden neuen Ministerpräsidenten Graf von Lerchenfeld geführt wurde. Das Ergebnis der Gespräche wurde im Ersten Berliner Protokoll vom 24. September 1921 festgehalten,234 worin die Bayerische Landesregierung ihr Einverständnis mit dem Erlaß einer neuen, ihren Wünschen entgegenkommenden Verordnung erklärte und sich verpflichtete die Bayerische Diktaturverordnung aufzuheben. Dieser Absprache folgend, ersetzte der Reichspräsident die VO I durch die Verordnung vom 28. September 192]235 Die Bayerische Landesregierung hielt ihre Zusage ein, indem sie durch Verordnung vom 6. Oktober 1921 mit Wirkung zum 15. Oktober 1921 die Bayerische Verordnung vom 4. November 1919 aufhob.236

2. Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 28. September 1921 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm Nach § 3 VO 11 konnten Vereinigungen verboten werden, wenn die Besorgnis begründet war, daß in ihnen ,,Erörterungen stattfinden, die • zur gewaltsamen Änderung oder Beseitigung der republikanisch-demokratischen Verfassung oder verfassungsmäßiger Einrichtungen des Reichs oder eines seiner Länder (1. Alternative237 ), • zu Gewalttaten gegen Personen des öffentlichen Lebens (2. Alternative), • zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen Behörden (3. Alternative) aufreizen, solche Handlungen billigen oder verherrlichen • oder die verfassungsmäßigen Organe und Einrichtungen des Staates in einer den inneren Frieden des Staates gefährdenden Weise verächtlich machen (4. Alternative)."

232 G. Jasper, S. 44. Die Bayer. Verordnung wurde vor allem zur Ausgrenzung der kommunistischen und sozialdemokratischen Opposition benutzt, vgl. Purlitz, DGK 1921 I, S. 344, wo von politischen Führern der USPD und der KPD berichtet wird, die in Schutzhaft genommen wurden. 233 Über den Gang der Verhandlungen: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 211 ff.; G. Schuh, S. 368 ff. 234 Protokoll v. 24. September 1921, abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd. 1, Nr. 99, S. 284, Anm. 1. 235 RGBI. S. 1271 f. 236 Bayer. GVBI. S. 487. 237 Bezeichnung als ,,Alternativen" von der Verfasserin.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

a) Voraussetzungen Die materiellen Voraussetzungen des § 3 va 11 für das Verbot einer Vereinigung - und damit nach zeitgenössischem Verständnis auch für das Verbot einer Partei 238 - entsprachen weitgehend den Formulierungen des § 4 Abs. 1 va I. Zu einer Verschiebung des Akzents führte allerdings die Ergänzung des Merkmals "Verfassung" in der ersten Verbotsalternative des § 3 va 11 um das Attribut republikanisch-demokratisch. Der Anwendungsbereich des § 3 va 11 war also im Vergleich zu § 4 Abs. 1 Alt. 1 va I insofern verengt worden, als darunter nur noch die Parteien subsumiert werden konnten, deren Angriffe sich gegen spezifisch republikanisch-demokratische Elemente der Verfassung richteten. Eine Ausklammerung dieser Elemente von den Verfassungsgrundlagen, wie sie aufgrund der herkömmlichen Rechtsprechung zum Hochverrat zu erwarten war, wurde damit jedoch ausgeschlossen, so daß zugleich eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verbotsgrundlage die Folge war. Eine Änderung der materiellen Regelung in der entgegengesetzten Richtung bedeutete es, daß § 3 Alt. 2 va 11 als Verbotsgrund die Erörterung von Gewalttaten gegen Personen des öffentlichen Lebens vorsah. Die Anwendbarkeit des § 3 Alt. 2 va 11 hing also nicht mehr davon ab, ob die Person, gegen die sich ein Angriff richtete, als Repräsentant für die Weimarer Demokratie handelte, sondern nur noch allgemein davon, ob die Person im öffentlichen Leben stand, was auch bei Befürwortem einer Monarchie der Fall sein konnte. In den übrigen Verbotsalternativen blieb es bei dem Schutz der Staatsautorität nach dem Vorbild der va I.

b) Sachliche Zuständigkeit Im Gegensatz zu den materiellen Verbotsvoraussetzungen, für die die Parallelen zu § 4 Abs. 1 va I unverkennbar sind, war die Zuständigkeit für den Erlaß einer auf § 3 va 11 gestützten Verfügung grundlegend anders geregelt. § 4 Abs. 1 va 11 übertrug die Entscheidung über den Ausspruch eines Verbots den Landeszentralbehörden und den von ihnen bestimmten Stellen; eine unmittelbare Vollzugszuständigkeit eines Reichsorgans war dagegen nicht mehr vorgesehen. Als Landeszentralbehörden handelten die Landesministerien des Innern bzw. die mit der Verwaltung des Innem betrauten Abteilungen. 239

238

Vgl. 4. Kapitel, B. 11. 1. b).

F. Giese, in: GieselNeuwiem/Cahn, Dt. Verwaltungsrecht, S.51 ff.; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 64 ff. Dazu: W. Frotscher, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Dt. Verwaltungsgeschichte, Bd. IV, S. 112 (123 ff.). 239

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Trotzdem hatte auch das Reich weiterhin Einfluß auf die Vollzugspraxis. Der Reichsminister des Innern konnte die Landeszentralbehörden um den Ausspruch eines Verbots ersuchen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VO 11). Wollte die Landesbehörde diesem Ersuchen nicht entsprechen, mußte sie spätestens am zweiten Tag nach Empfang des Ersuchens den Reichsinnenminister über ihre Entscheidung informieren und gleichzeitig den in § 7 VO 11 vorgesehenen Beschwerdeausschuß anrufen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VO 11), nach dessen positiver Entscheidung die Landesbehörde gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 VO 11 zu einem Verbot verpflichtet war. c) Rechts/olgen

Eine Partei konnte aufgrund des § 3 VO 11 verboten werden, die Entscheidung war also wieder in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Gemäß § 6 VO 11 machte sich strafbar, wer weiter an einer verbotenen Partei mitwirkte. Eine Regelung über die Betätigung in Ersatzorganisationen der verbotenen Vereinigung enthielt die VO 11 ebensowenig wie sie vorsah, daß Ersatzorganisationen ohne weiteres ebenfalls verboten waren. 3. Kontrollmöglichkeiten

Gegen ihr Verbot bestand für die Partei die Möglichkeit, gemäß § 7 Abs. 1 VO 11 Beschwerde bei der Landeszentralbehörde einzureichen. Dieser Beschwerde konnte die Behörde durch Aufhebung des Verbots abhelfen, es sei denn, sie hatte die Verfügung erst auf ein Ersuchen des Reichsministers des Innern hin erlassen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 VO 11). Lehnte die Landesbehörde die Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung ab, war sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 3 VO 11 verpflichtet, unverzüglich einen Beschwerdeausschuß anzurufen, der sich wie nach der VO I aus Mitgliedern des Reichsrates zusammensetzte (§ 7 Abs. 2 VO 11). Auch hier konnten Verbotsentscheidungen der Exekutive also nicht gerichtlich, sondern in einem besonderen Verfahren durch Mitglieder eines Legislativorgans kontrolliert werden. Das Anliegen, die Unabhängigkeit des Beschwerdeausschusses sicherzustellen, zeigt § 7 Abs. 3 VO 11, wonach Ausschußmitglieder, die schon an der Entscheidung über ein Ersuchen des Reichsministers des Innern teilgenommen hatten, von der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verbots ausgeschlossen waren.

1 Stein

98

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik 4. Die Anwendung des § 3 VO 11 in der Staatspraxis

Es kam aufgrund des § 3 VO II zu keinem Verbot einer politischen Partei.24O Nachdem sich die öffentliche Erregung über die Ermordung Matthias Erzbergers gelegt hatte, trat das Interesse an einem besseren Schutz der Weimarer Republik und ihrer Repräsentanten schon bald wieder in den Hintergrund. Zwar wurden im Rechtsausschuß des Reichstags am 4. November Anträge der USPD24I, der KPD242 und der DNVp243, die eine Aufhebung der VO II zum Inhalt hatten, nach ausführlicher Beratung abgelehnt. 244 In der Sitzung des Reichstags vom 16. Dezember 1921 sprachen sich neben den Vertretern der USPD, der KPD und der DNVP aber auch die Abgeordneten der MSPD für eine Aufhebung der Verordnung aus, da nach Beruhigung der Lage der " ...hohe Grundsatz der Verfassungsfreiheit..." Vorrang haben rnüsse.245 Gegner einer Aufhebung waren die bürgerlichen Koalitionsparteien 246 und vor allem die Bayerische Staatsregierung, die hierin einen Bruch des Ersten Berliner Protokolls erblickte.247 Entgegen diesen Bedenken und der Empfehlung des Rechtsausschusses, beschloß der Reichstag am gleichen Tag gemäß Art. 48 Abs. 3 Satz 2 WRV vom Reichspräsidenten die Aufhebung der Verordnung zu verlangen, der dieser Forderung durch Erlaß einer Aufhebungsverordnung am 23. Dezember 1921 nachkam.248 Bemerkenswert ist vor allem die Reaktion der Bayerischen Staatsregierung, die trotz Protestes 249 vorerst keine neuen Ausnahmemaßnahmen ergriff.

240 Zu den aufgrund der Verordnung ausgesprochen Zeitungsverboten : Sitz. v. 16. Dezember 1921, Verh. RT, Bd. 352, S. 5275 ff. 241 Drucks. Nr. 2740, An!. Verh. RT, Bd. 369, S. 2677. 242 Drucks. Nr. 2735, Anl. Verh. RT, Bd. 369, S. 2676. 243 Drucks. Nr. 2738, Anl. Verh. RT, Bd. 369, S. 2676. 244 Ausschußbericht des Abg. Marx (Z), in: Verh. RT, Bd. 352, S. 5266 ff. 245 Abg. Gradnauer, Verh. RT, Bd. 352, S.5267. Zu den dahinter stehenden taktischen Uberlegungen: G. Jasper, S. 47 ff. 246 Abg. Haas (DDP),Verh. RT, Bd.352, S. 5282 ff.; Abg. Marx (Z), a. a. 0., S. 5266 ff. 247 Abg. Preger,Verh. RT, Bd. 352, S. 5269 f. 248 RGBI. S. 1664. 249 Erklärung der Bayerischen Staatsregierung in der Bayer. Staatszeitung v. 23. Dezember 1921, abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925), S. 76.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

99

5. Zusammenfassung

Die ,,Parteiverbotsnorm" § 3 va 11 trägt das Gesicht des Kompromisses, als der die Verordnung insgesamt entstanden war. Zwar waren nunmehr die republikanisch-demokratischen Elemente der Verfassung hervorgehoben und somit auch vor feindlichen Äußerungen politischer Parteien geschützt. Der Wandel in der Formulierung der zweiten Verbotsalternative zu allen Personen des öffentlichen Lebens zahlte jedoch deutlich Tribut an die Kritiker, die die va I als politisch einseitig bezeichnet hatten.25o Von besonderem Gewicht war, daß den Landesbehörden die Zuständigkeit für den Vollzug der Verordnung eingeräumt wurde und so dem Reich die Möglichkeit verlorenging, unmittelbar Einfluß auf die Verbotspraxis zu nehmen. Insofern erscheint es auch unter dem Blickwinkel möglicher Parteiverbote gerechtfertigt, die neue Verordnung als ,,Niederlage für den Republikschutzgedanken" zu bezeichnen.251

VI. Parteiverbote aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten ,,zum Schutze der Republik" vom 26. Juni 1922 1. Geschichtlicher Hintergrund

Daß die Aufhebung der va 11 im Dezember 1921 mehr das Ergebnis taktisch-politischer Erwägungen als einer wirklichen inneren Beruhigung der Situation gewesen war, trat in den folgenden Monaten immer deutlicher hervor. Der außenpolitisch erfolglosen und gegenüber der immer weiter um sich greifenden Not im Innern hilflosen Reichsregierung demonstrierte die Zunahme von antirepublikanischen Veranstaltungen die steigenden Chancen der radikalen politischen Bewegungen.252 Auch der Hetzfeldzug gegen prominente Politiker der Republik in Teilen der Presse war längst nicht verstummt,253 sondern trug mit dem Säureanschlag auf Philipp Scheidemann am 4. Juni 1922 und der Ermordung des USPD-Abgeordneten Karl Gareis am 9. Juni 19222S4 im Gegenteil erneut blutige Früchte. Diese und andere politisch motivierte Attentate

250 G. Jasper, S. 46, der von einer "Schwerpunktverlagerung" spricht. 251 So allgemein für die Verordnung: C. Gusy, Wehrlose Republik? S. 133. 252 G. Jasper, S. 56 f. 2S3 Vgl. die Zitate bei: G. Jasper, S. 57. 254 Zu diesen Attentaten: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 250 f.

100

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

ließen zudem bald die Vermutung entstehen, daß die einzelnen Verbrechen von zentralen Organisationen gesteuert wurden. 25s Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse löste die Nachricht, daß Außenminister Walther Rathenau, der schon einige Zeit im Mittelpunkt der Pressekampagnen gestanden hatte,256 am 24. Juni 1922 in Berlin von rechtsextremen Gewalttätern erschossen worden war,257 um so heftigere Erregung in den Parlamenten, den Parteien und großen Teilen der Bevölkerung aus.258 Die Landesregierungen von Thüringen und Sachsen reagierten auf die neue Mordtat, indem sie am gleichen Tag auf Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV gestützte Verordnungen erließen, die aber keine auf das Verbot von Parteien oder sonstigen Vereinigungen zugeschnittene Rechtsgrundlage enthielten. 259 Auch die Reichsregierung wollte nun erneut besondere Maßnahmen gegen den wachsenden Terror ergreifen. Reichskanzler Joseph Wirth bezeichnete den Mord an Walther Rathenau noch am Attentatstag als " ...Glied in einer Kette wohlvorbereiteter Anschläge auf die Republik. Zuerst sollen die Führer der Republik, dann soll die Republik selbst fallen." Deshalb sei es die zentrale politische Aufgabe, " ...den Schutz des Staates und der Republik und das Leben seiner durch politische Mordorganisationen bedrohten Vertreter zu sichern."260 Teil seiner Erklärung war der Entwurf einer "Verordnung zum Schutze der Republik", die in geringfügig geänderter Form am 26. Juni 1922 vom Reichspräsidenten aufgrund des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV erlassen wurde. 261

25S Vgl. die Äußerungen G. Stresemanns in der Sitz. v. 5. Juli 1922, Verh. RT, Bd. 356, S. 8309 (z. B.: "...Schutz gegen Organisationen, die sich den Mord ...zur Aufgabe gesetzt haben ... "). Ferner: H. G. Erdmannsdörffer, S. 12 f. In den folgenden Strafprozessen spielte ein organisierter Hintergrund der Verbrechen dagegen kaum eine Rolle (vgl. M. Hachenburg, DJZ 1922, Sp. 669 ff.; H. Hannover/E. Hannover-Drück, S. 105). 2S6 Z. B. drohte der DNVP-Abg. Henning in den Konservativen Monats-Heften: "...Sie aber, Herr Rathenau, ...werden vom deutschen Volk zur Rechenschaft gezogen werden ... " (zi!. nach G.Jasper, S.57, FN 5). Weitere Nachweise bei: H. G. Erdmannsdörffer, S. 11. 2S7 Zu Tathergang und -motiven: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 250 ff.; W. Hoegner, S. 104 f. Eingehend: M. Sabrow, Der Rathenaumord (1994). 258 Vgl. die Tätlichkeiten und Tumulte im Reichstag, Sitz. v. 24. Juni 1922, Verh. RT, Bd. 355, S. 8037. 259 Verordnung des Thüringischen Staatsministeriums v. 24. Juni 1922 (Thüring. GS S. 185) und die sächsische ,,Landesverordnung über das Verbot aller nationalistischen und monarchistischen Kundgebungen und Versammlungen" v. 24. Juni 1922 (MBI. f. d. sächs. i. V. S. 208). 260 Sitz. v. 24. Juni 1922, Verh. RT, Bd. 355, S. 8037. 261 RGBI. I S. 521 f.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

101

Ergänzend traten am 26. Juni 1922262 eine zu Verboten der am 28. Juni 1922 geplanten Regimentsfeiern und ähnlicher Veranstaltungen ennächtigende Verordnung und am 29. Juni 1922263 eine die Strafbestimmungen der va III erweiternde Verordnung in Kraft. 2. Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 26. Juni 1922 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm

Von den Nonnen der va III kam als Rechtsgrundlage für ein Parteiverbot § 1 Abs. 2 in Betracht, wonach " ...Vereine und Vereinigungen, die Bestrebungen dieser Art verfolgen ... ", verboten und aufgelöst werden konnten. a) Voraussetzungen Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 va III auf politische Parteien wurde in Rechtsprechung und Literatur nicht diskutiert, sondern an das öffentliche Vereinsrecht anknüpfend weiterhin als selbstverständlich vorausgesetzt.264 Bestrebungen verfolgte eine Partei, wenn ihr Haupt- oder Nebenziel dahin ging, eine bestimmte Handlung zu verwirklichen, diese Handlung also bezweckt, beabsichtigt war. Eine bloße Erörterung der Handlung reichte dafür ebensowenig, aus wie der Umstand, daß der Partei einzelne Mitglieder angehörten, die mit den bezeichneten "Gedanken und Plänen liebäugelten".265 Die Bestrebungen dieser Art bezogen sich auf die in § 1 Abs. 1 va III genannten Ziele,266 also: •

das Aufreizen zur gesetzwidrigen Beseitigung der republikanischen Staatsform (1. Alternative267 ) oder

RGBI. I S. 523. RGBI. 1 S. 532. 264 RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI.137 (137 RS) =DSP-Verbot, Niederschlesien; Entsch. v. 9. Juli 1923, BA D-H, 30. 09/Abt. "/NT. 160 b, Bd.2, BI. 65 (66 VS, RS) =DSP-Verbot, Braunschweig; A. Lobe, 11, § 1, Anm. 6. 265 RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922 (SI. R. 263), auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr.5444, Anl. Verh. RT, Bd.376, S.5915 (5916). Ferner: RepSchStGH, Entsch. v. 19. Januar 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI. 58 (59 RS, 60 VS) =Verbot Deutschvölk. Schutz- und Trutzbund; Entsch. v. 20. April 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 137 (139 VS);A. Lobe, 11, § 1, Anm. 6. 266 RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922 (SI. R. 263), auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück NT. 5444, Anl. Verh. RT, Bd. 376, S. 5915 (5916); A. Lobe, 1 1, §1,Anm.6. 267 Bezeichnung als ,,Alternativen" von der Verfasserin. 262 263

102 • •

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik zu Gewalttaten gegen Mitglieder der jetzigen oder einer früheren republikanischen Regierung des Reichs oder eines seiner Länder (2. Alternative) bzw. die Billigung oder Verherrlichung solcher Handlungen oder das VerächtIichmachen der republikanischen Einrichtungen des Staates in einer den inneren Frieden des Staates gefährdenden Weise (3. Alternative).

Obwohl diese Tatbestände den Formulierungen der VO I und 11 ähnelten, wurde durch die VO III die materielle Rechtslage dennoch verändert. Schutzgut der ersten Verbotsalternative war nunmehr allein die republikanische Staatsform, also der Gegensatz zu einer Staatsform, in der das Staatsoberhaupt auf Lebenszeit eingesetzt oder die Erblichkeit dieses Amtes bestimmt ist. 268 Damit fielen Angriffe, die gegen die Weimarer Verfassung gerichtet waren oder irgendeine andere republikanische Staatsform, wie etwa eine Räterepublik, an ihre Stelle setzen wollten, nicht unter § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 1 VO 111.269 Weil die angestrebte Beseitigung der Staatsform gesetzwidrig sein mußte, schloß ein gesetzmäßiges Vorgehen die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 1 VO III aus.270 Wer als Mitglied der Reichsregierung Angriffsobjekt der die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 2 VO III begründenden Gewalttaten war, bestimmte § 11 VO 111. Abweichend von Art. 52 WRV zählte diese Norm neben dem Reichskanzler und den Reichsministern auch den Reichspräsidenten zur Regierung. Die Zusammensetzung der Landesregierungen im Sinne des § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 2 VO III ergab sich aus den Landesverfassungen. 27J Da nach Art. lAbs. 1 der Verordnung vom 29. Juni 1922 Mitglieder einer jetzigen oder einer früheren Regierung alle Mitglieder " ...einer im Amt befindlichen oder einer früheren ...Regierung ... " waren, war es unerheblich, ob die Opfer der Gewalttaten in der Vergangenheit, bei Erlaß der Verordnung oder erst in Zukunft während ihrer Geltungsdauer amtierten. 272 Eingeschränkt wurde der in Frage kommende Personen kreis durch den Zusatz republikanisch, womit Gewalttaten gegen Mitglieder einer vor dem November 1918 amtierenden Regierung nicht unter § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 2 VO III subsumiert werden konnten. 273 Die Bestrebung, die republikanische Staatsform zu beseitigen oder Gewalttaten gegen ihre Mitglieder zu begehen, mußte dabei in der gleichen Richtung verfolgt werden, in der auch die Erörterungen nach der VO I und 11 stattfinden 268 G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Ein\., S. 1; G. lellinek, Staatslehre, S. 710 ff. 269 W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 NT. 4, Anm. III 2;A. Lobe, I 1, § 1, Anm. 5. 270A. Lobe, I 1,§ 1,Anm.5. 271 A. Lobe, 11, § 1, Anm. 5 b. 272 A. Lobe, I 1, § 1, Anm. 5 b. 273 Eingehend:A. Lobe, 11, § 1, Anm. 5 b.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

103

mußten: Entweder war erforderlich, daß es das Ziel der Partei war, Personen zur Begehung der bezeichneten Handlungen aufzureizen, also sie zu ihnen zu veranlassen, oder solche Handlungen zu billigen bzw. zu verherrlichen, also gutzuheißen. 274 Welche Einrichtungen schließlich republikanisch waren, so daß ihr in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise erfolgendes Verächtlichmachen ein Verbot nach § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 3 va III begründen konnte, ergab sich aus dem Vergleich mit der monarchischen Staatsform.27S Somit konnte das Verächtlichmachen nur solcher Einrichtungen ein Verbot rechtfertigen, die sich auf den republikanischen Staatsgedanken zurückführen ließen. Der, wenn auch durch Tatsachen begründete Verdacht, daß von der Partei die bezeichneten Ziele verfolgt wurden, genügte für die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 va III nicht. Voraussetzung war der Nachweis einer republikfeindlichen Zwecksetzung. 276

b) Zuständigkeiten aa) Sachliche Zuständigkeit Entsprechend der in Art. 14 WRV begründeten Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder277 legte § 2 Abs. 1 va III die Zuständigkeit für Maßnahmen, die auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 va III getroffen waren, in die Hände der Landeszentralbehörden und der von ihnen bestimmten Stellen. In einer Reihe von deutschen Ländern wurden Ausführungsbestimmungen erlassen, in denen auch Regelungen über die sachliche Zuständigkeit enthalten waren. Zuständig waren in: •

Hamburg: gemäß Ziff. 1 der Ausführungsbestimmung des Senats vom 26. Juni 1922278 : die Polizeibehörde für den städtischen Polizeibezirk, der Amtspräsident für den Bezirk des Amtes Ritzebüttel, die Landherrenschaften für den Bezirk des übrigen Landesgebietes;



Lippe-Detmold: aufgrund der Ausführungsverordnung des Lippischen Landespräsidiums vom 28. Juni 1922279 : der Landespolizeidirektor;

A. Lobe, 11, § 1, Anm. 5 a, b, c. A. Lobe, 11, § 1, Anm. 5 d. 276 RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922 (SI. R. 263), auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr. 5444, Anl. Verh. RT, Bd. 376, S. 5915 (5916). Vgl. auch die preußische Ausführungsverordnung v. 15. Juli 1922 (MBIiV S. 663 fL). 277 F. Giese, Dt. Staatsrecht, S. 114. 278 Hamburg. GVBI. S. 257 f. 279 Lipp. GS S. 748 L 274

275

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

104 •

Lübeck: aufgrund der Ausführungsverordnung vom 4. Juli 1922280 : das Poli-



Mecklenburg-Strelitz: aufgrund der Ausführungsbestimmung vom 26. Juni



Preußen: gemäß Ziffer 1 der Ausführungsbestimmung vom 26. Juni 1922282 : die



Sachsen: aufgrund der Ausführungsbestimmung vom 28. Juni 1922283 : die



Schaumburg-Lippe: gemäß § 1 der Ausführungsverordnung vom 30. Juni



Thüringen: gemäß § 9 der Ausführungsverordnung vom 26. Juni 1922285 : der In-



Waldeck: gemäß § 1 der Ausführungsbestimmung des Landesdirektors vom 28. Juni 1922286 : die Landräte.

zeiamt;

1922281 : das Ministerium, Abt. Inneres;

Oberpräsidenten für den Bereich ihrer Provinzen, die Polizeipräsidenten für die Stadtgemeinde Groß-Berlin;

Ortspolizeibehörden;

1922284 : die Landesregierung;

nenminister;

Die VO III sah keine unmittelbare Zuständigkeit eines Reichsorgans für den Erlaß einer Verfügung vor. Das Reich konnte aber weiterhin auf die Verbotspraxis Einfluß nehmen, wenn der Reichsminister des Innem von der ihm in § 2 Abs. 2 Satz 1 VO III eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machte, die Landeszentralbehörden um die entsprechende Anordnung zu ersuchen. Die Landesbehörde war zwar nicht verpflichtet diesem Ersuchen Folge zu leisten. Wollte sie ihm aber nicht entsprechen, war sie nach § 2 Abs. 2 Satz 2 VO III verpflichtet, den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik anzurufen, dessen Entscheidung bindend wirkte (§ 2 Abs. 2 Satz 3 VO III). bb) Örtliche Zuständigkeit Über die örtliche Zuständigkeit war in der VO III keine Regelung getroffen worden, so daß nach tauglichen Anknüpfungspunkten gesucht werden mußte. Obwohl es üblich war, die örtliche Zuständigkeit der Behörde für Verbotsverfügungen, die auf das Reichsvereinsgesetz gestützt wurden, nach dem Sitz des Vereins zu bestimmen, orientierte die Rechtsprechung die örtliche Zuständigkeit für Verfügungen, die aufgrund des § 1 Abs. 2 VO III ergingen, an der Samml. der lüb. Ges. u. VO NT. 116. Mecklenb. -Strel. Amt!. Anz. S. 262 f. 282 MBliV S. 669. 283 MBI. f. d. sächs. i. V. S. 208. 284 Schaumb.-Lipp. LandesVO S. 191. 28S Thüring. GS S. 191. 286 Abgedruckt bei: A. Lobe, S. 134. 280

281

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

105

tatsächlichen Betätigung der Vereinigung, wobei sich die Wirkung der Maßnahme jedoch auf das Gebiet des jeweiligen Landes beschränkte. 281 c) Rechtsfolgen

Die Entscheidung über den Erlaß einer Verfügung überließ § 1 Abs. 2 VO III dem Ermessen der zuständigen Behörde. Als Handlungsmöglichkeiten waren Verbot und Auflösung vorgesehen, die die Behörde kumulativ oder alternativ aussprechen konnte. 288 Über Ersatzorganisationen einer verbotenen Partei enthielt die VO III keine Regelung. Auch war die tatsächliche Fortsetzung der verbotenen Partei nicht strafbar. 3. Rechtsschutzmöglichkeiten

Die Möglichkeit, die Zu lässigkeit eines Parteiverbots überprüfen zu lassen, war geprägt von der Errichtung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik, die nach § 6 Abs. 1 VO III "bei dem Reichsgerichte" zu erfolgen hatte. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik war gemäß § 7 VO III zuständig für die Aburteilung "republikfeindlicher" Straftaten, gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 VO III für Streitigkeiten zwischen dem Reichsinnenminister und einer Landeszentralbehörde um die Ausführung der Verordnung und gemäß § 3 Satz 3 Halbs. 2 VO III für die Entscheidung über Beschwerden gegen Verfügungen, die aufgrund des § 1 VO III ergangen waren. Er übte demnach zum Teil die Funktion eines besonderen Strafgerichts, zum Teil die eines Verfassungsgerichts und zum Teil die eines besonderen Verwaltungsgerichts aus.289 Gemeinsam war diesen Zuständigkeiten, daß sie alle einen verfassungsschützenden Bezug aufwiesen. Die Bildung eines Rechtsprechungsorgans mit einer solchen Zielsetzung innerhalb der Justiz griff eine Forderung auf, die nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch laut geworden war,29O und die die Justizreformdebatte

281 RepSchStGH, Entsch. v. 19.Januar 1923, BAD-H, 30.09/Nr.12/l, BI.58 (59 RS). 288 Zum Inhalt dieser Rechtsfolgen: 4. Kapitel, B. 11. 1. d). Da im vorliegenden Zusammenhang Verbot und Auflösung immer kumulativ angeordnet wurden, sind, wenn im folgenden der Einfachheit halber von einern Parteiverbot die Rede ist, beide Rechtsfolgen gemeint. Sofern der Unterschied zwischen den Rechtsfolgen in der rechtlichen Regelung eine Rolle spielte, wird dies ausdrücklich hervorgehoben. 289 W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. 11 3;A. Lobe, 11, § 6, Anm. 1. 290 Schulthess, EGK 1920 I, S. 63.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

schon seit längerer Zeit bestimmt hatte. 291 Seine Alleinzuständigkeit für die ihm zugewiesenen Verwaltungssachen wurde ausdrücklich gerichtlich festgestellt. 292 Eine von einem Verbot betroffene Partei konnte allerdings die gegen sie verhängte Verfügung der Behörde nicht selbst unmittelbar dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik zur Entscheidung vorlegen, sondern es fand zunächst ein behördliches Vorverfahren statt. Wollte sich die Partei gegen ein Verbot zur Wehr setzen, mußten ihre Vertreter gegen die Verfügung gemäß § 3 Sätze 1 und 2 VO III Beschwerde bei der Landeszentralbehörde einlegen. Gegenstand der Beschwerde war jede ,,Anordnung" nach § 1 VO III. Es machte also keinen Unterschied, ob die Landeszentralbehörde selbst oder eine von ihr ermächtigte nachgeordnete Behörde die Verfügung erlassen oder die Landesbehörde erst auf ein Ersuchen des Reichsinnenministers hin gehandelt hatte.293 Die Beschwerde war auf zwei Wochen vom Tage der Zustellung oder Veröffentlichung der Anordnung ab befristet (§ 3 Satz 1 Halbs. 1 VO I1I), woraus sich mittelbar die Notwendigkeit einer Bekanntgabe der Verfügung an den Betroffenen in Form der Zustellung oder der Veröffentlichung als Wirksamkeitsvoraussetzung ergab. Beschwerdeberechtigt war der von der Anordnung ,,Betroffene", also die Partei, für die ihr Vorstand oder sonstige Gremien handelten. 294 Adressat der Beschwerde war unabhängig davon, ob sie die Anordnung selbst getroffen hatte oder nicht, die Landeszentralbehörde.295 Die Beschwerde hatte nach § 3 Satz 1 Halbs. 2 VO III keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 3 Satz 3 VO III konnte die Landeszentralbehörde der Beschwerde abhelfen, es sei denn, sie hatte die Verfügung erst auf ein Ersuchen des Reichsministers des Innem oder eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik hin erlassen. 296 Konnte oder wollte die Landeszentralbehörde der Beschwerde nicht abhelfen, hatte sie gemäß § 3 Satz 3 Halbs. 2 VO III unverzüglich den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik anzurufen. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik entschied nach § 6 Abs. 2 VO III grundsätzlich in einer Besetzung mit sieben Richtern, von Eingehend: I. Hueck, S. 8 ff. PrOVG, Entsch. v. 21. September 1922, auszugsweise in: DJZ 1923, Sp. 52 (53). 293 A. Lobe, I 1, § 3, Anm. 2. 294 RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI.137 (137 VS);A. Lobe, 11, § 3, Anm. 2. 295 A. Lobe, I 1, § 3, Anm. 2. 296 A. Lobe, I 1, § 3, Anm. 2. Für das insofern gleichlautende RepSchG I wurde die Abänderungsbefugnis für eine nach einem Ersuchen des Reichsinnenministers ergangene Verfügung bejaht, wenn die Aufhebung im Einvernehmen mit dem Reichsinnenminister erfolgte (W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. VII 8; a. A.: B. Weiß/F. Goehrke, § 17,Anm.9). 291

292

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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denen drei dem Reichsgericht angehören und die übrigen vier keine Ausbildung für das Richteramt besitzen mußten. Alle Richter wurden vom Reichspräsidenten ernannt. 297 Einzelheiten des Verfahrens regelte der Reichsminister der Justiz in der Verordnung vom 30. Juni 1922, zu deren Erlaß er aufgrund des § 6 Abs. 4 Satz 3 VO III ermächtigt worden war. 298 Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik war nicht vorgesehen. Neben dieser Entscheidung im Anschluß an das Beschwerdeverfahren entschied der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik über die Berechtigung eines Parteiverbots ferner, wenn eine Landeszentralbehörde nicht bereit war, einem entsprechenden Ersuchen des Reichsministers des Innern nachzukommen. Beteiligte dieses Rechtsstreits waren die Landeszentralbehörde und der Reichsinnenminister; die von der Entscheidung ebenfalls berührte verbotene Partei konnte hier nur mittelbar Rechtsschutz erlangen.299 4. Die Anwendung des § 1 Abs. 2 VO III in der Staatspraxis

a) Die Geltungsdauer der

va IIf

Kritik an den ,,Juni-Verordnungen" kam in erster Linie wieder aus Bayern. Der Bayerische Ministerpräsident Graf von Lerchenfeld erkannte in einer auf Interpellation der Bayerischen Volkspartei am 28. Juni 1922 im Landtag abgegebenen Erklärung zwar an, daß die Zuständigkeit im Sinne des Ersten Berliner Protokolls geregelt worden sei. Er rügte jedoch die Errichtung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik und die Einflußmöglichkeiten des Reichsinnenministers auf die Verbotsentscheidungen als schwere Eingriffe in die Gerichts- und Verwaltungshoheit der Länder ebenso, wie die einseitige politische Tendenz der Verordnung.300 Neben diesem offiziellen Protest untersagte die Bayerische Regierung der Polizei und Staatsanwaltschaft in Bayern etwaigen Weisungen der Reichsanwaltschaft, die im Ermittlungsverfahren denkbar waren, Folge zu leisten.lOt

Eingehend: I. Hueck, S. 93 ff. RGBI.I S. 534 ff. 299 So für die insofern gleiche Regelung im RepSchG I: W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. 11 3. 300 Verh. des Bayer. Landtages, 11. Tagung 1921/22, Bd. V, S. 778, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 240, S. 255. lOt Streng vertrauliche Information des württembergischen Gesandten v. 26. Juni 1922, berichtet bei: G. Jasper ,S. 68, FN 51. 297 298

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Damit wurden die ,,Juni-Verordnungen" praktisch von vornherein in Bayern nicht vollzogen. Die rechtliche Geltung des § 1 Abs. 2 VO III endete im gesamten Reichsgebiet mit der Autbebung der Verordnung durch Verordnung des Reichspräsidenten vom 23. Juli 1922 am 25. Juli 1923.302

b) Der Erlaß von Parteiverboten auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 va IIf und ihre Begründungen aa) Verbote der Deutschsozialen Partei Zwei der auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 VO III ausgesprochenen Parteiverbote betrafen die Deutschsoziale Partei .303 Am 1. Juli 1922 verfügte der Oberpräsident der Provinz Niederschlesien das Verbot und die Auflösung der DSP mit ihren sämtlichen in Niederschlesien bestehenden Ortsgruppen. 304 Der braunschweigische Landesverband der DSP wurde am 8. Juli 1922 durch die Abteilung für Inneres im Braunschweigischen Staatsministerium verboten und aufgelöst.30s Die Verfügungen wurden dabei ursprünglich nicht näher begründet. Die später nachgeschobenen Gründe sind nur zum Teil im Wortlaut erhalten. Wo dies nicht der Fall ist, wird - wie auch bei später noch zu erläuternden anderen Parteiverboten - zur Ermittlung der Gründe, die nach Ansicht der Behörden die Verfügungen rechtfertigten, auf Schriftwechsel zwischen den Behörden und die in den Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik erörterten Vorwürfe zurückgegriffen. Der Oberpräsident der Provinz Niederschlesien stützte das Verbot darauf, daß zwischen den örtlichen Vorständen der DSP und den Vorständen des rechtskräftig aufgelösten Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes in mehreren Fällen Personalunion bestehe. Ein durchgreifender Erfolg für den Schutz der Republik sei deshalb nur dann zu erzielen, wenn beide Organisationen aufgelöst würden. J06

RGBl. I S. 630. Zu dieser Partei vgl. 4. Kapitel, B. I 2. a) bb). 304 Verfügung Nr. o. P.1. P. 430, BA D-H, 30. 09/Abt. II/Nr. 160 b, Bd. 1, Bl. 2. 305 Bekanntmachung in der Braunschw. GVSlg., S. 472. J06 Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Niederschlesien an den Reichskommissar zur Überwachung der öffentlichen Ordnung v. 19.Juli 1922, teilweise in: RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 137 (138 VS). 302 303

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Neben diesem Hinweis auf die Beziehung zu einem bereits aufgelösten Verein wurde der DSP vorgeworfen, sie sei bestrebt, die Republik verächtlich zu machen. Zum Beweis dieser Behauptung zog der Niederschlesische Oberpräsident vor allem Artikel heran, die in dem von ihm als offizielles Parteiorgan eingestuften Deutschen Wochenblatt erschienen waren. In Nr.11 dieser Zeitung vom 15. März 1922 wurde z. B. dem früheren Reichskanzler Fehrenbach und dem jetzigen Reichskanzler Wirth private Bereicherung auf Kosten des Volkes vorgeworfen, was als Herabsetzung der Republik gewertet wurde.307 In der gleichen Zeitung erschienene Beschimpfungen der Republik wie: "Wir haben heute den schlimmsten Kapitalisten-, Schieber-,Wucher-, Ausbeuterstaa1..." oder " ...Volksausbeutung im grossen ... ",308 sah die Verbotsbehörde als Verächtlichmachen der Republik an. Parteioffizielle antisemitische Aussagen machten nach Auffassung des Niederschlesischen Oberpräsidenten ebenfalls die Republik im Sinne des § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 3 VO III verächtlich.309 Betont wurde von der Verbotsbehörde vor allem die kämpferische Grundhaltung der DSP. So ende ein unter der Überschrift "Sollen 20 Millionen Deutsche verhungern ?" von der Partei herausgegebenes Flugblatt mit der klaren Aufforderung zur Gewalt, wenn es dort hieß: "Es ist höchste Zeit, daß diejenigen gestürzt werden, die uns ins Verderben führen. Helft, ihnen die Larve vom Gesicht zu reißen. Sie, die das eigene Volk der Schuld am Kriege bezichtigen, um ihr verbrecherisches Tun zu rechtfertigen, ...sie alle muß endlich der Lohn für ihre Schandtaten ereilen ! "310 Die gleiche gewaltbereite Stimmung entnahm der Oberpräsident aus der republikfeindlichen Agitation der DSP auf Versammlungen und anderen Veranstaltungen der Partei. 3l1 307 Vgl. das Schreiben O. P. I. P. 1454 des Oberpräsidenten der Provinz Niederschlesien an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 29. September 1922, BA D-H, 30. 09/Abt. IIINr. 160 b, Bd. 1, BI. 13 (14), in dem ergänzend auf Tatbestände im zwischenzeitlich erlassenen RepSchG I verwiesen wurde. 308 Vgl. das Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Niederschlesien an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 29. September 1922, a. a. 0., BI. 13 (14). 309 Vgl. das Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Niederschlesien an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 29. September 1922, a. a. 0., BI. 13 (14). Hier finden sich Äußerungen der DSP wie: ,,Die Revolution vom 9. November 1918 ist nicht deutscher Geist gewesen. Nur weil sie ein Werk der Juden war, denen der Untergang des deutschen Volkes satanische Freude bereitet, konnte sie ihre Berechtigung aus einer so gemeinen verderbenbringenden Lüge nehmen." (BI. 15). 310 Vgl. das Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Niederschlesien an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 29. September 1922, a. a. 0., BI. 13 (16). 3\1 Vgl. das Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Niederschlesien an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 29. September 1922, a. a. 0., BI. 13 (17).

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Die Braunschweigische Abteilung für Inneres versuchte, ihr Verbot der DSP in erster Linie mit dem gewalttätigen Charakter der Partei zu begründen. Äußerungen auf Parteiversammlungen, in denen der Mord an Walther Rathenau nicht als Mord, sondern als ,,Beseitigung eines Volksschädlings" und "Freiheitstat eines neuen Wilhelm TeIls" bezeichnet wurden, wertete die Behörde als Beleg für die Bestrebung der Partei zu Gewalttaten aufzureizen und diese gutzuheißen .312 bb) Verbote der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Adressatin von zwei weiteren auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 VO III erlassenen Verfügungen war die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.313 Am 4. Juli 1922 wurde diese Partei in Baden verboten und aufgelösU l4 Der Thüringische Minister des Innern ließ am 15. Juli 1922 eine Verbotsund Auflösungsverfügung gegen die NSDAP für das thüringische Gebiet folgen.m Zur Begründung seiner Verbotsmaßnahme führte der Badische Innenrninister die systematische Hetze der NSDAP gegen den jüdischen Teil der Bevölkerung an, die in der sogar im Programm der NSDAP enthaltenen Forderung gipfelte, die Juden von bestimmten Ämtern und Ausbildungsmöglichkeiten auszuschließen sowie sie des Landes zu verweisen. Diese Ausgrenzung der Deutschen jüdischen Glaubens, die die Partei propagiere, stand nach Ansicht des Badischen Ministers im Widerspruch zur Weimarer Verfassung, nach der alle Deutschen vor dem Gesetz gleich waren. 316 Derselbe antisemitische Charakter der NSDAP spreche aus verschiedenen anderen partei offiziellen Äußerungen und steigere sich zum Teil zu einem, auch gewaltbereiten, Rassenhaß.J17 Der Thüringische Innenminister stützte seine Verfügung auf den Vorwurf, daß die NSDAP bestrebt sei, durch Beschimpfungen den Reichspräsidenten Jl2 So die in dem gerichtlichen Verfahren erörterten VOlwürfe, RepSchStGH, Entsch. v. 9. Juli 1923, BA D-H, 30. 09/Abt. II/Nr. 160 b, Bd. 2, BI. 65 (66 VS). 313 Vgl. 4. Kapitel, B.1. 2. a) aa). 314 Verfügung Nr. 57842, bekanntgemacht in der Karlsruher Zeitung v. 5. Juli 1922. Ergänzt wurde diese Verfügung durch die Verfügung Nr. 111 074 v. 20. November 1923, H. Verzeichnis des Reichsministers des Innem über die verbotenen Vereine und Vereinigungen aufgrund der Mitteilungen der Landesregierungen auf das Schreiben vom 3. Juni 1924, BA B, R 1501/13251, BI. 90. 31l Bekanntgemacht in der Thüring. GS S. 245. 316 Vgl. das Schreiben des Badischen Ministers des Innem an den Reichsminister des Innem v. 29. Juli 1922, BA B, R 1501/1248, BI. 44. Jl7 Nach der preuß. Verbotsverfügung v. 15. November 1922, BA D-H, 30.09/ Abt. I/Nr. 12, BI. 3 (3 RS).

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und die republikanischen Regierungen des Reichs und der Länder verächtlich zu machen, um so ihre Autorität auf Dauer zu untergraben.318 Zum Beleg dieses Vorwurfes verwies der Minister auf Artikel in der parteioffiziellen Zeitschrift Völkischer Beobachter, in der z. B. dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert schwere persönliche Verfehlungen im Amt unterstellt worden waren. J19 Durch antisemitische Äußerungen in der gleichen Zeitschrift, in denen die Republik als ,,neuer herrlicher Judenfreistaat" und die Reichsregierung als ,,Berliner Bankjuden" bezeichnet wurden, machte die NSDAP nach Auffassung der thüringischen Verbotsbehörde vor dem Hintergrund der antisemitischen Haltung der Partei republikanische Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 3 VO III verächtlich.320 Ferner erblickte der Thüringische Minister in parteioffiziellen Stellungnahmen zum Mord an Matthias Erzberger wie: "Für die Suche nach den Erzberger ,Mördern' hat die Reichsregierung bisher 200 Millionen ausgegeben. Der Mann schont den Staat sogar nach seinem Tode nicht." die eindeutige Verherrlichung einer Gewalttat, die nach § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 2 VO III einen Verbotsgrund darstellte. 32J c) Die auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 va II1 ausgesprochenen Parteiverbote als Gegenstände gerichtlicher Entscheidungen

aa) Die maßgeblichen Entscheidungsorgane und Entscheidungsgrundlagen Die Beschwerden, die für die von den Verbotsverfügungen betroffenen Parteien eingelegt wurden, wiesen die zuständigen Behörden zurück, so daß es eigentlich aufgrund des § 3 Satz 3 Halbs. 2 VO III zur gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verbote hätte kommen müssen. Zwischenzeitlich war jedoch die rechtliche Geltung der VO III im Reichsgebiet durch die Aufhebungsverordnung des Reichspräsidenten vom 23. Juli 1922 beendet worden.322 Fraglich war deshalb, auf welcher Grundlage und von welchem Gericht über die Beschwerden zu entscheiden war.

318 Schreiben des Thüringischen Ministers des Innem an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 12. September 1922, BA B, R 1501113248, BI. 88 (89 VS). 319 Schreiben des Thüringischen Ministers des Innem an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 12. September 1922, a. a. 0., BI. 88 (88 VS, RS). 320 Schreiben des Thüringischen Ministers des Innem an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 12. September 1922, a. a. 0., BI. 88 (88 RS). 321 Schreiben des Thüringischen Ministers des Innem an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik v. 12. September 1922, BI. 88 (88 RS). 322 RGBI. I S. 630.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 23. Juli 1922 erfolgte die Aufbebung der VO III "unbeschadet der §§ 26, 27" des am 23. Juli 1922 in Kraft getretenen Ersten Gesetzes zum Schutze der Republik vom • 21. Juli 1922.323 § 26 RepSchG I bestimmte, daß eine Maßnahme, die aufgrund der ,)uni-Verordnungen" getroffen und nach den Bestimmungen des Schutzgesetzes zulässig war, als aufgrund des Republikschutzgesetzes getroffen galt. Dies bedeutete nach überwiegender Auffassung nicht, daß nur Maßnahmen unter der neuen Rechtslage fortwirkten, die nach dem Republikschutzgesetz zulässig waren. Art. 1 Abs. 2 Halbs. 1 der Aufbebungsverordnung stellte vielmehr im Gegenteil klar, daß die Gültigkeit der auf der Grundlage der ,)uni-Verordnungen" ergangenen Anordnungen durch die Bestimmung in Abs. 1 der Aufbebungsverordnung nicht berührt wurde, was allgemeinen Rechtsgrundsätzen entsprach.324 Soweit aber die Voraussetzungen der Verordnungen denen des Republikschutzgesetzes inhaltlich entsprachen, wurden die aufgrund der Verordnungen erlassenen Maßnahmen durch Art. 1 Abs. 1 der Aufbebungsverordnung vom 23. Juli 1922 i. V. m. § 26 RepSchG I in ihren materiellen Wirkungen den aufgrund des Schutzgesetzes getroffenen Anordnungen gleichgestellt. Dies hatte z. B. zur Folge, daß derjenige, der sich an einer Vereinigung, die aufgrund des § 1 Abs. 2 VO III aufgelöst worden war, als Mitglied beteiligte, nunmehr unter die Strafdrohung des § 19 Abs. 2 RepSchG I fieJ.325 Die Beurteilung, ob eine Verwaltungsmaßnahme zulässig war, richtete sich demgegenüber, von Ausnahmefällen abgesehen, nach der Rechtsgrundlage, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses galt.326 § 1 Abs. 2 VO III wirkte also nach der Aufbebung der VO III als Entscheidungsgrundlage für das gerichtliche Verfahren fort. § 27 RepSchG I enthielt weitere Übergangsbestimmungen; insbesondere leitete Abs. 1 Satz 4 dieser Norm die bei dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik anhängigen Verfahren auf den nach dem Schutzgesetz endgültig zu bildenden Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik über. Mit der Rechtmäßigkeit der Parteiverbote befaßte sich also nicht mehr der auf der Grundlage der Republikschutzverordnung errichtete Staatsgerichtshof zum Schutze der RGB!. I S. 585 ff. W. Kiesow/E. Zweigert, § 26, Anm. I; a. A.:A. Lobe, Ein!. zu I, Anm. 7. 325 W. Kiesow/E. Zweigert, § 26, Anm.1. 326 RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922 (SI. R. 242), auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr. 5444, An!. Verh. RT, Bd.376, S. 5915 (5916); Entsch. v. 19. September 1922 (SI. R. 18.248), a. a. 0., S.5915 (5916); Entsch. v. 19. Januar 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI.58 (65 VS); Entsch. v. 20. April 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 137 (139 VS). 323

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B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Republik, sondern der auf der Grundlage des Schutzgesetzes gebildete Gerichtshof, den der Reichsjustizminister zum 1. September 1922 für errichtet erklärte.327 bb) Die einzelnen Entscheidungen des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik über die Rechtmäßigkeit der Parteiverbote (1) Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die Deutschsoziale Partei ausgesprochenen Verbote

Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik verband die beiden aufgrund des § 1 Abs. 2 VO III gegen die DSP verhängten Verbote zur Entscheidung in einem Verfahren. Die Verfügung des Niederschlesischen Oberpräsidenten gegen die DSP hob das Gericht am 20. April 1923 auf. 128 Dem Vorbringen, die DSP habe in naher Beziehung zum aufgelösten Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund gestanden, versagten die Richter die Anerkennung als Verbotsgrund. Zwar könne aus der Personalunion der Vorstände beider "Vereine" gefolgert werden, daß die Partei mit dem aufgelösten Verein gemeinschaftliche Ziele habe. Nach Meinung des Gerichts bedeutete dies aber nicht zwingend, daß die eingeschlagenen Wege zur Erreichung dieser Ziele die gleichen seien. Allein der von einer Vereinigung gewählte Weg entscheide jedoch darüber, ob sie der VO III unterfalle oder nicht. Dafür, daß die von der DSP gewählte Vorgehensweise im Widerspruch zu § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 VO III stand, hatte die Verbotsbehörde nach Überzeugung der Richter aber keinen ausreichenden Beweis erbracht.329 Zwar wurden alle durch den Niederschlesischen Oberpräsidenten geltend gemachten Verbotstatbestände des § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 VO III als erfüllt angesehen. Weil aber nicht ausgeschlossen werden könne, daß der zu Anfang in der Partei herrschende Geist einer ruhigeren Haltung Platz gemacht habe, verlören die Vorgänge, die sich vor dem Erlaß der Verfügung abgespielt hätten, desto mehr an Bedeutung, je weiter sie in der Vergangenheit lägen. Deshalb seien solche zeitlich weit zurückliegenden Tatsachen nicht verwertbar.330 Diese zeitliche Grenze hielt das Gericht nun bei den in der niederschlesischen Verfügung aufgeführten Ereignissen für überschritten, obwohl sie sich nicht länger als etwa ein halbes Jahr RAnz. Nr. 190 v. 26. August 1922. BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 137 ff. (St. R. V. 137 flg.). 329 RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI. 137 (138 RS). 330 RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, a. a. 0., BI. 137 (139 VS). 327

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8 Stein

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

vor dem Erlaß der Verfügung abgespielt hatten.3J1 Gleichzeitig wurde festgestellt, daß auch die dem Verbot nachfolgenden Äußerungen grundsätzlich nicht geeignet seien, um die Verfügung zu begründen. 332 Selbst wenn man aber die Verwertbarkeit der von der Verbotsbehörde vorgebrachten Tatsachen theoretisch unterstelle, fuhr das Gericht fort, seien die Vorkommnisse ohnehin zu vereinzelt, um Bestrebungen der Partei als solcher zu verkörpern. Auch müsse berücksichtigt werden, daß die DSP ausweislich ihres Programms die Staatsform ja durch Volksentscheid bestimmen lassen wolle, was nach Auffassung der Richter ebenso gegen ihren schlechthin republikfeindlichen Charakter sprach wie offizielle (nach dem Verbot erfolgte) Versicherungen des Parteivorstands, die DSP stehe "auf dem Boden der Verfassung."33' Demgegenüber sah der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik das Tatsachenmaterial, das in der braunschweigischen Verfügung beigebracht worden war und über das in derselben Sitzung verhandelt wurde, zunächst als gewichtiger an. Da trotzdem noch kein ausreichender Beweis für die Berechtigung des Verbots erbracht worden sei, setzte das Gericht die Entscheidung insofern vorläufig aus.334 In der am 9. Juli 1923 stattfindenden weiteren Verhandlung hob der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik dann das braunschweigische Verbot ebenfalls auf, weil die Äußerungen zum Rathenau-Mord zwar unter § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 2 va III subsumiert werden könnten, aber nicht erwiesen sei, daß sie tatsächlich so gefallen seien, wie das Ministerium behaupte.335 (2) Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verhängten Verbote

Die Beschwerde gegen das thüringische Verbot der NSDAP wurde durch Beschluß des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik am 12. Februar 1923 zurückgewiesen, da die Frist für die Einlegung der Beschwerde nicht ge-

RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, a. a. 0., BI. 137 (139 VS). RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, a. a. 0., BI. 137 (139 RS). 333 RepSchStGH, Entsch. v. 20. April 1923, a. a. 0., BI. 137 (140 VS). 334 Vgl. den Bericht über den Prozeß in der Leipziger Volkszeitung v. 20. April 1920, BA B, R 150l/13250/B1. 167. 335 RepSchStGH, Entsch. v. 9.Juli 1923 (St.R.V. 137/22ff.), BAD-H, 30.09/ Abt. II/Nr. 160 b, Bd. 2, BI. 65 (66 VS, RS). 3JI

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wahrt worden war.336 Darüber, ob das Gericht die Verfügung in der Sache für gerechtfertigt hielt, kann deshalb keine Aussage getroffen werden. Die Verbotsverfügung des Badischen Innenministers gegen die NSDAP bestätigte der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in einer Entscheidung am 15. März 1923.331 Da das Gericht das Verfahren über die badische Verfügung zwischenzeitlich mit Verfahren über NSDAP-Verbote verbunden hatte, die später in anderen Ländern ausgesprochen worden waren und seine Entscheidung auf der Grundlage aller von den Verbotsbehörden vorgebrachten Vorwürfe fällte, wird auf diese Entscheidung sinnvollerweise im Zusammenhang mit den verbundenen Verfahren eingegangen. Festzuhalten ist hier deshalb lediglich, daß die von der badischen Behörde vorgetragene Begründung, die NSADP strebe eine Entrechtung der deutschen Juden an, nach Ansicht der Richter das Verbot zu rechtfertigen vermochte. 338 d) Die Geltungsdauer der aufgrund des § 1 Abs. 2 va IIf erlassenen Parteiverbote

Die Wirkung der gegen die DSP verhängten Verbote endete mit ihrer gerichtlichen Aufhebung. 339 Die beiden gerichtlich bestätigten Verbote der NSDAP galten solange, bis sie durch die Behörden aufgehoben wurden. Die thüringische Verfügung wurde mit Wirkung zum 3. März 1924 aufgehoben.340 Das Verbot der NSDAP für Baden hob der Landesminister des Innern am 27. Oktober 1924 auf/li wobei er allerdings betonte, daß er sich zu dieser Maßnahme nur mit Rücksicht auf die bevorstehende Reichstagswahl habe entschließen können, bei deren Vorbereitung die Partei in ihrer Betätigung nicht behindert werden solle.342 Die Möglichkeit nach diesen Wahlen das Verbot wieder in Kraft zu setzen, behielt sich der Minister ausdrücklich vor. Zu einem erneuten Verbot der NSDAP in Baden kam es dennoch nicht.

BA D-H, 30. 09/Abl. I/Nr. 14, Bd. 2, BI. 151 (SI. R. 295/1922). BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 120 ff. (SI. R. V. 14/1922). 338 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 120 (131 RS). 339 Zur Wirkung einer gerichtlichen Aufhebung: W. lellinek, Verwaltungsrecht, S.301. 340 RAnz. Nr. 56 v. 6. März 1924. 341 Karlsruher Zeitung Nr. 251 v. 27. Oktober 1924. 342 Schreiben des Badischen Ministers des Innem an den Reichsminister des Innem v. 21. Juni 1926, BA D-H, 30. 09/Abl. V/Nr. 2, BI. 190. 336

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik S. Zusammenfassung

Nach der Autbebung der VO II im Dezember 1921 sah die Reichsregierung erst wieder nach dem Mord an einem wichtigen Repräsentanten der Republik eine Veranlassung zum Handeln. Auf Ausnahmesituationen wurde wie zuvor mit Ausnahmeverordnungen reagiert. Im Gegensatz zu den vorangegangenen, die Staatsautorität in den Vordergrund stellenden Verbotsnonnen, verlangten alle Verbotsalternativen des § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 VO III von den politischen Parteien die Respektierung der republikanischen Staatsfonn. An dieser Stellungnahme für den republikanischen Staatsgedanken und damit für die Grundlagen der demokratischen Verfassung, ist eine Wertorientierung ablesbar, die in den bisherigen Verbotsnonnen nicht oder nur in Ansätzen vorhanden war. Neben dieser Schwerpunktverlagerung fällt an der neuen Rechtsgrundlage auf, daß die Möglichkeit, Parteien aufgrund der ersten beiden Alternativen zu verbieten, nicht mehr an die Erörterung bestimmter Handlungen, sondern an die Verfolgung republikfeindlicher Bestrebungen geknüpft war: Entscheidend für ein Verbot war also nicht mehr die nach außen kundgemachte Haltung, sondern das wirkliche Ziel einer Partei. Weil die Bestrebung auf die gesetzwidrige Beseitigung der republikanischen Staatsfonn bzw. die Begehung von Gewalttaten gerichtet sein mußte, war die Republik trotzdem nicht vor jeder ihr feindlichen Zielsetzung geschützt, sondern nur davor, daß radikale Parteien ihre Forderungen mit gewaltsamen Methoden umzusetzen suchten. Die Entscheidung über den Erlaß von Verboten lag ganz im Sinne des Ersten Berliner Protokolls in den Händen der Landesexekutive. Obwohl die Verbotsnonn als mögliche Adressaten einer Verfügung weiter allgemein Vereinigungen erwähnte, wurden die Gefahren, die extremistische politische Parteien für die Weimarer Demokratie bedeuteten, jedenfalls in einigen Ländern, zunehmend ernst genommen, wie die ausgesprochenen Verbote beweisen. Mit der DSP und der NSDAP waren dabei allein rechtsextreme Parteien von Verboten betroffen. Ein Novum war die Errichtung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik, der als Organ der Judikative mit der spezifischen Zielsetzung die republikanischen Einrichtungen vor den ihnen drohenden Gefahren zu bewahren, eine Rechtskontrolle der Verbote vornahm. An den bei den Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die DSP erlassenen Verbote werden dabei die strengen Maßstäbe deutlich, die das neue Gericht an den Nachweis der Gesamtverantwortung einer Partei anlegte. So verlangten die Richter, daß die Behörden ihre Verfügungen mit einer Vielzahl nachgewiesener Verstöße von Parteianhängern gegen die Republikschutzverordnung begründen konnten, die nicht länger als ein halbes Jahr vor dem Erlaß des Verbots lagen. Damit wurde

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den Schutzbehauptungen, es handele sich bei den Verstößen nur um Verfehlungen Einzelner und die Partei habe im Zeitraum zwischen den im Widerspruch zu der Verordnung stehenden Ereignissen und dem Erlaß der Verfügung eine entscheidende Wandlung durchgemacht, Tür und Tor geöffnet. Kaum Aussagen finden sich in den Entscheidungen des Gerichts darüber, welche inhaltlichen Ziele einer Partei unter die Verbotsnorm subsumiert werden konnten. Lediglich an der Entscheidung, die das badische Verbot der NSDAP betraf, läßt sich ablesen, daß das Parteiziel der völligen Entrechtung einer Bevölkerungsgruppe als Widerspruch zum republikanischen Staatsgedanken gewertet wurde, wobei diese Entscheidung aber im Zusammenhang mit den aufgrund des Ersten Republikschutzgesetzes anhängigen anderen Verfahren gesehen werden muß. Zurückhaltend reagierte der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik auf das Vorbringen, eine Partei sei eng mit bereits verbotenen Organisationen verflochten. Die Richter forderten hier eine streng isolierte Betrachtung von den Verbotsbehörden .

VII. Parteiverbote aufgrond des Ersten Gesetzes zum Schutze der Republik 1. Entstehungsgeschichte

Die Diktaturverordnungen der Jahre 1921 und 1922 waren als Reaktion auf konkrete Ausnahmesituationen durchgesetzt worden. Dabei war in den Befürwortern der Verordnungen angesichts der nicht abreißenden Serie von politisch motivierten Morden und Gewalttaten die Überzeugung gewachsen, daß diese Regelungen allein kein geeignetes Mittel waren, um die Republik langfristig vor weiteren Erschütterungen zu bewahren, sondern daß es dazu dauerhafterer Bestimmungen in Gesetzesform bedurfte.343 Die Verordnungen der Jahre 1921 und 1922 und die ihnen vorausgegangenen Ereignisse sind deshalb Teil der Entstehungsgeschichte des Ersten Gesetzes zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922.344 Wenn nun im folgenden die Entstehungsgeschichte des Ersten Republikschutzgesetzes nachgezeichnet wird, ist demgegenüber der Gang der Beratungen gemeint, die über die gesetzliche Regelung geführt wurden, und die teilweise parallel zu der Inkraftsetzung, Geltung und Außerkraftsetzung der Diktaturverordnungen verliefen. Diese Entstehungsgeschichte wird speziell unter 343 Z. B.: Reichskanzler Wirth, Sitz. v. 24. Juni 1922, Verh. RT, Bd. 355, S. 8037 C; H. G. Erdmannsdörffer, S. 20. 344 RGBJ. I S. 585 ff.

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dem Blickwinkel der Normen betrachtet, die im Zusammenhang mit dem Erlaß von Parteiverboten bedeutsam sein konnten. Schon nach der Ermordung Matthias Erzbergers im Jahre 1921 und den darauf folgenden inneren Unruhen war die Forderung nach einem Gesetz laut geworden, das als Rechtsgrundlage für eine Bekämpfung radikaler Umtriebe herangezogen werden konnte.345 Ein erster, vom Reichsjustizministerium im September 1921 erarbeiteter Entwurf eines "Gesetzes zur Anpassung des Strafgesetzbuchs an das Verfassungsrecht",346 mit dem versucht werden sollte, eine strafrechtliche Handhabe gegen die antirepublikanische Agitation zu gewinnen, blieb jedoch zunächst im Reichstag unerledigt liegen und wurde später durch die Entwicklung im Juni und Juli des Jahres 1922 überholt.347 In einem weiteren thematisch einschlägigen "Vorentwurf eines Gesetzes über die Verpflichtung der Beamten zum Schutze der Verfassung", der im Innenministerium konzipiert worden war, lag der Schwerpunkt auf einer Neugestaltung des Beamtenrechts. Zwar ging dieser Entwurf im Januar 1922 den Landesregierungen zu, um eine bessere Abstimmung des Vorgehens zwischen Reich und Ländern zu erreichen. Er gelangte aber nicht einmal in das Stadium parlamentarischer Beratungen .348 Gemeinsam war den Entwürfen, daß sie keine Rechtsgrundlage für Verbote politischer Parteien enthielten, ja daß sie sogar verwaltungsrechtliche Verbotsregelungen völlig ausklammerten. Bereits in ihren ersten Reaktionen auf den Mord an Walther Rathenau verlangte die Reichsregierung, den Republikschutz nunmehr endgültig auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.349 Zu diesem Zweck beschloß die Reichsregierung am 26. Juni 1922 zwei inhaltlich weitgehend übereinstimmende Entwürfe/ 50 von denen der eine Entwurf die Grundlage der Kabinettsberatung am 27. Juni 1922,351 der Besprechung der Parteiführer am 28. Juni 1922352 und der

345 So die nahezu übereinstimmende Einschätzung in der Debatte um die Aufhebung der VO II (Sitz. v. 16. Dezember 1921, Verh. RT, Bd. 352, S. 5266 [5276]). 346 Drucks. NT. 4156, An/. Verh. RT, Bd. 372, S. 4469. 347 Sitz. v. 16. Januar 1923, Verh. RT, Bd. 357, S. 9446. 348 Zum Inhalt des Entwurfs und seinem Scheitern: G. Jasper ,S. 53 ff. 349 So: Reichskanzler Wirth, Sitz. v. 24. Juni 1922, Verh. RT, Bd. 355, S. 8037 C; Justizminister Radbruch, Sitz. v. 25. Juni 1922, Verh. RT, Bd. 356, S. 8050 A. 350 Beide Entwürfe sind abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd. 2, NT. 301, S. 901 ff. 351 Abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd.2, NT. 302, S. 906 ff. 352 Abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd.2, NT. 303, S. 908 ff.

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Besprechung der Reichsregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder am 29. Juni 1922353 war. Der Inhalt beider Entwürfe entsprach dabei in der Sache der am 26. Juni 1922 erlassenen Republikschutzverordnung des Reichspräsidenten. § 1 Abs. 2 des einen Entwurfs bzw. § 7 Abs. 2 des später zugrunde gelegten Entwurfs sah die Möglichkeit vor, Vereine und Vereinigungen zu verbieten und aufzulösen. § 7 Abs. 2 des den Beratungen zugrunde gelegten Entwurfs knüpfte dabei ein Vereinigungsverbot nicht an die Verwirklichung eines in der Verbotsnorm beschriebenen Sachverhalts, sondern daran, daß Erörterungen stattfanden oder Bestrebungen verfolgt wurden, die gegen Strafvorschriften verstießen, die in dem geplanten Gesetz selbst enthalten sein würden. Da allgemein angenommen wurde, daß die geplanten verwaltungsrechtlichen Bestimmungen und die beabsichtigte Regelung des Rechtsschutzverfahrens über die nach der Verfassung im Wege eines einfachen Reichsgesetzes regelbaren Vorschriften hinausgingen/54 waren sich die Befürworter der gesetzlichen Regelung darüber einig, daß das Gesetz mit verfassungsändernder Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden sollte.3SS Die Bedenken, die in den verschiedenen internen Beratungen gegen die gesetzliche Regelung vorgebracht wurden, waren deshalb nicht verfassungsrechtlicher Art, sondern von Zweckmäßigkeitserwägungen bestimmt. So forderte der Vorsitzende des Zentrums Wilhelm Marx in der Parteiführerbesprechung, ,,Ausnahmesituationen" nicht mit ,,Ausnahmegesetzen" zu begegnen, sondern wie bisher auf Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV zurückzugreifen. 356 Differenzen über den einzuschlagenden Weg traten dann vor allem in der Besprechung mit den Ministerpräsidenten der Länder hervor, die schon wegen der ablehnenden Haltung der Bayerischen Staatsregierung dringend geboten erschien. Graf von Lerchenfeld verwies in dieser Unterredung auf seine Ausführungen im Bayerischen Landtag und bekräftigte sie.3S7 Die Mehrheit der Länderbevollmächtigten sprach sich demgegenüber für die Einbringung des Ge-

353

Abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd.2, Nr. 304,

S. 913 ff. 354 W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. 2. 355 Vgl. z. B. Abg. Müller-Franken in der Parteiführerbesprechung am 28. juni 1922,

in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd. 2, Nr. 303, S. 909. 356 Abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd.2, Nr. 303, S.91O. 357 Besprechung mit den Ministerpräsidenten der Länder am 29. Juni 1922, abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd. 2, Nr. 304, S. 913 (914). Erklärung im Bayerischen Landtag, abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925), S. 76 f.

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setzentwurfs im Reichsrat aus, die mit geringfügigen Änderungen am 30. Juni 1922 erfolgte358 • Diese Vorlage enthielt in § 7 eine um das Verbot von Vereinigungen, die für die Erhebung einer bestimmten Person auf den Thron eintraten, erweiterte Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß eines Vereinigungsverbots. In § 8 der Vorlage war ein § 3 VO III entsprechendes Beschwerdeverfahren gegen ein Verbot vorgesehen, an dessen Ende der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik entscheiden konnte. Neu war, daß der für § 7 der Vorlage bedeutsame Begriff republikanische Staatsform durch § 15 der Vorlage legaldefiniert wurde als " .. .Inbegriff derjenigen Verfassungsbestimmungen, in denen der republikanische Staatsgedanke in seinem Unterschied von der früheren Staatsform Ausdruck findet." Die Definition, vor allem aber, daß überhaupt die Formulierung "republikanische Staatsform" verwendet werden sollte, war in den Beratungen des Reichsrats am 3. Juli 1922 einer der Hauptstreitpunkte. Das Ziel der politischen Linken, eine Räterepublik zu errichten, wurde im Gegensatz zu monarchischen Anschauungen im Einklang mit dem republikanischen Staatsgedanken gesehen und hätte demnach nicht gegen die geplanten straf- und verwaltungsrechtlichen Normen verstoßen. Deshalb wurde an der Vorlage eine einseitig gegen die politische Rechte gerichtete Tendenz kritisiert.359 Auch angesichts linksradikaler Unruhen 360 einigte man sich schließlich darauf, den Ausdruck republikanische Staatsform durch verfassungsmäßige republikanische Staatsform zu ersetzen. Damit konnten Bestrebungen, die eine Räterepublik an die Stelle der in der Weimarer Verfassung ausgestalteten Republik setzen wollten, ebenfalls Sanktionen aufgrund des Gesetzes nach sich ziehen. Zudem sollte eine Definition unterlassen werden.361 Demgegenüber erteilte die Mehrheit der Ländervertreter den Absichten Bayerns, Württembergs und Hamburgs eine Absage, verwaltungsrechtliche Bestimmungen über Vereinigungs-, Presse- und Versammlungsverbote ganz aus dem Gesetz auszuklammern und durch Verordnung zu regeln. Ebenso beließ man es bei der Gestaltung des umstrittenen Rechtsschutzverfahrens.362 Der Reichsrat beschloß diesen geänderten Entwurf noch am selben Tag mit 48 Ja-

Drucks. Reichsrat, NT. 172, zit. nach G. Jasper ,S. 69, FN 2. Bericht bei: W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 NT. 4, Anm. IV 1. 360 Vgl. den Überblick in: Register, Verh. RT, Bd.362, S. 13186, Ziff.9. Ferner: G. Jasper, S. 63 f. 361 Vgl. den Bericht über die Verhandlungen im Reichsrat bei: G. Jasper, S. 70 f. 362 Vgl. G. Jasper, S. 71 ff. 358 359

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zu 18 Nein-Stimmen 363 und die Reichsregierung legte ihn unverändert364 dem Reichstag vor.36S In den drei Lesungen des Entwurfs im Reichstag debattierten die Abgeordneten dann kaum über den Inhalt des geplanten Gesetzes, sondern ergingen sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen.366 Eine der Änderungen, auf die man sich trotzdem einigen konnte, war, die Formulierung verfassungsmäßige republikanische Staatsform durch verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform zu ersetzen, was die Maßgeblichkeit der durch die Weimarer Verfassung ausgestalteten Staatsform betonen sollte.367 Davon, daß das Gesetz als Rechtsgrundlage für Verbote politischer Parteien herangezogen werden könnte, war nicht die Rede. Am 18. Juli 1922 beschloß der Reichstag den geänderten Entwurf mit der verfassungsdurchbrechenden Mehrheit von 303 Ja- zu 102 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen.368 Nachdem sich der Reichsrat am 20. Juli 1922 mit dem Gesetz befaßt und keinen Einspruch erhoben hatte,369 wurde es am 21. Juli 1922 vom Reichspräsidenten ausgefertigt. Mit der Verkündung im Reichsgesetzblatt trat das "Gesetz zum Schutze der Republik" am 23. Juli 1922 in Kraft (§ 27 Abs. 1 RepSchG 1).370 Das schließlich geltende Republikschutzgesetz gliederte sich thematisch in folgende Abschnitte: Strafbestimmungen (§§ 1-11), Bestimmungen über den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik (§§ 12, 13), versammlungs- und vereinsrechtliche Regelungen (§§ 14-19), presserechtliche Bestimmungen (§§ 20-22), Übergangs- und Schlußvorschriften (§§ 23-27).

363 Niederschrift der 34. Sitzung des Reichsrats v. 3. Juli 1922, referiert bei: W. KiesowiE. Zweigert, S. XVI. 364 Kabinettsprotokoll v. 4. Juli 1922, abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd. 2, Nr. 310, S. 933. 36S Drucks. Nr. 4661, Anl. Verh. RT, Bd. 374, S. 5137. 366 l.l..esung am 5. Juli 1922, Verh. RT, Bd.356, S.8287-8324; 2.l..esung am 1l./12.Juli 1922, a.a.O., S.8407-8514; 3.l..esung am 18.Juli 1922, a.a.O., S. 8687 -873l. 367 Dies geschah in der 3.l..esung auf Antrag von SPD, DDP und Zentrum, Drucks. Nr. 4832, in: Anl. Verh. RT, Bd. 374, S. 5325. 368 Verh. RT, Bd. 356, S. 8737. 369 Niederschrift der 20. Sitzung des Reichsrats am 20. Juli 1922, referiert von W. KiesowlE. Zweigert, S. XIX. 370 RGBI. I S. 585 ff. Ergänzend beschloß der Reichstag am selben Tag das "Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik" (RGBI. I S. 590), das ,,Reichskriminalpolizeigesetz" (RGBI. I S.593), das "Gesetz über die Straffreiheit für politische Straftaten" (RGBI. I S. 595 f.) und das "Gesetz über die Bereitstellung von Mitteln zum Schutze der Republik" (RGBI. I S. 596 ff.).

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2. Regelungsinhalt der aus dem Ersten Republikschutzgesetz als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm

Aus dem Ersten Republikschutzgesetz konnte als Rechtsgrundlage für den Ausspruch eines Parteiverbots § 14 Abs. 2 herangezogen werden, worin es hieß, daß "...Vereine und Vereinigungen, in denen Erörterungen der bezeichneten Art stattfinden oder die Bestrebungen dieser Art verfolgen oder die die Erhebung einer bestimmten Person auf den Thron betreiben ... ", verboten und aufgelöst werden konnten.

a) Voraussetzungen aa) Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 RepSchG I auf politische Parteien Aufgrund der bisherigen von Rechtsprechung und Literatur bestätigten Praxis politische Parteien als Vereine und Vereinigungen einzuordnen, hätte es eigentlich unproblematisch sein müssen, sie für mögliche Adressaten einer auf § 14 Abs. 2 RepSchG I Verfügung zu halten. Die Beschwerdeführer in dem noch näher zu erläuternden gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit von gegen die Deutschvölkische Freiheitspartei verhängten Verboten bestritten nun jedoch massiv, daß politische Parteien unter § 14 Abs. 2 RepSchG I subsumiert werden könnten.37\ Weil mit der DVFP erstmals in der Weimarer Zeit eine im Reichstag mit Abgeordneten vertretene Partei von Verboten betroffen war, erlangte gerade dieses Verfahren eine erhebliche Brisanz. Dies veranlaßte den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik, sich in einer seiner frühen Entscheidungen grundlegend mit der Frage auseinanderzusetzen, ob politische Parteien taugliche Adressaten einer auf § 14 Abs. 2 RepSchG I gestützten Verfügung waren. Die Bestimmung der Begriffe Verein und Vereinigung orientierte das Gericht an den aus Rechtsprechung und Schrifttum geläufigen Kriterien: Verein sei der gegenüber der Vereinigung engere Begriff und setze " ...eine Verbindung für längere Dauer sowie eine Organisation voraus, vermöge deren der Einzelne sich dem Gesamtwillen unterzuordnen ... " habe. Wie dieser Gesamtwille gebildet werde, darauf komme es ebensowenig an wie darauf, ob die Organisation eine mehr oder weniger 10-

37\ So Rechtsanwalt Herold als Prozeßvertreter der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik am 26. April 1923, Handschriftliches Protokoll, BA D-H, 30. 09/Abt. V/Nr. 2, BI. 57 (58 RS).

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se sei. Ob eine politische Partei danach als Verein oder Vereinigung anzusehen sei, sei eine Tatfrage.372 Wenn eine politische Partei in Anwendung dieser Grundsätze allgemein als Verein oder Vereinigung gekennzeichnet werden könnte, fuhr der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik fort, folge daraus aber nicht zwingend, daß auch das Republikschutzgesetz auf sie anwendbar sei. Schließlich genössen auch Wahlversammlungen nach § 15 RepSchG I eine Sonderstellung gegenüber sonstigen Versammlungen, die wegen der Vergleichbarkeit der wahrgenommenen Aufgaben vom Gesetzgeber ebenfalls für politische Parteien erwogen worden sein könnte. Gerade daraus, daß Wahlversammlungen ausdrücklich im Gesetz hervorgehoben worden seien, folgerten die Richter jedoch im Wege des "argurnenturn e contrario" -Schlusses, daß den politischen Parteien nach dem Schutzgesetz keine privilegierte Stellung zukommen sollte. Da die Bedeutung, die das Parteiwesen im öffentlichen Leben mittlerweile einnehme, allgemein bekannt sei, hätten die Parteien ausdrücklich von der Anwendung des Schutzgesetzes ausgeschlossen werden müssen, wenn für sie eine Sonderstellung beabsichtigt gewesen sei.m Gleichzeitig hob der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik hervor, daß die parlamentarische Stellung der einer verbotenen Partei angehörenden Abgeordneten durch Verbot und Auflösung nicht berührt werden dürfte. Der in Art. 21 WRV niedergelegte Repräsentationsgedanke und die besonderen Rechte der Abgeordneten aus Art. 37, 38 WRV verlangten nach Ansicht der Richter vielmehr, daß die innerhalb der Parlamente bestehende Fraktion, die von den der verbotenen Partei angehörenden Abgeordneten gebildet wurde, durch das Verbot nicht ergriffen werden dürfte.374 Aus denselben Prinzipien wurde ferner gefolgert, daß durch das Verbot auch der unmittelbare Verkehr zwischen diesen Abgeordneten und ihren Wählern in keiner Weise behindert werden dürfte. Lediglich die Beschränkung des mittelbaren Verkehrs der Abgeordneten mit ihren Wählern, der sich mittels einer Inanspruchnahme von Parteieinrichtungen vollziehe, bezeichnete das Gericht als "begriffsnotwendige Konsequenz" eines Parteiverbots.375 Ebenso grundlegend wie das Gericht die Entscheidung für eine grundsätzliche Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 RepSchG I auf politische Parteien getroffen hatte, genauso grundlegend waren damit die Rechtsfolgen des Parteiverbots 372 RepSchStGH, Entsch. v. 27. April 1922 (S1. R. V. 24/23), BA B, R 1501/13221/ BI. 2 (2 VS) in Anknüpfung an RGSt 24, 245 (247); auch auszugsweise berichtet von Reichsinnenminister Oeser, in der Sitz. v. 12. Mai 1923, Verh. RT, Bd.360, S. 10998 ff. m RepSchStGH, Entsch. v. 27. April 1923, a. a. 0., BI. 2 (2 RS). 374 RepSchStGH, Entsch. v. 27. April 1923, a. a. 0., BI. 2 (2 RS). 375 RepSchStGH, Entsch. v. 27. April 1923, a. a. 0., BI. 2 (3 VS).

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in ihrer Wirkung beschränkt worden: Die Abgeordneten, die einer verbotenen Partei angehörten, mußten weiter ihre Mandate mit allen hiermit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten ungestört wahrnehmen können; sie konnten ebenso ungestört in der nächsten Parlamentswahl - unter einer anderen Parteibezeichnung - kandidieren. Wie sehr diese Einschränkung zur damaligen Zeit als eine selbstverständliche Folgerung aus dem Repräsentativsystem betrachtet wurde, wird daran deutlich, daß die Verbotsbehörden die parlamentarische Stellung der verbotenen Partei ohnehin von vornherein aus ihren Überlegungen für Verbote ausgeklammert hatten376 und daß die parlamentarische Arbeit der zu dieser Partei gehörenden Abgeordneten durch entsprechende Ausführungsbestimmungen gesichert wurde.377 bb) Verbotsgründe (1) Erörterungen und Bestrebungen als Verbotsgründe

Die Erörterungen der bezeichneten Art und Bestrebungen dieser Art verwiesen auf § 14 Abs. 1 RepSchG I, waren also solche, die den Tatbestand einer der in den §§ 1, 2, 4-8 RepSchG I gekennzeichneten strafbaren Handlungen verwirklichten .378 Bereits in seinen Entscheidungen zu den aufgrund der va III ergangenen Entscheidungen über Verbote politischer Parteien und anderer Vereinigungen hatte der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik deutlich gemacht, daß an die Verfolgung von Bestrebungen strengere Anforderungen zu stellen waren als an das Stattfinden von Erörterungen.379 Rechtsprechung380 und Literatur38 ! zu § 14 Abs. 2 knüpften an diese Vorgaben an, indem sie für die Verfolgung von Bestrebungen ein "planmäßiges, systematisches Vorgehen" verlangten. Dem376 So die Beantwortung der Interpellation Hergt und Genossen durch den Reichsinnenminister v. 3. Mai 1923, BA B, R 1501/13593, Bl. 073 (077). 377 Vgl. z. B. die Verfügung des Preuß. Innenministers von Ende April, abgedruckt in der Beantwortung der Interpellation Hergt und Genossen, a. a. 0., Bl. 073 (078). 378 W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. VII 1,2. Die Aufnahme des § 3 RepSchG I in § 14 Abs. 1 RepSchG I war ein Redaktionsversehen, weil § 3 RepSchG I ein Strafausschließungsgrund und kein Tatbestand war (B. Weiß/F. Goehrke, § 9, Anm.2; § 14, Anm.lO). 379 Vgl. 4. Kapitel, B. VI. 4. c) und grundlegend RepSchStGH, Entsch. V. 19. September 1922, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, Bl.lO (10 VS und RS) =Verbot des Tejabundes; Entsch. V. 19. Januar 1923, a. a. 0., Bl. 58 (60 VS und RS) =Verbot des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes. 380 RepSchStGH, Entsch. V. 15. März 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, Bl.120 (126 RS) =Verbote der NSDAP in mehreren Ländern. 381 W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. VII 1, 2 i. V. m. 11 2,3; B. Weiß/F. Goehrke, § 14, Anm. 10, 11, 12.

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gegenüber wurden Äußerungen auch dann als Erörterungen bezeichnet, wenn sie nicht Ausdruck einer planmäßigen Handlungsweise waren. Allerdings sollten Erörterungen nicht in der Partei stattfinden, wenn die Äußerungen durch einzelne Mitglieder der Partei oder gar Außenstehende erfolgt waren. Betont wurde vielmehr, daß für die Erfüllung beider Verbotsalternativen erforderlich war, daß der Verstoß gegen das Republikschutzgesetz der Partei als solcher zugerechnet werden konnte. Dies war z. B. der Fall, wenn sich eine größere Anzahl von Parteianhängern oder führende Parteimitglieder der Verfehlungen schuldig machten.382 Weil für ein Verbot auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 RepSchG I sowohl Erörterungen als auch Bestrebungen, die beide auf dieselben Straftatbestände verwiesen, herangezogen werden konnten, blieb die exakte Abgrenzung beider Alternativen regelmäßig im Einzelfall dahingestellt.383 Um Schutzbehauptungen auszuschließen, wurde als Entscheidungsgrundlage für die Feststellung strafbarer Erörterungen und Bestrebungen wie zuvor auf die tatsächliche Betätigung der Partei abgestellt, also etwa auf das Verhalten der Parteianhänger, den Inhalt der Parteiveranstaltungen und die Selbstdarstellung der Partei in Flugblättern oder Zeitungen. Der Satzung und sonstigen parteiamtlichen Erklärungen kam weiter nur indizielle Bedeutung ZU.3M Inhaltlich mußten sowohl die Erörterungen als auch die Bestrebungen gegen eine der Vorschriften der §§ 1, 2, 4-8 RepSchG I verstoßen, um ein Verbot zu rechtfertigen. Die Auslegung dieser strafrechtlichen Normen des Schutzgesetzes war deshalb auch im vorliegenden verwaltungsrechtlichen Zusammenhang bedeutsam, wobei die eine Entscheidung nicht zwingend an das Ergebnis der anderen Entscheidung gebunden war.38S Grundsätzlich kamen dabei alle Tatbestände der §§ 1,2,4-8 RepSchG I als Grundlage für ein Verbot in Betracht. Die Heranziehung der Straftatbestände im Rahmen der Verbotsnorm zwang jedoch zu Modifikationen. So war wichtig, daß für ein Verbot aufgrund des § 14 Abs. 2 RepSchG I die Erörterungen bzw. die Bestrebungen selbst strafbar sein mußten. Bei der Verbotsalternative der Erörterungen war deshalb darauf 382 RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922 (SI. R. 263), auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr. 5444, Anl. Verh. RT, Bd.376, S.5915 (5916); Entsch. v. 19. Januar 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 58 (65 VS). 383 SO Z. B. in: RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 120 (126 RS). 384 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 120 (124 VS); W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. VII 2; B. Weiß/F. Goehrke, § 14, Anm.14. 385 W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. VII 1. Erwähnt werden soll hier nur die Vielzahl der aufgrund des Republikschutzgesetzes verurteilten KPD-Mitglieder (vgl. dazu die Auswahl der Entscheidungen des RepSchStGHs, in: Polizeipräsidium Stuttgart (Hrsg.), S. 78 ff.), ohne daß die Partei selbst aufgrund des Republikschutzgesetzes verboten wurde. Dazu: C. Gusy, Wehrlose Republik? S.126 ff.;/. Hueck, S.196 ff.

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zu achten, daß es nicht ausreichend war, wenn strafbare Handlungen erörtert wurden, sondern es kamen hier nur die Tatbestände in Betracht, die sinnvoll durch eine Erörterung begangen werden konnten.386 Nach dem Wortlaut einiger strafrechtlicher Normen bildete ferner häufig nicht die Bestrebung selbst den Tatbestand der strafbaren Handlung, sondern die Teilnahme an einem Zusammenschluß, der bestimmte Bestrebungen verfolgte (z. B. §§ 1,2,7 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 RepSchG 1). Wenn man nun "diese Bestrebungen" in § 14 Abs. 2 RepSchG I wörtlich verstanden hätte, wäre der besonders schwerwiegende Fall, daß die Partei selbst Bestrebungen der bezeichneten Art verfolgte, als Verbotsgrund ausgeschieden. Da gerade diese Vereinigungen von der Regelung des § 14 Abs. 2 RepSchG I erfaßt werden sollten, wurde der Wortlaut der strafrechtlichen Tathandlungen im vorliegenden Zusammenhang insofern außer acht gelassen.387 Die in § 14 Abs. 2 i. V. m. § 14 Abs. 1 RepSchG I genannten Strafnormen lassen sich nun nach der Höhe der Strafdrohungen systematisieren, die dem Gewicht entsprach, die das verletzte Rechtsgut für den Bestand der Republik hatte. Aufgrund dieser Einteilung ergeben sich dann drei sachliche Bereiche von Normen, die Gotthard Jasper in einer anschaulichen Metapher als um die Republik gelegtes "dreifaches Mauersystem" bezeichnet hat.388 (a) Die Bestimmungen gegen die "Mörderzentralen" (§§ 1,2,4-6,7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 RepSchG I) Jedem Mörder drohte nach § 211 StrGB ohnehin die Höchststrafe. Deshalb richteten sich die §§ 1,2,4-6 RepSchG I, die alle die Begehung von Mordtaten an Regierungsmitgliedern zum Bezugspunkt hatten, auch nicht gegen die Mörder, sondern ihr Zweck war es, eine gesetzliche Grundlage für die Bestrafung der Hintermänner, der" Mörderzentralen " /89 die durch ihre Taten mittelbar die Republik schwächten, bereitzustellen. Wer als Opfer solcher "republikfeindlicher" Morde in Frage kam, bestimmte § 24 RepSchG I, wonach Regierungsmitglieder im Sinne des Republikschutzgesetzes der Reichspräsident und alle Regierungsmitglieder waren, " ...die einer aus allgemeiner, gleicher, unmittelba386 W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. 11, VII 2. Dies traf in der Hauptsache für die hier so bezeichneten ,,Äußerungsdelikte" zu, die unter (c) dargestellt werden. Ferner war die Begehung durch eine Erörterung theoretisch denkbar bei einer Verabredung zu einer Tötung oder Gewalttätigkeit (§§ 1, 7 Abs. 1 Nr. 1 RepSchG I) oder bei einer Unterstützung durch Rat und Tat (§§ 4, 7 Abs. 1 Nr. 4 RepSchG 1). 387 W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. VII 2. 388 G. Jasper, S. 106. 389 Begriff nach B. Weiß/F. Goehrke, Einl., S. 10. Ausführlich zum Kampf gegen die "Mörderzentralen": G. Jasper ,S. 106 ff.

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rer und geheimer Wahl hervorgegangenen Volksvertretung verantwortlich sind oder waren ... ", also weder die Mitglieder einer monarchischen Regierung noch die einer Räteregierung.390 Gemäß § 1 Abs. 1 RepSchG I machte sich stratbar, wer an einer Vereinigung oder Verabredung teilnahm, zu deren Bestrebungen es gehörte, Regierungsmitglieder im Sinne des § 24 RepSchG I durch den Tod zu beseitigen. Ergänzend enthielt § 2 RepSchG I eine über § 128 StrGB hinausgehende Strafdrohung für die Teilnahme an Geheimverbindungen, die Bestrebungen nach § 1 RepSchG I verfolgten. Ein erhöhter Strafrahmen war zudem für die Unterstützung (§ 4 RepSchG I), die Nichtanzeige (§ 5 RepSchG I) und die Begünstigung (§ 6 RepSchG I) solcher Mordtaten vorgesehen.391 In engem Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Schutz gegen den organisierten Mord stand der erste Halbsatz des § 7 Abs. 1 Nr. 1 RepSchG I, der jede Begehung eines gegen einen Minister gerichteten Angriffs auf Leib und Leben sowie die Verabredung dazu unter Strafe stellte.

§ 14 Abs. 2 i. V. m. § 14 Abs. 1, §§ 1, 2, 4-6, 7 Abs. 1 Nr.1 Halbs.1 RepSchG I eröffnete demnach die Möglichkeit gegen Parteien vorzugehen, die die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Regierungsmitglieder als Mittel der Verfolgung ihrer Ziele befürworteten. (b) Die "Organisationsdelikte" (§ 7 Abs. 1 NT. 4 und Nr. 5 RepSchG I) einschließlich' der Normen gegen den illegalen Waffenbesitz (§§ 7 Abs. 1 Nr. 6, 8 Nr. 3 RepSchG I) Im Vorfeld der organisierten Begehung von Gewalttaten stellte § 7 Abs. 1 Nr.4 RepSchG I den Zusammenschluß zu republikfeindlichen Organisationen unter Strafe. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 RepSchG I machte sich strafbar, "...wer an einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung (§§ 128, 129 des Strafgesetzbuchs), die die Bestrebung verfolgt, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes zu untergraben, teilnimmt oder im Dienste ihrer Bestrebungen ein Mitglied mit Rat oder Tat, insbesondere durch Geld unterstützt." Zur Klärung der Frage, welche Merkmale eine geheime oder staatsfeindliche Verbindung im Sinne des Republikschutzgesetzes auszeichneten, knüpften 390 W. Kiesow/E. Zweigert, § 1, Anm. II 2; anders für Mitglieder einer früheren Regierung: B. Weiß/F. Goehrke, § 25, Anm. 2. 391 Vgl. zum Ganzen: W. Kiesow/E. Zweigert, § 1.

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Rechtsprechung392 und Schrifttum393 an die Auslegung der ausdrücklich in § 7 Abs. 1 Nr. 4 RepSchG I genannten §§ 128, 129 StrGB an. Im Gegensatz zu dem weiteren Begriff der Vereinigung wurde die Verbindung traditionell dadurch geprägt gesehen, daß der Zusammen schluß zu ihr auf längere Dauer berechnet war und eine Organisation aufwies, in der zum Ausdruck kam, daß sich der Einzelne dem Willen der Gesamtheit unterordnete.394 Eine politische Partei wurde in Anwendung dieser Kriterien nicht schon als Verbindung bezeichnet, wenn sich die Gemeinschaft unter den Parteimitgliedern auf die Einheitlichkeit der politischen Anschauung sowie die Zahlung von Beiträgen beschränkte, und die einzelnen Parteimitglieder ohne Kenntnis von anderen dieselben Zwecke verfolgten. Für die Einordnung einer Partei als Verbindung wurde vielmehr verlangt, daß Beziehungen zwischen den Parteimitgliedern bestünden, kraft deren " ...alle mit bewußt und absichtlich vereinten Kräften ... " die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks anstrebten.395 Als geheim wurde eine Verbindung ebenfalls in Übernahme der herkömmlichen strafrechtlichen Betrachtungsweise qualifiziert, wenn ihre Strukturen vor den Behörden verborgen werden sollten oder wenn in ihr gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wurde.396 Staatsfeindlichkeit nahm man für Verbindungen an, ,,zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften." Eine solche Ungesetzlichkeit des Zwecks bzw. Mittels lag vor, wenn die Ziele bzw. die Betätigung der Verbindung gegen (irgend-) einen Rechtssatz verstießen.397 Wenn die Illegalität einer Partei aufgrund der §§ 128, 129 StrGB feststand, konnte die Frage nach ihren spezifisch antirepublikanischen Bestrebungen gestellt werden. Wie oben ausgeführt, war die Formulierung "verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform", die eine Partei gemäß § 7 Abs. 1 Nr.4 RepSchG I zu untergraben bestrebt sein mußte, das Ergebnis lebhafter Auseinandersetzungen.398 Mit dem schließlich erzielten Komprorniß versuchte man einerseits, den als wertneutral empfundenen Ausdruck Verfassung zu

392 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 120 (131 VS); RG, Entsch. v. 2. Dezember 1927, Das Recht 1928, S. 236. 393 W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 Nr. 4, Anm. III. 39. RGSt 13,273 (277 ff.); 24,328 (330); R. Frank, § 128, Anm. I. 395 Grundlegend: RGSt 13, 273 (280, 282). Ferner: R. Frank, § 128, Anm. I; J. v. Olshausen, § 128, Anm. 2. 396 W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 Nr.4, Anm. 11, anknüpfend an RGSt 16, 165 (170); B. Weiß/F. Goehrke, § 7, Anm. 17. 397 W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 Nr. 4, Anm. I1I; B. Weiß/F. Goehrke, § 7, Anm. 18. 398 Vgl. 4. Kapitel, B. VII. 1.

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vermeiden und andererseits, durch den Begriff ,,republikanische Staatsform" die Räterepublik nicht einseitig zu Lasten der Monarchie zu bevorzugen. Entsprechend dieser Zielsetzung wurde unter der verfassungsmäßig festgestellten republikanischen Staatsform der Inbegriff der Einrichtungen der Reichsverfassung verstanden, in denen der republikanische Gedanke seinen Ausdruck fand. 399 Ein Untergraben dieser Staatsform wurde in jeder planvoll auf ihre Beseitigung, Änderung oder Erschütterung gerichteten Tätigkeit ohne Rücksicht darauf erblickt, ob das Vorgehen rechtswidrig war oder nicht..oo Eine vor dem Hintergrund der vergangenen Attentate als besonders gefährlich eingeschätzte Form der Verbindung betraf die Strafdrohung in § 7 Abs. 1 Nr.5 RepSchG I. Aufgrund dieser Norm war die Beteiligung an einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung strafbar, die oder deren Mitglieder unbefugt Waffen besaßen. Diese Vorschrift wurde ergänzt durch § 7 Abs. 1 Nr.6 RepSchG I und § 8 Nr.3 RepSchG I, die das Verheimlichen und die Nichtanzeige von Waffenlagern unter Strafe stellten.4(lJ Aufgrund der Organisationsdelikte konnten also Parteien verboten werden, die zusätzlich zu ihrem Charakter als strafbare Verbindung spezifisch republikfeindliche Ziele verfolgten. (c) Die ,,Äußerungsdelikte" (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bis Nr. 3, § 8 Nr. 1 und Nr. 2 RepSchG I) § 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs.2 bis Nr.3 und § 8 Nr. 1 und Nr. 2 RepSchG I war gemeinsam, daß hier republikfeindliche Äußerungen pönalisiert wurden.

Alle Handlungsalternativen des § 7 Abs. 1 Nr.l Halbs.2 bis Nr. 3 RepSchG I waren von dem Gedanken geleitet, die "Mordhetze" zu unterbinden, wie sie den Attentaten an prominenten Politikern vorausgegangen war.402 Strafbar machte sich hiernach, wer zu Gewalttätigkeiten gegen Mitglieder einer republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes aufforderte (§ 7 Abs. 1 Nr.l Halbs.2 RepSchG 1), öffentlich oder in einer Versammlung Opfer einer solchen Gewalttat beschimpfte oder verleumdete (§ 7 Abs. 1 399 RGSt 57, 209 (211); 65, 185 (187 f.); W. Kiesow/E. Zweigert, §7 Nr.4, Anm. IV 2; B. Weiß/F. Goehrke, § 7, Anm. 20. Vgl. die Erklärung des Abg. Bell (Z), Sitz. v.1O. Juli 1922, Verh. RT, Bd. 356, S. 8398 . .00 W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 Nr. 4, Anm. IV 3; B. Weiß/F. Goehrke, § 7, Anm. 21. 401 Zu den Problemen, die bei der Anwendung der Vorschriften gegen den illegalen Waffenbesitz bestanden: W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 Nr. 6, Anm. IV; G. Jasper, S. 135 ff. 402 B. Weiß/F. Goehrke, S. 1 sprachen von: " ... maßloser Hetze gegen die junge deutsche Republik und deren Führer", die "die geistige Vorbereitung für die Tat" geschaffen habe.

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NT. 2 RepSchG I) und schließlich, wer öffentlich oder in einer Versammlung Verbrechen gegen § 1 RepSchG I oder Gewalttätigkeiten, die gegen Mitglieder einer republikanischen Regierung begangen waren, verherrlichte oder billigte (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 RepSchG 1). Für das Vorliegen der Aufforderung zu einer Gewalttätigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr.1 Halbs. 2 RepSchG I wurde keine ausdrückliche Erklärung verlangt. Der auffordernde Charakter einer Handlung konnte sich vielmehr auch schlüssig aus den jeweiligen Begleitumständen wie der Persönlichkeit des Äußernden oder dem angesprochenen Publikum ergeben.403 Die Erfüllung des Tatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 2 RepSchG I hing wesentlich von der näheren Konkretisierung der Tathandlung Beschimpfung ab. Hierfür wurde an die Formel angeknüpft, die das Reichsgericht zu dem die Gotteslästerung und Beschimpfung von Religionsgemeinschaften unter Strafe stellenden § 166 StrGB entwickelt hatte.404 Eine Beschimpfung nahm der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik demgemäß in ständiger Rechtsprechung an, " ...wenn - hinausgehend über den Rahmen einer bloßen Beleidigung - durch die Äußerung die Verachtung dessen, was Achtung erfordert, in besonders verletzender und roher Form sprachlich oder gedanken inhaltlich zum Ausdruck gebracht wird."405 Ob eine Äußerung in dieser Weise besonders roh und verletzend war, wurde nicht von der Verwendung eigentlicher Schimpfworte abhängig gemacht. Neben der Form und dem Inhalt der Äußerung sollte es vielmehr auf den Gesamtzusammenhang und die begleitenden Umstände der Äußerung ankommen 406 • Damit war die Einschätzung, wann eine Äußerung beschimpfenden Charakter aufwies, in erheblichem Maße eine Frage persönlicher Wertungen. Ähnlich interpretationsfähig war die ebenfalls zu einer Strafbarkeit aufgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 2 RepSchG I führende Tathandlung der Verleumdung eines Regierungsmitgliedes. In Anlehnung an die zu den Beleidigungsdelikten entwickelten Kriterien wurde das Vorliegen einer Verleumdung bejaht, wenn objektiv eine unwahre Tatsache behauptet wurde, die geeignet gewesen wäre, den Verstorbenen zu seinen Lebzeiten verächtlich zu machen oder in der öffentli-

W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 Nr. 1, Anm. III 3; B. Weiß/F. Goehrke, § 7, Anm. 7. Zur Begriffsbestimmung durch das Reichsgericht: RGSt 27, 284; 28,403 (405 f.); 31,305. 405 RepSchStGH, Entsch. v. 25. Oktober 1922 (SI. R. V. 4/22); Entsch. v. 27. Oktober 1922 (SI. G. V. 83/22), beide auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr. 5444, An!. Verh. RT, Bd. 376, S. 5915 (5918); Entsch. v. 13. Oktober 1922, JW 1923, S. 55 (Nr. 1); weitere Nachweise bei: B. Weiß/F. Goehrke, § 7, Anm. 11. 406 RepSchStGH, Entsch. v. 13. Oktober 1922 (SI. R. V. 66/22), auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr.5444, An!. Verh. RT, Bd.376, S.5915 (5917); W. Kiesow/E. Zweigert, § 7 Nr. 2, Anm. IV; B. Weiß/F. Goehrke, § 7, Anm.11. 403

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chen Meinung herabzuwürdigen und dem Täter subjektiv die Unwahrheit dieser Tatsache bekannt war.407 Daß es der Zweck des § 7 Abs. 1 Nr.2 RepSchG I war, der Hetze in der Presse und den Versammlungen entgegenzutreten, die den Attentaten vorausgegangen war, wird daran deutlich, daß beide möglichen Tathandlungen öffentlich oder in einer Versammlung begangen, also von einem größeren Personenkreis wahrgenommen worden sein mußten.408 Um den durch § 7 Abs. 1 Nr. 2 RepSchG I vermittelten Schutz zu vervollständigen, stellte § 7 Abs. 1 Nr.3 RepSchG I die öffentliche oder in einer Versammlung zum Ausdruck gebrachte Zustimmung zu vergangenen Taten unter Strafe.409 Im Gegensatz zu den Handlungsalternativen des § 7 Abs. 1 Nr.l Halbs.2 bis Nr.3 RepSchG I, die sich auf die konkrete Begehung ,,republikfeindlicher Gewalttaten" bezogen, sollten die Äußerungstatbestände des § 8 Nr.l und Nr.2 RepSchG I die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform allgemein vor einer Herabwürdigung schützen. Wer öffentlich oder in einer Versammlung (unmittelbar) diese Staatsform beschimpfte oder (mittelbar) dadurch herabwürdigte, daß er Mitglieder einer republikanischen Regierung beschimpfte oder verleumdete, war nach § 8 Nr. 1 RepSchG I strafbar. Da die Intention eine mittelbare Beschimpfung der Republik gemäß § 8 Nr. 1 Alt. 2 RepSchG I unter Strafe zu stellen, nicht darin gesehen wurde, einen zusätzlichen Schutz der Regierungsmitglieder vor Beleidigungen zu installieren 4 \O, war das Angriffsobjekt beider Handlungsalternativen die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform, auf deren Herabsetzung es entscheidend ankam. Ob eine Herabsetzung dieser Staatsform vorlag, beurteilten Rechtsprechung41l und Schrifttum412 ähnlich wie bei der Beschimpfung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 RepSchG I nach der Gesamtsituation. Dabei wurden so verschiedene Aspekte berücksichtigt wie der persönliche Hintergrund des Äußem-

407 W. KiesowlE. Zweiger!, § 7 Nr.2, Anm. IV 2 mit umfangreichen Verweisen auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts. 408 RGSt 57, 343 (344 f.); W. KiesowlE. Zweiger!, § 7 Nr.2, Anm. V; B. WeißI F. Goehrke, S. 1. 409 W. KiesowlE. Zweigert, § 7 Nr. 3, Anm. II 1, 2; B. WeißIF. Goehrke, § 7, Anm.13,14. 410 W. KiesowlE. Zweigert, § 8 Nr. 1, Anm. III 2. 411 Vgl. z. B.: RepSchStGH, Entsch. v. 13. Oktober 1922 (SI. R. V. 66/22); Entsch. v. 25. Oktober 1922, (SI. R. V. 4/22); Entsch. v. 27. Oktober 1922 (SI. G. V. 83/22), alle auszugsweise veröffentlicht in: Aktenstück Nr. 5444, Anl. Verh. RT, Bd. 376, S. 5915 (5917 f.); RepSchStGH, Entsch. v. 6. Dezember 1922, JW 1923, S.517 (Nr. 1). 412 W. KiesowlE. Zweiger!, § 8 Nr. 1, Anm. B II 1; B. WeißIF. Goehrke, § 8, Anm. 7.

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den, der Zeitpunkt der Äußerung, ihr Publikum sowie die Forderung, daß ein Bereich strafloser Kritik möglich sein müsse.413 Bei der Prüfung des Vorliegens einer mittelbaren Beschimpfung war wegen des Schutzzwecks der Bestimmung vor allem zu beachten, daß das von der Äußerung betroffene Regierungsmitglied gerade als Repräsentant der Republik, also in seiner Stellung als Amtsträger angegriffen worden sein mußte.4I4 Da die Gegner der Republik ihren Kampf gegen die Republik häufig mit Angriffen auf deren Symbole zu verschleiern suchten ,415 stellte § 8 Nr.2 RepSchG I ferner die Beschimpfung der Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold (Art. 3 Satz 1 WRV) oder der im Landesrecht vorgesehenen Landesfarben 4I6 unter Strafe. Für die Einordnung einer Äußerung als "rohe und verletzende Kundgabe von Nichtachtung des Hoheitszeichens" wurde ebenfalls auf den Gesamtzusammenhang abgestellt.417 Bereits weit im Vorfeld republikfeindlicher Aktivitäten konnte also die republikfeindliche Agitation zum Anlaß für ein Parteiverbot genommen werden. (2) Monarchistische Bestrebungen als Verbotsgrund

. Die dritte Verbotsalternative unterschied sich von den anderen Verbotsmöglichkeiten rechtstechnisch dadurch, daß sie das Verbot nicht an die Verwirklichung eines strafrechtlichen Tatbestandes, sondern an die Verfolgung eines eigentlich erlaubten Zweckes knüpfte.418 Einigkeit bestand darüber, daß es deshalb nicht erheblich war, ob die Erhebung eines Thronprätendenten auf ge413 RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922, JW 1923, S. 413 (Nr. 3); Entsch. v. 6. Dezember 1922, JW 1923, S.517 (Nr.l); RG, Entsch. v. 2. November 1923, JW 1924, S. 1751 (Nr. 9); ausführlich zum Spannungsverhältnis Beschimpfung - freie Meinungsäußerung in der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik: I. Hueck, S. 231 ff. 414 Die Beschimpfung des Regierungsmitglieds als Privatmann oder Parteipolitiker wurde für - jedenfalls nach § 8 Nr. 1 RepSchG I - straflos gehalten. Dazu: RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922 (St. R. V. 21/22), auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr. 5444, Anl. Verh. RT, Bd. 376, S. 5915 (5920); Entsch. v. 19. September 1922 (St. R. 319), a. a. 0., S. 5915 (5921); Entsch. v. 7. November 1922 (St. R. V. 29/22), a. a. 0., S. 5915 (5921). 415 Vgl. die Beispiele bei: G. Jasper ,S. 200 ff. 416 Vgl. G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 3. 417 RepSchStGH, Entsch. v. 19. September 1922 (St. R. 18.248), auszugsweise abgedruckt in: Aktenstück Nr. 5444, An\. Verh. RT, Bd.376, S.5915 (5921); W. Kiesow/E. Zweigert, § 8 Nr. 2, Anm. 11; B. Weiß/F. Goehrke, § 8, Anm. 11. 418 Hierin lag dann auch ein Grund für den verfassungsdurchbrechenden Charakter des § 14 Abs. 2 RepSchG I. Gegner des Schutzgesetzes bezeichneten ferner die Koppelung des Verbots mit neugeschaffenen Straftatbeständen als bedenklich (So: F. Everling, JW 1930, S. 1154 ff.).

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setzwidrige Weise betrieben wurde; es sollte vielmehr genügen, wenn eine Partei dieses Ziel durch legale Verfassungsänderung zu erreichen suchte.419 Allerdings wurde verlangt, daß sich die monarchistischen Bestrebungen auf eine bestimmte Person verdichtet hatten, und die Partei nicht nur allgemein solche Traditionen pflegte.42O Die Handlungsalternative der monarchistischen Bestrebungen erlangte weder im Zusammenhang mit Parteiverboten noch mit Verboten sonstiger Vereinigungen praktische Bedeutung.

b) Zuständigkeiten aa) Sachliche Zuständigkeit Sachlich zuständig für den Erlaß einer auf § 14 Abs. 2 RepSchG I gestützten Verfügung waren gemäß § 17 Abs. 1 RepSchG I die Landeszentralbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen. In den meisten Ländern wurden Ausführungsbestimmungen erlassen, die unter anderem die sachliche Zuständigkeit regelten. Zuständig waren in: •

Baden: gemäß Ziff. 1 der Bekanntmachung des Ministeriums des Innem vom 30. August 1922421 : grundsätzlich das Ministerium des Innem, bei Gefahr im Verzuge nach Ziff. 2 auch die Bezirksämter;



Bayern: gemäß Ziff. 1 der Bekanntmachung des Staatsministeriums vom 2. September 1922422 : grundsätzlich die Regierungen und Kammern des Innem, in München der Polizeidirektor, in Nümberg-Fürth das Staatspolizeiamt;



Braunschweig: gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung des Staatsministeriums vom 22. August 1922423 : der Minister des Innem;



Hamburg: gemäß § 1 der Verordnung des Senats vom 9. August 1922424 : für den städtischen Polizei bezirk die Polizeibehörde, für den Bezirk Ritzebüttel der Amtspräsident, in den übrigen Landesgebieten die Landherrenschaften;



Hessen: gemäß Ziff. 2 der Verfügung des Ministeriums des Innem vom 11. August 1922'25: grundsätzlich das Ministerium des Innem, bei Gefahr im Verzuge die Kreisämter;

419 W. Kiesow/E. Zweigert, § 15, Anm. VII 3; vgl. auch die Äußerung des Abg. Schücldng, Sitz. v. 12. Juli 1922, Verh. RT, Bd. 356, S. 8495 f. 420 W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. VII 3. 421 Abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 116. 422 Bayerischer Staatsanzeiger Nr.204 v. 4. September 1922, abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 110 f. 423 Abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 125. 424 Hamb. GVBI. S. 353. 425 Abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 119 f.

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Lippe-Detmold: gemäß Ziff. II Abs. 1 der Ausführungsverordnung des Landespräsidiums vom 21. August 1922426 : das Landespräsidium und der Landespolizeidirektor;



Lübeck: gemäß Abs.2 der Ausführungsverordnung des Senats vom 9. August 1922427 : das Polizeiamt;



Mecklenburg-Schwerin: gemäß Ziff. 2 Abs. 1 der Bekanntmachung des Ministeriums des Innem vom 14. August 1922428 : das Ministerium des Innem;



Oldenburg: aufgrund der Bekanntmachung des Staatsministeriums vom 2. Oktober 1922429 : für den Landesteil Lübeck die Regierung in Eutin, für den Landesteil Birkenfeld die Regierung in Birkenfeld, für den Landesteil Oldenburg das Staatsministerium;



Preußen: gemäß Ziff. I der Verordnung des Staatsministeriums vom 19. Oktober 1922430 : der Minister des Innem, die Oberpräsidenten für den Bereich ihrer Provinzen, der Polizeipräsident in Berlin für die Stadtgemeinde Berlin (ebenso: Ziff. II der Ausführungsverordnung des Innenministers vom 28. Juli 1922431 und vom 22. Januar 1923 432);



Sachsen: aufgrund der Ausführungsverordnung des Ministeriums des Innem vom 4. August 1922433 : in Städten mit revidierter Städteordnung die Stadträte oder besonderen Polizeibehörden, im übrigen die Amtshauptmannschaften;



Thüringen: gemäß Ziff. II der Bekanntmachung des Ministeriums des Innern vom 11. August 1922434 : das Ministerium des Innern;



Waldeck: gemäß Ziff. 1 der Ausführungsanweisung des Landesdirektors vom 23. August 192243l : die Landräte;



Württemberg: gemäß Ziff. II 1 der Verfügung des Ministeriums des Innem vom 13. September 1922436 : das Ministerium des Innern, wobei Stadtdirektionen und Oberämter entsprechende Anträge an das Ministerium richten konnten.

Der Reichsminister des Innem hatte, wie schon unter der Geltung der VO III, gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 RepSchG I das Recht, die Landeszentralbehörden um den Erlaß einer auf § 14 RepSchG I gestützten Maßnahme zu ersuchen. Wollte die Landesbehörde dem Ersuchen des Ministers nicht entspre-

Lipp. GS S. 801. Abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 130. 428 Regbl. Mecklenb.-Schw. S. 606, abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 122 f. 429 Abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 123. 430 PrGS S. 312. 431 MBIiV S. 735. 02 MBIiV S. 95. 433 MBI. f. d. sächs. i. V. S. 277. 434 Thüring. GS S. 342. 43l Abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 134. 436 Abgedruckt bei: B. WeißtF. Goerke, S. 113 ff. 426

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ehen, hatte sie ihm dies mitzuteilen und den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik anzurufen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 RepSchG 1).07 bb) Örtliche Zuständigkeit Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik stellte in einer frühen Entscheidung zu Parteiverboten fest, daß für die im Republikschutzgesetz nicht ausdrücklich geregelte Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit sowohl an den Sitz als auch an das räumliche Tätigkeitsgebiet einer Partei angeknüpft werden konnte. Dies sollte für Verbots- und Auflösungsverfügungen gleichermaßen gelten.438 Mit dem Argument, daß das Republikschutzgesetz den Weg für die Beseitigung der unterschiedlichen Vollzugspraxis in den Ländern durch § 17 Abs. 2 RepSchG I (Ersuchen des Reichsministers des Innem) selbst vorgebe, wies das Gericht den Einwand zurück, daß durch ein Abstellen auf die Tätigkeit der Partei, die Rechtslage zum Nachteil der Rechtssicherheit von Land zu Land variieren könne. Im Interesse eines effektiven Republikschutzes sei vielmehr gerade die Ausrichtung der örtlichen Zuständigkeit an dem tatsächlichen Tätigkeitsfeld der Partei geboten.439

c) Sonstige formelle Erfordernisse Gemäß § 17 Abs. 3 RepSchG I war die Bekanntmachung der Verbotsverfügung in der Form der Zustellung oder Veröffentlichung erforderlich. Die Zustellung hatte an die satzungsmäßigen oder mit besonderer Vollmacht ausgestatteten Organe der Partei zu erfolgen.440 Die Modalitäten der Veröffentlichung konnte in den Ausführungsbestimmungen der Länder geregelt werden. Grundsätzlich sollte eine Veröffentlichung im ,,Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger" stattfinden,441 was aber nicht alle Länder befolgten.

437 438

Vgl. zu den Einzelheiten: W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. 112. RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 120

(121 RS, 122 VS). Vgl. zu der in der Literatur vertretenen Gegenmeinung, die eine Auflösung nur am Sitz der Partei zulassen wollte: W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. III. 439 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 120 (121 RS). 440 W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. V. 441 So das Rundschreiben des Reichsinnenministers Nr. I 5308 v. 1. August 1922, abgedruckt bei: B. Weiß/F. Goehrke, S. 100.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

d) Rechtsfolgen Für die Entscheidung der Behörde über den Erlaß einer auf § 14 Abs. 2 RepSchG I gestützten Verfügung galt das Opportunitätsprinzip.442 Als Rechtsfolgen kamen dabei nach dem Ermessen der Behörde kumulativ oder alternativ Verbot und Auflösung in Betracht.443 Betont wurde, daß sich die Wirkung von Verbot und Auflösung, der örtlichen Zuständigkeit der Behörde folgend, auf den Bereich des verbietenden Landes beschränkte.444 Zweifelhaft war, wie die Verbotswirkung in dem Verhältnis zwischen Gesamtpartei und Ortsgruppen zu bestimmen war. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik wählte als Ausgangspunkt die Kriterien, die die Rechtsprechung zum Reichsvereinsgesetz für die .zweigvereine entwickelt hatte und nahm deshalb an, daß grundsätzlich nur die Parteigliederung verboten werden konnte, in deren Organisation es zu dem Verstoß gegen das Republikschutzgesetz gekommen war. Wiesen die einzelnen Orts- und Nebengruppen keine Eigenständigkeit gegenüber der Gesamtpartei auf, wurde eine Ausdehnung der Verbotswirkung auf sie befürwortet.445 Anders als später das Preußische Oberverwaltungsgericht446 berücksichtigten die Richter des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik allerdings den durch die Bindung an die Gesamtpartei den Ortsgruppen vermittelten Zusammenhang stärker. So wurde beispielsweise die Ausdehnung der Wirkung in mehreren Ländern gegen die NSDAP verhängter Verbote auf sämtliche in diesen Ländern bestehenden Orts- und Nebengruppen wegen der straffen Führung und Festigkeit all ihrer Organisationen, der Weisungsgebundenheit der Ortsgruppen und des gleichsam diktatorischen Einflusses des Parteiführers Adolf Ritler bestätigt.447 Umgekehrt führte dies dazu, daß für die Ermittlung der Ziele der Gesamtpartei auf die Betätigung

442 W. Kiesow/E. Zweigert, RepSchG § 14, Anm. XI; B. Weiß/F. Goehrke, § 14, Anm.16. 443 Zum Inhalt dieser Rechtsfolgen vgl. 4. Kapitel, B. 11. 1. d). Wie im Rahmen der Darstellung der VO III ist im folgenden nur von Parteiverboten die Rede (vgl. FN 285). 444 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI. 120 (121 RS); Entsch. v. 27. April 1923, BA B, R 1501/13221, BI. 2 (2 RS). Für die Auflösung am Sitz der Partei als Konsequenz der abweichend bestimmten örtlichen Zuständigkeit: A. Brecht, in: v. BrauchitschIDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd. 11 (1925), Abschn. 11, § 14, Anm. 2. 445 RepSchStGH, Entsch. v. 19. Januar 1923, BA D-H, 30.09/Nr.12/1, BI. 58 (59 VS, RS); Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 120 (122 VS und RS). 446 Vgl. 4. Kapitel, B. 11. 3. b). 447 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI. 120 (122 RS, 126 RS, 127 VS).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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in den einzelnen Ortsgruppen zurückgegriffen werden konnte, mit anderen Worten also eine gegenseitige Zurechnung stattfand.448 Da die parlamentarische Stellung der Partei von der Verbotswirkung ausgenommen wurde, konnten die einer verbotenen Partei angehörenden Abgeordneten weiterhin ihr Mandat ungestört wahmehmen.449 Als Nebenfolge einer Auflösung (nicht eines Verbots) konnte das Vermögen einer Partei nach § 18 RepSchG I zugunsten des Reichs beschlagnahmt und eingezogen werden,,50 Für die Effizienz eines Parteiverbots war mitentscheidend, ob verhindert werden konnte, daß die Anhänger der verbotenen Partei ihre republikfeindlichen Ziele unter dem Deckmantel anderer Organisationen weiterverfolgten. Die bisherigen Rechtsgrundlagen hatten diesen Aspekt nur durch eine Festschreibung der Strafbarkeit des Einzelnen, der sich an der verbotenen Partei beteiligte, berücksichtigt. Diesen Ansatz griff § 19 Abs. 2 Satz 1 RepSchG I auf, wonach die Beteiligung an und die Unterstützung einer verbotenen Partei strafbar war, die sich trotz der Verfügung tatsächlich weiter betätigte"51 Die Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 2 RepSchG I bedeutete hingegen eine echte Neuerung. Durch diese Norm wurde der verbotenen Partei eine angeblich neue Partei gleichgestellt, die sachlich der verbotenen entsprach. Für die Erfüllung des entscheidenden Merkmals einer sachlichen Identität zwischen den Vereinigungen genügte es dabei nach allgemeiner Ansicht nicht, wenn eine andere Partei lediglich Mitglieder einer verbotenen Partei aufnahm.452 Maßgeblich sollte vielmehr sein, daß eine enge, über einzelne Mitglieder hinausgehende tatsächliche Verbindung zu der verbotenen Partei vorlag, sich diese Verbindung vor allem auf der Führungsebene widerspiegelte und sowohl satzungsmäßige Zielsetzung als auch die gewählten Mittel identisch waren.4S3 Wenn diese 448 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI. 120 (122 RS). 449 Vgl. 4. Kapitel, B. VII. 2. a) aa). 450 Dazu W. Kiesow/E. Zweigert, § 18, Anm. IV. 451 Obwohl der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 RepSchG I allein von der aufgelösten Vereinigung sprach, bezog die Staatspraxis - von der Rechtsprechung bestätigt - die Vorschrift auch auf verbotene Vereinigungen, vgl. RGSt 59, 163 (164 ff.), zweifelnd: W. Kiesow/E. Zweigert, § 19, Anm. IV. Da die von den auf § 14 Abs. 2 RepSchG I gestützten Verfügungen betroffenen Parteien alle verboten und aufgelöst wurden, konnte die Streitfrage hier ohnehin nicht praktisch werden. 452 RepSchStGH, Entsch. v. 23. Dezember 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI. 134 (134 RS) =Verbot ,,Heimatsucher und Unverzagt". W. Kiesow/E. Zweigert, § 19, Anm. IV. 453 RepSchStGH, Entsch. v. 6. September 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI. 153 (153 RS) = Verbot diverser Vereine in Bremen. Ebenfalls: B. Weiß/F. Goehrke, § 19, Anm.8.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Merkmale bejaht wurden, ergriff das Verbot zwar nicht ipso iure die Ersatzorganisation. Auch war § 19 Abs. 2 Satz 2 RepSchG I keine selbständige verwaltungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage für ein Vorgehen gegen Ersatzorganisationen der verbotenen Partei, da diese Norm als Rechtsfolge allein die Strafbarkeit der Beteiligung an der scheinbar ,,neuen" Partei anordnete. Infolge der individuellen Strafbarkeit eines solchen Verhaltens war es aber möglich, gegen die Neubildung und Betätigung der verbotenen Partei mit polizeirechtlichen Mitteln des Landesrechts vorzugehen!54 3. Rechtsschutzmöglichkeiten

Die gegen eine Verbotsverfügung für eine Partei aufgrund des Ersten Republikschutzgesetzes eröffnete Rechtsschutzmöglichkeit lehnte sich an die Regelungen der VO III an. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik, der aufgrund der VO III vorläufig gebildet worden war, war nunmehr endgültig gemäß § 12 RepSchG I bei dem Reichsgericht zu errichten, was durch Erklärung des Reichsjustizministers zum 1. September 1922 geschah.455 Die Zuständigkeit für die nach dem Republikschutzgesetz zu entscheidenden Verwaltungssachen verlor der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik erst wieder durch das Abänderungsgesetz vom 2. Juni 1927456 und zwar mangels Errichtung des Reichsverwaltungsgerichts, dessen Zuständigkeit eigentlich geplant war, an das Reichsgericht. Da zu diesem Zeitpunkt keine aufgrund des Republikschutzgesetzes ausgesprochenen Parteiverbote mehr zur gerichtlichen Entscheidung ausstanden, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Darstellung der Organisation und des Verfahrens vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik. Dem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung einer Verbotsverfügung ging nach § 17 Abs. 3 RepSchG I wiederum zwingend ein Beschwerdeverfahren vor den Verbotsbehörden voraus, das dem Beschwerdeverfahren aufgrund des § 3 VO III nachgebildet war. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 RepSchG I konnte innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Verfügung Beschwerde gegen sie eingelegt werden. Nach ganz überwiegender Auffassung stand der Beschwerdeweg für den Betroffenen unabhängig davon offen, ob die angefochtene Verfügung aus eigener Initiative der Landesbehörde, auf Ersuchen des Reichsministers des Innem oder erst auf eine das Ersuchen des

RGSt 59, 163 (166); W. Kiesow/E. Zweigert, § 14, Anm. X. 455 Erklärung im RAnz. Nr. 190 v. 26. August 1922. Zur umstrittenen Frage der Verfassungsmäßigkeit, die für die Staatspraxis bedeutungslos blieb: W. Kiesow/ 454

E. Zweigert, S. 146 ff. 456 § 1 des Abänderungsgesetzes (RGBI. I S. 125).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Reichsministers bejahende Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik hin ergangen war.4S7 Richtige Adressatin der Beschwerde war, anders als nach der va III, gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 RepSchG I die Stelle, die die Verfügung erlassen hatte. War die erlassende Behörde nicht mit der Landeszentralbehörde identisch, hatte sie gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 RepSchG I dieser die Beschwerde vorzulegen. Sowohl Landeszentralbehörde als auch die nicht mit ihr identische untergeordnete Behörde konnten die Verfügung aufgrund von Recht- oder Zweckmäßigkeitsbedenken aufheben:58 es sei denn, die Verfügung war Folge eines Ersuchens des Reichsinnenministers oder einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik (§ 17 Abs. 3 Satz 4 RepSchG 1).459 Neu war, daß der Reichsinnenminister gegen eine Entscheidung der Landesbehörde, die der ursprünglichen Entscheidung abhalf, gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 RepSchG I den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik anrufen konnte. Bestand die Landeszentralbehörde gegenüber der beschwerdeführenden Partei darauf, das Verbot aufrechtzuerhalten, hatte sie die Beschwerde nach § 17 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 RepSchG I unverzüglich an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik zur Entscheidung weiterzuleiten. Ein Parteiverbot konnte folglich auf drei verschiedenen Wegen zur Entscheidung vor den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik gelangen: gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 RepSchG I auf Anrufen des Reichsinnenministers nach einer Abhilfeentscheidung der Landeszentralbehörde, gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 RepSchG I auf Betreiben der einem Ersuchen des Reichsinnenministers nicht entsprechen wollenden Landeszentralbehörde und gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 RepSchG I auf Anrufen einer nicht zur Abhilfeentscheidung bereiten Landeszentralbehörde. Nur im letzten Fall, der im übrigen als einziger in der Praxis relevant wurde, war die verbotene Partei Prozeßpartei im gerichtlichen Verfahren; in den anderen Fällen wären nur die Landeszentralbehörde und der Reichsminister des Innem Prozeßparteien gewesen.460

457 W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. VII 1; B. Weiß/F. Goehrke, § 17, Anm. 9. Die abweichende Ansicht verneinte, wenn der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik aufgrund des § 17 Abs. 2 Satz 3 RepSchG I entschieden hatte, die Zulässigkeit eines Beschwerdeverfahrens und schloß damit auch ein zweites gerichtliches Verfahren aus (A. Lobe, S. 23). Der Streit blieb aber ohne praktische Relevanz. 458 W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. VII 5, 8;B. Weiß/F. Goehrke, § 17,Anm.1O. 459 Obwohl der Wortlaut dies nicht vorsah, wurde die Möglichkeit einem Verbot abzuhelfen aus dem Zweck der Norm jedoch auch in diesem Fall bejaht, wenn der Innenminister des Reichs zustimmte (w. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. VII 8). 460 W. Kiesow/E. Zweigert, § 17,Anm. 11 3.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Der auf der Grundlage des Ersten Republikschutzgesetzes errichtete Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik entschied gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 RepSchG I grundsätzlich in einer Besetzung mit neun Mitgliedern, von denen nach § 12 Abs. 1 Sätze 2 und 3 RepSchG I drei dem Reichsgericht angehören, und die übrigen keine Ausbildung für das Richteramt erworben haben mußten.461 Einzelheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor dem Staatgerichtshof zum Schutze der Republik regelte der Reichsminister des Innern in einer Ausführungsverordnung, die er gestützt auf die Ermächtigung in § 17 Abs. 4 RepSchG I am 1. August 1922 erließ.462 Gemäß Ziffer I Abs. 1 Nr.1 a dieser Ausführungsverordnung fielen Entscheidungen über Beschwerden gegen die nach § 14 RepSchG I ausgesprochenen Verbote in der in § 12 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 RepSchG I vorgesehenen Besetzung, also grundsätzlich durch neun Richter. Diente ein Beschluß der Vorbereitung einer Entscheidung, konnte er gemäß Ziff. lAbs. 2 der Ausführungsverordnung i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 4 RepSchG I in einer Besetzung von drei Richtern ergehen, von denen mindestens einer dem Reichsgericht angehören mußte. Eine weitere Ausnahme von der regulären Besetzung bestimmte Ziff. IV der Ausführungsverordnung für vorläufige Entscheidungen in dringenden Fällen, die durch § 17 Abs. 4 Satz 2 RepSchG I zugelassen worden waren. Nach Ziff. 11 der Ausführungsverordnung ergingen die Entscheidungen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung; der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik konnte aber eine solche anordnen. Weitere Regelungen des Verfahrens fanden sich in der auf der Grundlage des § 3 Abs. 3 RepSchG I und der Verordnung des Reichsjustizministers vom 29. Juli 1922463 erlassenen Geschäftsordnung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik vom 14. Februar 1923.464 Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung war die Frage, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für den Erlaß eines Parteiverbots vorlagen, nicht dagegen die Prüfung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme.465 Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung schloß § 12 Abs. 3 Satz 5 RepSchG I aus.

461 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 672 ff.; I. Hueck, S. 93 ff. 462 RGBI. I S. 675. 463 RGBI. I S. 673 ff. 464 Abgedruckt bei: W. Kiesow/E. Zweigert, S. 304 ff. 465 W. Kiesow/E. Zweigert, § 17, Anm. VII 10.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

141

4. Die Anwendung des § 14 Abs. 2 RepSchG I in der Staatspraxis

a) Der Streit zwischen Bayern und dem Reich über den Vollzug des Ersten Republikschutzgesetzes Weil die Kompetenz für den Ausspruch eines auf das Erste Republikschutzgesetz gestützten Vereinigungsverbots grundsätzlich den Landesbehörden zugewiesen und in ihr Ermessen gestellt worden war, fiel die Entscheidung über den tatsächlichen Ausspruch von Parteiverboten in den Ländern. Dieser Einfluß, der den Landesregierungen hier und in anderen Bereichen des Gesetzes466 auf den Vollzug der Normen eingeräumt wurde, reichte insbesondere der Bayerischen Staatsregierung nicht aus.467 Ihre ablehnende Haltung hatte sich bereits in der Kritik an den ,,Juni-Verordnungen" und im Gesetzgebungsverfahren angekündigt. Nunmehr ließ es die Bayerische Landesregierung auf einen weiteren offenen Streit mit dem Reich ankommen.468 Am 24. Juli 1922, also nur einen Tag nach dem Inkrafttreten des Republikschutzgesetzes, beschloß die Regierung unter Führung des Ministerpräsidenten von Lerchenfeld aufgrund des ,,§ 64 der Verfassungsurkunde des Freistaates Bayern, des Art. 48 Abs. 4 WRV und auf Grund der staatlichen Hoheitsrechte Bayerns" eine Verordnung ,,zum Schutze der Verfassung der Republik", die im Gebiet des rechts rhein ischen Bayerns "an die Stelle" des Republikschutzgesetzes zu treten bestimmt wurde.469 Damit hatte Bayern den Vollzug des Republikschutzgesetzes eingestellt und durch eigene Rechtsvorschriften ersetzt. Während Art. 1 der Bayerischen Verordnung die meisten materiellen Bestimmungen des Republikschutzgesetzes - auch § 14 Abs. 2 RepSchG I - in Bayern für anwendbar erklärte, beseitigten die Art. 2 ff. der Bayerischen Verordnung alle durch das Republikschutzgesetz für das Reich begründeten Einwirkungsrechte wie z. B. das Recht des Reichsinnenministers die Landesbehörden um Verbote zu ersuchen und die Reichsjustizzuständigkeiten zugunsten bayerischer Kompetenzen. Gegen das Verbot einer Partei, für dessen Erlaß in Bayern somit jetzt allein der Bayerische Innenminister zuständig war (Art. 3 Abs. 1 der Bayerischen Verordnung), konnte vor dem Bayerischen

466

So beispielsweise für die Versammlungsverbote nach § 14 Abs. 1 i. V. m.

§ 17 Abs. 1 RepSchG I.

467 Die anderen ebenfalls skeptischen süddeutschen Länder Württemberg, Hessen und Baden (zu deren Bedenken vgl. schon die Besprechung mit den Ministerpräsidenten der Länder v. 29. Juni 1922, in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd.2, Nr. 304, S. 913 ff.) vermieden eine offene Auseinandersetzung mit dem Reich (vgl. G. Jasper, S. 94 f. m. w. N.). 468 Zu den Hintergründen: G. Schutz, S. 378 f. 469 Bayer. GVBI. S. 374 f.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Obersten Landesgericht Beschwerde eingelegt werden. Alle Handlungs- und Weisungsbefugnisse anderer Stellen waren ausgeschlossen. Ihr Vorgehen begründete die Bayerische Staatsregierung damit, daß wegen der ,,Erregung und Empörung der bayerischen Bevölkerung" über das von ihr als mangelhaft empfundene Republikschutzgesetz Gefahr im Verzuge für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliege.470 Obwohl die Reichsregierung von der Verfassungswidrigkeit der Bayerischen Verordnung überzeugt war, weil Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV den Landesregierungen nicht das Recht gebe, über die Geltung eines verfassungsmäßig zustandegekommenen Reichsgesetzes zu entscheiden und die Verfassungsmäßigkeit einer originären Landesdiktatur umstritten war:71 wollte die Reichsregierung - trotz überwiegender Unterstützung ihrer Position durch Rechtsprechung und Literatur472 - nach dem Vorbild des Ersten Berliner Protokolls eine politische Lösung des Konflikts herbeiführen.473 Ergebnis der Anfang August 1922 stattfindenden Verhandlungen zwischen der Reichs- und der Bayerischen Staatsregierung war das Zweite Berliner Protokoll vom 11. August 1922,474 das nach Einwendungen der bayerischen Koalitionsparteien 475 und einer daraufhin am 19. /20. August 1922 erfolgenden erneuten Besprechung mit der Reichsregierung476 ergänzt wurde.477 Ein Kernpunkt des Zweiten Berliner Protokolls und seiner Zusatzabmachungen war, daß bei 470 So vor Art. 1 der Bayer. Verordnung und in der offiziellen Begründung (Bayer. Staatszeitung v. 24. Juli 1922, abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925), S.79. 471 So die offizelle Erklärung der Reichsregierung v. 26. Juli 1922, abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925), S. 81 f.: " ...verfassungswidrig und ungültig ... " und der Reichspräsident F. Ebert in seinem Schreiben an den Bayer. Ministerpräsidenten v. 27. Juli 1922, abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925), S. 82: " ...in Widerspruch mit der Reichsverfassung." 472 Für eine vergleichbare Konstellation: RepSchStGH, Entsch. v. 26. Februar 1924, JW 1924, S.1752 (Nr. 12); W. KiesowlE. Zweigert, S. XXVI f.; A. Lobe, S.9 f.; R. Pi/oty, AöR 43 (1922), S. 308 (347); A. A.: BayObLG, Entsch. v. 2. August 1922, DJZ 1922, Sp. 579 f. 473 So der Brief des Reichspräsidenten F. Ebert v. 27. Juli 1922, abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925), S.82 und die Antwort Graf v. Lerchenfeids v. 2. August 1922, abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJfter, a. a. 0., S.83. Zum politischen Hintergrund: G. Jasper, S. 92 ff.; G. Schuh., S. 378 ff. 474 Abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925), S. 83 ff. 475 Vgl. die Entschließung der BVP v. 16./17. August 1922, in: Akten der Reichskanzlei, Die Kabinette Wirth, Bd. 2, Nr. 340, S. 1013, Anm. 1 und die Entschließung der Mittelpartei, ebd., S. 1016, Anm. 2. 476 Dazu die bayer. Darstellung bei: F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925), S. 86 f.; ferner: G. Jasper S. 96 f. 477 Das Ergebnis wurde festgehalten in einem Brief des Reichskanzlers an den Bayerischen Ministerpräsidenten v. 20. August 1922, Purlitz, DGK 192211, S. 96 ff.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik zwei Senate zu bilden waren, von denen dem einen die Zuständigkeit für alle Rechtsstreitigkeiten, die ihren Ursprung in den Ländern Bayern, Württemberg, Baden und Hessen hatten, übertragen werden sollte. Für die personelle Besetzung dieses ,,süddeutschen" Senats sollten die genannten Länder überdies ein Vorschlagsrecht haben. Die strafrechtlichen Kompetenzen des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik wurden auf Verfahren von besonderer Bedeutung beschränkt; die verwaltungsrechtlichen Kompetenzen blieben dagegen unangetastet. Im Gegenzug erklärte sich die Bayerische Staatsregierung bereit, die Landesverordnung vom 24. Juli 1922 spätestens zum 18. August 1922 aufzuheben. Die in der Vereinbarung mit Bayern zugesagte besondere Zuständigkeitsregelung für den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik wurde in der Geschäftsordnung dieses Gerichts vom 14. Februar 1923 getroffen.478 Mit der Aufhebung der Bayerischen Verordnung, die - verspätet - am 24. August 1922 erfolgte,479 war zwar formell der Weg für eine gleichmäßige Verbotspraxis im gesamten Reichsgebiet frei geworden war. Der neue Konflikt hatte aber erkennen lassen, daß realistischerweise nicht mit einer einheitlichen Anwendung des Republikschutzgesetzes im gesamten Reichsgebiet gerechnet werden konnte. b) Änderungen und Geltungsdauer des Ersten Republikschutzgesetzes

Das Ringen um das Erste Republikschutzgesetz war mit seiner Verabschiedung im Reichstag und der Lösung des Konflikts zwischen Bayern und dem Reich nicht beendet. Vielmehr kam es im Laufe der Zeit zu einer Reihe von Änderungen, die sich auch im Zusammenhang mit der Rechtsgrundlage für den Ausspruch von Parteiverboten auswirkten. Das erste Änderungsgesetz vom 31. März 1926480 beseitigte die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik für Strafsachen und wies diese ab dem 1. April 1926 den ordentlichen Gerichten zu. Die materiellen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen waren hiervon noch ebensowenig berührt, wie die Bestimmungen über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Auch das zweite Änderungsgesetz vom 8. Juli 1926,481 das Milderungen im

478 Abgedruckt bei: W. Kiesow/E. Zweigert, S. 304 ff. 479Verordnung des Bayer. Gesamtministeriums v. 24. August 1922, Bayer. GVBI. S. 426; ferner die bei F. Poetzsch-HeJfter, JöR XIII (1925),S.91 abgedruckte Bekanntmachung des Bayer. Ministeriums des Innern v. 2. September 1922. 480 RGBI. I S. 190. 481 RGBI. I S. 397.

144

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Strafmaß vorsah, blieb für den verwaltungsrechtlichen Teil des Schutzgesetzes folgenlos. Gemäß § 27 Abs. 2 RepSchG I sollte das Gesetz insgesamt nach Ablauf von fünf Jahren außer Kraft treten, was am 23. Juli 1927 der Fall gewesen wäre. Als im März 1927 dieser Zeitpunkt näher rückte, forderten Politiker der SPD, der DDP und des Zentrums im Reichstag die Verlängerung des Gesetzes.482 Weil die der im übrigen aus DNVP, DVP und BVP gebildeten Regierungskoalition angehörenden Zentrumsabgeordneten die Verlängerung des Republikschutzgesetzes zur Koalitionsfrage erhoben, stimmte schließlich auch die dem Republikschutzgesetz eigentlich ablehnend gegenüberstehende DNVP-Fraktion zum größten Teil mit den übrigen der Koalition angehörenden Abgeordneten sowie mit den Fraktionen der SPD und DDP am 17. Mai für eine Verlängerung des Schutzgesetzes.483 Mit 323 Ja- zu 41 Nein-Stimmen wurde die verfassungsdurchbrechende Mehrheit erneut erreicht, so daß das Gesetz in seinen materiellen verwaltungsrechtlichen Regelungen unverändert fortgelten konnte.484 Als Zugeständnis für das positive Abstimmungsverhalten erreichte die DNVP jedoch zum einen die völlige Aufhebung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik, der damit auch seine bisher noch bestehenden verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten an das Reichsgericht verlor. Zum anderen setzte die DNVP eine Befristung des Verlängerungsgesetzes auf zwei Jahre bis zum 23. Juli 1929 durch. Außerdem verabschiedete der Reichstag eine Resolution, die die Reichsregierung aufforderte zu prüfen, welche Vorschriften des Republikschutzgesetzes in das geplante neue Strafgesetzbuch übernommen werden sollten.48s Damit bestand zwar die materielle Rechtsgrundlage aus dem Republikschutzgesetz für den Ausspruch von Parteiverboten über den 23. Juli 1927 hinaus fort; die Bedingungen, unter denen eine gerichtliche Überprüfung von Parteiverboten erfolgen konnte, hatten sich aber verändert. Als im Frühjahr 1929 der Endtermin für die Geltung des verlängerten Republikschutzgesetzes erneut näher rückte, hatten sich die politischen Machtverhältnisse verschoben. Da die DNVP sich nunmehr in der Opposition befand, war sie von allen Rücksichten auf koalitionspolitische Erwägungen be482 Abg. Sol/mann (SPD), Sitz. v. 17. März 1927, Verh. RT, Bd. 392, S. 9623; Abg. Schreiber (Z), Sitz. v. 17. März 1927, a. a. 0., S.9632; Abg. Wegmann (Z), Sitz. v. 21. März 1927, a. a. 0., S. 9749; Abg. Lemmer (DDP), Sitz. v. 21. März 1927, a. a. 0., S.9752. 483 Verh. RT, Bd.393, S. 10779. Zu den taktischen Überlegungen innerhalb der DNVP: G. Jasper , S. 277 ff. 484 So das zum 23. Juli 1927 in Kraft getretene Änderungsgesetz v. 2. Juni 1927 (RGBI. I S. 125). 48S Drucks. Nr. 3382, Anl. Verh. RT, Bd. 415.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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freit und konnte sich offen auf die Seite der Gegner des Republikschutzgesetzes stellen.486 Die Erwägung, deshalb eine Verlängerung des Gesetzes ohne die verfassungsdurchbrechenden Vorschriften zu beschließen, scheiterte vor allem am Widerstand des Zentrums, wobei in dieser Diskussion lediglich der verfassungsdurchbrechende ,,Kaiserparagraph" (§ 23 RepSchG I) eine Rolle spielte und nicht der ja ebenfalls als verfassungsdurchbrechend eingestufte § 14 Abs. 2 RepSchG l.487 Für die vom Reichsinnenminister vorgelegte unveränderte Fassung des Verlängerungsgesetzes488 fand sich dann erwartungsgemäß keine verfassungsändernde Mehrheit im Reichstag.489 § 14 Abs. 2 RepSchG I ermöglichte demnach nur bis zum 23. Juli 1929 das Verbot politischer Parteien; nach diesem Tag war zunächst außer § 2 Abs. 1 RVereinsG und § 1 Satz 1 GDFV keine Verbotsnorm mehr vorhanden.

c) Der Erlaß von Parteiverboten auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 RepSchG I und ihre Begründungen aa) Das Verbot der Deutschsozialistischen Partei Als erste Verbotsbehörde sprach der Badische Minister des Innem unter der Geltung des Ersten Republikschutzgesetzes ein Parteiverbot aus, und zwar erließ er am 15. September 1922 eine Verbots- und Auflösungsverfügung gegen die Deutschsozialistische Partei490 in Baden .491 Zur Begründung wurden die engen Beziehungen angeführt, die zwischen der DsozP und der in Baden bereits aufgrund der VO III verbotenen NSDAP sowie dem ebenfalls in Baden verbotenen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund bestünden. Den Beleg für diesen Vorwurf versuchte der Minister durch mehrere beschlagnahmte Briefe der Parteileitung zu erbringen, die das Vorgehen der DsozP mit dem der verbotenen Vereinigungen abstimmen sollten.492

Zu diesem Wandel in der Politik der DNVP: G. Jasper, S. 283 f. Akten der Reichskanzlei, Das Kabinett Müller 11, Bd. 1, Nr. 215, S. 703, Anm. 1. 488 Drucks. NT. 1087, Anl. Verh. RT, Bd. 436. 489 Sitz. v. 27. /28. Juni 1929, Verh. RT, Bd. 425, S. 3105 ff., NT. 6 (263 Ja- zu 166 Nein-Stimmen). 490 Zu dieser Partei: vgl. 4. Kapitel, B. 11. 2. a) ce). 491 Bekanntgemacht im RAnz. Nr. 211 v. 20. September 1922. 492 Die Gründe der badischen Verfügung finden sich in dem Schreiben des Badischen Ministers des Innem an den Reichsinnenminister v. 15. September 1922, BA B, R 1501/13248, BI. 92 (92 VS). 486

487

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Aus Briefen von Parteianhängern leitete die Verbotsbehörde ab, daß sich die DsozP zwar nach außen auf die Aufstellung von solchen wirtschaftlichen Forderungen beschränkte, die an sich nicht zu beanstanden seien (sogenannte "exoterische Seite"). Diese äußere Seite sei aber lediglich dazu bestimmt, die wahre innere, d. h. die nur einzelnen Eingeweihten und dabei insbesondere den Parteiführern zugängliche Richtung der Partei zu verschleiern, die den "Sturz der falschen modemen Welt, Sturz des Parlamentarismus, der Parteienwirtschaft mittels der Partei" erstrebe, wie aus den beschlagnahmten Dokumenten hervorgehe.493 Die DsozP arbeitete deshalb nach Auffassung des Badischen Ministers auf einen Umsturz der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform hin, der wegen der kämpferischen Grundhaltung, die in der Partei festzustellen sei, auch auf gewaltsamem Wege angestrebt werde, was den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 RepSchG I erfülle.494 Ferner verwies der Badische Innenminister darauf, daß die DsozP in verschiedenen Erklärungen offen zur Begehung von Gewalttätigkeiten gegen Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs aufgefordert, also gegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 RepSchG I verstoßen habe.495 Auch seien in der von dem jetzigen Vorsitzenden der DsozP herausgegebenen Zeitschrift mehrfach Beschimpfungen führender Regierungsmitglieder wie etwa der Rathenaus als "Diktator" enthalten gewesen, die über eine sachliche Kritik erheblich hinausgegangen seien und somit eine Beschimpfung der Republik im Sinne des § 8 Nr. 1 RepSchG I darstellten.496 bb) Verbote der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Gestützt auf § 14 Abs. 2 RepSchG I wurde die NSDAP in einer ganzen Reihe von Ländern verboten. Den Anfang machte der Preußische Minister des Innern, der die NSDAP im preußischen Staatsgebiet am 15. November 1922 mitsamt ihren Ortsgruppen und Nebenorganisationen verbot und auflöste.497 In demselben Jahr folgten Verbote und Auflösungen der NSDAP für das hamburgische Gebiet mit Aus493 Schreiben des Badischen Ministers des Innern an den Reichsinnenminister v. 15. September 1922, a. a. 0., BI. 92 (92 VS, RS). 494 Schreiben des Badischen Ministers des Innern an den Reichsinnenminister v. 15. September 1922, a. a. 0., BI. 92 (92 VS, RS). 495 Schreiben des Badischen Ministers des Innern an den Reichsinnenminister v. 15. September 1922, a. a. 0., BI. 92 (92 RS, 93 VS). 496 Schreiben des Badischen Ministers des Innern an den Reichsinnenminister v. 15. September 1922, a. a. 0., BI. 92 (93 VS). 497 Verfügung v. 15. November 1922, NT. II G 3504, BA D-H, 30. 09/Abt. I/Nr. 12, BI. 3 ff.; bekanntgemacht im MBliV S. 1115.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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nahme von Ritzebüttel durch den Polizeipräsidenten und die Landherrenschaften am 25. November 1922:98 im Land Mecklenburg-Schwerin durch das Ministerium des Innern am 30. November 1922499 und schließlich im Land Schaumburg-Lippe durch die Landesregierung am 22. Dezember 1922500 • Verbote und Auflösungen der NSDAP mit ihren sämtlichen Untergliederungen ergingen im Jahre 1923 zuerst am 13. Februar 1923 für das Bremer Staatsgebiet durch den Senat,s°l ferner für Sachsen durch das Ministerium des Innern am 26. März 1923,5°2 im Freistaat Hessen durch das Hessische Ministerium des Innern am 26. April 1923/°3 im Land Lippe-Detmold am 5. September 1923,504 im Land Braunschweig durch das Braunschweigische Innenministerium am 13. September 1923 505 und zuletzt in Oldenburg, beschränkt auf den Landesteil Oldenburg, durch das Staatsministerium am 28. September 1923 506 • Die in Baden und Thüringen auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 VO III erlassenen Verfügungen wirkten zudem nach der Aufhebung der VO III fort, so daß die NSDAP zeitweilig in zwölf der damals noch achtzehn deutschen Ländern verboten und aufgelöst war. Die Begründungen der Verbote ließen sich für die in Preußen, Hamburg, Mecklenburg-Schwerin, Bremen, Hessen und Braunschweig ergangenen Verfügungen ermitteln. Sehr ausführlich begründete der Preußische Innenminister seine Verbotsverfügung, an deren Inhalt sich die Verfügungen in den anderen Ländern überwiegend anlehnten. Äußerungen in parteioffiziellen F1ugblättern, Mitteilungsblättern und auf Versammlungen der NSDAP sowie Artikel in der Parteizeitschrift

498 Verfügung v. 25. November 1922, Nr. 5935/2211 Z St. 2, BA D-H, 30. 09/Abt. I/ Nr. 106, BI. 2 f.; bekanntgemacht im RAnz. Nr. 268 v. 27. November 1922. 499 Verfügung v. 30. November 1922, Nr. D. I. 56683, BA B, R 1501/13249, BI. 3 ff. 500 Bekanntgemacht im RAnz. Nr. 3 v. 4. Januar 1923. SOl Beschluß v. 13. Februar 1923, BA D-H, 30. 09/Abt. II/Nr. 19, BI. 27 ff.; bekanntgemacht im RAnz. Nr. 38 v. 14. Februar 1923. 502 Bekanntgemacht in der Sächsischen Staatszeitung Nr. 72 v. 26. März 1923. 503 Verfügung v. 26. April 1923, BA D-H, 30. 09/Abt. II/Nr. 56, BI. 3 f. 504 Bekanntgemacht im Lippischen Staatsanzeiger 1923, S. 370, lt. RAnz. Nr. 294 v. 13. Dezember 1924. sos Verfügung des Braunschweigischen Ministeriums des Innem v. 13. September 1923, Nr. J. I. 2172/23, BA B, NS 26Norl. 90 aIBI. 27 ff; bekanntgemacht in der Braunschw. GVSlg. S. 296. 506 Bekanntgemacht in den Oldenburg. Anzeigen S. 1039. Das von M. Grünthaler, S.254 angeführte Verbot in Württemberg vom 4. April 1923 betraf die SA und nicht die NSDAP (vgl. Denkschrift des Reichskommissars zur Überwachung der öffentlichen Ordnung von 1929, BA BIR 1507/326, BI. 101 [102]).

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Völkischer Beobachter, die frühestens vom April des Jahres 1922 her datierten, dienten dem Preußischen Innenminister als Entscheidungsgrundlage.507 Der Minister sah es aufgrund dieses Tatsachenmaterials als erwiesen an, daß in der NSDAP Erörterungen stattfänden und Bestrebungen verfolgt würden, die den Tatbestand einer Herabwürdigung der Republik erfüllten, wie sie § 8 Nr. 1 RepSchG I unter Strafe stellte. Mit abfälligen, keine sachliche Kritik mehr darstellenden Urteilen über führende Regierungsmitglieder wie den Reichskanzler Joseph Wirth, dem in persönlich diffamierender Weise in Schriften der Partei eine völlige Verkennung der Lage, Unfähigkeit, Unwürdigkeit und Pflichtverletzungen unterstellt worden seien, setze die NSDAP zugleich die deutsche Republik herab.sos Zum Beleg hierfür wurde z. B. auf ein Flugblatt der NSDAP verwiesen, in dem es hieß, die Beobachtung des Kanzlers ergebe " ...ein solches Bild von Hilflosigkeit, gemischt mit schulmeisterlicher Anmaßung, wie es ...noch nie an der Spitze Deutschlands gestanden ... " habe. Des Reichskanzlers Weg habe deshalb die " ... restlose Versklavung der deutschen Arbeitskraft..." zur Folge gehabU09 Da diese Äußerungen die verantwortlichen Leiter der Geschicke der Republik beträfen, lag in ihnen nach Ansicht des Innenministers zugleich eine Diffamierung der Republik, die solchen Männern ihre Geschicke anvertraut habe.510 Neben einer Herabsetzung der Republik durch mittelbare Beschimpfungen machte der Preußische Innenminister geltend, habe die NSDAP auch wiederholt die Republik unmittelbar beschimpft. Hierfür brachte er in erster Linie antisemitische Äußerungen offizieller Parteigremien vor wie: "Weg mit den parlamentarischen Spulwürmern, weg mit den Schleimsiedern, weg mit den Berliner Judenknechten ... " oder die Bezeichnung der deutschen Demokratie als " ...verschleierte Judenherrschaft..." , die bei der Einstellung, die die NSDAP gegenüber dem Judentum einnehme, als Beschimpfungen zu werten seien.511 Ferner bezeichnete der Preußische Innenminister die NSDAP als eine staatsfeindliche und illegal bewaffnete Verbindung, die es sich zum Ziel gesetzt habe, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform zu untergraben und damit unter § 7 Abs. 1 Nr.4 und Nr.5 RepSchG I falle. Zur Begründung verwies der Minister auf die gegen die Republik gerichtete kämpferi507 Vgl. das umfangreiche Tatsachenmaterial in der Verfügung v. 15. November 1922, BA D-H, 30. 09/Abt. I/Nr. 12, BI. 3 (4 VS ff.). sos Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (5 VS). 509 Flugblatt unter Punkt 8 der preußischen Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (5 VS, RS). 510 Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (5 RS). 511 Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (4 VS), Zitate aus einem Mitteilungsblatt der NSDAP v. 17. September 1922 und dem Völkischen Beobachter Nr. 88 v. 4. November 1922, ebd., BI. 3 (4 VS).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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sche Grundhaltung der NSDAP, die sich in verschiedenen Vorkommnissen gezeigt habe. Als Ausdruck der Gewaltbereitschaft wurde etwa das Eintreten offizieller Parteivertreter, insbesondere des ,,Parteiführers" Adolf Hitler, für den italienischen Faschismus gewertet. Nach diesem Vorbild wolle die NSDAP eine ,,nationale Diktatur" errichten.512 Aus der Aufforderung an die Parteianhänger, in der bisherigen Weise weiterzuarbeiten bis die Zeit " .. .für den großen Schlag ... " gekommen sei, gehe ebenfalls hervor, daß die Partei auf einen Umsturz der bestehenden Verhältnisse hinarbeite. S13 Nach der Überzeugung des Preußischen Innenministers erschöpfte sich die antiparlamentarische Haltung der NSDAP dabei nicht in bloßen Worten, sondern die Parteianhänger wollten aktiv den Sturz der Republik durch Gewalt herbeiführen. So setze die NSDAP sich z. B. permanent in einer für die Ordnungsbehörden bedrohlichen Art und Weise über Versammlungsverbote hinweg. Auch beweise die Aufstellung bewaffneter Sturmabteilungen und die Begehung mehrerer Handgranatenanschläge durch Parteimitglieder , daß in der NSDAP ein erhebliches gewaltbereites und -fähiges Potential vorhanden sei, das den Worten Taten folgen lassen wolle und könne.514 Betont wurde in der preußischen Verfügung, daß die dargestellten Verstöße gegen das Republikschutzgesetz nicht Handlungen einzelner Parteianhänger seien, sondern wegen der großen Anzahl der festgestellten Vorkommnisse, der Absegnung durch die Parteiführer und der straffen Organisation innerhalb der Partei als Niederschlag der in der NSDAP herrschenden Auffassung zu werten seien.515 Aufgrund all dieser Beobachtungen bezeichnete der Preußische Minister die NSDAP als staatsfeindliche Verbindung im Sinne des § 129 StrGB, deren Ziel die Beseitigung der verfassungsmäßig festgestellten republikanischen Staatsform sei.516 In den Begründungen der übrigen gegen die NSDAP verhängten Verbote wurde eine ähnliche Argumentation verfolgt. Das Verbot für Mecklenburg-Schwerin übernahm vollständig den Wortlaut der preußischen Verfügung.517 Ohne eigenes Tatsachenmaterial vorzulegen, verwiesen das Braunschweigische 518 und das Hessische Ministerium519 des Innem auf die preußischen Verbotsgründe.

Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (6 VS). Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (6 VS). 514 Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (3 VS, 5 RS). 515 Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (5 RS). 516 Verfügung v. 15. November 1922, a. a. 0., BI. 3 (6 RS). 517 Verfügung v. 30. November 1922, BA BIR 150l/13249/B1. 3 ff. 518 Verfügung v. 13. September 1923, BA B, NS 26Norl. 90 a, BI. 27 (28). 519 Verfügung v. 26. April 1923, BA D-H, 30. 09/Abt. II/Nr. 56, BI. 3 (3 VS, RS). 512 513

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Eine etwas andere Schwerpunktsetzung findet sich in den Verfügungen, die Hamburg und Bremen betrafen. In dem hamburgischen Verbot wurde zwar auch Bezug auf die preußischen Verbotsgründe genommen.52O Die Verbotsbehörden Hamburgs ergänzten die preußischen Vorwürfe jedoch um den Hinweis auf die Verflechtung der NSDAP mit bereits verbotenen Vereinigungen. Hervorgehoben wurde in der hamburgischen Verfügung ferner das antisemitische Programm der NSDAP, das wegen des darin für Juden angestrebten Entzugs der deutschen Staatsbürgerschaft dem Gleichheitsgedanken der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform widerspreche.521 Umfangreiches, zum Teil selbständig ermitteltes Tatsachenmaterial legte der

Bremer Senat vor, um seine Verbotsverfügung zu begründen. Die NSDAP be-

kämpfte nach Auffassung der Bremer Verbotsbehörde das parlamentarisch-demokratische System, auf dem die Verfassung des Deutschen Reichs beruhte. Dies zeige sich etwa in dem Programm der NSDAP und sonstigen parteiamtlichen Erklärungen, in denen festgestellt wurde, daß " ...die Demokratie grundsätzlich etwas nichtdeutsches ... " sei.522 Für den Senat war die NSDAP gar keine Partei im parlamentarischen Sinne, da sie es ablehnte, Mandate zu erwerben und zur Verwirklichung ihrer Ziele die parlamentarischen Einrichtungen zu "benutzen" (sic).523

An Äußerungen wie: "Wir bereiten unsere Anhänger nicht für die Wahl, sondern für eine Tat vor ... " oder " ...es ist besser, daß 2000 Lumpen hängen, als daß 60 Millionen verderben ... " sei ablesbar, daß die NSDAP zur Durchsetzung ihrer Ziele Gewalt anwenden wollte.524 Der Senat hielt es deshalb für erwiesen, daß die NSDAP Bestrebungen verfolgte, die gegen § 7 Abs. 1 Nr.4 RepSchG I verstießen .525 Mit einer Fülle von parteioffiziellen Äußerungen insbesondere aus der Parteizeitschrift Völkischer Beobachter, in denen es etwa hieß, das Deutsche Reich sei eine ,,neueste Kolonie der internationalen Bankiers und das Kontrollmädchen der Hochfinanz" oder die "Versumpfung" werde weitergehen, " ...solange dieser unglückliche Mann (Reichskanzler Wirth) wie in einer Gummizelle - wohin er eigentlich gehört - hausen kann ... " wollte der Bremer Senat ferner

S20 Punkt 5 der Verfügung v. 25. November 1922, BA D-H, 30. 09/Abt. I/Nr. 106, BI. 2 (3). 521 Verfügung v. 25. November 1922, BA D-H/30. 09/Abt. I/Nr. 106, BI. 2 (3). 522 Verfügung v.13. Februar 1923, BA D-H, 30. 09/Abt.II/Nr. 19, BI. 27 (27, 28). 523 Verfügung v. 13. Februar 1923, a. a. 0., BI. 27 (28). S24 Verfügung v. 13. Februar 1923, a. a. 0., BI. 27 (32, 33), Zitate aus dem Völkischen Beobachter Nr. 83 und Nr. 88 aus dem Jahre 1922, erwähnt in der Verfügung v. 13. Februar 1923, a. a. 0., BI. 27 (31,32). S2S Verfügung v. 13. Februar 1923, a. a. 0., BI. 27 (32).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Beschimpfungen der verfassungsmäßig festgestellten republikanischen Staatsform belegen, die § 8 Nr. 1 RepSchG I unterfielen.526 cc) Das Verbot der Deutschsozialen Partei Nach den Verboten der Deutschsozialen Partei, die aufgrund der VO III ausgesprochen worden waren und die zunächst auch unter der Geltung des Republikschutzgesetzes fortwirkten,527 erließ das Thüringische Ministerium des Innem am 13. Dezember 1922 eine Verbots- und Auflösungsverfügung gegen diese Partei für das thüringische StaatsgebieU28 In der Begründung wurde hervorgehoben, daß die DSP nach eigenem Bekunden nichts anderes sei als die in Thüringen bereits aufgrund der VO III verbotene NSDAP und somit dieselben verbotenen Ziele verfolge. Die Bildung von Sturmabteilungen durch die DSP lasse darauf schließen, daß sie, um ihre Ziele zu verwirklichen, umfassende Vorbereitungen für einen gewaltsamen Umsturz treffe. Ein Verbot der DSP sei also gerechtfertigt, weil diese Partei Bestrebungen verfolge, die gegen § 7 Abs. 1 Nr.4 und Nr.5 RepSchG I verstießen .529 dd) Verbote der Deutschvölkischen Freiheitspartei Die Deutschvälkische Freiheitspartei5 nebst aller Ortsgruppen wurde zuerst im preußischen Staatsgebiet am 23. März 1923 verboten und aufgelöst.531 Bereits am nächsten Tag, dem 24. März 1923, verfügte das Thüringische Ministerium des Innem das Verbot und die Auflösung der DVFP für das thüringische Staatsgebiet.532 Es folgten Verbote und Auflösungen dieser Partei in Baden am 28. März 1923,533 in Sachsen am 3. April 1923 534 und zuletzt am 13. September J(J

Verfügung v. 13. Februar 1923, a. a. 0., BI. 27 (33 f.). Vgl. 4. Kapitel, B. VI. 4. 528 Bekanntgemacht im RAnz. Nr. 295 v. 30. Dezember 1922. 529 Begründung der thüringischen Verfügung in: RepSchStGH, Entsch. v. 9. Juli 1923, BA D-H, 30. 09/Abt. II/Nr. 160 b, Bd. 2, BI. 65 (65 RS). 5J(J Zu dieser Partei vgl. 4: Kapitel, B.I. 2. a) dd). 531 Verfügung v. 23. März 1923, Nr. II G 963; bekanntgemacht im MBliV S. 329. 532 Bekanntgemacht im Amts- und Nachrichtenblatt für Thüringen, I. Teil, Reg. BI. Nr. 25 v. 28. März 1923, S. 141. 533 Bekanntgemacht im RAnz. Nr. 76 v. 31. März 1923. 534 Bekanntgemacht in der Sächsischen Staatszeitung Nr. 77 v. 3. April 1923. 526

m

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

1923 in Braunschweig. 535 Eine Begründung ist dabei nur noch für das preußische und das braunschweigische Verbot erhalten. Der Preußische Innenminister verwies darauf, daß die DVFP in Preußen im wesentlichen nichts anderes sei, als eine versteckte Fortsetzung der bereits verbotenen NSDAP. Zudem habe die DVFP auch andere kleinere verbotene Verbände, wie z. B. den Verband national-gesinnter Soldaten korporativ in sich aufgenommen. Den Zweck der Gründung der DVFP bezeichnete der Preußische Innenminister deshalb damit, daß unter dem Deckmantel einer Reichstagspartei den verbotenen Gruppierungen Schutz vor weiteren Maßnahmen geboten werden sollte. Zum Beleg hierfür wurde eine am 10. Februar 1923 von dem Vorsitzenden der DVFP von Graefe gehaltene Rede angeführt, in der dieser festgestellt hatte, die Bildung der neuen Partei erfolge zum Schutz der deutschvölkischen Bewegung, da ,,zum gegenwärtigen Zeitpunkt" nur eine parlamentarische Vertretung Schutz gegen Auflösung gewähre.536 Weiter hieß es, der organische Zusammenhang der innerhalb Preußens zum Teil noch offen bestehenden NSDAP und der DVFP sei durch die in den letzten Tagen bekanntgegebene Verschmelzung der beiden Organisationen zweifelsfrei erwiesen; die DVFP habe sich öffentlich der Führung Hitlers unterstellt.537 Über die Ziele und Arbeitsmethoden der DVFP, die nach der Ansicht des Ministers ein Verbot rechtfertigten, führte er aus, daß die DVFP nach der Erklärung des Parteivorsitzenden von Graefe wie die NSDAP eine Beseitigung des Parlamentarismus anstrebe. Dieses Ziel verfolge die DVFP nicht auf verfassungsmäßigem Wege; sie habe es vielmehr unternommen, den Parlamentarismus gewaltsam zu beseitigen und damit die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform auf eine Weise zu untergraben, die als Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens im Sinne der §§ 81 Nr.2, 86 StrGB zu werten sei.538 In Verfolgung dieses Ziels habe die Partei nämlich im geheimen umfangreiche Vorbereitungen zu einem nationalen Putsch getroffen, indem sie in fast allen preußischen Provinzen paramilitärische Hundertschaften oder Turnerschaften gebildet habe. Diese Kampfverbände, die sich selbst als ,,Bestandteile der DVFP" bezeichneten, seien unter dem Kommando des in der Parteileitung tätigen früheren Selbstschutzführers Oberleutnant a. D. Roßbach zusammengefaßt.539 Zum Beweis dafür, daß mit dieser Organisation 535 Verfügung v. 13. September 1923 zusammen mit dem Verbot der NSDAP, Nr. J. I. 2172/23, BA B, NS 26Norl. 90 a, BI. 27 ff.; bekanntgemacht in der Braunschw. GVSlg. S. 296. 536 Verfügung v. 23. März 1923, amtliche Begründung in: Schulthess, EGK 1923 I,

S. 57 (58).

Verfügung v. 23. März 1923, a. a. 0., S. 57 (58). Verfügung v. 23. März 1923, a. a. 0., S. 57 (58). 539 Verfügung v. 23. März 1923, a. a. 0., S. 57 (58). 537 538

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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innenpolitische Kampfziele verfolgt würden, legte der Preußische Innenminister urkundliches Material vor, aufgrund dessen nach seiner Überzeugung feststand, daß die DVFP und ihre Kampfgruppen Fühlung mit einzelnen Teilen der Reichswehr gesucht hätten, um diese bei einem Putsch zu "wohlwollender Neutralität" anzuhalten. Die gewaltbereite Ausrichtung der Partei sei zudem durch Waffen belegt, die bei Mitgliedern der Partei gefunden wurden.S40 Der Preußische Innenminister warf der DVFP aufgrund dieser Vorkommnisse vor, sie verfolge Bestrebungen, die gegen § 7 Abs. 1 Nr.4 und Nr.5 RepSchG I verstießen. 541 Das Braunschweigische Innenministerium argumentierte ähnlich. In der Begründung dieser Verbotsverfügung hieß es, daß die DVFP offiziell in der Presse bekanntgegeben habe, daß sie mit der NSDAP in ein ,,Kartellverhältnis" getreten sei, womit ein enger Zusammenhang beider Parteien bewiesen sei. Wenn die Nationalsozialisten mit allen Mitteln gegen die verfassungsmäßige Staatsform anzurennen versuchten, wie die Ermittlungen ergeben hätten, gelte dies für die DVFP in nicht geringerem Maße, da auch sie gewaltbereite Sturmformationen im Lande Braunschweig gebildet habe, die infolge ihrer straffen Organisation bei )nneren und äußeren Kriegen" sofort mobilisiert werden könnten. Diese Kampfverbände waren nach der Überzeugung des Braunschweigischen Innenministers ebenfalls eng mit den paramilitärischen Einheiten der NSDAP verbunden, mit denen bereits konkrete Mobilmachungs- und Aufmarschpläne für einen Putsch beschlossen worden seien.s42 Aufgrund dieser Tatsachen stand es für den Braunschweigischen Innenminister fest, daß die DVFP in Braunschweig ebenfalls Bestrebungen verfolgte, die die Tatbestände der § 7 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 RepSchG I erfüllten.so ee) Verbote von Ersatzorganisationen verbotener Parteien Die Mitglieder der verbotenen Parteien schlossen sich häufig in Gruppierungen zusammen, die unter einem neuen Namen dieselben Ziele wie die verbotene Partei verfolgten.s44 Weil ein Verbot aufgrund des Republikschutzgesetzes ohne weiteres nicht auch für solche Ersatzorganisationen Wirkung entfaltete, bedurfte es eines neuen, selbständigen Willensaktes der Behörde, um sie zu verbieten. Wo die Behörde sich nicht zu einer solchen Verfügung gemäß § 14 Abs. 2 RepSchG I gegen die Ersatzorganisation entschließen konnte, war deren Tätigkeit legal. In einigen Begründungen der Verbote politischer Parteien Verfügung v. 23. März 1923, a. a. 0., S. 57 (58). Verfügung v. 23. März 1923, a. a. 0., S. 57 (58). 542 Verfügung v. 13. September 1923, BA B, NS 26Norl. 90 a, BI. 27 (28, 29). 54) Verfügung v. 13. September 1923, a. a. 0., BI. 27 (28, 29). 544 Vgl. dazu G. Jasper, S. 137 f.

540 541

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

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klang an, daß die Verfügung auch deshalb gegen sie erlassen wurde, weil sie als Fortsetzung einer bereits verbotenen Vereinigung angesehen wurden.545 Weitere Verbote von Ersatzorganisationen, die selbst alle Merkmale einer Partei erfüllten,s46 wie z. B. ein Verbot der aus den Anhängern der NSDAP und der DVFP während der Verbotszeit dieser Parteien gebildeten Nationalsozialistischen Freiheitspartei , ergingen nicht. Die Nachfolgegruppierungen waren aber auch häufig kleinere Geheimbünde ohne politische Ziele, auf die die Resonanz so gering war, daß Verbotsmaßnahmen gegen sie nicht als Verbote politischer Parteien zu bezeichnen sind. Wenigstens gegen diese Ersatzorganisationen wurde - jedenfalls zum Teil - vorgegangen, was als Beleg dafür dienen mag, daß in Ansätzen das Bemühen vorhanden war, die Neubildung der aufgelösten Parteien zu verhindern. So erließ etwa der Preußische Minister des Innern am 10. Januar 1923 eine Verbots- und Auflösungsverfügung gegen die Großdeutsche Arbeiterpartei als einer Ersatzorganisation der NSDAP .547 Dieselbe Behörde verbot am 5. Februar 1923 mit der Lesegesellschaft des Völkischen Beobachters 548 und am 5. September 1923 mit der Nationalsozialistischen Partei Groß-Deutschlands 549 weitere Ersatzorganisationen der NSDAP. Ebenfalls gegen eine Tarnorganisation der NSDAP richtete sich das Verbot der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung, das der Badische Minister des Innern am 11. Oktober 1924 aussprach. 550

d) Die auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 RepSchG I ausgesprochenen Partei verbote als Gegenstände gerichtlicher Entscheidungen aa) Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des gegen die Deutschsozialistische Partei verhängten Verbots Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik hob in einer am 8. März 1923 stattfindenden Verhandlung das badische Verbot der DsozP auf.551

545

So insbesondere in den Verbotsverfügungen gegen die DVFP, vgl. 4. Kapitel, B.

VII., 4. c) dd).

Vgl. zum Parteibegriff: 2. Kapitel, A. Bekanntgemacht im MBliV S. 45. 548 Bekanntgemacht im MBliV S. 143. 549 Bekanntgemacht im MBliV S. 926. 550 Abschrift eines Schreibens des Badischen Ministers des Innern BA B, R 1501/13221, BI. 211. Weitere Beispiele bei: M. Grünthaler, S. 222 ff. 551 RepSchStGH, Entsch. v. 8. März 1923 (St. G. V. 97/1922), BA D-H, 30.09/ NT. 12/1, BI. 116 ff. 546 547

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Das Gericht folgte zwar insofern der Argumentation der Verbotsbehörde, als es eine in der Vergangenheit bestehende enge Verbindung zwischen der badischen DsozP, der NSDAP und dem - rechtskräftig verbotenen - Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund für erwiesen hielt. Diese Verflechtungen allein seien aber kein Verbotsgrund und im übrigen seien die Beziehungen mittlerweile wieder gelöst worden, wie aus distanzierenden Äußerungen der Parteileitung der DsozP hervorgehe.552 Durch das im übrigen vom Badischen Innenminister vorgelegte Material wurde das Verbot nach der Überzeugung der Richter ebenfalls nicht gerechtfertigt. Aus Programmsätzen wie " ...heute kommt es nicht auf den Willen an, sondern allein auf die Tat..." oder " ...die Radikalsten sind die Besten für uns ... " lasse sich nicht mit aller Deutlichkeit ableiten, daß auf einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden Verhältnisse hingearbeitet oder zu Gewalttaten gegen Regierungsmitglieder aufgefordert würde, sondern es könne hier auch an den "Gebrauch geistiger Waffen" gedacht worden sein. Daß die "wahre innere kämpferische Grundhaltung" der DsozP durch das nach außen kundgetane Bekenntnis zur Friedfertigkeit nur verschleiert werden sollte, war nach Auffassung der Richter nicht hinreichend belegt worden. Der DsozP sei folglich weder ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs.2 RepSchG I noch gegen § 7 Abs. 1 Nr. 4 RepSchG I vorzuwerfen.553 Die in verschiedenen Artikeln der Parteizeitschrift erfolgten Äußerungen wertete der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik zwar als Beschimpfung im Sinne des § 8 Nr. 1 RepSchG I; indes seien diese Geschehnisse zu vereinzelt, um davon auszugehen, daß in der DsozP Erörterungen der bezeichneten Art stattfänden oder gar entsprechende Bestrebungen verfolgt würden. 554 bb) Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verhängten Verbote Nachdem die zuständigen Landesbehörden die Beschwerden der Parteileitung und verschiedener Ortsgruppen der NSDAP gegen die Verbotsverfügungen des Badischen Ministeriums des Innern,sss des Preußischen Ministers des Innern, des Mecklenburg-Schwerinschen Ministeriums des Innern, der Hamburger Behörden und des Bremer Senats zurückgewiesen hatten, kam es am 15. März 1923 zur Entscheidung durch den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik über die Rechtmäßigkeit dieser fünf Verbote, die zu einem Verfahren RepSchStGH, Entsch. v. 8. März 1923, a. a. 0., BI. 116 (117 VS). RepSchStGH, Entsch. v. 8. März 1923, a. a. 0., BI. 116 (118 VS, RS). 554 RepSchStGH, Entsch. v. 8. März 1923, a. a. 0., BI. 116 (119 VS). 552 553

555

Dieses Beschwerdeverfahren hatte noch nach Maßgabe der VO III stattgefunden.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

verbunden worden waren. Sämtliche Beschwerden wurden von dem Gericht zurückgewiesen .556 In einer Vorbemerkung setzte sich der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik intensiv mit der Entstehungsgeschichte, der inneren Verfassung und den Zielen der NSDAP auseinander und entwarf so, ohne daß er zunächst einzelnen Verstößen gegen das Republikschutzgesetz nachging, ein Gesamtbild der Partei. Das Gericht sah die NSDAP vor allem durch ihre straffe Organisation und Führung sowie ihre beiden Hauptziele einer Entrechtung der deutschen Juden und einer Bekämpfung des parlamentarischen Systems geprägt. 557 Erst nach dieser allgemeinen Charakterisierung, auf die in der Entscheidung immer wieder zurückgekommen wurde, erfolgte eine Prüfung der einzelnen durch die Verbotsbehörden erhobenen Vorwürfe, wobei vor allem die Ausführungen des Preußischen Innenministers als Entscheidungsgrundlage herangezogen wurden. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik hielt es zunächst für erwiesen, daß die NSDAP Bestrebungen der in § 8 Nr. 1 RepSchG I gekennzeichneten Art verfolgte und daß in ihr fortgesetzt dahingehende Erörterungen stattfanden. Die Äußerungen, die der Preußische Innenminister zum Beweis dieses Vorwurfs beigebracht hatte, stellten nach Ansicht der Richter ebenso wie die durch Parteianhänger verwendeten Ausdrücke, wie beispielsweise "Schieberrepublik" , "saumäßige Schieberrepublik" oder "Charakterlosigkeit der Reichsregierung", eine unmittelbare oder eine mittelbare Beschimpfung der Republik dar, die den Tatbestand des § 8 Nr. 1 RepSchG I erfüllte. 558 Bei der Haltung, die die NSDAP zum Judentum einnehme, könnten insbesondere auch antisemitische Äußerungen wie die Gleichsetzung der Republik mit einer ,)udenherrschaft" als Beschimpfung gewertet werden. Das Gericht berücksichtigte somit die Gesamtsituation, in der die Äußerungen gefallen waren. 559 Da all diese gröblichen Beschimpfungen der Republik unausgesetzt in dem als Parteizeitschrift zu betrachtenden Völkischen Beobachter, den von der NSDAP ausgegebenen Flugblättern und durch führende Männer der NSDAP wiederholt worden seien, spiegele sich in ihnen der in der Gesarntpartei herrschende Geist wider und es handele sich nicht nur um die Verfehlungen Einzelner .56fJ Infolge der ausgeprägten Zentralisation der Partei sei überdies eine 556 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923 NT. 12/1, BI. 120 ff. 557 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. 558 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. 559 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. 56fJ RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a.

(St. R. V. 14/1922), BA D-H, 30.09/ a. 0., BI. 120 (123 RS). a. 0., BI. 120 (124 RS, 125 VS). a. 0., BI. 120 (126 RS). a. 0., BI. 120 (126 RS).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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gegenseitige Zurechnung der Handlungen zwischen Gesamtpartei und den einzelnen Ortsgruppen möglich.s6l Da es sich bei den Verstößen gegen § 8 Nr.1 RepSchG I um ein "planmäßiges, systematisches Vorgehen" handele, das auf ein Verächtlich machen der Republik abziele, fanden nach Ansicht der Richter in der NSDAP nicht nur die Republik herabsetzende Erörterungen statt, sondern sie verfolgte sogar entsprechende Bestrebungen.562 Grundlegend waren nun vor allem die weiteren Ausführungen des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik zu § 7 Abs. 1 Nr.4 RepSchG I.563 Zunächst begründete das Gericht ausführlich die Einordnung der NSDAP als staatsfeindliche Verbindung im Sinne des § 129 StrGB. Schon ihre Satzung lasse erkennen, daß diese Partei das größte Gewicht auf eine einheitliche Führung lege und ihrem ersten Vorsitzenden Hitler eine beinahe diktatorische Gewalt einräume. Diese Machtbefugnisse erhöhten sich noch dadurch, daß die leitenden Parteimitglieder unter Einsatz des eigenen Lebens für die Ziele der Partei einzutreten gelobten.S64 Die Einrichtung sogenannter "Sturmabteilungen" mit militärischem Charakter sah das Gericht ferner als Ausdruck des ,,Kampfcharakters" der NSDAP an, der die Partei dazu fähig erscheinen lasse, " ...den von ihr aufgestellten Forderungen nicht bloß mit Worten, sondern gegebenenfalls auch durch Taten Nachdruck zu verleihen ... "565 Nachdem sie somit festgestellt hatten, daß die NSDAP den Charakter einer Verbindung aufwies, warfen die Richter die Frage auf, ob diese Verbindung staatsfeindlich war. Dafür sei entscheidend, daß die NSDAP gewillt sei, zur Erreichung ihrer Ziele Gewalt anzuwenden. Zur Begründung griff das Gericht wieder in erster Linie auf das vorgelegte preußische Material zurück. In dem Vorbildcharakter, den der italienische Faschismus für die deutschen Nationalsozialisten habe sowie in den ohne Rücksicht auf Gesetze "endlich zur Tat" drängenden Äußerungen nationalsozialistischer Führer dokumentiere sich die Bereitschaft, Normen zu mißachten.566 Das Verhalten auf den von der Partei abgehaltenen Versammlungen und Parteitagen, das als offene Drohung gegenüber Militär und Polizei zu werten sei, warf nach Auffassung des Gerichts ebenfalls ein "grelles Schlaglicht" auf die Kampfmethoden, derer sich die NSDAP bediente.567

RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. a. 0., BI. 120 (126 RS). RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. a. 0., BI. 120 (126 RS). 563 Zur Bedeutung dieser Ausführungen schon W. Conrad, DJZ 1923, Sp. 298 ff. 564 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, BA D-H, 30.09/Nr. 12/1, BI. 120 (127 VS). 565 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. a. 0., BI. 120 (127 RS). 566 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. a. 0., BI. 120 (128 VS, RS). 567 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. a. 0., BI. 120 (128 VS, RS). 561

562

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Aufgrund der Würdigung all dieser Tatsachen gelangten die Richter zu der Einschätzung, daß die NSDAP eine staatsfeindliche - weil gewaltbereite - Verbindung sei. Daran ändere sich auch nichts dadurch, daß die Lahmlegung der Staatsgewalt nicht alleiniger und ausschließlicher Zweck der Partei sei, und daß sich nicht im voraus sagen lasse, gegen welche bestimmten Maßnahmen der Regierung, die sich ihr aller Wahrscheinlichkeit nach in den Weg stellen würden, ihre Tätigkeit gerichtet sei. Ebenso komme es nicht darauf an, ob es der Partei bereits gelungen sei, sich gegenüber Regierungsrnaßregeln durchzusetzen. 568 Erst nachdem der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik die Einordnung der NSDAP als staatsfeindliche Verbindung bestätigt hatte, fragte er nach einer spezifisch republikfeindlichen Zielsetzung der Partei. Nach Auffassung der Richter unterlag " ...es keinem ZweifeL", daß die NSDAP darauf ausging, "...die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform zu untergraben, als sie durch Entrechtung der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens die Gleichstellung aller Deutschen vor dem Gesetz und ihre Zulassung zu öffentlichen Ämtern ohne Rücksicht auf das religiöse Bekenntnis (Art. 109, 128, 136 WRV) sowie durch Beseitigung der Volksvertretung in ihrer gegenwärtigen Form des Parlamentarismus (Art. 22, 32, 54 WRV) zwei Grundpfeiler der demokratischen Republik umzustürzen sucht."569 Dagegen wurde der Vorwurf, die NSDAP verfolge Bestrebungen bzw. erörtere Gegenstände, die § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 5 RepSchG I unterfielen, als nicht hinreichend belegt gesehen.570 In einem weiteren Verfahren verwarf der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik am 2. Juli 1923 die Beschwerde der Ortsgruppe Worms der NSDAP gegen die hessische Verfügung.571 Bezug nehmend auf die Ausführungen in der Entscheidung vom 15. März 1923 und das dort vorgelegte Tatsachenmaterial, stellte das Gericht nochmals fest, daß die NSDAP durch ihre auf Beschimpfung der verfassungsmäßigen Republik abzielende Tätigkeit Bestrebungen der in § 8 Nr.1 RepSchG I gekennzeichneten Art verfolge und als staatsfeindliche Verbindung anzusehen sei, die die verfassungsmäßige Staatsform zu untergraben suche (§ 7 Abs. 1 Nr.4 RepSchG I). Vermöge der straffen Organisation der Partei seien die einzelnen Ortsgruppen nicht anders zu beurteilen, was auch für die Wormser Ortsgruppe zu gelten habe. 572

RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. a. 0., BI. 120 (131 VS). RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. a. 0., BI. 120 (131 RS). 570 RepSchStGH, Entsch. v. 15. März 1923, a. a. 0., BI. 120 (131 RS). 571 RepSchStGH, Entsch. v. 2. Juli 1923 (SI. R. V. 56/1923), BA D-H, 30.09/ Nr. 12/1, BI. 170 f. 572 RepSchStGH, Entsch. v. 2. Juli 1923, a. a. 0., BI. 170 VS und RS. 568 569

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Für den 6. November 1924 war ein weiteres Verfahren vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik angesetzt, in dem über die Berechtigung der Beschwerde gegen die braunschweigische Verfügung entschieden werden sollte.sn Da diese Verfügung aber bereits am 25. August 1924 aufgehoben worden war,S74 und die Beschwerdeführer ihre Beschwerde zurückzogen, kam es zu keiner Entscheidung über das braunschweigische Verbot. Wie sich aus dem" Tagebuch in Verwaltungssachen " ergibt, in dem alle verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik verzeichnet sind,m fanden keine weiteren gerichtlichen Verfahren statt, deren Inhalt die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines gegen die NSDAP verhängten Verbots war. Über die Verbote in Schaumburg-Lippe, Sachsen, Lippe-Detmold und Oldenburg wurde folglich nicht gerichtlich entschieden. cc) Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der gegen die Deutschvälkische Freiheitspartei verhängten Verbote Die gegen das preußische, sächsische und thüringische Verbot der DVFP von der Parteileitung und mehreren Ortsgruppen eingelegten Beschwerden516 wurden vom Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik zur Entscheidung in einem Verfahren verbunden und am 26. /27. April 1923 verhandelt. Am 26. April 1923 fand die Beweisaufnahme statt, die Prozeßparteien stellten ihre Anträge, und die Entscheidung wurde auf den nächsten Tag verschoben. S11 In seinem Beschluß vom 27. April 1923 518 setzte sich der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik, wie oben erläutert, dann ausführlich mit der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 RepSchG I auf politische Parteien auseinander und bejahte diese. Zu einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der gegen die DVFP ausgesprochenen Verbote kam es jedoch nicht. Zwar hatte die mündliche Verhandlung vom Vortag nach Auffassung der Richter ,,zahlreiches

sn Tagebuch in Verwaltungssachen, BA D-H, 30. 09/Nr. 5, BI. 61 RS, 62 VS, Nr.301. 514 Bekanntgemacht in der Braunschweigischen Staatszeitung Nr. 232 v. 3. September 1924, BA B, NS 26Norl. 90 a, BI. 33. m BA D-H, 30. 09/Nr. 5. 516 Vgl. Tagebuch in Verwaltungssachen, BA D-H, 30. 09/Nr. 5, BI. 5 RS, 6 VS, Nr. 24 (Preuß. Verfügung); BI. 5 RS, 6 VS, Nr. 25 und 6 RS, 7 VS, Nr. 28 (Sächs. Verfügung); BI. 6 RS, 7 VS, Nr. 30 (Thüring. Verfügung). 511 Handschriftliches Protokoll v. 26. April 1923, BA D-H, 30. 09/Abt. V/Nr. 2, BI. 57 ff. 518 RepSchStGH, Entsch. v. 27. April 1923 (St. R. V. 24/23), BA B, R 1501/13221, BI. 2 ff., auszugsweise berichtet vom Reichsminister des Innem Oeser, Sitz. v. 12. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 10998 ff.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

und zum Teil recht schwerwiegendes Material" gegen die DVFP zutage gefördert, die strenge Sanktion eines Verbots sei aber dadurch allein noch nicht zu rechtfertigen .579 Da ein Hauptvorwurf der Behörden die Aushebung militärähnlicher Verbände unter der Leitung des Oberleutnant a. D. Roßbach war, verlangte das Gericht, daß zunächst festgestellt werden müßte, ob und inwieweit sein Vorgehen mit Wissen und Willen der Parteiführer erfolgt und deshalb der Partei als solcher zuzurechnen sei. Darüber könne erst dann völlige Klarheit gewonnen werden, wenn das schwebende Strafverfahren gegen "Roßbach und Genossen" abgeschlossen sein würde. Aufgrund dieser Unsicherheiten wurde das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Parteiverbote bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt. 58O Zum neuen Verhandlungstermin für das Verfahren über die gegen die DVFP ausgesprochenen Verbote sowie über die Beschwerden, die gegen das badische und das braunschweigische Verbot dieser Partei eingelegt und zwischenzeitlich mit diesem Verfahren verbunden worden waren/81 wurde zunächst der 6. November 1924 bestimmt.582 Obwohl die preußische, thüringische, badische und sächsische Verfügung bis zum Verhandlungstag auf Verbote der Kampfverbände der DVFP eingeschränkt worden waren/ 83 erhielten zunächst alle Beschwerdeführer ihre Beschwerden aufrecht, so daß sich das Verfahren insoweit nicht etwa erledigt hatte. Die Beschwerde gegen das (eingeschränkte) badische Verbot verwarf der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in der Verhandlung am 6. November 1924 endgültig als unzulässig, weil ein Teil der Beschwerdeführer nicht als beschwerdeberechtigt angesehen wurde, und die übrigen die Frist versäumt hatten.584 Für die anderen Verbote wurde die weitere Aussetzung des Verfahrens bekräftigt,585

RepSchStGH, Entsch. v. 27. April 1923, a. a. 0., BI. 2 (3 VS). RepSchStGH, Entsch. v. 27. April 1923, a. a. 0., BI. 2 (3 VS). 581 Tagebuch in Verwaltungssachen, BA D-H, 30. 09/Nr. 5, BI. 61 RS, 62 VS, Nr. 301 (Braunschw. Verfügung); RepSchStGH, Entsch. v. 6. November 1924 BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 171 (Bad. Verfügung). 582 Vgl. Tagebuch in Verwaltungssachen, BA D-H, 30. 09/Nr. 5, BI. 5 RS, 6 VS, Nr. 24, Nr.25; BI. 6 RS, 7 VS, Nr.28, Nr.30; BI. 7 RS, 8 VS, Nr.35; BI. 61 RS, 62 VS, Nr. 301. 583 Preuß. Verfügung v. 29. Februar 1924, bekanntgemacht im MBIiV S. 226; Thüring. Verfügung v. 3. März 1924, bekanntgemacht im RAnz. Nr. 56 v. 6. März 1924; Bad. Verfügung v. 12. März 1924, bekanntgemacht in der Karlsruher Zeitung Nr. 260 v. 13. März 1924; Sächs. Verfügung v. 26. April 1924, bekanntgemacht in der Sächsischen Staatszeitung Nr. 97 v. 26. April 1924. 584 RepSchStGH, Entsch. v. 6. November 1924 (St. R. V. 24/23), BA D-H, 30.09/ Nr.12/1,BI. 171. 585 Vgl. das Schreiben des Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik v. 28. Mai 1926, BA B, R 1501/13222, BI. 307. 579

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B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Nachdem das Strafverfahren gegen Oberleutnant a. D. Roßbach im August 1925 eingestellt worden war,s86 wäre der Weg für eine Entscheidung über die Berechtigung der DVFP-Verbote eigentlich frei geworden. Der Vorsitzende des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik bat den Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung jedoch mit Schreiben vom 17. April 1926 zu erwägen, ob nicht darauf hingewirkt werden könne, daß einerseits die Behörden die noch geltenden Verfügungen aufhöben und andererseits die Beschwerdeführer ihre Beschwerden zurücknähmen, da ein erneutes Aufrollen des Verfahrens "die Gegensätze in der Bevölkerung wieder verschärfen" würde, ohne daß dies mit dem durch die staatlichen Maßnahmen verfolgten Ziel in einem richtigen Verhältnis stünde.587 Derselbe Vorschlag wurde dann durch den Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung und den Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik dem Reichsinnenminister unterbreitet.588 Auf dessen Bitte589 erklärten die meisten der beteiligten Landesinnenminister, daß sie die Beschwerden ohnehin als erledigt betrachteten; alle noch bestehenden Verbote wurden in der Folgezeit aufgehoben.590 Da auch die Beschwerdeführer ihre Beschwerden nicht aufrechterhielten, wurde über die Verbote nicht weiter gerichtlich entschieden.59! dd) Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des gegen die Deutschsoziale Partei verhängten Verbots Das thüringische Verbot der DSP wurde vom Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in der Verhandlung am 9. Juli 1923 gemeinsam mit dem Verbot

586 Vgl. das Schreiben des Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik an den Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung v. 17. April 1926, BA B, R 1501/13222, BI. 305 (305 VS). 587 Schreiben des Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik v. 17. April 1926, a. a. 0.,81. 305 f. 588 Schreiben des Reichskommissars für die Überwachung der öffentlichen Ordnung an den Reichsinnenminister v. 23. April 1926, BA B, R 1501/13222, BI. 305 (305 RS); Schreiben des Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik an den Reichsinnenminister v. 28. Mai 1926, BA B, R 1501/13222, BI. 307 f. 589 Schreiben des Reichsinnenministers P 3944 v. 9. Mai 1926, zitiert nach dem Schreiben des Thüringischen Ministers des Innem an den Reichsinnenminister v. 17. Juni 1926, BA B, R 1501/13222, BI. 311. 590 Schreiben des Thüringischen Ministers des Innem an den Reichsinnenminister v. 17.Juni 1926, BAB, R 1501/13222, BI. 311; Schreiben des Badischen Ministers des Innem an den Reichsinnenminister v. 21. Juni 1926, BA D-H, 30. 09!Abt. VfNr. 2, BI. 190; Schreiben des Sächsischen Ministers des Innem an den Reichsinnenminister v. 23. Juni 1926, BA D-H, 30. 09/Abt. VfNr. 2, BI. 188. 59! Vgl. das Tagebuch in VerwaItungssachen, BA D-H, 30. 09fNr. 5. 11 Stein

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

der DSP für Braunschweig aufgehoben.S92 Die Nähe der DSP zur NSDAP sei von der Parteileitung ausdrücklich in Abrede gestellt worden, das Gegenteil durch die Verbotsbehörde nicht hinreichend nachgewiesen worden.S93 Was die Bildung bewaffneter Sturmabteilungen angehe, so sei diese Behauptung der Behörde zwar richtig. Die DSP habe aber glaubhaft erklärt, daß diese Abteilungen allein dem "Saalschutz" dienten.594 e) Die Reaktion auf die Parteiverbote Hatten die zuvor ergangenen Verbote der NSDAP und der DSP kein besonders lautstarkes Echo hervorgerufen, wurden das im Februar zuerst durch den Preußischen Innenminister Severing ausgesprochene Verbot der DVFP und die im April 1923 für eine Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 RepSchG I erfolgende Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik in der Öffentlichkeit/95 im Reichstag und im Preußischen Landtag um so heftiger diskutiert. Mit der DVFP war erstmals eine politische Partei von einem Verbot betroffen, die durch Abgeordnete im Parlament vertreten war, was diese unterschiedlichen Reaktionen durchaus verständlich macht. Gerade die Debatten in den Parlamenten über die Verbote der DVFP, die nicht nur politisch, sondern auch mit Argumenten des Verfassungsrechts zu führen versucht wurden, sind dabei Ausdruck der tiefen Verunsicherung, die über die Legitimität von Parteiverboten empfunden wurde. Da hierin grundsätzliche Sichtweisen des Parteiverbots in der Weimarer Zeit deutlich werden, die in die Vollzugs- und Aufhebungspraxis von Parteiverboten hineinwirkten, erscheint es sinnvoll, einen näheren Blick auf diese Diskussion zu werfen. 596 Die der verbotenen DVFP angehörenden Abgeordneten wehrten sich zwar auch gegen die ihrer Partei durch den Preußischen Innenminister zur Last gelegten sachlichen Vorwürfe.597 In erster Linie bezeichneten sie aber jedes Verbot einer Partei als grundsätzlichen Widerspruch zu Art. 1 WRV. Wenn nach dieser Bestimmung die Staatsgewalt vom Volke ausgehe und nach Art. 5 WRV vom Reichstag ausgeübt werde, so werde der demokratische Grundgedanke der

592 RepSchStGH, Entsch. v. 9. Juli 1923 (St. R. V. 137/22 ff.) BA D-H, 30.09/ Abt. II/Nr. 160 b, Bd. 2, BI. 65 ff. 593 RepSchStGH, Entsch. v. 9. Juli 1923, a. a. 0., BI. 65 (66 VS). 594 RepSchStGH, Entsch. v. 9. Juli 1923, a. a. 0., BI. 65 (66 VS). 595 Vgl. Z. B. Deutsche Tageszeitung v. 6. April 1923: ,,Parteiverbot - Sozialistengesetz" (zitiert in der Sitz. v .. 12. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 11004). 596 Zum folgenden: Verh. RT, Bd.359, S. 10473 f.; 10533 ff.; 10774 f.; 10853 ff.; Bd. 360, S. 10992 ff. 597 Abg. Henning, Sitz. v. 12. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 11014 ff.

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Verfassung " ... über den Haufen gerannt...", wenn man jeden beliebigen Teil dieser Vertretung des souveränen Volkes verbieten könne.598 Ähnlich argumentierten auch die Deutschnationalen. Parteien zu verbieten sei ein "unerhörter Präzedenzfall für die Zukunft", der eine schwere Gefährdung der Freiheit des politischen und parlamentarischen Lebens bedeute.599 Die Rechtsparteien waren sich einig, daß mit Parteiverboten reine "Gesinnungsknebelei" betrieben werde, die mit dem Grundgedanken der parlamentarischdemokratischen Regierungsweise unvereinbar sei.6OO Die der DNVP angehörenden Abgeordneten brachten als Konsequenz dieser Sichtweise einen Antrag ein, in dem sie verlangten, daß Parteien von Verboten aufgrund des Vereinsgesetzes und aller ,,Ausnahmegesetze und -verordnungen" nicht betroffen werden sollten.601 Mit den gleichen Argumenten lehnten die Abgeordneten der KPD, die ja auf der genau entgegengesetzten Seite des politischen Spektrums standen, Parteiverbote als "Untergrabung sogar der jetzigen demokratischen Republik" ab .602 Auch in den Mittelparteien DVP, DDP und Zentrum wurden gegenüber Parteiverboten grundsätzliche Bedenken geäußert. Man habe an diese Möglichkeit bei Erlaß des Republikschutzgesetzes gar nicht erst gedacht, weil sie allzusehr dem "Geist der parlamentarischen Demokratie" widerspreche.603 Die in Parteiverboten zum Ausdruck kommende Aufhebung einer strikten Trennung von Justiz und Politik sei mit der Verfassung nicht vereinbar.604 Deshalb hielten die dem Zentrum und der DDP angehörenden Abgeordneten das Vorgehen des Preußischen Innenministers Severing gegen die DVFP nur für vertretbar, weil die DVFP keine "echte" Partei sei, sondern lediglich den ,,Deckmantel für kriminelle Umtriebe" geliefert habe.605 Wie zurückhaltend die Abgeordneten der Parteien der politischen Mitte Verboten gegenüberstanden, die sich gegen von ihnen als "echt" bezeichnete Parteien richteten, zeigt ein gemeinsamer Antrag, in dem sie die Reichsregierung ersuchten, eine Änderung

Abg.Henning, Sitz. v. 12. Mai 1923, Verh. RT, a. a. 0., S. 11019. Vgl. Interpellation, Drucks. Nr. 5713, Anl. Verh. RT, Bd. 377, S. 6554. 600 Abg. v. Westarp, Sitz. v. 11. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S.10992; Abg. Henning, Sitz. v. 12. Mai 1923, Bd. 360, S. 11020. 601 Drucks. Nr. 5832, Anl. Verh. RT, Bd. 377, S. 6810. 602 Abg. Koenen (KPD), Sitz. v. 16. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 11042. 603 Abg. Guerard (Z), Sitz. v. 14. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 11029 f.; Abg. Koch (DDP), Sitz. v. 14. Mai 1923, a. a. 0., S. 11033. Hierauf verwies auch Abg. Henning, Sitz. v. 12. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 11020. 604 Abg. Maretzky (DVP), Sitz. v. 12. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 11012. 605 Abg. Guerard (Z), Sitz. v. 14. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 11030 f.; Abg. Koch (DDP), Sitz. v. 14. Mai 1923, a. a. 0., S. 11033; vgl. auch Abg. Scheidemann (USPD), Sitz. v. 12. Mai 1923, Verh. RT, Bd. 360, S. 11001 f. 598

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

des Republikschutzgesetzes zu erwägen, durch die politische Parteien vor Verboten geschützt würden.606 Bemerkenswert ist vor allem die Stellungnahme des der SPD angehörenden Preußischen Innenministers. Im Preußischen Landtag betonte Severing, daß ihm nichts ferner liege, als politische Gesinnungen zu verfolgen. "Glauben Sie doch nicht", rief er seinen Kritikern zu, "daß ich mich gegen allgemeine politische Bestrebungen, oder wenn sie so wollen, gegen Ideale der Deutschvölkischen Freiheitspartei auflehne. Ich glaube, meine ganze Vergangenheit bürgt dafür, daß ich nicht glaube, mit polizeilichen Maßnahmen einer geistigen Bewegung Herr werden zu können ... Ich bin der letzte, der der Deutschvölkischen Freiheitspartei in der Durchsetzung ihrer politischen Ziele irgendwelche Schwierigkeiten bereiten möchte ... "«!7 Die Möglichkeit die DVFP zu verbieten, wurde demnach sogar von dem das Verbot selbst ausgesprochen habenden Minister nur deshalb für eröffnet gehalten, weil die betroffene Partei nicht als Partei betrachtet wurde.

f) Die Geltungsdauer der aufgrund des § 14 Abs. 2 RepSchG I

ausgesprochenen Parteiverbote

Die Geltung der gegen die DSP und die DsozP ausgesprochenen Verbote endete mit ihrer gerichtlichen Aufhebung. Die übrigen Verbote blieben wirksam, bis die Verbotsbehörden sie aufhoben. aa) Geltungsdauer der gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verhängten Verbote Verbot und Auflösung der NSDAP aufgrund des § 14 Abs. 2 RepSchG I wurden zuerst am 29. April 1924 für Bremen aufgehoben.60S Es folgten die Aufhebungen der gegen die NSDAP ausgesprochenen Verfügungen vor dem 3. Juni 1924 in Mecklenburg-Schwerin,rnJ am 9. August 1924 Drucks. Nr. 5841, Anl. Verh. RT, Bd. 377, S. 6813. Protokolle des Preuß. Landtages I. Wahlperiode, Bd. 12, S. 16774 f., zitiert nach G. Jasper, S. 142. 608 Bekanntgemacht im RAnz. Nr.104 v. 2. Mai 1924. rnJ Das genaue Datum konnte nicht ermittelt werden. Lt. Verzeichnis des Reichsministers des Innern über die verbotenen Vereine und Vereinigungen aufgrund der Mitteilungen der Landesregierungen auf das Schreiben v. 3. Juni 1924 (BA B, R 150l/13251/B1. 90) war die NSDAP in Mecklenburg-Schwerin am 3. Juni 1924 nicht mehr verboten. 606

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B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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in Schaumburg-Lippe/ IO am 25. August 1924 in Braunschweig/ II am 4. September 1924 in Hamburg,612 am 5. Dezember 1924 in Sachsen,613 am 9. Dezember 1924 in Lippe-Detmold,614 am 12. Dezember 1924 in Preußen/ 15 am 13. Dezember 1924 in Oldenbur~16 und zuletzt in Hessen am 8. Mai 1925 617 . bb) Geltungsdauer der gegen die Deutschvölkische Freiheitspartei verhängten Verbote Als erste Verbotsbehörde hob der Preußische Innenminister am 29. Februar 1924 die gegen die DVFP auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 RepSchG I ausgesprochene Verbots- und Auflösungsverfügung auf.618 Der Thüringische Minister des Innem schloß sich am 3. März 1924 mit einer Aufhebungsverfügung an.619 In Baden wurden Verbot und Auflösung der DVFP am 12. März 1924,620 in Sachsen am 26. April 1924621 und schließlich in Braunschweig am 9. Juli 1926 aufgehoben 622 . Die Innenminister von Preußen, Baden und Sachsen erhielten dabei allerdings das Verbot der bewaffneten Kampforganisationen der DVFP, wie das der Tumer- und Hundertschaften zunächst aufrecht, das Verbot der Partei endete aber an den angegebenen Tagen.

610 Bekanntgemacht im RAnz. Nr. 193 v. 16. August 1924. 611 Bekanntmachung in der Braunschweigischen Staatszeitung Nr.232 v. 3. September 1924, BA B, NS 26Norl. 90 aIBI. 33. 612 Bekanntgemacht im RAnz. Nr. 210 v. 5. September 1924. 613 Bekanntgemacht in der Sächsischen Staatszeitung Nr. 283 v. 5. Dezember 1924. 614 Bekanntgemacht im RAnz. Nr. 294 v.13. Dezember 1924. 615 Bekanntgemacht im MBliV S. 1192. 616 LI. Verzeichnis des Reichsinnenministers über die verbotenen Vereine und Vereinigungen aufgrund der Mitteilungen der Landesregierungen auf das Schreiben v. 3. Juni 1924, BA B, R 1501/13251, BI. 90. 617 LI. Verzeichnis des Reichsinnenministers über die verbotenen Vereine und Vereinigungen aufgrund der Mitteilungen der Landesregierungen auf das Schreiben v. 3. Juni 1924, a. a. 0., BI. 90. 618 Bekanntgemacht im MBliV S. 226. 619 Bekanntgemacht im RAnz. Nr. 56 v. 6. März 1924. 620 Bekanntgemacht in der Karlsruher Zeitung Nr. 260 v. 13. März 1924. 621 Bekanntgemacht in der Sächsischen Staatszeitung Nr. 97 v. 26. April 1924 .. 622 Bekanntgemacht in der Braunschw. GVSlg. S. 167.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

s. Zusammenfassung Der Inhalt des als Rechtsgrundlage für den Erlaß von Parteiverboten in Betracht kommenden § 14 Abs. 2 RepSchG I war, wie das Erste Republikschutzgesetz insgesamt, von dem Versuch bestimmt, die Republik vor ihren Feinden zu schützen. Wie im Vereinsrecht hing die Möglichkeit ein Verbot zu erlassen, von einem Verstoß gegen Strafgesetze ab - allerdings mit dem Unterschied, daß das Erste Republikschutzgesetz selbst die Sonderdelikte enthielt, auf die sich die Verbotsnorm bezog. Welche Verhaltensweisen und Ziele als gefährlich eingeschätzt wurden, war in erster Linie von den vorangegangenen Attentaten und Aufforderungen zu ihnen geprägt worden (§§ 1, 2, 4-6, 7 Abs. 1 Nr. 1, Nr.2 RepSchG I). Aber auch dem Geist und der Atmosphäre in Vereinigungen wurde zunehmend mit Mißtrauen begegnet, wie die auf sie zugeschnittenen "Organisationsdelikte" zeigen. Zentrales Schutzgut, auf dessen Respektierung die Vereinigungen durch die Verbotsandrohung verpflichtet werden sollten, war dabei die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform. Zwar hatte der Gesetzgeber damit, wie es schon in der VO III der Fall gewesen war, die republikanischen Strukturen als zu bewahrende Werte aus der Verfassung hervorgehoben und war nicht etwa zu einem Schutz der Staatsautorität zurückgekehrt. Der Zusatz "verfassungsmäßig festgestellt", auf den man sich in den umkämpften Beratungen des Gesetzes schließlich geeinigt hatte, deutete jedoch bereits eine Rückkehr zu der Begrifflichkeit der Hochverratsvorschriften, des Reichsvereinsgesetzes und der Diktaturverordnungen vom August/September 1921 an. Neben die republikfeindlichen Bestrebungen traten als Verbotsgrund wieder republikfeindliche Erörterungen und erstmals spezifisch monarchistische Bestrebungen. Daran, daß man mit § 14 Abs. 2 RepSchG I eine Rechtsgrundlage für das Verbot politischer Parteien geschaffen hatte, wurde, wie die Entstehungsgeschichte belegt, im Gesetzgebungsverfahren nicht gedacht. Nachdem tatsächlich Parteiverbote ausgesprochen worden waren, zeigten sich die Vertreter aller Fraktionen von der Gleichsetzung der politischen Parteien mit Vereinen dementsprechend überrascht, obwohl aufgrund der gängigen Auslegungspraxis eigentlich hätte klar sein müssen, daß Parteien unter die Verbotsnorm subsumiert werden würden. Wurde das Republikschutzgesetz insgesamt ohnehin als eine einem demokratischen Staat eigentlich unangemessene und nur durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigte Maßnahme begriffen, was z. B. an seiner befristeten Geltungsdauer deutlich wird, liefen Parteiverbote aufgrund dieses Gesetzes erst recht den zeitgenössischen Vorstellungen von einer freien Demokratie zuwider. Ein Widerspruch zwischen Parteiverboten und dem geltenden Repräsentativsystem wurde sogar noch geltend gemacht, nachdem die weitgehende Ausklammerung der parlamentarischen Tätigkeit einer verbotenen

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Partei aus der Verbotswirkung in dem die DVFP betreffenden Beschluß des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik festgestellt und damit die erfolgreiche Ausschaltung der verbotenen Parteien aus dem Prozeß der politischen Willensbildung illusorisch geworden war. Bezeichnend ist hier, daß selbst die Befürworter der gegen die DVFP erlassenen Verbote meinten, diese Maßnahmen nur rechtfertigen zu können, indem sie die Parteieigenschaft der DVFP in Abrede stellten. Der Sozialdemokrat Severing sah sich sogar veranlaßt, zum Beweis seiner Toleranz gegenüber allen politischen Parteien auf seine Vergangenheit zu verweisen, in der er die Repressionen des Sozialistengesetzes zu spüren bekommen hatte. Parteiverboten haftete demnach weiter der schlechte Geruch zutiefst undemokratischer Institutionen an. Die Staatspraxis war durch eine unterschiedliche Anwendung der Verbotsnorm geprägt. Besonders Bayern und Württemberg, die zu den größeren Ländern des Reichs zählten, trugen durch ihren praktischen Nichtvollzug dazu bei, daß erhebliche Anwendungslücken im Reichsgebiet entstanden. In den Ländern, in denen § 14 Abs. 2 RepSchG I gegenüber den Parteien angewandt wurde, waren von Verboten nur rechtsradikale Parteien betroffen. Obwohl für die Verbotsbehörden feststand, daß auch die KPD eine staatsfeindliche Verbindung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 und Nr.5 RepSchG I darstellte/23 und die Anhänger der KPD strafrechtlich aufgrund dieser Normen in weitaus größerer Zahl belangt wurden als die Anhänger rechter Parteien,624 kam § 14 Abs. 2 RepSchG I ihr gegenüber nicht zur Anwendung. Auffällig ist ferner, daß die Verbotsbehörden kaum gegen Ersatzorganisationen durchgriffen. Damit wurden auch die Entscheidungen, die für Parteiverbote gefallen waren, in erheblichem Maße von Opportunitätsgesichtspunkten bestimmt. Ermöglicht wurde die uneinheitliche Anwendung der Verbotsnorm dadurch, daß das Republikschutzgesetz die Kompetenz in die Hände der Landesbehörden legte und die Entscheidung in ihr Ermessen stellte. Die Vollzugspraxis der Parteiverbote fügte sich damit in das allgemeine Bild ein, daß die Idee, den Republikschutz zu vereinheitlichen, mit dem Zweiten Berliner Protokoll und dem späteren sukzessiven Abbau der Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik wohl als endgültig gescheitert bezeichnet werden kann .625 Die Begründungen der ausgesprochenen Parteiverbote konzentrierten sich darauf, den Parteien Erörterungen und Bestrebungen vorzuwerfen, die als Be623 Protokoll der Besprechung im Reichsjustizministerium am 14. April 1923, BA B, R 43 112678, BI. 288 (291); Denkschrift des Reichskommissars für die Überwachung der öffentlichen Ordnung über die KPD v. 16. April 1923, BA B, ~ 43 112678, BI. 189 (208 f.); Schreiben des Reichskanzlers an die Reichsminister des Außeren, des Innern und der Justiz v. 23. Mai 1923, BA B, R 431/2669, BI. 279 (281). 624 Vgl. die Entscheidungen in: Polizeipräsidium Stuttgart (Hrsg.), S. 122 ff.; 320 ff. Ausführlich dazu: I. Hueck, S. 189 ff. 625 So C. Gusy, Wehrlose Republik? S. 169.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

schimpfungen der verfassungsmäßigen Staatsform im Sinne des § 8 Nr. 1 RepSchG I und als Untergraben der verfassungsmäßigen Staatsform im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr.4 RepSchG I bewertet wurden. Die Vorschriften gegen die "Mörderzentralen", die von den Befürwortern eines Republikschutzgesetzes in erster Linie als notwendig gefordert worden waren, kamen demgegenüber nicht zur Anwendung. Die Verfügungen spiegeln dabei das Bemühen der Verbotsbehörden wider, durch eine Aufreihung von Einzelverstößen die Berechtigung der Verbote zu belegen. Rechtliche Erwägungen finden sich darin dagegen kaum. In seinen Entscheidungen über Parteiverbote ging der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik den von den Behörden angeführten tatsächlichen Vorkommnissen detailliert nach. Nur eine Vielzahl von nachgewiesenen Schutzgesetzverletzungen, die zudem nicht länger als etwa ein halbes Jahr zurückliegen durften, war nach Auffassung der Richter geeignet, ein Verbot zu begründen. Das Gericht legte vor allem Wert darauf, daß das "Über-die-Stränge-Schlagen" einzelner Parteianhänger keine Verantwortung der Gesamtpartei zu begründen vermochte. So hatten die Beschwerden gegen die Verbote der DSP und der DsozP nicht etwa deshalb Erfolg, weil die von den Behörden vorgebrachten Verstöße als aufgrund des Republikschutzgesetzes strafrechtlich irrelevant oder als unbewiesen angesehen worden wären, sondern weil den Richtern diese Verstöße entweder quantitativ nicht ausreichten oder zeitlich zu weit zurücklagen. Für die strengen Maßstäbe, die der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik hier anlegte, mag gesprochen haben, daß die einschneidende Sanktion eines Verbots der Gesamtpartei wegen des Fehlverhaltens Einzelner unverhältnismäßig gewesen wäre. Gleichzeitig erkannten Parteiführer aber in dieser Methode des Gerichts schnell die Chance, ihre Partei um die Anwendbarkeit der Verbotsnorm herumzusteuern, indem sie die Verstöße einzelner Mitglieder bagatellisierten und die Partei offiziell als friedliebend und gesetzestreu hinstellten. Von den gerichtlichen Entscheidungen, die Parteiverbote betrafen, ist die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik vom 15. März 1923 über die Rechtmäßigkeit mehrerer Verbote der NSDAP hervorzuheben. Obwohl auch in diesem Verfahren akribisch die von den Verbotsbehörden vorgebrachten Tatsachen summiert wurden, zeigt doch die intensive Auseinandersetzung der Richter mit der Geschichte, der Struktur und dem Programm der NSDAP, daß es dem Gericht wichtig war, das Verbot anhand der Gesamttendenz der Partei zu überprüfen. Bedeutsam war ferner die Konkretisierung, die das Schutzgut der verfassungsmäßig festgestellten republikanischen Staatsform in dieser Entscheidung erfuhr. Für den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik unterlag es ,,keinem Zweifel", daß die rechtliche Gleichstellung aller Staatsbürger sowie der Parlamentarismus in der gegenwärtigen Form zum Inhalt der geschützten verfassungsmäßigen Staatsform gehörten. Damit bezogen die Richter unmißver-

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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ständlich Position für den Schutz demokratischer Grundeinrichtungen der Verfassung. Bemerkenswert war hieran auch die Feststellung des Widerspruchs zwischen Antisemitismus und verfassungsmäßiger Staatsform - ein Ergebnis, das vor dem Hintergrund der durch das Reichsgericht etwa gleichzeitig erfolgten Banalisierung antisemitischer Äußerungen626 und zuvor selbst durch den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik gemachter anderslautender Äußerungen627 um so gewichtiger erscheint.

VIII. Partei verbote aufgrund der Verordnungen vom 26. September 1923 1. Geschichtlicher Hintergrund

Als sich im Sommer des Jahres 1923 die Erfolglosigkeit des seit Januar gegen die Ruhrbesetzung geführten passiven Widerstandes abzeichnete,628 und die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung mit der beschleunigten Inflation immer schlechter wurde, erreichte auch die innere Spannungslage der Republik einen neuen Höhepunkt. Wiederholt kam es vor allem in Preußen und Mitteldeutschland zu linksradikalen Aufständen und Ausschreitungen, die die KPD zum Teil offen initiierte oder unterstützte.629 Nachdem Anfang September 1923 auch noch erhebliche Spannungen zwischen der Reichsregierung und den linksgerichteten Regierungen Thüringens und Sachsens aufgetreten waren/30 sprachen alle Anzeichen für einen auf das ganze Reich bezogenen Umsturzversuch des linken Radikalismus.631 Gleichzeitig hatte der Rechtsextremismus im Reich laufend an Boden gewonnen, wobei sein Zentrum weiterhin in Bayern lag.632 Dabei hatten sich gerade in Bayern die rechten Bewegungen im Laufe der Zeit am stärksten verän626 RG, Entsch. aus dem Jahre 1923, auszugsweise in: Justiz I (1925/26), S. 521 ff. - ,,Judenrepublik" nicht als Schimpfwort. 627 ,,Die Judenschaft als solche ist nicht Gegenstand des von dem anzuwendenden Reichsgesetze geschaffenen Schutzes, ein Kampf gegen einen für übermäßig, für verderblich erachteten Einfluß des Judentums auf die Leitung des Staates und auf unser ganzes öffentliches Leben nicht ein Angriff auf den Bestand der republikanischen Staatsform." (RepSchStGH, Entsch. v. 19. Januar 1923, BA D-H, 30. 09/Nr. 12/1, BI. 58 [61 RS]). 628 Zum passiven Widerstand und seinem Scheitern vgl. E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 281 ff., 335 ff. 629 SchuIthess, EGK 1923 11, S. 153. 630 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 342; G. Schutz, S. 408 f. 631 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 341 ff. 632 Zum Rechtsextremismus in Norddeutschland: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 351 ff. Zu den rechten Bewegungen in Bayern: G. Schutz, S. 407 ff.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

dert, was für das folgende Geschehen bedeutsam werden sollte. Die alten Einwohnerwehren und nationalistischen Verbände waren in Bayern mehr und mehr in den Sog der ja hier nicht verbotenen, von Hitler dominierten NSDAP geraten, die jetzt auch der Bayerischen Regierung zunehmend als bedrohlich erschien. Schon zu Jahresbeginn waren in München Gerüchte in Umlauf, die von einem rechten Putsch unter der Führung der NSDAP wissen wollten!33 Da für den Ende Januar in der bayerischen Landeshauptstadt geplanten Parteitag der NSDAP schwere Ausschreitungen befürchtet wurden, berief das Bayerische Gesamtministerium, gestützt auf Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV und § 64 Bayerische Verfassung, den früheren Ministerpräsidenten von Kahr für mehrere Tage zum Generalstaatskommissar und übertrug ihm umfassende Befugnisse.634 Die Gegensätze zwischen der Bayerischen Regierung und der NSDAP traten erneut anläßlich einer am 1. Mai 1923 in München stattfindenden Großdemonstration hervor.635 Zwar gelang es hier, gewaltsame Ausschreitungen durch polizeiliche Mittel zu verhindern. Auch die Bayerische Staatsregierung hielt aber nunmehr umfassende Maßnahmen gegen die radikale politische Rechte für erforderlich. Sie erwog dabei zwar auch ein Verbot der NSDAP auf der Grundlage des Republikschutzgesetzes oder einer Diktaturverordnung,636 konnte sich letztlich aber nicht dazu entschließen, sondern erließ am 11. Mai 1923 eine auf Art. 48 Abs. 4 WRV und § 64 Bayerische Verfassung gegründete Verordnung, die von strafrechtlichen Regelungen geprägt war.637 Diese Verordnung enthielt u. a. mit § 5 für die Auflösung von strafgesetzwidrigen Vereinigungen eine Rechtsgrundlage, von der jedoch gegenüber Parteien kein Gebrauch gemacht wurde. Konnten die radikalen Gruppierungen durch die bayerischen Maßnahmen, durch die Maßnahmen der Reichsregierung und der anderen Landesregierungen 638 zunächst von weiteren größeren Aktionen abgehalten werden, drohte die Situation mit dem bevorstehenden Abbruch des passiven Widerstandes im August/September 1923 zu eskalieren. Die politische Rechte, die den Kampf gegen die Ruhrbesetzung in den vergangenen Monaten zu einem ihrer Hauptziele 633 G. Schutz, S. 407. 634 Verordnung v. 26. Januar 1923, Drucks. Nr. 5538, Anl. Verh. RT, Bd.376, S.6240. Aufgehoben durch Verordnung v. 5. Februar 1923, Drucks. Nr. 5549, Anl. Verh. RT, Bd. 376, S. 625. 635 Vgl. den Bericht bei: Schulthess, EGK 1923 I, S. 91 ff. 636 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 320. 637 Drucks. Nr.5878, Anl. Verh. RT, Bd. 378, S. 6969; aufgehoben durch Verordnung v. 14. Februar 1925, Bayer. Staatszeitung Nr.37 v. 14. Februar 1925, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 345, S. 368 f. 638 Z. B. Verordnung des Reichspräsidenten v. 10. August 1923 (RGBI. I s. 768); von den Maßnahmen des Preuß. Innenministers Severing z. B. das Verbot der den Arbeitsausstand betreibenden Streikorgane vom 15. /28. August 1923 (G. Jasper, S. 146 ff.).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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gemacht hatte, war sich in der Ablehnung des neuen "Stresemann-Kurses" so einig wie lange nicht mehr.639 In Bayern wurde vor allem die Anfang September erfolgende Übertragung der politischen Gesamtleitung der meisten rechten Verbände an Hitler als weiteres ernstes Alarmzeichen gewertet.64O Der endgültige Abbruch des passiven Widerstands durch die Reichsregierung am 25. September 1923 641 veranlaßte deshalb das unter der Leitung des Ministerpräsidenten Eugen von Knilling stehende Bayerische Gesamtministerium am 26. September 1923 eine auf Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV und § 64 Bayerische Verfassung gestützte "Verordnung über einstweilige Maßnahmen zum Schutze und zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung" zu erlassen,642 die die gesamte vollziehende Gewalt auf den erneut zum Generalstaatskommissar bestellten von Kahr übertrug. Die Reichsregierung, durch die von rechts- und linksradikalen Gruppierungen initiierten Unruhen ohnehin schon alarmiert, fürchtete nunmehr ernstlich eine Separation Bayerns oder zumindest eine entscheidende Schwächung der Reichsgewalt.643 Der Erfolg eines Außerkraftsetzungsverlangens des Reichstags nach Art. 48 Abs. 4 Satz 2 WRV wäre als Gegenmaßnahme fraglich gewesen, weil das Gesamtministerium neben Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV als Rechtsgrundlage § 64 Bayerische Verfassung herangezogen hatte, und die Verfassungsmäßigkeit einer originären Landesdiktatur nach wie vor nicht geklärt war. 644 Deshalb veranlaßte die Reichsregierung den Reichspräsidenten noch am selben Tag zur Wahrung der Reichsgewalt eine inhaltlich parallel zur Bayerischen Verordnung gestaltete, im gesamten Reichsgebiet (also auch in Bayern) geltende Diktaturverordnung zu erlassen.645 Durch § 2 VO IV wurde die gesamte vollziehende Gewalt auf den Reichswehrminister übertragen, der diese seinerseits an Militärbefehlshaber delegieren und im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern auf dem Gebiet der Zivilverwaltung Regierungskommissare ernennen konnte.

639

E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 336 f., 343 f.

Politische Nachrichten der Polizeidirektion München Nr. 77 v. 8. September 1923, in: E. Deuerlein (Hrsg.), Dok. 3, S. 164. 641 Vgl. den öffentlichen Aufruf der Reichsregierung v. 26. September 1923, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 260, S. 280 f. 642 Vgl. Bayer. Staatszeitung Nr. 224 v. 27. September 1923, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 278 c, S. 303 f. 643 G. Schuh, S. 422 f. 644 Vgl. 4. Kapitel, A. II. 1. b) aa) (2). 645 "Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Art. 48 Abs. 2 der Reichsverfassung, betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für das Reichsgebiet nötigen Maßnahmen" (RGBI. I S. 905). 640

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Damit galten im bayerischen Gebiet nebeneinander zwei Verordnungen gleichen Regelungsinhalts, durch die zwei unterschiedliche Inhaber der vollziehenden Gewalt bestellt wurden. 2. Regelungsinhalt der aus den Verordnungen vom 26. September 1923 als Rechtsgrundlagen für Parteiverbote in Betracht kommenden Normen

a) Die Verbotsnorm in der Bayerischen Verordnung

Die Bayerische Verordnung vom 26. September 1923 enthielt keine auf den Erlaß von Parteiverboten oder Verboten sonstiger Vereinigungen ausgerichtete Rechtsgrundlage. Der Generalstaatskommissar als der Alleininhaber der vollziehenden Gewalt (Abs. 1, 3, 4 der Bayerischen Verordnung) konnte jedoch allgemein nach Abs. 6 der Bayerischen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ,,Anordnungen" erlassen. Da Abs.2 Satz 1 der Bayerischen Verordnung Art. 124 WRV außer Kraft setzte, und nach Abs.4 Satz 2 der Bayerischen Verordnung Beschränkungen der Vereinigungsfreiheit auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten Grenzen für zulässig erklärt wurden, begründete die Generalklausel des Abs. 6 der Bayerischen Verordnung für den Generalstaatskommissar auch die Möglichkeit Parteiverbote auszusprechen, ohne daß er die dafür im "verfassungsrechtlichen Normalzustand" gezogenen Grenzen beachten mußte. b) Die Verbotsnorm in der Verordnung des Reichspräsidenten

Auch in der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. September 1923 war keine Ermächtigungsgrundlage vorgesehen, die die Voraussetzungen für ein Parteiverbot detailliert beschrieben hätte. Gemäß § 1 VO IV wurden jedoch bei gleichzeitiger Außerkraftsetzung des Art. 124 WRV ebenfalls Beschränkungen der Vereinigungsfreiheit für zulässig erklärt. Der Inhaber der vollziehenden Gewalt war für alle Maßnahmen nach seinem Ermessen zuständig, was die Anordnung eines Parteiverbots außerhalb der Grenzen des Art. 124 WRV einschloß .646 3. Rechtsschutzmöglichkeiten

Abs.6 der Bayerischen Verordnung vom 26. September 1923 schloß die Einlegung von Rechtsmitteln gegen Anordnungen des Generalstaatskommissars aus, es sei denn, dieser bestimmte ausdrücklich etwas anderes. Ebenso sah 646

Vgl. 4. Kapitel, A.II. 1. b) bb).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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die Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. September 1923 keinen Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Inhabers der vollziehenden Gewalt vor. Damit bestand grundsätzlich keine Möglichkeit, ein auf die Verordnungen vom 26. September 1923 gegründetes Parteiverbot gerichtlich überprüfen zu lassen.647 4. Die Anwendung der Verordnungen vom 26. September 1923 in der Staatspraxis

a) Das den Parteiverboten vorausgehende Geschehen

Aufgrund der Verordnungen vom 26. September 1923 wurden verschiedene Parteiversammlungen der Nationalsozialisten verboten.648 Weder der Bayerisehe Generalstaatskommissar von Kahr noch der amtierende Reichswehrminister Otto Geßler machten dagegen zunächst von den ihnen eingeräumten Befugnissen durch den Erlaß von Parteiverboten Gebrauch. Der Unmut über die Anfang November offen ausbrechende Krise in der Reichsregierung veranlaßte die national-bürgerlichen Kreise in Bayern um Generalstaatskommissar von Kahr sogar im Gegenteil, erneut das Gespräch mit den noch kurz zuvor beargwöhnten national-revolutionären Gruppierungen über die Errichtung einer ,,nationalen Diktatur" zu suchen.649 Als allerdings deutlich wurde, daß die national-bürgerliche Richtung nicht gewillt war, dem Hauptrepräsentanten der national-revolutionären Richtung, Hitler, eine führende Rolle bei der geplanten Aktion einzuräumen, entschloß sich dieser zu einem gewaltsamen Vorgehen auf eigene Faust. Auf einer am 8. November 1923 stattfindenden Versammlung der Münchener Vaterländischen Verbände im Bürgerbräukeller erklärte Hitler die Reichs- und die Bayerische Landesregierung für abgesetzt, ließ Regierungsmitglieder in Haft nehmen und versuchte, wichtige Gebäude besetzen zu lassen.65o In einer ersten Reaktion übertrug der Reichspräsident durch eine auf Art. 48 Abs. 2 Satz 1 WRV gestützte Verordnung am 8. November 1923 in Abänderung der Reichsverordnung vom 26. September 1923 sowohl die Ausübung des militärischen Oberbefehls als auch die vollziehende Gewalt auf den 647 Zu den Möglichkeiten gegen die Verordnungen selbst gerichtlich vorzugehen: vgl. 4. Kapitel, A. 11. 1. b) ce). 648 Zu den Versammlungsverboten in Bayern: Politische Nachrichten der Polizeidirektion München Nr. 78 v. 6. November 1923, in: E. Deuerlein (Hrsg.), Dok. Nr. 82, S.306. 649 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 403 f. 650Eingehend aus der Sicht v. Kahrs: Denkschrift v. 12.Dezember 1923, in: E. Deuerlein (Hrsg.), Dok. Nr. 182, S. 487 ff.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Chef der Heeresleitung General Hans von Seeckt,651 womit die zivile in eine militärische Ausnahmesituation übergegangen war. Die Zuständigkeit für den Erlaß von Parteiverboten hatte damit ebenfalls gewechselt. Aber auch in dem unmittelbar durch den Putsch betroffenen Bayern wurde dieses Mal schnell reagiert. Nachdem sich Generalstaatskommissar von Kahr während des Putschgeschehens zunächst widersprüchlich verhalten hatte,6S2 konnte der Putsch unter seiner Leitung bereits am 9. November 1923 niedergeschlagen werden.

b) Der Erlaß von Parteiverboten auf der Grundlage der Verordnungen vom 26. September 1923 aa) Die aufgrund der Bayerischen Verordnung ausgesprochenen Parteiverbote Als eine der ersten nach dem gescheiterten Putsch ergriffenen Maßnahmen erließ von Kahr am 9. November 1923 " ...aufgrund des bestehenden Ausnahmerechts ... " eine Verordnung, die in § 1 das Verbot und die Auflösung der NSDAP in Bayern bestimmte.6S3 Am 11. November 1923 folgten auf derselben Rechtsgrundlage das Verbot und die Auflösung der KPD im rechtsrheinischen Bayern.6S4 Als Nebenfolge beider Verbote war die Einziehung des Vermögens der betroffenen Parteien zugunsten des Landes vorgesehen (§ 2 beider Verbote); gemäß § 3 beider Verbote war die geheime Fortsetzung der aufgelösten Parteien sowie die Bildung von Ersatzorganisationen strafbar. Rechtsmittel gegen die Parteiverbote ließ der Generalstaatskommissar nicht zu. Die Verbote wurden nicht begründet. bb) Die aufgrund der Reichsverordnung ausgesprochenen Parteiverbote Der Chef der Heeresleitung von Seeckt schloß sich den in Bayern verhängten Verbotsmaßnahmen an, indem er gestützt auf die Reichsverordnung vom 26. September 1923 i. V. m. der Reichsverordnung vom 8. November 1923 durch Verordnung vom 23. November 1923 die KPD (Abs.1 der Verordnung

651 RGBl. I S. 1084. 652 Erklärung v. Kahrs auf der Versammlung am 8. November 1923, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, NT. 305, S. 329. 653 Abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, NT. 315 a, S. 336. 654 Anordnung abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 315 b, S. 336.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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vom 23. November 1923), die NSDAP und die DVFP (Abs. 2 der Verordnung vom 23. November 1923) im gesamten Reich verbot und auflöste.655 Das Vermögen dieser Parteien wurde nach Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 der von Seecktschen Verordnung eingezogen; andere Gegenstände, die den Zwecken der Parteien dienten, wurden beschlagnahmt. Zur Begründung des KPD-Verbots führte von Seeckt in Abs. 1 Satz 1 seiner Verordnung an, daß diese Partei durch ihre Verantwortlichkeit für die Aufstände in Hamburg sowie ihre Betätigungen in den anderen Ländern, vor allem in Sachsen und Thüringen, gezeigt habe, daß sie bestrebt sei, Soldaten der Wehrmacht zum Ungehorsam gegen die Anordnungen der Inhaber der vollziehenden Gewalt zu verleiten und durch politischen Generalstreik und bewaffneten Aufstand die verfassungsmäßige Staatsform des Deutschen Reichs umzustürzen. Das Verbot der NSDAP wurde auf den Vorwurf gestützt, daß diese Partei es unternommen habe, Soldaten der Wehrmacht zum Ungehorsam zu verleiten und die Regierung des Deutschen Reichs durch bewaffneten Aufstand zu stürzen. Da die DVFP dieselben Positionen vertrete wie die NSDAP, und ihr Führer von Graefe an dem Umsturzversuch der NSDAP teilgenommen habe, sei auch diese Partei zu verbieten. c) Geltungsdauer der Verordnungen und Verbote

Wenn man auch die seit dem 26. September 1923 in Bayern bestehende Geltung der sich überschneidenden Diktaturverordnungen im historischen Rückblick für staatsrechtlich unzulässig halten und der Verordnung des Reichs den Vorrang vor der Landesverordnung einräumen mag,656 ändert dies doch nichts daran, daß sich die Kompetenzen der Reichs- und bayerischen Landesorgane in Bayern tatsächlich überschnitten und damit Spannungen unausweichlich waren. Der Konflikt verschärfte sich, als Generalstaatskommissar von Kahr am 29. September 1923 durch einen an die bayerischen Regierungspräsidenten und Oberstaatsanwälte gerichteten Erlaß anordnete, den Vollzug des Republikschutzgesetzes erneut einzustellen.657 Die in Bayern im November 1923 erlassenen Parteiverbote wurden deshalb konsequent nicht auf § 14 Abs. 2 RepSchG I, sondern auf Art. 48 Abs. 4 WRV i. V. m. § 64 Bayerische Verfassung gestützt.

Abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 316, S. 337 f. E. R. Huber, Militärgewalt, S. 171 (180 ff.). 657 Abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 279, S. 304. 655

656

176

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Trotz der vielfältigen Reibungspunkte mit der Bayerischen Regierung,658 waren die Reichs- und Bayerische Landesregierung wie in den vorausgegangenen Konflikten an einer baldigen Kompromißlösung interessiert.659 Nachdem die Bemühungen darum durch den "Hitler-Putsch" vorübergehend unterbrochen worden waren, traf die Reichsregierung mit der Bayerischen Staatsregierung im Februar 1924 informelle Absprachen über die vom Reich geforderte Wiederaufnahme des Vollzugs des Republikschutzgesetzes und die in Bayern geltende Doppelung der Diktaturverordnungen.660 Ein Ergebnis dieser Verhandlungen war die im Februar 1924 erfolgende Abänderung der Bayerischen Verordnung vom 26. September 1923, die das Generalstaatskommissariat in Bayern beseitigte und rechtsstaatliche Garantien bei Freiheitsbeschränkungen einführte.661 Die bayerischen Parteiverbote blieben dagegen ausdrücklich gemäß Ziffer V der neuen Bayerischen Verordnung in Kraft. Die §§ 3, 4 der Bayerischen Verordnung vom Februar 1924 sahen dabei Normen vor, die als Rechtsgrundlagen für Verbote von Vereinen und Verbänden, die Waffenvorräte anlegten, den Strafgesetzen zuwiderliefen oder amtliche Erklärungen nicht befolgten, herangezogen werden konnten. Gegenüber Parteien kamen diese Vorschriften allerdings nicht zur Anwendung. Im Gegenzug hob der Reichspräsident die Reichsverordnungen vom 26. September und 8. November 1923 sowie alle auf sie gestützten "Reichseingriffe in das Vereinsrecht" zum 1. März 1924 durch Verordnung vom 28. Februar 1924 auf,662 woraufhin das Bayerische Gesamtministerium den Erlaß über den Nichtvollzug des Republikschutzgesetzes zurücknahm.663 Da Parteiverbote zu den in der Verordnung vom 28. Februar angesprochenen Eingriffen in die Vereinsfreiheit zählten, endete die Wirkung der durch von Seeckt ausgesprochenen Parteiverbote am 1. März 1924.

658 Z. B. die Inpflichtnahme der 7. Division durch die Bayerische Regierung im Oktober 1923 (Dazu und zu weiteren Streitpunkten: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 367 ff.; G. Schuh, S. 425 ff.). 659 Vgl. den offiziellen Bericht über eine Besprechung zwischen der Reichsregierung und den Vertretern aller Länder v. 24. Oktober 1923, abgedruckt bei: F. Poetzsch-HeJtter, JöR XIII (1925), S. 95 f. 660 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 477. 661 Verordnung bekanntgemacht in der Bayer. Staatszeitung Nr.42 v. 19. Februar 1924, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 331, S. 354 ff. 662 RGBI. I S. 152 f. 663 Erlaß abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd.3, Nr.334, S. 358. Zu den Hintergründen der Aufhebung, deren Zeitpunkt mit dem Strafprozeß gegen Hitler zusammenhing: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 491 f.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

177

Die landesrechtlichen Parteiverbote, gleichgültig ob sie aufgrund des Republikschutzgesetzes664 oder in Bayern aufgrund des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV i. V. rn. § 64 Bayerische Verfassung ergangen waren, wurden von der Aufhebung der reichsrechtlichen Parteiverbote zum 1. März 1924 nicht berührt. Als einige der landesrechtlichen Parteiverbote auch nach den Wahlen zum Reichstag im Mai 1924 fortbestanden, führten der im neuen Reichstag gewonnene Einfluß der Rechtsparteien,665 die Beruhigung der inneren und äußeren Lage des Reichs sowie die grundsätzlichen Bedenken, die die Vertreter aller Parteien gegenüber Parteiverboten empfanden, dazu, daß die Mehrheit des Reichstags am 26. Juli 1924 die ,,Aufhebung aller noch bestehenden Parteiverbote" verlangte.666 Zweifelhaft war allerdings, welche rechtliche Wirkung dieser Beschluß hatte. Die reichsrechtlichen Parteiverbote, zu deren Aufhebung er nach Art. 48 Abs. 3 Satz 2 WRV verpflichtend auffordern konnte, waren ohnehin bereits am 1. März 1924 außer Kraft getreten. Hinsichtlich der bayerischen Parteiverbote hätte der Beschluß eine gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 2 WRV verbindliche Pflicht für eine Aufhebung begründet, wenn sie allein auf Art. 48 Abs. 4 Satz 1 WRV gestützt worden wären. Das Bayerische Gesamtministerium hatte jedoch die Verordnung vom 26. September 1923, die die Rechtsgrundlage für die durch von Kahr ausgesprochenen Parteiverbote war, zusätzlich mit § 64 Bayerische Verfassung begründet. Zwar war fraglich, inwieweit eine originäre Landesdiktaturgewalt überhaupt verfassungsrechtlich haltbar war. Jedenfalls konnte diese Frage nicht durch einen Reichstagsbeschluß verbindlich geklärt werden. Sofern die landesrechtlichen Verbote ihre Grundlage im Republikschutzgesetz hatten, besaß der Reichstagsbeschluß ebenfalls keine Verbindlichkeit, denn eine solche Pflicht der Verbotsbehörden wurde in keiner Nonn begründet. Demnach handelte es sich bei dem Reichstagsbeschluß vom 26. Juli 1924 lediglich um eine Erklärung ohne rechtliche Bindungswirkung. Daß man sich in der Weimarer Zeit der Unverbindlichkeit des Reichstagsbeschlusses bewußt war, wird daran deutlich, daß die Landesregierungen im Anschluß an ihn vom Reichsminister des Innern lediglich ,,gebeten" wurden, ihre

664 Auch die in Baden und Thüringen aufgrund der VO III erlassenen Verbote der NSDAP galten gemäß § 26 RepSchG I als aufgrund des Republikschutzgesetzes erlassen, vgJ. 4. Kapitel, B. VI. 4. c) aa). 66S Z. B. das Ergebnis für die Nationalsozialistische Freiheitspartei, in der sich die Anhänger der verbotenen NSDAP und der DVFP zusammengeschlossen hatten (Dazu und zu dem Ergebnis insgesamt: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S.495 f.). 666 Verh. RT, Bd. 381, S. 760. Für diesen Antrag stimmten die der Nationalsozialistischen Freiheitspartei, der DNYP, der SPD und der KPD angehörenden Abgeordneten (So: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 154).

12 Stein

178

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Verbote zu überdenken oder ihnen dieses "empfohlen" wurde.667 Die meisten Landesregierungen kamen diesem Ersuchen nach, indem sie die auf § 14 Abs. 2 RepSchG I gestützten Parteiverbote in der Folgezeit aufhoben.668 Das Bayerische Gesamtministerium setzte die auf der Grundlage der Landesverordnung erlassenen Parteiverbote am 14. Februar 1925 außer Kraft.669 5. Zusammenfassung

Beide Verordnungen vom 26. September 1923 waren Ausdruck der akuten Krise, die sich mit dem Abbruch des passiven Wid~rstands ankündigte. Um schnell und effektiv reagieren zu können, bündelten diese Verordnungen abweichend von der sonst geltenden Zuständigkeitsverteilung Eingriffsbefugnisse in den Personen des Generalstaatskommissars und des Reichswehnninisters bzw. später des Chefs der Heeresleitung, denen durch Generalklausein ein kaum umgrenzter Handlungsspielraum eröffnet wurde. Schutzgüter wie die Verfassung oder die Republik wurden in den Verordnungen nicht hervorgehoben; zur Bewältigung der Krise waren alle Maßnahmen zulässig, die der ,,Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" dienen konnten. Dementsprechend waren auch die tatsächlich aufgrund der Verordnungen vom 26. September 1923 ausgesprochenen Parteiverbote Teil der Strategie, mit der die am Hitler-Putsch offen zutage getretene innere Erschütterung des Reichs überwunden werden sollte, und sie wurden nicht durch ein langfristiges Konzept des Verfassungs- und Republikschutzes bestimmt. Obwohl wegen der in Bayern sich überschneidenden Diktaturverordnungen Kompetenzkonflikte unvenneidbar waren, gelang es im Angesicht der Krise sogar kurzfristig, grundlegende Differenzen beizulegen: Erstmals galten flächendeckend im Reich Verbote der rechtsextremen NSDAP und der DVFP sowie überhaupt zum ersten Mal- gleichzeitig letztmals in der Weimarer Zeit - ein Verbot der linksextremen KPD. Wie eng der Zusammenhang zwischen Parteiverboten und aktuellem Geschehen war, zeigt nicht nur ihre Vorgeschichte, sondern wird auch durch die zu ihrer Rechtfertigung von General von Seeckt angeführten Gründe belegt. Der Chef der Heeresleitung verwies in allen Verboten auf die von den betroffenen Parteien in letzter Zeit unterstützten gewaltsamen Aufstände und Unruhen. Daß diese Parteien langfristig von ihrer Zielsetzung her einen Umsturz der be667 So die Schreiben des Reichsministers des Innem an alle betroffenen Landesregierungen v. 31. Juli 1924, BA B, R 43 1/2653, BI. 11 und v. 28. November 1924, BA B, R 43 112653, BI. 10. 668 Vgl. 4. Kapitel, B. VII. 4. f). 669 Verordnung bekanntgemacht in der Bayer. Staatszeitung Nr. 37 v. 14. Februar 1925, abgedruckt bei: E. R. Huber, Dokumente, Bd. 3, Nr. 345, S. 368 ff.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

179

stehenden Verhältnisse anstrebten, wurde nicht erwähnt. Auch daran, daß kein Rechtsweg zur Überprüfung der Parteiverbote eingerichtet wurde, wird deutlich, daß sie Mittel einer möglichst effektiv gewollten Krisenbewältigung waren. Mit der ungewohnten Einigkeit im Vorgehen gegen extremistische Parteien war es nach dem Wegfall des akuten Anlasses schnell wieder vorbei: Sobald man die Krise überwunden zu haben glaubte, wurden die reichsrechtlichen Parteiverbote aufgehoben und die Landesregierungen zumindest unverbindlich zu einer Aufhebung der landesrechtlichen Parteiverbote aufgefordert. Begünstigt durch die ungeklärte Rechtslage um die Verfassungsmäßigkeit einer originären Landesdiktatur, erhielt nur das vom Hitler-Putsch unmittelbar betroffene Bayern die Parteiverbote noch für fast ein Jahr aufrecht.

IX. Parteiverbote aufgrund der Verordnung vom 28. Februar 1924 1. Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 28. Februar 1924 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm, Rechtsschutzmöglichkeiten und die Anwendung der Verordnung in der Staatspraxis

Die Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. Februar 1924670 hob nicht nur die Reichsverordnungen und die im Einzelfall verfügten Beschränkungen auf, sondern begründete auch neue Eingriffsbefugnisse für zivile Behörden. Den bayerischen Interessen entgegenkommend, nahm der Reichsminister des Innern aufgrund der ihm durch § 5 Satz 2 VO Verteilten Ermächtigung Bayern von der Geltung der §§ 2 bis 4 VO V aus. Als Rechtsgrundlage für ein im Reichsgebiet mit Ausnahme Bayerns geltendes Parteiverbot kam aus der VO V § 2 Abs. 1 Satz 1 in Betracht, worin der Reichsminister des Innern oder die von ihm bestimmten Stellen der Zivilverwaltung ermächtigt wurden, " .. .zur Abwehr von Bestrebungen auf gesetzwidrige Änderung der verfassungsmäßigen Staatsform ... ", die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Da § 2 Abs. 1 Satz 3 VO V das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit außer Kraft setzte, konnte ein Parteiverbot außerhalb des durch Art. 124 Abs. 1 WRV vorgegebenen Rahmens als notwendige Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VO Vergehen. Dabei beschränkte sich § 2 Abs. 1 Satz 1 VO V nicht auf eine Generalklausei wie die VO IV, sondern enthielt eine tatbestandliehe Einschränkung. Angriffsobjekt der Partei mußte, ähnlich wie nach dem Republikschutzgesetz, die verfassungsmäßige Staatsform sein, wobei allerdings der Zusatz "republikanisch" fehlte. 670

RGB!. I S. 152 f.

180

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Zum zuständigen Organ bestimmte die Verordnung grundsätzlich den Reichsminister des Innern, der von der in § 2 Abs. 1 Satz 1 VO V vorgesehenen Übertragungsmöglichkeit im Bereich der Beschränkungen der Vereinigungsfreiheit keinen Gebrauch machte.671 Dadurch, daß gemäß § 2 Abs. 5 VO V alle Zivilverwaltungsbehörden seinem Ersuchen Folge leisten mußten, war die Zuständigkeit des Reichsministers des Innern besonders gewahrt. Gemäß § 2 Abs. 6 VO V fand u. a. auf Verbote von Vereinigungen § 5 ader Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. Dezember 1923672 Anwendung. Die in diesen Bestimmungen vorgesehene Beschwerde an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik gegen das Verbot periodischer Druckschriften wurde dadurch auf Vereinigungsverbote erstreckt.673 Die VO V wurde durch Verordnung des Reichspräsidenten vom 25. Oktober

1924 aufgehoben.674 Während der Geltung der VO V wurde kein Parteiverbot

auf ihrer Grundlage erlassen.

2. Zusammenfassung

Die Möglichkeit zum Ausspruch von Verboten war nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VO V gegenüber Parteien gegeben, die der verfassungsmäßigen Staatsform feindlich gesonnen waren. Im Vergleich mit der Generalklausei der VO IV waren die Voraussetzungen also wieder enger gefaßt worden. Materiell ging § 2 Abs. 1 Satz 1 VO V dabei nicht über die Voraussetzungen hinaus, die ein Parteiverbot aufgrund des § 14 Abs. 2 i. V. m. §§ 14 Abs. 1,7 Abs. 1 Nr. 4 RepSchG I hatte. Anders als nach dem Republikschutzgesetz war - jedenfalls außerhalb Bayerns - die Zuständigkeit für ein Verbot aber in die Hände des Reichsinnenministers gelegt. Eine Neuerung gegenüber allen vorausgegangenen Verbotsregelungen in den Diktaturverordnungen und im Republikschutzgesetz bedeutete es, daß eine verbotene Partei ohne vorgeschaltetes Beschwerdeverfahren unmittelbar Rechtsschutz durch den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik hätte in Anspruch nehmen können.

671 Vgl. zu der Übertragung der Zuständigkeit in anderen Bereichen die Verordnungen v. 8. März, 5. April, 23. Juni 1924, RGBI. I S. 171,403,656. 672 RGBI. 1924 I S. 8. 673 A. Brecht, in: v. BrauchitschlDrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.II (1925), Abschn. III 4, § 2, Anm. 4. 674 RGBI. I S. 721.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

181

x. Parteiverbote aufgrund des Zweiten Gesetzes zum Schutze der Republik

1. Geschichtlicher Hintergrund Das Scheitern der Verlängerung des Ersten Republikschutzgesetzes im Juni 1929 rief bei den Regierungsparteien zwar zunächst lautstarken Protest und die Ankündigung neuer gesetzgeberischer Maßnahmen hervor.675 Da sich im Zuge der wirtschaftlichen Konsolidierung aber auch die innere Lage des Landes allmählich beruhigt zu haben schien, setzte sich selbst bei prinzipiellen Anhängern des Republikschutzgedankens die Überzeugung durch, daß ein neues Gesetz zum Schutz der Republik entbehrlich sei.676 Auch war schon länger beabsichtigt worden, die republikschützenden Strafvorschriften im Zuge der ohnehin auf der Tagesordnung stehenden Strafrechtsreform in das neue Strafgesetzbuch aufzunehmen, was zumindest die strafrechtlichen Vorschriften eines besonderen Gesetzes überflüssig gemacht haben könnte.677 Mit einer neuen Gesetzesvorlage hatte man es deshalb vorerst nicht mehr allzu eilig. Die mit der Weltwirtschaftskrise einhergehende Radikalisierung weiter Kreise der Bevölkerung, die sich im Herbst 1929 immer häufiger in Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten entlud,678 zeigte jedoch bald die Zerbrechlichkeit der scheinbaren innenpolitischen Ruhe und veranlaßte den Reichsjustiz- und den Reichsinnenminister dazu, dem Reichsrat - nach eingehenden Beratungen im Kabinett679 - am 26. Oktober 1929 den Entwurf eines neuen Gesetzes zum Schutze der Republik vorzulegen.68O In diesem Entwurf fehlten die notwendig verfassungsändernd zu beschließenden Vorschriften des alten Gesetzes; insbesondere wurden verfassungsändernde Gesichtspunkte im Bereich der verwaltungsrechtlichen Bestimmungen gestrichen.681

675 Vgl. 4. Kapitel, B. VII. 4. b) und Sitz. v. 27./28. Juni 1929, Verh. RT, Bd. 425, S. 3077 ff. 676 Vgl. etwa: H. Sinzheimer, Justiz IV (1928/29), S. 635 (636): "...wir trauem ...dem Falle des Gesetzes nicht nach." 677 M. Hachenburg, DJZ 1929, Sp. 965; G. Jasper, S. 280 ff. 678 Vgl. Denkschrift des Reichsinnenministers Severing vom Dezember 1929, veröffentlicht in VJHZG 8 (1960), S. 281 ff. 679 Sitzungen v. 10. und 18. Oktober 1929, abgedruckt in: Akten der Reichskanzlei, Das Kabinett Müller 11, Bd. 2, Nr. 316, S. 1024 ff.; Nr. 323, S. 105l. 680 Drucks. Reichsrat Nr. 123 zitiert bei: S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, Einl., S. VII.

681 Dazu die amtliche Begründung zum Entwurf in: Drucks. Nr. 1441, Anl. Verh. RT, Bd.428, S.3. Trotzdem war das Gesetz umstritten, vgl.: F. EverLing, JW 1930, S. 1154 ff.; E. Leffmann, S. 33 ff.

182

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Der vom Reichsrat beschlossene Entwurf ging dem Reichstag am 30. November 1929 unter der Überschrift" Gesetz zum Schutze der Republik und zur Befriedung des politischen Lebens" ZU.682 Nach der ersten Lesung am 4. Dezember 1929683 befaßte sich der Rechtsausschuß mit dem Entwurf und nahm einige Änderungen vor, die aber die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen nicht unmittelbar berührten.684 Die am 13. und 14. März 1930 stattfindende zweite Lesung685 und die dritte Lesung am 15. /18. März 1930686 waren geprägt von heftigen Auseinandersetzungen,687 an deren Ende die mit großer, aber nicht verfassungsändernder Mehrheit beschlossene Verabschiedung eines neuen Gesetzes zum Schutze der Republik stand,688 das am 25. März 1930 in Kraft trat.689 Über mögliche Parteiverbote, deren Erlaß auf der Grundlage des Zweiten Republikschutzgesetzes erwogen werden konnte, wurde in den Beratungen nicht nachgedacht. 2. Regelungsinhalt der aus dem Zweiten Republikschutzgesetz als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm

Von den Bestimmungen des Zweiten Republikschutzgesetzes kam als Rechtsgrundlage für Parteiverbote § 9 Abs. 1 in Betracht, wo vorgesehen war, daß für die nach § 2 Abs. 1 RVereinsG zulässige Auflösung eines Vereins, sofern sein Zweck den Strafbestimmungen des Zweiten Republikschutzgesetzes oder den §§ 81-86 des Strafgesetzbuchs zuwiderlief, die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen zuständig waren.

a) Voraussetzungen § 9 Abs. 1 RepSchG 11 war zwar Rechtsgrundlage für eine "Vereinsauflösung", verwies aber auf die materiellen Voraussetzungen des § 2 Abs.1 RVereinsG. Durch § 9 Abs. 1 RepSchG 11 wurde also keine selbständige Auflösungsmöglichkeit begründet, sondern es wurden lediglich die Zuständig-

682 Drucks. NT. 1441, An!. Verh. RT, Bd. 438. 683 Verh. RT, Bd. 426, S. 3426 ff. 684 Bericht über die Ausschußsitzungen und das Ergebnis in: Drucks. Nr. 1441, An!. Verh. RT, Bd. 438. 685 Verh. RT, Bd. 427, S. 4413 ff.; 4471 ff. 686 Verh. RT, Bd. 427, S. 4497 ff.; 4521 ff. 687 Verh. RT, Bd. 427, S. 4420 ff.; 4471 ff.; 4497 ff. 688 265 Ja-Stimmen zu 150 Nein-Stimmen (Sitz. v. 18. März 1930, Verh. RT, Bd. 427, S. 4423). 689 RGB!.I S. 91 ff.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

183

keit und durch die folgenden Absätze das Rechtsschutzverfahren besonders geregelt.690 Wie für die Auflösung eines Vereins aufgrund des § 2 Abs. 1 RVereinsG, war demnach Voraussetzung einer auf § 9 Abs. 1 RepSchG 11 gestützten Verfügung, daß der Zweck eines Vereins den Strafgesetzen zuwiderlief. Der Vereinsbegriff des Zweiten Republikschutzgesetzes wurde aus dem öffentlichen Vereinsrecht übernommen und deshalb insbesondere die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 auf politische Parteien, die eine hinreichend feste Organisation aufwiesen, bejaht.691 Auch die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 wurden parallel zu den Begriffen des § 2 Abs. 1 RVereinsG verstanden.692 Da, wie im Vereinsrecht betont wurde, das Ziel der Partei als solcher den Strafgesetzen zuwiderlaufen mußte, reichte die Begehung von Delikten durch einzelne Parteimitglieder für eine Auflösung nach § 9 Abs. 1 RepSchG 11 nicht aus.693 Wichtig war ferner, daß über die Feststellung des Parteizwecks auch im neuen Republikschutzrecht in erster Linie die tatsächliche Betätigung entscheiden und die Satzung nur indizielle Bedeutung haben sollte.694 Die Betätigung brauchte wie im öffentlichen Vereins recht noch keine strafbaren Formen angenommen zu haben, um den Strafgesetzen zuwiderzulaufen; es genügte vielmehr, wenn sie auf ein bestimmtes Ziel hinauslief, dessen Verwirklichung eine strafbare Handlung darstellen würde.695

690 Vgl. S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm. I; K. HäntzscheL!K. Schönner, RepSchG, § 9, Anm. I;E. Leffmann, § 9, Anm. 1. 691 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm.1I 1; K. HäntzscheL!K. Schönner, RepSchG, § 4, Anm. 4. 692 Vgl. S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm.lI; K. HäntzscheL!K. Schönner, RepSchG, § 9, Anm. 7. 693S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm. II 3, § 1, Anm. IV 1; K. HäntzscheL! K. Schönner, RepSchG, § 9, Anm. 2 i. V. m. § 1, Anm. 4. 694 Vgl. S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm. II 3 i. V. m. § 1, Anm. IV 1; K. Häntzschel/K. Schönner, RepSchG, § 9, Anm. 2. 695 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm.1I 4; K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, § 9, Anm. 6.

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Viertes Kapitel: Partei verbote in der Weimarer Republik

b) Zuständigkeit

aa) Die Begründung der Zuständigkeit nach dem Zweiten Republikschutzgesetz (1) Verstöße gegen die Strafbestimmungen des Zweiten Republikschutzgesetzes als Zuständigkeitsbegründung

Im Gegensatz zu § 14 Abs. 2 RepSchG I, der als materielle Voraussetzung den Verstoß gegen enumerativ bestimmte Tatbestände aufzählte, konnten zur Begründung einer Auflösung nach § 9 Abs. 1 RepSchG 11 grundsätzlich alle Strafbestimmungen des Zweiten Republikschutzgesetzes, also die §§ 1-5, 11, 14 RepSchG 11, herangezogen werden.696 Die Formulierungen der einzelnen Tatbestände waren dabei an das Erste Republikschutzgesetz angelehnt worden, was dazu führte, daß Auslegung und Anwendung des neuen Gesetzes stark an den Vorgängernormen orientiert wurden. (a) Die "Gewaltdelikte" (§§ 1-3 RepSchG 11) Die §§ 1-3 RepSchG 11 sahen im Verhältnis zu den Vorschriften des Ersten Republikschutzgesetzes deutlich gestraffte Bestimmungen gegen die "Mörderorganisationen" vor .697 Den Regelungsgehalt der §§ 1-4 RepSchG I faßte § 1 RepSchG 11 zusammen, indem nach dieser Vorschrift die Teilnahme an einer Verbindung oder Verabredung, die Verbrechen wider das Leben bezweckte oder als Mittel für andere Zwecke in Aussicht nahm sowie die Unterstützung einer solchen Verbindung strafbar war.698 Eine Änderung war dadurch eingetreten, daß jetzt Verbrechen wider das Leben ,699 ohne Rücksicht auf eine öffentliche Stellung des Opfers zum Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit genommen wurden. Wie in der Auslegung des Ersten Republikschutzgesetzes wurde die Anwendbarkeit des § 1 RepSchG 11 innerhalb der verwaltungsrechtlichen Norm § 9 Abs. 1 RepSchG 11 erst recht angenommen, wenn die Partei selbst eine Verbindung zu dem entsprechenden Zweck bildete/oo

S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm. 11 2 a. So: S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 1, Anm. 11 3. 698 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 1, Anm. I. 699 Dazu: S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 1, Anm. III 1; K. Häntzschel/K. Schönner, RepSchG, § 1, Anm. 2; E. Leffmann, § 1, Anm. 5. 700 Vgl. S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 1, Anm. 11 1 b; § 4, Anm. 11 3. 696

697

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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Ergänzend stellten § 2 RepSchG 11 die Nichtanzeige von Taten nach § 1 RepSchG 11 sowie § 3 RepSchG 11 Gewalttätigkeiten gegen den Reichspräsidenten und Mitglieder einer Regierung unter Strafe.701 (b) Die "Organisationsdelikte" (§ 4 RepSchG 11) In § 4 RepSchG 11 wurden beinahe wortgetreu die Regelungen des § 7 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 RepSchG I übernommen. Erste Voraussetzung beider Alternativen des § 4 RepSchG 11 war das Bestehen einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung (§§ 128, 129 StrGB), die eine Partei sein konnte, wenn die zu § 7 Abs. 1 Nr.4 RepSchG I entwikkelten Kriterien erfüllt waren. 702 Mehrere strafgerichtliehe Entscheidungen befaßten sich während der Geltung des Zweiten Republikschutzgesetzes damit, ob die KPD und die NSDAP als staatsfeindliche Verbindung eingeordnet werden konnten. Dabei nahm die Rechtsprechung regelmäßig an, daß eine Vermutung für die Staatsfeindlichkeit der KPD bzw. ihres "Funktionärskörpers" und ihrer Neben- und Hilfsorganisationen spreche/03 wogegen für die Staatsfeindlichkeit der NSDAP in jedem Einzelfall ein gründlicher Nachweis staatsfeindlicher Handlungen verlangt wurde. 704 Unter den Schlüsselbegriff "verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform", deren Untergrabung die Partei anstreben mußte, um gegen § 4 RepSchG II zu verstoßen, wurde die Republik subsumiert, " ...wie sie sich auf der Grundlage der Verfassung tatsächlich entwickelt hat und betätigt."70s Welche Einrichtungen der Verfassung dabei konkret geschützt waren, legte die Rechtsprechung auch jetzt nicht abschließend fest, sondern entschied dies am jeweiligen Einzelfall.706

701 Zur praktisch geringen Bedeutung dieser Vorschriften: Klimmer, LZ 1932, S. 273 ff. 702 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 4, Anm. 2, 3; K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, § 4, Anm. 2-4. 703 RGSt 65, 57 ff.; Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung bei: Klimmer, LZ 1932, S. 273 ff. 704 RG, Entsch. v. 10. Februar 1931, JW 1931, S. 1925 (Nr. 35). 70S RGSt 65,185 (188). Ferner: S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 5, Anm. III A. 706 Z. B. Zuständigkeitsverteilung zwischen Reich und Ländern, Verbot der Annahme von Ehrenzeichen: RG, Das Recht, S. 426 (Nr. 1728).

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Viertes Kapitel: Partei verbote in der Weimarer Republik

Nach § 4 Nr.2 RepSchG II war entsprechend § 7 Abs. 1 Nr.5 RepSchG I zusätzlich Voraussetzung, daß die Verbindung bzw. ihre Mitglieder unbefugt Waffen besaßen.707 (c) Die ,,Äußerungsdelikte" (§ 5 RepSchG II) In § 5 RepSchG II wurden unter Anknüpfung und Erweiterung von Bestimmungen des Ersten Republikschutzgesetzes verschiedene Äußerungen unter Strafe gestellt. § 5 Abs. 1 Nr.l RepSchG II entsprach im wesentlichen § 8 Nr.l RepSchG I, indem er für eine Strafbarkeit in der ersten Alternative eine Beschimpfung der verfassungsmäßig festgestellten republikanischen Staatsform und in der dritten Alternative die Herabwürdigung dieser Staatsform durch Beschimpfung oder Verleumdung des Reichspräsidenten oder eines Mitglieds der Reichs- oder Landesregierung voraussetzte. Zur Abgrenzung einer zulässigen Kritik von einer strafbaren Beschimpfung wurde wiederum auf Form, Inhalt, Sinnzusammenhang und Adressatenkreis abgestellt/os Insbesondere erkannte die strafgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit nationalsozialistischer Propaganda an, daß die hierin häufig auf das "System" gerichteten Angriffe gleichzeitig auch die Republik betreffen konnten.709

Neu eingefügt worden war in § 5 Abs. 1 Nr. 1 RepSchG II die zweite Alternative, nach der bestraft wurde, wer die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform " ...böswillig und mit Überlegung verächtlich machte ... " Zweck dieser Erweiterung war es, Äußerungen als strafbar zu erfassen, die unterhalb der Schwelle der Beschimpfung blieben.710 § 5 Abs. 1 Nr. 2 RepSchG II stellte die Beschimpfung oder böswillige Herabsetzung der Farben oder Flaggen des Reichs oder eines Landes unter Strafe. Im Gegensatz zu § 8 Nr.2 RepSchG I waren damit nicht mehr nur die Farben

707 Einzelheiten bei: S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 4, Anm. IV; K. Häntzschell K. Schönner, RepSchG, § 4, Anm. 11, 12, 13. 70s RGSt 65,185 (190); S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 5, Anm. III B 1. 709 RGSt 65, 185 ff.; weitere Beispiele aus der Rechtsprechung bei: Klimmer, LZ 1932, S.273 (281): z. B.: ,,neudeutsches System", ,,Novembersystem", "Hungersystem". 710 So die amtliche Begründung zur Regierungsvorlage, auszugsweise abgedruckt bei: S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 5, Anm.1II C. Weil die Rechtsprechung aber an die Böswilligkeit praktisch die gleichen Anforderungen stellte wie an die Beschimpfung (RGSt 65, 185 [189]; 66, 139 [140]; JW 1931, S. 2792 [Nr. 13]; 2800 [Nr. 19]; 2802 [Nr. 20D, erlangte diese neue Bestimmung keine selbständige Bedeutung.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

187

Schwarz-Rot-Gold (Art. 3 Satz 1 WRV), sondern auch die schwarz-weiß-rote Handelsflagge Schutzobjekt.7lI Durch § 5 Abs. 1 Nr.3 RepSchG 11 erfolgte insofern gegenüber der Vorgängernorm des § 7 Abs. 1 Nr. 2 RepSchG I eine Erweiterung, als nicht mehr nur die Beschimpfung getöteter, sondern aller verstorbenen Regierungsmitglieder sowie des verstorbenen Reichspräsidenten strafbar war. Es kam somit weder darauf an, ob das Regierungsmitglied eines gewaltsamen Todes gestorben war noch darauf, ob es zur Zeit seines Todes im Amt war. 712 Andererseits wurde der Tatbestand dadurch verengt, daß die Beschimpfung in Beziehung auf das Amt vorgenommen sein mußte. 713 Die beiden in § 5 Abs. 1 Nr. 4 RepSchG 11 vorgesehenen Tatbestände, nämlich die Aufforderung zur Begehung von Gewalttätigkeiten und ihre Verherrlichung oder ausdrückliche Billigung, lehnten sich an die Vorschriften des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs.2 und Nr. 3 RepSchG I an. Nach der ersten Alternative des § 5 Abs. 1 Nr.4 RepSchG 11 trat die Strafbarkeit aber nicht nur infolge einer Aufforderung zur Gewalt gegen den Reichspräsidenten und Regierungsrnitglieder ein, sondern Angriffsobjekt war jetzt eine beliebige Person "wegen ihrer politischen Betätigung" .714 Der geschützte Personenkreis war demnach größer als der in der Vorgängerregelung. Eine Erweiterung erfolgte auch durch § 5 Abs. 1 Nr.4 Alt. 2 RepSchG 11, wonach neben der Billigung oder Verherrlichung der Gewalttätigkeiten im Sinne der ersten Alternative auch die Zustimmung zu einem Hochverrat, der gegen die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform oder den Bestand des Reichs oder eines Landes begangen war, strafbar war. (d) Die "Pressedelikte" (§ 14 RepSchG 11) Die Zuständigkeit für eine Auflösung gemäß § 9 RepSchG 11 wurde ferner begründet, wenn die Begehung von ,,Pressedelikten" im Sinne des § 14 RepSchG 11 bezweckt war, also angestrebt wurde, Druckerzeugnisse wie etwa Parteizeitschriften, Flugblätter oder ähnliche Schriften, die nach § 13

7lI Vgl. die "Flaggenverordnungen" des Reichspräsidenten v. 11. April 1921 (RGBI. S. 483) und v. 5. Mai 1926 (RGBI. I S. 217). 712 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 5 Anm. VI; E. Leffmann, § 5, Anm. 14. 713 RGSt 64, 399 (400); S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 5, Anm. V 2. 714 A. Brecht, in: v. Brauchitsch/DrewslLassar (Hrsg.), Verwaltungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn. III 1, § 5, Anm. 5 a; E. Leffmann, § 5, Anm. 21.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

RepSchG 11 verboten waren, zu verlegen, zu drucken, herauszugeben oder zu verbreiten .715 (e) Die Fortsetzung einer Partei (§ 11 RepSchG II) Gemäß § 11 RepSchG II war die Beteiligung an einem aufgelösten Verein sowie die weitere tatsächliche Aufrechterhaltung des durch den Verein geschaffenen organisatorischen Zusammenschlusses strafbar. Weil der Verstoß gegen § 11 RepSchG II im Gegensatz zu einem Verstoß gegen § 19 RepSchG I in § 9 Abs. 1 RepSchG II als zuständigkeitsbegründender Tatbestand mitgenannt war, hatte die Bildung von Ersatzorganisationen einer aufgelösten Partei nicht mehr nur strafrechtliche Folgen, sondern eröffnete eine selbständige verwaltungsrechtliche Handhabe, um diese Organisationen ihrerseits aufzulösen.716 Die zweite Handlungsalternative des § 11 RepSchG II war dabei schon dann erfüllt, wenn die Mitglieder der aufgelösten Organisation eine neue Partei mit denselben Tendenzen gründeten oder einer anderen Partei beitraten, in der sie eine geschlossene Gruppe bildeten.717 Damit verlangte § 11 RepSchG II keine Identität wie § 19 Abs. 2 Satz 2 RepSchG I, sondern ein Vorgehen nach § 9 Abs. 1 RepSchG 11 war schon bei teilweiser Übereinstimmung zwischen aufgelöster und scheinbar neuer Partei gerechtfertigt. (2) Verstöße gegen die Hochverratsbestimmungen als Zuständigkeitsbegründung

Der Hochverratstatbestand des § 81 StrGB stellte gewaltsame Angriffe auf die Staatsverfassung und die territoriale Integrität des Reichs und der Länder unter Strafe. Als die Zuständigkeit für die Auflösung einer politischen Partei nach dem Zweiten Republikschutzgesetz begründende Norm kam insbesondere § 81 Abs. 1 Nr. 2 StrGB in Betracht, wonach das Unternehmen einer gewaltsamen Änderung der Reichs- oder Landesverfassung strafbar war. Wie oben erläutert, wurden zur Verfassung im Sinne des Hochverratstatbestandes alle fundamentalen Grundlagen des politischen Lebens gezählt.718 Da das Reichsgericht die republikanisch-demokratischen Einrichtungen der Verfassung allerdings noch nicht ausdrücklich in den Kreis der geschützten Verfassungsgüter einbezogen hatte, war nicht eindeutig, ob § 9 Abs. 1 RepSchG II i. V. m. § 81 Abs. 1 Nr.2 StrGB eine Möglichkeit darstellte, eine auf die Beseitigung 715 Dazu: S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 14, Anm.4; K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, § 14, Anm. 4-8. 716 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 11, Anm.1. 717 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 11, Anm. III 4 d. 718

Vgl. 4. Kapitel, B. IV. 2 a).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

189

gerade der demokratischen Strukturen der Reichsverfassung ausgehende Partei aufzulösen. Wesentlich war ferner, daß nur Handlungen, die auf eine gewaltsame Änderung der Verfassung abzielten, strafbar waren. Setzte sich eine Partei deshalb dafür ein, die Weimarer Verfassung auf dem Gesetzgebungswege zu ändern oder gar zu beseitigen, verfolgte sie keine hochverräterischen Ziele. Neben § 82 StrGB, der durch eine Legaldefinition des Unternehmens die Vollendung der Tat in den Versuchsbereich vorverlagerte, stellten die §§ 83 ff. StrGB verschiedene Vorbereitungshandlungen unter Strafe, so daß die Möglichkeit aufgrund des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 gegen Parteien vorzugehen, bereits im Vorfeld eines vollendeten Hochverrats einsetzte. bb) Sachliche und örtliche Zuständigkeiten Sachlich zuständig für Verfügungen aufgrund des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 waren die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen. In fast allen Ländern wurden Ausführungsbestimmungen erlassen, in denen auch sachliche Zuständigkeiten festgelegt wurden. Zuständig waren in: •

Anhalt: gemäß Ziff. 2 b der Ausführungsbestimmungen des Staatsministeriums vom 9. April 1930719 : das Staatsministerium;



Baden: gemäß § 1 der Ausführungsverordnung des Staatsministeriums vom 14. April 1930'20 : das Ministerium des Innem;



Bayern: gemäß Ziff. 1 der Bekanntmachung des Staatsministeriums vom 31. März 1930721 : die Polizeidirektionen in München, Nümberg und Fürth für ihr Gebiet, im übrigen die Regierung, Kammer des Innem;



Braunschweig: gemäß § 1 der Verordnung des Staatsministeriums vom 29. April 1930122 : der Minister des Innern;



Hamburg: gemäß Ziff. 1 I der Verordnung des Senats vom 25. April 1930123 : der Präses der Polizeibehörde;



Lippe-Detmold: gemäß Ziff. I der Verfügung des Lippischen Landespräsidiums vom 6. Mai 1930'24 : das Landespräsidium;

719 Amtsblatt für Anhalt S. 211, abgedruckt bei: K. Häntzschel/K. Schönner, RepSchG, Anh. S. 26 ff. 720 Bad. GVBI. S. 51, abgedruckt bei: K. Häntzschel/K. Schönner, RepSchG, Anh. S.21. 721 Bayer. GVBI. S. 108. 722 Braunschw. GVBI. S. 47, abgedruckt bei: K. Häntzschel/K. Schönner, RepSchG, Anh. S. 24. 123 Hamburg. GVBI. S. 159. 124 Abgedruckt bei: K. HäntzscheliK. Schönner, RepSchG, Anh. S. 30.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik



Lübeck: gemäß Abs. 2 der Ausführungsverordnung des Senats vom 23. April 1930725 : das Polizeiamt;



Mecklenburg-Strelitz: gemäß Ziff. I der Bekanntmachung des Ministeriums des Innern vom 13. Mai 1930726 : das Ministerium des Innern;



Oldenburg: gemäß § 1 der Bekanntmachung des Staatsministeriums vom 5. April 1930 727 : für den Landesteil Oldenburg das Staatsministerium, für den Landesteil Lübeck die Regierung in Eutin, für den Landesteil Birkenfeld die Regierung in Birkenfeld;



Preußen: gemäß Ziff. I, 11 der Verordnung des Staatsministeriums vom 29. März 1930728 : die Oberpräsidenten im Bereich ihrer Provinzen, der Regierungspräsident in Sigmaringen, der Berliner Polizeipräsident für die Stadt Berlin, im übrigen der Minister des Innem;



Sachsen: gemäß § 2 der Ausführungsverordnung des Ministeriums des Innern vom 10. April 1930729 : das Ministerium des Innern;



Schaumburg-Lippe: gemäß Ziff. 11 der Ausführungsverordnung der Landesregierung vom 26. Mai 193073(): die Landesregierung;



Thüringen: gemäß Ziff. 1 der Rundverfügung des Thüringischen Ministeriums des Innem vom 4. Juni 1930731 : das Ministerium des Innem;



Württemberg: gemäß Ziff. 1 der Bekanntmachung des Innenministers vom 15. April 1930732 : das Innenministerium; gemäß Ziff. 11 1 der Verfügung des Innenministeriums an das Polizeiamt Stuttgart und die Oberämter vom 12. Juni 1930733 waren zudem Anträge durch das Polizeipräsidium und die Oberämter möglich.

In den anderen Ländern blieb es bei der Zuständigkeit der obersten Landesbehörden. Das Zweite Republikschutzgesetz räumte erneut keinem Organ des Reichs die Zuständigkeit ein, unmittelbar ein Parteiverbot zu erlassen. Der fast wörtlich dem § 17 Abs. 2 RepSchG I entsprechende § 9 Abs. 2 Satz 1 RepSchG 11 begründete für den Reichsminister des Innern jedoch wiederum das Recht, auf den Erlaß einer Verfügung hinzuwirken, indem er eine oberste Landesbehörde

Abgedruckt bei: K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, Anh. S. 31. Abgedruckt bei: K. Häntzschel/K. Schönner, RepSchG, Anh. S. 31. 727 Old. GBI. S. 470. 728 PrGS S. 47. 729 Sächs. GVBI. S. 25, abgedruckt bei: K. Häntzschel/K. Schönner, RepSchG, Anh. S. 17 f. 73() Abgedruckt bei: K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, Anh. S. 32. 731 Abgedruckt bei: K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, Anh. S. 22 f. 732 Nr. P. A. 2212/41, abgedruckt bei: K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, Anh. S.18. 733 Nr. P. A. 2212/44, abgedruckt bei: K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, Anh. S. 19 f. 725

726

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

191

darum ersuchte. Wollte die Landesbehörde diesem Ersuchen nicht nachkommen, hatte sie nach § 9 Abs. 2 Satz 2 RepSchG 11 das Reichsverwaltungsgericht anzurufen, dessen Zuständigkeit gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 RepSchG 11 das Reichsgericht wahrnahm. Da es im Zweiten Republikschutzgesetz an einer Regelung der örtlichen Zuständigkeit fehlte, waren die Behörden örtlich zuständig, in deren Gebiet die Partei ihren Sitz hatte oder in deren Gebiet sie sich betätigte.134 c) Weitere formelle Erfordernisse Wahlweise erwähnte § 9 Abs. 3 Satz 1 RepSchG 11 zwei gleichwertige Formen der Bekanntgabe: Möglich war die Zustellung an den Betroffenen oder die Veröffentlichung. Die Zustellung mußte an den Vorstand oder ein anderes empfangsberechtigtes Organ erfolgen; veröffentlicht werden mußte die Verfügung in den amtlichen Blättern.13S Einzelheiten regelten die Ausführungsbestimmungen der Länder.

d) Rechtsfolgen Die Auflösung aufgrund des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 war in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt,736 Gemäß § 10 RepSchG 11 bestand daneben die Möglichkeit, das Vermögen der aufgelösten Partei zugunsten des verfügenden Landes zu beschlagnahmen und einzuziehen. Ferner war gemäß § 11 RepSchG 11 die Beteiligung an der aufgelösten Partei sowie die weitere Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenschlusses strafbar.131 3. Rechtsschutzmöglichkeiten

Die in § 9 Abs. 3 RepSchG 11 vorgesehene Regelung des Rechtsschutzverfahrens gegen eine Auflösungsverfügung stimmte nahezu wörtlich mit § 17 Abs. 3 RepSchG I überein.

734 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm. II 7; K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, § 9, Anm. 8 b. 135 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm. IV 1, 2; K. HäntzschellK. Schönner, RepSchG, § 9, Anm. 10. 136 S. CohnlK. SchäferlE. Wichards, § 9, Anm. I 5. 131 Vgl. 4. Kapitel, B. X. 2. b) aa) (1) (e).

192

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

War eine Partei von einer Auflösungsverfügung betroffen, konnte zunächst Beschwerde bei der verfügenden Behörde eingelegt werden. Wenn diese und die oberste Landesbehörde, an die die Beschwerde weiterzugeben war, der Beschwerde nicht abhelfen wollten, hatte die oberste Landesbehörde die Beschwerde nach § 9 Abs. 3 Satz 4 RepSchG 11 i. V. m. § 9 Abs. 4 Satz 1 RepSchG 11 dem zuständigen Vierten Senat des Reichsgerichts vorzulegen.738 Einzelheiten über die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens waren in der aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 4 Satz 2 RepSchG 11 vom Reichsminister des Innem im Einvernehmen mit dem Reichsjustizminister am 3. April 1930 erlassenen "Verordnung über das Verfahren in Verwaltungssachen auf Grund des Gesetzes zum Schutze der Republik" festgelegt. 739 4. Die Anwendung des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 in der Staatspraxis

Ursprünglich war nach § 15 Satz 2 RepSchG 11 die Geltungsdauer des Gesetzes - und damit auch der für ein Parteiverbot in Betracht kommenden Rechtsgrundlage - bis zum Inkrafttreten des geplanten ,,Allgemeinen deutschen Strafgesetzbuchs", längstens aber bis zum 31. Dezember 1932 befristet. Zum Erlaß eines neuen Strafgesetzbuchs kam es nicht, so daß die Geltung des Gesetzes eigentlich am 31. Dezember 1932 geendet hätte. Nur wenige Tage vor diesem planmäßigen Endtermin wurde das Zweite Republikschutzgesetz jedoch vorzeitig durch eine Verordnung des Reichspräsidenten vom 19. Dezember 1932 mit Wirkung zum 20. Dezember 1932 außer Kraft gesetzt.740 Auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 wurde keine politische Partei aufgelöst. 5. Zusammenfassung

Obwohl § 9 Abs. 1 RepSchG 11 materiellrechtlich auf die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RVereinsG verwies, wurden die Möglichkeiten, eine Partei aufzulösen, durch die Schaffung neuer Straftatbestände, die die Zuständigkeit begründeten aufgrund des Zweiten Republikschutzgesetzes Auflösungsverfügungen zu erlassen, dennoch erweitert. Die Strafvorschriften des Zweiten Republikschutzgesetzes waren ferner gegenüber dem Ersten Republikschutzgesetz nur geringfügig verändert worden; insbesondere war die im Zusammenhang mit Parteiverboten aufgrund des Er-

738

739 740

RG. NT. 1906, abgedruckt bei: K. Häntzschel/K. Schönner, RepSchG, S. 7. RGBI. I S. 130 ff. RGBI.I S. 548 ff. Zu den Hintergründen unten 4. Kapitel, B. XI. 3.

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

193

sten Republikschutzgesetzes eine wichtige Rolle spielende Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr.4 RepSchG I in § 4 Nr.l RepSchG 11 übernommen worden. Weil ferner für die Beantwortung der Frage, wann der Zweck einer Partei den Strafgesetzen zuwiderlief, ähnliche Kriterien galten wie für die Feststellung, wann sie strafgesetzwidrige Bestrebungen verfolgte, entsprach die Möglichkeit aufgrund des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 Parteiverbote zu erlassen, damit im wesentlichen der in § 14 Abs. 2 RepSchG I enthaltenen Regelung, ohne daß insofern eine verfassungsändernde Mehrheit für erforderlich gehalten wurde.74J Die sachliche Zuständigkeit für die Entscheidung über den Ausspruch eines Parteiverbots lag ebenfalls nach dem Vorbild des Ersten Republikschutzgesetzes in den Händen der Landesbehörden. Ein neuer Versuch, ein besonderes Gericht mit Kompetenzen im Bereich des Verfassungs- und Republikschutzes auszustatten, wurde allerdings nicht unternommen. Die rechtlichen Bedingungen, unter denen ein Parteiverbot aufgrund des § 9 Abs. 1 RepSchG 11 hätte wirksam werden können, waren folglich den Bedingungen ähnlich, unter denen ein Verbot nach § 14 Abs. 2 RepSchG I möglich war. Daß gleichwohl kein Parteiverbot auf der Grundlage des Zweiten Republikschutzgesetzes ausgesprochen wurde, lag nicht daran, daß sich die Bedrohung der Republik durch die Parteien des äußersten rechten und linken politischen Randes verringert hatte. So war vor allem die NSDAP, die aus den Machtkämpfen zwischen den rechten Gruppierungen endgültig als dominierende Kraft hervorgegangen war, in den Jahren 1929/30 besser auf einen Umsturz vorbereitet als je zuvor.142 Die Behörden verkannten die Gefahren, die von dieser Partei ausgingen, nicht etwa; von amtlicher Seite wurde im Gegenteil wiederholt festgestellt, daß die NSDAP danach strebe, " .. .in planmäßigen Etappen eine neue Revolution vorzubereiten, deren Ziel die Aufrichtung eines diktatorisch organisierten völkischen Staates ... " sei.743 Die Partei selbst und die von ihr geschaffenen Organisationen seien so aufgebaut, daß sie als geschlossene, militärisch disziplinierte Kampftruppen bei dem beabsichtigten Umsturz eingesetzt werden könnten. Allerdings habe die Partei aus ihren Erfahrungen mit dem Putsch des Jahres 1923 gelernt und versuche nunmehr in erster Linie, durch Beteiligung am parlamentarischen Staatsleben den Staat und seine Machtmittel von innen heraus zu unterhöhlen, um so den Generalangriff durch Schwächung der inneren Wi-

Anders nur F. Everling, JW 1930, S. 1154 ff. M. Weißbecker, in: Weißbecker (Hrsg.), Die bürgerlichen Parteien, Bd. I, S. 757 f.; 768 f. 741

742

743

Denkschrift des Reichsministers des Innem über die NSDAP von 1930, BA B,

R 43 1/2682, BI. 11 (72). 13 Stein

194

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

derstandskraft des Staates zu erleichtern.744 Obwohl die NSDAP deshalb nach Auffassung der Behörden eine staatsfeindliche Verbindung im Sinne des § 129 StrGB darstellte, " ...die die Bestrebung verfolgt, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform zu untergraben ... " und somit unter § 4 Nr.1 RepSchG 11 subsumiert werden könnte, erging aus Erwägungen politischer Opportunität keine Auflösungsverfügung. 745

XI. Partei verbote aufgrund der Verordnungen zum Schutze des inneren Friedens 1. Die Krisenlage in der ,,Auflösungsphase" der Republik

Die Verabschiedung des Zweiten Republikschutzgesetzes im März 1930 war eine der letzten Handlungen einer über die Mehrheit im Parlament verfügenden Regierung der Weimarer Zeit. Am 27. März 1930 trat das Reichskabinett der Großen Koalition aus SPD, DVP, DDP, BVP und Zentrum zurück und überantwortete damit die Republik für die letzten Jahre ihres Bestehens den mit dem Instrument des Art. 48 Abs. 2 WRV regierenden ,,Präsidialkabi-netten."746 Mit dem politischen Versagen der Regierung und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ging eine zunehmende Radikalisierung weiter Teile der Bevölkerung einher, die sich in immer gewalttätigeren Auseinandersetzungen entlud. Das Zweite Republikschutzgesetz wurde in dieser ,,Auflösungsphase" der Republik747 nicht mehr als ausreichende Grundlage gesehen, um der fortschreitenden Destabilisierung der inneren Sicherheit entgegenzuwirken. Vielmehr sollte der Erlaß einer Vielzahl von Diktaturverordnungen helfen, die schwindende Ordnung zu bewahren. 748 Diese Verordnungen traten - zunächst - an die Seite und nicht an die Stelle des Zweiten Republikschutzgesetzes.749 Zwei dieser Ausnahmeverordnungen enthielten dabei Normen, die auch als Rechtsgrundlagen für Parteiverbote in Betracht kamen. Da in der Staatspraxis auf keine dieser Normen ein Parteiverbot gestützt wurde, werden sie im folgenden nur als Verbotsmöglichkeiten dargestellt.

744 Denkschrift des Reichsministers des Innem über die NSDAP von 1930, BA B, R 43 1/2682, BI. 11 (72); Preuß. Denkschrift von 1932, BA B, R 431/2682, BI. 78 ff. 745 Preußische Denkschrift v. 1930, BA B, R 43112682, BI. 78. 746 Dazu: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 725 ff. 747 Zu den Stufen dieser Auflösung: K. D. Bracher, S. 257 ff. 748 Ein Überblick findet sich bei: C. Gusy, Wehrlose Republik? S. 191 ff. 749 Zu dem Spezialitätsverhältnis, das die Rechtsprechung für bestimmte Strafvorschriften der Verordnungen annahm: RGSt 66, 424 (425).

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

195

2. Die "Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen" vom 28. März 1931 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote

a) Geschichtlicher Hintergrund Ursache für den Erlaß der" Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen" durch den Reichspräsidenten am 28. März 1931'50 war die zunehmende innere Krisenlage der Republik; veranlaßt wurde der Erlaß der Verordnung durch den Mord an einem kommunistischen Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft, den Mitglieder der NSDAP am 16. März 1931 begangen hatten.751

b) Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 28. März 1931 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm Als Rechtsgrundlage für ein Parteiverbot konnte § 7 Satz 1 va VI herangezogen werden, wonach die Möglichkeit bestand, " ...Vereinigungen, deren Mitglieder wiederholt gegen die §§ 2 bis 5 dieser Verordnung, gegen § 107 des Strafgesetzbuchs oder gegen § 3 des Gesetzes gegen den Waffenmißbrauch ...verstoßen haben und in denen solche Handlungen gebilligt oder geduldet werden ... ", aufzulösen. Für eine Auflösung aufgrund des § 7 Satz 1 va VI bedurfte es keines Nachweises, daß Verstöße gegen die bezeichneten Normen der Zweck einer Partei waren, sondern es genügte, wenn die - allerdings wiederholte - Begehung von Straftaten durch einzelne Parteimitglieder erwiesen war.752 Eine Erweiterung der Verbotsmöglichkeiten gegenüber politischen Parteien erfolgte vor allem durch den Verweis in § 7 Satz 1 va VI auf die versammlungsrechtlichen Vorschriften der va VI. § 2 Nr.1 va VI stellte die Veranstaltung von Versammlungen bzw. die Teilnahme an ihnen unter Strafe, die ohne die für alle öffentlichen Versammlungen sowie alle Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel nach § 1 va VI erforderliche Anmeldung abgehalten wurden oder die gegen ein Verbot verstießen. Da § 1 Abs. 1 va VI eine Fülle von Verbotsgründen für politische Versammlungen enthieW53 und die

750 RGBI. I S. 79 ff. 751 Zum Vorgeschehen: W. Hoche, DJZ 1931, Sp. 525 f. 752 A. Brecht, in: v. BrauchitschIDrewslLassar (Hrsg.), VerwaItungsgesetze, Bd.lI, 1. Halbbd. (1932), Abschn. IV 3 a, § 7, Anm. 1 i. V. m. § 2, Anm. 7. 753 Dazu: A. Brecht, in: v. BrauchitschIDrewslLassar (Hrsg.), VerwaItungsgesetze, Bd. 11, 1. Halbbd. (1932), Abschn. IV 3 a, § 1, Anm. 5; K. Häntzschel, RuPrVBI. 1931, S. 281 ff.

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Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

Abhaltung von Parteiversammlungen immer politisch war/54 waren hierdurch weitgehende Verbotsmöglichkeiten eröffnet. Den übrigen als Verbotsgrund in Betracht kommenden Delikten war gemeinsam, daß sie Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen zum Bezugspunkt hatten, deren Veranlassung (§ 2 Nr. 2 va VI) oder Begehung (§ 107 StrGB) sie insbesondere im Zusammenhang mit dem unbefugten Tragen von Waffen pönalisierten (§ 5 va VI i. V. m. § 3 des Gesetzes gegen den Waffenmißbrauch vom 28. März 193p55). Zuständig für den Erlaß von Verfügungen aufgrund des § 7 va VI waren gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 va VI die obersten Landesbehörden und die von ihnen bestimmten Stellen.756 Der Reichsminister des Innern hatte nach dem Vorbild der Republikschutzgesetze gemäß § 13 Abs. 3 va VI das Recht, die oberste Landesbehörde um den Erlaß einer Verfügung zu ersuchen. Für die Auflösung einer Partei nach § 7 Satz 1 va VI galt das apportunitätsprinzip. Die weitere Beteiligung an der aufgelösten Partei bzw. die Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts war gemäß § 7 Satz 2 va VI strafbar. c) Rechtsschutzmäglichkeiten

Gegen eine Auflösungsverfügung war gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 va VI ohne ein zwischengeschaltetes behördliches Vorverfahren direkt eine Beschwerde an das Reichsgericht zulässig. 7S7 d) Die Geltungsdauer des § 7 Satz 1

va VI

Anfang Juni 1932 wurde Franz von Papen durch den Reichspräsidenten zum Reichskanzler ernannt. Der neue Reichskanzler versuchte die mittlerweile im Reichstag über die größte Anzahl von Abgeordnetenmandaten verfügende NSDAP durch Zugeständnisse zu einer Tolerierung des Reichskabinetts zu bewegen. 758 Neben der Aufhebung des seit dem 13. April 1932 geltenden SA-Verbots759 war eine der Vorleistungen, die die Regierung von Papen im Zuge des ,,Neuen Kurses" erbrachte, die Veranlassung einer teilweisen AufheBad. VGH, Entsch. v. 22. September 1931, JW 1932, S. 545 (546, Nr. 16). RGBI. I S. 77 ff. 756 Vgl. Z. B. die Preuß. Ausführungsverordnung v. 30. März 1931 (PrGS S. 45 ff.). 757 Einzelheiten bei: W. Hoche, DJZ 1931, Sp. 525 (528). 758 Zu den Hintergründen: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 984 ff. 759 RGBI. I S. 175.

754

755

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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bung und Neufassung der Verordnung vom 28. März 1931 durch Verordnung vom 14. Juni 1932.'60 § 10 der neuen Verordnung sah ein Recht zur Auflösung der politischen Verbände vor, "deren Mitglieder in geschlossener Ordnung öffentlich aufzutreten pflegen" und die der Pflicht zur Vorlage ihrer Satzung aus § 9 der neuen Verordnung nicht nachkamen. Mit diesen Verbänden waren Wehrverbände wie z. B. die SA gemeint. 761 Eine Rechtsgrundlage für ein Verbot politischer Parteien enthielt die neue Verordnung indes nicht.

3. Parteiverbote aufgrund der "Verordnung zur Erhaltung des inneren Friedens" vom 19. Dezember 1932

a) Geschichtlicher Hintergrund Mit dem Erlaß der" Verordnung zur Erhaltung des inneren Friedens" durch den Reichspräsidenten am 19. Dezember 1932,162 die die noch geltenden sicherheitspolitischen Verordnungen aufhob und durch neue Vorschriften ersetzte, kam die seit dem 3. Dezember 1932 amtierende Regierung unter Reichskanzler Kurt von Schleicher den Anträgen zuvor, die die KPD, die SPD und die NSDAP Ende November auf Außerkraftsetzung der meisten der durch die Regierung von Papen veranlaßten Verordnungen im Reichstag gestellt hatten.763 Die VO VII löste dabei nicht nur die Diktaturverordnungen ab, sondern setzte auch das eigentlich noch bis zum 31. Dezember 1932 geltende (§ 15 RepSchG 11) Zweite Republikschutzgesetz mit Wirkung zum 20. Dezember 1932 außer Kraft (§ 12 Abs. 2 VO VII).764 Die VO VII überdauerte das Ende der Republik sowie den Nationalsozialismus und wurde erst 1964 aufgehoben. 765

760 RGB\. I S. 297 ff., daraus: § 20 Abs. 2 Nr. 1. W. Hoche, DJZ 1932, Sp. 833 (836). 762 RGB\. I S. 548 ff. 763 Vg\.: Drucks. Nr. 15, 18, 19,29135,36,42,43,49/14, An\. Verh. RT, Bd. 455; zu den Hintergründen und der Verschleppung dieser Anträge im Reichstag: E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 1171 ff. Diese Außerkraftsetzung war verlangt worden, obwohl die anläßlich der erst kurze Zeit zurückliegenden Reichstagswahl begangenen blutigen Ausschreitungen gezeigt hatten, daß sich die Lage im Lande keineswegs beruhigt, sondern im Gegenteil verschärft hatte (E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. VII, S. 1136 ff.). 764 Die Motive hierfür waren umstritten: Vg\. einerseits RG, Entsch. v. 26. Oktober 1933, JW 1934, S. 904 (Nr. 15); andererseits W. Hoche, DJZ 1933, Sp. 137 (140). 765 § 30 Abs. 1 Nr. 3 des Bundesgesetzes v. 5. August 1964, BGB\. I S. 593. 761

198

Viertes Kapitel: Parteiverbote in der Weimarer Republik

b) Regelungsinhalt der aus der Verordnung vom 19. Dezember 1932 als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in Betracht kommenden Norm

Ein Parteiverbot konnte auf § 3 Abs. 1 VO VII gestützt werden, wonach für die Auflösung eines Vereins, dessen Zweck den §§ 81 bis 86, 127 bis 129 StrGB zuwiderlief, die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen zuständig waren. Wie das Zweite Republikschutzgesetz begründete § 3 Abs. 1 VO VII keine selbständige Auflösungsmöglichkeit, sondern verwies hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen auf § 2 Abs. 1 RVereinsG und führte für bestimmte Strafrechtsverstöße lediglich verfahrensrechtliche Besonderheiten ein.766 Die besondere Zuständigkeit der obersten Landesbehörden oder der von ihnen bestimmten Stellen war nach § 3 Abs. 1 VO VII begründet, wenn der Zweck der Partei entweder hochverräterisch im Sinne der §§ 81 - 86 StrGB war oder einen Landfriedensbruch gemäß §§ 127, 129 StrGB darstellte. Anders als im Zweiten Republikschutzgesetz wurden also keine Verstöße gegen in dem Regelungswerk neu geschaffene Normen zum Anknüpfungspunkt für ein denkbares Verbot gewählt, sondern ausschließlich Verstöße gegen Normen des allgemeinen Strafrechts. Deshalb erweiterte § 3 Abs. 1 VO VII die behördlichen Handlungsmöglichkeiten im Verhältnis zum Reichsvereinsgesetz auch nicht. Der Reichsminister des Innem hatte gemäß § 3 Abs. 4 VO VII das Recht, die Behörde um eine Auflösung zu ersuchen. Die Entscheidung über den Erlaß der Verfügung stand im Ermessen der Behörden. c) Rechtsschutunäglichkeiten

Gegen eine Auflösungsverfügung konnte gemäß § 3 Abs. 2 VO VII Beschwerde eingelegt werden.767 Im Unterschied zum Rechtsschutzverfahren, das das Zweite Republikschutzgesetz vorsah, fand gemäß § 3 Abs. 3 VO VII zwischen dem Einreichen der Beschwerde und ihrer Weitergabe von der obersten Landesbehörde an das Reichsgericht eine weitere Prüfung durch den Reichsminister des Innem statt.768

W. Hoche, DJZ 1933, Sp. 137 (142). Dazu die Verordnung der Reichsminister des Innem und der Justiz vom 20. Dezember 1932, RGBI. I S. 573. 768 W. Hoche, DJZ 1933, Sp. 137 (142). 766

767

B. Die einzelnen Verbotsgrundlagen und Parteiverbote

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4. Zusammenfassung In den als Rechtsgrundlagen für Parteiverbote aus der VO VI und VO VII in Betracht kommenden Normen tauchte der Schutz der republikanischen Staats: form nicht mehr auf. Zweck des § 7 Satz 1 VO VI war die Verhinderung von Gewalttätigkeiten, deren Begehung häufig im Zusammenhang mit Versammlungen vorgekommen war. Eine republikfeindliche Zielsetzung von Parteien konnte hiernach nur dann den Grund für ein Verbot bilden, wenn sie sich in Ausschreitungen manifestierte. Dadurch, daß § 3 Abs. 1 VO VII auf die Hochverratsvorschriften Bezug nahm, war zwar die Möglichkeit gegeben, Parteien zu verbieten, deren Ziel die Beseitigung der Verfassung war. Da die Hochverratsbestimmungen aber lediglich die gewaltsame Beseitigung der Verfassung unter Strafe stellten, unterlagen die Parteien hiernach ebenfalls nur in der Anwendung ihrer Mittel rechtlichen Einschränkungen, jedoch nicht hinsichtlich ihrer Ziele. Auch bezog die gängige Auslegungspraxis den Verfassungsschutz nach den Hochverratstatbeständen auf die Aufrechterhaltung der staatlichen Autorität und nicht auf die spezifisch demokratisch-republikanischen Einrichtungen. Beide möglichen Rechtsgrundlagen für ein Parteiverbot stellten also den Zweck in den Vordergrund, die gewaltsame Erschütterung der Republik, zu der auch politische Parteien beitragen konnten, zu verhindern. Gegen die Demontage der demokratischen Republik, die sich abseits eines gewaltsamen Protests vollzog, enthielten beide Verordnungen dagegen keine Vorkehrungen. An den Rechtsgrundlagen für Parteiverbote aus der VO VI und der VO VII ist demnach die Tendenz ablesbar, die diese beiden Verordnungen insgesamt charakterisierte: Die Verordnungen gehörten zwar zu den letzten verzweifelten Versuchen, die unternommen wurden, um den Auflösungserscheinungen der Weimarer Republik entgegenzuwirken; ihre Regelungen bedeuteten aber in Wahrheit ein Zurückweichen vor den Gegnern der Republik. Dieses Zurückweichen wurde endgültig offenkundig, als mit der vorzeitigen Aufhebung des Zweiten Republikschutzgesetzes die letzte gesetzliche Bestimmung beseitigt wurde, die explizit den demokratisch-republikanischen Grundgehalt der Verfassung schützte.

Fünftes Kapitel

Abschließende Betrachtung Auf der Verfassungsebene war in der Weimarer Republik keine Spezialregelung für Parteiverbote getroffen worden. Formelle Gesetze und Ausnahmeverordnungen begründeten aber auf der Ebene unterhalb der Verfassung eine Vielzahl rechtlicher Möglichkeiten, um politische Parteien zu verbieten. Wenn es deshalb in der ,,KPD-Verbotsentscheidung" des Bundesverfassungsgerichts heißt, in der Weimarer Zeit hätten Parteien " ...unangefochten bestehen und die Einrichtungen des Staates in jeder Form bekämpfen können ... ",1 entspricht dies nicht den geschichtlichen Tatsachen. Von der Feststellung, daß es Verbotsnormen gab, ist allerdings die Frage, ob die Weimarer Verbotskonzeption nicht von vornherein zu dem Scheitern verurteilt war, das spätestens mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler offenkundig wurde, deutlich zu trennen. Da in der Staatspraxis mehrere Parteiverbote ergangen und zum Teil durch bemerkenswerte gerichtliche Entscheidungen bestätigt worden sind, verfehlten die Verbotsnormen zumindest nicht völlig ihr Ziel. Gleichwohl litten die rechtlichen Vorgaben an erheblichen Defiziten, die sich als Einfallstore für die extremistischen Parteien erweisen sollten. Den extremistischen Parteien nicht gewachsen war zunächst einmal die Regelung der Vollzugskompetenzen. Die Geschichte der Parteiverbote in der Weimarer Republik war zugleich immer die Geschichte eines Streits um Kompetenzen zwischen dem Reich und den Ländern, zwischen der Exekutive und der Legislative. Das Reich, das anfangs versucht hatte, die Zuständigkeit für Verbote in die Hände eigener zentraler Institutionen zu legen, nahm später seine Einflußmöglichkeiten aus Angst vor den sich hier insbesondere mit Bayern ergebenden Differenzen mehr und mehr zurück. Aus Gründen politischer Taktik fanden sich die Reichsorgane mit der tatsächlichen Nichtanwendung der Verbotsnormen ebenso ab, wie mit formellen Nichtanwendungserlassen. Durch das Fehlen zentraler und vor allem handlungswilliger Instanzen wurde es möglich, daß der Vollzug der Verbotsnormen von Land zu Land je nach politischer Opportunität erhebliche Unterschiede aufwies. Hatte sich die Landesexekutive schließlich I

BVerfGE 5, 85 (136).

Fünftes Kapitel: Abschließende Betrachtung

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zum Ausspruch von Parteiverboten durchgerungen, verlangten neue politische Mehrheiten wie im Falle des Reichstagsbeschlusses von 1924 schon bald wieder die Aufhebung dieser Maßnahmen oder beseitigten nach kurzer Geltungsdauer die Verbotsgrundlagen. Die politischen Zerreißproben um die Anwendung der Verbotsnonnen sicherten die Existenz der verbotenen Parteien: Sie mußten den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lediglich in Länder verlegen, in denen nicht mit Verboten zu rechnen war. Inhaltlich fällt an den Nonnen, die im Tatbestand nähere Voraussetzungen für ein Verbot festlegten, auf, daß sie den Gegnern der Republik nicht in ihren Zielen, sondern nur in der Wahl ihrer Mittel rechtliche Grenzen setzten. Die Ziele einer Partei waren nach Nonnen, die bestimmte Erörterungen als Verbotsgrund vorsahen, (z. B. § 4 Abs. 1 va I, § 3 va 11) solange sanktionslos beliebig, wie sie nicht nach außen kundgetan wurden. Aber auch die Nonnen, die die Möglichkeit eines Verbots dem Wortlaut nach von der Verfolgung bestimmter Zwecke (z. B. § 2 Abs. 1 RVereinsG, § 9 Abs. 1 RepSchG 11) oder Bestrebungen (z. B. § 1 Abs. 2 va III, § 14 Abs. 2 RepSchG I) abhängig machten, eröffneten in Wahrheit dort, wo der Bezugspunkt dieser Ziele die Begehung von Gewalttaten war, nur gegenüber den Parteien Verbotsmöglichkeiten, die gewaltsame Methoden anwandten bzw. anwenden wollten. Wo die Verfassung in dem aus der Auslegung der Hochverratsvorschriften geläufigen Sinne als reiner ardnungsfaktor oder die Staatsautorität Schutzgüter waren (z. B. in § 2 Abs. 1 RVereinsG, § 1 Abs. 1 va I, § 3 Abs. 1 va VII), waren demokratische Werte ebenfalls nicht vor radikalen Parteien geschützt. Über einen fonnalen Schutz hinauszudeuten scheinen die Nonnen, nach denen das Ziel die republikanische Staatsform zu beseitigen (z. B. nach § 1 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Alt. 1 va III) oder die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform zu untergraben (z. B. nach § 14 Abs. 2 i. V. m. §§ 14 Abs. 1, 7 Abs. 1 Nr. 4 RepSchG I, § 9 Abs. 1 i. V. m. § 4 Nr.1 RepSchG 11) zur Begründung für ein Parteiverbot herangezogen werden konnten. Das Bemühen, die Grundlagen der Demokratie zu sichern, ist hinter der Erhebung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsfonn zum Schutzgut deutlich zu erkennen. Da diese Verbotsalternativen jedoch entweder mit dem ausdrücklichen Zusatz "gesetzwidrig" versehen waren oder durch eine Partei als staatsfeindliche bzw. geheime Verbindung erfüllt werden mußten, boten sie der Demokratie letztlich ebenfalls nur Schutz vor gewaltsamen Handlungsweisen. Indem die Verbotsnonnen die Parteien auf eine Respektierung fonneller Verfahrensweisen verpflichteten, konnte Gefahren begegnet werden, die aus Putschen und politischen Morden erwuchsen. Die Erfahrungen der Jahre 1922/23 lehrten die Gegner der Republik jedoch, schnell in eine Richtung umzudenken, die folgende Äußerung Hennann Görings widerspiegelte:

202

Fünftes Kapitel: Abschließende Betrachtung

"Wir kämpfen gegen diesen Staat und das gegenwärtige System, weil wir sie restlos vernichten wollen, aber auf legalem Wege. Ehe wir das Gesetz zum Schutz der Republik hatten, haben wir gesagt, wir haßten diesen Staat. Seitdem wir es haben, sagen wir, wir lieben ihn - und immer noch weiß jedermann, was wir meinen !"2 Verbotsgrundlagen, die materielle Inhalte abhängig von einem gewaltsamen bzw. gesetzwidrigen Vorgehen schützten, konnten mit Feinden der Republik, die ihre Zukunft in der Aushöhlung der Demokratie von innen her und nicht in einem gewaltsamen Umsturz von außen sahen, nicht Schritt halten. Fraglich ist allerdings, ob von der verfassungstheoretischen Ausgangslage der Weimarer Republik überhaupt andere als formal ausgerichtete Verbotsgrundlagen denkbar waren. Daß die Normen, die Parteiverbote zum Gegenstand hatten, nicht mit der Weimarer Verfassung vereinbar wären, wurde auch von den politischen Gegnern dieser Vorschriften nicht ernsthaft behauptet. Neben der Außerkraftsetzung von Grundrechten durch Anwendung des Art. 48 Abs. 2/4 WRV war - darin stimmten Staatspraxis und der überwiegende Teil der Staatsrechtslehre überein - jedes Gesetz entgegen der Verfassung mit verfassungsändernder bzw. -durchbrechender Mehrheit zulässig, und sei es, daß es die Verfassung ,,abschaffte". Wenn in der Verfassung somit nur ein inhaltsleeres "System von Spielregeln"3 gesehen wurde, war es folgerichtig, die Verteidigung der durch sie gestalteten Demokratie auf die Methode der Gewaltlosigkeit zu reduzieren.' In einer so begriffenen Demokratie waren Normen, die das Verbot politischer Parteien von den durch sie angewandten Methoden abhängig machten, nur konsequent. Die Bejahung der Legalität jeder verfassungsändernd beschlossenen Verbotsnorm verlangte also gleichzeitig eine Einschränkung auf Verbote der Parteien, die sich nicht an die verfassungsmäßigen Verfahrensweisen hielten. Selbst dort, wo Parteien eine gewaltsame Methode bei der Verfolgung ihrer Ziele nachgewiesen worden war, bestanden jedoch erhebliche Vorbehalte gegenüber Parteiverboten als legitimes Mittel der Selbstbehauptung der Demokratie. Bezeichnend für die Scheu, die man vor dem Ausspruch von Parteiverboten empfand, war, daß Parteiverbote nicht bei ihrem Namen genannt wurden. Die Verbotsnormen enthielten wie im Konstitutionalismus die Begriffe "Verein" und "Vereinigung"; das Verbot der DVFP wurde sogar ausdrücklich damit gerechtfertigt, daß es sich bei ihr nicht wirklich um eine politische Partei handele. Das Versteckspiel, das die Verfassung mit dem öffentlich-rechtlichen 2 Zitiert nach A. Bullock, S.159. Vgl. auch A. Hitler, S.379: ,,Die Bewegung (ist) ...antiparlamentarisch, und selbst ihre Beteiligung an einer parlamentarischen Institution kann nur den Sinn einer Betätigung zu deren Zertrümmerung besitzen, zur Beseitigung einer Einrichtung, in der wir eine der schwersten Verfallserscheinungen der Menschheit zu erblicken haben." 3 W. Henke, DÖV 1958, S. 648. 4 So allgemein für das Weimarer Demokratieverständnis: H. Kelsen, S. 98.

Fünftes Kapitel: Abschließende Betrachtung

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Status der Parteien betrieb, fand also in Verbotsnormen und Parteiverboten seine Fortsetzung. Dadurch beraubte man sich nicht nur der Möglichkeit eindeutige Rahmenbedingungen für Parteiverbote abzustecken, sondern verlieh den Parteiverboten in der Öffentlichkeit auch den Makel, eigentlich einer Demokratie nicht zu Gesicht stehende Maßnahmen zu sein. Mit der Ausklammerung der parlamentarischen Tätigkeit der verbotenen Parteien aus der Verbotswirkung eröffnete dabei ironischerweise ausgerechnet ein vom klassischen Repräsentativgedanken erfüllter überzeugter Liberalismus eine weitere Lücke, die der Totalitarismus für seinen Einbruch in die Demokratie benötigte. Die Parteiverbote in der Weimarer Republik führen demnach die ganze Schwäche dieser Republik vor Augen: Sie war zwar nicht ohne rechtliche Möglichkeiten, um den Sturm ihrer totalitären Gegner abzuwehren, aber sie war auch nicht stark genug, um gegen ihre Gegner zu bestehen - ja viele Republikaner wollten den durch effiziente Verbote unter Umständen möglichen Sieg gegen extremistische Parteien, die mahnende Erinnerung des Sozialistengesetzes im Gedächtnis, nicht einmal. Weniger Skrupel bewies derjenige, der von den Gegnern der Republik ihre Schwäche am geschicktesten für seine Interessen auszunutzen verstand: Adolf Hitler. Kaum an der Macht, installierte er Unterdrückungsmechanismen, mit deren Hilfe alle inneren politischen Gegner ausgeschaltet werden konnten. Die berüchtigte" Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 19335 begründete als Nachfolgeregelung des Republikschutzgesetzes ein beispielloses polizeiliches Überwachungs- und Terrorregime, durch das die Macht der Nationalsozialisten auf lange Zeit hin gesichert wurde. Nachdem die oppositionellen Parteien in der Folgezeit entweder verboten worden waren 6 oder sich selbst aufgelöst hatten,7 zog das nationalsozialistische Kabinett einen förmlichen Schlußstrich unter die legale politische Meinungsvielfalt: Es verabschiedete am 14. Juli 1933 das" Gesetz gegen die Neubildung der Parteien. "8 In § 1 dieses Gesetzes wurde lapidar festgestellt, daß in Deutschland ,,als einzige politische Partei" die NSDAP bestehe. § 2 dieses Gesetzes drohte denjenigen Zuchthaus oder Gefängnis an, die es unternahmen, den organisatorischen Zusammenhalt einer anderen politischen Partei aufrechtzuerhalten oder eine neue politische Partei zu gründen; unter bestimmten Umständen konnten derartige Aktivitäten sogar höher bestraft werden.

RGBI. I S. 83 ff. Z. B. am 5. März 1933 das Verbot der KPD (F. Wende, in: Wende [Hrsg.], S. 69). 7 Z. B. die DDP am 28. Juni 1933 (F. Wende, in: Wende [Hrsg.], S. 88). 8 RGBI. I S. 479. 5 6

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Fünftes Kapitel: Abschließende Betrachtung

Gerade der Kontrast zur nationalsozialistischen Diktatur zeigt, daß es der Umgang mit Parteiverboten in der Weimarer Republik nicht verdient, als idealistische Träumerei belächelt und ohne weiteres als erfolglos abgetan zu werden, ist hinter ihm doch ein Festhalten an individuellen Freiheiten erkennbar, ohne das keine Demokratie überleben kann. Dennoch legt das durch die Parteiverbote in der Weimarer Republik mitverursachte System nationalsozialistischer Unmenschlichkeit Zeugnis dafür ab, wie schnell kaum begrenzte Freiheit durch Mißbrauch zur Unfreiheit werden kann.

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11. Archivalien 1. Bundesarchiv Berlin - Lichterfelde (BA B) Bestand: Der Reichsminister des Innern R 1501 -

R 1501/13221

-

R 1501/13222

- R 1501/13248 - R 1501/13249 - R 1501/13250 - R 1501/13251 - R 1501/13593 Bestand: Akten der Reichskanzlei R 43 I - R 431/2653 - R 431/2669 - R 431/2678 - R 431/2682 Bestand: Hauptarchiv der NSDAP NS 26 -

NS 26Norl.90 a

2. Bundesarchiv Berlin, Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten (BA D-H) Bestand: Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik 30.09 - Entscheidungssammlung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik und des Reichsgerichts in Verwaltungssachen 30.09/Nr.l2/1 (Generalia) - Tagebuch in Verwaltungssachen 30.09/Nr.5 (Generalia) - Einzelne Verfahren:-30.09/Abt.I/Nr.12 -30.09/Abt.l/Nr.l4, Bd. 2 -30.09/Abt.I/Nr.106 -30.09/Abt.II/Nr.19 -30.09/Abt.II/Nr.56 -30.09/Abt.II/Nr.160 b, Bd. 1 -30.09/Abt.II/Nr.l60 b, Bd. 2 -30.09/Abt.V /Nr.2

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Anhang Die Rechtsgrundlagen für Parteiverbote in der Weimarer Republik I.

§ 2 Abs. 1 des Vereinsgesetzes vom 19. April 1908 (RGBl.1908,

S. 151 ff)

,,Ein Verein, dessen Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft, kann aufgelöst werden."

II.

§ 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Artikel 177, 178 des Friedensvertrages von Versailles. Vom 22. März 1921 (RGBl. S. 235)

"Geht aus der Satzung oder dem Verhalten einer Vereinigung hervor, daß ihr Zweck im Widerspruch zu den Bestimmungen der Artikel 177, 178 des Friedensvertrags steht, so ist sie aufzulösen."

III.

§ 4 Abs. 1 der Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung. Vom 29. August 1921 (RGBI. S. 1239 f)

"Versammlungen, Vereinigungen, Aufzüge und Kundgebungen können außer den Fällen des Artikels 123 der Reichsverfassung verboten werden, wenn die Besorgnis begründet ist, daß in den Versammlungen usw. Erörterungen stattfinden, die zur gewaltsamen Änderung oder Beseitigung der Verfassung oder verfassungsmäßiger Einrichtungen des Reichs oder eines seiner Länder, zu Gewalttaten gegen Vertreter der republikanisch-demokratischen Staatsform, zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen Behörden aufreizen, solche Handlungen billigen oder verherrlichen oder die verfassungsmäßigen Organe und Einrichtungen des Staates in einer den inneren Frieden des Staates gefährdenden Weise verächtlich machen."

IV.

§ 3 der Verordnung des Reichspräsidenten aufgrund des Artikels 48 der Reichsverfassung. Vom 28. September 1921 (RGBl. S. 1271 f)

"Versammlungen, Vereinigungen, Aufzüge und Kundgebungen können außer den Fällen des Artikels 123 der Reichsverfassung verboten werden, wenn die Besorgnis begründet ist, daß in den Versammlungen usw. Erörterungen stattfinden, die zur gewaltsamen Änderung oder Beseitigung der republikanisch-demokratischen Verfassung oder verfassungsmäßiger Einrichtungen des Reichs oder eines seiner Länder, zu Gewalttaten gegen Personen des öffentlichen Lebens, zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen Behörden aufreizen, solche Handlungen billigen oder

Anhang

219

verherrlichen oder die verfassungsmäßigen Organe und Einrichtungen des Staates in einer den inneren Frieden des Staates gefährdenden Weise verächtlich machen."

V.

§ 1 der Verordnung zum Schutze der Republik. Vom 26. Juni 1922 (RGBI. / S. 521 f)

"Versammlungen, Aufzüge und Kundgebungen können verboten werden, wenn die Besorgnis begründet ist, daß in ihnen Erörterungen stattfinden, die zur gesetzwidrigen Beseitigung der republikanischen Staatsform oder zu Gewalttaten gegen Mitglieder der jetzigen oder einer früheren republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes aufreizen, solche Handlungen billigen oder verherrlichen oder die republikanischen Einrichtungen des Staates in einer den inneren Frieden gefährdenden Weise verächtlich machen. Vereine und Vereinigungen, die Bestrebungen dieser Art verfolgen, können verboten und aufgelöst werden."

VI.

§ 14 Abs. 1 und 2 des (Ersten) Gesetzes zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922 (RGBl./ S. 585 ff)

"Versammlungen, Aufzüge und Kundgebungen können verboten werden, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis rechtfertigen, daß in ihnen Erörterungen stattfinden, die den Tatbestand einer der in den §§ 1 bis 8 bezeichneten strafbaren Handlungen bilden. Vereine und Vereinigungen, in denen Erörterungen der bezeichneten Art stattfinden oder die Bestrebungen dieser Art verfolgen oder die die Erhebung einer bestimmten Person auf den Thron betreiben, können verboten und aufgelöst werden."

VII. Abs.1, 3, 4 der Verordnung des Bayerischen Gesamtministeriums vom 26. September 1923 (Bayerische Staatszeitung Nr. 227 vom 27. September 1923, abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente, Bd.3, Nr.278, S.303f) ,,Auf Grund des Art. 48 Abs. 4 der Verfassung des Deutschen Reiches und des § 64 der Bayer. Verfassungsurkunde wird für Bayern bis auf weiteres der Regierungspräsident von Oberbayern Dr. von Kahr als Generalstaatskommissar bestellt. Mit der Verkündung dieser Verordnung geht die vollziehende Gewalt auf den Generalstaatskommissar über. Die Anordnungen und Verfügungen des Generalstaatskommissars gehen den Anordnungen und Verfügungen aller anderen Behörden - mit Ausnahme der Gerichte, Verwaltungsgerichte und Militärbehörden - vor."

220

Anhang

VIII. § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikel 48 Abs.2 der Reichsverfassung, betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für das Reichsgebiet nötigen Maßnahmen vom 26. September 1923 (RGBI. I S. 905 f.) "Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reichs werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechtes der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig."

IX.

§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung des Reichspräsidenten über die Aufhebung des militärischen Ausnahmezustandes und die Abwehr staatsfeindlicher Bestrebungen vom 28. Februar 1924 (RGBl. I S.152f)

"Zur Abwehr von Bestrebungen auf gesetzwidrige Änderung der verfassungsmäßigen Staatsform kann der Reichsminister des Innern oder die von ihm bestimmten Stellen der Zivilverwaltung die notwendigen Maßnahmen treffen."

x.

§ 9 Abs. 1 des (Zweiten) Gesetzes zum Schutze der Republik vom 25. März 1930 (RGBl I S. 91 ff)

"Sofern der Zweck eines Vereins den Strafbestimmungen dieses Gesetzes oder den §§ 81 bis 86 des Strafgesetzbuchs zuwiderläuft, sind für seine nach § 2 Abs. 1 des Reichsvereinsgesetzes zulässige Auflösung die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen zuständig."

XI.

§ 7 Satz 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen. Vom 28. März 1931 (RGBI. I S. 79 ff)

"Vereinigungen, deren Mitglieder wiederholt gegen die §§ 2 bis 5 dieser Verordnung, gegen § 107 a des Strafgesetzbuchs oder gegen § 3 des Gesetzes gegen den Waffenmißbrauch vom 28. März 1931 (Reichsgesetzbl. I S.77) verstoßen haben und in denen solche Handlungen gebilligt oder geduldet werden, können aufgelöst werden."

XII. § 3 Abs. 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zur Erhaltung des inneren Friedens. Vom 19. Dezember 1932 (RGBl. I S. 548 ff) "Sofern der Zweck eines Vereins den §§ 81 bis 86, 127 bis 129 des Strafgesetzbuchs zuwiderläuft, sind für seine nach § 2 Abs. 1 des Reichsvereinsgesetzes zulässige Auflösung die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen zuständig."

Personen- und Sachregister Absolutismus 30 Äußerungen als Verbotsgrund 90,96, 103,109,111,116,129 ff., 144, 148,156 f., 186 ff.

- Streit um die Anwendung des Ersten Republikschutzgesetzes 141 ff., 176 - Verhältnis zum Reich 93 ff.

Allgemeines Landrecht 31

- Verordnung v. 26. September 1923 169 ff.

Anfänge des Parteiwesens 28 ff., 33

Begründete Besorgnis 90

Antisemitismus 72 f., 110 f., 115, 148, 150,156 f., 169

Berliner Protokoll

Anwendbarkeit von Verbotsregelungen auf Parteien in der Weimarer Republik 76,83,88,96, 102, 122 ff., 162 ff., 183

- Erstes Berliner Protokoll 95 - Zweites Berliner Protokoll 142 f. Beschimpfung 130, vgl. auch Äußerungen als Verbotsgrund

Aufklärung 30

Bestrebungen 101,124 ff., 155, 157

Auflösung, Abgrenzung von einem Verbot 78 f.

Braun,Ouo 94 Brunner, A1fred 73

Ausnahmegesetz 40,42,119,163

,,Bundesvereinsgesetz" 36

Ausnahmezustand 53,59,92 Außerkraftsetzungsveriangen

Deutschsoziale Partei

- Durchführung 63,66 f.

- Gründung und Programm 73

- vom 16. Dezember 1921 98

- Verbote aufgrund der Verordnung zum Schutze der Republik 108 ff.

-vom 26. Juli 1924 177f. - vom November 1932 197 Bayern - Kritik an der Verordnung des Reichspräsidenten v. 29. August 1921 93 - Reaktion auf die Verordnung zum Schutze der Republik 107 f., 119 ff.

- Verbot aufgrund des Ersten Republikschutzgesetzes 151,164 Deutschsozialistische Partei - Gründung und Programm 73 f. - Verbot aufgrund des Ersten Republikschutzgesetzes 145 f., 164 Deutschvölkische Freiheitspartei - Gründung und Programm 74

222

Personen- und Sachregister

- Verbote aufgrund des Ersten Republikschutzgesetzes 122 ff., 151 ff., 165 f. - Verbot aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten v. 26. Septem-ber 1923 175 ff. Diktatur 53 ff. Diktaturbefugnisse - Kontrolle 62 ff. - der Landesregierungen 52 ff. - aufgrund der Landesverfassungen 53,57f.,61,171f.,I77f.

Gareis, Karl 100 Gemeinwohlorientierung 30 f. Geistige Strömungen 30 Gesetz gegen die Neubildung der Parteien v. 14. Juli 1933 203 Gesetz zur Durchführung der Artikel 177, 178 des Friedensvertrages von Versailles 83 ff. Gesetze zum Schutze der Republik - Erstes Gesetz zum Schutze der Republik 112, 117 ff.

- mögliche Rechtsfolgen 58 ff.

- Zweites Gesetz zum Schutze der Republik 181 ff.

- des Reichspräsidenten 54 ff.

GeßIer, Otto 173

- Suspension von Grundrechten 59 f.

Gewalttaten als Verbotsgrund 89,96, 102,110, 111, 126 ff., 146, 184 f.

- Voraussetzungen 54 ff. - aufgrund der Weimarer Reichsverfassung 53 ff.

Göring, Hermann 201 f. Großdeutsche Arbeiterpartei 154

Diktaturverordnungen 58 f.

Große Koalition 193 f.

Einwohnerwehren 94, 170 ff.

Grundrechtliche Absicherung der Parteien in der Weimarer Republik 48 ff.

Erörterungen 89,96, 124 ff., 157 Ersatzorganisationen 137 f., 188

Henning, Wilhelm 74

- Verbote 154

Herrenchiemseer Verfassungskonvent 22

Ersuchen des Reichsinnenministers 104,135,180,191,196,198 Erzberger, Matthias 86, 118 ,,Extrakonstitutionelle Erscheinungen" 46

Hitler, Adolf 72,137,149,152,170, 174,200 f. Hitler-Putsch 1923 173 ff. Hochverrat 76, 128, 152, 188 f. Hoheitszeichen 132,187

Französische Revolution 31 Freies Mandat 41,47,123 f., 137, 167,204 Freikorps 94

Kabinettsordre v. 6. Januar 1816 31 Kahr, Gustav von 94 f., 170 ff. Kaiserparagraph 145

Personen- und Sachregister Kapp-Lüttwitz-Putsch 86, 106 Knilling, Eugen von 171 Kommunistische Partei Deutschlands - Anwendung von Verbotsgrundlagen auf die KPD in der Weimarer Republik 167, 175 ff., 179 - Aufstände des Jahres 1923 170 - Gründung und Programm 74 f. - Verbot aufgrund der Bayerischen Verordnung v. 26. September 1923 175 ff. - Verbot aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten v. 26. Septem-ber 1923 175 ff. - Verbot unter der Geltung des Grundgesetzes 21,200

- Verbote aufgrund des Reichsvereinsgesetzes 80 ff. - Verbot aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten v. 26. Septem-ber 1923 175 ff. - Verbote aufgrund der Verordnung zum Schutze der Republik 110 f. Nationalsozialistische Freiheitsbewegung 72,154 Nationalsozialistische Freiheitspartei 154 Nationalsozialistische Partei GroßDeutschlands 154 Nationalsozialistischer Studentenbund 83 Öffentliche Sicherheit und Ordnung 54 ff.

Landständische Verfassungen 32

Organisation

Lerchenfeld, Graf von 95, 107

- als Begriffsmerkmal für Parteien 28 f.

Lesegesellschaft des Völkischen Beobachters 154

Maßregeln-Gesetz 32 f. Mehrheitswahlrecht, Bedeutung für Parteien 39

223

- Beginn organisierter Parteien 33 ff. Organisierte Gewalt 100, 126 ff., 146, 149 ff., 168, 185 f. Ortsgruppen vgl. Zweigvereine

Monarchismus als Verbotsgrund 132 f.

Papen, Franz von 196 f.

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

- Begriff 27 ff., 164

Paramilitärische Verbände 85, 153 Parteien

- Gründung und Programm 72, 156 - Verbot aufgrund der Bayerischen Verordnung v. 26. September 1923 174 ff. - Verbote aufgrund des Ersten Republikschutzgesetzes 146 ff., 165

- Entwicklungsgeschichte 28 ff. - als "extrakonstitutionelle Erscheinungen" 46 - Stellung der Parteien in der Weimarer Staatsordnung 46 ff., 202 f. Parteienfreiheit 25,44,50

224

Personen- und Sachregister

Parteiengefüge 25 f., 30, 33, 72 ff.

Roter Frontkämpferverband 85

Parteiverbotsmöglichkeit nach dem Grundgesetz 21 f., 51

Ruhrbeseizung 169 ff.

Passiver Widerstand 169 ff.

SA 85,149,157,196

Politik 28

Scheidemann, Philipp 100 f.

Politische Vereine 29,36,38

Schleicher, Kurt von 196 f.

Positivismus 67

Seeckt, Hans von 174 ff.

"Präsidialkabinette" 193 f.

Severing, earl 162, 164, 167

Pressedelikte als Verbotsgrund 188

Sozialdemokratie 40 ff.

Preußische Verfassung v. 31. Januar 1850 34

Sozialistengesetz 40 ff.

Prüfungsrecht, richterliches 64 f.

Radbruch, Gustav 46 Räterepublik 102,120,129 Rathenau, Walther 100, 118 Reichsgründung 37 ff. Reichsvereinsgesetz - Fortgeltung in der Weimarer Republik 75 - als Rechtsgrundlage für Parteiverbote im Kaiserreich 40,43 - als Rechtsgrundlage für Parteiverbote in der Weimarer Republik 75 ff. Reichsverfassung v. 28. März 1849 33 ff. Repräsentativsystem 41,50 Restaurationszeit 31 Revolution - von 1848/49 33 f.

Staatsautorität, Mißachtung der Staatsautorität als Verbotsgrund 37, 89 f., 96, 186 f. Staatsform - republikanische Staatsform 102, 110,115 f., 120 f., 199,201 - verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform 120 f., 128 f., 131, 149 ff., 158, 166, 169, 180,185 f., 198,201 Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Parteifähigkeit 63 ff. Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik - Aufhebung 144 - Beseitigung einzelner Zuständigkeiten 143 - Bildung des "endgültigen" Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik 112, 138 - Bildung eines "vorläufigen" Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik 105

- von 1918 69,75,88

- Entscheidungen über Verbote der DSP 113 f., 162

Roßbach, Oberleutnant a. D. 153, 160 f.

- Entscheidung über das Verbot der DSozP 155

Personen- und Sachregister - Entscheidungen über Verbote der DVFP 122 ff., 159 ff.

- Reichsvereinsgesetz v. 19. April 1908 vgl. Reichsvereinsgesetz

- Entscheidungen über Verbote der NSDAP 115,156 ff.

- Vereinsgesetze im 19. Jahrhundert 34,40

- Verfahrensvorschriften 106 ff., 138 ff.

Verfassung

Strafgesetze - Vorbehalt der Strafgesetze im Reichsvereinsgesetz 76 ff. - Vorbehalt der Strafgesetze in der Weimarer Reichsverfassung 51 f. Strafrechtsreform 180, 191 f. Streitbare Demokratie 21 ff. "Stresemann-Kurs" 171

225

- Angriffe auf die Verfassung als Verbotsgrund in der Weimarer Republik 82,87,92,95,110,129,149 f., 152,201 f. - Begriff in der Weimarer Republik 88, 188 f. - Preußische Verfassung v. 31. Januar 1850 34 - Verfassung v. 28. März 1849 33 f.

Süddeutscher Senat 143

- Verfassung des Deutschen Reichs v. 16. April 1871 37 ff.

Untergraben 129

Verfassungsänderungen in der Weimarer Republik 67 f.

Verbindungen, geheime und staatsfeindliche 127 f., 149, 157 ff., 185 Verbot, Wirkung 78 Verbotsgrundlagen in der Weimarer Republik 69 ff., 75 ff. Vereinigungsfreiheit - als Individualrecht 30,34,49 f. - im 18. Jahrhundert 30 f. - im Reichsvereinsgesetz 40 - in der Frankfurter Reichsverfassung 33 f. - nach der Revolution von 1848/49 34 ff. - vgl. auch Vereinsgesetz Vereins-Edikt (Preußisches) 31

Verfassungsdurchbrechungen in der Weimarer Republik 68,119,145 Verfassungsfeindschaft 56 Verfassunggebende Nationalversammlung und politische Parteien 45 Verfassungsreform, nach der Wiedervereinigung 22 ff. Verfassungsschutz 25,42,55 Verleumdung 131,186 Verordnung des Reichspräsidenten v. 29. August 1921 86 ff. Verordnung des Reichspräsidenten v. 28. September 1921 93 ff. Verordnung des Reichspräsidenten v. 26. Juni 1922 99 ff.

Vereinsgesetz

Verordnung des Reichspräsidenten v. 26. September 1923 169 ff.

- Preußisches Vereinsgesetz v. 11. März 1850 34 f.

Verordnung des Reichspräsidenten v. 28. Februar 1924 176, 179 ff.

226

Personen- und Sachregister

Verordnung des Reichspräsidenten v. 28. März 1931 194 ff.

- des Norddeutschen Bundes v. 31. März 1869 38 f., 43

Verordnung des Reichspräsidenten v. 19. Dezember 1932 192, 196 ff.

- Wahlvorschriften der Weimarer Republik 47

Verordnung ,,zum Schutz von Volk und Staat" v. 28. Februar 1933 203

Wahlvereine 35 f., 38 f.

Vorläufer von Parteiverbotsregelungen 30 ff.

Weltwirtschaftskrise 182

Vormärz 29 f., 33

Weimarer Koalition 94 Wertneutralität 25,116,202 f. Wiener Kongreß 31 Wirth, Joseph 100

Waffenlager 129 Wahlgesetz

Zweigvereine 81, 136 f.