Der Propyläen-Verlag in der Weimarer Republik 9783110683561, 9783110683530

This book provides the first systematic, scholarly study of the history of the Propyläen publishing house. The analysis

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German Pages 439 [440] Year 2020

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Table of contents :
Inhalt
1. Einleitung
2. Externe und interne Rahmenbedingungen
3. Gründung des Propyläen-Verlags
4. Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925
5. Ullsteins „exklusive Zone“ – Mehrfachverwertung bei Propyläen zwischen 1926 und 1933
6. Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag
7. Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“
8. Positionsveränderung und Machterweiterung Ullsteins durch Entwicklung der Marke Propyläen
9. Quellen- und Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Dank
Personen- und Firmenregister
Titelregister
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Der Propyläen-Verlag in der Weimarer Republik
 9783110683561, 9783110683530

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Daniela Gastell Der Propyläen-Verlag in der Weimarer Republik

Schriftmedien / Written Media

 Kommunikations- und buchwissenschaftliche Perspektiven / Perspectives in Communication and Book Studies Herausgegeben von Heinz Bonfadelli, Ursula Rautenberg und Ute Schneider

Band 8

Daniela Gastell

Der Propyläen-Verlag in der Weimarer Republik 

Die Reihe In der Reihe werden Monographien und Sammelbände in deutscher und englischer Sprache publiziert, die sich aus buch-, kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive mit Schriftmedien und dem Lesen beschäftigen. Das Reihenprofil umfasst das spezifische Problemlösungspotential eines interdisziplinären Zugangs zur schriftbasierten Kommunikation in Geschichte und Gegenwart. Themenfelder sind die Herstellung und Verbreitung von Medien schriftbasierter Kommunikation in den Organisationen Verlag, Buchhandel und Bibliotheken, die soziale Funktionalität der Schriftmedienkommunikation und die gesellschaftliche und individuelle Bedeutung des Lesens sowie nicht zuletzt die Herstellung, Typographie und Gestaltung von Lesemedien. Editorial Board Prof. Dr. Frédéric Barbier (Paris); Jun.-Prof. Dr. Daniel Bellingradt (Erlangen); Prof. Dr. Natalie Binczek (Bochum); Prof. Dr. Heiko Droste (Stockholm); Prof. Dr. Thomas Gergen (Luxemburg); Dr. Jonathan Green (USA); Prof. Dr. Svenja Hagenhoff (Erlangen); Dr. Axel Kuhn (Erlangen); Jun.-Prof. Dr. Patrick Merziger (Leipzig); Prof. Dr. István Monok (Szeged/Budapest); Prof. Dr. Martin Mulsow (Erfurt); Prof. Dr. Rudolf Stöber (Bamberg); Prof. Dr. Konrad Umlauf (Berlin). Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 05 – Philosophie und Philologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2019 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen.

ISBN 978-3-11-068353-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-38356-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-68359-2 Library of Congress Control Number: 2018964977 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Anzeige des Propyläen-Verlags. In: Querschnitt 4 (1924), Heft 5. Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Einleitung  1 Theorien, Methoden und Forschungsstand der wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung  2 Der Propyläen-Verlag: Forschungsperspektiven und methodischer Zugang  19 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte  23 Verlagsgeschichtsschreibung ohne Verlagsarchiv – zur Quellenlage des Propyläen-Verlags  37

2 2.1 2.2

Externe und interne Rahmenbedingungen  44 Buchmarkt der Weimarer Republik  44 Ullstein-Konzern  49

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7

Gründung des Propyläen-Verlags  56 Übernahme der Klassikerausgaben aus dem Georg Müller Verlag  56 Mitarbeiter des Verlags  59 Emil Herz  60 Paul Wiegler  61 Max Krell  69 Die Redakteure  70 Hugo Steiner-Prag  70 Julius Elias  74 Die Mitarbeiter als maßgebliches Kapital des Propyläen-Verlags  87

4 4.1 4.1.1

Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925  90 Programmbereich Literatur  90 Neue Buchkunstbewegung, Georg Müller, Bibliophilie und Klassikerausgaben  90 Klassikergesamtausgaben des Propyläen-Verlags  102 Buchreihen  132 Einzelausgaben  147 Programmbereich Kunst  149 Kunstmarkt, Kunstbuch und Konkurrenzsituation  149 Steiner-Prag, Liebermann, Slevogt und Corinth – Originalgraphik im Propyläen-Verlag  165 Monographien und Reihen  183 Propyläen-Kunstgeschichte  187

4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4

VI  Inhalt 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3 5.3.1 5.3.2

6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.4 7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.3 7.3.1

Ullsteins „exklusive Zone“ – Mehrfachverwertung bei Propyläen zwischen 1926 und 1933  206 Das Produktionsvolumen im Kontext des Buchmarktes Mitte der zwanziger Jahre  206 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur PropyläenBuchausgabe  207 Romane, Kriegsliteratur, ausländische Autoren – Propyläen-Bücher ab 1926  207 Feuilletonroman und Romanvorabdruck – Entwicklungen in der Weimarer Republik und Bedeutung für die Autoren  214 Der Romanvorabdruck bei Ullstein  219 Vorabdruck der Propyläen-Romane in der Vossischen Zeitung  224 Vom Theaterstück zur Buchausgabe – Programmabstimmung mit dem Arcadia-Theaterverlag  233 Theaterlandschaft und Bühnenvertrieb in den 1920er Jahren  233 Allgemeine Vertragsgestaltung, Verwertung der Filmrechte und Autorenhonorare am Beispiel der Bühnenautoren  248 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag  266 Geschichtswissenschaft und Weltgeschichtsschreibung zu Beginn des 20. Jahrhunderts  266 Vorgänger der Propyläen-Weltgeschichte  269 Hans Helmolts Weltgeschichte im Bibliographischen Institut  269 Die Ullstein-Weltgeschichte von Julius Pflugk-Harttung  271 Neubearbeitung der Helmolt’schen Weltgeschichte durch Armin Tille  273 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz  274 Herausgeber und Konzeption  274 Gewinnung der Autoren  285 Zusammenarbeit zwischen Verlag, Herausgeber und Autoren  290 Illustrationen  302 Letzter Band  315 Populäre Geschichtsschreibung im Propyläen-Verlag  319 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“  321 Kunstzeitschriften der Weimarer Republik – ein Überblick  321 Zeitschriftengründungen vor dem Ersten Weltkrieg  321 Zeitschriftengründungen nach dem Ersten Weltkrieg  325 Entstehung und Übernahme des Querschnitts durch Ullstein  331 Kunst und Sport im Querschnitt unter besonderer Berücksichtigung der Fotopräsentation  338 Kunst  338

Inhalt  VII

7.3.2 7.3.3 7.4 7.5

Sport  346 Fotopräsentation  356 Profil und Entwicklung des Querschnitts  359 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt  367

8

Positionsveränderung und Machterweiterung Ullsteins durch Entwicklung der Marke Propyläen  377

9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.2

Quellen- und Literaturverzeichnis  384 Quellen  384 Ungedruckte Quellen  384 Gedruckte Quellen  385 Forschungsliteratur  390

Anhang  408 Abbildungsverzeichnis  414 Abkürzungsverzeichnis  416 Dank  417 Personen- und Firmenregister  419 Titelregister  427

1 Einleitung Mit einem Wort – die Gelegenheit, sich die Georg Müller-Produktionen anzugliedern, kam dem Haus Ullstein zwar sehr gelegen, es war aber keinesfalls eine Zufallslaune reich gewordener Leute, daß sie ergriffen wurde. Sie erleichterte das Fortschreiten auf einem Wege, der bereits vorgezeichnet war.1

Die Rede ist hier von der Gründung des Propyläen-Verlags2 im Jahr 1919 durch den in Berlin ansässigen Ullstein-Konzern, dessen Erfolg sich bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich auf massenwirksame Presseerzeugnisse und preiswerte, in hohen Auflagen produzierte, populäre Buchreihen zurückführen ließ. Mit dem als Imprint gegründeten neuen Verlagsbereich hielten nun auch teure, sorgfältig und in kleineren Auflagen hergestellte Bücher gehobener Ausstattung Einzug in das Buchprogramm. Das aus der hundertjährigen Verlagsgeschichte Ullsteins stammende Zitat zeigt, dass man die Vorgehensweise Ullsteins in Bezug auf die Etablierung des PropyläenVerlags zwar für erklärungsbedürftig hielt, die Antwort allerdings eher vage blieb. Ob die „Gelegenheit“, die man bei Ullstein ergriff, eine Möglichkeit zur Aufpolierung des Images, zur stärkeren Marktdurchdringung oder kurzfristigen Steigerung der Wirtschaftlichkeit war oder andere Beweggründe zum Tragen kamen, wurde nicht aufgeklärt. Auf welches Ziel war der von Schwab-Felisch angesprochene Ehrgeiz des Verlags tatsächlich ausgerichtet? Und worauf basierte der vorgezeichnete Weg Ullsteins? Die Verlagschronik von 1927 ordnete die Gründung des PropyläenVerlags etwas konkreter zwischen „kulturelle[r] Verpflichtung“ und „gute[m] Geschäft“3 ein, beließ es damit aber ebenfalls bei einer allgemeinen Charakterisierung des Spannungsfeldes, in dem Verleger4 in der Regel handeln. Die vorliegenden Verlagsgeschichten bieten zwar als Ausgangsbasis für weitere Forschung zahlreiche Informationen zum Programm des Propyläen-Verlags und zu den wichtigsten Autoren und Mitarbeitern. Die aufgeworfenen Fragen zur Gründung des Verlags, seiner Entwicklung in den ersten Jahren und seiner Funktion als Im-

1 Hans Schwab-Felisch: Bücher bei Ullstein. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 1. Berlin: Ullstein 1977, S. 179–216, hier S. 198. 2 Die Schreibweise des Propyläen-Verlags orientiert sich an der zeitgenössischen Schreibweise mit Bindestrich. Auch bei allen anderen Verlagsnamen wurde versucht, sich nach der in der Weimarer Republik üblichen Schreibweise zu richten. Als Verlagsname steht „Ullstein Verlag“ bzw. „Ullstein Buchverlag“ ohne Bindestrich, während alle anderen Zusammensetzungen mit Bindestrich geschrieben wurden. 3 Georg Bernhard: Die Geschichte des Hauses. In: 50 Jahre Ullstein 1877–1927. Hrsg. von Max Osborn. Berlin: Ullstein 1927, S. 1–146, hier S. 107. 4 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung. https://doi.org/10.1515/9783110683561-001

2  1 Einleitung

print-Verlag Ullsteins werden allerdings nicht hinreichend beantwortet. Sie sollen in dieser Arbeit aufgegriffen werden und generieren das maßgebliche Forschungsinteresse der Untersuchung. Ziel ist die wissenschaftliche Aufarbeitung der Verlagsgeschichte, auf deren Basis die Aussagen der Verlagsfestschriften beurteilt und überprüft werden können. Durch die analysierende Zusammenführung der noch vorhandenen Quellen soll das nicht vorhandene Verlagsarchiv des Propyläen-Verlags gewissermaßen virtuell rekonstruiert werden. Ihren grundsätzlichen Ausgangspunkt nahm die Beschäftigung mit der Geschichte des Propyläen-Verlags in der generellen Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung, ihren Voraussetzungen und Theorien. Deshalb erschien es angebracht, dieser Arbeit eine fundierte Zusammenfassung der Forschungsdiskussionen und des Forschungsstandes der wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung voranzustellen, auf deren Grundlage anschließend die methodische und theoretische Einordnung der Untersuchung des Propyläen-Verlags erfolgt. Die Definition des Forschungsvorhabens begründet gleichzeitig den Untersuchungszeitraum, der mit dem Propyläen-Gründungsjahr 1919 und der 1934 erfolgten Enteignung des Ullstein-Konzerns eingegrenzt wurde. Gegen die Ausdehnung des Untersuchungszeitraums in die Zeit des Dritten Reiches hinein spricht außerdem die durch die nationalsozialistische Kulturpolitik ausgelöste Zäsur, die ab 1933/34 zu völlig veränderten sowohl internen als auch externen Rahmenbedingungen der Verlagsarbeit führte. Darüber hinaus unterstützen die Quellen, vor allem die größtenteils aus den zwanziger Jahren stammenden Vertragsunterlagen (s. Abschn. 1.4), eine mit den Daten der Weimarer Republik weitgehend übereinstimmende Untersuchungsperiode.

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand der wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung Die Forschung zur wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung hat sich in den letzten Jahren besonders der Diskussion unterschiedlicher Theorieansätze zugewandt und ihren Nutzen, ihre Anwendbarkeit sowie ihre Vor- und Nachteile für die Verlagsgeschichtsschreibung erörtert. Dies kann auch als Reaktion auf die Feststellung der „Untertheoretisierung“ der Buchwissenschaft verstanden werden, die wiederholt ausgesprochen wurde,5 und mündete schließlich in verschiedenen Ansät-

5 Vgl. Ulrich Saxer: Das Buch in der Medienkonkurrenz. In: Lesen und Leben. Hrsg. von Herbert G. Göpfert u. a. Eine Publikation des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Frankfurt am Main zum 150. Jahrestag der Gründung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler am 30. April 1825 in Leipzig. Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung 1975, S. 206–245, hier S. 207. Vgl. Manfred Rühl:

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand 

3

zen, eine spezifische, universale Theorie für die Buchhandels- bzw. Verlagsgeschichtsschreibung zu entwickeln (s. u.). Einen ersten Überblick über die Theorien des Buchhandels lieferte Hans Altenhein im Jahr 1997. Seine thematische Gliederung zeigt auf, dass die Auseinandersetzung der Buchwissenschaft mit den genannten Theorien aus den Gebieten der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auch in einem chronologischen Ablauf erfolgte. Altenhein ging sowohl auf „praxisrelevante und oft genug aus der Praxis gewonnene“6 Theorieansätze als auch auf entsprechende Entwicklungen und Tendenzen in der buchwissenschaftlichen Forschung ein. Diese traditionelle Verzahnung von Praxis und Wissenschaft spielt in der Buchhandelsgeschichtsschreibung eine wichtige Rolle, denn jene wird wesentlich gefördert durch die Historische Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. Als umfassendstes Projekt kann die Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert angeführt werden.7 Das als Handbuch angelegte, seit 2001 erscheinende Werk stellt für die Forschung im Bereich der Verlagsgeschichtsschreibung eine maßgebliche Grundlage dar, indem es sowohl den branchenspezifischen historischen Kontext und das Zusammenspiel der einzelnen Sparten des Buchhandels erläutert als auch einen Überblick über die relevanten Verlage der einzelnen Programmsparten innerhalb der entsprechenden Zeiträume bietet und diese kurz vorstellt. Vor dem Hintergrund seiner Arbeit an der Konzeption der neuen Buchhandelsgeschichte und nach Erscheinen der ersten Teilbände stieß Georg Jäger zusammen mit Monika Estermann und Siegfried Lokatis im Jahr 2004 das Diskussionsforum Probleme der Geschichtsschreibung des Buchhandels mit einem entsprechenden Fragenkomplex auf der Plattform IASLonline an. Bis in das Jahr 2012 erschienen in loser Folge weitere Texte, darunter auch einige, die sich explizit mit der Buchwissenschaft, der Verlagsgeschichtsschreibung und ihrer Theorie auseinandersetzen. Neben den Texten von Georg Jäger, Florian Triebel und Thomas Keiderling, die der Theoriendiskussion in der Buchwissenschaft und spezifisch der Verlagsgeschichtsschreibung neue Impulse verliehen haben (s. u.), bieten Corinna Trinckaufs Methodische Überlegungen zur wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung8 eine Zu-

Buch – Bedürfnis – Publikum. Vorbemerkungen zu einer Theorie der Buchkommunikation. In: Bertelsmann-Briefe 99 (1979), S. 44–52, hier S. 45. Vgl. Ursula Rautenberg/Dirk Wetzel: Buch (Grundlagen der Medienkommunikation. 11). Tübingen: Niemeyer 2001, S. 14. 6 Hans Altenhein: Theorien des Buchhandels. In: Buchhandelsgeschichte 4 (1997), S. B 165–B 172. 7 Zur Entstehung der Buchhandelsgeschichte vgl. Monika Estermann/Georg Jäger: Der Weg zu einer neuen Geschichte des Buchhandels. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Das Kaiserreich 1870–1918. Teil 1. Hrsg. von Georg Jäger im Auftrag der Historischen Kommission. Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung 2001, S. 9–16. 8 Corinna Trinckauf: Nicht nur Festschrift – Methodische Überlegungen zur wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung. IASLonline. URL: https://www.iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisforen/Trinckauf_Verlagsgeschichtsschreibung.pdf [12.6.2018]. Es handelt sich hier um einen Auszug aus ihrer buchwissenschaftlichen Magisterarbeit aus dem Jahr 2007.

4  1 Einleitung

sammenfassung der Diskussionsargumente mit weiterführender Analyse sowie umfassenden Erläuterungen zu den relevanten Theorien. Trinckauf hat sich in ihrer Magisterarbeit, auf welcher der Text basiert, mit den Kriterien der wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung auseinandergesetzt. Dabei ging es ihr vor allem auch um die Frage, ob ein universeller methodischer und theoretischer Zugang möglich ist, bzw. sinnvoll erscheint. Mit dem 2012 erschienenen Band Verlagsgeschichtsschreibung. Modelle und Archivfunde legten die Herausgeberinnen Corinna Norrick-Rühl und Ute Schneider einen ersten, explizit dem Thema gewidmeten Sammelband vor, der sich dem Ziel verschrieben hatte, „besonders die Überlegungen zu Theorien, Methoden und Problemstellungen der Verlagsgeschichtsschreibung voranzutreiben“9. Neben bisher in der Verlagsgeschichtsschreibung wenig beachteten Themenfeldern wie Oral History als Methode der Verlagsgeschichtsschreibung10, dem Einsatz von Verlagsgeschichte im Rahmen von History Marketing11 oder dem Umgang mit Texten und Quellen aus dem Social Web für eine Verlagsgeschichtsschreibung 2.012 bietet der Band mit den Beiträgen von Ute Schneider13, Axel Kuhn14 und Ernst Fischer15 auch direkte Anknüpfungen an die Theoriendiskussionen der vorangegangenen Jahre (s. u.). Als einer der zentralen und traditionellen Forschungsbereiche der Buchwissenschaft fand die Verlagsgeschichtsschreibung ebenfalls ausführliche Berücksichtigung in dem von Ursula Rautenberg herausgegebenen Handbuch Buchwissenschaft in Deutschland16 sowie der von Stephan Füssel und Corinna Norrick-Rühl herausgegebenen Einführung in die Buchwissenschaft17. Während Monika Estermann in Buch-

9 Corinna Norrick-Rühl/Ute Schneider: Vorwort. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Hrsg. von Corinna Norrick-Rühl und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 9 f., hier S. 9. 10 Corinna Norrick-Rühl: Oral History als Methode der Verlagsgeschichtsschreibung: Eine Bestandsaufnahme. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Hrsg. von Corinna Norrick-Rühl und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 60–76. 11 David Oels/Anke Vogel: History Marketing – Zum Einsatz von Verlagsgeschichte im Rahmen der Zielgruppenansprache. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Hrsg. von Corinna Norrick-Rühl und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 93–112. 12 Dominique Pleimling: Verlagsgeschichtsschreibung 2.0. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Hrsg. von Corinna Norrick-Rühl und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 136–146. 13 Ute Schneider: Verlagsgeschichte als Unternehmensgeschichte. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Hrsg. von Corinna Norrick-Rühl und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 77–92. 14 Axel Kuhn: Überlegungen zu einer systemtheoretischen Perspektive des Kulturbegriffs in der Verlagshistoriographie. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Hrsg. von Corinna Norrick-Rühl und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 113–135. 15 Ernst Fischer: Kapitale Verluste. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Hrsg. von Corinna NorrickRühl und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 168–192. 16 Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. 2 Bde. Berlin: de Gruyter Saur 2010. 17 Stephan Füssel/Corinna Norrick-Rühl: Einführung in die Buchwissenschaft. Unter Mitarbeit von Dominique Pleimling und Anke Vogel. Darmstadt: WBG 2014.

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand 

5

wissenschaft in Deutschland einen fundierten Forschungsüberblick der Verlagsgeschichtsschreibung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert gibt18, bietet Corinna NorrickRühl in der Einführung in die Buchwissenschaft eine anschauliche Vorstellung des Forschungsgebietes, in der sie auch auf Trends, Theorien und Forschungsdiskussionen eingeht.19 Den aktuellen Forschungsstand im Hinblick auf die „Bemühungen um theoretische Reflexion“ und „den Mehrwert“ der jeweiligen theoretischen Konzepte fasst schließlich Elisabeth Dlugosch in ihrer Erlanger Abschlussarbeit Theoretische Fundierung der wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung zusammen.20 Im Zentrum der Theoriendiskussion der vergangenen Jahre stehen die Systemtheorie und die auf der Grundlage der Theorienmodelle von Parson und Luhmann basierenden Forschungen Georg Jägers, der als Erster die Systemtheorie explizit auf die Buchwissenschaft angewandt und sich in diesem Rahmen um die Entwicklung eines buchhandelsspezifischen Theorieansatzes bemüht hat.21 Mit Keine Kulturtheorie ohne Geldtheorie hat Jäger auf der Grundlage seiner 1990 erschienen Überlegungen Zur Ausdifferenzierung des wissenschaftlichen Buchhandels bereits im Jahr 1995 die Grundlegung einer Theorie des Buchverlags vorgelegt,22 die in überarbeiteter Fassung zehn Jahre später erneut veröffentlicht wurde23 und schließlich zusammen mit den bereits angesprochenen Fragenkreisen zum Auftakt des Diskussionsforums Geschichtsschreibung des Buchhandels auf der IASL-Plattform24 zugänglich gemacht

18 Monika Estermann: Buchhandel, Buchhandelsgeschichte und Verlagsgeschichtsschreibung vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ein Überblick über Quellenlage und Forschungsliteratur. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Bd. 1. Berlin: de Gruyter Saur 2010, S. 257–320. 19 Corinna Norrick-Rühl: Buchhandels- und Verlagsgeschichtsschreibung. In: Stephan Füssel und Corinna Norrick-Rühl: Einführung in die Buchwissenschaft. Darmstadt: WBG 2014, S. 55–67. 20 Elisabeth Dlugosch: Theoretische Fundierung der wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung. In: Alles Buch. Hrsg. von Ursula Rautenberg und Axel Kuhn. (Studien der Erlanger Buchwissenschaft. LIX). Erlangen: 2017. URN: urn:nbn:de:bvb:29-opus4-88992 [1.6.2018]. 21 Vgl. zur Entwicklung der Systemtheorie insgesamt und in ihrer Anwendung durch Jäger sehr fundiert: Thomas Keiderling: Wieviel Systemtheorie braucht die Buchwissenschaft? IASLonline. URL: http://www.iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisforen/Keiderling_Systemtheorie.pdf [25.6.2018]. 22 Georg Jäger: Keine Kulturtheorie ohne Geldtheorie. Grundlegung einer Theorie des Buchverlags. In: Empirische Literatur- und Medienforschung. Beobachtet aus Anlass des 10-jährigen Bestehens des LUMIS-Instituts 1994. Hrsg. von Siegfried J. Schmidt (LUMIS-Schriften. Sonderreihe VII). Siegen: LUMIS, Universität GH Siegen 1995, S. 24–40. 23 Vgl. Georg Jäger: Keine Kulturtheorie ohne Geldtheorie. Grundlegung einer Theorie des Buchverlags. In: Buchkulturen. Beiträge zur Geschichte der Literaturvermittlung. Festschrift für Reinhard Wittmann. Hrsg. von Monika Estermann, Ernst Fischer und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2005, S. 59–78. 24 Vgl. Georg Jäger: Keine Kulturtheorie ohne Geldtheorie. IASLonline. URL: http://www.iasl.unimuenchen.de/discuss/lisforen/lisforen.htm#buchgesch.de [10.6.2018]. Ausführlich diskutiert und erläutert wird Jägers Theorie auch bei Trinckauf, Nicht nur Festschrift, S. 5–10 und Dlugosch, Theoretische Fundierung, S. 16–36.

6  1 Einleitung

wurde. Darüber hinaus veröffentlichte Jäger im Jahr 2012 ebenfalls auf IASLonline zusammen mit Claus-Michael Ort Beobachtungsleitende Fragen „als Beitrag zur Heuristik bei der systemtheoretischen Rekonstruktion des Buchhandels und seiner Geschichte“25. Mit konkreten Forschungsfragen, beispielhaften Antworten und dem Aufriss unterschiedlicher Problemfelder stellen Jäger und Ort darin eine ausdifferenzierte Verbindung von Jägers Theorieansatz mit der buchhandelshistorischen Forschung her und gehen dabei explizit auch auf den Verlag als Organisation ein. Sie geben somit Antworten auf Thomas Keiderlings in seinem Aufsatz Wieviel Systemtheorie braucht die Buchwissenschaft gestellten Fragen nach der „Nutzanwendung [der Systemtheorie] in der Disziplin und ihrer praktischen Umsetzung“26. Die von Keiderling angeführten „Anwendungsprobleme der Systemtheorie“27 resultieren aus der Beurteilung der wenigen buchwissenschaftlichen Arbeiten, die einen systemtheoretischen Zugang zugrunde legen, wie z. B. die Arbeiten von Siegfried Lokatis über die Hanseatische Verlagsanstalt28 und Bernd Gruschka über den Verlag Kurt Desch29. Nach Keiderling ergaben sich bei der Verwendung der Systemtheorie in diesen Arbeiten vor allem Schwierigkeiten aufgrund a) des fehlenden zusätzlichen Erkenntnisgewinns30 (den auch Trinckauf für die Arbeiten von Lokatis und Gruschka konstatiert)31, b) dem zu hohen Abstraktionsgrad und der Komplexität der Theorie32 und c) der nicht gelingenden „Verzahnung mit dem Untersuchungsgegenstand“ („theoretische Schürze“)33. Keiderling stellte in seinem Beitrag anschließend ein „Buchsystem“ zur Diskussion, das sich im Unterschied zur Theorie Georg Jägers „nicht in erster Linie auf die handelnden Akteure, Institutionen und Unternehmen“ konzentriert, sondern sich „in bestimmte Stadien eines idealtypisch angenommenen Buchlebens“ aufgliedert.34 In der weiteren Forschungsdiskussion hat es wenig Beachtung gefunden. An Jägers Forschungsbeiträge knüpfte hingegen Axel Kuhn 2012 in seinem Aufsatz Überlegungen zu einer systemtheoretischen Perspektive des

25 Vgl. Georg Jäger und Klaus-Michael Ort: Beobachtungsleitende Fragen bei der Rekonstruktion des Buchhandels als System bzw. des Verlags als Organisation. IASLonline. URL: http://www.iasl. uni-muenchen.de/discuss/lisforen/Jaeger_Ort_Beobachtungsleitende%20Fragen.pdf. [10.6.2018]. 26 Keiderling, Wieviel Systemtheorie braucht die Buchwissenschaft, S. 13. 27 Ebd. 28 Siegfried Lokatis: Die Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches Buchmarketing im „Dritten Reich“ (Sonderdruck aus dem Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 38). Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung GmbH 1992. 29 Bernd R. Gruschka: Der gelenkte Buchmarkt. Die amerikanische Kommunikationspolitik in Bayern und der Aufstieg des Verlags Kurt Desch 1945–1950 (Sonderdruck aus dem Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 44). Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung GmbH 1995. 30 Vgl. Keiderling, Wieviel Systemtheorie braucht die Buchwissenschaft, S. 14. 31 Vgl. Trinckauf, Nicht nur Festschrift, S. 10. 32 Vgl. Keiderling, Wieviel Systemtheorie braucht die Buchwissenschaft, S. 15. 33 Ebd. 34 Ebd., S. 18 f.

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand 

7

Kulturbegriffs in der Verlagshistoriographie an, in dem „diskutiert werden [sollte], was sich aus diesem Modell für eine systemtheoretische Bestimmung von Kultur in der Verlagshistoriographie ableiten lässt“35. Kuhn stellte im Rahmen seiner Fragestellung Defizite am Jägerschen Konzept im Hinblick auf die Außenperspektive der Verlage fest und griff die bereits von Trinckauf konstatierten Schwierigkeiten der Theorie in der Darstellung der Entwicklung und Geschichte eines Verlags36 erneut auf. Er betonte jedoch, dass gerade in dem häufig als problematisch empfundenen hohen Abstraktionsgrad der wesentliche Vorteil der Systemtheorie liege, da dieser es ermögliche, „eine objektive Perspektive auf Einzelphänomene zu werfen.“37 Auch Dlugosch bestätigte, dass mithilfe der Systemtheorie „komplexe Zusammenhänge verständlicher“ dargestellt werden können.38 Weniger Nachhall in der theoretischen Diskussion, dafür aber konkreten Einbezug in die verlagshistorische Forschung hat Bourdieus Feldtheorie mit ihren Konzepten des Habitus und der unterschiedlichen Kapitalsorten gefunden. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass Bourdieus Theorie bereits für das literarische Feld ausformuliert wurde39 und dem Verlagshistoriker damit ein fertiges Modell mit klaren Begrifflichkeiten vorliegt, das im Unterschied zu systemtheoretischen Konzepten als flexibleres Modell gilt40. Analysiert wurde Bourdieus Theorie bezüglich ihrer Vor- und Nachteile für die Verlagsgeschichtsschreibung bei Trinckauf41 und auf der Basis ihrer Ausführungen später ausführlicher, aber ohne weiteren Erkenntnisgewinn bei Dlugosch42. Beide bescheinigen der Feldtheorie eine besondere Eignung für die Analyse von Verlagsentwicklungen mit entsprechender Berücksichtigung der historischen Dimension und für das Verständnis der Mechanismen und Strukturen von Literaturproduktion und -rezeption.43 Nachdem Gangolf Hübinger und Helen Müller 2002 im Rahmen des DFG Programmpapiers zur Erforschung der Ausprägung europäischer Industriegesellschaften als Massenkommunikationsgesellschaften zwischen 1880 und 192044 dazu angeregt hatten, die Verwendung von Bourdieus Theorieelementen für die Verlagsgeschichtsschreibung zu überprüfen,

35 Kuhn, Überlegungen zu einer systemtheoretischen Perspektive des Kulturbegriffs, S. 119. 36 Vgl. Trinckauf, Nicht nur Festschrift, S. 10. 37 Kuhn, Überlegungen zu einer systemtheoretischen Perspektive des Kulturbegriffs, S. 132. 38 Dlugosch, Theoretische Fundierung, S. 77. 39 Vgl. z. B. Joseph Jurt: Das literarische Feld. Das Konzept Pierre Bourdieus in Theorie und Praxis. Darmstadt: WBG 1995. 40 Vgl. Christine Haug/Franziska Mayer: Die Münchner Buchwissenschaft: Methoden – Modelle – Theorien. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Bd. 1. Berlin: de Gruyter Saur 2010, S. 839–856. 41 Vgl. Trinckauf, Nicht nur Festschrift, S. 11–22. 42 Dlugosch, Theoretische Fundierung, S. 54–75. 43 Vgl. auch Norrick-Rühl, Buchhandels- und Verlagsgeschichtsschreibung, S. 63. 44 Gangolf Hübinger: Ideenzirkulation und Buchmarkt. Ein Themenschwerpunkt zu neuen Konstellationen der Verlags- und Intellektuellengeschichte. In: IASL 27, 1 (2002), S. 116–124. Helen Mül-

8  1 Einleitung

lässt sich eine positive Resonanz feststellen. Für die Aufarbeitung der Geschichte des wissenschaftlichen Verlagswesens wurde Bourdieus Theorie von Helen Müller45 und Tilmann Wesolowski46 fruchtbar gemacht. Letzterer legte überzeugend dar, wie sich das analytische Instrumentarium Bourdieus auch für die Untersuchung der Rolle und des Einflusses eines Verlegers eignet.47 Ernst Fischer48 und Christiane Lawall49 zeigten die Relevanz der Theorie in der Untersuchung von Autor-Verleger-Beziehungen anhand von Autorenkorrespondenzen auf. Stefan Rebenich zog für seine Studie über den Verlag C. H. Beck unter anderem Bourdieus Konzept des intellektuellen Feldes heran, „um die Mittel und Wege, die Träger und Empfänger, die Möglichkeiten und Grenzen der Ideenzirkulation zu erforschen“50. Der Literaturwissenschaftler Konstantin Ulmer, dessen Dissertationsschrift über den Luchterhand Verlag im Jahr 2016 erschienen ist, reflektiert in einem der einleitenden Kapitel den „konkreten Nutzen“ von Bourdieus Konzept für eine Verlagsgeschichte, die sich im Spannungsfeld der Literatursysteme der BRD und der DDR bewegt und somit auch die „Anwendbarkeit“ der Feldtheorie auf die DDR prüfen muss.51 Seine theoretisch fundierte, vielversprechende Analyse, die den Einsatz von Bourdieus Theorie nach entsprechender Modifikation auch für ein deutsch-deutsches literarisches Feld äußerst fruchtbar erscheinen lässt, bricht allerdings jäh ab. Nach einem wenige Sätze umfassenden Vergleich der Feldtheorie (der zuvor zehn Seiten gewidmet wurden) mit der „systemtheoretischen Annäherung an das Verlagswesen“52 kommt Ulmer zu dem Schluss, dass „ein Entweder-Oder der beiden

ler: Verlagswesen und europäische Massenkommunikationsgesellschaft um 1900. In: IASL 27, 1 (2002), S. 170–197. 45 Helen Müller: Wissenschaft und Markt um 1900. Das Verlagsunternehmen Walter de Gruyters im literarischen Feld der Jahrhundertwende (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. 104). Tübingen: Niemeyer 2004. 46 Tillmann Wesolowski: Verleger und Verlagspolitik. Der Wissenschaftsverlag R. Oldenbourg zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus (Studien zur modernen Verlagsgeschichte und Wissensproduktion. 1). München: Meidenbauer 2010. 47 Vgl. ebd., S. 25–28. 48 Ernst Fischer: „…diese merkwürdige Verbindung als Freund und Geschäftsmann“. Zur Mikrosoziologie und Mikroökonomie der Autor-Verleger-Beziehung im Spiegel der Briefwechsel. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 15 (2006). S. 245–286. 49 Christiane Lawall: Verlagswahl, Verlagswechsel und Korrespondenzen von Autoren als Quellen für die Verlagsgeschichtsschreibung. Ausgehend von und dargestellt an Karl Gutzkow und dem Verlag F. A. Brockhaus. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Hrsg. von Corinna Norrick-Rühl und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 30–45. 50 Stefan Rebenich: C. H. Beck 1763–2013. Der kulturwissenschaftliche Verlag und seine Geschichte. München: Beck 2013. 51 Konstantin Ulmer: VEB Luchterhand? Ein Verlag im deutsch-deutschen literarischen Leben. Diss. phil. Universität Leipzig 2014. Berlin: Ch. Links 2016, S. 30. 52 Ebd., S. 38. Ulmer bezieht sich auf Jägers Theoriemodell, das in Keine Kulturtheorie ohne Geldtheorie (s. o.) skizziert ist.

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand 

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Konzepte […] aber unangebracht“ scheint, „und zwar nicht nur wegen der Ähnlichkeiten, sondern auch weil diese Arbeit keine theoretische Schablone auf den Untersuchungsgegenstand legen möchte, vielmehr eine integrative und offene Annäherung versucht. Denn auch die Feldtheorie greift nicht exakt.“53 Die stattdessen von Ulmer als „zweckmäßig für das Thema und die Ziele der Arbeit“54 erachtete literaturwissenschaftliche Fundierung wird im Folgenden auf einer halben Seite abgehandelt. Operiert wird mit dem theoretischen Konzept des „literarischen Lebens“, verstanden als „Gesamtheit des Zusammenwirkens zwischen Produktion, Distribution und Rezeption“.55 Aufbau und Inhalt der Arbeit stellen Autoren und Texte in den Mittelpunkt, von denen ausgehend die (verlegerischen) Paratexte untersucht werden.56 Ulmer hat zwar pflichtschuldig einen Blick auf die buchwissenschaftliche Verlagsgeschichtsschreibung und deren Theoriendiskussion geworfen. Ansonsten lässt sich in Anbetracht der intendierten „zweierlei“ Lesarten als „(spezielle) Verlagsgeschichte des Luchterhand Verlags und als (spezielle) deutsch-deutsche Literaturgeschichte“57 allerdings ein deutlicher Schwerpunkt auf der literatur- und ideengeschichtlichen Betrachtung ausmachen. Der in der Einleitung der Arbeit zusammengefassten Verlagsgeschichte des Luchterhand Verlags wird vor allem die Funktion des „Rahmens“ zugewiesen.58 Wenn Ulmer davon spricht, dass „die systemtheoretische Positionierung des Verlags zwischen Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft der Feldtheorie in einigen ihrer wesentlichen Punkte“ ähnelt,59 dann muss konkretisierend darauf hingewiesen werden, dass der Ursprung dieser Ähnlichkeit im Untersuchungsgegenstand „Verlag“ begründet ist. Man kann aber durchaus festhalten, dass sowohl der systemtheoretische Ansatz Niklas Luhmanns als auch die kultursoziologische Theorie Pierre Bourdieus Lösungen bereitstellen, der häufig diskutierten Transdisziplinarität der Buchwissenschaft allgemein zu begegnen60 und zudem auch die Doppelcodierung des Buches mit seinem materiellen und ideellen Wert zu erfassen bzw. entsprechend abzubilden.61 Optimale Anknüpfungspunkte für die Verlagsgeschichtsschreibung verspricht zudem Gérard Genettes aus der allgemeinen Literaturwissenschaft stammende

53 Ulmer, VEB Luchterhand, S. 39. 54 Ebd. 55 Ulmer verweist hier auf die Definition des Reallexikons. Vgl. ebd. 56 Vgl. ebd. und ebd., S. 26. 57 Vgl. ebd., S. 10. 58 Vgl. ebd. 59 Ebd., S. 38 f. 60 Vgl. Haug/Mayer, Die Münchner Buchwissenschaft, S. 849. 61 Aufgrund dieser Eignung haben beide Ansätze Eingang in die Lehrpläne der Buchwissenschaft gefunden. Vgl. hierzu Haug/Mayer, Die Münchner Buchwissenschaft, S. 847–851.

10  1 Einleitung

Theorie der Paratexte,62 die sich in ihren Konzepten von Peri- und Epitext auf den Arbeits- und Einflussbereich des Verlags im Hinblick auf die Entstehung und Vermittlung eines Buches bezieht.63 Georg Stanitzek hat einen vielversprechenden Vorschlag zur Konzeptionalisierung der Medialität des Buches und Definierung eines „Medienbegriffs Buch“ präsentiert.64 Im Rekurs auf Luhmanns abstrakte Unterscheidung von Medium und Form und Genettes Konzept des Peritextes geht er davon aus, dass das Medium Buch mit den peritextuellen Paratexten unterschiedlich koppelbare spezifische Formenelemente bereithält, aus denen schließlich die konkreten, materialisierten Buchformen entstehen.65 Die einzelnen Formenelemente – sowie schließlich auch die verschiedenen Möglichkeiten der Verbindung – unterliegen sowohl technischen und ökonomischen Bedingtheiten in Bezug auf die materielle Konstitution als auch „kulturellen oder sozio-ideologischen Usancen und Praktiken“, die z. B. den Aufbau und die innere Struktur eines Buches prägen.66 Die Verlagsgeschichtsschreibung setzt an dieser Stelle ein, indem sie den Einfluss der Verlage innerhalb dieses Prozesses analysiert, die historischen Entwicklungen der oben genannten „Usancen und Praktiken“ verfolgt, das tatsächliche Verhältnis von auktorialem und verlegerischem Peritext sichtbar macht etc. Die wenigen Arbeiten, die bisher in der Verlagsgeschichtsschreibung mit Bezugnahme auf Genettes Theorie erschienen sind, legen i. d. R. ihren Forschungsschwerpunkt auf Werke, Autoren und Bücher, wie Ulmer (s. o.) oder auch Sandra Oster. Sie hat sich in ihrer Dissertationsschrift, die sich als Beitrag zur Geschichte der Literaturvermittlung versteht, mit dem Autorenfoto [als Paratext] in Buch und Buchwerbung auseinandergesetzt67 und für die Untersuchung ein differenziertes Theoriengerüst erarbeitet, das auf vorbildliche Art und Weise die gesamte Untersuchung strukturiert und trägt. Osters Arbeit, die neben den Theorien Genettes und Bourdieus ebenfalls Georg Francks Theorie der Aufmerksamkeitsökonomie und Roland Barthes Ansätze aus der Foto-Theorie bemüht, spiegelt damit insgesamt den für die Buchwissenschaft charakteristischen Methodenpluralismus wider. Dieser lässt sich auf die Entstehungsgeschichte der Buchwissenschaft zurückführen und kann gleichzeitig als Indikator für die „Anschlussfähigkeit“ des Fachs

62 Vgl. Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches (suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 1510). Frankfurt/M.: Suhrkamp 2001. 63 Vgl. die Hinweise zur Anschlussfähigkeit der Theorie an die Verlagsgeschichtsschreibung bei Norrick-Rühl, Buchhandels- und Verlagsgeschichtsschreibung, S. 63 f. 64 Georg Stanitzek: Buch: Medium und Form – in paratexttheoretischer Perspektive. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Bd. 1. Berlin: de Gruyter Saur 2010, S. 157–200, hier S. 157. 65 Vgl. ebd., S. 186 f. 66 Ebd., S. 187. 67 Sandra Oster: Das Autorenfoto in Buch und Buchwerbung. Autorinszenierung und Kanonisierung mit Bildern. Diss. phil. Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2013. Berlin: de Gruyter 2014.

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand 

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an andere Disziplinen gewertet werden.68 Die Bemühungen um die Entwicklung einer spezifischen Theorie des Buchhandels wurden stets kritisch hinterfragt. So hat Altenhein bereits 1997 festgestellt, dass „alle Versuche, eine nicht prozeßorientierte, also systematische Theorie des Buches […] zu konstruieren, scheitern“.69 Er ging u. a. davon aus, dass die „Entwicklung eines systemtheoretischen Kommunikationsbegriffs und dessen Anwendung auf die Verhältnisse des Verlagswesens“ durch Georg Jäger sich durchaus „erkenntnisfördernd […] bei der Darstellung von Institutionen- und Firmengeschichten“ zeigen und trotzdem „noch ausreichend Raum für die Anwendung kulturwissenschaftlicher und mentalitätsgeschichtlicher Verfahren“ sei.70 Mit Bezug auf Frédéric Barbier unterstrich er, dass aufgrund der beständigen Weiterentwicklung der Buch- und Mediengeschichte „die Struktur der Strukturen […] immer neu“ beschrieben werden müsse.71 Zehn Jahre später fragte auch Keiderling im Hinblick auf die Feststellung, dass „kein Wissenschaftsfach nur ein theoretisches Gebäude“ besitze, „warum man dies ausgerechnet für die Buchwissenschaft verlangen sollte“.72 Eine „Meta-Theorie zum Buchhandel“ ist bis heute Desiderat geblieben „und wird es vermutlich bleiben“, wie Schneider 2012 urteilte.73 Konsens besteht mittlerweile darin, dass auch aufgrund der Komplexität der Verlagsgeschichtsschreibung als Forschungsgebiet unterschiedliche Theorien für die Analyse unterschiedlicher Fragestellungen zur Verfügung stehen sollten.74 Wobei die Eignung der Theorie jeweils in Abhängigkeit vom Forschungsgebiet und den jeweiligen Fragestellungen geprüft werden muss75 und es durchaus sinnvoll sein kann, unterschiedliche Theorien in einer Untersuchung miteinander zu kombinieren. Damit gelten für die Buchwissenschaft in Bezug auf die theoretische Verankerung die gleichen Voraussetzungen, die auch Berghoff für die Moderne Unternehmensgeschichte konstatiert:

68 Vgl. Ursula Rautenberg: Buchwissenschaft in Deutschland. Einführung und kritische Auseinandersetzung. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Bd. 1. Berlin: de Gruyter Saur 2010, S. 3–64, hier S. 21. 69 Altenhein, Theorien des Buchhandels, S. B 165. 70 Ebd., S. B 171. 71 Ebd. 72 Keiderling, Wieviel Systemtheorie braucht die Buchwissenschaft, S. 2. Diese Frage wurde weder in seinem Aufsatz noch im Rahmen der gesamten Theoriendiskussion zufriedenstellend beantwortet. 73 Schneider, Verlagsgeschichte als Unternehmensgeschichte, S. 78. 74 Vgl. Kuhn, Überlegungen zu einer systemtheoretischen Perspektive, S. 115. 75 Vgl. z. B. Haug/Mayer, Die Münchner Buchwissenschaft, S. 849.

12  1 Einleitung

Es gibt keine allgemeingültige, nicht einmal eine beste Theorie. Vielmehr haben wir es mit unterschiedlichen Angeboten und deren jeweiligen Vor- und Nachteilen zu tun. Sie sind je nach Bedarf und Fragestellung einsetzbar, mitunter auch kombinierbar.76

Die Diskussion um das Thema Verlagsgeschichtsschreibung als Teil der Unternehmensgeschichtsschreibung und die in diesem Rahmen geforderte stärkere Berücksichtigung wirtschaftlicher Faktoren wurde in den letzten Jahren vor allem durch die Dissertation von Florian Triebel77 neu entzündet. Triebel übte in seinen Theoretischen Überlegungen zur Verlagsgeschichte78 Kritik daran, dass sich „historische Untersuchungen zu Verlagen im 20. Jahrhundert“ vor allem „als Beitrag zur Kulturgeschichte“ verstünden, in denen die „kaufmännischen Gesichtspunkte“ des verlegerischen Handelns gar nicht oder nur am Rande behandelt würden.79 Er betonte, dass dies „nicht immer […] allein aus der meist schmalen und lückenhaften Quellenbasis zu erklären“ sei, sondern vielmehr vermutet werden müsse, dass auch „mangelnde Kenntnisse der kaufmännischen Materie und der betrieblichen Zusammenhänge“ sowie schlichtweg fehlendes Interesse an diesen Sachverhalten dazu führen, dass betriebswirtschaftliche Zusammenhänge in Verlagsgeschichten vernachlässigt würden.80 Triebel legte seiner Untersuchung des Eugen Diederichs Verlags einen auf der Grundlage des von ihm in Zusammenarbeit mit Jürgen Seidl entwickelten allgemeinen „Analyserahmen für Unternehmensgeschichte“ basierenden „kulturunternehmerischen Ansatz“81 zugrunde, der die Untersuchung eines Verlags als Kulturorganisation und Wirtschaftsunternehmen ermöglichen soll, in der wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung allerdings keine Resonanz gefunden hat. Triebels Kritik an der Verlagshistoriographie vernachlässigt zwei Punkte, auf welche auch in den nachfolgenden Reaktionen nicht näher eingegangen wurde und die deshalb an dieser Stelle kurz vertieft werden sollen: 1. In jeder Argumentation, in der es um Verlagsgeschichtsschreibung geht, sollte eine klare und eindeutige Unterscheidung zwischen unabhängiger wissenschaftlicher Verlagsgeschichtsschreibung und den sogenannten Auftragsarbei-

76 Hartmut Berghoff: Moderne Unternehmensgeschichte. Eine themen- und theorieorientierte Einführung. Berlin/Boston: de Gruyter Oldenbourg 2016, S. 58 f. 77 Florian Triebel: Der Eugen Diederichs Verlag 1930–1949. Ein Unternehmen zwischen Kultur und Kalkül (Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. 13). Diss. Phil. Universität Konstanz 2001. München: C. H. Beck 2004. 78 Diese bilden den theoretischen Rahmen der Dissertation und wurden separat auch auf IASLonline veröffentlicht. Florian Triebel: Theoretischen Überlegungen zur Verlagsgeschichte. IASLonline. URL: http://www.iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisforen/Triebel_Theorie.pdf [12.6.2018]. 79 Ebd., S. 1. 80 Ebd., S. 4. 81 Ausführlich dazu: Florian Triebel/Jürgen Seidl: Ein Analyserahmen für das Fach Unternehmensgeschichte. In: ZUG 46, 1 (2001), S. 11–26.

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand 

2.

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ten in Form von Fest- oder Jubiläumsschriften getroffen werden. Letztere dienen schließlich nicht nur der Aufarbeitung der Geschichte eines Verlags zum Zwecke der Selbstreflexion, sondern erfüllen auch eine Repräsentationsfunktion, indem sie die Entwicklungen und Leistungen des Verlags nach außen hin sichtbar machen (sollen) und für einen größeren Rezipientenkreis konzipiert werden. Dass in Fest- und Jubiläumsschriften vor allem das kulturelle Kapital im Mittelpunkt steht, liegt daran, dass das Renommee eines Verlags bis heute in der Regel eben nicht vor allem an seiner Wirtschaftskraft (wie von Gerhard Menz postuliert)82, sondern an der Bedeutung seiner Autoren und der Qualität seines Programms gemessen wird, wie auch an der Geschichte des PropyläenVerlags gezeigt werden kann und z. B. Fischer in Bezug auf die Verlage Rowohlt, Kiepenheuer und Kurt Wolff schlussfolgert.83 Das von Triebel festgestellte Übergewicht der schwerpunktmäßig aus kultureller Perspektive beleuchteten Verlagsgeschichten ist somit auch als Folge des hohen Anteils der Jubiläumsund Festschriften an der gesamten Verlagshistoriographie des 20. Jahrhunderts zu beurteilen.84 Triebels Kritik an der unzureichenden Behandlung wirtschaftlicher Faktoren in der Verlagsgeschichtsschreibung wird universal und ohne weitere Einordnung ausgesprochen,85 eine Betrachtung der Entwicklung der Forschungsdisziplin unterbleibt. So wird vollständig ausgeblendet, dass die wirtschaftlichen Faktoren des Buchhandels von Beginn an in der Buchhandelsgeschichtsschreibung durchaus eine zentrale Rolle gespielt haben. Bereits im ersten historischen Gesamtüberblick über die Entwicklung des deutschen Buchhandels, der Geschichte des deutschen Buchhandels von Friedrich Kapp (1824–1884) und Johann Goldfriedrich (1870–1945),86 wurde der Buchhandel sowohl als Kulturfaktor als

82 Gerhard Menz in den Jungbuchhändler-Briefen 1930; hier zitiert nach Triebel, Theoretische Überlegungen zur Verlagsgeschichte, S. 2. Vgl. z. B. auch Trinckauf, Nicht nur Festschrift, S. 1, die davon ausgeht, „daß in derartigen Publikationen vor allem die großen Leistungen des Verlegers und der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens im Vordergrund stehen“. 83 Vgl. Fischer, Kapitale Verluste, S. 188. 84 Vgl. den umfassenden Überblick bei Estermann, Buchhandel, Buchhandelsgeschichte und Verlagsgeschichtsschreibung. 85 Triebel nennt lediglich drei Verlagsgeschichten, davon zwei eher kürzere Aufsätze als Beispiele für die Konzentrierung der Verlagsgeschichtsschreibung auf die Beziehung von Verleger und Autoren: Peter de Mendelsohn: S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt/M.: Fischer 1970; Bernd Abele: Zur Geschichte des Verlags Bruno Cassirer 1928–1932. In: Buchhandelsgeschichte (BhG) 1989/4, B 121–B 136; sowie Ders.: 1933–1938. Der Verlag Bruno Cassirer im Nationalsozialismus. In: BhG 1990/1, S. B 1–B 18. 86 Geschichte des deutschen Buchhandels. Im Auftr. des Börsenvereins der Dt. Buchhändler hrsg. von der Historischen Kommission desselben. 4 Bde. Bearbeitet von Friedrich Kapp (Bd. 1) und Johann Goldfriedrich (Bde. 2–4). Leipzig 1886–1913.

14  1 Einleitung

auch als Gewerbe analysiert.87 Im letzten Band überwog gar die gewerbe- und organisationsgeschichtliche Perspektive.88 Der Wandel hin zu einer stärkeren Fokussierung auf „die kulturellen und gesellschaftlichen Aufgaben“ des Buchhandels erfolgte ab Ende der 1970er Jahre unter dem Einfluss von Herbert G. Göpfert und dem von ihm vorgestellten dreistufigen Modell, das den Weg eines Buches „vom Autor zum Leser“, also von der Produktion über die Distribution bis zur Rezeption, verfolgen sollte und als Erweiterung der Forschungsperspektive im Rahmen der Sozialgeschichte verstanden wurde.89 Die Forschung sollte nun den Blick über die reine Branchengeschichte hinaus vor allem auch auf die literaturvermittelnde Funktion des Buchhandels richten und damit die Entwicklung des Fachs zu einem „integrale[n] Teil der kulturwissenschaftlichen Disziplinen“90 vollziehen. In der Folge entstanden im Bereich der Verlagsgeschichtsschreibung vermehrt Arbeiten, die sich schwerpunktmäßig mit dem Verlagsprogramm und der Autor-Verleger-Beziehung auseinandersetzten. Dies kann auch als Aufarbeitung dieses bisher unterrepräsentierten Forschungsbereichs verstanden werden. Als Beispiele sind vor allem die Arbeiten der Göpfert-Schüler Reinhard Wittmann91, Edda Ziegler92, Wolfram Göbel93 und Michael Davidis94 zu nennen.

87 Vgl. Estermann/Jäger, Der Weg zu einer neuen Geschichte des Buchhandels, S. 14. Während in den Bänden von Friedrich Kapp „die wirtschaftsgeschichtlichen Fragen nicht immer zureichend behandelt wurden“, konnte Goldfriedrich seinen moderneren, an dem kulturgeschichtlichen Ansatz Karl Lamprechts (Goldfriedrich war Mitarbeiter Lamprechts) orientierten methodischen Zugriff konsequent umsetzen, der darauf basierte, dass der Buchhandel im Kontext der „wirtschaftlichen, politischen und literarischen Zustände [seiner] Zeit“ zu betrachten sei. 88 Vgl. ebd. 89 Vgl. ebd., S. 10. 90 Herbert G. Göpfert: Zur Weiterführung der deutschen Buchhandelsgeschichte. Entwurfspapier. Vorgelegt in der Sitzung der Historischen Kommission im Jahre 1983. Zitiert nach Estermann/Jäger, Der Weg zu einer neuen Geschichte des Buchhandels, S. 10. 91 Reinhard Wittmann: Ein Verlag und seine Geschichte. Dreihundert Jahre J. B. Metzler Stuttgart. Stuttgart: Metzler 1982; Ders.: Der Carl Hanser Verlag 1928–2003. Eine Verlagsgeschichte. München: Hanser 2005; Ders.: Wissen für die Zukunft. 150 Jahre Oldenbourg Verlag. Mit einem Beitrag von Gisela Teistler. München: Oldenbourg 2008. Vgl. zu Wittmanns literatursoziologischem Ansatz vor allem auch: Ders.: Buchmarkt und Lektüre im 18. und 19. Jahrhundert. Beiträge zum literarischen Leben 1750–1880 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. 6). Tübingen: Niemeyer 1982. 92 Edda Ziegler: 100 Jahre Piper. Die Geschichte eines Verlags. München u. a.: Piper 2004. 93 Wolfram Göbel: Der Kurt Wolff Verlag 1913–1930. Mit einer Bibliographie des Kurt Wolff Verlags und der ihm angeschlossenen Unternehmen. In: AGB 15 (1977), Sp. 521–1456. 94 Michael Davidis: Der Verlag von Wilhelm Hertz. Beiträge zur Geschichte der Literaturvermittlung im 19. Jahrhundert, insbesondere zur Verlagsgeschichte der Werke von Paul Heyse, Theodor Fontane und Gottfried Keller. (Sonderdruck aus dem Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 22). Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung GmbH 1982. Davidis berücksichtigt ebenfalls buchwirtschaftliche Aspekte.

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand

 15

Triebels ökonomische Perspektive auf den Verlag als Wirtschaftsunternehmen stellt keineswegs einen neuen Zugang zur Verlagsgeschichte dar, wie auch Ernst Fischer und Ute Schneider im Band Verlagsgeschichtsschreibung noch einmal deutlich machen. Schneider geht davon aus, dass es „mittlerweile sicherlich unbestritten in der buchwissenschaftlichen Forschung“ sei, „den Verlag als Wirtschaftsunternehmen zu begreifen und nicht ausschließlich in seiner Vermittlungsfunktion im literarischen oder wissenschaftlichen Feld zu verstehen“.95 Fischer führt an, dass „dem Verlagshistoriker zu jedem Zeitpunkt klar vor Augen“ stehe, „dass es sich bei Verlagen um Wirtschaftsunternehmen“ handele.96 So liegen neuere Arbeiten vor, die sich (der Besonderheit der Verlage in ihrer kulturellen Funktion durchaus bewusst und diese entsprechend berücksichtigend) auf ökonomische Fragestellungen konzentrieren, wie beispielsweise Birgit Kuhbandners Unternehmer zwischen Markt und Moderne97 oder (für das 19. Jahrhundert) Martin Tabaczeks Kulturelle Kommerzialisierung. Studien zur Geschichte des Velhagen & Klasing Verlags98. Neue Impulse in der Forschungsdiskussion um die wissenschaftliche Verlagsgeschichtsschreibung hat das Verständnis von Verlagsgeschichte als Unternehmensgeschichte mit sich gebracht. Unter diesem Titel fasst Schneider einige Forschungsfelder der Unternehmensgeschichtsschreibung zusammen, die für die Verlagsgeschichtsschreibung fruchtbar gemacht werden können. Der „meiste Aufholbedarf“99 der Verlagsgeschichtsschreibung ist im Bereich der sozialen Interaktion innerhalb des Unternehmens, also der Unternehmenskultur und der Unternehmenskommunikation, zu verzeichnen. Hier liegen bisher nur vereinzelte Arbeiten vor, wie Schneiders Berufsgeschichte des Lektors und seiner Verortung innerhalb der Verlagsorganisation100 oder Thomas Keiderlings Untersuchung zur internen Unternehmenskommunikation am Beispiel der Betriebsfeiern bei F. A. Brockhaus101. Wissenschaftliche Verlagsgeschichtsschreibung, das soll an dieser Stelle mit Bezug auf Fischer noch einmal unterstrichen werden, sollte von einem maximalen Erkenntnisinteresse geleitet werden und somit „jede Einseitigkeit der Betrachtung“

95 Schneider, Verlagsgeschichte als Unternehmensgeschichte, S. 84. 96 Fischer, Kapitale Verluste, S. 169. 97 Birgit Kuhbandner: Unternehmer zwischen Markt und Moderne. Verleger und die zeitgenössische deutschsprachige Literatur an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft. 17). Diss. phil. Universität Erlangen/Nürnberg 2006. Wiesbaden: Harrassowitz 2008. 98 Martin Tabaczek: Kulturelle Kommerzialisierung. Studien zur Geschichte des Velhagen & Klasing Verlags 1835–1870. (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. 976). Diss. phil. Universität Essen 2001. Frankfurt/M. u. a.: Peter Lang 2003. 99 Schneider, Verlagsgeschichte als Unternehmensgeschichte, S. 85. 100 Ute Schneider. Der unsichtbare Zweite. Die Berufsgeschichte des Lektors im literarischen Verlag. Göttingen: Wallstein 2005. 101 Betriebsfeiern bei F. A. Brockhaus. Wirtschaftliche Festkultur im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Hrsg. von Thomas Keiderling. Beucha: Sax 2001.

16  1 Einleitung

vermeiden.102 „Eine Verabsolutierung des betriebswirtschaftlichen Analyseansatzes wäre ebenso defizient wie eine Konzentration auf die kulturidealistische Motivation des Verlegers.“103 Im Bereich der Unternehmenshistoriographie geht man von fünf „Dimensionen“ aus, innerhalb derer ein Unternehmen durch die jeweiligen (1) ökonomischen, (2) sozialen, (3) kulturellen, (4) juristischen und (5) politischen Faktoren bestimmt wird.104 Inwiefern sich diese Analyseebenen für die Verlagsgeschichtsschreibung eignen, hat Schneider in ihrem Beitrag zur Verlagsgeschichte als Unternehmensgeschichte diskutiert. Mit Blick auf sehr kleine Inhaber- und Nischenverlage kommt sie zu dem Schluss, dass die von Berghoff definierten „Dimensionen“ nicht immer vollständig und nicht auf die gesamte Verlagswelt anwendbar sind, aber dennoch strukturell gewinnbringend für die Verlagsgeschichte eingesetzt werden können.105 Selbstverständlich müssen in jeder Studie zudem die epochenund unternehmensspezifischen Kontexte berücksichtigt und entsprechende Analyseebenen definiert und hierarchisiert werden. Neben den bereits angesprochenen Forschungsperspektiven lässt sich der traditionelle, häufig kritisierte biographische Zugang anführen, bei welchem der Verleger die wichtigste Bezugsgröße darstellt.106 In seiner die Verlagsgeschichte auf „Familiengeschichten“ reduzierenden Form wurde der biographische Ansatz von Georg Jäger107 und Hans Altenhein108 kritisch hinterfragt. Da die Inhaberverlage allerdings bis in das 20. Jahrhundert hinein die Verlagslandschaft dominierten, kommt der Auseinandersetzung mit der Biographie des Verlegers, der in diesen Verlagen als Hauptverantwortlicher für Programm und Finanzen die Entwicklung seines Unternehmens maßgeblich steuerte,109 eine signifikante Bedeutung zu. Zu den bekanntesten und von der Forschung umfassend beachteten Verlegern des 20. Jahrhun-

102 Fischer, Kapitale Verluste, S. 169. Vgl. an dieser Stelle auch die Kritik Estermanns am „simplifizierende[n] Zugriff“ Triebels: „Der Verlag wird jedoch nur an diese eindimensionale Wirtschaftslogik gekoppelt, damit fallen aber alle Fragen nach der Anpassung an die Diktatur, des kulturellen Umfeldes oder der gesellschaftlichen Funktion von vornherein weg.“ Estermann, Buchhandel, Buchhandelsgeschichte und Verlagsgeschichtsschreibung, S. 290 f. 103 Fischer, Kapitale Verluste, S. 169. 104 Berghoff, Moderne Unternehmensgeschichte, S. 15. 105 Schneider, Verlagsgeschichte als Unternehmensgeschichte, S. 89. 106 Vgl. Jäger, Keine Kulturtheorie ohne Geldtheorie, S. 34 f. 107 Ebd. 108 Hans Altenhein: Familiengeschichten. Kritik an einer buchhandelshistorischen Methode. In: Buchkulturen. Beiträge zur Geschichte der Literaturvermittlung. Festschrift für Reinhard Wittmann. Hrsg. von Monika Estermann, Ernst Fischer und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2005, S. 79–92. 109 Vgl. zum Individual- bzw. Kulturverleger umfassend Kuhbandner, Unternehmer zwischen Markt und Moderne; Ute Schneider: Die „Romanabteilung“ im Ullstein-Konzern der 20er und 30er Jahre. In: IASL 25, 2 (2000), S. 93–114 und Schneider, Der unsichtbare Zweite. Vor dem Hintergrund der Verlagsgeschichtsschreibung auch Fischer, Kapitale Verluste, S. 169.

1.1 Theorien, Methoden und Forschungsstand 

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derts zählen vor allem die sogenannten Kulturverleger, die ihre Verlage um 1900 herum gegründet haben, wie Samuel Fischer, Anton Kippenberg, Eugen Diederichs, Klaus Piper, Kurt Wolff, Paul und Bruno Cassirer.110 Auf sie trifft die Feststellung Doris Reimers zu, dass „gerade im Fall der großen Programmverleger […] die Verlegerpersönlichkeit den Verlag gemacht [hat] und nicht das Programm“111, was eine entsprechende Berücksichtigung in der verlagsgeschichtlichen Methode erforderte. Reimer wählte für ihre Arbeit über Georg Andreas Reimer112 einen biographischen Ansatz, den sie vorab in ihrem Aufsatz Methoden der Verlagsgeschichtsschreibung theoretisch entfaltet und vorgestellt hat.113 Die Untersuchung selbst widmet sich allerdings auch ausführlich dem Verlagsprogramm und dem Verlagsgeschäft. Während Reimer für die Darstellung der unterschiedlichen Perspektiven auf die Verlagsgeschichte voneinander methodisch und inhaltlich getrennte Kapitel wählt, zeigt Kuhbandner in ihrer Studie über die oben genannten Kulturverleger auf, wie der biographische Zugang zur Verlagsgeschichte in einem unternehmenshistorischen Ansatz weiterentwickelt werden kann, indem der Verleger als Unternehmerpersönlichkeit – hier als „Medienunternehmer“114 – betrachtet wird. Seine Handlungen werden auf ihre unternehmerische Funktion hin vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Marktentwicklung analysiert.115 Im Bereich des wissenschaftlichen Verlags sind mit den Arbeiten von Helen Müller über Walter de Gruyter116 und von Tilmann Wesolowski über den Verlag R. Oldenbourg117 zwei Studien erschienen, die den Habitus der Verlegerpersönlichkeit sowie seine Wertvorstellungen und Strategien der Werterhaltung vor dem Hintergrund des bildungsbürgerlichen Wertekanons und der familiären und beruflichen Sozialisation untersuchen.118 Wesolowski geht es in diesem Rahmen einerseits um das Selbstverständnis des Verlegers bezogen

110 Zu allen Verlagen erschienen Arbeiten mit unmittelbarem biographischem Bezug auf den Verleger und dezidierte Biographien der Verleger. Vgl. die Literaturangaben bei Kuhbandner, Unternehmer zwischen Markt und Moderne. 111 Doris Reimer: Methoden der Verlagsgeschichtsschreibung: Der biographische Ansatz am Beispiel des Berliner Verlegers Georg Andreas Reimer (1776–1842). In: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 1 (1997), S. 48–72, hier S. 51. 112 Doris Reimer: Passion & Kalkül. Der Verleger Georg Andreas Reimer 1776–1842. Berlin/New York: de Gruyter 1999. 113 S. o. Vgl. zur Vorgehensweise Reimers und deren Überlegungen bezüglich einer Verlegertypologie die kritische Stellungnahme von Trinckauf, Nicht nur Festschrift, S. 23–28. 114 Kuhbandner, Unternehmer zwischen Markt und Moderne, S. 20. Vgl. Fischer, Kapitale Verluste, S. 169, der Kuhbanders Arbeit bescheinigt, „im Kern unweigerlich dem Paradigma Persönlichkeit verhaftet [zu bleiben], weil sie sonst ihren Gegenstand verfehlen würde“. 115 Vgl. zur Vorgehensweise Kuhbandners: Diess., Unternehmer zwischen Markt und Moderne, S. 9–20. 116 Müller, Wissenschaft und Markt, s. o. 117 Wesolowski, Verleger und Verlagspolitik, s. o. 118 Vgl. hierzu auch Schneider, Verlagsgeschichte als Unternehmensgeschichte, S. 80 f.

18  1 Einleitung

auf seine verlegerische Tätigkeit (Rollenverständnis) und zum anderen um seine Einflussnahme auf die Wissenschaft und seine Wirksamkeit nach außen.119 Als Beispiel für eine in jüngerer Zeit erschienene verlagshistorische Studie aus sozialhistorischer Perspektive soll Corinna Norrick-Rühls Dissertation über die Rowohlt-Taschenbuchreihen rotfuchs und panther genannt werden, in der sie den Einfluss gesellschaftlicher und politischer Faktoren während der 1970er und 1980er Jahre auf die Entwicklung des Kinder- und Jugendbuchprogramms des Rowohlt Verlags untersucht.120 Unter Bezug auf die These des Kinder- und Jugendbuchforschers Malte Dahrendorf, dass eine adäquate Beurteilung von Kinder- und Jugendliteratur nur unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Bildungs- und Kommunikationsverhältnisse erfolgen kann,121 zeigt Norrick-Rühl auch auf, welche Rolle Verlage bei gesellschaftspolitischen Umbrüchen spielen können. Für die Verlagsgeschichtsschreibung ebenfalls relevant ist die semiotische Perspektive, die das Buch in seiner Erscheinung und Medienspezifik in den Blick nimmt. Zur theoretischen Fundierung und Weiterentwicklung einer „medienspezifischen ‚Grammatik‘ des Buches“ im Anschluss an die Erarbeitung eines semiotischen Konzepts von Typographie122 hat Susanne Wehde mit ihrer Studie Typographische Kultur. Eine zeichentheoretische und kulturgeschichtliche Studie zur Typographie und ihrer Entwicklung123 beigetragen. Auch Georg Stanitzeks oben bereits erwähnter Aufsatz über das Medium Buch und seine Form geht von einer semiotischen Perspektive aus und beleuchtet eingangs dezidiert die Bedeutung des paratextuellen Status von Typographie.124 Im Rahmen der Verlagsgeschichtsschreibung sind mit Einnehmen der semiotischen Perspektive Fragestellungen nach der Buchgestaltung und Buchwirkung, nach Werbemaßnahmen, Herstellungsprozessen und -kosten verbunden, z. B. im Bereich der Reihengestaltung und Klassikerausgaben oder in der unterschiedlichen Schriftgestaltung von literarischen und wissenschaftlichen Werken.

119 Vgl. Wesolowski, Verleger und Verlagspolitik, S. 22 f. 120 Corinna Norrick-Rühl: panther, rotfuchs & Co. rororo-Taschenbücher für junge Zielgruppen im gesellschaftlichen Umbruch der 1970er und 1980er Jahre. (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft. 24). Diss. phil. Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2013. Wiesbaden: Harrassowitz 2014. 121 Ebd., S. 2. 122 Vgl. Rautenberg, Buchwissenschaft in Deutschland, S. 49 f. 123 Susanne Wehde: Typographische Kultur. Eine zeichentheoretische und kulturgeschichtliche Studie zur Typographie und ihrer Entwicklung. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. 69). Tübingen: Niemeyer 2000. 124 Stanitzek, Buch: Medium und Form, S. 158–163.

1.2 Der Propyläen-Verlag: Forschungsperspektiven und methodischer Zugang

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1.2 Der Propyläen-Verlag: Forschungsperspektiven und methodischer Zugang Auf den ersten Blick scheint die Aufarbeitung der Geschichte eines Imprint-Verlags wie dem Propyläen-Verlag vor allem in eine klassische Programmanalyse zu münden, die ihren Schwerpunkt auf Werke und Autoren legt und besonders die kulturellen Leistungen des Verlags in den Blick nimmt. Denn der Imprint-Verlag tritt zwar unter eigenem Namen auf, ist aber wirtschaftlich und organisatorisch abhängig vom Hauptverlag. Somit wurde auf einer ersten Analyseebene die Entwicklung des Propyläen-Verlags zunächst durch die chronologische Rekonstruktion der Programmstruktur erschlossen. Als Kern der Verlagstätigkeit bildet – wie häufig in der Verlagsgeschichtsschreibung – das Verlagsprogramm „den Ausgangspunkt“125 und das „Gerüst der Geschichte“126. Insgesamt wird in der Programmanalyse der Frage nachgegangen, wo und auf welche Art und Weise sich der Propyläen-Verlag im literarischen Feld positionierte. Mit Blick auf das Konkurrenzfeld wird untersucht, wie sich das Eindringen des im Bereich der Unterhaltungsliteratur sehr erfolgreichen Ullstein Verlags in bis dahin von den renommierten Kulturverlegern dominierte Programmsegmente auf die Machtverhältnisse insgesamt im literarischen Feld auswirkte. Neben den Werken selbst stehen die Autoren, Herausgeber und Künstler im Fokus, deren tatsächlicher „Wert“ für den Verlag aufgezeigt werden soll. Innerhalb der chronologischen Grundstruktur der Arbeit wurden in einem systematischen Zugriff und in Abhängigkeit von der Quellendichte einzelne Projekte des Verlags herausgegriffen, die ein besonders detailliertes Bild von der konkreten Verlagsarbeit zeichnen. Wenn ein hochstrategisch agierender, auf Wirtschaftlichkeit und Rentabilität ausgerichteter Konzern einen Imprint-Verlag gründet, dann spielen allerdings über die kulturellen Aspekte hinaus vor allem auch ökonomische Faktoren eine wichtige Rolle. Gleichzeitig kann die Untersuchung des Propyläen-Programms nur im Kontext der Unternehmenspolitik des Ullstein-Konzerns erfolgen. So muss danach gefragt werden, welche Ziele Ullstein mit der Gründung des Propyläen-Verlags im Rahmen seiner Gesamtstrategie verfolgte, welche Bedeutung der Imprint-Verlag für den Hauptverlag hatte und welche Rolle er innerhalb des Unternehmens spielte (bzw. spielen sollte). Die Strategien des Ullstein-Konzerns bilden deshalb einen Rahmen, der die Fragestellungen an das Programm determiniert. Im Fokus stehen a) die systematische Marktbeobachtung und Programmausrichtung mit dem Ziel einer vollständigen Erschließung des Marktes und entsprechender Segmentierung

125 Jochen Meyer: Der Paul Steegemann Verlag. 1919–1935 und 1949–1960. Geschichte, Programm, Bibliographie. Stuttgart: Fritz Eggert 1975, S. 8. 126 Heinz Sarkowski: Der Springer-Verlag. Stationen seiner Geschichte. Bd. 1: 1842–1945. Berlin: Springer 1992, S. XIII.

20  1 Einleitung

des Angebotes, b) die damit verbundene Risikominimierung und konsequente Kosten-Nutzen-Beurteilung, c) das Handeln am Puls der Zeit und Vorantreiben von Modernisierungen, d) die optimale Nutzung vorhandener Ressourcen, wie z. B. im Rahmen der Mehrfachverwertung oder der Personalstrategie. So sollten nicht nur durch das Herausarbeiten von Schwerpunkten und die Beurteilung der Qualität des Propyläen-Programms Rückschlüsse auf das Image und die kulturelle Außenwirkung des Verlags ermöglicht werden.127 Für die tiefergehende Analyse des Programms wurden vor dem Hintergrund der innerbetrieblichen strategisch-wirtschaftlichen Faktoren auch der Titelausstoß und das Produktionsvolumen im Kontext der Marktentwicklung und der Konkurrenzsituation innerhalb der einzelnen Sparten beurteilt. Mit Bezug auf die von Berghoff geforderte „Rückbesinnung auf die ökonomischen Grundlagen historischer Prozesse“128 und gleichzeitigem Einbezug der kulturellen Dimension soll auf diese Weise anhand des Programms die Motivation des verlegerischen Handelns differenziert offengelegt werden. Es zeigte sich außerdem, dass gerade die Untersuchung der Gründung eines Imprint-Verlags und seiner Entwicklung in den ersten Jahren die Berücksichtigung unternehmensgeschichtlicher Aspekte erforderlich macht – jedenfalls soweit es die Quellenlage zulässt129. Von Interesse für den Ullstein und Propyläen-Verlag waren vor allem Details zur Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens, mit Hilfe derer Fragen zur Ein- bzw. Angliederung des Imprints in bzw. an den Hauptverlag, zu entsprechenden wechselseitigen Beziehungen und zu den Verantwortlichkeiten bzw. Entscheidungsabläufen und -strukturen beantwortet werden können. Konkret ging es bei Propyläen u. a. um die Organisation des Lektorats, Zuständigkeiten und Entscheidungsprozesse, z. B. beim Vorabdruck von Werken, oder um Planungsprozesse im Hinblick auf Herstellungsabläufe und Erscheinungstermine. Der biographische Zugang spielte für die Rekonstruktion der Geschichte des Propyläen-Verlags sowohl auf Quellenebene (s. u.) als auch in der Analyse eine Rolle. Es ging allerdings nicht darum, anhand der Lebensläufe einzelner Personen Verlagsgeschichte zu schreiben. Da bei Ullstein/Propyläen nicht eine einzelne Verlegerpersönlichkeit im Zentrum des Forschungsinteresses steht, sollte vielmehr die Bedeutung der relevanten Mitarbeiter im Hinblick auf ihr soziales und kulturelles

127 Vgl. Jäger, Keine Kulturtheorie ohne Geldtheorie, S. 15. 128 Hartmut Berghoff: Grundfragen und Theorieangebote der Unternehmens- und Unternehmergeschichte. In: Unternehmensgeschichte heute: Theorieangebote, Quellen, Forschungstrends. Beiträge des 4. Unternehmensgeschichtlichen Kolloquiums. Hrsg. von Rudolf Boch u. a. (Veröffentlichungen des Sächsischen Wirtschaftsarchivs e. V. Reihe A: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Sachsens. 6). Leipzig: Universitätsverlag 2005, S. 15–28, hier S. 20. 129 Erwartungsgemäß ist die Quellenlage zur Organisation des Betriebs in den zwanziger Jahren auch bei Ullstein sehr schmal, sodass die erhaltenen Quellen intensiv nach entsprechenden Hinweisen durchforstet werden mussten.

1.2 Der Propyläen-Verlag: Forschungsperspektiven und methodischer Zugang 

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Kapital aufgezeigt werden. Hierfür wurden die Biographien der wichtigsten Verlagsmitarbeiter auf ihre Kompetenzen und Beziehungsnetzwerke hin durchleuchtet. Eine Annäherung an die Propyläen-Verlagsgeschichte aus einer semiotischen Perspektive heraus erschien zunächst aufgrund der hochwertigen Gestaltung und Ausstattung der Bücher in den ersten Jahren und der Zusammenarbeit mit dem Buchkünstler Hugo Steiner-Prag sehr vielversprechend, war aber bei genauerem Hinsehen mit Schwierigkeiten verbunden. Denn über die Arbeit von Hugo SteinerPrag für den Propyläen-Verlag haben sich kaum Quellen erhalten (s. u.), und auch die Autopsie der von ihm gestalteten Bände war in vielen Fällen nicht möglich, sodass die Betrachtung der Buchgestaltung letztlich einen geringeren Umfang einnimmt, als ursprünglich geplant. Wie aus den vorherigen Ausführungen bereits deutlich wird, bildete Bourdieus Theorie von Anfang an eine wichtige Grundlage in der Auseinandersetzung mit dem Propyläen-Verlag. Sein Konzept des literarischen Feldes ermöglicht die Erklärung und Analyse von verlegerischen Strategien in Abhängigkeit von Umfang und Beschaffenheit des Kapitals, über das ein Verlag verfügt, und der Position, die er als Akteur in diesem Feld einnimmt.130 Das Feld ist geprägt von zwei „ökonomischen Logiken“, die entgegengesetzte, in ihrer absoluten Form unerreichbare Pole bilden. Die Verlage und ihre Stellung innerhalb des Feldes können in Bezug zu diesen Polen näher charakterisiert werden. Sie folgen nach Bourdieu entweder stärker der „Ökonomie der reinen Kunst“, die durch die Verleugnung des Kommerziellen und kurzfristiger Profite, lange Produktionszyklen und damit verbundene riskantere, langfristige Investitionen und das Entdecken neuer Autoren gekennzeichnet ist. Oder sie folgen der „ökonomischen Logik der literarisch-künstlerischen Industrien“, die sich an der Nachfrage der Kunden orientiert, auf eher kurzfristige Erfolge und entsprechende Risikominimierung ausgerichtet ist und deshalb die Zusammenarbeit mit erfolgreichen, bekannten Autoren forciert.131 Die tatsächliche oder immerhin proklamierte Distanz des jeweiligen Verlagsprogramms zu einem publikumsund gewinnorientierten Absatzmarkt fungiert als Differenzierungsprinzip, das sehr treffend auf Ullstein und die Kulturverleger der Zeit angewendet werden kann. Damit bietet Bourdieu ein geeignetes Theoriengerüst, um sowohl die Ausgangsposition des Ullstein Verlags vor der Gründung des Propyläen-Verlags als auch seine Strategien und seine Positionsveränderung im Zusammenhang mit der Etablierung des neuen Imprints zu analysieren. Der Blick auf die Konkurrenz, also auf den „Kampf“ zwischen den Akteuren um ihre Stellung im Feld, offenbart die Dynamik des Feldes

130 Vgl. Pierre Bourdieu/Loïc J. D. Wacquant: Die Ziele der reflexiven Soziologie. Chicago-Seminar, Winter 1987. In: Dies.: Reflexive Anthropologie. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2006, S. 95–249, hier S. 127–129. 131 Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt/ M.: Suhrkamp 1999, S. 228 f.

22  1 Einleitung

und zeigt die Abhängigkeit der Position eines Akteurs von der jeweiligen Positionierung der anderen Akteure auf. Einzelne Verschiebungen können eine Neubestimmung nicht nur der Struktur, sondern ebenfalls der Regeln des gesamten Feldes auslösen. Zum detaillierteren Verständnis dieser Prozesse dient die Analyse der unterschiedlichen Kapitalsorten. Da in jedem sozialen Feld eigene Gesetze herrschen, führt nur eine feldspezifische Konstellation der Kapitalsorten132 zu Anerkennung und Macht innerhalb des Feldes.133 Die Strategien der Verleger sind somit darauf ausgerichtet, sich mit möglichst verlustfreien Kapitalkonvertierungen der optimalen Kapitalkonstellation innerhalb des literarischen Feldes zu nähern, welche allerdings stets veränderlich bleibt und unabhängig von dem Wunsch des Verharrens oder Veränderns ein beständiges Handeln des Verlags erforderlich macht. Am Beispiel Ullstein/Propyläen lassen sich die verschiedenen Kapitalsorten und Kapitalumwandlungen besonders anschaulich darstellen. Bourdieu geht davon aus, dass das ökonomische Kapital allen anderen Kapitalsorten zugrunde liegt, diese jedoch niemals vollständig darauf zurückgeführt werden können, denn die umfassende Wirkung und der tatsächliche Wert der anderen Kapitalsorten ist abhängig von der Verschleierung ihrer ökonomischen Grundlage.134 Welche Verschleierungstaktiken Ullstein bei der Etablierung des Propyläen-Verlags anwendet, wird im Folgenden zu zeigen sein. Letztlich, so Bourdieu, sei eine Nutznießung der „vom Feld offerierten spezifischen Profite“ nur dann auf lange Sicht gewährleistet, wenn das ökonomische Kapital in symbolisches Kapital umgewandelt werde.135 Denn die „einzige legitime Akkumulation“ besteht für den Verleger „darin, sich einen Namen zu machen, einen bekannten und anerkannten Namen“.136 Und so stellt diese These einen ent-

132 Bourdieu beschreibt zunächst drei Kapitalsorten: Ökonomisches Kapital, das unmittelbar und direkt in Geld konvertierbar ist, kulturelles Kapital und soziales Kapital. Kulturelles Kapital existiert in drei unterschiedlichen Formen. Der objektivierte Zustand ist bei kulturellen Gütern wie Gemälden, Büchern, Maschinen gegeben, der inkorporierte Zustand beschreibt die personen- und körpergebundene „leiblich angeeignete und verinnerlichte kulturelle Kompetenz“ und der institutionalisierte Zustand kulturellen Kapitals bezieht sich auf die Vergabe von Bildungstiteln, die das angeeignete kulturelle Wissen öffentlich legitimieren. Das soziale Kapital wiederum bezeichnet „Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen“ und sich aus einem sozialen Netz aus Beziehungen ergeben. Hinzu kommt „als wahrgenommene und als legitim anerkannte Form der drei vorgenannten Kapitalien“ noch das symbolische Kapital. Es steht für das Prestige und das Ansehen, in dem sich der Besitz einer oder mehrerer der anderen Kapitalsorten schließlich niederschlägt. Vgl. Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Soziale Ungleichheiten. Hrsg. von Reinhard Kreckel. Göttingen: Otto Schwarz 1983, S. 183–198. 133 Vgl. Trinckauf, Nicht nur Festschrift, S. 12. 134 Vgl. Bourdieu, Ökonomisches Kapital, S. 196. 135 Bourdieu, Regeln der Kunst, S. 239. 136 Ebd.

1.3 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte  23

scheidenden Ausgangspunkt für die Analyse der Strategien des Ullstein-Konzerns und der Funktion des Propyläen-Verlags dar.

1.3 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte Den Ausgangspunkt für die vorliegende Studie bildete meine im Jahr 2009 von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angenommene Magisterarbeit Der Propyläen-Verlag in der Weimarer Republik – Programm und Autoren137. Während Kapitel 2 der Magisterarbeit (Externe und interne Rahmenbedingungen) in verkürzter Form weitgehend übernommen wurde, dienten die folgenden Kapitel als Grundlage für eine umfassende weiterführende Forschung.138 Erste Ergebnisse aus der Auseinandersetzung mit der Propyläen-Weltgeschichte wurden 2011 in meinem Aufsatz Die Propyläen-Weltgeschichte (1929–1933). Ein ambitioniertes verlegerisches Großprojekt in Imprimatur präsentiert,139 der in Teilen in das Kapitel zur Propyläen-Weltgeschichte integriert wurde, ohne dies an jeder einzelnen Stelle durch Eigenzitation kenntlich zu machen. Zwei Tagungen boten Gelegenheit, die Forschungsergebnisse zur Zeitschrift Der Querschnitt zur Diskussion zu stellen. So konnten die Bildarrangements im Querschnitt zwischen Kunstgalerie und Sportbericht auf der Tagung „Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere“. Der Ullstein Verlag in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts (Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 25.–27. April 2013) vorgestellt werden. Die Bedeutung des Querschnitts für den Propyläen-Verlag einerseits, die marginale Rolle des Verlags und seiner Autoren innerhalb der Zeitschrift andererseits waren Gegenstand meines Vortrags auf der Tagung Deutsche illustrierte Magazine – Journalismus und visuelle Kultur in der Weimarer Republik (Universität Erfurt, 4.–5. Juli 2013). Die anschließend in den entsprechenden Tagungsbänden veröffentlichten Aufsätze140 flossen in Kapitel 7 dieser Arbeit ein. Eine wichtige Grundlage für die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Propyläen-Verlags stellten die Aufsätze aus Band 2 (Teil 1) der Geschichte des Deut-

137 Daniela Krause: Der Propyläen-Verlag – Programm und Autoren. Magisterarbeit, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2009. 138 Versatzstücke aus der Magisterarbeit finden sich vor allem, wenn es um die Darlegung des Programms geht, z. B. in den Abschn. 4.1.3 und 4.2.3, oder um die allgemeine Vertragsgestaltung und die Autorenhonorare in Abschn. 5.3.2. 139 Daniela Gastell: Die Propyläen-Weltgeschichte (1929–1933). Ein ambitioniertes verlegerisches Großprojekt. In: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde, N. F. XXII (2011), S. 125–162. 140 Daniela Gastell: Kunst und Sport in den Fotografien des Querschnitts. In: „Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere“. Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von David Oels und Ute Schneider (AGB-Studien. 10). Berlin/München/Boston: de Gruyter 2015, S. 319–342. Daniela Gastell: Der Querschnitt im Propyläen-Verlag – Der Propyläen-Verlag im Querschnitt. In: Deutsche illustrierte Presse. Journalismus und visuelle Kultur in der Weimarer Republik. Baden-Baden: Nomos 2016, S. 331–354.

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schen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert dar. Sie lieferten unverzichtbares Hintergrundwissen über den gesamten Buchmarkt und den gesellschaftlich-kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Kontext zur Zeit der Weimarer Republik. Die Bezüge zwischen dem Propyläen-Programm und dem Buchmarkt und seiner einzelnen Sparten im Hinblick auf die Entwicklung der Absatzzahlen, die Preisgestaltung oder das Format der Bände wurden im Rekurs auf das umfangreiche, von Barbara Kastner für die Weimarer Republik ermittelte Datenmaterial hergestellt.141 Die Forschung über den Ullstein Verlag ist in den letzten Jahren vorangeschritten. Neben dem 2015 erschienenen, oben bereits erwähnten Tagungsband „Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere“142, der zahlreiche neue Aspekte über den Ullstein Verlag in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liefert, war in Bezug auf den Propyläen-Verlag besonders die Veröffentlichung der Ullstein Chronik im Jahr 2011 zu begrüßen, die unter dem Titel 100 Jahre Ullstein. Bücher im Zeichen der Eule ursprünglich bereits im Jahr 2004 hätte erscheinen sollen. Die Chronik enthält zahlreiche von Wissenschaftlern verfasste Aufsätze, die sich fundiert mit der Geschichte der Ullstein Buchverlage im Zeitraum von 1903 bis in die Gegenwart auseinandersetzen. Obwohl sie in Zusammenarbeit mit dem Verlag entstanden ist und nicht alle Aufsätze wissenschaftlichen Standards genügen, können die für diese Arbeit relevanten Texte durchaus als Forschungsliteratur beurteilt werden. Einen kurzen Überblick über das Programm des Propyläen-Verlags, über die wichtigsten Projekte und Autoren, eine entsprechende Einordnung in den Buchmarkt der Zeit und Bezüge zum Ullstein Buchverlag liefert der von Erhard Schütz für die Ullstein Chronik verfasste Aufsatz, der sich mit der Ullstein Buchabteilung 1918 bis 1933 auseinandersetzt.143 Weitere umfangreichere wissenschaftliche Arbeiten über den PropyläenVerlag existieren bisher nicht. Einen grundlegenden Einblick in die Geschichte des Ullstein Buchverlags in der Zeit von 1903 bis 1918 verschafft Ute Schneiders ebenfalls in der Ullstein Chronik er-

141 Barbara Kastner: Der Buchverlag der Weimarer Republik 1918–1933. Eine statistische Analyse. Diss. phil. elektr. Universität München 2005. URL: http://d-nb.info/976964406 [22.4.2018]. Auf dem Portal der DNB können die zahlreichen der Untersuchung Kastners zu Grunde liegenden Dateien heruntergeladen werden. Vgl. auch Barbara Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 341–378, in dem die Ergebnisse Kastners noch einmal aufbereitet zusammengefasst werden. 142 „Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere“. Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von David Oels und Ute Schneider (AGB-Studien. 10). Berlin/München/Boston: de Gruyter 2015. 143 Erhard Schütz: Ullstein Buchabteilung 1918 bis 1933. In: Ullstein Chronik. 1903–2011. Hrsg. von Anne Enderlein. Unter Mitarbeit von Ulf Geyersbach. Berlin: Ullstein 2011, S. 95–128.

1.3 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte 

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schienener Aufsatz Lektüre für die Metropole.144 Den Texten von Schneider und Schütz konnten darüber hinaus Informationen über die Lektoren des Verlags entnommen werden. Auch Schneiders Analyse der „Romanabteilung“ im Ullstein-Konzern der 20er und 30er Jahre145 widmet sich den Lektoren und der Lektoratsarbeit innerhalb der Ullstein Buchverlage, geht jedoch nur kurz explizit auf den Propyläen-Verlag ein.146 Mit Hartmut Binders Text über den Erzähler, Essayist und Übersetzer Paul Wiegler147 liegt eine quellenfundierte biographische Abhandlung vor, der zahlreiche Details über Wieglers weitreichendes Beziehungsnetzwerk, seine schriftstellerische Tätigkeit und seine Einstellung und Mitarbeit bei Ullstein zu verdanken sind. Im Vergleich dazu fielen die auf wenige, verstreute Hinweise basierenden Ausführungen zu Emil Herz und Max Krell deutlich kürzer aus. Zur Information über Hugo Steiner-Prag diente im Bereich der Forschungsliteratur insbesondere die biographische Abhandlung von Gert Klitzke148, die Steiner-Prags Zusammenarbeit mit dem Propyläen-Verlag jedoch lediglich mithilfe einiger Zitate skizziert. Zu Julius Elias – nicht nur die wichtigste Person in den ersten Jahren des Propyläen-Verlags, sondern darüber hinaus eine bedeutende Persönlichkeit des Berliner Kunst- und Kulturbetriebes – liegt außer einer kurzen biographischen Einführung von Hermann Uhde-Bernays in der Neuen Deutschen Biographie149 keine Forschungsliteratur vor. Hinweise zu Elias finden sich in der Ullstein Chronik vor allem im Zusammenhang mit dem Arcadia-Bühnenverlag, auf den Klaus Völker in seinem Text Der Arcadia-Verlag des Hauses Ullstein150 eingeht, und dem Propyläen-Kunstprogramm, das Gegenstand von Hans-Georg Pucherts Aufsatz Zwischen Anmut und Zero. Kunst bei Ullstein-Propyläen151 ist. In Mendelssohns Verlagsgeschichte über

144 Ute Schneider: Lektüre für die Metropole. Der Ullstein Buchverlag 1903 bis 1918. In: Ullstein Chronik. 1903–2011. Hrsg. von Anne Enderlein. Unter Mitarbeit von Ulf Geyersbach. Berlin: Ullstein 2011, S. 28–62. 145 Schneider, Die „Romanabteilung“ im Ullstein-Konzern der 20er und 30er Jahre. In: IASL 25, 2 (2000), S. 93–114. 146 Vgl. auch Schneider, Der unsichtbare Zweite, S. 127–134. 147 Vgl. Hartmut Binder: „… das Theater menschlicher Zustände und Regungen zu öffnen“. Der Erzähler, Essayist und Übersetzer Paul Wiegler. In: Brennpunkt Berlin. Prager Schriftsteller in der deutschen Metropole. Hrsg. von Hartmut Binder. Bearb. von Peter Mast. Bonn: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen 1995, S. 177–290. 148 Gert Klitzke: Hugo Steiner-Prag 1880–1945. In: Traditionen Leipziger Buchkunst. Hrsg. und eingel. von Albert Kapr. Leipzig: Fachbuchverlag 1989, S. 115–159. 149 Hermann Uhde-Bernays: Julius Elias. In: NDB 4 (1959), S. 439 f. Onlinefassung. URL: http:// www.deutsche-biographie.de/ppn116447710.html [12.10.2017]. 150 Klaus Völker: Der Arcadia-Verlag des Hauses Ullstein. In: Ullstein Chronik. 1903–2011. Hrsg. von Anne Enderlein. Unter Mitarbeit von Ulf Geyersbach. Berlin: Ullstein 2011, S. 129–150. 151 Hans-Georg Puchert: Zwischen Anmut und Zero. Kunst bei Ullstein-Propyläen. In: Ullstein Chronik. 1903–2011. Hrsg. von Anne Enderlein. Unter Mitarbeit von Ulf Geyersbach. Berlin: Ullstein 2011, S. 295–313.

26  1 Einleitung

den S. Fischer Verlag152 erfährt man mehr über die Freundschaft von Elias zu Samuel Fischer. Hartmut Pätzke hat einen Aufsatz über die freundschaftliche Verbindung von Käthe Kollwitz und Elias veröffentlicht.153 Eine erste Einführung in das Thema Klassikerausgaben der Jahrhundertwende mit einem Überblick über die unterschiedlichen Editionsverfahren liefert die Magisterarbeit von Martina Reigl.154 Informationen über die Etablierung des Klassikermarktes nach 1867 wurden zudem Wolfgang Frühwalds Text Die Überlieferung deutscher Klassiker-Texte oder Vom literarischen Geschmack des 19. Jahrhunderts entnommen.155 Im Hinblick auf die Konkurrenz im Klassikerbereich und die gültigen Qualitätsstandards ist u. a. Roland Starks Text über den Tempel-Verlag aufschlussreich.156 Die fundierte Untersuchung des Klassikermarktes, seiner Entwicklungen und Einflüsse sowie der Verleger und Herausgeber der Klassikereditionen und der Typologie157 und Gestaltung der Ausgaben aus editionsgeschichtlicher und buchwissenschaftlicher Perspektive stellt ein Forschungsdesiderat dar. Der im Rahmen des übergreifenden Forschungsvorhabens Text und Rahmen. Präsentationsmodi kanonischer Werke des Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel158 im Anschluss an einen Workshop entstandene Sammelband Die Präsentation kanonischer Werke um 1900. Semantiken. Praktiken. Materialität159, herausgegeben von Philip Ajouri, setzt an dieser Stelle an. Im Zentrum des Forschungsinteresses stand der „Rahmen“, innerhalb dessen kanonische Werke entstehen und der ihre Rezeption steuert. Dieser sollte aus drei Perspektiven heraus beleuchtet werden: als semantischer Rahmen, als Handlungsfeld zwischen Herausgeber und Verlag und im Hin-

152 Peter de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt/M.: Fischer 1970. 153 Hartmut Pätzke: „Ein ernsthaftes Kunstbemühen“ – Julius Elias und Käthe Kollwitz. In: Käthe Kollwitz und ihre Freunde. Katalog zur Sonderausstellung anlässlich des 150. Geburtstages von Käthe Kollwitz. Hrsg. vom Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. Berlin: Lukas 2017, S. 43–47. 154 Martina Reigl: Klassikerausgaben der Jahrhundertwende. Ein Vergleich anhand der Schillerausgaben des Jahres 1905 (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem deutschen Bucharchiv München. 31). Wiesbaden: Harrassowitz 1990. 155 Wolfgang Frühwald: Die Überlieferung deutscher Klassiker-Texte oder Vom literarischen Geschmack des 19. Jahrhunderts. In: Warum Klassiker? Ein Almanach zur Eröffnungsedition der Bibliothek deutscher Klassiker. Hrsg. von Gottfried Honnefelder. Frankfurt/M.: Dt. Klassiker-Verl. 1985, S. 13–36. 156 Roland Stark „Hier konnte man lernen, was Qualität war“. Der Tempel-Verlag und das Problem der Klassiker-Ausgaben. In: Librarium 43 (2000), S. 164–183. 157 Vgl. hierzu z. B. Dirk Göttsche: Ausgabentypen und Ausgabenbenutzer. In: Text und Edition: Positionen und Perspektiven. Hrsg. von Rüdiger Nutt-Kofoth u. a. Berlin: Erich Schmidt 2000, S. 37– 64. Göttsche gibt einen Überblick über verschiedene Ausgabentypen und ordnet diese in ihren historischen und kulturgeschichtlichen Entstehungskontext ein. 158 Vgl.: https://www.mww-forschung.de/forschungsprojekte/text-und-rahmen/?menuopen=1 [4.6.2018]. 159 Die Präsentation kanonischer Werke um 1900. Semantiken. Praktiken. Materialität. Hrsg. von Philip Ajouri (Beihefte zu editio. 42). Berlin/New York: de Gruyter 2017.

1.3 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte 

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blick auf die materielle Ausstattung der Bücher.160 Ajouri verweist in seiner Einführung auf das zunehmende Interesse der Literaturwissenschaft an der Materialität des Buches („material turn“)161 und der damit verbundenen Annäherung an die Buchwissenschaft.162 Die Themen und Ergebnisse der Aufsätze des Sammelbandes allerdings verbleiben letztlich in der literaturwissenschaftlichen Forschung und berühren die buchwissenschaftlichen Forschungsinteressen nur oberflächlich.163 Der Sammelband betrachtet den in der Forschung über die Klassikerausgaben insgesamt deutlich akzentuierten Zeitraum „um 1900“.164 Zum Klassikermarkt während der Zeit der Weimarer Republik hingegen finden sich nur wenige Hinweise in der Forschung. Auch zu den meisten bei Propyläen vertretenen Herausgebern gibt es wenig oder keine Forschungsliteratur. Einige Germanisten, wie Friedrich Hirth, Harry Maync, Waldemar Oehlke und Eduard Berend, sind im Internationalen Germanistenlexikon165 verzeichnet. Über den Jean-Paul-Forscher Eduard Berend existiert mit der in zwei Teilen im Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft erschienenen Arbeit von Hanne Knickmann166 zudem eine ausführliche biographische Skizze. Die von Harry Maync herausgegebene Gottfried Keller-Ausgabe wurde mit Hilfe von Walther Morgenthalers Aufsatz über Editionen und Editionsgeschichte167 des Werkes Kellers in den Kontext der konkurrierenden Ausgaben eingeordnet. Informationen über den Berliner Kunsthandel in der Weimarer Republik und im NS-Staat lieferte die Dissertation von Angelika Enderlein.168 Enderlein beschreibt de-

160 Vgl. ebd., S. 1 f. 161 Vgl. im Hinblick auf die Editionswissenschaft beispielsweise: Materialität in der Editionswissenschaft. Hrsg. von Martin J. Schubert (Beihefte zu editio. 32). Berlin u. a.: de Gruyter 2011. 162 Vgl. Ajouri, Präsentation kanonischer Werke, S. 5 f. 163 Die Verfasserin war sowohl zur Teilnahme am Workshop als auch zur Publikation eingeladen und hätte gerne einen Beitrag aus buchwissenschaftlicher Perspektive beigetragen, was leider aus persönlich-familiären Gründen nicht möglich war. 164 Vgl. z. B. Irmgard Heidlers Untersuchung: Zum Kontext der ersten deutschen Stendhal-Ausgabe. Einblicke in die Arbeit des frühen Eugen Diederichs Verlags. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 3 (1993), S. 185–222. Oder auch Doris Fouquet-Plümacher: Kleist auf dem Buchmarkt. Klassikerausgaben für das Bürgertum (Germanistische Texte und Studien. 94). Hildesheim/Zürich/New York: Olms 2014, die den Zeitraum von 1867 bis 1911 betrachtet. 165 Internationales Germanistenlexikon. 3 Bde. Hrsg. u. eingel. von Christoph König, bearbeitet von Birgit Wägenbaur. Berlin: de Gruyter 2003. 166 Hanne Knickmann: Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend (1883–1973). Ein Beitrag zur Geschichte der Germanistik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Teil I. In: Jahrbuch der JeanPaul-Gesellschaft 29 (1994), S. 7–91 und Teil II. In: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 30 (1995), S. 7–104. 167 Walther Morgenthaler: Editionen und Editionsgeschichte. In: Gottfried-Keller-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Ursula Amrein. Stuttgart: Metzler 2016, S. 338–356. 168 Angelika Enderlein: Der Berliner Kunsthandel in der Weimarer Republik und im NS-Staat. Zum Schicksal der Sammlung Graetz. Berlin: Akademie 2006, vor allem S. 30–73.

28  1 Einleitung

tailliert die Entwicklung des Kunstmarktes innerhalb der einzelnen Jahre. Sie legt einen Schwerpunkt auf das für diese Arbeit relevante Segment der Graphik und skizziert kurz die wichtigsten Buchantiquariate, Buchauktionshäuser und entsprechend spezialisierte Kunsthändler – ein Bereich des Kunsthandels, der bisher mit Ausnahme der Unternehmungen von Paul und Bruno Cassirer und Alfred Flechtheim weitgehend unerforscht ist. Mit Thomas W. Gaehtgens Aufsatz über Wilhelm von Bode und seine Sammler169 wurde ein zentraler Text über das Kunstsammeln und die Berliner Kunstsammler im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hinzugezogen. Gaehtgens untersucht, wer aus welchem Grund sammelte, was und auf welche Art und Weise gesammelt wurde und welche Bedeutung den Sammlern in Bezug auf die Gründung und Etablierung der Berliner Museen zukam. Für die Bewertung der PropyläenKunstgeschichte war besonders auch die von Gaehtgen herausgearbeitete Rolle Bodes – sein Einfluss auf die Sammler und innerhalb der Berliner Museen – von Interesse. Die Entwicklungen rund um die Gründung der Berliner Sezession konnten unter Bezug auf Hans Jürgen Imielas Aufsatz über die Rezeption des deutschen Impressionismus170 und den von Sigrid Achenbach und Matthias Eberle herausgegebenen Ausstellungskatalog Max Liebermann in seiner Zeit171 dargestellt werden. Einen fundierten Überblick über das Feld der Kunstverlage und eine Liste der Verlagsgründungen in der Weimarer Republik bietet Dorothea Peters in ihrem in der Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert erschienenen Aufsatz Kunstverlage172. Das Kunstprogramm der wichtigsten Konkurrenten Paul und Bruno Cassirer erhellen Sigrid Achenbach, die die Rolle von Max Liebermann und Max Slevogt in den Verlagen Bruno und Paul Cassirer173 untersucht hat, und Eva Caspers, die sich mit der Pan-Presse Paul Cassirers auseinandergesetzt hat.174

169 Thomas W. Gaehtgens: Wilhelm von Bode und seine Sammler. In: Sammler, Stifter und Museen. Kunstförderung in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Ekkehard Mai und Peter Paret unter Mitw. von Ingrid Severin. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1993, S. 153–172. 170 Hans Jürgen Imiela: Zur Rezeption des deutschen Impressionismus. In: Beiträge zur Rezeption der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Wulf Schadendorf (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts. 29). München: Prestel 1975, S. 73–83. 171 Max Liebermann in seiner Zeit. Hrsg. von Sigrid Achenbach und Matthias Eberle. München: Prestel 1979. 172 Dorothea Peters: Kunstverlage. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 463–508. 173 Sigrid Achenbach: Die Rolle Max Liebermanns und Max Slevogts in den Verlagen Bruno und Paul Cassirer. In: Ein Fest der Künste. Paul Cassirer. Der Kunsthändler als Verleger. Hrsg. von Rahel E. Feilchenfeldt und Thomas Raff. München: C. H. Beck 2006, S. 59–75, hier S. 68. 174 Eva Caspers: Paul Cassirer und die Pan-Presse: Ein Beitrag zur deutschen Buchillustration und Graphik im 20. Jahrhundert (Sonderdruck aus dem Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 33). Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung 1989.

1.3 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte 

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Die wichtigste Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem deutschen Impressionismus, den bei Propyläen vertretenen Künstlern und ihren entsprechenden Buchveröffentlichungen bildete Lothar Langs Überblickswerk Impressionismus und Buchkunst175. Neben der allgemeinen Einführung in den deutschen Impressionismus zeigt Lang die konkrete Arbeitsweise der einzelnen Künstler auf und beleuchtet explizit auch die Rolle der Verleger. Aus dem Werkverzeichnis lässt sich ablesen, in welchen Verlagen die Werke der Künstler in welcher Quantität erschienen sind. Auskünfte über die allgemeine Gestaltung der Bücher im Bereich der Kunst und Definitionen der unterschiedlichen Publikationsformen erteilte neben Langs Werk Buchkunst und Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert. Graphik, Illustration, Malerbuch176 auch Wulf D. von Lucius’ Aufsatz über Buchgestaltung und Buchkunst in der Weimarer Republik177. Fruchtbare Anknüpfungspunkte für die Aufarbeitung der Verbindungslinien zwischen Kunstvermittlung und Kunstbuch bietet der von Joseph Imorde und Andreas Zeising herausgegebene Sammelband Teilhabe am Schönen. Kunstgeschichte und Volksbildung zwischen Kaiserreich und Diktatur178. Einen ersten Einblick in das Kunstprogramm des Propyläen-Verlags vermittelten die in der Ullstein Chronik veröffentlichten Beiträge von Rainer Laabs179 und Hans-Georg Puchert180. Zur Information über die einzelnen Künstler wurden die Texte von Barbara Butts über Corinth als Graphiker181 und die schon etwas ältere, aber nach wie vor gültige Dissertation von Sigrid Achenbach über die Druckgraphik Max Liebermanns182 herangezogen. Im Hinblick auf Max Slevogts 150. Geburtstag im Jahr 2018 zog der Künstler die verstärkte Aufmerksamkeit der Museen und Kunsthis-

175 Lothar Lang: Impressionismus und Buchkunst. Leipzig: Edition Leipzig 1998. 176 Lothar Lang: Buchkunst und Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert. Graphik, Illustration, Malerbuch (Bibliothek des Buchwesens. 17). Stuttgart: Hiersemann 2005. 177 Wulf D. von Lucius: Buchgestaltung und Buchkunst. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 315–340. 178 Teilhabe am Schönen. Kunstgeschichte und Volksbildung zwischen Kaiserreich und Diktatur. Hrsg. von Joseph Imorde und Andreas Zeising. Weimar: Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften 2013, darin vor allem die einleitenden Bemerkungen von Joseph Imorde und Andreas Zeising: „Alles Bildungsleben gipfelt in der Kunst“. Einleitende Bemerkungen zum Thema Kunstgeschichte und Volksbildung. In: Ebd., S. 9–23. 179 Rainer Laabs: …und erhoffe mir aus unserer weiteren Zusammenarbeit eine Fülle schönster Werke. Bibliophiles aus dem Propyläen-Verlag. In: Ullstein Chronik. 1903–2011. Hrsg. von Anne Enderlein. Unter Mitarbeit von Ulf Geyersbach. Berlin: Ullstein 2011, S. 169–178. 180 Puchert, Zwischen Anmut und Zero. 181 Barbara Butts: „Wie ich das Radieren lernte“. Corinth als Graphiker. In: Lovis Corinth. Hrsg. von Peter-Klaus Schuster, Christoph Vitali und Barbara Butts. München/New York: Prestel 1996, S. 77– 86. 182 Sigrid Achenbach: Die Druckgraphik Max Liebermanns. Diss. phil. Universität Heidelberg 1974.

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toriker auf sich.183 In der Forschung zu Slevogt bleiben die wenigen im PropyläenVerlag entstandenen Werke jedoch meist unberücksichtigt.184 Dafür konnte in seinem Fall umso ausführlicher aus den Quellen heraus gearbeitet werden (s. u.). Insgesamt lässt sich in Bezug auf die einzelnen Künstler erkennen, was bereits mit Blick auf die Erforschung des gesamten Kunstmarktes konstatiert werden konnte: Die Druckgraphik ist im Vergleich zur Malerei in der Forschung stark unterrepräsentiert. Der einzige weitere nennenswerte Forschungsbeitrag zum Propyläen-Kunstprogramm liegt mit dem von Uwe Fleckner und Thomas W. Gaehtgens im Rahmen der kommentierten Herausgabe von Carl Einsteins Kunst des 20. Jahrhunderts (Propyläen-Kunstgeschichte) verfassten Aufsatz „Schauend ändert man Menschen und Welt.“ Carl Einstein und die Kunst des 20. Jahrhunderts185 vor. Er lieferte Hinweise über die Problematiken der zeitgenössischen Rezeption und informierte über die konkrete sprachlich-inhaltliche Ausgestaltung des Bandes. Weiterführende Informationen zu den Schwerpunkten des Propyläen-Programms ab 1926 fanden sich in Kornelia Vogt-Pracliks Abhandlung zu den Bestsellern in der Weimarer Republik zwischen 1925 und 1930186 und Jörg Vollmers Dissertation über die Kriegsliteratur in der Weimarer Republik187. Vollmers Text gab vor al-

183 Vgl. z. B. den Sammelband Blick zurück nach vorn. Neue Forschungen zu Max Slevogt. Hrsg. von Gregor Wedekind. Berlin: de Gruyter 2016 und die Ausstellungskataloge: Ein Tag am Meer. Slevogt, Liebermann und Cassirer. Hrsg. von Karoline Feulner anlässlich der Ausstellung des Landesmuseums Mainz vom 9.10.2018 bis 10.2.2019. München: Hirmer 2018; Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag. Eine Ausstellung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover (28.9.2018 bis 24.2.2019). Hrsg. von Thomas Andratschke, unter Mitarbeit von Heike Biedermann u. a. Petersberg: Imhof 2018; Im Banne der Verwüstung. Max Slevogt und der Erste Weltkrieg. Begleitheft zur Ausstellung Schloss Villa Ludwigshöhe, Edenkoben, 13.04. – 13.07.2014. Hrsg. von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesmuseum, Mainz; Max Slevogt. Neue Wege des Impressionismus. Anlässlich der Ausstellung Max Slevogt – Neue Wege des Impressionismus, Landesmuseum Mainz, 4. Mai – 12. Oktober 2014. Hrsg. von Direktion Landesmuseum Mainz. Bearb. von Sigrun Paas. München: Hirmer 2014; Max Slevogt in der Dresdner Galerie. Hrsg. von Heike Biedermann. Dresden: Sandstein 2012. 184 Vgl. z. B. den Aufsatz von Bernhard Geil: Max Slevogts graphisches Schaffen der Berliner Jahre. In: Max Slevogt. Die Berliner Jahre. Hrsg. von Sabine Fehlemann. Bearb. von Nicole Hartje. Köln: Wienand 2005, S. 170–179, der sich vor allem auf die bei den Cassirers entstandenen Werke bezieht und die Beziehung Slevogts zum Propyläen-Verlag vollständig ausblendet. Auch die in Anm. 176 genannten neueren Arbeiten über Slevogt beinhalten keine Beiträge, die für diese Arbeit relevant waren. 185 Uwe Fleckner und Thomas W. Gaehtgens: „Schauend ändert man Menschen und Welt.“ Carl Einstein und die Kunst des 20. Jahrhunderts. In: Carl Einstein: Die Kunst des 20. Jahrhunderts. Hrsg. und kommentiert von Uwe Fleckner und Thomas W. Gaehtgens. Berlin: Fannei & Walz 1996, S. 7–32. 186 Kornelia Vogt-Praclik: Bestseller in der Weimarer Republik 1925–1930. Herzberg: Bautz 1987. 187 Jörg Vollmer: Imaginäre Schlachtfelder. Kriegsliteratur in der Weimarer Republik. Eine literatursoziologische Untersuchung. Diss. phil. elektr. Universität Berlin 2003. URL: https://refubium.fuberlin.de/handle/fub188/9872 [20.2.2020].

1.3 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte 

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lem Aufschluss über die Verlagsstrukturen, die sich hinter der Herausgabe von Kriegs- bzw. Antikriegsliteratur verbargen, und half somit, die bei Propyläen erschienenen Titel entsprechend einzuordnen. Einen Überblick über die Konkurrenz des Propyläen-Verlags im Bereich der belletristischen Verlage bietet Stephan Füssels gleichnamiges Kapitel in der Buchhandelsgeschichte der Weimarer Republik.188 Zum tieferen Verständnis des Buchmarktes ab Mitte der zwanziger Jahre wurden ausgehend von Füssels Aufsatz über das Buch in der Medienkonkurrenz der zwanziger Jahre189 die Texte von Frédéric Teinturier190, von Madleen Podewski191 und Franziska Mayer192 konsultiert, die am Beispiel von Heinrich Mann, Arthur Schnitzler und Leo Perutz Veröffentlichungs-, Mehrfachverwertungs- und Popularisierungspraktiken untersuchen. Grundlegend zur Einführung in das Thema Feuilletonroman, besonders im Hinblick auf den Feuilletonroman-Markt der Weimarer Republik aber auch für Hinweise zum Vorabdruck eines Kriegsromans bei der konkurrierenden Frankfurter Zeitung, ist Norbert Bachleitners Kleine Geschichte des deutschen Feuilletonromans193. Nicola Kaminski, Nora Ramtke und Carsten Zelle194 rücken wiederum die Besonderheiten und Problematiken bei der Entstehung und Rezeption eines in Fortsetzung erscheinenden bzw. erschienenen Werkes in den Fokus des Forschungsinteresses. Sie verweisen auf das bisher wenig erforschte „erhebliche Steuerungspotential“195 durch die Redaktion, den Herausgeber oder den Verleger, welches besonders im Rahmen der Verlagsgeschichts-

188 Stephan Füssel: Belletristische Verlage. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 1–90. 189 Stephan Füssel: Das Buch in der Medienkonkurrenz der zwanziger Jahre. In: Gutenberg-Jahrbuch 71 (1996), S. 322–340. 190 Frédéric Teinturier: „Geschrieben wird für illustrierte Zeitungsleser und Schnellfahrer“. Heinrich Manns Romane am Ende der Weimarer Republik oder der Versuch, die Literatur zu popularisieren. In: Das Populäre. Untersuchungen zu Interaktionen und Differenzierungsstrategien in Literatur, Kultur und Sprache. Hrsg. von Olivier Agard, Christian Helmreich und Hélène Vinckel-Roisin. Göttingen: V&R unipress 2011, S. 145–157. 191 Madleen Podewski: Schnitzler und der Buch- und Zeitschriftenmarkt seiner Zeit. In: Schnitzler Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Christoph Jürgensen, Wolfgang Lukas und Michael Scheffel. Stuttgart: Metzler 2014, S. 52–56. 192 Franziska Mayer: Unterhaltung vom „Dichter“. Leo Perutz’ Ullsteinroman Wohin rollst du, Äpfelchen… In: Populäres Judentum. Medien, Debatten, Lesestoffe. Hrsg. von Christine Haug. Tübingen: Niemeyer 2009, S. 171–190. 193 Norbert Bachleitner: Kleine Geschichte des deutschen Feuilletonromans (Narr Studienbücher). Tübingen: Narr 1999. 194 Nicola Kaminski/Nora Ramtke/Carsten Zelle: Zeitschriftenliteratur/Fortsetzungsliteratur. Problemaufriß. In: Zeitschriftenliteratur/Fortsetzungsliteratur. Hrsg. von Nicola Kaminski, Nora Ramtke und Carsten Zelle. Hannover: Wehrhahn 2014, S. 7–39. 195 Ebd., S. 16.

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schreibung detaillierter untersucht werden kann. Dank der hervorragend recherchierten Beiträge von Thomas F. Schneider zu Remarques Werk196 konnte die Untersuchung des Vorabdrucks von Im Westen nichts Neues auf einer soliden Faktengrundlage erfolgen und mussten die Details der Entstehung des Romans im Rahmen der vorliegenden Studie nicht erneut rekapituliert werden. Eine umfassende Einführung in die deutsche Theaterlandschaft der Weimarer Republik und zahlreiche Informationen auch zu den bei Propyläen vertretenen Bühnenschriftstellern bot die zwar recht anekdotenhaft geschriebene, dadurch aber interessante Details berücksichtigende „Biographie des Theaters“ von Günther Rühle197. Sie wurde ergänzt durch die stärker systematisch analysierende Theatergeschichte von Peter Simhandl198. Hintergrundwissen zu den Entwicklungen und den allgemeinen Geschäftsusancen des Theaterverlags vermittelte vor allem Susanne Jaehrig-Ostertag in ihrem Beitrag zur Geschichte der Theaterverlage in Deutschland bis zum Ende des Dritten Reichs199. Die Verflechtung des Propyläen-Verlags mit dem Arcadia-Bühnenverlag erläutert das von Klaus Völker für die Ullstein Chronik verfasste Kapitel Der Arcadia-Verlag des Hauses Ullstein (s. o.). Hinweise auf die Vermarktung der Bühnenautoren lieferte außerdem Schneiders Aufsatz Der Buchverlag in der perfektionierten Vermarktungskette.200 Für Bertolt Brecht und Carl Zuckmayer liegen mit dem von Gunther Nickel verfassten Beitrag Carl Zuckmayer und seine Verleger201 und dem Aufsatz von Michael Davidis Bertolt Brecht und der Ullstein Verlag202 zwei Texte vor, die die verfügbaren Quellen vor allem auf die Vertragsbedingungen und Honorare der Autoren hin ausgewertet haben und somit einen wertvollen Beitrag für diese Arbeit leisten. Leben und Werk Ödön von Horváths konnten aus der von Traugott Krischke verfassten Biographie203 und der Horváth-Chronik204 erschlossen

196 Thomas F. Schneider: „Es ist ein Buch ohne Tendenz“ – Im Westen nichts Neues: Autor- und Textsysteme im Rahmen eines Konstitutions- und Wirkungsmodells für Literatur. In: Krieg und Literatur 1 (1989), S. 23–29. Ders.: Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues. Text, Edition, Entstehung, Distribution und Rezeption (1928–1930). Tübingen: Niemeyer 2004. 197 Günther Rühle: Theater in Deutschland. 1887–1945. Seine Ereignisse – seine Menschen. 2. Aufl. Frankfurt/M.: Fischer 2007. 198 Peter Simhandl: Theatergeschichte in einem Band. Aktualisierte Neuauflage. Leipzig: Henschel 2007. 199 Susanne Jaehrig-Ostertag: Zur Geschichte der Theaterverlage in Deutschland bis zum Ende des Dritten Reichs. In: AGB XVI (1976), Sp. 143–290. 200 Ute Schneider: Der Buchverlag in der perfektionierten Vermarktungskette. In: 125 Jahre Ullstein. Presse- und Verlagsgeschichte im Zeichen der Eule. Berlin: Springer 2002, S. 46–53. 201 Gunther Nickel: Carl Zuckmayer und seine Verleger. Von 1920 bis zur Rückkehr aus dem Exil. In: Buchhandelsgeschichte 2 (1998), S. B 84–B 91. 202 Michael Davidis: Bertolt Brecht und der Ullstein Verlag. Mit Anmerkungen zu einer Zeichnung von George Grosz. In: Buchhandelsgeschichte 3 (1997), S. B 146–B 152. 203 Traugott Krischke: Ödön von Horváth. Kind seiner Zeit. München: Heyne 1980, S. 106 f. 204 Traugott Krischke: Horváth-Chronik. Daten zu Leben und Werk. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1988.

1.3 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte  33

werden. Während die ältere Hasenclever-Biographie von Miriam Raggam205 vor allem die Werke Hasenclevers erläutert, konnten der Studie von Bert Kasties206 auch Details zur Betätigung Hasenclevers im Filmgeschäft entnommen werden. Eine quellenbasierte Untersuchung der Produktionsbedingungen der Bühnenautoren, die die Verbindungslinien der Medien Buch, Theater und Film als Präsentationsorte der Bühnenstücke im Rahmen der Mehrfachverwertungsstrategien der Verlage erforscht, steht noch aus. Jasmin Lange hat in ihrer Dissertation Der deutsche Buchhandel und der Siegeszug der Kinematographie. 1895–1933207 die Übertragung und Verwertung der Filmrechte u. a. am Beispiel des Ullstein-Konzerns analysiert. Dabei stützt sie sich vor allem auf die erhaltenen Vertragsunterlagen der Romanautoren. Die ebenfalls aus der Mainzer Buchwissenschaft hervorgegangene Dissertation Bernard Schülers208behandelt die Verbindungen Ullsteins zur Filmindustrie mit einem Focus auf der Filmgesellschaft Uco, geht aber nicht auf die Verfilmung der Bühnenstücke ein. Vergleichsweise positiv gestaltet sich die Forschungssituation in Bezug auf Walter Goetz und die Propyläen-Weltgeschichte. Wolf Volker Weigand hat eine Biographie über Goetz vorgelegt,209 in der er die Propyläen-Weltgeschichte als „Summe der Arbeit von Walter Goetz als Historiker“ analysiert. Er setzt sie in Bezug zu Goetz’ übrigen Schriften und zeigt auf, wie die Weltgeschichte Goetz’ geschichtstheoretische Auffassung und sein politisches Denken widerspiegelt. Matthias Middell, der sich in seiner Habilitationsschrift über das Leipziger Institut für Kultur- und Universalgeschichte intensiv mit der Weltgeschichtsschreibung auseinandergesetzt hat,210 vergleicht in Band 2 seiner Arbeit Helmolts Weltgeschichte sowie die Ullstein- und die Propyläen-Weltgeschichte im Kontext der Entwicklung des Institutes und der traditionellen Geschichtswissenschaft. Martin Nissen beleuchtet in seiner Dissertati-

205 Miriam Raggam: Walter Hasenclever. Leben und Werk. Hildesheim: Gerstenberg 1973. 206 Bert Kasties: Walter Hasenclever. Eine Biographie der deutschen Moderne. Tübingen: Niemeyer 1994. 207 Jasmin Lange: Der deutsche Buchhandel und der Siegeszug der Kinematographie 1895–1933. Reaktionen und strategische Konsequenzen (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft. 21). Wiesbaden: Harrassowitz 2010. 208 Bernard Schüler: Der Ullstein Verlag und der Stummfilm. Die Uco-Film GmbH als Ausdruck einer innovativen Partnerschaft (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft. 32). Wiesbaden: Harrassowitz 2013. 209 Wolf Volker Weigand: Walter Wilhelm Goetz 1867–1958. Eine biographische Studie über den Historiker, Politiker und Publizisten (Schriften des Bundesarchivs. 40). Boppard/Rhein: Boldt 1992, besonders S. 271–309. 210 Matthias Middell: Weltgeschichtsschreibung im Zeitalter der Verfachlichung und Professionalisierung. Das Leipziger Institut für Kultur- und Universalgeschichte 1890–1990. Bd. 2: Von der Kulturgeschichte unter Walter Goetz zur historischen Soziologie Hans Freyers. Leipzig: Akademische Verlagsanstalt 2005, besonders S. 637–649.

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on211 die Weltgeschichtsschreibung als besonders konstante Form der populären Geschichtsschreibung und erläutert allgemein die Charakteristika und Erfolgsfaktoren populärer Geschichtswerke für die Zeit um die Jahrhundertwende. Konkrete Ausführungen zu den Weltgeschichten aus dem Hause Ullstein/Propyläen hält Oliver Gliechs in der Ullstein Chronik veröffentlichter Aufsatz bereit.212 Von besonderer Bedeutung für die Analyse des Querschnitts war Ottfried Daschers Monographie zu Alfred Flechtheim213, in der der Autor seine teilweise bereits in kürzeren Beiträgen veröffentlichte Forschung über den Kunsthändler umfassend und angereichert mit zahlreichen Fotografien und verschiedenem Quellenmaterial, wie z. B. den Katalogen der Galerie Flechtheim, ausbreitet. Daschers FlechtheimBiographie ermöglichte die Rekonstruktion des Kontextes und des Beziehungsnetzwerkes, in dem der Querschnitt entstanden war. Die spätere Entwicklung des Querschnitts im Propyläen-Verlag unter Hermann von Wedderkop findet ihren Niederschlag in den verschiedenen Beiträgen zur Magazinliteratur der Weimarer Republik. So hebt Wilmont Haacke in seinem Forschungsbeitrag Das Magazin – Ein unentdeckter Zeitschriftentyp explizit auch den Querschnitt hervor.214 Den Vergleich mit amerikanischer Magazinliteratur verfolgen Patrick Rössler215 und Erika Esau216. Letztere beleuchtet dabei konkret die Verbindungslinien des Querschnitts nach Amerika und liefert am Rande noch einige bisher wenig bekannte Details zu Wedderkop. Einen deutlichen Schwerpunkt in der Forschung über den Querschnitt nimmt seine Untersuchung als illustriertes Magazin im Kontext des aufstrebenden Fotojournalismus der Weimarer Republik ein. Hier sei insbesondere auf die Arbeiten Patrick Rösslers hingewiesen, der unter anderem die Fotopräsentation der Ullstein-Publikationen Uhu, Querschnitt und Berliner Illustrirte Zeitung (BIZ) miteinander verglichen hat.217 Die häufig als besonderes Stilmerkmal der Fotopräsentation des Querschnitts erwähnten, bisher jedoch nicht weiter erforschten Bildkonfrontationen wurden nun

211 Martin Nissen: Populäre Geschichtsschreibung. Historiker, Verleger und die deutsche Öffentlichkeit (1848–1900). Diss. phil. Humboldt-Universität Berlin 2008. Köln: Böhlau 2009. 212 Oliver Gliech: Die Weltgeschichten aus dem Hause Ullstein–Propyläen. In: Ullstein Chronik. 1903–2011. Hrsg. von Anne Enderlein. Unter Mitarbeit von Ulf Geyersbach. Berlin: Ullstein 2011, S. 66–82. 213 Ottfried Dascher: „Es ist was Wahnsinniges mit der Kunst“. Alfred Flechtheim. Sammler, Kunsthändler, Verleger (Quellenstudien zur Kunst. 6). Wädenswil: Nimbus 2011. 214 Wilmont Haacke: Das Magazin – Ein unentdeckter Zeitschriftentyp. In: AGB 12 (1971), Sp. 429– 448. 215 Patrick Rössler: Global Players, Émigrés, and Zeitgeist. Magazine design and the interrelation between the United States and Germany. In: Journalism Studies, 8,4 (2007), S. 566–683. 216 Erika Esau: The Magazine of Enduring Value. Der Querschnitt (1921–36) and the World of Illustrated Magazines. In: The Oxford Critical and Cultural History of Modernist Magazines. Volume III, Europe 1880–1950. Part II. Oxford: University Press 2013, S. 868–924. 217 Patrick Rössler: Zwischen ‚Neuem Sehen‘ und der bildpublizistischen Massenware. Der Aufstieg des Fotojournalismus in Uhu, Querschnitt und Berliner Illustrirte Zeitung. In: „Der ganze Verlag ist

1.3 Forschungsstand Propyläen-Verlag und relevante Kontexte



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von Andreas Zeising218 im Rahmen der Tagung Deutsche illustrierte Presse. Journalismus und visuelle Kultur in der Weimarer Republik näher untersucht. Für die genauere Betrachtung des Themenbereichs Sport und seiner Darstellung im Querschnitt lieferten die Aufsätze des Sammelbandes Leibhaftige Moderne. Körper in Kunst und Massenmedien 1918–1933, herausgegeben von Michael Cowan und Kai Marcel Sicks,219 fruchtbare Hinweise. Vor allem Sicks Beitrag „Der Querschnitt“ oder: Die Kunst des Sporttreibens220 trägt zur theoretischen Fundierung des Zusammenhangs zwischen Kunst- und Sportästhetik bei, wie er auch im Querschnitt entwickelt wurde. Karin Rase221 geht in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung des Boxsports (für Alfred Flechtheim und innerhalb des Querschnitts) ein. Die Untersuchung des Querschnitts vor dem Hintergrund des Marktes der Kunstzeitschriften zur Zeit der Weimarer Republik ließ eine entsprechende Überblicksdarstellung als verlässlichen Ausgangspunkt vermissen. Eine umfassende Aufarbeitung der Kunstzeitschriften in der Zeit von ca. 1895 bis 1933 mit dem Ziel eines fundierten Überblicks über die unterschiedlichen Gründungsphasen im Kontext der Entwicklungen im Bereich der Kunst selbst, die eine Charakterisierung und mögliche Kategorisierung der Zeitschriften und eine Betrachtung ihrer Herausgeber und Verleger vornimmt, sowie deren Ambitionen und Verbindungen, die Bedeutung der Standorte, etc. beurteilt, ist bis heute ein Forschungsdesiderat. Die erste und einzige Überblicksdarstellung stammt von Fritz Herzog222 aus dem Jahr 1940. Aufgrund ihrer nationalsozialistisch-ideologischen Färbung, der zu hinterfragenden Kategorisierung der Zeitschriften und ihrer teilweise nicht zutreffenden Beurteilung ist sie nur sehr bedingt als Grundlage für weitere Forschung in diesem Bereich geeignet. Maria Rennhofer, die die Kunstzeitschriften der Jahrhundertwende im Zeitraum von 1895 und 1914 betrachtet hat223, fokussiert wiederum sehr stark auf den Jugendstil. Die

einfach eine Bonbonniere“. Ullstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von David Oels und Ute Schneider (AGB-Studien. 10). Berlin/Müchen/Boston: de Gruyter 2015, S. 287–319. 218 Andreas Zeising: Lenkung und Ablenkung. Die Bildkonfrontationen des Querschnitt. In: Deutsche illustrierte Presse. Journalismus und visuelle Kultur in der Weimarer Republik. Hrsg. von Katja Leiskau, Patrick Rössler und Susanne Trabert. Baden-Baden: Nomos 2016. 219 Leibhaftige Moderne. Körper in Kunst und Massenmedien 1918–1933. Hrsg. von Michael Cowan und Kai Marcel Sicks. Bielefeld: transcript 2005. 220 Kai Marcel Sicks: Der Querschnitt oder: Die Kunst des Sporttreibens. In: Leibhaftige Moderne. Körper in Kunst und Massenmedien 1918–1933. Hrsg. von Michael Cowan und Kai Marcel Sicks. Bielefeld: transcript 2005, S. 33–47. 221 Karin Rase: Kunst und Sport. Der Boxsport als Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse. Frankfurt/M.: Lang 2002. 222 Fritz Herzog: Kunstzeitschriften der Nachkriegszeit. Eine Darstellung der deutschen Zeitschriften für bildende Kunst von der Zeit des Expressionismus bis zur Neuen Sachlichkeit. Berlin: Rudolf Lorentz Verlag 1940. 223 Maria Rennhofer: Kunstzeitschriften der Jahrhundertwende in Deutschland und Österreich 1895 bis 1914. Augsburg: Bechtermünz 1997.

36  1 Einleitung

ungenaue und irreführende Beschreibung des Erscheinungsverlaufs der Kunst für Alle im Zusammenhang mit der im selben Verlag erscheinenden Zeitschrift Dekorative Kunst und der daraus entstandenen Publikation Die Kunst lässt auch Rennhofers populärwissenschaftliche Arbeit als verlässliche Forschungsbasis ausscheiden. Klaus Achim Hübners Dissertation über die Kunst für Alle224 aus dem Jahr 1954 nimmt als einzige Forschungsarbeit Bezug zu der von Herzog vorgenommenen Kategorisierung und bietet ein leicht verändertes Modell auf dessen Grundlage an. Die Ausrichtung des Modells an einem von Friedrich Pecht, dem Herausgeber der Kunst für Alle, postulierten „Qualitätskriterium“225 und die insgesamt sehr stark für die Zeitschrift Partei nehmende Argumentation disqualifizieren Hübners Arbeit ebenfalls als Grundlage für eine weiterführende Auseinandersetzung mit diesem Thema. Einen Überblick über die Inhalte, Funktionen, Formen und Ausstattungen der avantgardistischen Zeitschriften gibt Ute Schneider in ihrem 2001 in einem Sonderband der Literaturzeitschrift text+kritik erschienenen Aufsatz Artikulationsort Zeitschrift226, der sich allerdings hauptsächlich auf die stärker literarisch ausgerichteten Zeitschriften des Expressionismus konzentriert. Von den vorliegenden Beiträgen zu einzelnen Kunstzeitschriften hat bisher keiner den Versuch unternommen, einen systematischen Überblick über die Kunstzeitschriften dieser Jahre zu erarbeiten. Deshalb soll anhand ausgewählter Beispiele besonders bekannter, einflussreicher oder dem Querschnitt ähnlicher Zeitschriften das Feld der Kunstzeitschriften während der Weimarer Republik in Abschn. 7.1 kurz skizziert werden, um den Querschnitt entsprechend verorten zu können. Die zahlreichen Zeitschriftengründungen am Ende bzw. kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges, die nur wenige Jahrgänge erreichen konnten und z. T. bereits wieder eingestellt worden waren, als der Querschnitt gerade zu erscheinen begann, werden bei dieser Betrachtung nicht berücksichtigt. Der Schwerpunkt liegt auf Blättern, die wie der Querschnitt bis zum Beginn der dreißiger Jahre herausgegeben wurden, wie beispielsweise Die Kunst für Alle227, Der Kunstwart228, Kunst und Künstler229 oder das Kunstblatt230. Aufgrund seiner un-

224 Klaus Achim Hübner: Die Kunst für Alle. Ein Beitrag zur Geschichte der Kunstzeitschrift. Diss. phil. Freie Universität Berlin 1954. 225 Ebd., S. 12 f. 226 Ute Schneider: Artikulationsort Zeitschrift. In: Aufbruch ins 20. Jahrhundert. Über Avantgarden. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold (Sonderband text+kritik). München: text+kritik 2001, S. 171– 181. 227 Ulrich Pohlmann: Eine neue Kunst für Alle? Fotografie und Reproduktion in der Kunstzeitschrift Die Kunst für Alle. In: Die Kunst für Alle (1885–1944). Zur Kunstpublizistik vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus. Hrsg. von Iris Lauterbach (Veröffentlichungen des Zentralinstitutes für Kunstgeschichte in München. 27). München: Zentralinstitut für Kunstgeschichte 2010, S. 36–53. 228 H. Fred Krause: Der Kunstwart (1887–1937). In: Deutsche Zeitschriften des 17. bis 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Heinz-Dietrich Fischer. Pullach: Verlag Dokumentation 1973, S. 215–227. 229 Die wenigen Informationen in der von Sigrun Paas 1976 verfassten Dissertation (Sigrun Paas: Kunst und Künstler. Eine Zeitschrift in der Auseinandersetzung um den Impressionismus in Deutsch-

1.4 Verlagsgeschichtsschreibung ohne Verlagsarchiv 

37

mittelbaren Verbindungslinien zum Querschnitt, auf die vor allem Erika Esau231 verweist, wird ebenfalls der Ararat berücksichtigt, obwohl er in nur vier Nummern in den Jahren 1919/20 erschienen war.

1.4 Verlagsgeschichtsschreibung ohne Verlagsarchiv Quellenlage des Propyläen-Verlags

232

– zur

Die wichtigsten gedruckten Quellen zur Information über die Geschichte des Ullstein-Konzerns stellen die Beiträge in den Verlagsschriften zum 50. Jubiläum233 und zum 100. Jubiläum234 dar. Im Unterschied zur 2011 erschienenen Ullstein Chronik handelt es sich bei dem überwiegenden Teil der Autoren der Festschrift Hundert Jahre Ullstein um ehemalige Verlagsmitarbeiter bzw. Zeitzeugen.235 Zudem verzichten die Texte auf Belege oder den Nachweis der verwendeten Literatur. Das vierbändige Werk, das im letzten Band umfangreiches Fotomaterial präsentiert, liefert wesentliche Informationen aus allen Bereichen des Verlags. Auf die Entwicklungen des Buchverlags geht Hans Schwab-Felisch in seinem Beitrag Bücher bei Ullstein236 ein. Darüber hinaus waren besonders die Beiträge zu den einzelnen Periodika, dem

land. Diss. phil. Universität Heidelberg 1976.) über die Weimarer Zeit der Zeitschrift wurden vor allem durch die Ausführungen Karl Schefflers ergänzt: Karl Scheffler: Die fetten und die mageren Jahre. Ein Arbeits- und Lebensbericht. Leipzig: List 1946. 230 Lutz Windhöfel: Paul Westheim und Das Kunstblatt. Eine Zeitschrift und ihr Herausgeber in der Weimarer Republik (Dissertationen zur Kunstgeschichte. 35). Böhlau: Köln/Weimar/Wien 1995. 231 Esau, Magazine of Enduring Value (s. o.). 232 Vgl. meinen gleichlautenden Aufsatz Daniela Gastell: Verlagsgeschichtsschreibung ohne Verlagsarchiv. In: Verlagsgeschichtsschreibung. Modelle und Archivfunde. Hrsg. von Corinna Norrick und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2012, S. 46–59, dessen Ergebnisse hier eingeflossen sind. 233 50 Jahre Ullstein 1877–1927. Hrsg. von Max Osborn. Berlin: Ullstein 1927. 234 Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 1– 4. Berlin: Ullstein 1977. 235 Ein unmittelbar nicht eindeutig zwischen Quelle und Forschungsliteratur einzuordnender Text liegt mit dem Aufsatz des Historikers Hellmut Diwald vor (Hellmut Diwald: Das Selbstverständnis Europas. Historische Ullstein-Enzyklopädien. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 2. Berlin: Ullstein 1977, S. 261–293), der einen auf den ersten Blick wissenschaftlich-kritischen Überblick über die Weltgeschichten des Ullstein- und Propyläen-Verlags gibt. Bei der Bewertung der Weltgeschichten nach 1933 und der Vorgehensweise der Herausgeber Willy Andreas und Golo Mann muss allerdings Diwalds politisch rechtskonservative Einstellung berücksichtigt werden, die u. a. an der Verharmlosung des Holocaust in seinem Buch Geschichte der Deutschen sichtbar wird. Das Buch ist 1978 im Propyläen-Verlag erschienen, Diwald ist also zudem in seiner Eigenschaft als Autor des Verlags zu beurteilen. Sein Text soll vor diesem Hintergrund keine Ausnahme bilden und mit den anderen Aufsätzen zu den gedruckten Quellen gezählt werden. 236 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein (s. o.).

38  1 Einleitung

Querschnitt237, dem Uhu238 und der BIZ239 von Interesse. Georg Bernhards Beitrag von 1927 über Die Geschichte des Hauses240, der den Ullstein und den PropyläenBuchverlag behandelt, erschien im unmittelbaren historischen Kontext, was ihn als Quelle für die Präsentation des Verlags in dieser Zeit nach außen hin besonders interessant macht. Im Ullstein Verlag hat sich kein geschlossenes Verlagsarchiv erhalten. Im Februar 1945 wurde der gesamte Gebäudekomplex des Verlags während eines Bombenangriffs zerstört, sodass die meisten Unterlagen aus der davor liegenden Zeit vernichtet wurden. Ein Teil der erhaltenen Dokumente befindet sich heute im Unternehmensarchiv Axel Springer in Berlin. Dort werden die Honorarabrechnungen der Ullstein-/Propyläen-Autoren, einige Materialien, die Auskunft über die Organisation des Ullstein-Konzerns bzw. der Ullstein-AG geben, sowie die Ullstein-Chronik aufbewahrt, die eine der wichtigsten Quellen zur Rekonstruktion des Propyläen-Programms und der Produktivität des Verlags darstellt. Denn sie verzeichnet für die einzelnen Jahre die jeweils bei Ullstein und Propyläen erschienenen Titel und ihre Auflagenzahlen und dokumentiert die Entwicklung des Unternehmens, z. B. mit Angaben zur Angestelltenzahl, der Größe des Maschinenparks oder auch den Ein- und Austritten leitender Angestellter. Von ebenso hoher Bedeutung für diese Untersuchung war das Quellenkonvolut der größtenteils aus den zwanziger Jahren stammenden Vertragsakten von Autoren, Herausgebern und Künstlern, das sich im Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags befindet. Die Auseinandersetzung mit den Autoren des Propyläen-Verlags erfolgte anhand ausgewählter Beispiele in Abhängigkeit von den im Vertragsarchiv verfügbaren Unterlagen und deren Qualität bzw. Aussagekraft. Vor allem im literarischen Bereich war eine Schwerpunktsetzung auf die Bühnenautoren erforderlich, da ihre Vertragsakten ergiebiges Material beinhalten, wohingegen sich die Quellensituation vor allem bei den Romanautoren eher ungünstig darstellt. Zahlreiche Akten, wie beispielsweise von Lion Feuchtwanger, Walther von Hollander, Ernst Weiß und Ernst Penzoldt, konnten nicht aufgefunden werden, andere enthalten keine oder nur in sehr geringem Umfang Informationen über die im Propyläen-Verlag veröffentlichten Werke der Autoren.241

237 Gerhard F. Hering: Der Querschnitt. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 2. Berlin: Ullstein 1977, S. 209–257. 238 Eva Noack-Mosse: Uhu. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 2. Berlin: Ullstein 1977, S. 177–207. 239 Friedrich Luft: Berliner Illustrirte. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 2. Berlin: Ullstein 1977, S. 87–118. Zum Vorabdruck in der BIZ vgl. Carl Jödicke: Als die Werbung noch Propaganda hieß. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 3. Berlin: Ullstein 1977, S. 119–150. 240 Bernhard, Geschichte des Hauses. 241 So beinhaltet die Akte von Alfred Neumann z. B. keine Vertragsunterlagen, sondern lediglich Schriftwechsel seine persönliche finanzielle Situation betreffend. Auch die Akte von Willy Seidel

1.4 Verlagsgeschichtsschreibung ohne Verlagsarchiv 

39

Neben dem Unternehmensarchiv Axel Springer und dem Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags verzeichnet die Staatsbibliothek zu Berlin (StaBi) einen Splitterbestand Nachlass Ullstein, der jedoch größtenteils Briefe einzelner Ullstein-Autoren enthält, die auf eine Anfrage des Verlags bezüglich ihres liebsten „Schreibortes“ antworten. Für die Geschichte des Propyläen-Verlags war dieser Bestand deshalb von geringer Relevanz. Als mögliche Informationsquelle über die konkrete Verlagsarbeit, generelle personelle Zusammenhänge etc. wurde die Erinnerungsliteratur von Zeitzeugen durchgesehen. An erster Stelle sind Emil Herz’ Memoiren Denk ich an Deutschland in der Nacht242 zu nennen, in denen er seine eigene Geschichte bzw. die Geschichte seiner Familie mit der Geschichte Ullsteins verwebt.243 Das Buch wurde nur wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges veröffentlicht. Es entstand unter dem noch unmittelbaren Eindruck der Entlassung aus dem Ullstein Verlag nach über dreißig Jahren Betriebszugehörigkeit und der Vertreibung aus Deutschland. Anstoß zu Herz’ Buch war der Wunsch, die Erinnerung an seine Heimat, die Geschichte seiner jüdischen Familie und seines jüdischen Arbeitgebers für seine Nachfahren festzuhalten. Dem Werk konnten einzelne Hinweise über Herz’ Aufgaben innerhalb des Ullstein Verlags und sein Verhältnis zur Verlagsleitung entnommen werden. Max Krell verfasste seine Memoiren Das alles gab es einmal244 aus einem größeren zeitlichen Abstand heraus in betont lockerem Ton, mit der Motivation als „Chronist […] den Atem einer Zeit einzufangen“, also ein Bild davon zu zeichnen, wie das kulturelle Leben ausgesehen hatte, um festzuhalten, wie man „gelebt, gewünscht, sich gegeben und in dem ein oder anderen Fall gehandelt“ hat.245 Das Buch beschreibt in zahlreichen Anekdoten viele persönliche Eindrücke und Begegnungen. Über die konkrete Verlagsarbeit bei Ullstein findet sich nur wenig. Den Nachlass Krells bewahrt das DLA auf, darin einige Verträge mit Ullstein, z. B. Krells Einstellungsvertrag, das Kündigungsschreiben durch Ullstein und verschiedene Vorabdrucksverträge für von Krell verfasste Romane. Ansonsten enthält das eingesehene Konvolut vor allem Unterlagen über die geschäftlichen Beziehung Krells zu anderen Verlagen und die Entstehung seiner eigenen literarischen Werke.

enthält nicht die Verträge seiner beiden Propyläen-Publikationen und bei Arnold Ulitz ist lediglich der Vertrag für Worbs, nicht aber der für Aufruhr der Kinder erhalten. 242 Emil Herz: Denk ich an Deutschland in der Nacht. Berlin: Deutscher Verlag 1951. 243 Herz widmete bereits die ersten Sätze des Buches der Erinnerung an den Ullstein Verlag: „Über dreißig Jahre konnte ich als Leiter des Buchverlags Ullstein produktive Arbeit leisten. Am letzten Märztag 1934 wurde ich entlassen.“ Ebd., S. 7. 244 Max Krell: Das alles gab es einmal. Frankfurt/M.: Scheffler 1961. 245 Ebd., S. [5].

40  1 Einleitung

Auf den Spuren nach weiteren Einzelheiten zur Verlagsgeschichte wurden außerdem die Memoiren von Max Osborn246 und die Erinnerungen Grete Fischers247, die für Julius Elias gearbeitet hatte, durchgesehen. Beide Bücher lieferten für die Fragestellungen dieser Arbeit kaum Hinweise. Fischer äußert sich kurz zu Elias und ihrer Tätigkeit für den Propyläen-Verlag. Osborn zeichnet ein personenorientiertes Porträt der Kunst- und Theaterlandschaft zwischen 1890 und 1933, geht aber nicht auf Verbindungen zu Ullstein ein. Da das Bucharchiv des Ullstein Verlags bereits vor längerer Zeit aufgelöst wurde, musste für die Autopsie der Propyläen-Bände auf Bibliotheksbestände zurückgegriffen werden. Die meisten Werke konnten in der StaBi eingesehen werden, die auch über einen großen Bestand der Kunstpublikationen des Propyläen-Verlags verfügt. Als problematisch erwies sich allerdings, dass z. B. bei den Reihenproduktionen des Verlags die Originaleinbände häufig durch Bibliothekseinbände ersetzt worden sind. Nicht ohne weiteres verfügbar, sondern nur mit etwas Glück im Antiquariat aufzuspüren, sind die in kleinen Auflagen erschienenen Luxusausgaben.248 Ebenfalls nur selten und ausschließlich antiquarisch findet man die PropyläenSchutzumschläge, da trotz der großen Sammlung im DLA dort keine Umschläge des Propyläen-Verlags aufbewahrt werden. Die aus dem Georg Müller Verlag übernommenen Bestände konnten aus dem im DLA archivierten Übernahmevertrag zwischen den Verlagen erschlossen werden. Ausgehend davon wurden zur Rekonstruktion des Propyläen-Programms neben der Ullstein-Chronik und anderen verlagseigenen Verzeichnissen, Katalogen und Ankündigungen, die sich im DLA und im Archiv des Börsenvereins in Frankfurt (AdB) erhalten haben, die Deutsche Nationalbibliographie, die über den Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) verfügbaren Bibliothekskataloge und das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher (ZVAB) genutzt, das auch zur Recherche der Ausstattungsmerkmale von Ausgaben herangezogen wurde. Für die Untersuchung der Buchgestaltung waren daneben besonders die Druckvermerke in den verfügbaren einzelnen Büchern von Bedeutung, aus denen die Auflage und Ausstattung der unterschiedlichen Ausgaben, die Druckerei, die Buchbinderei und evtl. auch die Beigabe von Originalgraphiken hervorgehen. Detaillierte Unterlagen, die die Entstehung und Ausstattung der Propyläen-Bücher und die Zusammenarbeit mit Hugo Steiner-Prag dokumentieren, haben sich nicht erhalten. Die Suche danach führte ins DLA, wo ein Nachlasskonvolut Steiner-Prag/Schlegel, Irene aufbewahrt wird, das allerdings keine relevanten Materialien enthält. Im Jüdischen Museum Berlin wurde auf Mikrofiches der im Leo Baeck Institut in New York

246 Max Osborn: Der bunte Spiegel. Erinnerungen 1890 bis 1933. Hürth bei Köln: Edition Memoria 2013. (Erstveröffentlichung 1945 im Verlag Friedrich Krause in New York). 247 Grete Fischer: Dienstboten, Brecht und andere. Olten und Freiburg: Walter 1966. 248 Vgl. hierzu Laabs, und erhoffe mir.

1.4 Verlagsgeschichtsschreibung ohne Verlagsarchiv 

41

lagernde Nachlass Steiner-Prags eingesehen. Es fand sich lediglich ein 1947 an Emil Herz verfasstes Schreiben. In den Vertragsunterlagen des Vertragsarchivs des Ullstein Buchverlags haben sich die Verträge zu den künstlerischen Arbeiten SteinerPrags für den Propyläen-Verlag erhalten. Bis auf die Ankündigung des Endes der Zusammenarbeit mit Steiner-Prag aufgrund der ungünstigen Entwicklungen des Buchmarktes existieren aber auch hier keine Unterlagen, die sein Wirken als Buchkünstler bei Propyläen dokumentieren. Anhaltspunkte zu Steiner-Prags Arbeit für den Propyläen-Verlag finden sich vor allem in seinen autobiographischen Aufzeichnungen, die von Willi Geiger und Eleanor Steiner-Prag nach seinem Tod veröffentlicht wurden.249 Außerdem lieferte der Ausstellungskatalog Hugo Steiner-Prag 1880–1945250 einen umfassenden Überblick über die von Steiner-Prag für Ullstein bzw. Propyläen gestalteten Werke. Um zu verstehen, wie die von Propyläen weitergeführten Klassikerausgaben ursprünglich im Georg Müller Verlag entstanden sind, stellen die 2015 von Hartmut Walravens und Angela Reinthal herausgegebenen Briefe von Franz Blei an Georg Müller251 eine wertvolle Quelle dar. Sie beleuchten erstmalig die Rolle Bleis als Berater Georg Müllers und offenbaren das Ausmaß seines Einflusses auf die renommiertesten Projekte des Verlags, vor allem auch auf die von Propyläen übernommenen Goethe- und Schiller-Ausgaben. Zur Rekapitulation der zeitgenössischen Maßstäbe im Hinblick auf die bibliophile Buchgestaltung von Klassikerausgaben, aber auch auf editorische Grundsätze hin wurden die wichtigsten Organe der Bibliophilen Imprimatur, Zeitschrift für Bücherfreunde und Der Zwiebelfisch durchgesehen. Darin veröffentlichte Rezensionen zu Propyläen-Werken verschafften einen Eindruck über die Beurteilung der Propyläen-Ausgaben im Vergleich zu den ursprünglich bei Georg Müller erschienenen Ausgaben. Im Bereich der Klassikerausgaben wandte sich das Forschungsinteresse besonders auch den Herausgebern zu. Hier stellte sich zum Beispiel die Frage nach dem wechselseitigen Einfluss zwischen dem Renommee des Herausgebers und dem des Verlags, das am Beispiel des Stendhal-Herausgebers Oppeln-Bronikowski anschaulich dargestellt werden konnte. Oppeln-Bronikowskis Nachlass im DLA enthält zahlreiche Korrespondenzen mit dem Propyläen-Verlag, die die Zusammenarbeit vor allem im Rahmen der Stendhal-Ausgabe dokumentieren. Die weitere systematische Suche nach Nachlässen der Propyläen-Herausgeber im DLA fiel insgesamt recht ergebnislos aus. Neben den Unterlagen Oppeln-Bronikowskis förderte sie aber glückli-

249 Willi Geiger/Eleanor Steiner-Prag: Vorläufiger Plan und Notizen für eine Autobiographie Ein Leben für das schöne Buch von Hugo Steiner-Prag. In: Gutenberg-Jahrbuch 30 (1955), S. 196–203. 250 Hugo Steiner-Prag 1880–1945. Aquarelle, Zeichnungen, Graphik, Buchkunst. 17. Mai bis 21. Juni 1981. Eine Ausstellung der Künstlergilde. Esslingen: Künstlergilde 1981. 251 Franz Blei als Berater des Verlags Georg Müller. Franz Bleis Briefe an Georg Müller. Hrsg. von Hartmut Walravens und Angela Reinthal. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2015.

42  1 Einleitung

cherweise noch einige Korrespondenzen aus dem Konvolut Langen-Müller zutage, die die Zusammenarbeit der Verlage Propyläen und Müller an einem Band der E. T. A. Hoffmann-Ausgabe dokumentieren und unmittelbare Einblicke in die Arbeitsweise der beiden Verlage ermöglichten. Zu Julius Elias liegen weder eine Biographie noch autobiographische Aufzeichnungen vor. Es ist kein geschlossener Nachlass erhalten. Eine Anfrage bei der Fondation Custodia in Paris, wo ein Teil des Nachlasses von Elias verwaltet wird, ergab, dass es sich dabei um zwei Konvolute von Briefen Elias’ an Max Liebermann handelt, die allerdings keine Informationen zu Propyläen bzw. Ullstein enthalten. Auf eine Reise nach Paris und die Einsicht in den Briefwechsel wurde verzichtet, da das Verhältnis Elias–Liebermann anhand der von Ernst Braun veröffentlichten Briefe Liebermanns252 skizziert werden konnte. In der StaBi Berlin wurde ein weiterer Teilnachlass von Elias gesichtet, der Briefe u. a. von Samuel Fischer, Walter Hasenclever, Max Liebermann, Käthe Kollwitz und Carl Zuckmayer an Elias und einige Schreiben von Elias an Gerhart Hauptmann enthält. Paul Wieglers Nachlass wurde im Archiv der Akademie der Künste in Berlin eingesehen. Aufschluss über seine Zeit bei Ullstein geben vor allem Vertragsbriefe, die über Eintritt, Beurlaubungen und die jeweilige Beschäftigungsart informieren. Ansonsten enthält der Nachlass größtenteils Korrespondenzen mit anderen Verlagen und mit Einzelpersonen aus den Jahren nach 1945. Eine recht umfangreiche Korrespondenz zum Thema Vorabdruck konnte zwischen Wiegler und Arthur Schnitzler rekonstruiert werden. Schnitzlers Briefe an Wiegler (einige auch an Krell) lagern in einem Teilnachlass Schnitzlers im DLA, während sich die Briefe Wieglers an Schnitzler in seinem Nachlass in der University Library in Cambridge erhalten haben253. Ergänzend hierzu fanden sich weitere relevante Korrespondenzen in der von Braunwarth u. a. veröffentlichten Briefausgabe254 und den von Rodewald und Fiedler herausgegebenen Briefwechseln Hedwig und Samuel Fischers.255 Zur Übersicht über die Vorabdrucke der Propyläen-Romane wurden die online verfügbaren Digitalisate der Vossischen Zeitung auf die entsprechenden Titel hin durchsucht.

252 Vgl. Kontroverse Julius Elias – Max Liebermann. In: Max Liebermann. Briefe. Bd. 2. 1896–1901. Anhänge. Hrsg. von Ernst Braun. Baden-Baden: Deutscher Wissenschaftsverlag 2012, S. 457 f. und Ernst Braun: „… meine Frau toastete in wohlgesetzten Worten u – gratulirte sich zu ihrem Gatten…“. In: Romantik und Exil. Festschrift für Konrad Feilchenfeldt. Hrsg. von Claudia Christophersen und Ursula Wiedenmann. Würzburg: Königshausen & Neumann 2001, S. 364–368. Auch die nach Band 2 in den letzten Jahren erschienenen Bände der Briefausgabe Liebermanns enthalten (bis auf den in Abschn. 4.2.2 zitierten Brief Liebermanns, der von der Autorin im Original in der StaBi gesichtet wurde) keine weiteren, für diese Arbeit relevanten Briefe. 253 Mein Dank geht an David Oels, der die Kopien der Briefunterlagen zur Verfügung gestellt hat. 254 Arthur Schnitzler. Briefe. 1913–1931. Hrsg. von Peter M. Braunwarth u. a. Frankfurt/M.: Fischer 1984. 255 Samuel Fischer. Hedwig Fischer. Briefwechsel mit Autoren. Hrsg. von Dierk Rodewald und Corinna Fiedler. Frankfurt/M.: Fischer 1989.

1.4 Verlagsgeschichtsschreibung ohne Verlagsarchiv

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Als Glücksfall erwies sich die Durchsicht des in der Pfälzischen Landesbibliothek Speyer aufbewahrten Nachlasses von Max Slevogt. Er enthält umfangreiche Schriftwechsel des Künstlers mit seinen Verlagen, darunter vor allem mit Bruno Cassirer, aber auch mit dem Propyläen-Verlag. Ein recht vollständig erhaltener Briefwechsel zwischen Slevogt, Elias, Carl Ferdinand Reinhold und Bruno Cassirer über Slevogts bei Propyläen erschienenes Buch Der Waldläufer gab Aufschluss über die Arbeitsweisen im Bereich der Originalgraphik und die Konkurrenz der Verlage um einzelne Künstler. Eine weitere, besonders ergiebige Recherche im Bereich der Nachlässe ergab sich für den Herausgeber der Propyläen-Weltgeschichte, Walter Goetz, dessen Nachlass im Bundesarchiv in Koblenz verwahrt wird. Er enthält zahlreiche Briefe des Verlags an Goetz, die Korrespondenz des Assistenten Sigfrid Steinberg, außerdem Entwürfe zur Konzeption der Weltgeschichte. Während in den bei Ullstein erhaltenen Vertragsakten vor allem die Konditionen des Herausgebervertrages und die Honorare der Mitarbeiter von Interesse für die Verlagsgeschichtsschreibung waren, konnte auf der Grundlage der Nachlassdokumente und unter Einbezug der Erinnerungen von Walter Goetz256 die Entstehung der Propyläen-Weltgeschichte in einem in dieser Arbeit seltenen, hohen Detailgrad nachvollzogen werden. Der Weltgeschichte ist deshalb ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem zum Beispiel die zwischen Verlag und Herausgeber diskutierten Erfolgskriterien und Ausstattungsmerkmale und die Suche nach geeigneten Autoren umfassend beleuchtet werden. Auch die Entstehung des abschließenden Kapitels zum Querschnitt gründete sich auf intensive Quellenrecherchen. Zunächst wurden in der Stadtbibliothek Mainz im Rahmen der Magisterarbeit über den Propyläen-Verlag die Originalausgaben der Zeitschrift vor allem auf ihre Gestaltung hin, auf Äußerungen der Herausgeber bezüglich der Konzeption, später auch auf die Präsentation des Propyläen-Verlags, seiner Werke und Autoren hin untersucht. Der Start des Informations- und Forschungsportals www.illustrierte-presse.de im Jahr 2013, das die Ausgaben des Querschnitts als Digitalisate online zur Verfügung gestellt hat257, verlagerte die Recherche ins Internet. Mithilfe der Stichwortsuche konnten gezielt die Themen Kunst, Sport und Fotografie im Querschnitt bearbeitet werden.

256 Walter Goetz: Aus dem Leben eines deutschen Historikers. In: Ders.: Historiker in meiner Zeit. Gesammelte Aufsätze. Mit einem Geleitwort von Theodor Heuss. Köln/Graz: Böhlau 1957, S. 1–87. 257 Die Digitalisate aus dem Digitalisierungs- und Erschließungsprojekt „Illustrierte Magazine der Klassischen Moderne“ wurden mittlerweile in den Fachinformationsdienst arthistoricum.net eingegliedert. Sie sind einsehbar unter: URL: https://www.arthistoricum.net/themen/textquellen/illustrierte-magazine-der-klassischen-moderne/ [20.2.2020].

2 Externe und interne Rahmenbedingungen 2.1 Buchmarkt der Weimarer Republik Der Erste Weltkrieg markierte einen „tiefen Einschnitt in die Wachstumsgeschichte der Buchproduktion“.1 Bis 1918 hatte sich die Titelzahl im Vergleich zum letzten Friedensjahr um mehr als die Hälfte reduziert und auch in den folgenden Jahren der Weimarer Republik gelang es nicht, an die Spitzenwerte der Vorkriegszeit anzuknüpfen.2 Der Buchmarkt zwischen den Weltkriegen war geprägt durch wirtschaftliche Krisen und kulturelle Debatten. Die Zahl der im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels registrierten Buchhandelsbetriebe stieg zunächst von 12 240 Betrieben im Jahr 1919 auf 13 706 Betriebe im Jahr 1925 an. Bis 1933 reduzierte sich die Anzahl der Unternehmen dann jedoch wiederum auf 11 417.3 Der Verlagsbuchhandel wurde beeinflusst von einer weitreichenden Konzentrationsbewegung. Durch Zusammenschluss und Aufkauf von Unternehmen entstanden mächtige verlegerische Großbetriebe, wie beispielsweise die Deutsche Verlagsanstalt, der Verlag Julius Springer oder auch die Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter und Co.4 Die führenden Verlagsstädte der Weimarer Republik waren Berlin und Leipzig, die über 40 Prozent der gesamten Buchproduktion auf sich vereinten. Während Leipzig – gemessen an der Titelproduktion – Berlin zunächst in nur geringem Maße nachstand, setzte sich die Hauptstadt in den späteren Jahren der Republik „mit einem Anteil von über 28 Prozent am Gesamtverlag unangefochten“ an die Spitze der deutschen Verlagsstädte.5 Im Bereich der Herstellung litt die Verlagsbranche insgesamt unter dem Mangel an Papier und vor allem die Verleger hochwertiger Bücher und Kunstpublikationen auch unter dessen schlechter Qualität.6 Außerdem kam es zu erheblichen Preisstei-

1 Kastner, Statistik und Topographie, S. 341. 2 Vgl. ebd., S. 341 f. 3 Der deutliche Abfall zwischen 1926 und 1928 hing allerdings hauptsächlich mit einer „Säuberungsaktion des Börsenvereins bzw. der Adressbuchredaktion von ‚Karteileichen‘“ zusammen. Die rückläufigen Zahlen ab 1930 waren dann „aber zweifellos von der Wirtschaftslage bedingt“. Vgl. Ernst Fischer: Marktorganisation. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 265–304, hier S. 284 f. 4 Vgl. Ute Schneider: Der wissenschaftliche Verlag. Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 379–440, hier S. 389–397. 5 Kastner, Statistik und Topographie, S. 368. 6 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 464. https://doi.org/10.1515/9783110683561-002

2.1 Buchmarkt der Weimarer Republik



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gerungen im Buchdruckgewerbe, im graphischen Gewerbe und in den Buchbindereien und damit zu einer Erhöhung der ohnehin schon beträchtlichen Herstellungskosten, die für die Produktion aufwändiger Werke kalkuliert werden mussten.7 Die nach Ende des Ersten Weltkrieges einsetzende und bis 1923 andauernde Inflation brachte durch den extremen Währungsverfall, der 1922 in einer Hyperinflation gipfelte, einen signifikanten Kaufkraftverlust mit sich. So stieg die Titelproduktion der Verlage im Vergleich zum Jahr 1919, das 22 308 Titel hervorgebracht hatte, bis 1924 um lediglich ca. 3,5 Prozent auf 23 082 Titel an.8 Für die meisten Schriftsteller bedeutete die steigende Inflation ein „ökonomisches Desaster“, weil ihre in der Vergangenheit ausgehandelten Honorare sich auf einen „längst überholten Verkaufspreis“ bezogen und bei Auszahlung nur noch einen geringen Wert hatten.9 In den meisten Buchverlagen war es zunächst „gängige Praxis“, die Honorare nicht an die Geldentwertung anzupassen,10 bis mit Voranschreiten der Inflation im Jahr 1922 durch den Börsenverein eine sich ständig erhöhende „Schlüsselzahl“11 eingeführt wurde, mit der die von den Verlagen festgesetzten Grundpreise der Bücher zu multiplizieren waren. Erst die Einführung der Rentenmark im Rahmen der Währungsreform im Herbst/Winter 192312 beendete die Gültigkeit dieses Systems. Der Währungsverfall wurde gestoppt und nach Überwindung der akuten Produktions- und Beschäftigungsprobleme begann im Sommer 1924 eine kurze, bis zur nächsten Krise im Jahr 1929 andauernde „Phase relativer Prosperität“13, die auch in politischer Hinsicht zunächst von relativer Ruhe und Stetigkeit geprägt war.

7 Vgl. ebd. 8 Vgl. Kastner, Statistik und Topographie, S. 341. 9 Britta Scheideler: Schriftsteller und Schriftstellerorganisationen. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 99–148, hier S. 104. 10 Ebd. Der Propyläen-Verlag hingegen änderte nur kurze Zeit nach Abschluss der Verträge die Vergütungsklausel. Den Autoren der Propyläen-Kunstgeschichte beispielsweise wurde eine Anpassung des Honorars auf der Grundlage der Goldmark-Entwicklung zugesagt. Die entsprechende Erhöhung berücksichtigte jedoch lediglich die „Hälfte des Prozentsatzes, der sich aus dem Verhältnis der Goldmark“ in der Woche des Manuskriptablieferungstermins und der „Woche des Vertragsabschlusses“ ergab. Vgl. z. B. die Verträge von Werner Weisbach (31.6.1922) und Otto Fischer (28.9.1922), die diese Konditionen enthalten (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 11 Zum Schlüsselzahlsystem vgl. Thorsten Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation. In: AGB 51 (1999), S. 1–187, hier S. 83–88 und Fischer, Marktorganisation, S. 267–269. 12 Vgl. Volker Hentschel: Wirtschaft und Politik in der Weimarer Republik. Ein Überblick. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 29–70, hier S. 47–50. 13 Hentschel, Wirtschaft und Politik, S. 50.

46  2 Externe und interne Rahmenbedingungen

In der Mitte der zwanziger Jahre entflammte eine lebhafte öffentliche Debatte um die Bedeutung des Buches und die Zukunft des Buchmarktes,14 auf den sich der kulturelle und soziale Wandel der Weimarer Republik deutlich auswirkte. Obwohl Deutschland die weltweit höchste Titelproduktion vorweisen konnte, beklagten Buchhändler und Verleger eine „Bücherkrise“ und befürchteten das Ende der Lesekultur.15 Dafür gab es verschiedene Gründe. Durch den Statusverlust und Niedergang der mittelständisch-bürgerlichen Bildungsschicht16 und die Neugestaltung der Erwerbsstruktur hatte ein sozialer Umbruch im Gefüge des Lese- und Käuferpublikums stattgefunden.17 Die Zahl der Angestellten nahm in der Weimarer Republik rasant zu18 und es entwickelte sich ein „neuer Mittelstand“19, der allerdings hinsichtlich seiner finanziellen und ideellen Lebensumstände und damit seiner „geistigen und kulturellen Bedürfnisse“20 äußerst heterogen war. Dessen ungeachtet bestand die Notwendigkeit, Programmgestaltung und Werbemaßnahmen an dieses neue Publikum anzupassen. Da für zahlreiche Verleger und Sortimenter, besonders für die Kulturverleger, jedoch nach wie vor der Bildungsbürger der Vorkriegszeit als Maßstab für den idealen Kunden galt, tat man sich in der Praxis vielfach schwer damit, den veränderten Bedingungen Rechnung zu tragen.21 Die subjektiv empfundene „Bücherkrise“ in dieser Zeit des Umbruchs muss somit auch als „generationenspezifisches Problem“ verstanden werden.22 Stellvertretend für die Kulturverleger kann

14 Zur Diskussion um die Bücherkrise als Kulturkrise vgl. auch Fischer, Marktorganisation, S. 273– 277. 15 Ute Schneider: Eine Stadt liest – Berliner Buchhandel und Verlagswesen. In: Berlin. Medien- und Kulturgeschichte einer Hauptstadt im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Matthias Bauer. Tübingen u. a.: Francke 2007, S. 72–88, hier S. 74. 16 In den zwanziger Jahren lautete der übliche Terminus „gebildeter Mittelstand“, der sich mit dem in der sozialhistorischen Forschung gängigen Begriff des Bildungsbürgertums gleichsetzen lässt. Vgl. Berthold Brohm: Das Buch in der Krise. In: AGB 51 (1999), S. 189–331, hier S. 257, Anm. 7. 17 Vgl. Schneider, Eine Stadt liest, S. 74. 18 Vgl. Brohm, Buch in der Krise, S. 259 „Während die Zahl der Arbeiter seit der Jahrhundertwende stagnierte, bzw. in den ersten Jahren der Weimarer Republik sogar leicht zurückging (1925: 14,4 Millionen), verdreifachte sich der Anteil der Angestellten im gleichen Zeitraum (1925: 3,6 Millionen).“ 19 Ute Schneider: Buchkäufer und Leserschaft. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 149–196, hier S. 156. 20 Brohm, Buch in der Krise, S. 260. 21 Vgl. ebd., S. 260; Schneider, Buchkäufer und Leserschaft, S. 156. 22 Ernst Fischer/Stephan Füssel: Kultur und Gesellschaft. Signaturen der Epoche. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 5–28, hier S. 6.

2.1 Buchmarkt der Weimarer Republik 

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Samuel Fischer (1859–1934) angeführt werden, der sich 1926 nostalgisch an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erinnerte: Man denke etwa an die Zeit vor dem Krieg zurück, damals, als es noch einen bürgerlichen Kreis gab, der eine Atmosphäre von Kultur und Sitte verbreitete und alle jene Elemente anzog, die in Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst Ansehen und Einfluss gewonnen hatten.23

Nachdem weder die wirtschaftliche Lage noch die Buchpreise eine ausreichende Erklärung für den schwindenden Absatz vor allem im belletristischen Bereich des Buchhandels geliefert hatten, hielt das Stichwort „Novitätensucht“ Einzug in die Diskussion um die Bücherkrise.24 „Wer noch Bücher kauft, fragt zuerst, was es Neues gibt. […] Hier liegt eine ganz große Gefahr, der wir alle unsere ernste Aufmerksamkeit zuwenden sollten“, stellte Kurt Wolff (1887–1963) 1927 im Börsenblatt fest.25 Sortimenter bestätigten, dass fast ausschließlich Neuerscheinungen verkauft wurden, während ältere Titel kaum mehr abgesetzt werden konnten. Für die Verlage aber war die Langlebigkeit eines Titels von großer wirtschaftlicher Bedeutung, da in der Regel der Verkauf aus der „Backlist“ das Kapital für die aktuelle Produktion einbrachte und bei vielen Titeln erst durch weitere Auflagen die getätigten Investitionen ausgeglichen werden konnten.26 Zur Minderung ihres Risikos reagierten die Verlage mit einer verringerten Erstauflage der Werke und erhöhten im Gegenzug die Titelanzahl.27 Statistisch schlug sich diese Vorgehensweise in einem deutlichen Anstieg der Ersterscheinungen ab 1926 nieder, während der Anteil der Neuauflagen an der Gesamtproduktion rückläufig war.28 Das in der Weimarer Republik entstandene Massenpublikum ließ sich in seiner Lektürewahl nicht mehr oder nur noch sehr begrenzt durch den Sortimenter lenken. Der bildungsbürgerliche Kanon hatte an Bedeutung verloren. Statt großer Dichter verlangte das Publikum verstärkt unterhaltsame, am Zeitgeist orientierte Lektüre – vor allem Romane erfuhren einen großen Zuspruch.29 Das Buch hatte seine Vorherrschaft als Bildungsgut eingebüßt. Es musste sich in den zwanziger Jahren nicht nur gegen die Konkurrenz anderer Medien, wie dem Kino und dem Radio behaupten, sondern auch gegenüber zahlreichen weiteren Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten,

23 Samuel Fischer: Bemerkungen zur Bücherkrise. In: Das 40. Jahr. Berlin: S. Fischer 1926, S. 80– 85. 24 Vgl. Brohm, Buch in der Krise, S. 280 f. 25 Zitiert nach ebd., S. 281. 26 Vgl. ebd., S. 280. 27 Vgl. ebd. 28 Kastner, Statistik und Topographie, S. 342: Der Anteil der Ersterscheinungen stieg von 76,8 Prozent im Jahr 1925 auf bis zu 84,3 Prozent im Jahr 1932, während der Anteil der Neuauflagen von 23,2 Prozent im Jahr 1925 auf 15,7 Prozent im Jahr 1932 zurückging. 29 Vgl. Schneider, Buchkäufer und Leserschaft, S. 154 f.

48  2 Externe und interne Rahmenbedingungen

die den Menschen vor allem in Großstädten zur Verfügung standen.30 Theateraufführungen, Volkshochschulkurse, Teilnahme an regem Vereinsleben, Ausflüge in neue Vergnügungsparks, Tanzveranstaltungen, das aktive Betreiben einer Sportart oder die Teilnahme an unterschiedlichen, in dieser Zeit besonders populären Sportveranstaltungen sorgten für den entsprechenden Zeitvertreib. Erstmals etablierte sich in Deutschland eine von der Begeisterung für alles Amerikanische geprägte Unterhaltungsindustrie.31 Samuel Fischer resümierte, dass das Buch augenblicklich zu den entbehrlichsten Gegenständen des täglichen Lebens gehört. Man treibt Sport, man tanzt, man verbringt die Abendstunden am Radioapparat, im Kino, man ist neben der Berufsarbeit vollkommen in Anspruch genommen und findet keine Zeit, ein Buch zu lesen.32 Als Mittel, um das Buch wieder verstärkt in das Bewusstsein der Menschen zu rücken, erprobten die Verlage in der Weimarer Republik erstmals die Wirkung umfassender Marketing- und Promotionskonzepte, mit denen jedoch letztlich nicht das Buch als ideelles Gut gefördert, sondern vielmehr sein Warencharakter in den Vordergrund gerückt wurde.33 Riesige Werbefeldzüge verhalfen einzelnen Titeln zu extrem hohen Auflagenziffern. Bestseller konnten nun von den Verlagen regelrecht „gemacht“34 und ihr Verkaufserfolg ab September 1927 an den erstmals veröffentlichten Bestsellerlisten abgelesen werden. Parallel zu dieser Entwicklung gab es aber auch Bestrebungen, sich um das „gute deutsche Buch“ verdient zu machen, die vor allem vom konservativen Börsenverein ausgingen.35 Er hatte einen Werbeausschuss ins Leben gerufen, um den Verkauf der als förderungswürdig beurteilten Bücher zu unterstützen. Neben Buchwochen, Prospekten, Anzeigenkampagnen und Plakatwerbung veranstaltete man am 22. März 1929, dem 97. Todestag Goethes, zum ersten Mal einen „Tag des Buches“, um dem Publikum das anspruchsvolle Buch näher zu bringen.36 Ebenfalls 1929 fand die Premiere einer weiteren Veranstaltung statt, die den Massentendenzen des Buchmarktes entgegen gerichtet war: Der Wettbewerb um „Die fünfzig schönsten Bücher“, der unter der Präsidentschaft von Hugo Steiner-Prag37 (1880–1945) ausgerufen und anschließend bis 1932 einmal jährlich veranstaltet wurde.38 In Anknüp-

30 Vgl. Füssel, Buch in der Medienkonkurrenz, S. 322–341 und Fischer/Füssel, Kultur und Gesellschaft. 31 Vgl. Vogt-Praclik, Bestseller, S. 15. 32 Fischer, Bemerkungen zur Bücherkrise. 33 Vgl. Vogt-Praclik, Bestseller, S. 20. 34 Vgl. ebd., S. 28. 35 Vgl. ebd. 36 Vgl. ebd., S. 20. 37 Zu Hugo Steiner-Prag vgl. Abschn. 3.2.5. 38 Vgl. Harald Stucke: „Die fünfzig schönsten Bücher“. Die vier historischen Wettbewerbe. Leipzig 1929–1932. Vollständiges Verzeichnis mit Einleitung. In: Blickfang. Bucheinbände und Schutzumschläge Berliner Verlage 1919–1933. 1000 Beispiele, illustriert und dokumentiert. Hrsg. von Jürgen

2.2 Ullstein-Konzern



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fung an die „Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik“ (Bugra, 1914) hatte Steiner-Prag als Vorsitzender des „Vereins deutscher Buchkünstler“ bereits 1927 die „Internationale Buchkunst-Ausstellung“ in Leipzig ins Leben gerufen. Ausgesuchte Exponate dieser Ausstellung bildeten später den Grundstock der „Deutschen Buchkunst-Stiftung“, die schließlich maßgeblich an der Entstehung des Wettbewerbs der „Fünfzig schönsten Bücher“ beteiligt war.39 Aber nicht nur die Ausstellungen und die Ergebnisse der Wettbewerbe dokumentieren, dass die Zeit der Weimarer Republik eine Hochzeit der Buchkunst war. Auch die organisierte Bibliophilie erlebte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts eine außergewöhnliche Ausbreitung. Beginnend mit der „Gesellschaft der Bibliophilen“, die 1899 gegründet wurde, entwickelte sich mit den bis 1933 entstandenen fast 30 weiteren Vereinigungen ein dichtes Netzwerk bibliophiler Organisationen in Deutschland.40 Die Jahre 1925 bis 1927, in denen jeweils über 30 000 Titel erschienen, stellten die erfolgreichste Phase des Buchmarktes der Weimarer Republik dar, dessen Produktionsmaximum 1925 mit 31 595 Titeln erreicht wurde. Ab 1928 wirkte sich die schlechte allgemeinwirtschaftliche Lage negativ auf den gesamten Buchhandel aus und verhinderte eine anhaltende positive Entwicklung. Mit Ausbruch der Wirtschaftskrise im Jahr 1929 betrug das gesamte Produktionsvolumen noch ca. 27 000 Werke.41 Während der Arbeitsmarkt zusammenbrach und die Zahl der Arbeitslosen bis zum Höhepunkt der Krise 1932/33 auf sechs Millionen anstieg,42 verringerte sich die Buchproduktion auf 21 452 erschienene Werke im Jahr 1932, im Vergleich zu 1919 also um 3,8 Prozent.43

2.2 Ullstein-Konzern Mit der Übernahme einer Druckerei und dem dazugehörigen Zeitungsverlag des Berliner Tageblatts gründete der Papiergroßhändler Leopold Ullstein (1826–1899) im Jahr 1877 den Ullstein Verlag, der anfangs ausschließlich als Presseverlag geführt wurde. Ab 1878 erschien die auflagenstarke Berliner Zeitung, seit 1887 wurde mit der Berliner Abendpost eine zusätzliche Abendausgabe herausgegeben. Der Sitz des

Holstein. Mit einem Vorw. von Christoph Stölzl und Beitr. von Peter Nils Dorén. Berlin: Holstein 2005, S. 121–126, hier S. 121. 39 Ernst Fischer: Buchkunst und Buchgestaltung in Deutschland vor 1933. In: Buchgestaltung im Exil 1933–1950. Eine Ausstellung des Deutschen Exilarchivs 1933–1945 Der Deutschen Bibliothek. Ausstellung und Begleitbuch: Ernst Fischer. Unter Mitw. von Brita Eckert und Mechthild Hahner. Wiesbaden: Harrassowitz 2003, S. 11–27, hier S. 21–25. 40 Vgl. ebd., S. 21. Vgl. Abschn. 4.1.1. 41 Vgl. Kastner, Statistik und Topographie, S. 342. 42 Vgl. Schneider, Buchkäufer und Leserschaft, S. 150. 43 Vgl. Kastner, Statistik und Topographie, S. 342.

50  2 Externe und interne Rahmenbedingungen

Verlags befand sich bis zur Zerstörung der Verlagsgebäude im Jahr 1942 in der Berliner Kochstraße, wo Leopold Ullstein 1881 ein Haus mit Grundstück erworben hatte, das in den folgenden Jahren in ein „modernes Geschäfts- und Druckereigebäude umgewandelt“44 wurde. 1891 kaufte der Verlag ein weiteres Gebäude in der unmittelbar benachbarten Charlottenstraße, in das ab 1892 die von Leopold Ullstein am 1. Oktober 1890 gegründete Buch- und Kunstdruckerei einzog. Die angegliederte Buchbinderei und die Ausstattung der Druckerei mit Doppelschnellpressen, zwei Rotationsmaschinen, Falzmaschinen und einer Fadenheftmaschine ermöglichten die Herstellung von Büchern, Broschüren und Zeitschriften und damit den Einstieg des Unternehmens in weitere Marktsegmente.45 Bei Ullstein standen die Innovationen der Technik stets in unmittelbarer Wechselwirkung mit der Programmgestaltung und der Expansion des Verlags. So erzwangen „neue verlegerische Ideen“ die Einführung „technische[r] Neuerungen“ und gaben umgekehrt „die technischen Neuerungen“ und das Streben nach größtmöglicher Auslastung der Maschinen „den Anstoß zu neuen verlegerischen Ideen“.46 Ullstein verfügte über einen äußerst leistungsfähigen und modernen Maschinenpark, der es ermöglichte, nicht nur Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch „Bücher vom Satz über den Druck bis hin zur Bindung in einem Haus herzustellen“.47 Die ersten Bücher aus dem Hause Ullstein waren im Sachbuch- und Ratgebermarkt zu verorten. In der Zeit bis 1900 erschienen beispielsweise populäre Geschichtswerke des Autors Ludwig Ziemssen, ein Jahrbuch des praktischen Lebens und ein Universales Hausdoktorbuch. Mit Ullstein’s Sammlung praktischer Hausbücher, die in 28 Bänden zwischen 1900 und 1903 herausgegeben wurde, lancierte der Verlag seine erste Buchreihe.48 In der Charlottenstraße wurde außerdem, „zunächst für fremde Rechnung“, die BIZ hergestellt,49 die Leopold Ullstein im Jahr 1894 in den eigenen Verlag übernahm. Der Verleger hatte die zunehmende Bedeutung des Bildes richtig eingeschätzt und die „neue Entwicklungsfähigkeit für illustrierte Zeitschriften“ erkannt, die die Erfindung des „Autotypie-Drucks“ mit sich gebracht hatte.50 Die BIZ entwickelte sich sehr erfolgreich und konnte eine Höchstauflage von mehr als zwei Millio-

44 Max Osborn: Das goldene Verlagsjubiläum des Hauses Ullstein. In: Ullstein-Berichte, Oktober 1927, S. 3–9, hier S. 4. 45 Vgl. Schneider, Lektüre, S. 33. 46 Peter de Mendelssohn: Die Anfänge. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 1. Berlin: Ullstein 1977, S. 47–81, hier S. 75. 47 Schneider, Lektüre, S. 33. 48 Vgl. ebd., S. 34. 49 Entwicklungsgang der Firma Ullstein & Co. zu Berlin, Typoskript, S. 3 (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer). 50 Ebd.

2.2 Ullstein-Konzern

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nen Exemplaren erreichen.51 Ebenfalls „unter einem glücklichen Stern“52 stand die Neugründung der Berliner Morgenpost, deren erste Nummer am 20. September 1898 erschien. Nach nur zwei Monaten konnte die Zeitung eine Abonnentenzahl von 40 000 vorweisen, die bis zum Jahr 1900 auf über 250 000 anstieg und zum fünfzigsten Jubiläum des Verlags im Jahr 1927 mehr als eine halbe Millionen erreichte.53 Die Berliner Morgenpost wurde damit zur auflagenstärksten Zeitung Deutschlands.54 Als Leopold Ullstein am 4. Dezember 1899 verstarb, hinterließ er seinen fünf Söhnen ein potentes Verlagsunternehmen, das vor allem durch „vertikale Verflechtung“55 fortgesetzt expandierte. In den folgenden Jahren wurden weitere Zeitungen und Zeitschriften übernommen und gegründet. 1904 rief der Verlag die B. Z. am Mittag ins Leben, die sich „durch modernste Vertriebsmethoden den Ruf“ erwarb, „die schnellste Zeitung der Welt zu sein“.56 Der Zeitschriftenverlag wurde vor allem im Bereich der populären „Modeblätter“ systematisch ausgebaut. 1905 kaufte Ullstein die Frauenzeitschrift Dies Blatt gehört der Hausfrau auf, die später unter dem Titel Das Blatt der Hausfrau vertrieben wurde. Im selben Jahr kam Die Praktische Berlinerin heraus, 1911 wurden die Modenwelt und die Dame erworben. Als eigene, dem „Modenverlag“ angegliederte Abteilung entstand ein „Schnittmusterdienst mit einem Netz von Verkaufsstellen im ganzen Reich“.57 Auch im Bereich des Fachverlags brachte der Konzern neue Zeitschriften heraus. 1910 wurde die Bauwelt gegründet, später folgten die Fachzeitschriften Holzwelt und Verkehrstechnik.58 1914 übernahm Ullstein die altehrwürdige Vossische Zeitung, die „hauptsächlich das Organ für das wohlhabende, fortschrittlich gesinnte Bürgertum“ darstellte und deren Urteil in kulturellen Fragen „maßgebend, oft entscheidend“ war.59 Im Jahr 1903 wurde dem florierenden Unternehmen offiziell ein Buchverlag angegliedert, der strukturell eng an den Presseverlag geknüpft war.60 Bei Ullstein entstand von nun an unter der Leitung des am 1. März 1903 extra für die Buchproduk-

51 Vgl. Hedda Pänke: Die Familie und der Zeitungs- und Zeitschriftenverlag. In: Ullstein Chronik. 1903–2011. Hrsg. von Anne Enderlein. Unter Mitarbeit von Ulf Geyersbach. Berlin: Ullstein 2011, S. 9–22, hier S. 13 f. Zur BIZ vgl. auch Abschn. 5.2.3. 52 Osborn, Das goldene Verlagsjubiläum, S. 4. 53 Vgl. ebd. Die Ullstein-Berichte von Oktober 1927 geben eine Abonnentenzahl von 580 190 an. 54 Vgl. Rainer Wagner: Berliner Morgenpost. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 2. Berlin: Ullstein 1977, S. 9–44, hier S. 15 f. und Mendelssohn, Die Anfänge, S. 77. 55 Mendelssohn, Die Anfänge, S. 68. 56 Pänke, Familie und Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, S. 17. 57 Entwicklungsgang der Firma Ullstein & Co. zu Berlin, Typoskript, S. 4 f., (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer). 58 Vgl. Entwicklungsgang der Firma Ullstein & Co. zu Berlin, Typoskript, S. 5, (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer) und Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 77. 59 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 243. Zur Vossischen Zeitung vgl. Abschn. 5.2. 60 Vgl. Schneider, Romanabteilung, S. 94.

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tion eingestellten Lektors Emil Herz61 (1877–1971) ein professionell konzipiertes Buchprogramm,62 das sich anfangs deutlich von der späteren „populären Massenunterhaltung“ unterschied.63 Geprägt wurde es vielmehr zunächst durch Publikationen, die auf „das Buch als […] Bildungsprodukt“ ausgerichtet waren,64 wie die Ullstein-Weltgeschichte, die Reihe Musik für Alle und die zahlreichen Anthologien zu Literatur, Musik und Kunst. Den grundlegenden „Bildungsgedanken“65 verfolgten ebenfalls die Ratgeber, wie beispielsweise die Reihe Ich kann… oder auch die populärwissenschaftlichen Ausgaben, unter denen sich zum Beispiel Bruno Bürgels auflagenstarke Werke befanden.66 Erst ab 1910 wandte sich der Verlag der Versorgung des Massenpublikums zu. Ausschlaggebend für die Änderung des Programms war zum einen die Sicherstellung der Versorgung des Pressebetriebes mit Fortsetzungsromanen (vgl. Abschn. 5.2). Ullstein entwickelte eine Mehrfachverwertungsstrategie, die den Verlag weitgehend unabhängig von anderen Unternehmen werden ließ. Man war zunehmend bestrebt, „alle Verwertungsmöglichkeiten im eigenen Verlag zu vereinen“67, um den größtmöglichen Profit aus den einzelnen Werken ziehen und Synergieeffekte nutzen zu können. Zum anderen war die Anpassung des Verlagsprogramms an die Unterhaltungsindustrie Auslöser für die Hinwendung zu massentauglichen Stoffen.68 Dies geschah zunächst vor allem mit der Herausgabe der Roten Ullstein-Bücher ab Mai 1910, einer „populäre[n] Billigbuch-Reihe zu 1 Mark“69, welche „die meistgelesenen Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts“ versammelte.70 Die Auswahl der Autoren konzentrierte sich „auf die Lieblinge des auf Unterhaltung eingestellten großen Publikums“.71 Im folgenden Jahr ergänzte man das Programm um die Reihe der 3-Mark-Romane, die in ihrer Konzeption den Roten Ullstein-Büchern sehr ähnlich war, auch wenn der Verlag betonte, dass „in dieser Reihe […] nur solche Werke Aufnahme“ fanden, „die sich an einen kleineren Kreis literarisch interessierter Leser wandten“.72 Tatsächlich veröffentlichten zahlreiche Ullstein-Autoren in beiden Rei-

61 Zu Herz vgl. Abschn. 3.2.1 62 Vgl. Schneider, Lektüre, S. 39. 63 Ebd., S. 40. 64 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein S. 198.Vgl. auch Schneider, Lektüre, S. 41 und Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 102. 65 Schneider, Lektüre, S. 41. 66 Vgl. ebd., S. 46–47. 67 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 231. 68 Vgl. Schneider, Lektüre, S. 49. 69 Schneider, Romanabteilung, S. 97. 70 Schneider, Lektüre, S. 52. 71 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 232. 72 Ebd., S. 233.

2.2 Ullstein-Konzern



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hen. Die Bücher für drei Mark unterschieden sich vor allem durch ihren größeren Umfang von den preisgünstigeren Ausgaben.73 Es war zu Beginn nicht einfach, Autoren mit einzelnen zugkräftigen Titeln für die literarischen Reihen zu gewinnen,74 denn die erfolgreicheren Autoren waren größtenteils bereits mit Generalverträgen an einen bestimmten Verleger gebunden.75 Ullstein konnte mit den jeweiligen Verlagen deshalb zunächst nur Genehmigungen „zum Nachdruck einiger älterer, zum Teil vergriffener Werke“ aushandeln.76 Doch um das Publikumsinteresse an den Reihen aufrecht zu erhalten, waren zudem neue Autoren und Werke nötig. Wie im Fortgang der Arbeit ersichtlich werden wird, entwickelte der Ullstein-Konzern erfolgreiche Strategien, die ihn im Wettlauf um Erfolg versprechende Werke und Autoren zu einem gefürchteten Konkurrenten der literarischen Verleger werden ließen. Mit der Steigerung des Erfolgs mehrten sich die Stimmen der Kritiker, die ihre Vorwürfe gegen den mittlerweile zu einem Großkonzern angewachsenen Ullstein Verlag öffentlich zur Sprache brachten. Im Vordergrund stand vor allem die Kritik an der Qualität der Inhalte und des Programms. Besonders bekannt wurde die Polemik Ullstein, Ramsch & Co., die Hans von Weber (1872–1924) im Jahr 1912 in seiner Zeitschrift Der Zwiebelfisch veröffentlichte.77 Weber lobte in seinem Artikel zunächst zahlreiche Verleger für ihre Bemühungen, „gute Literatur zu leicht erschwinglichen Preisen“ unter Berücksichtigung der allgemeinen „Verbilligung des Buches“ herauszugeben.78 Einen „Fortschritt von höchster Bedeutung“ sah er in der Romanbibliothek des S. Fischer Verlags, dem er „beispiellose[n] Wagemut“ und das notwendige Kapital für die Durchführung eines „durch gutes Material und hohes Honorar stark belasteten Unternehmen[s]“ bescheinigte.79 Anerkennend erwähnt wurden ebenfalls der Insel-Verlag mit seiner Insel-Bücherei, „die neue Romanbibliothek des Verlags J. C. Bruns“, „die schönen billigen Bücher der Brüder Langewiesche und des Verlags Martin Moerike“, die Tempel-Klassiker und die „billigen Drugulindrucke von Ernst Rowohlt“.80 Dass „Reclams Universalbibliothek […] leider allzu viel Minderwertiges neben unsern größten Dichtungen […] bringen musste“, wird mit der notwendigen „Kalkulation“ begründet und gleichsam entschuldigt.81 Weber räumt ein, dass mit dem Verlag all dieser Bücher natürlich „auch ein Geschäft […] bezweckt“

73 Vgl. Schneider, Lektüre, S. 52. 74 Vgl. Schneider, Der unsichtbare Zweite, S. 127–134. 75 Vgl. Herz, Denk ich an Deutschland, S. 232. 76 Ebd., S. 233. 77 Hans von Weber: Ullstein, Ramsch & Co. In: Der Zwiebelfisch 4 (1912), S. 207–213. 78 Ebd., S. 207. 79 Weber, Ullstein Ramsch & Co., S. 207 f. 80 Ebd., S. 208. 81 Ebd., S. 207.

54  2 Externe und interne Rahmenbedingungen

werde, jedoch „ein Gewinn bei diesen Unternehmungen nur im Sinne einer wahrlich bestverdienten Belohnung aufgefaßt werden“ könne.82 In seinem Selbstverständnis als Kulturverleger bekräftigte Hans von Weber, dass die Motivation des Verlegers nicht aus der Gewinnmaximierung, sondern aus seinem „Idealismus“ erwachse.83 Sein „gute[r] literarische[r] Geschmack“, das „höhere Bildungsniveau“, das „weitesten Kreisen zugänglich“ gemacht werden sollte, und eben jener Idealismus wurden von Weber nun stark polarisierend dem „Zeitungs- und Modeblätterbazar Ullstein & Co.“ gegenübergestellt.84 Er warf Ullstein vor, „literarisch und künstlerisch Schund [zu] produzieren“ und „die als Schlafmittel so gefährliche Mittelware“ im Inneren der Bücher durch geschickte äußere „Aufmachung“ zu tarnen, die „an Gefälligkeit und Qualität um Ebenbürtigkeit mit den wertvolleren Unternehmungen“ ringe. Indes sei bei der Ausstattung der Werke lediglich „das gerade noch notwendige Mindestmaß in Einband, Papier und Druck geboten“.85 Die Ullstein-Bücher stellten für Hans von Weber in Inhalt und Ausstattung minderwertige Massenware dar. Den größten Anstoß nahm er daran, dass die Bände „gar nicht die Originalromane, sondern nur einen Teil davon“ enthielten.86 Er bezichtigte den Verlag, dass dieser, ohne es kenntlich zu machen, Kürzungen vorgenommen habe, um mit einer möglichst geringen Bogenzahl einen möglichst großen Profit erreichen zu können.87 Generell boten die hohe Finanzkraft des Konzerns und sein offensichtliches Streben nach Gewinn weitere Ansatzpunkte für Kritik. Das Unternehmen wurde beispielsweise von Moritz Heimann (1868–1925), Lektor im S. Fischer Verlag, in Abgrenzung zu den eigentlichen Verlagen als „rein buchindustrielles Unternehmen“ bezeichnet.88 Robert Musil (1880–1942) verwendete in seinen Tagebüchern den Ausdruck der „Ullsteinisierung“ als Synonym für die „Industrialisierung“, die „Zeit des Hochkapitals“ und den Übergang „vom Handwerk zur Maschine“.89 In Bezug auf die Programmgestaltung des Ullstein Verlags sprach Musil vom „Ullsteindienst an der Menschheit“, der für ihn „ein Gemisch von dem, was sie für neue Sachlichkeit halten, und der Unfähigkeit, die Dummheit eines L[esers] zu schmecken“ darstellte.90

82 Ebd., S. 208. 83 Ebd. 84 Ebd., S.209. 85 Ebd. 86 Vgl. ebd., S. 210. 87 Vgl. Ullstein Ramsch & Co., S. 210 f. 88 Schneider, Lektüre, S. 51. 89 Robert Musil. Tagebücher. Hrsg. von Adolf Frisé. Neu durchges. und erg. Ausgabe. Reinbek: Rowohlt 1983, S. 815. 90 Ebd., S. 707.

2.2 Ullstein-Konzern 

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Die öffentliche Kritik konnte allerdings weder die Leser davon abhalten, Ullstein-Bücher zu kaufen, noch die Autoren, einen Vertrag mit dem Konzern abzuschließen. Das Programm wurde ausgebaut, wobei der Fokus weiterhin auf der Integration von Einzeltiteln in eine Reihe lag.91 Mit dieser durch umfangreiche Werbemaßnahmen unterstützten Strategie des Verlags entwickelten sich die UllsteinBücher schnell zu einer äußerst bekannten Marke. Neben der Ullstein-Weltgeschichte92 entstanden beispielsweise die Reihen Ullstein-Jugend-Bücher und Ausland-Bücher, die mit Kriegsbeginn 1914 von drei neuen Reihen abgelöst wurden – den Ullstein-Kriegsbüchern und den beiden Reihen Männer und Völker und Die Fünfzig Bücher. Im Rahmen der Mehrfachverwertung gewann das Kino zunehmend an Bedeutung. Ullstein sicherte sich vertraglich die Filmrechte an den Werken seiner Autoren und zahlreiche Ullstein-Romane wurden dann auch verfilmt.93 Der Buchverlag war überaus erfolgreich und konnte seinen Umsatz von 142 375 Mark im Jahr 1906 um mehr als das Dreißigfache auf 4 792 717 Mark im Jahr 1916 steigern.94 Im letzten Kriegsjahr, ein Jahr bevor der Propyläen-Verlag gründet wurde, hatte das Umsatzvolumen gar über sechs Millionen Mark erreicht95 und die Beschäftigtenzahl des Konzerns war insgesamt auf 6218 angewachsen.96

91 Vgl. Thomas Wegmann: Die Henne annonciert, die Ente drückt sich. Bücher und Werbung im Medienverbund. In: Ullstein Chronik. 1903–2011. Hrsg. von Anne Enderlein. Unter Mitarbeit von Ulf Geyersbach. Berlin: Ullstein: 2011 S. 83–94, hier S. 86 f. 92 Vgl. Kap. 6. 93 Vgl. Schneider, Lektüre, S. 53 f. Zur Verfilmung der Propyläen-Bücher vgl. Abschn. 5.3.3. 94 Vgl. ebd., S. 63. 95 Vgl. ebd., S. 63. 96 Ullstein-Chronik, Eintragungen für das Jahr 1919 (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.).

3 Gründung des Propyläen-Verlags 3.1 Übernahme der Klassikerausgaben aus dem Georg Müller Verlag Den Grundstein für die Entstehung des Propyläen-Verlags bildete die Übernahme umfangreicher Buchbestände aus dem Georg Müller Verlag. Der 1903 gegründete Münchner Verlag war bekannt für seine typographisch sehr sorgfältig gestalteten und mit hochwertigen Materialien ausgestatteten Werke, die das buchästhetische Interesse des Verlegers in einem hohen Maß bezeugten (s. u.).1 Noch im Jahr 1912 hatte man dem Unternehmen einen „fast beispiellos[en]“2 Aufschwung zugeschrieben, doch nach dem Tod Georg Müllers (1877–1917) am 29. Dezember 1917 geriet der Verlag in finanzielle Schwierigkeiten.3 Anton Kippenberg (1874–1950) hatte im Zuge dessen Übernahmepläne für den gesamten Verlag geschmiedet, die allerdings an der Höhe des geforderten Kaufpreises von ca. drei Millionen Mark scheiterten.4 Dennoch blieb bei Georg Müller die Angst vor dem Aufkauf durch einen anderen Verlag bestehen. Um dem Unternehmen aus der Krise zu helfen, das Verlagsprogramm neu zu strukturieren und einen Wiederaufbau des Verlags zu ermöglichen, entschied man sich schließlich für die Herauslösung einzelner Teile der Verlagsproduktion. Da man nicht Werke und Verträge von Autoren verkaufen wollte, deren Alleinrechte der Verlag besaß, wurde der Verkauf der renommierten Klassikerausgaben beschlossen.5 Damit trennte sich der Verlag gerade von jenen Werken, die „für ihn so sichtbar gezeugt und sein Ansehen beim bücherliebenden Publikum begründet hatte[n].“6 Neben dem Verlust von Müllers Prestigeobjekten gab vor allem Ullstein als Käufer Anlass zur Kritik unter Buchliebhabern und Verlagsfreunden.7 Schwab-Felisch spielte darauf an, indem er von der Sympathie sprach, die „sich auf völlig natürli-

1 Vgl. Fischer, Buchkunst und Buchgestaltung, S. 15 f. 2 Der Verlag Georg Müller. In: Der Zwiebelfisch 3 (1912), S. 108 f., hier S. 108. 3 Vgl. Stephan Füssel/Monika Estermann: Belletristische Verlage. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Das Kaiserreich 1870–1918. Teil 2. Hrsg. von Georg Jäger im Auftrag der Historischen Kommission. Frankfurt/M.: MVB 2003, S. 164–299, zu Georg Müller S. 256–258, hier S. 258. 4 Vgl. Heinz Sarkowski: Der Insel-Verlag 1899–1999. Die Geschichte des Verlags. Frankfurt/M. und Leipzig: Insel 1999, S. 179. 5 Vgl. Verzeichnis der lieferbaren Bücher des Verlags Georg Müller 1924/1925. München: Georg Müller 1924, S. x. 6 Andreas Meyer: Nationalistische Gewerkschaft und schöngeistiger Verlag. Der Aufkauf des Georg Müller Verlags durch den deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband. Magisterarbeit, LudwigMaximilians Universität München 1982, S. 31. 7 Vgl. Lieferbare Bücher des Verlags Georg Müller, S. x. https://doi.org/10.1515/9783110683561-003

3.1 Übernahme der Klassikerausgaben aus dem Georg Müller Verlag

 57

che Weise dem schwächeren Partner zuneigt“, wenn sich ein finanzstarker Zeitungskonzern mit angegliedertem Buchverlag und ein selbstständiger, angesehener, aber in Not geratener Verlag gegenüberstehen.8 Berücksichtigt man einerseits, wie kritisch die bibliophilen Bewunderer der Georg Müller-Ausgaben und auch andere literarische Verlage dem Ullstein-Konzern und seinem populären Buchprogramm gegenüberstanden,9 wird vorstellbar, wie groß die Ressentiments gegen eine Übernahme durch Ullstein gewesen sein müssen. Andererseits räumte der ZwiebelfischHerausgeber Hans von Weber in seinem Nachruf auf Georg Müller schließlich ein, dass ihm, aufgrund des unrühmlichen Verhaltens der neuen Eigentümer des Verlags und der damit verbundenen Verflachung des Verlagsprogramms, „trotz allem Schmerz […] Ullstein & Co.“, wo man sich um die Weiterführung der Ausgaben in ihrer ursprünglichen Form bemühte, letztlich doch „literarisch näher [stand] als der Verlag und Tempel“ Georg Müllers.10 Während der Insel-Verlag schließlich lediglich die Rechte an einigen Autoren, wie z. B. Theodor Däubler und Albert Ehrenstein, erwarb,11 konnte sich Ullstein „die größte Übernahme leisten“12. Der Konzern profitierte von seinen finanziellen Ressourcen. Für 500 000 Mark erhielt er „volles und uneingeschränktes Verfügungsrecht“ über „Verlagsunternehmungen, die in der Hauptsache aus bereits ausgegebenen bzw. noch zu veröffentlichenden Klassikern“ bestanden13. In den Verkauf waren alle Verlags- und Urheberrechte (auch von vorhandenen noch zu liefernden Manuskripten) eingeschlossen, sämtliche Bestände an den Büchern (in rohem, ungebundenem, halbfertigem und fertigem Zustande) […] Matern, Klischees, Platten, Galvanos, Gravüren, Einbände, Zeichnungen und Stempel für die Einbände, weiter Vertriebsmaterial, Prospekte, Rezensionen, Kontinuationslisten, überhaupt das gesamte für die Fortführung der Unternehmen in Betracht kommende Material.14

Mit dem Kauf der Klassikerausgaben des Georg Müller Verlags hatte der UllsteinKonzern ein solides Fundament für den neuen Propyläen-Verlag geschaffen, denn man hatte nicht nur die Bücher und Lizenzen für diese Werke erstanden, sondern sich zudem deren Prestige zu Eigen gemacht. Ein Indiz für die hohe Bedeutung, die das Renommee der Ausgaben für Ullstein hatte, ist die Tatsache, dass der Verlag

8 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 198. 9 Vgl. Schneider, Lektüre, S. 51 und Abschn. 2.2. 10 Hans von Weber: Nachruf auf Georg Müller. In: Der Zwiebelfisch 10 (1919), Doppelheft 5/6, S. 237 f., hier S. 238. 11 Vgl. Sarkowski, Insel-Verlag, S. 179. 12 Ebd. 13 Vertrag zwischen der Firma Ullstein & Co., Berlin und der Firma Georg Müller Verlag, München, S. 1, § 1 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller, o. Z.). 14 Ebd.

58  3 Gründung des Propyläen-Verlags

das Recht erwarb, bei Neuauflagen den Georg Müller Verlag als ursprünglichen Entstehungsort des entsprechenden Werkes nennen zu dürfen.15 Auf diese Weise wollte man sich das symbolische Kapital der übernommenen Ausgaben und damit deren Erfolg für die Zukunft sichern. Der Verlag hat allerdings von seinem Recht, an die Herkunft der übernommenen Werke zu erinnern, später keinen Gebrauch gemacht.16 Der Vertrag zwischen den Verlagen Ullstein und Georg Müller wurde am 4. Juli 1919 unterzeichnet, war aber bereits mit Auslieferungsbeginn am 1. Juli in Kraft getreten. Er war insgesamt darauf ausgelegt, dem Ullstein Verlag „die Übernahme und Fortführung der […] verkauften Werke oder Unternehmen in jeder Richtung nach Möglichkeit zu erleichtern“.17 Neben den oben bereits genannten Materialien verpflichtete sich der Georg Müller Verlag ebenfalls, „Vorräte oder Ansprüche auf Lieferung von Papier […], die zur Fortsetzung oder Neudruck bereits angefangener oder vorhandener Werke bestimmt waren, […] dem Verlage Ullstein & Co. zu Originalpreisen nebst 5 (fünf) Prozent Zinsen […] auf Wunsch zu übertragen.“18 Sollten Bände vergriffen sein, die für die Fortsetzung einer Ausgabe oder einen Neudruck erforderlich wären, sah der Vertrag außerdem vor, dass die Bücher „z. B. aus der Privatbibliothek des Inhabers“ für eine Leihfrist von „nicht länger als sechs Wochen zur Verfügung“ gestellt werden sollten.19 Entscheidend war aber vor allen Dingen die im Vertrag festgelegte Konkurrenzklausel, die es dem Georg Müller Verlag untersagte, „innerhalb einer Zeit von fünfzehn (15) Jahren nach Abschluss dieses Vertrages keine Ausgaben der […] übergebenen Werke in irgendwelcher Form [zu] veranstalten.“20 In den ersten Jahren nach der Übernahme sollte eine Konkurrenzsituation zwischen den Verlagen möglichst ausgeschlossen werden, indem darüber hinaus auch die nicht demUllstein Verlag übergebenen Klassiker drei Jahre lang für die Herausgabe durch den Verlag Georg Müller gesperrt wurden. Für Shakespeare sowie die römischen und griechischen Klassiker, die Ullstein nicht übernommen hatte, war ursprünglich sogar eine Sperre von 15 Jahren vorgesehen.21 Seinen Namen erhielt der neue Verlag nach der Propyläen-Ausgabe der Werke Goethes, die vom Georg Müller Verlag als eigene „Ruhmestat“22 gelobt wurde. Die

15 Vgl. Andreas Meyer: Die Verlagsfusion Langen-Müller. Zur Buchmarkt- und Kulturpolitik des deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes in der Endphase der Weimarer Republik (Sonderdruck aus dem Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 32). Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung GmbH 1989, S. 27. 16 Vgl. ebd. 17 Vertrag zwischen der Firma Ullstein & Co., Berlin und der Firma Georg Müller Verlag, München, S. 4, § 5 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller, o. Z.). 18 Ebd., S. 3, § 3. 19 Ebd. 20 Ebd., S. 4 f., § 5. 21 Ebd., S. 4 f., § 5. 22 Buchkunst und Graphik im Verlag Georg Müller. München: Georg Müller 1918, S. 1.

3.2 Mitarbeiter des Verlags 

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Ausgabe genoss einen „vorzüglichen Ruf“23 in der Fachwelt und war das „ehrgeizigste“ und „umfangreichste“24 Projekt, das man von Georg Müller übernommen hatte. Dank der über den Namen nach außen hin erkennbaren Verbindung zwischen dem Propyläen-Verlag und der renommierten Goethe-Ausgabe konnte deren Ansehen auf den gesamten Verlag übertragen werden. Gleichzeitig hatte der Name des neuen Unternehmens „programmatischen Klang“25. Die Propyläen, ursprünglich die Torbauten der Akropolis in Athen, hatten bereits einer von Goethe herausgegebenen Zeitschrift ihren Titel verliehen. Mit diesem Namen knüpfte der Verlag an die klassische Bildungstradition an, spannte den Bogen vom antiken Griechenland bis hin zur deutschen Klassik und umfasste somit gleichzeitig zwei Schwerpunkte seines Programms der ersten Jahre: die Klassikerausgaben und die Reihe Klassiker des Altertums.

3.2 Mitarbeiter des Verlags Ullstein gründete den Propyläen-Verlag innerhalb des Konzerns als Imprintverlag, der „nur dem Namen nach“26 als eigenständiger Verlag existierte. Propyläen war finanziell und organisatorisch vollständig in den Ullstein-Konzern integriert und trat lediglich anlässlich der Einreichung von Gesellschafterlisten, Änderungen in der Geschäftsführung oder ähnlichen Fällen als Unternehmen im Handelsregister auf.27 Die Mitarbeiter des Ullstein Buchverlags zeichneten zusätzlich für Propyläen verantwortlich. Bei Ullstein hatte man keinen zusätzlichen Lektor eingestellt, der sich ausschließlich um das Programm des neuen Verlags kümmern sollte. Die Redaktion28 des Buchverlags wurde ebenfalls nicht um eine „Abteilung Propyläen“ erweitert, sondern behielt ihre bereits bewährte, nach thematischen Kriterien gegliederte organisatorische Struktur.29 Darin war die literarisch/belletristische Abteilung zuständig für den Erwerb von Romanen, Novellen, Erzählungen etc. für den gesamten Verlag. Sie wurde hausintern „Romanabteilung“ genannt, da sie die Aufgabe hatte, die

23 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 197. 24 Ebd. 25 Propyläen Graphik. Editionen von heute und gestern. Sonderausstellung 10. Juni – 4. September 1977 im Kupferstichkabinett, Berlin. Hrsg. von Alexander Dückers. Berlin: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz 1977, keine Seitenangabe. 26 Aktennotiz betreffend Namensgesellschaften vom 5.10.1933 (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). 27 Vgl. ebd. 28 Die Begriffe Redaktion und Lektorat bzw. Redakteur und Lektor werden bedeutungsgleich verwendet, da bei Ullstein das Lektorat ausschließlich als Redaktion bezeichnet wurde und die Stellenbezeichnung in den Verträgen der Mitarbeiter stets „Redakteur“ lautete. 29 Vgl. Gustav Willner: Das Tagewerk der Abteilungen. In: 50 Jahre Ullstein 1877–1927. Hrsg. von Max Osborn. Berlin: Ullstein 1927, S. 329–362, hier S. 334.

60  3 Gründung des Propyläen-Verlags

Zeitungen und Zeitschriften des Verlags mit geeigneten Fortsetzungsromanen zu versorgen, die im Anschluss als Buchausgabe erschienen.30 Die literarische Abteilung bearbeitete aber auch z. B. die Klassikerausgaben und die literarischen Reihen des Propyläen-Verlags. Der Arbeitsbereich der zweiten Abteilung umfasste die geisteswissenschaftliche Literatur. Dazu gehörten umfangreichere historische und geographische Werke oder auch Werke der Kunstgeschichte, wie beispielsweise die Propyläen-Kunstgeschichte. Der dritte Redaktionsbereich, für den Propyläen-Verlag von geringer Relevanz, betreute die naturwissenschaftlich-technischen Produktionen, darunter z. B. die Ullstein-Reihe Wege zum Wissen.

3.2.1 Emil Herz Emil Herz, der nun auch für den Propyläen-Verlag zuständig war, hatte in Bonn Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und mit Promotion abgeschlossen. Er zählte gemeinsam mit z. B. Moritz Heimann (S. Fischer), Christian Morgenstern (1871–1914) (Bruno Cassirer) oder auch Reinhard Buchwald (1884–1983) (Insel-Verlag) zu den ersten Vertretern des Lektorenberufs.31 Im Unterschied jedoch zu den genannten Kollegen, die sich als wissenschaftliche Mitarbeiter den meist „dominierende[n] Verlegerpersönlichkeiten“32 der Kulturverlage unterordnen mussten, war Herz nicht nur Lektor, sondern auch Leiter der Buchverlage und Vorstandsmitglied der Ullstein-Aktiengesellschaft. In seinen Erinnerungen betont er, dass die Ullsteins ihre Aufgabe mehr in der „geistigen Konzeption“33, der „Planung“ und „Aufsicht“ sahen als in der Einmischung in die „Einzelheiten“34 des täglichen Geschäfts. Herz wurde dadurch die Chance geboten, stärker eigenverantwortlich zu handeln. Er pro-

30 Vgl. Erich Magnus: Der Redaktions-Betrieb. In: Der Verlag Ullstein zum Welt-Reklame-Kongress Berlin 1929. Berlin: Ullstein 1929, S. 173–183, hier S. 180 f. Vgl. auch Schneider, Romanabteilung, S. 100, die davon ausgeht, dass „ein Unterschied zwischen Buchverlag und Romanabteilung […] realiter nicht bestand“, da „die ‚Redakteure‘ der Romanabteilung […] die ‚Lektoren‘ des Buchverlags in Personalunion“ waren. Vgl. ebenfalls die rückblickende Beschreibung der Romanabteilung durch Hans Roeseler in einer eigens für Wiegler verfassten Jubiläumszeitschrift: „Diese Romanredaktion muß ein merkwürdiges Arbeitsfeld gewesen sein, halb eine aus jüngeren Schriftstellern und Redakteuren sich zusammensetzende literarische Besserungsanstalt, in der eingereichte Romane usw. gesichtet, gesiebt, umgeschrieben und druckfertig gemacht wurden, halb aber auch eine Börse, an der der Schriftsteller und besonders auch Schriftstellerinnen ihre Werke anboten, von wo dann diese literarischen Produkte nach sachgemäßer Begutachtung Zeitschriften und Zeitungen zum Abdruck weiterverkauft wurden.“ Zitiert nach Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 248. 31 Vgl. Schneider, Der unsichtbare Zweite, S. 59. 32 Schneider, Romanabteilung, S. 95. 33 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 200. 34 Ebd., S. 307.

3.2 Mitarbeiter des Verlags

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fitierte von einem wichtigen Aspekt der „Ullstein-Kultur“35, nämlich der umfangreichen Förderung von Mitarbeitern, deren menschliche und fachliche Eignung die Verlagsinhaber überzeugt hatte.36 Durch die vielversprechenden Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten wurden Personen wie Emil Herz eng an das Haus Ullstein gebunden.37 Er berichtet in seinen Erinnerungen, dass Louis Ullstein (1863–1933) ihn förderte, „wo immer er konnte“, ihn „mit führenden Persönlichkeiten bekannt“ machte und an seinen „Verhandlungen mit Verlegern und Druckern“ teilnehmen ließ, ihn auf diese Weise in sein Haus „zog“.38 Herz erhielt zudem einen „großzügigen Vertrag“, der ihm „eine Beteiligung an allen von [ihm] geschaffenen Unternehmungen bot“.39 Herz’ Studienfächer entsprachen dem „bildungsbürgerlichen Kulturverständnis der Zeit“.40 Sie hatten das anfängliche, dem „volksbildnerische[n] Gedanke[n]“41 verschriebene Programm des Ullstein Buchverlags geprägt, an das Herz nun mit dem Propyläen-Verlag wieder anknüpfen konnte.42 Seine Zeit bei Ullstein wurde nach über 30 Jahren durch den Nationalsozialismus beendet. Die Ullstein-Chronik vermerkt für den 28. November 1933: „Dr. Herz nicht mehr im Vorstand“.43 Herz wurde am 31. März des darauffolgenden Jahr entlassen.44 Er emigrierte 1936 mit seiner Familie zunächst in die Schweiz, dann nach Italien, 1939 nach Kuba, 1941 schließlich nach Amerika, wo er sich in Rochester/NY niederließ.45

3.2.2 Paul Wiegler Unterstützung in der Lektoratsarbeit erhielt Herz durch Paul Wiegler (1878–1949), der zu Beginn des Jahres 1913 in denUllstein Verlag eintrat.46 Ein im Nachlass Wieglers erhaltener Vertragsentwurf gibt Aufschluss darüber, dass Wiegler bereits im

35 Zu anderen Aspekten der „Ullstein-Kultur“ vgl. Schneider, Romanabteilung, S. 111. 36 Vgl. Krell, Das alles gab es einmal, S. 123. Er bestätigt der Leitung des Ullstein-Konzerns einen „Nerv für die Persönlichkeit […], noch ehe sie erprobt war“. 37 Vgl. Herz, Denk ich an Deutschland, S. 200 f. 38 Ebd., S. 201. 39 Ebd., S. 205. 40 Schneider, Lektüre, S. 40. 41 Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 102. 42 Vgl. Schneider, Lektüre, S. 41 und Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 102. Siehe auch Kap. 2. 43 Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). 44 Vgl. Herz, Denk ich an Deutschland, S. 7. 45 Vgl. den Eintrag zu Herz bei Ernst Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare aus Deutschland und Österreich in der Emigration nach 1933. Ein biographisches Handbuch. Stuttgart: Verband Dt. Antiquare 2011, S. 131 f. 46 Als mögliches Eintrittsdatum wird der 1.1. oder 1.2. genannt. Vgl. Ullstein an Paul Wiegler am 1.11.1912 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3).

62  3 Gründung des Propyläen-Verlags

Jahr 1906 ein Angebot des Ullstein Verlags für eine Stelle als Redakteur der Tageszeitungen vorlag,47 er aber über Julius Elias (1861–1927) Kontakt zum im Mosse-Verlag erscheinenden Berliner Tageblatt suchte. Elias schrieb diesbezüglich an Wiegler: Gestern habe ich noch einmal mit den Herren des „B. T.“ Rücksprache genommen/ wobei ich bemerke, dass Ihnen Fritz Engel ausserordentlich wohl gesinnt ist, und dass Sie früher oder später auf ihn rechnen dürfen. Das Resultat ist dieses: man kann Ihnen in diesem Augenblick, wo alles noch fluktuiert, und auf einen bestimmten Termin keine Stellung anbieten, die ihrem Wesen wie ihren Ansprüchen entspräche; aber, sagt man: Sie sollten ruhig die Stellung bei U.s annehmen, falls man sie auf ein Jahr garantiert. Die Herren des „B. T.“ werden dann Ihre Tätigkeit bei den Blättern der U.s mit Aufmerksamkeit verfolgen, und einem eventuellen Uebertritt zum „B. T.“ nach einem Jahr stände eventuell kein Hindernis entgegen; ja, auf diesem Wege sei der Anschluss an das „B. T.“ noch leichter zu erreichen als sonst wie.48

Elias persönlicher Rat am Ende des Briefes zeigt, dass er sich nicht nur beim Berliner Tageblatt, sondern auch im Hause Ullstein gut auszukennen schien: Sehen Sie sich also in irgend einer Weise mit den U’s zu arrangieren; vielleicht kommt es so, dass Sie sich gegenseitig ganz gut gefallen, dann haben Sie auch dort keinen üblen Posten. Nur etwas Rückensteife müssten Sie sich in dem Haus schon angewöhnen.49

Wiegler begann somit zu Beginn des Jahres 1907 zunächst bei Ullstein als Redakteur der B. Z. am Mittag, wo er „in erster Linie für das Feuilleton und für Leitartikel“ zuständig war.50 Bereits im Sommer erreichte ihn dann ein Angebot des Berliner Tageblatts, woraufhin er dort am 1. November 1907 als Mitarbeiter des Feuilletons eintrat. Doch fand Wiegler hier kein für ihn geeignetes Arbeitsumfeld vor. Der Verleger Rudolf Mosse (1843–1920) war unzufrieden mit seiner Arbeit. Wieglers Feuilletons waren ihm „nicht abwechslungsreich, interessant und lebendig genug“.51 Wiegler hingegen war wohl enttäuscht, dass man ihm nicht die von ihm erwartete verantwortliche Position im Feuilleton übertragen hatte. Theodor Wolff (1868–1943) stimmte seinem Verleger in dessen Urteil über Wieglers Feuilletons zwar grundsätzlich zu, hob aber Wieglers „aristokratische[s]“ Talent hervor und betonte, dass dieser aufgrund seiner „Kultiviertheit“ in einer Tageszeitung „immer ein wenig ‚dépaysé‘ sein“ würde.52 Er sah Wiegler in der Arbeit für das Berliner Tageblatt seine „feine

47 Ullstein an Paul Wiegler am 7.12.1906 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3). 48 Julius Elias an Paul Wiegler am 7.12.1906 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3). 49 Ebd. 50 Ullstein an Paul Wiegler am 7.12.1906 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3). Vgl. hierzu auch Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 207. 51 Theodor Wolff an Paul Wiegler am 6.7.1908, zitiert nach Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 210. 52 Ebd., S. 211.

3.2 Mitarbeiter des Verlags



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Kraft an einer minderwertigen Arbeit verläppern“.53 Es kam zu einer vorzeitigen Lösung des Vertrages, die Wiegler dazu veranlasste, Berlin für eine Weile den Rücken zu kehren und das Angebot der Prager Zeitschrift Bohemia anzunehmen. Am 1. November 1908 zog er nach Prag, wo er bis 1912 bei der Bohemia als Feuilletonchef angestellt war. Obwohl der Wechsel aus der Hauptstadt Berlin von einem der wichtigsten deutschen Presseorgane zum Organ einer deutschen Minorität in der ausländischen Provinz vordergründig einen beruflichen Rückschlag bedeutete, stellte er für Wiegler zunächst den Höhepunkt seiner journalistischen Karriere dar. In Prag knüpfte er über Franz Blei (1871–1942) maßgebliche Kontakte zur dortigen Literaturszene, die in dieser Zeit um die Jahrhundertwende mit Rainer Maria Rilke (1875–1926), Max Brod (1884–1968), Franz Werfel (1890–1945), Egon Erwin Kisch (1885–1948) und Gustav Meyrink (1868–1932) vielversprechende Talente vorzuweisen hatte, von denen einige als freie Mitarbeiter für die Bohemia tätig waren.54 Wiegler lernte auch Franz Kafka (1883–1924) kennen, von dem er in den folgenden Jahren zahlreiche Texte in der Bohemia veröffentlichte.55 Er war bei der von Kafka im privaten Kreise veranstalteten Lesung des später so berühmt gewordenen Textes Das Urteil dabei und bescheinigte dem Autor in der Bohemia anschließend den „Durchbruch eines großen, überraschend großen, leidenschaftlichen und disziplinierten Talents, das schon jetzt die Kraft hat, allein seinen Weg zu gehen“.56 Die Bekanntschaft zwischen Kafka und Wiegler wird unterschiedlich bewertet.57 Sie schienen aber immerhin so gut miteinander bekannt gewesen zu sein, dass Wiegler Kafka im Jahr 1916 – drei Jahre nach seiner Rückkehr nach Berlin – seine eben erschienenen Schriften über Beethoven und Schopenhauer zuschickte. Kafka wiederum notierte in seinem Tagebuch, dass er im November 1910 Wieglers Vortrag

53 Ebd., S. 211. 54 Vgl. Murray G. Hall u. a.: Institutionen. In: Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder. Hrsg. von Peter Becher u. a. Stuttgart: Metzler 2017, S. 102. Franz Blei, mit dem Wiegler über seine Mitarbeit an dessen Zeitschrift Hyperion bekannt war, stellte den Kontakt zu Max Brod her. Dieser verehrte Wiegler für dessen Laforgue-Übersetzungen und machte ihn bereits kurz nach seiner Ankunft in Prag mit den Teilnehmern des sich um Brod und seinen Freund Franz Werfel konstituierenden literarischen Stammtischs bekannt. Vgl. Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 218 f. 55 Vgl. Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 221–225. Vgl. auch Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie. München: C. H. Beck 2008, S. 237. Zu den Veröffentlichungen Kafkas in der Bohemia und insgesamt vgl. Joachim Unseld: Franz Kafka. Ein Schriftstellerleben. Die Geschichte seiner Veröffentlichungen (Literatur als Kunst). München: Hanser 1982. 56 Bohemia, 6. Dezember 1912. Zitiert nach Rainer Stach: Kafka. Die Jahre der Entscheidungen. 3. Auflage. Frankfurt/M.: Fischer 2014, S. 242. 57 Während Binder von einem „vergleichsweise herzliche[n], von gegenseitiger Wertschätzung getragene[n] Verhältnis“ spricht (Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 224), geht Stach davon aus, dass Kafka Wiegler nur „flüchtig kannte“. Stach, Kafka. Jahre der Entscheidungen, S. 242.

64  3 Gründung des Propyläen-Verlags

über Hebbel beigewohnt hatte,58 und stellte in einem Brief an Felice Bauer fest, dass Wiegler „kein gleichgültiger Mensch“ sei,59 womit er auf Wieglers Bemühungen um die Veröffentlichung seines eigenen Werkes referiert haben mag. Wiegler engagierte sich insgesamt als verlässlicher Förderer der jungen Prager Literaten. Für Willy Haas (1891–1973) war Wiegler „sein befreundeter Lehrmeister“ und „der Erzieher seiner kritischen Versuche“.60 Er habe, meinte er rückblickend, von Wiegler „und von niemand anderem gelernt, wie man einen Essay schreibt“.61 Der Schriftsteller Otto Pick (1887–1940) sah in Wiegler den „schlichten, wortkargen, doch immer hilfsbereiten Anreger“, der den deutschen Schriftstellern Prags „den größten Teil ihres literarischen Rüstzeugs“ gelehrt habe und von dem sie stets „aktive Aufmunterung“ erfahren hätten.62 Auch Egon Erwin Kisch (1885–1948), Wieglers jüngerer Kollege in der Redaktion der Bohemia, mit dem ihn später eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte, hatte seinen Aufstieg vom Prager Lokalreporter zum berühmten „rasenden Reporter“ in Berlin maßgeblich der Förderung und Unterstützung Wieglers zu verdanken.63 Insgesamt konnte sich Wiegler in der Kulturszene Prags im Laufe der Jahre eine „dominierende Stellung“ verschaffen.64 Er stellte z. B. für die in Prag ansässigen deutschsprachigen Kulturinstitutionen den Kontakt zu deutschen Schriftstellern her. So hatte er für die Lese- und Redehalle der deutschen Studenten, die mit ihrer umfangreichen Bibliothek und einem anspruchsvollen Vortrags- und Kulturprogramm zu den wichtigsten deutschen kulturellen Einrichtungen in Prag zählte, die Anfrage eines Vortrags bei seinem Mentor Maximilian Harden (1861–1927)65 über-

58 Vgl. Franz Kafka: Tagebücher. Bd. 1: 1909–1912 in der Fassung der Handschrift. 3. Aufl. (Franz Kafka, Gesammelte Werke in 12 Bänden. Nach der Kritischen Ausgabe hrsg. von Hans-Gerd Koch; Bd. 9). Frankfurt/M.: Fischer 2000, S. 96. 59 Franz Kafka: Briefe an Felice und andere Korrespondenzen aus der Verlobungszeit. Hrsg. von Erich Heller und Jürgen Born. Frankfurt/M.: 1967, S. 121f., zitiert nach Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 225. 60 Willy Haas: Meine Meinung. In: Die literarische Welt 2, Nr. 32 (6. VIII. 1926), S. 2, zitiert nach Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 228. 61 Willy Haas an Paul Wiegler am 29.11.1948, zitiert nach Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 228. 62 Otto Pick: Der Literat. Zu Paul Wieglers 50. Geburtstag. In: Prager Presse 8, Nr. 257 (15.9.1928), S. 3, zitiert nach Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 227. 63 Vgl. Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 216–218. 64 Maximilian Harden an Paul Wiegler am 18.10.1912, zitiert nach Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 231. Seiner Zeit in Prag setzte er später mit dem Buch Das Haus an der Moldau (erschienen 1931 bei Rowohlt) ein Denkmal. 65 Zum Verhältnis von Maximilian Harden und Wiegler vgl. Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 180–183; 186 f. „Harden hat Wiegler jedenfalls auf allen Stationen seines Lebenswegs mit Rat und Ermutigung zur Seite gestanden und seiner beruflichen Entwicklung an ihrer wichtigsten Stelle die entscheidende Richtung gegeben.“ Ebd., S. 187.

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nommen.66 Im Anschluss an entsprechende Lesungen sorgte Wiegler in der Bohemia für eine positive Berichterstattung.67 Während seiner Zeit in Prag zwischen 1908 und 1913 hatte er nicht nur im Hinblick auf sein kulturelles und soziales Kapital maßgeblich das Fundament seiner weiteren Karriere begründet. Wiegler hatte auch intensiv an einem großen Buchprojekt gearbeitet, einer Geschichte der Weltliteratur, mit der ihn derUllstein Verlag bereits im Jahr 1909 beauftragt hatte.68 Das umfangreiche Werk erschien im Jahr 1913, es sollte mit sechs Auflagen sein erfolgreichstes werden. Der Kontakt zu Ullstein war während Wieglers Zeit in Prag somit nie abgebrochen. Die gewünschte Rückkehr nach Berlin und seine dauerhafte Einstellung bei Ullstein gelang aber schließlich mit Unterstützung Maximilian Hardens, der selbst bereits für Franz Ullstein (1868–1945) gearbeitet hatte. Er versprach Wiegler, „sich um die Sache zu kümmern“, und verfasste einen Lobesbrief auf das Unternehmen Ullstein und auf Wiegler, den dieser zusammen mit seiner Bewerbung im Oktober 1912 bei Ullstein einreichte.69 Dort wünschte man zunächst zu verstehen, welche Qualifikationen Wiegler aus Prag mitbrachte, um ihn bestmöglich im Verlag einsetzen zu können: Ihre Bewerbung vom 21. d. Mts. hat bei uns zu Erwägungen geführt, die zunächst die Frage betreffen, ob es zur Zeit möglich sein wird, Ihnen bei uns ein Ihrer Eigenart entsprechendes Feld der Betätigung zu eröffnen. […] Es wäre uns aber erwünscht, erstens zu erfahren, welche Ansprüche Sie machen, zweitens, falls Sie sich in Prag auf Gebieten bewegt haben, die Ihnen bei uns ferner lagen, namentlich auf dem der Politik, einige Proben zu erhalten.70

Doch bereits am 1. November sagte man Wiegler zu und stellte ihn zunächst als Redakteur der Zeitungen und Zeitschriften und Mitarbeiter des Buchverlags ein. Nach seiner Einarbeitungszeit übertrug man ihm ab 1. Juli 1913 zusätzlich die Leitung der Romanabteilung.71 Damit wurde er zum „Chefredakteur für den Romanteil“ der bei Ullstein erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften.72

66 Vgl. Josef Cermák: Das Kultur- und Vereinsleben der Prager Studenten. Die Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag. In: brücken – Germanistisches Jahrbuch Tschechien Slowakei 9/ 1–2 (2001), S. 107–178, hier S. 127. 67 Vgl. z. B. auch den entsprechenden Hinweis in Bezug auf die Lesung Wedekinds, die am 2.2.1912 in der Halle stattgefunden hatte und für die Wiegler anschließend in der Bohemia „emphatische Worte des Lobes“ gefunden hatte. Cermák, Kultur- und Vereinsleben, S. 128. 68 Vgl. Verlagsvertrag vom 16.11.1909 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3). 69 Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 242 f. 70 Ullstein an Paul Wiegler am 24.10.12 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 396/2, Mappe 3). 71 Vgl. Ullstein an Paul Wiegler am 23.5.1913 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3). 72 Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 246.

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Vor seiner Zeit bei Ullstein und bei der Bohemia in Prag hatte Wiegler als Theaterkritiker und Redakteur bei verschiedenen Zeitungen gearbeitet, wie z. B. dem Stuttgarter Beobachter und dem Leipziger Tageblatt. Ab 1900 hatte verstärkt seine eigene literarische Produktion eingesetzt, es entstanden zahlreiche Essays zu literarischen Themen, biographische Abhandlungen, einzelne lyrische Versuche und erste Bücher Wieglers. Er wandte sich vor allem der französischen Literatur zu und übersetzte die Werke französischer Autoren, wie z. B. Anatole France, Honoré de Balzac, Jules Laforgue und später für Ullstein Guy de Maupassant73. In der Prager Zeit entstand ein umfangreiches Konvolut an Feuilletons. Mit Eintritt in denUllstein Verlag musste sich Wiegler verpflichten, „auf jede irgendwie geartete Tätigkeit für andere Verlagsunternehmungen zu verzichten“74, womit man sich die gesamte Schaffenskraft des neuen Lektors sichern wollte. Der Verlag erwartete, dass Wiegler seine Texte vor allem in den hauseigenen Publikationen veröffentlichte. Seine Beiträge erschienen fortan bevorzugt in der Dame, dem Uhu, dem Querschnitt und der Vossischen Zeitung. Darüber hinaus gestattete man ihm die „gelegentliche Mitarbeit“75 in anderen Zeitschriften, wie beispielsweise der Zukunft, dem Literarischen Echo, dem März, der Neuen Rundschau, dem von Stefan Großmann herausgegebenen Tage-Buch und dem Prager Tageblatt.76 1930 gab Wiegler im Ullstein Buchverlag seine zweibändige Geschichte der deutschen Literatur heraus, für die ihm, auch von angesehenen Schriftstellern wie z. B. Arthur Schnitzler (1862–1932), viel Lob entgegengebracht wurde.77 Als Sohn eines Studienrates kam Wiegler aus einem „kunstsinnigen“ Elternhaus und hatte schon als Kind Opern und Theateraufführungen besucht.78 Er war in Frankfurt und Berlin aufgewachsen, hatte Germanistik, Geschichte und Philosophie

73 Vgl. die Verlagsverträge mit Wiegler für die Werke Bel-Ami (2.6.1923) und Boule de Suif (27.8.1923) (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 74 Ullstein an Paul Wiegler am 23.5.1913 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3). 75 Ebd. 76 Vgl. Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 247. 77 „Lieber immer verehrter Doctor Paul Wiegler, zuerst habe ich in Ihre Literaturgeschichte nur da und dort hineingeblickt, war überall gefesselt, kam von einem Capitel ins andere – nun hab ich mich entschlossen, das Buch von der ersten Seite an durchzulesen, durchzustudieren, und thue es mit noch größerem Genuß als mir die Lectüre einzelner Capitel-Absätze gewährt hat. […] ich dachte nicht, daß ich von einem Werk solcher Art je wieder wirkliche Freude haben könnte. Ihnen danke ich sie, drücke Ihnen die Hand und grüße Sie, in alter Sympathie und Verehrung sehr herzlich.“ Arthur Schnitzler an Paul Wiegler am 12.6.1930, zitiert nach Briefe an Paul Wiegler. In: Sinn und Form 5 (1949), S. 5–17, hier S. 12. 78 Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 189.

3.2 Mitarbeiter des Verlags

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studiert79 und war „wie Herz dem bürgerlichen Bildungsanspruch verbunden“80. Er zeichnete sich durch eine große humanistische Belesenheit und ein „immenses Wissen“ auch über den literarischen Bereich hinaus aus.81 Willy Haas bezeichnete Wiegler in diesem Zusammenhang als „Polyhistoriker, wie ihn Deutschland nie wieder gesehen hat“82. Mit seinen fundierten Kenntnissen der Literaturgeschichte und seiner umfassenden Bildung war Wiegler in besonderem Maße für das literarische Lektorat des Propyläen-Verlags qualifiziert. Er schien darüber hinaus aber auch aufgrund seiner Persönlichkeit seinen Aufgabenbereich ideal ausgefüllt zu haben. „Wie kaum ein anderer“ sei Wiegler „nach Charakter und Begabung“ geeignet gewesen, „als Mittelsmann zwischen dem Verlag und den schriftstellerischen Individualitäten“ zu verhandeln, urteilte Georg Bernhard (1875–1944).83 Wiegler kennzeichnete einerseits eine ausgeprägte Bescheidenheit in Bezug auf die eigene Person, gleichzeitig gelang es ihm, mit „bezwingender Überredungsgabe“ die Interessen des Verlags bei den Autoren zu vertreten.84 Er galt als äußerst „fachverständige Instanz“, weil er Texte nicht nur aus der verlegerischen Perspektive, sondern auch aus dem Blickwinkel der Autoren beurteilen konnte, da er selbst Schriftsteller war.85 Diese begegneten ihm mit einer hohen Wertschätzung, denn Wiegler trat als „sensibler Berater selbst der größten und auf ihre Eigenarten bedachten“86 Schriftsteller auf. Beispielhaft kann der Kontakt zu Arthur Schnitzler angeführt werden, den Wiegler nicht nur als Lektor bei Propyläen und Ullstein betreute, sondern mit dem er auch im Austausch bezüglich seiner eigenen Werke stand. Auch für Heinrich Mann (1871–1950) stellte Wiegler einen wichtigen, vertrauenswürdigen Ansprechpartner im Verlag dar. Da Mann die Zusammenarbeit mit Max Krell (1887–1962) unzufrieden gestimmt hatte, äußerte er sich erfreut über Wieglers Wiedereinstieg bei Ullstein Mitte der zwanziger Jahre:

79 Das Studium hatte er allerdings nicht beendet. Nachdem er 1899 zum Militärdienst eingezogen, dann aber aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes für dienstunfähig erklärt wurde, kehrte er nicht zur Universität zurück, sondern wandte sich einer journalistischen Laufbahn zu. Vgl. Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 189. 80 Schneider, Lektüre, S. 58. 81 Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 227. 82 Ebd. 83 Ebd., S. 249. 84 Krell, Das alles gab es einmal, S. 125. 85 Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 249 f. 86 Krell, Das alles gab es einmal, S. 125.

68  3 Gründung des Propyläen-Verlags

Ihre Rückkehr dorthin wird sich günstig fühlbar machen. Kürzlich hatte ich Herrn Dr. Krell auf seinen Wunsch eine Novelle gegeben. Dann war sie aber zu lang befunden für das eine Blatt, zu kurz für das andere. Jetzt erscheint sie unbeanstandet in 4 oder 6 Nummern.87

Wiegler hatte sich nach dem Tod seiner Frau Ende 1925 und einer vorangegangenen persönlichen Krise, die man seiner Arbeitsüberlastung und der Vernachlässigung seiner eigenen literarischen Produktion zuschrieb, entschlossen, eine Auszeit von Berlin und seinen beruflichen Pflichten zu nehmen. Franz Ullsteins Reaktion auf Wieglers Entscheidung zeugt von der Bedeutung, die Wiegler für den Verlag erlangt hatte: Sehr geehrter Herr Wiegler, wie uns Herr Dr. Herz mitteilte, halten Sie an Ihrem Wunsch fest, für einige Zeit nach Wien überzusiedeln und das Vertragsverhältnis, das Sie mit unserem Hause verbindet, zu einem loseren zu gestalten. In dankbarer Anerkennung Ihrer uns durch lange Jahre geleisteten Dienste wollten wir Ihnen den Übergang erleichtern, indem wir Sie zunächst für ein halbes Jahr bei vollen Bezügen nach Wien beurlauben. Inwieweit Sie Ihren Wiener Aufenthalt benutzen wollen, um unsere Beziehungen zu der österreichischen Schriftstellerwelt zu betreuen, bleibt Ihnen überlassen. Die Weiterzahlung Ihrer Bezüge erfolgt auch noch bis Schluß des Jahres für den Fall, dass Sie Anfang Oktober nach Berlin zurückkehren und in irgendeiner Form die Tätigkeit für unser Haus wieder aufnehmen, wobei von vornherein als Vereinbarung gilt, dass diese Tätigkeit nicht mehr Ihre Arbeitskraft in dem bisherigen Umfang in Anspruch nehmen soll. In diesem letzten Vierteljahr hoffen wir dann zu einer genaueren Vereinbarung zu gelangen darüber, dass, in welcher Form und zu welchen Bedingungen vom 1. Januar 1927 an ein neuer Vertrag zwischen uns zustande kommt. Es würde uns jedenfalls eine aufrichtige Freude und Genugtuung bereiten, wenn wir Ihnen damit Gelegenheit gegeben haben, endgültige Beschlüsse über die Gestaltung Ihrer Zukunftspläne auf einen späteren Zeitpunkt größerer seelischer Ruhe zu verschieben. In aufrichtiger Wertschätzung Ihr Dr. Franz Ullstein88

Wiegler nahm seine Tätigkeit bei Ullstein zum 1. Dezember 1926 wieder auf. Von nun an arbeitete er lediglich am Vormittag bis 14 Uhr im Verlag und konnte sich danach in seine Wohnung zurückziehen.89 Sein Hauptarbeitsgebiet konzentrierte sich auf die „Lektüre von Romanen und Besprechungen mit Autoren, mit denen [er] auch durch Reisen in Fühlung bleiben“ sollte. Außerdem sollte Wiegler „den Redaktionsdienst der B. Z. am Mittag“ und „für die Feuilleton-Redaktion“ der Tageszeitun-

87 Heinrich Mann an Paul Wiegler am 23.12.1926 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 53/1). 88 Franz Ullstein an Paul Wiegler am 11.2.1926 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3). 89 Vgl. Ullstein an Paul Wiegler am 30.11.1926 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 396/2, Mappe 3).

3.2 Mitarbeiter des Verlags 

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gen die ihm zugewiesenen „Theater- und Vortragsreferate“ übernehmen.90 Nach der Enteignung der Ullsteins und der Entlassung der jüdischen Kollegen arbeitete Wiegler ab Oktober 1935 „wieder volltägig“ im Verlag und übernahm ab 1. April 1936 die Leitung der Romanabteilung.

3.2.3 Max Krell Als Wiegler im Jahr 1926 den Verlag für eine Weile verlassen hatte und anschließend seine Arbeitszeit reduzierte und seine Aufgabengebiete einschränkte, engagierte man den bereits seit 1925 im Verlag tätigen Max Krell als neuen Mitarbeiter von Emil Herz. Mit der Unterzeichnung seines Arbeitsvertrages am 18. Februar 1926 wurde Krell für die „Roman-Abteilung, sowie als Redakteur unseres Buch- und Propyläen-Verlags“91 bei Ullstein fest angestellt. Der Eintritt sollte „möglichst zum 1. April, spätestens 1. Mai d. J.“ erfolgen, diese Abmachung galt „zunächst fest bis 1. Oktober d. J.“ und lief anschließend „mit vierteljährlicher Kündigung weiter“.92 Krells Aus- und Vorbildung ähnelte deutlich dem Werdegang seines Vorgesetzten Emil Herz und dem seines Vorgängers Paul Wiegler. Max Krell hatte Germanistik und Philosophie studiert und Texte verfasst, die seine Verbindung zum Expressionismus deutlich werden ließen. Er war Novellist und Romancier und hatte bereits Berufserfahrung durch die Mitarbeit im Darmstädter Verlag Die Dachstube sammeln können. Krell arbeitete wie Wiegler als Übersetzer und war seit Herbst 1924 als Chefredakteur bei den Leipziger Zeitschriften Die Große Welt und Der Die Das tätig. Den Wechsel zu Ullstein hatte Ernst Rowohlt (1887–1960) vermittelt,93 der in den folgenden Jahren diese Verbindung seinerseits nutzte, um eigene Verlagsproduktionen als Vorabdrucke in den Zeitungen und Zeitschriften des Ullstein-Konzerns zu platzieren. Krell schreibt in seinen Erinnerungen, dass er seine Entscheidung, zu Ullstein zu gehen, vorher gründlich durchdacht hätte, da er seiner Ansicht nach „nicht die weitreichenden Kenntnisse und Beziehungen Paul Wieglers und nicht die Erfahrungen aus einem umfangreichen Betrieb“ besaß.94 Doch konnte er Verbindungen zu „den neuen literarischen Strömungen“ aufweisen, „die es einzufangen galt“.95 Dies war von besonderer Bedeutung für den Propyläen-Verlag. Zwar hatte auch schon Paul Wiegler Kontakte zu jüngeren Autoren geknüpft, doch die eigentliche Wendung des Propyläen-Programms hin zu den zeitgenössischen Autoren begann erst

90 Ebd. 91 Arbeitsvertrag von Max Krell vom 18.2.1926 (Marbach, DLA, A: Krell (Konv. Korrespondenzen, Verträge, Rechtsauseinandersetzungen mit Verlagen, darunter Ullstein), o. Z.). 92 Ebd. 93 Vgl. Krell, Das alles gab es einmal, S. 126. 94 Ebd. 95 Ebd.

70  3 Gründung des Propyläen-Verlags

unter dem Einfluss des ungefähr zehn Jahre jüngeren Max Krell.96 Er betreute als Lektor vor allem die Werke der Propyläen-Autoren, deren Bühnenstücke im Arcadia-Verlag erschienen, wie beispielsweise Bertolt Brecht (1898–1956), Ödön von Horváth (1901–1938), Ernst Penzoldt (1892–1955), aber auch Lion Feuchtwanger (1884–1958) und Erich Maria Remarque (1898–1970).

3.2.4 Die Redakteure Neben Emil Herz, dem Verlagsleiter, und seinen jeweiligen Cheflektoren waren weitere Redakteure im Ullstein- und Propyläen-Verlag beschäftigt. An dieser Stelle soll beispielhaft der Kunsthistoriker Carl Ferdinand Reinhold genannt werden, den Herz als einen seiner „befähigsten Mitarbeiter“97 beurteilte. Reinhold leitete u. a. die Redaktion der Kunstproduktionen des Propyläen-Verlags98 und war z. B. auch für die Propyläen-Weltgeschichte zuständig. Außerdem hatte er in der Ullstein-Reihe Menschen in Selbstzeugnissen und zeitgenössischen Berichten jeweils einen Band über Heinrich Heine und Heinrich von Kleist herausgegeben. Auch Verlagsautoren wurden als Redakteure eingesetzt, so wie jene umgekehrt als Autoren und Übersetzer tätig wurden.99 Der Schriftsteller Ernst Weiß (1882– 1940) beispielsweise hatte bei Propyläen im Jahr 1925 den Roman Männer der Nacht veröffentlicht. Man nutzte sein Stil- und Sprachgefühl und verpflichtete ihn anschließend wiederholt für die Überarbeitung von Romanen.100 So erschien Rodion Markovits (1884–1948) Roman Das Lager am Ussuri, der unter diesem Titel in der Vossischen Zeitung zum Vorabdruck gelangt war, später in der von Weiß überarbeiteten Fassung Sibirische Garnison bei Propyläen.101

3.2.5 Hugo Steiner-Prag Zuständig für die Ausstattung und Gestaltung der Propyläen-Werke war von Beginn an der Buchkünstler Hugo Steiner-Prag, der bereits seit 1912 mit Ullstein in Verbindung gestanden und einzelne Aufträge für den Verlag ausgeführt hatte. SteinerPrag hatte sich schon vor seinem Eintritt in den Propyläen-Verlag einen Namen als

96 Vgl. Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 209. 97 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 299. 98 Vgl. Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 207. Er war u. a. für die Konzeption des umfassenden Bilderteils der Propyläen-Kunstgeschichte verantwortlich. 99 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 204. 100 Vgl. Schneider, Romanabteilung, S. 108. 101 Vgl. ebd.

3.2 Mitarbeiter des Verlags



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bedeutender Illustrator, „Einbandkünstler und Typograf von hoher Kultur“102 gemacht. Als seine Werke 1919 in einer ersten großen Ausstellung in Leipzig gezeigt wurden, war er bereits zu „einer Marke geworden“, wie er selbst rückblickend konstatierte.103 Steiner-Prag wurde am 12. Dezember 1880 in Prag geboren. Zu seiner Geburtsstadt, in der er Kindheit und Jugend verbracht hatte, bestand zeitlebens eine starke emotionale Bindung. Die Erinnerungen an Prag sollten später in seinem künstlerischen Werk maßgeblichen Niederschlag finden.104 Um seine Verbindung mit Prag auch nach außen hin deutlich zu machen, fügte der Künstler den Namen der Stadt seinem eigenen Namen hinzu. Steiner-Prag, dessen Vater eine Buchhandlung mit angeschlossener Leihbibliothek betrieben hatte, begann schon als Kind mit dem Zeichnen und kam früh mit der Prager Literaturszene in Berührung. Intensiveren Kontakt pflegte Steiner-Prag zu einem von Rainer Maria Rilke beeinflussten neuromantischen Kreis junger Dichter, zu dem u. a. Paul Leppin (1878–1945), Oskar Wiener (1873–1944) und Viktor Hadwiger (1878–1911) gehörten. Aus diesen Beziehungen heraus entstanden Steiners früheste Buchausstattungen, so z. B. 1899 für einen Gedichtband Oskar Wieners. Die ersten Buchgraphiken schuf Steiner-Prag für zwei Veröffentlichungen von Paul Leppin in den Jahren 1900 und 1902.105 Emil Orlik (1870–1932), der Steiner-Prags zeichnerisches Talent erkannt hatte, setzte sich für dessen Aufnahme an der Prager Kunstakademie ein, wo Steiner-Prag die graphischen Techniken, darunter insbesondere die Lithographie für sich entdeckte.106 1901 entschied er sich, an die Münchner Akademie zu wechseln, wo er in die Malerklasse von Franz Stuck (1863–1928) aufgenommen wurde. Sein Interesse an der Literatur, aber auch Geldnot führten schließlich dazu, dass sich der Künstler erfolgreich um Gestaltungsaufträge bei Buchverlagen bewarb. Ab 1903 schloss er sich den „Versuchswerkstätten für freie und angewandte Kunst“ an, wo er eine Anstellung als Lehrer für Graphik und Illustrationstechnik fand und damit den Grundstein für seine später geschätzte Unterrichtstechnik legte. 1905 feierte Steiner-Prag einen ersten Erfolg mit dem Mappenwerk Phantastische Landschaften, das u. a. vom Berliner Kupferstichkabinett angekauft wurde. Im selben Jahr wurde er an die Kunstgewerbeschule nach Barmen berufen und richtete dort eine eigene Abteilung für angewandte Graphik ein. 1906 erhielt Steiner-Prag seinen ersten größeren Auftrag vom Verlag G. Grote. Das daraus entstandene Illustrationswerk zu E. T. A. Hoffmanns Roman Die Elixiere des Teufels konnte sich in der zeitgenössischen Kritik erfolgreich behaupten und

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Klitzke, Hugo Steiner-Prag, S. 115. Geiger/Steiner-Prag, Vorläufiger Plan und Notizen, S. 202. Vgl. Klitzke, Hugo Steiner-Prag, S. 116 f. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 117.

72  3 Gründung des Propyläen-Verlags

wird noch heute als ein „Höhepunkt der E. T. A.-Hoffmann-Illustration in der Zeit des Jugendstils“ gepriesen.107 Im Jahr 1907 wurde Steiner-Prag schließlich Nachfolger von Friedrich Wilhelm Kleukens (1878–1956) an der Leipziger Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe.108 Diese war wenige Jahre zuvor in eine Ausbildungsstätte umgewandelt worden, die alle Zweige buchkünstlerischer und buchgewerblicher Tätigkeit berücksichtigte und auf die Erfordernisse der neuen Buchkunstbewegung ausgerichtet war. Steiner-Prag wirkte intensiv an der Umsetzung und Förderungen der neuen Gestaltungsgrundsätze mit. Einen besonderen Schwerpunkt legte er nicht nur als Illustrator, sondern auch in seiner Lehrtätigkeit auf die Verbindung von Kunst und Literatur. Bereits nach drei Jahren an der Akademie wurde er 1910 zum Professor berufen.109 Steiner-Prag pflegte Kontakte zum Kreis um den Insel-Verlag und arbeitete für zahlreiche andere Verlage wie beispielsweise Eugen Diederichs, E. A. Seemann, Tauchnitz und S. Fischer. Dennoch sollte mit diesen Verlagen keine dauerhafte Zusammenarbeit zustande kommen, wofür wohl auch Steiner-Prags „Drang nach völliger Selbstständigkeit im künstlerischen Ausdruck“ verantwortlich gewesen war.110 Als „unglaubliche Chance“ bewertete er hingegen schließlich das Angebot des neugegründeten Propyläen-Verlags, wo sich ihm die Möglichkeit eröffnete, „einen ganzen Verlag unabhängig aufzubauen, ihm ein ‚Gesicht‘ zu geben“111. Bei Propyläen sollte man dem Buchkünstler freie Hand lassen in der Gestaltung der bibliophilen Werke.112 Besonders wertvoll vor allem für die Reihenproduktionen des Verlags waren Steiner-Prags wiederholt gepriesenen Fähigkeiten im Bereich des künstlerischen Bucheinbandes: Namentlich geschickt geht Steiner-Prag bei den Bänden von Serienerscheinungen vor, die eine gewisse Neutralität fordern. Jedes Mal wird in anderer Weise ein Motiv angewandt, das sich dem Auge einprägt und dem Suchenden in der Bibliothek seine Arbeit erleichtert.113

Steiner-Prag kümmerte sich um die Wahl des Papiers, der Schrift und der Illustrationen und entwickelte Signete und Vignetten, um die Werke des Verlags im Rahmen einer harmonisch abgestimmten Gestaltung auf einen „gemeinsamen Generalnen-

107 Klitzke, Hugo Steiner-Prag, S. 121. 108 Kleukens wechselte 1907 von Leipzig nach Darmstadt und wurde Mitglied der Künstlerkolonie in Darmstadt. 109 Vgl. Klitzke, Hugo Steiner-Prag, S. 122. 110 Geiger/Steiner-Prag, Vorläufiger Plan und Notizen, S. 200. 111 Ebd., S. 201 f. 112 Vgl. Kap. 4. 113 Max Osborn: Einführung. In: Hugo Steiner-Prag. Hrsg. von Hermann Frenzel. Phoenix 1928. Zitiert nach Hugo Steiner-Prag 1880–1945, S. 18–21, hier S. 18. Vgl. z. B. auch Klitzke, Hugo Steiner-Prag, S. 134.

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ner zu bringen“114. Dabei betrachtete er das Buch stets als Gesamtkunstwerk115 und konnte sich auf diese Weise nicht nur im Bereich der bibliophilen Luxusdrucke, sondern vor allem auch in der Gestaltung des wohlfeilen Gebrauchsbuches Geltung verschaffen.116 Der Buchgestalter übernahm selbst Illustrationsaufträge für den Propyläen-Verlag117 und stellte Verbindungen zu anderen Buchkünstlern und Schriftstellern her. Neben seinem Engagement als Bühnenbildner118 spielte als weiteres Betätigungsfeld die Initiation und Organisation von Buchkunstausstellungen eine wichtige Rolle für Steiner-Prag, die allerdings erst zum Tragen kam, als seine Tätigkeit für den Propyläen-Verlag bereits wieder abebbte.119 Im Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags findet sich die Abschrift eines Briefes von Emil Herz, der belegt, dass man bereits 1925 über „eine Lösung der […] getroffenen Vereinbarung (etwa zum Ende des Jahres)“ nachgedacht hatte.120 Grund hierfür waren die schlechten Absatzmöglichkeiten für „Bücher in wertvoller Aufmachung, illustrierter Werke, Graphik, u. s. w.“, die den Propyläen-Verlag dazu veranlassten, die „Produktion entsprechend einzustellen“.121 Aus diesem Grund rechnete man damit, dass in Kürze für Steiner-Prag „die Möglichkeit [seiner] weiteren künstlerischen Mitarbeit entfallen“ werde.122 Dieser spricht in seinen Aufzeichnungen für eine Autobiographie allerdings davon, dass er im Jahr 1925 einen Antrag, „ganz nach Berlin zu Ullstein und dem Propyläen-Verlag zu gehen“123 bekommen, diesen aber abgelehnt habe. Der Blick in die Bibliographie des buchkünstlerischen Schaffens Hugo Steiner-Prags124 bestätigt den drastischen Rückgang der von ihm gestalteten und ausgestatteten Werke ab dem Jahr 1925 und lässt damit den tatsächlichen Umfang seines Wirkens im Propyläen-Verlag deutlich werden. Während für 1923 noch 14 Einzelwerke angegeben werden und für das Jahr 1924 immerhin elf, sind es für 1925 lediglich sechs und 1926 nur zwei. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Reihen. Nach 1925 war Steiner-Prag noch zuständig für die Propyläen-Kunstgeschichte, die von 1929 bis 1933 erscheinende Propyläen-Weltgeschichte und die verbleibenden Bände der beiden Reihen Das kleine Propyläen-Buch (bis 1927) und die

114 Lothar Brieger: Vom Buchgewand. In: Hugo Steiner-Prag zum fünfzigsten Geburtstag. Leipzig: Drugulin 1930, S. 23–26, hier S. 25. 115 Vgl. Klitzke, Hugo Steiner-Prag, S. 137. 116 Vgl. ebd., S. 24. 117 Steiner-Prag ist als Illustrator mit sechs Werken im Propyläen-Verlag vertreten, vgl. hierzu Abschn. 4.2. 118 Vgl. Klitzke, Hugo Steiner-Prag, S. 128. 119 Vgl. ebd., S. 148–153 und Abschn. 4.2. 120 Emil Herz an Hugo Steiner-Prag am 3.9.1925 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 121 Ebd. 122 Ebd. 123 Geiger/Steiner-Prag, Vorläufiger Plan und Notizen, S. 202. 124 Für die folgenden Angaben vgl. Hugo Steiner-Prag 1880–1945, S. 30–40.

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Skizzenbücher (bis 1926). Für den Ullstein Buchverlag ist bereits im Jahr 1925 der letzte Einzelauftrag Steiner-Prags verzeichnet. Gleichwohl wurde der Buchkünstler dann im Jahre 1930 noch einmal mit einem prestigeträchtigen und für die Außenwirkung des Konzerns bedeutungsvollen Auftrag betraut – der typographischen Neugestaltung der Vossischen Zeitung,125 die allerdings bereits vier Jahre später verboten und eingestellt wurde. Steiner-Prag flüchtete 1933 zunächst nach Prag und emigrierte dann 1939 nach Schweden.

3.2.6 Julius Elias Besonders prägend für die Entwicklung des Verlags war Julius Elias, der vor allem in den Programmbereichen Kunst und Theater die entscheidende Schnittstelle zwischen dem Verlag und den Autoren, bzw. den Künstlern, bildete. Laut Emil Herz hatte sich Elias bei ihm gemeldet und um eine Beschäftigung im Verlag gebeten, da er sein Vermögen in der Inflation verloren habe.126 Aufgrund des günstigen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Gründung des Propyläen-Verlags, den guten Absatzchancen für Kunstliteratur und bibliophilen Produktionen und dem Eintritt Julius Elias bleiben allerdings Zweifel an Herz’ Darstellung.127 Wahrscheinlicher ist, dass es dem Konzern gelungen war – so auch von Georg Bernhard in der Jubiläumsschrift 50 Jahre Ullstein dargestellt –, Elias aktiv für den Propyläen-Verlag zu gewinnen; zumal Elias „glänzende Feder dem Hause Ullstein in früheren Zeiten schon oft und an verschiedenen Stellen gedient hatte“128 und man bereits gut mit ihm bekannt war. Zur Betreuung und Etablierung des Kunstprogramms benötigte man einen Spezialisten, der über das notwendige kunstgeschichtliche Wissen verfügte und gleichzeitig in der Lage war, die entscheidenden Verbindungen zu Künstlern und Wissenschaftlern herzustellen. Elias, der als „Erzvater des Berliner Kunstlebens“129 galt, war für diese Aufgabe hervorragend geeignet. Es ist kaum anders denkbar, als dass man in einem strategisch operierenden Verlag wie dem UllsteinKonzern die Zusammenarbeit mit diesem „kreativen Geist“130 bewusst forciert hatte. Hinzu kommt, dass auch Elias’ Eintrittsdatum, bei Schwab-Felisch mit 1921 angegeben, infrage gestellt werden muss. Aus seinen Briefen an Max Slevogt (1868–

125 Vgl. Irene Schlegel: Hugo Steiner-Prag. Sein Leben für das schöne Buch. Memmingen: Edition Curt Visel 1995, S. 65 f. 126 Vgl. Herz, Denk ich an Deutschland, S. 298. 127 Dass darüber hinaus ein bereits zu diesem Zeitpunkt erlittener Inflationsverlust merkwürdig erscheint, greift Schwab-Felisch in seinen Ausführungen zu Elias in der Verlagsgeschichte zum hundertsten Jubliäum Ullsteins auf. Vgl. Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 204. 128 Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 108. 129 Carl Zuckmayer über Julius Elias, zitiert nach Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 288. 130 Vgl. Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 288.

3.2 Mitarbeiter des Verlags

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1932) geht hervor, dass Elias bereits im Februar 1920 für den Propyläen-Verlag tätig war und den Künstler in dieser Zeit für das erste originalgraphische Werk des Propyläen-Verlags, die Alten Märchen mit der Feder erzählt, gewinnen konnte. Sie können sich denken, daß die neue Kultur- und Kunstaufgabe, die ich in meinen Jahren leichtfertig übernommen habe, mich außerordentlich beschäftigt, ja erregt und bangt. Ich rechne auf die, mit denen ich mich emporgekämpft habe. Der Verlag ist entzückt über das Resultat unserer regen Verhandlungen und ist entschlossen, Ihnen in jeder Weise entgegenzukommen. Ich hätte dringenden Anlaß, mit Ihnen noch etwas Importantes zu besprechen (habe überdies zwei neue Ideen), […].131 Emil Herz übersandte den Vertrag über die Lieferung von „zwanzig Märchenzeichnungen“ am 30. März 1920 an Slevogt und bezog sich dabei auf die vorangegangenen Verhandlungen mit Elias: „Wir erlauben uns, die mündliche Vereinbarung, die zwischen Ihnen und Herrn Dr. Elias getroffen worden ist, hierdurch schriftlich und rechtsverbindlich festzulegen.“132 Eine Erklärung für die leichte Verschiebung des Eintrittsdatums – sollte es sich dabei nicht lediglich um einen Irrtum in der Verlagsgeschichtsschreibung handeln – könnte in der Absicht des Verlags zu suchen sein, dessen erfolgreiche Positionierung in den ersten Jahren nicht ausschließlich auf den Einfluss Elias zurückzuführen, sondern vielmehr auf die „schon […] lange entworfene Verlags-Strategie“, deren „Verwirklichung […] nun in Angriff genommen werden sollte“.133 Hierdurch würde die bei Ullstein intern entwickelte originäre Idee zur Gründung und Ausrichtung des Propyläen-Verlags stärker betont, während man Elias eher die Rolle des später hinzugetretenen „Erfüllungsgehilfen“ dieser Idee zuschreiben könnte, dessen Leistung man gleichwohl als „unschätzbaren Gewinn“ beurteilte.134 Elias war in Berlin aufgewachsen und hatte Germanistik und Literaturwissenschaft studiert. Schon früh hatte er eine besondere Vorliebe für die naturalistische Literatur der Skandinavier entwickelt, für deren Verbreitung und Vermittlung in Deutschland er sich einsetzte. Nach seiner Bekanntschaft mit Henrik Ibsen (1828– 1906) wurde er (zusammen mit Paul Schlenther) zum Herausgeber von dessen Werken und nach Ibsens Tod ernannte man ihn zu dessen Testamentsvollstrecker bzw. Nachlassverwalter. Die bei S. Fischer von 1889 bis 1904 erschienenen Editionen „beförderten maßgeblich“ die Rezeption Ibsens in Deutschland135 und stellten gleichzeitig den Beginn der langjährigen Zusammenarbeit von Elias und Fischer dar. Kennengelernt hatten sie sich wohl im Kreis um die Gründung der „Freien Bühne“

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Julius Elias an Max Slevogt am 19.2.1920 (Speyer, LBZ/ Pfälzische Landesbibliothek, N 100). Emil Herz an Max Slevogt am 30.3.1920 (Speyer, LBZ/ Pfälzische Landesbibliothek, N 100). Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 205. Ebd. Völker, Arcadia-Verlag, S. 131.

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(1889). Als Otto Brahm (1856–1912, ein Studienkollege von Elias), Theodor Wolff und Maximilian Harden im März 1888 ins Weinrestaurant Kempinski einluden, um über die Gründung eines Theater-Vereins zu beraten, zählten auch Fischer und Elias zu den auserwählten Gleichgesinnten, die eine Einladungskarte erhielten.136 Fischer legte in diesen Jahren die Grundsteine seiner Karriere. Am 29. Januar 1890 erschien die erste Nummer der Zeitschrift Freie Bühne für modernes Leben, aus der ab 1893 die Neue Rundschau hervorging. Darin war der Vorabdruck des ersten Aktes von Gerhart Hauptmanns Stück Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe enthalten, das direkt im Anschluss an den Vorabdruck bei Fischer als Buchausgabe erschien.137 Damit hatte Fischer seinen wohl erfolgreichsten Autor gewonnen, den er auf Lebenszeit an sich binden würde. In geschäftlicher wie auch in freundschaftlicher Hinsicht wurde Elias für Fischer und Hauptmann zu einem engen Vertrauten, der von Anfang an die Rolle des gemeinsamen Beraters und Vermittlers einnahm.138 Wie auch Brahm war Elias bereits in die Verhandlungen um den ersten Vertrag zwischen Fischer und Hauptmann involviert gewesen.139 Er zählte gerade in den Anfangsjahren zu den wichtigsten Weggefährten und Mitarbeitern von Samuel Fischer, sein Eintritt bei Ullstein sollte die Freundschaft zu Fischer allerdings auf eine harte Probe stellen. Wo Elias in seiner Tätigkeit für Ullstein eine kollegiale Unterstützung durch Fischer erwartete, dem er die Jahre hindurch mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte, begegnete ihm Fischer unnachgiebig und bezüglich der Abwerbung seiner Autoren für einzelne Ullstein- bzw. Propyläen-Projekte nicht verhandlungsbereit. Elias reagierte mit Unverständnis auf das Verhalten Fischers, für den Verlag und Existenz unmittelbar verknüpft waren und der sich gegen den finanzkräftigen und mächtigen Ullstein-Konzern zu wehren suchte, wo Elias wiederum in einer vergleichsweise sicheren Angestelltenposition tätig war. Hauptmann gegenüber klagte er, dass S. Fischer […] mit den Jahren ein böser, alter Mann geworden ist. Ich sage Ihnen dies nach den letzten Erfahrungen, mein Herz ausschüttend. […], anstatt einen alten Freund, der mit redlichem Bemühen und in konsequenter Gedankenfolge an dem Aufbau einer Organisation mit gewirkt hat, konfraternell zu unterstützen, wirft er mir wo er kann, Knüppel zwischen die Beine, und diese Knüppel haben sogar noch Nägel. Er hat mich mehrfach, telefonisch und schriftlich, durch Redensarten zu beleidigen versucht, aber die Phrasen waren so dämlich, dass sie an meinem Pectus abprallen mussten. Indessen, die Gesinnungen, die hinter Fischers Äußerungen liegen, sind so hässlich, dass ich (ganz offen sei es gesagt) innerlich mit ihm fertig bin und vorläufig auch nicht den Wunsch habe, mit ihm geschäftlich oder gesellschaftlich direkt zu verkehren.140

136 Vgl. Mendelssohn, Fischer, S. 86. 137 Vgl. ebd., S. 111–119. 138 Vgl. ebd., S. 954. 139 Vgl. ebd., S. 116. 140 Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 6.8.1924 (Berlin, StaBi, Nachlass Elias, Kiste 2, Hauptmann Gerhart, 2, 2).

3.2 Mitarbeiter des Verlags



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Von Fischer wiederum lassen sich in seinen Briefen an Hauptmann keine diesbezüglichen Äußerungen über Elias finden. Elias’ Tätigkeit für Ullstein schien denn auch keinen dauerhaften Bruch zwischen Elias und Fischer ausgelöst zu haben. So zählte Elias im Jahr 1926 zum 40. Jubiläum des S. Fischer Verlags zu den wichtigsten Gratulanten, die im entsprechenden Almanach ein Grußwort veröffentlichten.141 Anlässlich des Todes von Elias im Jahr 1927 verdeutlichte Hedwig Fischer gegenüber Arthur Schnitzler noch einmal ihre und ihres Mannes Beziehung zu Elias: „Wir waren über dreißig Jahre befreundet, und besonders früher haben wir oft für dieselben Dinge und Menschen, Seite an Seite, gekämpft“.142 Elias gehörte dem engsten Zirkel um Hauptmann an. Er setzte sich für die Aufführung von Hauptmanns und Ibsens Stücken ein und förderte dadurch die Rezeption des Naturalismus in Deutschland. Elias wurde zu einem versierten Theaterkenner, der sowohl mit den Autoren als auch mit den wichtigsten Theaterleitern, -kritikern und -schauspielern bekannt war. Außerdem pflegte er intensive Kontakte nach Frankreich und trat als Vermittler des französischen Unterhaltungstheaters auf. Elias übersetzte zahlreiche französische Stücke selbst, bereitete sie für die Aufführung an deutschen Bühnen vor und sicherte sich schließlich die Rechte an ihnen. Auf diese Weise erlangte er eine einflussreiche Position im Theaterbetrieb, da er den Zugang der Regisseure zu den erfolgreichen und für die Rentabilität der deutschen Bühnen unerlässlichen französischen Stücke als Druckmittel zur Durchsetzung der von ihm protegierten jüngeren deutschen Theaterautoren einsetzen konnte.143 Denn Elias war nicht nur für seinen „Spürsinn für gutes Unterhaltungstheater“144 bekannt, sondern es wurde ihm auch eine „Nase“ für literarische Entdeckungen145 zugeschrieben. Damit war er der „richtige Mann“ für den Arcadia-Bühnenvertrieb, der 1923 ebenfalls innerhalb des Ullstein-Unternehmens gegründet worden war und in enger Verbindung zum Propyläen-Verlag stand (vgl. Abschn. 5.3). Ullstein übertrug Elias die künstlerische Leitung und konnte sich so auch seine bei S. Fischer erlangten Kenntnisse und Beziehungen im Bereich des Bühnenverlags sichern. Elias holte die jungen Talente Carl Zuckmayer (1896–1977) und Bertolt Brecht zu Propyläen bzw. in den Arcadia-Verlag146 und erwies Propyläen auf diese Weise auch bei der Entwicklung des literarischen Programms „unschätzbare Dienste“147. Bis heute werden Zuckmayer und Brecht als prominenteste Autoren des Verlags genannt, da ihr

141 In: Das 40. Jahr. Berlin: S. Fischer 1926, S. 86–93. 142 Hedwig Fischer an Arthur Schnitzler am 10.7.1927, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 150. 143 Vgl. Völker, Arcadia-Verlag, S. 133. 144 Ebd., S. 129. 145 Vgl. Krell, Das alles gab es einmal, S. 330. 146 Vgl. zu Zuckmayer: Nickel, Carl Zuckmayer. 147 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 204.

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bekannter Name und das damit verbundene symbolische Kapital dem Prestige des Verlags nach wie vor förderlich ist. Elias Wirken im unmittelbaren Bereich der Literatur und der Germanistik ist vor allem mit der Gründung der Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte im Jahr 1892 verbunden, die bis 1919 von ihm herausgegeben wurden.148 Die Forschung hat Elias’ Leistung auf diesem Gebiet bisher wenig erhellt, obwohl die Jahresberichte „für Jahrzehnte das zentrale überregionale kritische Informationsorgan über Forschungen und Neuerscheinungen auf dem Gebiet der germanistischen Literaturwissenschaft“149 werden sollten. Zeitgenossen versprachen sich „einen großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der deutschen Literaturgeschichte“150 von dem bibliographischen Kompendium. Dessen Vorzug gegenüber anderen Bibliographien bestand darin, dass ausgesuchte Experten für ein literarisches Themenfeld die Neuerscheinungen des Berichtszeitraums nicht lediglich verzeichneten, sondern „in einem größeren Forschungskontext“ mit entsprechendem wissenschaftlichen Anspruch „auch kommentierten und bewerteten“.151 Elias hatte das Unternehmen aus eigenen Mitteln finanziert und das Mitarbeiterteam – bestehend vor allem aus angesehenen Wissenschaftlern und prominenten Hochschullehrern – „sehr sorgfältig nach [deren] wissenschaftlichen Fähigkeiten“ ausgewählt.152 Für den langjährigen Mitarbeiter Fritz Homeyer, der hier zitiert wird, kam bereits die Zusammenarbeit innerhalb dieses Kreises der „Elite der jüngeren Berliner Germanisten“ einem Honorar gleich, auf das die Mitarbeiter ansonsten verzichten mussten.153 Die Jahresberichte waren eng angebunden an die Berliner Gesellschaft für deutsche Literatur (1888– 1938), einerseits durch die personellen Verflechtungen zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft und den redaktionellen Mitarbeitern der Jahresberichte, anderer-

148 Die ersten Jahrgänge hatte Elias zusammen mit Max Herrmann und Siegfried Szamatólski herausgegeben. Nachdem Szamatólski während der Arbeit am 3. Band verstorben und Herrmann bereits nach Band 2 ausgeschieden war, konnte Elias für die Herausgabe der Jahresberichte wechselnde Co-Herausgeber gewinnen. 149 Wissenschaft ohne Universität. Forschung ohne Staat. Die Berliner Gesellschaft für deutsche Literatur (1888–1938). Hrsg. von Hans-Harald Müller und Mirko Nottscheid. Berlin/Boston: de Gruyter 2011, S. 68. 150 So der österreichische Germanist August Sauer, zitiert in Myriam Richter/Hans-Harald Müller: August Sauer, die Gründung des Euphorion und die Modernisierung der Germanistik im Ausgang des 19. Jahrhunderts. In: August Sauer (1855–1926). Ein Intellektueller in Prag zwischen Kultur- und Wissenschaftspolitik. Hrsg. von Steffen Höhne. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2011, S. 147–174, hier S. 150. 151 Ebd. 152 Müller/Nottscheid, Wissenschaft ohne Universität, S. 67. Vgl. hier auch die weitere Aufzählung der Mitarbeiter. 153 Fritz Homeyer: Das für Buch für das Leben. Erinnerungen. 1961, S. 65–67, zitiert nach Müller/ Nottscheid, Wissenschaft ohne Universität, S. 68.

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seits durch die „besondere Unterstützung“154 des Berliner Germanisten Erich Schmidt (1853–1913), Inhaber des seinerzeit wichtigsten Lehrstuhls für Neuere Deutsche Literaturgeschichte, der den Vorsitz der Gesellschaft innehatte. Ziel der Gesellschaft war die Förderung literaturwissenschaftlicher Forschung und deren Verbreitung. In regelmäßigen Sitzungen wurden wissenschaftliche Forschungsvorhaben und -ergebnisse vorgestellt und diskutiert. Zu den Mitgliedern zählten neben Hochschul- und Gymnasiallehrern auch literaturwissenschaftlich Interessierte mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund. In ihrer Forschungskapazität übertraf die Gesellschaft mit den Arbeiten der einzelnen Mitglieder und den von ihr initiierten Forschungsprojekten die Berliner Universität und trug mit der Gründung der Literaturarchivgesellschaft und der Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke zur Modernisierung der Germanistik bei.155 Auch die Jahresberichte hatten daran ihren Anteil, einerseits indem sie in ihren Referaten umfangreich Bezug nahmen auf die in der Gesellschaft diskutierten Forschungsergebnisse und dazugehörigen Veröffentlichungen und andererseits indem sie dem verstärkten Informationsbedürfnis der sich ausdifferenzierenden Disziplin im Hinblick auf Rezensionen, Forschungsüberblicke und eine kommentierte Bibliographie Rechnung trugen.156 Unter der Ägide von Elias erschienen insgesamt 26 Bände, die den Berichtszeitraum von 1890 bis 1915 abdeckten. Ab dem Berichtszeitraum 1921 gingen die Jahresberichte an die Literaturarchivgesellschaft über.157 Neben dem Theater und der Literatur sollte die Kunst zum wichtigsten Tätigkeitsbereich von Elias werden. Schon als Student an der Freilichtmalerei interessiert, intensivierten sich Elias’ Kenntnisse der Kunstszene durch seinen Paris-Aufenthalt (1890–1891). Elias kam dort in Kontakt mit einigen der wichtigsten französi-

154 Vgl. Müller/Nottscheid, Wissenschaft ohne Universität, S. 2. Diese wurde ab 1894 so auch auf dem Titelblatt der Jahresberichte angezeigt. 155 Vgl. Richter/Müller, Sauer, S. 147–149: Die Etablierung der Germanistik als wissenschaftliche Disziplin mit geregeltem Forschungs- und Lehrbetrieb brachte insgesamt eine Modernisierung des Fachs mit sich, die von den folgenden Bereichen ausging: 1) Aufgrund der sich ständig erhöhenden Zahl von Absolventen und Wissenschaftlern kam es zu einem erhöhten Informations- und Kommunikationsbedarf über Forschungen und Neuerscheinungen. 2) Dadurch veränderte sich die Funktion der Fachzeitschriften, die in verstärktem Maße Rezensionen, Forschungsüberblicke und Bibliographien aufnahmen bzw. erstellten. 3) Neben der Arbeit an den Textgrundlagen der kanonischen Werke, die bis dahin im Mittelpunkt gestanden hatte, wurden nun immer mehr literarische Werke selbst zum Gegenstand der Forschung. 4) Forschungsgegenstände sollten nun auch in Archiven, Museen, etc. gesammelt und zugänglich gemacht werden. Richter/Müller gehen davon aus, dass sich in der Berliner Gesellschaft für deutsche Literatur diese Modernisierungstendenzen „gebündelt aufzeigen“ lassen. Ebd., S. 149. 156 Vgl. ebd., S. 148. 157 Vgl. Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Begründet von Paul Merker und Wolfgang Stammler. Hrsg. von Klaus Kanzog und Achim Masser. 3. Aufl. der Originalausgabe von 1958. Berlin/New York: de Gruyter 2001, S. 161.

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schen impressionistischen Künstlern wie Monet, Pissarro und Cézanne, aber auch mit einflussreichen Kunsthändlern wie Paul Durand-Ruel (1831–1922), für den er später Ausstellungen in Deutschland organisierte.158 Nach seiner Rückkehr aus Frankreich wandte sich Elias neben seiner Tätigkeit für die Jahresberichte verstärkt der Kunst zu. Er trat vor allem für den französischen und deutschen Impressionismus ein und wurde zu einem der engagiertesten Verfechter der Moderne, was ihn eng mit Paul Cassirer (1871–1926) verband und zu einer Freundschaft und der Mitarbeit in dessen Verlag führen sollte. Grete Fischer, die Assistentin Paul Cassirers, erinnerte sich, dass Elias „fast täglich im Haus“ war, „meist wegen der Luxusmappen, […]. Er redigierte Prachtbände mit Illustrationen von Hans Meid, Slevogt, Liebermann.“159 Hier konnte sich Elias die für seine spätere Arbeit im Propyläen-Verlag entscheidenden Kenntnisse in der Herstellung hochwertiger Kunstbücher aneignen und die entsprechenden Kontakte zu den leistungsfähigsten und gefragtesten Druckereien, wie z. B. zur Reichsdruckerei, knüpfen. Zusätzlich zu seiner Arbeit im Verlag etablierte sich Elias nach der Jahrhundertwende zu einem einflussreichen Kunstjournalisten.160 Er veröffentlichte zahlreiche Aufsätze und Essays in Zeitungen und Zeitschriften (u. a. Kunst und Künstler und Vossische Zeitung), verfasste Künstlermonographien und diverse Einführungstexte, z. B. für die Ausstellungskataloge von Alfred Flechtheim (1878–1937).161 Er pflegte gute Freundschaften zu seinen Berliner Kritikerkollegen und beeinflusste aktiv die Presseberichterstattung im Bereich der Kunstkritiken. So erhielten beispielsweise Alfred Lichtwark (1852–1914) und der Salon Gurlitt entsprechende Unterstützung durch Max Liebermann (1847–1935) und Elias für die Ausstellung Junge Hamburger Kunst (ab 23.10.1897): Verehrtester Freund, es traf sich sehr glücklich, daß gerade als Herr Eitner[162] mir Ihren Brief überbrachte, Dr. Elias mich besuchte. Selbst Kunstschriftsteller (in der Nation) hat er sehr viele Freunde unter den berliner [sic!] Kritikern. Er wird Herrn Eitner an Voß (National-Zeitung)[,] an Dr[.] Bie[163] (Börsencourier)[,] Osborn (Lokalanzeiger) und an einige andere Herrn Empfeh-

158 Vgl. Stefan Pucks: Von Manet zu Matisse – Die Sammler der franz. Moderne in Berlin um 1900. In: Manet bis van Gogh. Hugo Tschudi und der Kampf um Moderne. Anlässlich der Ausstellung Manet bis van Gogh – Hugo von Tschudi und der Kampf um die Moderne, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, 20.9.1996 bis 6.1.1997; Neue Pinakothek, Bayerische Staatsgemäldesammlung, München, 24.1.1997 bis 11.5.1997. Hrsg. von Johann Georg Prinz von Hohenzollern. München: Prestel 1996, S. 386–390, hier S. 386. 159 Fischer, Dienstboten, Brecht und andere, S. 224. 160 Vgl. Rahel E. Feilchenfeldt: Paul Cassirer – Ein Mosaik. In: Ein Fest der Künste. Paul Cassirer. Der Kunsthändler als Verleger. Hrsg. von Rahel E. Feilchenfeldt und Thomas Raff. München: C. H. Beck 2006, S. 13–42, hier S. 20. 161 Zu Französische Impressionisten 1924, zu George Rouault 1925. Vgl. die Angaben bei Dascher, Veröffentlichungen der Galerie Flechtheim, S. 461–471. 162 Wilhelm Heinrich Ernst Eitner (1867–1955), Künstler. 163 Oscar Bie (1864–1938), war als Opern-, Musik- und Kunstkritiker für den Berliner Börsen-Courier und die Weltbühne tätig.

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lung geben und mit ihrem Schreiben an Rosenhagen[164] und Dernburg[165] ist nicht zu zweifeln, daß die Presse die Ausstellung der Hamburger sympathisch begrüßen wird.166

Darüber hinaus schlug sich Elias Kunstinteresse besonders im Bereich seiner Sammlungstätigkeit nieder. Als Sohn eines Bankiers entstammte er einer vermögenden Familie, für die der Kunstbesitz als „Mittel der sozialen Distinktion“ 167 auch eine legitimierte Möglichkeit darstellte, den eigenen Reichtum zu präsentieren.168 Das Sammeln und der Besitz von Kunst gehörten zum Lebensstil, und Söhne wie Elias verfügten schon in jungen Jahren über ausreichende finanzielle Mittel, um „eigene“ Kunstwerke zu erwerben. Elias legte den Grundstock zu seiner bedeutenden Sammlung bereits als Student mit dem Werk Bayrische Trommler (1883), das der Maler Fritz von Uhde (1848–1911) geschaffen hatte, mit dem Elias eine Freundschaft verband.169 Das Bild stellte eine der ersten naturalistischen Szenen des Malers dar und stieß deshalb auf Widerstand bei den konservativen Kunstkritikern.170 Es legte programmatisch die künftige Entwicklung und Ausrichtung von Elias bedeutender Kunstsammlung fest, die sich auf zeitgenössische Kunst, besonders den deutschfranzösischen Impressionismus konzentrieren sollte. Als Sammler und Kunstkritiker nahm Elias im Kaiserreich eine Gegenposition zur offiziellen Kunstpolitik und zur königlichen Kunstakademie ein (vgl. Abschn. 4.2). Elias’ Sammlung enthielt außerdem u. a. Werke von Liebermann, Munch (Dansemoro/Tanzvergnügen), Cézanne (Kartenspieler), Monet, Manet, Sisley und Pissarro. Einige Werke hatte er als Auftragsarbeiten anfertigen lassen. So ließ er sich beispielsweise 1910/11 von Liebermann171 und seinen 1891 geborenen Sohn Carl Ludwig172 im Jahr 1899 von Lovis Co-

164 Hans Victor Rosenhagen (1858–1943), Kunstschriftsteller und -kritiker. 165 Friedrich Dernburg (1833–1911), von 1875–1890 Chefredakteur der Nationalzeitung, später beim Berliner Tageblatt. 166 Max Liebermann an Alfred Lichtwark am 22.10.1897. In: Max Liebermann. Briefe. Bd. 2. 1896– 1901. Hrsg. von Ernst Braun. Baden-Baden: Deutscher Wissenschaftsverlag 2012, S. 1897. 167 Pucks, Von Manet zu Matisse, S. 389. 168 Vgl. Max Friedländer: „Der Kunstbesitz ist so ziemlich die einzige anständige und von gutem Geschmack erlaubte Art, Reichtum zu präsentieren. Den Anschein plumper Protzigkeit verjagend, verbreitet er einen Hauch ererbter Kultur. Die großen Meister geben dem Besitzer von ihrer Würde ab, erst scheinbar, schließlich aber auch wirklich.“ Zitiert nach Adolf Donath: Der Berliner Kaufmann als Kunstfreund. In: Berlins Aufstieg zur Weltstadt. Ein Gedenkbuch. Hrsg. vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller aus Anlass seines 50jährigen Bestehens. Berlin: Reimar Hobbing 1929, S. 243–309, hier S. 297. 169 Vgl. Uhde-Bernays, Julius Elias. 170 Vgl. Fritz von Uhde: Bavarian Drummers [Bayrische Trommler] (1883). In: German History in Documents and Images. http://www.germanhistorydocs.ghi-dc.org/print_document.cfm?document_id=1316 [24.2.2018]. 171 Das Porträt kann heute als maßgebliche Darstellung von Elias gelten, da darüber hinaus nur wenige Fotografien von ihm erhalten sind. 172 Elias Sohn Carl Ludwig Elias wurde 1942 in Auschwitz ermordet.

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rinth (1858–1925) porträtieren. Elias zählte schließlich zu den „wichtigsten Berliner Sammlern und Stiftern moderner französischer Kunst“173. Innerhalb des Kunstbetriebes stand er nicht nur mit den Künstlern des Impressionismus’ in Kontakt und pflegte Freundschaften, z. B. mit Liebermann, Trübner und Leistikow, sondern mit allen, die aufgeschlossen gegenüber neuerer Kunst, sich vor allem für den Impressionismus einsetzten, darunter neben den bereits genannten Kunsthändlern Paul Cassirer und Paul Durand-Ruel auch Museumsleiter wie Hugo von Tschudi (1851– 1911) oder Kunstschriftsteller wie Julius Meier-Graefe (1867–1935) und Karl Scheffler (1869–1951). Mit Max Liebermann war er in freundschaftlicher „Hassliebe“ verbunden, so charakterisierte jedenfalls Tilla Durieux (1880–1971) das Freundschaftsverhältnis der beiden.174 Sowohl als Kunstkritiker als auch als Sammler hatte sich Elias stets für Liebermann und dessen Kunst engagiert.175 Anlässlich des 70. und des 75. Geburtstags des Künstlers war es Elias, der die Jubiläumsausgaben zu Liebermanns Werk im Verlag Paul Cassirer veröffentlichte. Die Prachtausgaben im Folio-Format erschienen 1918 und 1922.176 Als maßgebliche Monographien zum Werk Liebermanns versammeln sie zum einen Familienzeichnungen und zum anderen Handzeichnungen des Künstlers. Elias hatte die Werke in Zusammenarbeit mit Liebermann konzipiert und mit einem Vorwort versehen. Vor allem das Werk Max Liebermann zu Hause, das Einblicke in das Familienleben Liebermanns gibt, spiegelt die enge, freundschaftlich-familiäre Beziehung zwischen Elias und Liebermann wider. Die Auseinandersetzung, die ihre Freundschaft während der Entstehungszeit der Berliner Sezession kurzzeitig beeinträchtig hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits viele Jahre Geschichte. Elias, der die Autonomiebestrebungen der modernen Künstler stets vorangetrieben hatte, hatte seinerzeit Liebermanns fehlende Unterstützung der Sezessionsbewegung kritisiert. Liebermann sei „betitelt, dekorirt, mit akademischen Ehren versehen“ und mache „heute keine Sezession mehr mit“, warf Elias ihm vor.177 Als Juror der Großen Berliner Kunstausstellung, wo unter der Führung Anton von Werners die moderne Kunst im Jahr 1898 eine Zurückweisung in bis dahin nicht gekanntem Maße erfahren hatte, hätte Liebermann nur „mit Eklat sein Amt aufzugeben brauchen, als er sah, daß er nicht das durchsetzen konnte, was er

173 Pucks, Von Manet zu Matisse, S. 386 174 Vgl. Käthe Kollwitz und ihre Freunde. Katalog zur Sonderausstellung anlässlich des 150. Geburtstages von Käthe Kollwitz. Hrsg. vom Käthe Kollwitz Museum Berlin. Berlin: Lukas 2017, S. 49. 175 Vgl. Max Liebermanns Brief an Julius Elias vom 22.12.1899. In: Liebermann, Briefe 1896–1901, S. 1899: „Ich habe durchaus nicht vergessen, wie tapfer Sie sich meiner angenommen u zwar zu einer Zeit, als dazu noch ein gewisser Muth gehörte.“ 176 Max Liebermann zu Hause. Mit 2 Originalradierungen und 68 Familienzeichnungen des Künstlers im Facsimiledruck. Berlin: Paul Cassirer 1918; Max Liebermann: Die Handzeichnungen. Zum 20. Juli 1922. Ausgewählt und mit einer Einleitung hrsg. von Julius Elias. Berlin: Paul Cassirer 1922. 177 Braun, Kontroverse Julius Elias, S. 457.

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seiner künstlerischen Vergangenheit schuldig war! So aber ist er mitverantwortlich für diese unglaubliche Berliner Leistung! Das muß traurigen Herzens ein alter Freund und Mitkämpfer bekennen.“178 Als schließlich klar wurde, dass sich die jungen Berliner Künstler zu einer „umfassenden Berliner Sezession“ mit eigenem Ausstellungsbetrieb zusammenschließen würden und Liebermann sich bereit erklärte, den Vorsitz der Vereinigung zu übernehmen, lenkte Elias allerdings sofort ein und gab zu: „Gekränkte Liebe war mein ganzer Zorn.“179 Die Verbindung zwischen Elias und Liebermann sollte bis zum Tod Elias’ andauern. Neben dem Interesse für die Kunst teilten Liebermann und Elias auch ihre Leidenschaft für gutes Essen. Die erlesene Küche wurde in den Familien Liebermann und Elias als Bestandteil des guten Geschmacks und der bürgerlichen bzw. explizit jüdischen Kultur besonders gepflegt.180 Gemeinsam mit den Gemahlinnen Julie181 und Martha182 traf man sich regelmäßig zum Diner und tauschte im spielerischen Wettstreit um den größten Genuss Rezepte und Menüfolgen aus.183 Elias war bekannt als enthusiastischer Genießer mit „erlesenem Geschmack“184. Mit seiner Frau Julie, die er 1888 geheiratet hatte, führte er ein offenes Haus, in dem die wichtigsten Persönlichkeiten des Berliner Kulturlebens ein- und ausgingen. Elias war geschätzt für seine Gastfreundschaft und wurde bewundert für die exquisiten Menüs, die er seinen Gästen zu reichen pflegte. Die Häuser von Julius und Julie Elias sowie von Max und Martha Liebermann können neben dem Salon von Paul Cassirer oder dem Haus von Samuel und Hedwig Fischer zu den wichtigsten „Zentren der kulturellen Auseinandersetzung im Ambiente gepflegter Gastlichkeit“ gezählt werden.185 Hier wurde die Salonkultur des 19. Jahrhunderts fortgeführt, die private Häuser zu einflussreichen Stätten der Begegnung und Förderung werden ließ.186 Das weitreichende Beziehungsnetz von Elias, das sich nicht nur auf den kulturellen Bereich erstreckte, wurde in diesem Rahmen gestärkt und erweitert. Elias „kannte jeden, war mit den meisten befreundet und wusste überall Bescheid.“187 Es gelang ihm, Perso-

178 Ebd. 179 Ebd. 180 Vgl. beispielsweise Liebermann in einem Brief an Julie Elias vom 5.12.1925: „In Deutschland verstehn nur die Juden zu essen […]“, zitiert nach Braun, meine Frau toastete, S. 367. 181 Julie Elias (1866–1945), Modejournalistin und Kochbuchautorin. 182 Martha Liebermann (1857–1943). 183 Vgl. hierzu: Ursula Hudson-Wiedenmann: Meisterwerke für uns’ren Gaumen. Max Liebermanns Geselligkeit und feine Küche. Potsdam: vacat 2009. Julie Elias war u. a. Herausgeberin eines Kochbuches bei Ullstein, das sie Liebermann widmete. Elias veröffentlichte seine Kochrezepte u. a. im Querschnitt. 184 Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 108. 185 Feilchenfeldt, Paul Cassirer, S. 20. 186 Vgl. zum Berliner Salon: Petra Wilhelmy: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780–1914) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin. 73). Berlin/New York: de Gruyter 1989. 187 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 205.

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nen auch über den beruflichen Bereich hinaus durch die unterschiedlichsten „Freundschaftsdienste“ an sich zu binden. Er versorgte Liebermann mit Zigarren und Papier188 und organisierte Ferienhäuser für Hauptmann189. Für Max Slevogt kümmerte er sich 1920 um die (beschleunigte) Installation eines Telefons. Er zog einen befreundeten Postbeamten zu Rate („Man erreicht alles durch die unteren Mächte, wenig durch die obersten Gewalten“.190) und wurde zusätzlich bei Postminister Giesberts191 vorstellig, welcher Elias bereits einmal „in einer Sache mit der Reichsdruckerei“ behilflich gewesen war.192 Slevogt musste lediglich 30 Mark „Beschleunigungsgebühr“ zahlen.193 Hauptmann empfahl eine Ärztin an Elias mit dem Hinweis, dass jener zusammen mit seiner Frau immer gern bereit sei, „Tüchtiges zu fördern“.194 So engagierte Elias auch Grete Fischer für den Propyläen-Verlag, die ehemalige Assistentin Paul Cassirers, die er aus der gemeinsamen Zeit in dessen Verlag kannte und deren Erfahrung im Bereich der originalgraphischen Werke Elias bei Propyläen von Nutzen sein würde.195 Die Künstler und Autoren des Propyläen-Verlags schätzten Elias auch in Fragen der Vergütung als wichtigen Ratgeber und Vertrauensperson. Für Liebermann, Slevogt und Hauptmann nahm er zum Beispiel in deren Namen die Honorarzahlungen entgegen und bewahrte das Geld in seinem Safe auf, bis diese die Auszahlung wünschten.196 Während die Verleger sich stets dem Vorwurf der Autoren und Künstler ausgesetzt sahen, nur zu ihrem eigenen (finanziellen) Vorteil zu handeln,197 wurde Elias als Freund und Vermittler akzeptiert, der sich für die Belange der Künstler

188 Vgl. Liebermann an Elias am 21.7.1920, zitiert nach Braun, meine Frau toastete, S. 366. 189 Vgl. Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 16.3.1923 (Berlin, StaBi, GH Br NL A: Elias, Julius, 1, 68–69). 190 Julius Elias an Max Slevogt am 19.2.1920 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 191 Johannes Giesberts (1865–1938), Gewerkschafter und Politiker, von 1919–1922 erster deutscher Postminister. 192 Julius Elias an Max Slevogt am 22.2.1920 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 193 Julius Elias an Max Slevogt am 29.2.1920 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 194 Gerhart Hauptmann an Julius Elias vom 22.11.1894 (Berlin, StaBi, Nachlass Elias, Kiste 2, Hauptmann Gerhart, 2, 2). 195 Vgl. Fischer, Dienstboten, Brecht und andere, S. 225 f. 196 Vgl. beispielsweise Protokoll zum Vertrag (Liebermann), 23.11.1922 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.): Liebermann wollte, weil „er immer abergläubisch für das Gelingen seiner künstlerischen Unternehmungen“ war, so „wie er gewohnt sei, erst in dem Augenblick das Geld acceptiere[n] und die Vertragsunterschrift leisten […], wenn das ganz Werk fertig sei“. Er vertraute Elias den Vertragsbrief und den Scheck des Verlags, der über die Garantiesumme in Höhe von 500 000 Mark ausgestellt war, an und bat diesen, beides in seinem „eisernen Schrank“ für ihn aufzubewahren. 197 Paul Cassirer äußerte beispielsweise Slevogt gegenüber: „Immer wieder wiederhole ich Ihnen, dass ich nicht Geld durch Sie verdienen will – ich nehme es, wenn ich es verdiene –, sondern dass mir einzig und allein daran liegt, Ihren Namen mit meinem manchmal verbunden zu sehen.“ Paul Cassirer an Max Slevogt am 14.2.1918 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100).

3.2 Mitarbeiter des Verlags



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einsetzte. Auch wenn er für den Propyläen-Verlag tätig war, gelang es ihm überzeugend, sich weiterhin auf der „Seite“ der Künstler zu positionieren. Hierzu trugen seine Tätigkeit als Kunstschriftsteller und die von ihm veröffentlichten Bücher und Aufsätze, in denen er für die Künstler eintrat, maßgeblich bei. Elias’ Bücher erschienen während seiner Tätigkeit für den Propyläen-Verlag auch weiterhin in anderen Verlagen. Besonders bei Slevogt war ihm daran gelegen, den Künstler einem breiteren Publikum zugänglich und bekannt zu machen und damit die auch von Slevogt gewünschte „Popularisierung“ seiner Werke voranzutreiben. Er versicherte dem Künstler, dass er sich gerne „für die Publizität“ von dessen „Lebenswerk“ einsetze, dabei aber auch auf seine Unterstützung angewiesen sei.198 Die Herausgabe des Bandes über Slevogt in der Reihe Graphiker der Gegenwart der Neuen Kunsthandlung (Margules) verstand Elias beispielsweise als gemeinsames Projekt. Während Elias die Einleitung verfasste und die Zeichnungen Slevogts zusammenstellte, musste Slevogt lediglich eine Radierung für die Vorzugsausgabe liefern. Elias verhalf dem Künstler damit zu einem lukrativen Verdienst, denn das Werk versprach einen erfolgreichen Absatz und das Honorar wurde hälftig zwischen Elias und Slevogt aufgeteilt. Elias versuchte auf diese Weise, den Künstler an sich zu binden und sein Interesse für weitere gemeinsame Projekte aufrecht zu erhalten. „Sie sehen also, lieber Freund: was ich Ihnen sagte, ist eingetroffen, beim getrennten Marschieren hätte jeder von uns weit weniger gehabt, als bei dieser Gemeinsamkeit.“199 Elias agierte demnach im Verlagsgeschäft auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Funktionen. Für den Verlag war er Berater, Lektor und wichtigster Mittelsmann im Bereich Kunst und Theater. Gleichzeitig wurde er für Künstler und Schriftsteller als Agent tätig, der Aufträge der Verlage vermittelte und die Vertragsgestaltung und Vergütung verhandelte. Dabei zeichnete er sich sowohl den Verlagen als auch den Künstlern/Autoren gegenüber durch seine Loyalität und die unbedingte Einhaltung von Vereinbarungen aus. Als Slevogt beispielsweise beabsichtigte, ein mit Cassirer bereits verabredetes Illustrationswerk aufgrund einer Auseinandersetzung in einem anderen Verlag realisieren zu wollen, versuchte Elias nicht, aus dieser Situation einen Nutzen für seinen aktuellen Arbeitgeber – den Propyläen-Verlag – zu ziehen. Unter Berücksichtigung seiner freundschaftlichen Beziehung zu Cassirer bekräftigte er Slevogt gegenüber vielmehr: Da ich bei dieser Sache innerlich wie äusserlich beteiligt bin, so darf mein herzlicher und freundschaftlicher Rat nicht belanglos für Sie sein. Die Möglichkeit, dass man dieses meines Erachtens notwendige Werk […] auch mit einem anderen Verlage machen könnte, kommt für mich nicht in Betracht. Ich kann dieses Werk nur für Paul Cassirer machen. Vor Jahr und Tag habe ich selber den Gedanken bei ihm angeregt; er hat die Idee sofort freudig akzeptiert, und

198 Julis Elias an Max Slevogt am 12.5.1922 (Speyer, LBZ/ Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 199 Julius Elias an Max Slevogt am 2.12.1922 (Speyer, LBZ/ Pfälzische Landesbibliothek, N 100).

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Sie haben ihrerseits auch vorbehaltlos zugestimmt. Dies muss moralement meine Richtschnur bleiben.200

Elias wurde damit zu einem verlässlichen Partner für beide Parteien und sicherte sich auf diese Weise seine persönliche Stellung und seinen Einfluss innerhalb des künstlerisch-literarischen Feldes. Er wurde als temperamentvoller Mensch beschrieben,201 der über eine „bedingungslose Hilfsbereitschaft“202 und große Begeisterungsfähigkeit aber auch über „kaufmännische Zähigkeit“ verfügte.203 An Fischers Rat gegenüber dem durch eine Auseinandersetzung mit Elias verstimmten Felix Salten (1869–1945) wird erneut deutlich, welche bedeutende Rolle Elias in der Berliner Gesellschaft spielte: Nehmen Sie also auch jetzt Elias nicht tragischer als notwendig. Sie kennen ihn nun und wissen was sie von ihm zu halten haben und damit ist ja die Grundlage gegeben, zu einer Beziehung, die nicht warm und nicht kalt zu sein braucht. Elias hat auch seine guten Eigenschaften und es ist besser, ihn nicht zum Feind zu haben.204

Elias fungierte innerhalb seines Beziehungsnetzes als zentraler Knotenpunkt, „seine wesentlichsten Verdienste [waren u. a.] die des Vermittlers“.205 Über ihn konnte man Zugang zu den begehrtesten Künstlern und bekanntesten Schriftstellern erlangen, diese für den Verlag gewinnen und durch seine Betreuung an den Verlag binden. Zuckmayer fühlte sich gar über den Tod Elias’ hinaus dem Propyläen-Verlag verpflichtet, er äußerte gegenüber Fischer: Einmal zu den Autoren dieses Verlags [hier ist der S. Fischer Verlag gemeint] zählen zu dürfen, war immer mein Wunsch, sogar eine Art Jugendtraum […], aber eine gewisse „Mannentreue“ band mich an den [Arcadia/Propyläen] Verlag, bei dem ich angefangen hatte und meine ersten Erfolge gehabt, obwohl nach dem Tod des unvergesslichen Julius Elias längst keine persönliche Bindung mehr bestand.206

Die Einstellung von Elias kann wohl neben der Übernahme der Klassikerausgaben aus dem Georg Müller Verlag und der Verpflichtung Steiner-Prags als wichtigste In-

200 Julius Elias privat an Max Slevogt am 8.6.1922 (Speyer, LBZ/ Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 201 Vgl. Hedwig Fischer an Arthur Schnitzler am 10.7.1927, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 150. 202 Carl Zuckmayer: Als wär’s ein Stück von mir. Frankfurt/M.: Fischer 1966, S. 402. 203 Fischer, Dienstboten, Brecht und andere, S. 225. 204 Samuel Fischer an Felix Salten am 21.12.1909, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 684. 205 Fischer, Dienstboten, Brecht und andere, S. 224 f. 206 Carl Zuckmayer an Samuel Fischer am 15.8.1934, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 823.

3.2 Mitarbeiter des Verlags 

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vestition Ullsteins in den Propyläen-Verlag gewertet werden.207 Was das Ansehen und das Prestige des Verlags sowie seinen erfolgreichen Start zu Beginn der zwanziger Jahre betrifft, muss Elias als Schlüsselfigur angesehen werden. In Bezug auf die Qualität des Verlagsprogramms setzte er Maßstäbe, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Verlags noch lange Gültigkeit haben sollten.208 Elias’ Tod im Jahr 1927 sollte sich beträchtlich auf die Weiterentwicklung des Verlags auswirken (vgl. Kap. 5).

3.2.7 Die Mitarbeiter als maßgebliches Kapital des Propyläen-Verlags Es ist deutlich geworden, dass der Ullstein-Konzern nicht nur über ausreichend ökonomisches Kapital verfügte, um mit Hilfe der „materiellen Aneignung“ der Klassikerausgaben des Georg Müller Verlags den Propyläen-Verlag aufzubauen, sondern darüber hinaus auch über das für eine „symbolische Aneignung“ dieses „objektivierten Kulturkapitals“ entscheidende „inkorporierte kulturelle Kapital“209. Denn die Betreuung der Klassikerausgaben, das Erkennen und Nutzen ihres symbolischen Wertes und der Aufbau des Propyläen-Programms auf dieser Grundlage bedurfte bestimmter kultureller Fähigkeiten,210 wie sie die Leiter und Lektoren des Buchverlags aufgrund ihres Wissens, ihrer Ausbildung und Erfahrung aufweisen konnten. Mit Emil Herz, Paul Wiegler, Max Krell und Julius Elias verfügte Ullstein über ein hohes Maß an inkorporiertem Kulturkapital,211 das nun zu vollem Einsatz gelangen konnte. Für Ullstein war zudem besonders das soziale Kapital der Mitarbeiter ausschlaggebend, dessen Umfang sich in „der Ausdehnung des Netzes von Beziehungen“212 ablesen lässt. So bescheinigte Karl Ullstein später, dass nicht nur Wieglers Kenntnisse, sondern vor allem auch „seine Verbindungen zur Welt der Literatur“ dem Unternehmen „zum Erfolg verholfen“ hätten.213 Wiegler besaß nicht nur zahlreiche, häufig auf langjähriger Freundschaft beruhende Kontakte zu Schriftstellern und Journalisten. Nimmt man seinen Lebenslauf genauer in Augenschein, so wird deutlich, dass er mit einigen Personen, die später bei Ullstein tätig wurden, bereits vor seinem Eintritt in den Verlag in Verbindung stand. Neben den bereits erwähnten Kontakten zu Julius Elias und Franz Blei war ihm Friedrich von Oppeln-Bronikowski

207 Vgl. Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 108. 208 Vgl. Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 289. 209 Bourdieu, Ökonomisches Kapital, S. 188 f. Vgl. zum Begriff „inkorporiertes Kulturkapital“ S. 186–188. 210 Vgl. ebd., S. 188. 211 Vgl. ebd., S. 186. 212 Ebd., S. 191. 213 Karl Ullstein an Paul Wiegler am 12.4.1948 (Berlin, Archiv der AkdK, Nachlass Paul Wiegler, Signatur 395/1).

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(1873–1936) als Übersetzer bekannt.214 Außerdem war er mit Grete Fischer, der Sekretärin von Elias, bereits in Prag zusammengetroffen, als diese noch zur Schule ging und er sie zu sich in die Redaktionsräume der Bohemia kommen ließ, um sich mit ihr über ein bei ihm eingereichtes, von ihr verfasstes Theaterstück zu unterhalten.215 Ein wichtiger Grund für die Einstellung von Krell waren seine Kontakte zu den jüngeren Autoren der literarischen Avantgarde. Sie waren notwendig, um diesen neuen Programmschwerpunkt im Propyläen-Verlag zu entwickeln. Darüber hinaus verfügte er über Verbindungen zu anderen Verlagen, die für die Beschaffung von Romanen für den Vorabdruck von großem Nutzen waren. Elias konnte nicht nur ein fruchtbares Beziehungsnetz innerhalb der Gruppe der literarischen Autoren und Verleger aufweisen, er besaß insgesamt „weitverzweigte […] persönliche Beziehungen“216 in der Berliner Kunst- und Kulturszene. Diese waren für den Verlag „ungemein wertvoll“217, da sie als soziales Kapital wie ein „Multiplikator“218 des kulturellen und ökonomischen Kapitals wirkten. Die Zusammenarbeit mit Elias öffnete für Propyläen die Tür zu weiteren Künstlern und Autoren, mit denen das Unternehmen erfolgreiche Verlagsprojekte realisieren konnte. Der Propyläen-Verlag profitierte von der Mitarbeit dieser „namhafte[n] Persönlichkeiten“219, da die Summe ihres sozialen und kulturellen Kapitals zudem als symbolisches Kapital funktionierte. Durch das Ansehen, das sie genossen, konnte sich neben ihrer aktiven Tätigkeit schon allein ihr Name positiv auf das Image des Verlags auswirken. So hatte Propyläen mit Steiner-Prag einen hochrangigen Buchkünstler gewinnen können, der als erfahrener Professor an einer der renommiertesten Akademien tätig war und dessen Name für Qualität und Wertigkeit der von ihm gestalteten Bücher bürgte. Damit war eine der wichtigsten Voraussetzungen erfüllt, um vor allem im Segment der bibliophilen Literaturausgaben den etablierten Verlagen wie dem Insel- oder dem Eugen Diederichs Verlag als Konkurrent gegenüber treten zu können.220

214 Vgl. Binder, Theater menschlicher Zustände, S. 204. 215 Vgl. ebd., S. 227. 216 Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 108. 217 Ebd. 218 Bourdieu, Ökonomisches Kapital, S. 191. 219 Völker, Arcadia-Verlag, S. 127. 220 Beide zeichneten sich durch ein hohes Niveau in der Buchgestaltung und -ausstattung aus. Diederichs hatte schon bald nach der Verlagsgründung den Buchgestalter Hellmuth Ehmcke engagiert, der über einen Zeitraum von 25 Jahren hinweg den Verlag in seiner Ästhetik maßgeblich prägen sollte. Daneben wurden zahlreiche andere bedeutende Buchgestalter, wie Emil Rudolf Weiß, Peter Behrens, Ernst Schneidler und Rudolf Koch für Diederichs tätig. Die ästhetische Linie des Insel-Verlags wurde weitgehend von Walter Tiemann bestimmt, mit dem der Verleger Anton Kippenberg befreundet war, und von Weiß, der die Gestaltung der Klassikerausgaben übernahm.

3.2 Mitarbeiter des Verlags



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Aufgrund ihrer Herkunft, Ausbildung und Position besaßen die Hauptverantwortlichen des Propyläen-Verlags einen so genannten „Platzierungssinn“221, sodass ihnen die Spielregeln und inneren Gesetze des jeweils verantworteten Bereichs selbstverständlich waren. Man kann nach Bourdieu insgesamt davon ausgehen, dass sie über ein sicheres Gespür für Entwicklungen und Tendenzen innerhalb des Feldes verfügten, wodurch für den Verlag eine gewinnbringende Positionierung sichergestellt werden konnte.222

221 Bourdieu, Vom Gebrauch der Wissenschaft, S. 24. 222 Vgl. ebd.

4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925 4.1 Programmbereich Literatur 4.1.1 Neue Buchkunstbewegung, Georg Müller, Bibliophilie und Klassikerausgaben Um 1900 trat die Buchkunstbewegung in Deutschland in eine Phase ein, die als „typographische Periode“ bezeichnet werden kann.1 Sie war gekennzeichnet durch die Hinwendung zum buchkünstlerisch gestalteten und hochwertig ausgestatteten Buch, das sich durch ein zurückhaltendes, geschmackvolles Äußeres und den Verzicht auf überbordenden Buchschmuck und überflüssige Illustrationen auszeichnete. Das Hauptaugenmerk lag auf dem sorgfältigen Satz und einer hohen Druckqualität, welche wiederum von der Auswahl einer geeigneten Schrift und eines adäquaten Papiers bestimmt wurden.2 Leichtere, griffigere Papiersorten lösten nun die ehemals bevorzugten satinierten Papiere ab. Maßgeblich war die ästhetische Abstimmung aller Komponenten auf den Charakter des Buches mit dem Ziel, ein harmonisches Gesamtbild zu erschaffen.3 Im Zuge der starken Fokussierung auf die Typographie des Buches, die von der 1900 von Cobden-Sanderson4 in England gegründeten „Doves-Press“ ausgegangen war, wurden einerseits die alten Fraktur- und Antiqua-Schriften wiederentdeckt und kam es andererseits zur Schaffung neuer Schriften durch sich etablierende Buchkünstler, wie beispielsweise der „Eckmannschrift“ von Otto Eckmann (1865–1902) und der „Behrensschrift“ von Peter Behrens (1868–1940) im Jahr 18995 oder der 1907 von Emil Rudolf Weiß (1975–1942) ursprünglich für den S. Fischer Verlag entwickelten „Weißfraktur“.6 Man wollte die Buchgestaltung fortan nicht mehr den Buchdruckern und Buchbindern überlassen, sie war „nun Sache des Verlegers oder des von ihm betrauten Künstlers“.7 Dennoch kam den Druckereien weiterhin eine wichtige Funktion als Förderer und Unterstützer der Buchkunstbewegung zu, da sie verantwortlich zeichneten für die technische

1 Hans Loubier: Die neue deutsche Buchkunst. Stuttgart: Krais 1921, S. 78. 2 Vgl. ebd. 3 Vgl. z. B. Hans Loubier: Buchkunst. Sonderabdruck aus: Die neue Buchkunst. Studien im In- und Ausland. Hrsg. von Rudolf Kautzsch. Weimar: Gesellschaft der Bibliophilen 1902, S. 101. 4 Thomas Cobden-Sanderson (1840–1922). 5 Vgl. Heinrich Jost: Die neue Buchkunst in Deutschland. Eine chronologische Rückschau über die typographische Entwicklung. In: Imprimatur 9 (1940), S. 105–128, hier S. 107–109. 6 Vgl. Stark, Hier konnte man lernen, S. 164. 7 Georg Müller: Einiges zur Buchausstattung. In: Fünfjahres-Katalog. 1903–1908. Zitiert nach Georg Müller: Zwei Aufsätze aus dem Fünfjahreskatalog. 1903–1908. Als Beilage gedruckt von der Universitätsbuchdruckerei Dr. C. Wolf & Sohn, München. In: Imprimatur 9 (1940), nach S. 40, 8 Seiten, hier [S. 6]. https://doi.org/10.1515/9783110683561-004

4.1 Programmbereich Literatur

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Umsetzung der neuen Ideen. An erster Stelle muss hier Carl Ernst Poeschel (1874– 1944) genannt werden, der sich mit engagiertem Einsatz der jungen Buchkunstbewegung anschloss und in Vorträgen und Weiterbildungen die Forderungen an das neue Buch auch innerhalb seines Berufsstandes verbreitete.8 Neben der Druckerei Poeschel & Trepte galten die Reichsdruckerei und die Offizin Drugulin sowie Otto von Holten in Berlin und die Steglitzer Werkstatt als Druckereibetriebe mit den höchsten Qualitätsstandards.9 Georg Müller Verlage, die sich der neuen Buchkunst verschrieben hatten, finden sich vor allem unter den um die Jahrhundertwende gegründeten Unternehmen, wie dem Insel-Verlag, den Verlagen von Eugen Diederichs und Albert Langen und dem S. Fischer Verlag, die später im Bereich des bibliophilen Programmsegments zu den Hauptkonkurrenten Propyläens zählen sollten. Zu jenen Unternehmen trat 1903 auch der Georg Müller Verlag10 hinzu. Für die Buchgestaltung zog Georg Müller zunächst vor allem seinen Schwager Peter von Halm heran, einzelne Aufträge wurden auch an E. R. Weiß und Emil Preetorius vergeben. 1907 trat der spätere Leiter der Münchner Schule für Deutschlands Buchdrucker und Schöpfer der Futura-Schrift Paul Renner (1878–1956) in den Verlag ein. Renner übernahm die Buchgestaltung für die gesamte Verlagsproduktion und verantwortete zusammen mit dem Verleger deren Herstellung. Unter seinem Einfluss entwickelte der Georg Müller Verlag ein vor allem im Hinblick auf die Buchgestaltung und -ausstattung hochgelobtes Verlagsprofil,11 das

8 Vgl. Jost, Die neue Buchkunst, S. 110. 9 Vgl. Loubier, Buchkunst Sonderabdruck, S. 106. 10 Vgl. zur Geschichte des Georg Müller Verlags: Sein Dämon war das Buch. Der Münchner Verleger Georg Müller. Hrsg. von Eva von Freeden und Rainer Schmitz. München: Allitera 2003; Meyer, Die Verlagsfusion Langen-Müller, ab S. 21. Vgl. auch Füssel/Estermann, Belletristische Verlage. Die Entwicklung des Georg Müller Verlags nach 1918 fasst Füssel kurz in Füssel, Belletristische Verlage, S. 74–76 zusammen. Bisher ist keine umfangreichere wissenschaftliche Verlagsgeschichte des Georg Müller Verlags erschienen. Meyer gibt einen Überblick über die Quellenlage und fasst die Geschichte des Verlags vor der Fusion mit dem Albert Langen Verlag kurz zusammen. Als wichtigste Grundlage diente ihm der von Hanns Floerke verfasste umfangreiche Bericht über die Geschichte des Verlags, der als Manuskript erhalten ist (vgl. ebd., S. 22) und 2003 in die Quellensammlung zu Georg Müller Sein Dämon war das Buch (s. o.) aufgenommen wurde. Weitere Details zu Floerke in Abschn. 4.1.3 im Zusammenhang mit der Reihe Die Klassiker des Altertums. 11 Vgl. z. B. eine Rezension aus dem Zwiebelfisch, in der man die Bücher des Georg Müller Verlags, vor allem die Propyläen- und die Horen-Ausgabe, in ihrer „immer wachsenden Schönheit und künstlerischen Vollendung“ anpries. Besonders das „schöne Papier“, die „sehr geschmackvolle Satzanordnung“ und die Gestaltung der Einbände waren Gegenstand des Lobes und auch für die „vortrefflich[en]“ und „höchst verdienstvoll[en]“ Übersetzungen zeigte man uneingeschränkte Bewunderung. Zitiert nach Der Verlag Georg Müller, S. 108 f.

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sich durch „einen besonderen Stil“12 und eine „elegante Gediegenheit“13 auszeichnete. Auch das handlich-schmale Format, das Georg Müller dem bis dahin geläufigeren breiteren „Leipziger Romanformat“ vorzog, trug dazu bei, dass sich die Ausgaben Georg Müllers von denen der Konkurrenz unterschieden und sich zu einer Marke etablierten.14 Georg Müller und Paul Renner förderten vor allem den „typographischen Stil“.15 Sie favorisierten die alten einfachen Gebrauchsschriften, wie die Luther-Fraktur, die Didot-Antiqua oder die Ungerschrift, die z. B. für die Propyläen-Ausgabe der Werke Goethes zum Einsatz kam. Moderne Künstlerschriften finden sich hingegen eher selten.16 Das illustrierte Buch ist bei Georg Müller vor allem mit dem Schaffen Alfred Kubins (1877–1959) verbunden, der ab 1908 für den Verlag gewonnen werden konnte und dessen Illustrationen sich an Text und Buchgestaltung orientierten, sich harmonisch in das Ganze fügten und damit dem bibliophilen Anspruch an die Produktionen des Georg Müller Verlags gerecht wurde.17 Denn besonders in bibliophilen Kreisen gab man dem rein typographischen vor dem illustrierten Buch den Vorzug. „Als Textbegleiter und Textausleger“ waren lediglich „bedeutende Künstler, die mit ihren Illustrationen etwas Besonderes zu sagen hatten, in der Form von großen ganzseitigen Textbildern oder von Vignetten und Zierinitialen“ in den Büchern „willkommen, wenn sie nur die in der neuen Buchkunst […] wiedergewonnene ästhetische Durchbildung des ganzen Buches respektierten.“18 Die Illustratoren sollten die „Grundregeln der Buchästhetik“ einhalten,19 wie sie in besonderem Maße in den Büchern des Georg Müller Verlags zum Ausdruck kamen. Neben dem mit einfacheren Materialien, aber dennoch „künstlerisch einwandfrei“ gestalteten Gebrauchsbuch pflegte Müller als zweiten „Buchtypen“ den für die Bibliophilen bestimmten „Luxusdruck“, der sich durch „Vornehmheit und Erlesenheit des Materials“ auszeichnete und „in allen Einzelheiten künstlerisch ausgebildet sein“ sollte.20 Mit seinem überaus vielfältigen literarisch-kulturhistorischen Programm, das „jeden Anschluß an irgendeine bestimmte Richtung“ vermied,21 entwickelte sich der Georg Müller Verlag „zu einem der größten Auftraggeber der Vorkriegszeit“. In

12 Paul Renner: Vom Georg-Müller-Buch bis zur Futura und Meisterschule. Erinnerungen Paul Renners aus dem Jahrzehnt von 1918 bis 1927. In: Imprimatur 9 (1940), nach S. 192, 12 Seiten, hier S. [1]. 13 Fischer, Buchkunst und Buchgestaltung, S. 16. 14 Vgl. Heinrich F. S. Bachmair: Georg Müller. Ein Beitrag zur Geschichte der Münchner Buchkunst. In: Imprimatur 9 (1940), S. 34 f. und Renner, Vom Georg-Müller-Buch bis zur Futura. 15 Bachmair, Georg Müller, S. 35. 16 Vgl. ebd., S. 36. 17 Vgl. ebd., S. 38. 18 Loubier, Die neue deutsche Buchkunst, S. 94 f. 19 Ebd., S. 95. 20 Müller, Einiges zur Buchausstattung, S. [7]. 21 Georg Müller: Geleitwort des Verlegers. In: Fünfjahres-Katalog. 1903–1908. Zitiert nach Georg Müller: Zwei Aufsätze aus dem Fünfjahreskatalog. 1903–1908. Als Beilage gedruckt von der Univer-

4.1 Programmbereich Literatur 

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den Buchläden konnte das Unternehmen eine deutliche Präsenz vorweisen22. Im Jahr 1913 wurden „an die 287 Neuerscheinungen und Neuausgaben“23 herausgegeben. Der buchgestalterische Schwerpunkt auf den bibliophilen Ausgaben stand in unmittelbarer Verbindung mit einem inhaltlichen Schwerpunkt im Bereich der Klassiker- und Gesamtausgaben, die insgesamt die Programmatik des Verlegers im literarischen Programm widerspiegeln: Im Gegensatz zu den meisten anderen Unternehmungen, welche die Dichter zu Brevieren, Anthologien, Gedankensplittersammlungen ausschlachten, geht mein Verlag vom Prinzip der Vollständigkeit aus. Jene vielen literarischen Bonbons, die heute dem Publikum geboten werden, verleiten nur zur Oberflächlichkeit. Man kann einem Dichter nicht gerecht werden, es ist unmöglich, ihn in seinem Innersten zu erfassen, wenn man ihn nur in einer kleinen, und sei es noch so geschickt gemachten Auswahl kennt. Erst aus seinem Gesamtschaffen vermögen wir uns ein Bild seiner Wesenheit, seiner Eigenheit zu formen.24

Aus diesem Anspruch und der Überzeugung heraus, dass „der Gebildete“ sowohl von der „deutschen Nationalliteratur“ als auch „der gesamten Weltliteratur […] eine möglichst vollkommene Kenntnis“25 erlangen möchte, waren bereits in den ersten Jahren des Bestehens des Georg Müller Verlags umfangreiche Gesamtausgaben in Angriff genommen worden. Bibliophilie Georg Müller setzte sich aus eigener Überzeugung für die Weiterentwicklung des „schönen“ Buches ein. Er hatte bereits als Lehrling begonnen, Bücher zu sammeln und seine eigene Bibliothek aufzubauen.26 Später wurde er Mitglied der Gesellschaft der Bibliophilen, für die er auch als Verleger der Tagungsdarreichungen fungierte.27 Das Erstarken der Buchkunstbewegung in Deutschland hatte insgesamt ein vermehrtes Interesse an der Buchgestaltung und -ausstattung mit sich gebracht. Der Bibliothekar und Bibliophile Hans Loubier (1863–1931) bestätigte in seinem 1921 erschienenen Standardwerk Die neue deutsche Buchkunst:

sitätsbuchdruckerei Dr. C. Wolf & Sohn, München (8 Seiten). In: Imprimatur 9 (1940), nach S. 40, 8 Seiten, hier [S. 1]. 22 Vgl. Paul Renner, Erinnerungen aus meiner Georg Müller Zeit. In: Imprimatur 9 (1940), nach S. 184, 4 Seiten, hier S. [2]. Renner berichtet, dass Müllers Bücher „in den Schaufenstern aller Buchläden […] breiten Raum ein[nahmen]“. 23 Ebd. 24 Müller, Geleitwort des Verlegers, S. [2]. 25 Ebd. 26 Vgl. Hannsludwig Geiger: Es war um die Jahrhundertwende. Gestalten im Banne des Buches. Albert Langen/Georg Müller. München: Langen/Müller 1953, S. 97. 27 So erschien beispielsweise der Band Heine und Campe. Dreiundzwanzig Briefe von/an und über Heine. Der Gesellschaft der Bibliophilen anläßlich ihrer Tagung zu Hamburg im Jahre 1913 überreicht von Georg Müller und Friedrich Hirth.

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Es sei freudig anerkannt, daß sich in den letzten 25 Jahren bei uns das bis dahin allzu kleine Häuflein derjenigen, die für die Kunst in der Buchausstattung Verständnis und Interesse haben, ganz bedeutend vermehrt hat. Der Geschmack in der Ausstattung unserer Bücher und in Wechselwirkung damit die Bücherliebhaberei der Deutschen haben bemerkenswerte Fortschritte gemacht. […] Es ist nicht zu bestreiten: wir haben jetzt eine stetig wachsende Zahl von Bücherfreunden, denen es nicht mehr gleichgültig ist, wie die Bücher ausschauen, die sie im Bücherschrank einreihen.28

Das Interesse an der Buchkunst verband sich häufig mit einer Sammelleidenschaft, die ihre besten Voraussetzungen im wohlsituierten und „ideellen Werten [gegenüber] aufgeschlossene[n] Bildungsbürgertum“ fand.29 Mit der steigenden Zahl nicht nur der Büchersammler und Buchkunstinteressierten, sondern auch der um das bibliophile Buch bemühten Verleger und dem fortschrittlichen Druckgewerbe wuchs das Bedürfnis nach Information, Austausch und Organisation. Vor diesem Hintergrund wagte der Schriftsteller und Büchersammler Fedor von Zobeltitz (1857–1934) kurz vor der Jahrhundertwende im Jahr 1897, als die Zeitschrift generell als geeigneter Multiplikator für neue Ideen galt,30 die Gründung der Zeitschrift für Bücherfreunde – eines Organs speziell für Büchersammler –, mit dem man die Größe des an einer gemeinsam zu fördernden Bibliophilie interessierten Kreises ausloten wollte.31 1899 wurde in Weimar als erste Vereinigung von Büchersammlern und -liebhabern die Gesellschaft der Bibliophilen ins Leben gerufen, welche nach drei Jahren 571 Mitglieder vorweisen konnte, die mit einem Schwerpunkt auf Berlin im gesamten Reichsgebiet verteilt waren. Aus dem Ausland rekrutierte sich ein Fünftel der Mitglieder.32 Als erster Vorsitzender wurde Zobeltitz benannt, zweiter Vorsitzender war der Leipziger Universitätsdozent Georg Witkowski (1863–1939) und als Sekretär wirkte Carl Schüddekopf (1861–1917), der bis 1913 als Assistent am Goethe-SchillerArchiv in Weimar und danach bei Georg Müller tätig war. Schüddekopf und Witkowski lösten ab 1908 Zobeltitz als Herausgeber der Zeitschrift für Bücherfreunde ab.33 Neben der überregional agierenden Gesellschaft der Bibliophilen kam es in den folgenden Jahren zur Gründung weiterer regionaler Vereinigungen, wie dem Leipziger Bibliophilen Abend (1904), dem Berliner Bibliophilen Abend (1905) und

28 Loubier, Die neue deutsche Buchkunst, S. 2 f. 29 Peter Neumann: Hundert Jahre Gesellschaft der Bibliophilen. 1899–1999. München: Gesellschaft der Bibliophilen 1999, S. 15. 30 Vgl. Abschn. 7.1. 31 Vgl. Neumann, Hundert Jahre Gesellschaft der Bibliophilen, S. 15. 32 Vgl. Wolf D. von Lucius: Zur Geschichte und gegenwärtigen Situation der bibliophilen Gesellschaften in Deutschland. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Bd. 2. Berlin: de Gruyter Saur 2010, S. 1033–1046, hier S. 1035. 33 Vgl. zur Gesellschaft der Bibliophilen und der Zeitschrift für Bücherfreunde auch: Georg Witkowski: Von Menschen und Büchern. Erinnerungen 1863–1933. Leipzig: Lehmstedt 2003, S. 234–265.

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der Gesellschaft der Bücherfreunde zu Hamburg (1908). 1911 entstand mit der Münchner Maximilian-Gesellschaft die zweite große überregionale Vereinigung.34 Die zunehmend organisierten, kaufkräftigen Bibliophilen generierten eine verstärkte Nachfrage nach Pressen- und Luxusdrucken, die den Erfolg der bereits genannten jungen buchkunstorientierten Verlage, der Druckereien und Privatpressen beförderte. Gleichzeitig kam es zu einem Aufschwung im Buchauktionswesen und dem deutschen Antiquariat.35 Auktionshäuser wie jenes von Max Perl (1868–1931) führten nun regelmäßig reine Buchauktionen durch, in denen umfangreiche und hochwertige Büchersammlungen versteigert wurden. Auktionskataloge aus den zwanziger Jahren geben Aufschluss über die hohe Wertschätzung für klassisch-romantische Autoren, die ein beliebtes Sammelgebiet der Bibliophilen darstellten, und präsentieren u. a. umfangreiche Goethe- und Schiller-Sammlungen.36 Die Sammler dürfen jedoch nicht ausschließlich als Zielgruppe der ab der Jahrhundertwende in hochwertigen Ausgaben erscheinenden Klassiker in den Blick genommen werden. Vielmehr lässt sich ein in jeder Hinsicht bedeutender Einfluss der Bibliophilen sowohl auf die Buchgestaltung, also die äußere Erscheinung der Klassiker, als auch auf die inhaltlich-strukturelle Konzeption der Editionen konstatieren (s. u.). Klassikerausgaben Mit dem am 9. November 1867 erloschenen Verlagsschutz für Autoren, die vor mehr als 30 Jahren verstorben waren, und der damit verbundenen honorarfreien Verfügbarkeit dieser Autoren für alle Verlage setzte in Deutschland eine wahre Flut von Klassikerausgaben ein. Der Markt wurde zunächst überschwemmt von billigen Ausgaben, die schwerpunktmäßig in Form von Klassikerreihen erschienen und das „Zeitalter der Klassiker-Popularisierung“ einläuteten.37 Die grundlegenden Voraussetzungen für eine Massenproduktion in diesem Segment wurden durch die umfassenden technischen Neuerungen im Bereich der Buchherstellung geschaffen, die es schließlich ermöglichten, den Markt in kurzer Zeit mit günstigen Ausgaben in großen Auflagen zu versorgen. Nach der Erfindung der Schnellpresse durch Friedrich

34 Vgl. hierzu Horst Gronemeyer: Die Maximilian-Gesellschaft. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Bd. 2. Berlin: de Gruyter Saur 2010, S. 1055– 1060. 35 Vgl. Reinhard Wittmann: Die Gesellschaft der Bibliophilen. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Bd. 2. Berlin: de Gruyter Saur 2010, S. 1047– 1054, hier S. 1049. 36 Vgl. z. B. den Auktionskatalog von Max Perl vom 24.11.1927. Einsehbar unter: http://digi.ub.uniheidelberg.de/de/sammlungen/artsales.html [1.12.2017]. 37 Frühwald, Überlieferung, S. 15. Als bekanntestes und erfolgreichstes Beispiel sei Reclams Universalbibliothek genannt, die – für jedermann erschwinglich – bereits in den ersten Jahren nach 1867 sehr hohe Auflagenzahlen erzielen konnte.

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Koenig (1774–1833) im Jahr 1811, mit der eine enorme Leistungssteigerung des Buchdrucks allgemein einherging, spielte für die Klassikerausgaben besonders die Stereotypie38 eine wichtige Rolle. Sie ermöglichte es, den Satz eines für den häufigen Wiederabdruck vorgesehenen Textes zu konservieren, ohne dabei das Letternmaterial im Stehsatz dauerhaft zu binden. Der Text wurde einmalig gesetzt und der Satz anschließend mit Gips oder Papiermasse abgeformt. Diese Form wurde dann mit Schriftmetall ausgegossen. Die Stereotypie wurde seit etwa 1820 für immer wieder erscheinende Texte oder massenhaft hergestellte Auflagen verwendet. FouquetPlümacher geht davon aus, dass alle Volks-Klassikerausgaben des 19. Jahrhunderts als Stereotypdrucke entstanden sind.39 Die steigende Nachfrage nach gleichartigen Verlegereinbänden für hohe Auflagen trieb ebenfalls die Entwicklung technischer Neuerungen in den Buchbindereien voran.40 Zwischen 1850 und 1900 entstanden neue leistungsfähige Präge- und Vergoldungspressen und Schneidemaschinen zum Beschneiden des Buchblocks. Verschiedene Falzmaschinen wurde erprobt und die Draht- und die Fadenheftmaschine wurden entwickelt.41 Die massenhafte Nachfrage nach „Maschineneinbänden“ förderte die Entstehung von Großbuchbindereien, wie z. B. H. Sperling in Leipzig, die eine schnelle und kostengünstige Verarbeitung großer Papiermengen garantierten.42 Auch im Angebot der Einbandmaterialien gab es eine bedeutende Erweiterung. Zwischen das nun ebenfalls günstig industriell gefertigte Buntpapier und das teurere Leder trat ab 1840 der Kaliko, ein appretiertes Baumwollgewebe. Kaliko verfügte über äußerst günstige Eigenschaften, er war sehr haltbar und eignete sich hervorragend für Prägungen und Vergoldungen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts neue Bezugsstoffe wie Kunstleder oder Leinenstrukturgewebe auf den Markt kamen, erfuhr der Kaliko eine überragende Bedeutung in der Buchbinderei43 und wurde für die Ausstattung zahlreicher Klassikerreihen, wie z. B. Hempel’s National-Bibliothek sämtlicher Deutscher Classiker (ab Mitte der 1860er Jahre in Berlin erschienen) verwendet.44 Zu erwähnen ist schließlich noch der Fortschritt im Bereich der Papierherstellung. Nach Einführung der Papiermaschine in Deutschland ab 1818 löste die Gewin-

38 Eine detaillierte Beschreibung der Stereotypie findet sich bei Walter Wilkes: Die Stereotypie. In: Hanebutt-Benz, Eva-Maria u. a.: Die Buchkultur im 19. Jahrhundert. Bd. I: Die technischen Grundlagen. Hamburg: Maximilian-Gesellschaft 2010, S. 183–214. 39 Fouquet-Plümacher, Kleist auf dem Buchmarkt, S. 27. 40 Vgl. Ernst-Peter Biesalski: Die Mechanisierung der deutschen Buchbinderei 1850–1890. (Sonderdruck aus dem Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 36). Frankfurt/M.: Buchhändler-Vereinigung GmbH 1991, S. 14. 41 Vgl. Biesalski, Mechanisierung der deutschen Buchbinderei, S. 15–35. 42 Vgl. ebd. S. 35–37. 43 Vgl. ebd. S. 59. 44 Vgl. ebd. S. 56.

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nung von Zellstoff (1867) das Problem der Rohstoffknappheit und führte ab Mitte der 1870er Jahre zu einer erheblichen Verbilligung der Druckpapiere. Damit waren alle Voraussetzungen für eine günstige Massenproduktion der Klassikerausgaben erfüllt und Georg Witkowski konnte zur Jahrhundertwende feststellen, dass es „in Bezug auf ganz billige Ausgaben der Klassiker […] nirgends besser als in Deutschland“ bestellt sei.45 Mit der Buchkunstbewegung und nachdem eine grundlegende Versorgung und Verbreitung der Klassiker durch unzählige billige Ausgaben stattgefunden hatte, mehrten sich die Forderungen „nach einer Verbindung mässiger Preise mit einer würdigen und geschmackvollen Ausstattung“.46 Die Kritik richtete sich gegen die uniforme und lieblose, durch die Massenproduktion geförderte Buchgestaltung und gleichzeitig auch gegen die oft überbordende, geschmacklose „Ausstattungs- und Verschwendungssucht“.47 Mit zunehmendem Einfluss der Bibliophilen, sei es durch einzelne bibliophile Verleger wie Georg Müller oder Anton Kippenberg und die von ihnen beschäftigten Buchkünstler, oder durch die Bibliophilengesellschaften, die entsprechende Ausgaben in Auftrag gaben, setzte sich der Buchtyp des „schönen Buches“ auch im Bereich der Klassikerausgaben durch. Er zeichnete sich durch hohe Qualität in der Ausstattung, aber Diskretion und Schlichtheit in der Buchgestaltung aus.48 Als beispielhaft in ihrer die Tendenzen der neuen Buchkunst vorbildlich berücksichtigenden Gestaltung wurden stets die Tempel-Klassiker angeführt.49 Sie erschienen in einem im Jahr 1909 eigens gegründeten Verlag, der sich „die Herausgabe von Gesamt-, Auswahl- und Einzelausgaben der deutschen und ausländischen klassischen Literatur“ zum Ziel gesetzt hatte.50 Als Teilhaber hatten sich Eugen Diederichs, Samuel Fischer, Carl Ernst Poeschel, Hans von Weber, Julius Zeitler (1874– 1943) und der Schriftgießereibesitzer Georg Hartmann (1870–1945) zusammengefunden. Zweck der Verbindung war zum einen die von Poeschel vorangetriebene Vereinigung der Einzelinteressen. Als einziger Drucker unter den Teilhabern sicherte er sich die Druckaufträge für die gemeinsam veranstalteten Klassikerausgaben.51 Zum anderen muss die Gründung des Tempel-Verlags als Frontbildung gegenüber dem Insel- und auch dem Georg Müller Verlag verstanden werden, die damit als stärkste Akteure des literarischen Feldes im Bereich der gehobenen Klassikerausgaben zu identifizieren sind.

45 Georg Witkowski: Klassiker-Ausgaben. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 5 (1901/02), S. 25–30, hier S. 27. 46 Ebd. 47 Reigl, Klassikerausgaben, S. 39. 48 Vgl. ebd. 49 Vgl. ebd. Vgl. z. B. auch Loubier, Die neue deutsche Buchkunst, S. 92. Vgl. zur Gründung des Tempel-Verlags vor allem Stark, Hier konnte man lernen. 50 Stark, Hier konnte man lernen, S. 167. 51 Vgl. ebd., S. 165.

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Bezeichnend ist, dass in der Ankündigung der Tempel-Klassiker die Buchgestaltung im Mittelpunkt stand. Zwar wurde auf den „wohlfeilen“ Preis hingewiesen, doch die Behauptung gegenüber der Konkurrenz erfolgte in diesem Segment, in dem man Bücherliebhaber ansprechen wollte und die Texte bekannt waren, vor allem über die Qualität der Buchausstattung und -gestaltung. So wurde betont, dass „die buchästhetische und technische Gestaltung […] der Zeit angemessen“ sei, „Druck, Papier und Einbände[…] höchste Qualität“ vorwiesen und damit den Klassikern „die künstlerisch tüchtigste Form und das würdigste Gewand“ gegeben werde.52 Dazu zählte auch die Verwendung einer eigenen Schrift, die E. R. Weiß ursprünglich für die Goethe-Ausgabe des S. Fischer Verlags geschaffen hatte und die nach dem Zusammenschluss als „Tempelfraktur“ für die Klassiker-Ausgaben des neuen Verlags ihre Anwendung fand.53 Unter den Bibliophilenvereinigungen hatte sich besonders die Gesellschaft der Bibliophilen der Förderung der Literatur durch sorgfältig gestaltete Klassikerausgaben verschrieben. Dies war vor allem dem Einfluss Georg Witkowskis geschuldet, der sich sowohl in seiner publizistischen Tätigkeit in zahlreichen Aufsätzen, in seiner Funktion innerhalb der Gesellschaft der Bibliophilen, aber auch in seiner beruflichen Tätigkeit als Universitätsdozent für Deutsche Sprache und Literatur für die Klassikerausgaben einsetzte. In der Zeitschrift für Bücherfreunde rief er die „populären Klassikerausgaben“ als bedeutende „Angelegenheit“ aus, die „andauernd im Auge behalten“ und „nach Kräften in unserm engeren wie im weiteren nationalen Sinne“ gefördert werden sollte, denn die Werke der Dichter des 18. und 19. Jahrhunderts galten ihm als „wertvollste[r] Teil unserer geistigen Volksnahrung“.54 Die Klassiker wurden insgesamt verstärkt als ideelles „Nationaleigentum“ vereinnahmt, womit auch eine zunehmende Diskussion um die Zughörigkeit einzelner Schriftsteller zum Bildungskanon einherging.55 In Witkowskis Äußerung drückte sich der allgemeine „kulturpatriotische Konsens“ aus, der die Herausgabe der Editionen als nationale Pflicht verstand, um das Werk der deutschen Dichter nicht nur zu bewahren, sondern auch in angemessener Form zu ehren.56 Die Klassikerausgaben können damit als Bestandteil der zunehmenden Dichterverehrung verstanden werden, die im 19. Jahrhundert mit der Grün-

52 Ebd., S. 168 f. 53 Vgl. ebd., S. 165. 54 Witkowski, Klassiker-Ausgaben, S. 30. 55 Frühwald, Überlieferung, S. 16, der darauf hinweist, dass sich unmittelbar nach 1867 „der Begriff klassischer deutscher Literatur rasch auf vier unumstrittene Namen“ einengte: Goethe, Schiller, Lessing und Shakespeare. Vgl. weiter unten in diesem Kapitel die Bemühungen der Herausgeber von Maassen und Berend um die Etablierung „ihrer“ Autoren innerhalb des Klassiker-Kanons. 56 Bodo Plachta: H. T. M. van Vliet. Überlieferung, Philologie und Repräsentation. Zum Verhältnis von Editionen und Institutionen. In: Text und Edition: Position und Perspektiven. Hrsg. von Rüdiger Nutt-Kofoth. Berlin: Schmidt 2000, S. 11–36, hier S. 21.

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dung von Literaturmuseen, -archiven und -gesellschaften, der Errichtung von Dichter-Denkmälern und der Ausrichtung von Literaturfeiern etc. stärker in die Öffentlichkeit trat. Bibliophile, hochwertig ausgestattete Editionen sollten dem „dichterischen Genius“ ebenfalls ein Denkmal setzen.57 Die national-kulturelle Bedeutung, die den Ausgaben beigemessen wurde, erklärt auch, warum die Editionen nicht nur im universitären Umfeld der Germanistik entstanden, sondern zahlreiche Gymnasiallehrer, Bibliothekare und Privatgelehrte sich als Herausgeber von Klassikereditionen um die Förderung und Ehrung der deutschen Dichtung und Dichter verdient machten. Sie arbeiteten Seite an Seite mit Universitätsgermanisten, ohne als „NichtProfessionelle“ verdrängt zu werden.58 Die Konjunktur für Klassikerreihen wurde nach der Jahrhundertwende abgelöst von zunehmend auch in größeren Projekten in Angriff genommenen Gesamtausgaben. Zeitgleich verstärkte sich auf dem Gebiet der Editionsverfahren59 der Einfluss der Bibliophilen. Die in Bibliophilenkreisen für die äußere Gestaltung der Werke geforderte „Reinheit“ und „Schönheit“ wurde nun auch auf das Editionskonzept übertragen. Die Texte sollten, befreit von Kommentaren, Erläuterungen oder Anmerkungen, als reine Text- bzw. Leseausgaben erscheinen. Witkowski beispielsweise war überzeugt davon, dass für einen Leser, der sich nicht als Fachmann im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit, sondern zum privaten Genuss mit Literatur beschäftige, der wissenschaftliche Apparat einer Gesamtausgabe „überflüssiger Ballast“ darstelle, den man besser „über Bord“ werfe.60 Das Werk sollte als „ästhetisches Kunstwerk“ im Mittelpunkt der Edition stehen und als solches frei von ungewünschten Ablenkungen rezipiert werden. Wie negativ die Reaktionen auf eine dem Werk vorangestellte Besprechung und Beurteilung ausfallen konnten, zeigt eine zeitgenössische Rezension aus dem Umfeld der Bibliophilen: Wenn ich nun auch die Thätigkeit des Übersetzers oben vollauf anerkannte, so muss ich doch noch einmal auf die Einleitung zu sprechen kommen und dabei etwas rügen, was mich stört. Er ist nämlich in einen Fehler verfallen, den ich gern vermieden gesehen hätte. In dem Bestreben, seinem Roman verständnisvolle Leser zu werben, liess er sich verleiten, über diesen Roman in der Einleitung selbst zu sprechen. Nun ist nichts unschicklicher und unangebrachter, als da zu reden, wo man schweigen soll. Namentlich da ein Kunstwerk für sich selbst zeugt. Der Übersetzer muss fühlen – und dass er hier nicht feinfühlig handelt, ist ein Mangel an Vorstellung, ein Mangel, sich in andere hineinzudenken – dass er das nicht hätte thun dürfen. Er bespricht am Schluss seiner Einführung eingehend den Roman, beleuchtet die Vorzüge und Mängel, kurz, nimmt das, was dem einsichtigen Leser die Lektüre gerade zum Reiz macht, vorweg. Die thörichten Leser lassen sich davon nicht überzeugen; den guten giebt er damit nichts.

57 Ebd., S. 19–21. 58 Ebd., S. 21. 59 Einen Überblick über die wissenschaftlichen Editionstechniken im Bereich der Klassikerausgaben von 1840 bis zur Jahrhundertwende gibt Reigl, Klassikerausgaben, S. 42–60. 60 Witkowski, Klassiker-Ausgaben, S. 29.

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[…] Und im letzten Grunde ist vielleicht die Unbildung der Vater des Gegebenen. Also ein Spott, eine Bitterkeit gegen das Publikum.61

Die Ursache für die Verärgerung des Rezensenten lag nicht in der Qualität, sondern in der Konzeption der Ausgabe. Seit dem „Freiwerden“ der Klassiker im Jahr 1867 hatten sich die verschiedenartigsten Ausgaben auf dem Markt etabliert, die sich in der Hoffnung auf einen möglichst hohen Absatz innerhalb eines recht unübersichtlichen Marktes an ein undifferenziertes, breites Publikum richteten und damit letztendlich keiner Zielgruppe gerecht wurden. Umfang und Qualität der Erläuterungen waren nicht auf den jeweiligen Ausgabentyp abgestimmt, sondern variierten oftmals sogar innerhalb einer Reihe in Abhängigkeit von den Kenntnissen und dem Engagement des Herausgebers. Georg Witkowski wies in seinem Werk Textkritik und Editionstechnik neuerer Schriftwerke darauf hin, dass diese Vorgehensweise der Verleger und Herausgeber mitverantwortlich für die Hinwendung „höher gebildeter Kreise“ zur reinen Leseausgabe und der Ablehnung aller kommentierten Ausgaben sein könnte.62 Die wichtigste Grundlage der Editionstechnik lag für ihn in der eindeutigen Bestimmung des Zwecks und der Zielgruppe einer Ausgabe.63 Daran sollten die inhaltliche Konzeption, der Umfang der Erläuterungen, die Darstellungsform und die Ausstattung der Edition angepasst werden. Witkowski legte mit seinen Editionsrichtlinien die erste Monographie zum neugermanistischen Edieren vor,64 in der der Versuch unternommen wurde, die vielfältigen Ausgabenformen zu kategorisieren und eine wissenschaftlich begründete Ausgabentypologie auszuarbeiten.65 Gemäß des von ihm in der Einleitung erneut formulierten Anspruchs, „die Pflege und Verbreitung“ der Klassiker zu fördern, widmete er sich nicht nur der wissenschaftlichen Edition, sondern legte den Schwerpunkt vor allem auf die nichtwissen-

61 Es handelt sich hierbei um eine Rezension zu der von Oppeln-Bronikowski übersetzten, in den Jahren 1901–1908 bei Eugen Diederichs erschienenen Stendhal-Ausgabe: Ernst Schur: Ein Roman von 1830. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 5 (1901/02), S. 124–126, hier S. 125. 62 Georg Witkowski: Textkritik und Editionstechnik neuerer Schriftwerke. Ein methodologischer Versuch von Georg Witkowski. Leipzig: Haessel 1924, S. 17. 63 Dies betont Witkowski mit Nachdruck an verschiedenen Stellen, vgl. S. 2, S. 17f, S. 67. 64 Vgl. Rüdiger Nutt-Kofoth: Editionswissenschaft. In: Methodengeschichte der Germanistik. Hrsg. von Jost Schneider, S. 109–132, hier S. 120 f. 65 Vgl. Göttsche, Ausgabentypen und Ausgabenbenutzer, S. 39 f. Witkowskis Versuch einer Ausgabentypologie blieb in der wissenschaftlichen Editionsphilologie lange Zeit ohne Echo. Erst seit den 1960er Jahren, in denen eine kritische „Reflexion der Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen der historisch-kritischen Gesamtausgaben“ einsetzte, auf die sich die Wissenschaft bis dahin fast ausschließlich konzentriert hatte, fanden andere Ausgabentypen in der Editionsphilologie wieder stärkere Beachtung. Die verstärkte Diskussion um eine Ausgabentypologie führte schließlich zu der „methodologischen Grunderkenntnis“, dass „eine Differenzierung der editorischen Zielsetzungen und textkritischen Verfahren sowohl hinsichtlich der literarischen Gegenstände […] als auch bezüglich der Adressatenkreise und Gebrauchsfunktionen der Ausgaben“ vorzunehmen sei, die die „Funktions- und Gegenstandsbedingtheit der Edition“ berücksichtigt. Ebd., S. 37.

4.1 Programmbereich Literatur

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schaftlichen Ausgaben.66 Seinem bibliophilen Engagement entsprechend wurden explizit auch die „Bibliophilen Neudrucke“ behandelt.67 Wie sehr seine Ausführungen von den Grundsätzen der Bibliophilie und der Buchkunstbewegung durchdrungen sind, zeigt sich auch daran, welche Bedeutung der Ausstattung der Ausgaben zugemessen wurde. Selbst oder gerade für die wissenschaftlichen Gesamtausgaben, die als „Denkmal des Autors, errichtet mit erheblichem Aufwand von Zeit und Kraft“ verstanden wurden, forderte Witkowski, dass sie auch äußerlich monumental sein [sollen], von stattlichem Format, in schöner ohne allen spielerischen Schmuck edler Satzanordnung mit sorgsamem Druck und vor allem mit einem Papier und Einband, die der Zeit und intensiver Benutzung standhalten (nicht wie der Weimarer Goethe auf vergilbendes Holzpapier gedruckt und in schnell brechendes Spaltleder gebunden).68

Besonders ausführlich behandelte Witkowski die Frage nach dem Umfang und der Notwendigkeit der Erläuterungen in Bezug auf die unterschiedlichen Ausgaben. Als oberste Prämisse galt ihm dabei, dass „in jedem Falle […] so wenig an Beigaben zu bieten [sei], wie irgend mit dem Zwecke der Ausgabe zu vereinbaren ist.“69 Auch hier, in der Einleitung zum Kapitel Editionstechnik, steht die nichtwissenschaftliche Edition deutlich im Vordergrund. Betont wird das „künstlerische Verständnis“ für ein Werk, das durch „ästhetisches Einfühlen“ erreicht werden kann, wobei unnötige Erläuterungen als „Hindernisse der Einfühlung“ verstanden wurden, die der Herausgeber „hinwegzuräumen“ hatte.70 Witkowskis Schrift darf nicht allein als Beitrag zur wissenschaftlichen Editionsphilologie wahrgenommen, sondern muss vielmehr ebenso und vielleicht vor allem als praxisorientierte Handreichung für Herausgeber und Verleger nichtwissenschaftlicher Editionen verstanden werden. Seine Ausführungen reichen von Hinweisen, wie und wo das Erscheinungsjahr der Edition anzugeben ist, über die Erstellung der Druckvorlage bis hin zu Erläuterungen zur Auflage der jeweiligen Ausgaben. Insofern wurde der buchkünstlerische Grundsatz, das Buch – in diesem Fall die Edition – „als Ganzes“ zu begreifen, auch hier konsequent vertreten. Witkowski steht als prominentes Beispiel für die enge Verzahnung von Bibliophilie, Verlagswesen und Editionsphilologie, die ab der Jahrhundertwende zahlreiche anerkannte Klassikereditionen hervorgebracht hatte. Mit dem Engagement Witkowskis, der als literarischer Berater bei der Konzeption der Klassikerausgaben und der Gewinnung der Herausgeber mitwirkte,71 sicherte sich der Propyläen-Verlag seine Expertise auf diesem Gebiet.

66 Witkowski, Ein methodologischer Versuch, S. 1. 67 Ebd., S. 113–116. 68 Ebd., S. 99 f. Vgl. z. B. auch die Hinweise Witkowskis zu Papier und Einband auf S. 84 f. 69 Ebd., S. 67. 70 Ebd., S. 66. 71 Vgl. Witkowski, Von Menschen und Büchern, S. 422.

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In der Philologie und der jüngeren Literaturwissenschaft war es bereits ab den 1880er Jahren zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit editionsrelevanten Fragestellungen gekommen, die zur Entstehung der Editionsphilologie als Disziplin und Teilgebiet der Philologie führen sollte.72 Richtungsweisend wurden vor allem die für die Weimarer Sophienausgabe von Goethes Werken73 durch die Editoren vorab gemeinsam festgelegten Grundsätze für die Weimarische Ausgabe von Goethes Werken, die einen Kanon der Editionsrichtlinien begründeten, an dem sich zahlreiche nachfolgende Klassiker-Herausgeber orientierten.74 Die wissenschaftlichen Ausgaben adressierten die Zielgruppe der „Gelehrten“, die sich im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit mit den Klassikern auseinandersetzten. Hier handelte es sich um einen eng begrenzten Markt, der allerdings auch durch eine geringe Konkurrenz und das Entstehen weniger Ausgaben gekennzeichnet war.75 Mit der Ausdifferenzierung der Editionsphilologie ging die Entwicklung und Herausgabe großer Editionen besonders nach dem Ersten Weltkrieg stärker von der Universität an die Akademien über,76 die die Herausgabe der Ausgaben bevorzugt an bewährte Wissenschaftsverlage übertrugen.77 Verlagen wie Georg Müller und später Propyläen gelang es allerdings ebenfalls, Wissenschaftler für die Herausgabe von Klassikerausgaben zu gewinnen, die einen populäreren, nicht rein wissenschaftlichen Charakter hatten (s. u.). Gleichzeitig findet man auch bei Propyläen zahlreiche NichtWissenschaftler, wie Übersetzer, Lehrer und freie Autoren, die sich für die Herausgabe der Werke eines bestimmten Autors engagierten.

4.1.2 Klassikergesamtausgaben des Propyläen-Verlags Der Schwerpunkt des von Ullstein aus dem Georg Müller Verlag erworbenen Bestandes lag auf den Gesamtausgaben (Gesammelte Werke oder Sämtliche Werke) hochrangiger Autoren des klassischen Bildungskanons. Einige Ausgaben, wie die Gesammelten Werke von Eichendorff in sechs Bänden, die achtbändige historisch-kritische Ausgabe der Werke Montaignes und die Gesammelten Schriften von Jakob Michael Reinhold Lenz in fünf Bänden, waren bereits abgeschlossen und konnten unmittelbar in das Programm des Propyläen-Verlags integriert werden. Daneben gab es Ausgaben, die bei Georg Müller unvollständig geblieben waren und nun

72 Vgl. Nutt-Kofoth, Editionswissenschaft, S. 120 f. 73 Erschienen ab 1887 bei Böhlau. 74 Vgl. Reigl, Klassikerausgaben, S. 53. 75 Vgl. ebd., S. 75. 76 Vgl. Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil II, S. 10. 77 Vgl. die Verhandlungen über die von der Preußischen Akademie der Wissenschaften veranstaltete Jean-Paul-Ausgabe, in der Georg Müller zunächst als Verlag im Gespräch war, die Entscheidung dann aber auf Böhlau fiel (s. u.).

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zwar in das Programm aufgenommen, aber nicht weitergeführt wurden. Dies galt für die Gesammelten Werke Thackerays, von denen neun Bände vorlagen, und die Sämtlichen Werke Brentanos, von denen bei Georg Müller bis zum Verkauf an Ullstein siebeneinhalb Bände der Ausgabe erschienen waren. Aus den Archivunterlagen geht hervor, dass ursprünglich die Ergänzung und Weiterführung der BrentanoAusgabe bis zu den veranschlagten 18 Bänden geplant war. Im Februar 1920 schloss man einen Herausgebervertrag mit Heinz Amelung (1880–1940) ab, der vorsah, die Ausgabe „einheitlich zu Ende“ zu führen und die fehlenden Bände „erstmalig herauszugeben“.78 Dabei sollte die Arbeit so gefördert werden, „dass der Verlag innerhalb eines Jahres drei bis vier druckfertige Manuskripte zu neuen Bänden erhält“.79 Tatsächlich jedoch gibt das Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags für das Jahr 192980 keine neuen, sondern lediglich die bereits vorhandenen Bände an. Da auch bei der Recherche in den Beständen heutiger Bibliotheken und Antiquariate keine weiteren vom Propyläen-Verlag herausgegebenen Bände einer Brentano-Ausgabe ausfindig gemacht werden konnten, ist der von Erhard Schütz in seinem Aufsatz über die Buchabteilung Ullsteins konstatierte Abbruch der Ausgabe81 als zutreffend anzunehmen.82 Die Werkausgaben von Friedrich Hölderlin und Molière hingegen wurden bei Propyläen bis 1922 um ihre fehlenden Bände ergänzt. Die historisch-kritische Ausgabe der Sämtlichen Werke Hölderlins war bei Georg Müller ab 1913 von dem Germanisten und Hölderlin-Kenner Norbert von Hellingrath (1888–1916) herausgegeben worden. Erschienen waren bis zur Übernahme durch Propyläen die Bände 1, 4 und 5. Nachdem Hellingrath im Krieg gefallen war, wurde die Ausgabe bei Propyläen von seinem Mitarbeiter Friedrich Seebaß (1887–1963), der bereits an den ersten Bänden mitgearbeitet hatte, in Zusammenarbeit mit Ludwig von Pigenot weiterge-

78 Verlagsvertrag von Heinz Amelung vom 21.2.1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 79 Ebd. In einem Verlagsprospekt von 1920 (Marbach, DLA) wird die für 1921 geplante Herausgabe von „Band VII, 2 und IX, 1“ angekündigt. 80 Vgl. Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929, S. 5 (Frankfurt/M., AdB). 81 Vgl. Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 103. Die Gründe hierfür konnten nicht rekonstruiert werden. 82 Falsch hingegen ist die von Hans Schwab-Felisch getroffene und von Schütz übernommene Annahme, dass die achtzehnbändige Brentano-Ausgabe im Propyläen-Verlag durch eine vierbändige ersetzt wurde (vgl. ebd. und Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 198). Diese Ausgabe ist nicht bei Propyläen, sondern in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen. Dort wurden im Jahr 1923 die Werke von Brentano in vier Bänden von Heinz Amelung und Karl Vietor herausgegeben, vgl. die Angabe im Verlagsprospekt: Das Lustrum 1920–1924. Fünf Jahre Frankfurter Verlagsanstalt A. G. Frankfurt/ M. 1924, S. 126, „Clemens Brentanos Werke. Vier Bände mit 19 Abbildungen in Offset nach zeitgenössischen Vorlagen. Hg. und eingel. von Heinz Amelung und Karl Vietor.“ Vermutlich liegt eine Verwechslung mit der in Frankfurt erschienenen Ausgabe vor.

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führt.83 Der noch fehlende Band 3 erschien 1922 in einer Auflage von 4000 Exemplaren. Von den Sämtlichen Werken Molières, die, herausgegeben von Eugen Neresheimer (geb. 1876), bei Georg Müller ab 1910 mit den Bänden 2 bis 5 erschienen waren, brachte man bei Propyläen 1921 Band 1 und 1922 Band 6 in einer Auflage von knapp 3000 Exemplaren heraus. Fortgeführt wurde ebenfalls die Werkausgabe des russischen Autors Iwan Turgenjew, die weiterhin in der Verantwortung von Otto Bueck (1873–1966) und Kurt Wildhagen (1871–1949) von Band 7 im Jahr 1921 bis zum geplanten zwölften Band im Jahr 1931 bei Propyläen erschien.84 Die Georg Müller-Ausgaben von Ariost und Gogol erschienen bei Propyläen wiederum in einer neuen Fassung. Die dreibändige Werkausgabe von Ludovico Ariost, herausgegeben von Alfons Kissner (1844–1928), war im Jahr 1909 im Georg Müller Verlag in einer limitierten Auflage von 835 nummerierten Exemplaren erschienen. Bei Propyläen wurde die Ausgabe 1922 mit einer neuen Bandaufteilung, die vier Bände umfasste, neu aufgelegt. Die Auflage betrug 3330 Exemplare für die Bände 1 bis 3 (Der rasende Roland) und 3000 Exemplare für Band vier (Kleine Werke). Die ursprünglich auf acht Bände angelegte, ab 1909 bei Georg Müller erschienene, von Otto Bueck herausgegebene Gogol-Ausgabe Sämtlicher Werke ließ man bei Propyläen im Jahr 1923 in einer auf fünf Bände reduzierten Fassung mit einer Auflage von 3000 Exemplaren pro Band erscheinen. Die in vier Bänden vorliegende Ausgabe von Hebbel85 war zwar von Ullstein übernommen worden,86 ist jedoch weder in den Propyläen-Verlagsprospekten und noch in der Ullstein-Chronik zu finden. Als Grund hierfür kann der Rückkauf durch den Georg Müller Verlag unter Gottfried Kümpel angenommen werden, der Anfang der zwanziger Jahre die Leitung des Unternehmens innehatte.87 E. T. A. Hoffmann Für die Weiterführung der E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, die ab 1908 bei Georg Müller erschienen und durch den Krieg und die schwierige Situation des Verlags unterbrochen worden war, hatten sich Georg Müller und Propyläen schließlich auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Nachdem man bereits im Dezember 1922 mit einem Vor-

83 Die Lebensdaten von Pigenot konnten nicht ermittelt werden. Vgl. die Erinnerungen von Ludwig von Pigenot an seine Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Friedrich Seebaß: Ludwig von Pigenot: Friedrich Seebaß zum Gedächtnis. In: Hölderlin-Jahrbuch 13 (1963–1964), S. 151–157, online verfügbar unter: URL: https://www.hoelderlin-gesellschaft.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/ Jahrbuch_196364/196364_151.pdf [2.9.2018]. 84 Alle folgenden Angaben zur Auflage der Werke wurden, sofern nicht anders angegeben, der Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) entnommen. 85 Es handelte sich um eine auf 16 Bände angelegte „Säkular-Ausgabe“. Vgl. Buchkunst und Graphik im Verlag Georg Müller, S. 12. 86 Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). 87 Vgl. 25 Jahre Georg Müller Verlag. München: Georg Müller 1928, S. 12.

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schlag an den Ullstein-Konzern herangetreten war,88 kontaktierte der Georg Müller Verlag zu Beginn des Jahres 1923 Emil Herz mit dem Hinweis, dass der Herausgeber Carl Georg von Maassen (1880–1940) „von einem dritten Verlag ein sehr günstiges Angebot auf die Herausgabe eines Auswahl-Jean Paul bekommen“ habe.89 Man befürchtete, dass Maassen, sollte er das Angebot annehmen, „bei seiner langsamen und konzentrierten Arbeitsweise […] während der nächsten 3–4 Jahre für eine Fortsetzung der Hoffmann-Ausgabe nicht mehr zu gewinnen wäre“90. Dem Verlag jedoch war sehr daran gelegen, Band 8 (vierter Band der Serapions-Brüder), für den noch der wissenschaftliche Apparat fehlte, und die Bände 9 und 10, die die LebensAnsichten des Katers Murr enthalten sollten, möglichst rasch fertigzustellen.91 Den fehlenden fünften Band der Ausgabe wollte man danach in Angriff nehmen. Ullstein reagierte unmittelbar und präsentierte direkt die Konditionen, zu denen man sich die gemeinsame Herausgabe vorstellen konnte. Die gesamten Herstellungskosten und später auch die Anzahl der produzierten Bücher sollten zu gleichen Teilen zwischen den Verlagen aufgeteilt werden. Gronle ging des Weiteren davon aus, dass „Einigkeit […] darüber herrschen [müsse], dass für dieses Werk von beiden Firmen nur gleiche Verkaufspreise und Bedingungen für den Vertrieb massgebend sein können“92. Während der Georg Müller Verlag vor allem davon profitierte, dass er die Kosten für die Weiterführung der Ausgabe mit dem Propyläen-Verlag teilen konnte, nutzte dem Propyläen-Verlag die Erfahrung, die man bei Georg Müller mit der Arbeitsweise von Maassens und in der Zusammenarbeit mit der Druckerei hatte.93 So erklärte man sich schließlich mit der Wahl von Mänicke & Jahn in Rudolstadt, bei der Müller die bisherigen Bände der Hoffmann-Ausgabe hatte dru-

88 Das dazugehörige Schreiben hat sich in den eingesehenen Unterlagen im DLA nicht erhalten. 89 Georg Müller Verlag an Emil Herz am 16.1.1923 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177). 90 Ebd. 91 Der Georg Müller Verlag führte hierzu Emil Herz gegenüber aus: „Mit dem Abschluss von Band 10 aber wäre eine wesentliche Etappe in der Fortführung der Gesamtausgabe erreicht, denn alsdann enthält die Ausgabe alle wesentlichen Schriften, sozusagen das Hauptwerk Hoffmanns vollständig; die folgenden Bände bringen nur kleinere, unwesentliche Erzählungen aus dem Nachlass und die musikalischen Schriften, wir können also die weiteren Bände dann in Musse fortsetzen, das Hauptwerk wäre bis Ende Dezember kommenden Jahres fertig.“ Georg Müller an Emil Herz am 1.2.1923 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177). 92 Wilhelm Gronle an Georg Müller Verlag am 19.1.1923 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177). 93 Vgl. hierzu Georg Müller Verlag (Winand) an Propyläen am 10.2.1923 (Marbach, DLA, A: LangenMüller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177): „Ich bin dafür, dass die Bände da gedruckt werden, wo die bisherigen alle gedruckt wurden und wo Typen und Personal auf die Maassen’sche Arbeitsweise aus langjähriger Zusammenarbeit eingestellt sind, in Rudolstadt bei Mänicke & Jahn. Diese Leute sind auf die sehr komplizierte und penible Arbeitsweise Maassens eingespielt und haben ja auch die anderen Bände gedruckt. Bei den vielen Aufträgen, die wir bei Mänicke & Jahn laufen haben, haben wir dort auch den nötigen Einfluss, um einen Druck auszuüben.“

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cken lassen, „durchaus einverstanden“94, obwohl Herz und Gronle zunächst explizit die Herstellung in Leipzig gefordert hatten.95 Propyläen hingegen konnte sich bei der Frage nach dem Umfang und der Aufteilung der Bände gegen den Georg Müller Verlag durchsetzen. Die für die Lebens-Ansichten des Katers Murr von Georg Müller veranschlagten zwei Bände erschienen schließlich zusammen als Band 9/10 ohne Apparat als reine Textausgabe.96 Bei den Verhandlungen um die Erscheinungsweise der Bände wird gerade in diesem Punkt die unterschiedliche Arbeitsweise der beiden Verlage sichtbar. Während dem Georg Müller Verlag an einer möglichst sorgfältigen Erarbeitung der Bände mit ausreichend Rücksicht auf die Arbeitsweise des Herausgebers gelegen war,97 überwogen bei Propyläen absatzpolitische Überlegungen, wie der Hinweis auf die gewünschte zügige Fertigstellung für das Weihnachtsgeschäft98 und die Berücksichtigung der Leser-/Käuferinteressen bei der Planung der Bände zeigen: Redaktionell bedenklich stimmt mich nur die Absicht, den Kater Murr in zwei Bänden zu edieren. In diesem Werk wird schon inhaltlich die Aufmerksamkeit des Lesers hin und hergeschoben zwischen dem Menschen und dem Tier. Ich glaube nicht, dass es rein lesemässig angebracht ist, die Disparatheit dieser Zusammensetzung noch dadurch zu steigern, dass man die gar nicht sehr umfangreiche Geschichte in zwei Bände zerteilt. Möchte doch Herr von Maassen den Murr nicht ertrinken lassen in einem gar zu horrenden Apparat! So interessant diese Dinge sind, es gibt eine Grenze, wo das Publikum dergleichen als störend empfindet. Und darauf müssen wir vom verlegerischen Standpunkt aus Rücksicht nehmen, das brauche ich Ihnen ja nicht erst mitzuteilen. Nochmals: Ich halte den Murr in zwei Bänden für eine Kateridee.99

94 Emil Herz an Georg Müller Verlag am 13.2.1923 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177). 95 Vgl. Wilhelm Gronle an Georg Müller Verlag am 19.1.1923 und Emil Herz an Georg Müller Verlag am 9.2.1923 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177). Bei der Druckerei, auf die Gronle und Herz referierten, könnte es sich um die Spamersche Buchdruckerei in Leipzig gehandelt haben, wo z. B. die Bände der Goethe-Ausgabe für Propyläen gedruckt worden waren. 96 Vgl. hierzu das Vorwort von von Maassen im 9./10. Band der Ausgabe, erschienen 1928: „Auf den dringenden Wunsch des Verlages, der das Erscheinen eines weiteren Hoffmann-Bandes zu diesem Zeitpunkte für unumgänglich notwendig hält, sehe ich mich veranlaßt, wenn auch schweren Herzens, darein zu willigen, daß „Kater Murr“ zunächst als reiner Textband herauskomme. Die umfangreichen Anmerkungen, sowie die kritische Untersuchung werden als Sonderband spätestens im Herbst 1928 folgen. So starke Bedenken ich gegen diese Zweiteilung habe, kann ich mich den Gründen des Verlags doch nicht verschließen und halte es auch selbst für gut, daß der Abstand zwischen dem achten und neunten Band nicht so groß werde, daß meine Ausgabe in Vergessenheit gerät.“ 97 Vgl. z. B. Georg Müller Verlag an Emil Herz am 1.2.1923: „Ich muss aber bemerken, dass ich Maassen auf diese Termine nicht habe verpflichten können.“ (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/ E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177). 98 Vgl. Propyläen an Georg Müller Verlag (Winand) am 10.2.1923 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177). 99 Franz Leppmann an Georg Müller Verlag am 10.2.1923 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177).

4.1 Programmbereich Literatur

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Obwohl von Maassen die Arbeit an der Hoffmann-Ausgabe im April 1923 wieder aufgenommen hatte100 und man sowohl bei Georg Müller als auch bei Propyläen eine Fertigstellung der Bände 5, 8, 9 und 10 bis Weihnachten 1924 anvisiert hatte, erschien Band 8 im Jahr 1925 und Band 9/10 erst im Jahr 1928101 und ohne wissenschaftlichen Apparat, da sich die Herausgabe sonst weiterhin deutlich verzögert hätte. Die Zugeständnisse an den Autor lassen sich zum einen durch die frühere Verbundenheit mit Georg Müller erklären. Beide waren engagierte Bibliophile, deren Sammelleidenschaft jeweils zum Aufbau einer umfangreichen Privatbibliothek geführt hatte. Zum anderen hatte man mit von Maassen den wohl wichtigsten Hoffmann-Kenner der Zeit gewonnen und mit der E. T. A. Hoffmann-Ausgabe ein konkurrenzloses Projekt gestartet,102 das zur Wiederentdeckung des zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend in Vergessenheit geratenen Autors beitragen sollte.103 Von Maassen hatte E. T. A. Hoffmann zur zentralen Figur seines Schaffens erklärt. Als Privatgelehrter aus vermögender Familie führte er in den Schwabinger Künstlerkreisen die Existenz eines Bohemiens. In seinem Engagement für E. T. A. Hoffmann bewegte er sich zwischen ernsthafter „Hoffmann-Philologie“ und „neuromantischer Hoffmann-Leidenschaft“.104 Er publizierte zahlreiche Aufsätze über Hoffmann und begründete eine umfangreiche Hoffmann-Sammlung, indem er „jeden Druck, jede Anekdote, jede Biographie, jede noch so nebensächliche Information über den Autor und seine Werke akribisch“ sammelte.105 Später bekannte er, er habe „Hoffmann nicht gelesen“, er „habe ihn gelebt“.106 An die historisch-kritische Hoffmann-Gesamtausgabe trat Maassen allerdings mit philologischem Ernst heran, denn die Ausgabe sollte mit einem ausführlichen Apparat die wissenschaftlichen Anforderungen erfüllen. Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller Eine wesentliche Bezeugung der angestrebten hohen Qualität des Propyläen-Programms stellte die Weiterführung der Ausgaben von Goethes und Schillers Werken

100 Vgl. Georg Müller Verlag an Propyläen am 6.4.1923 (Marbach, DLA, A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe, 93.177). 101 Band 5 blieb weiterhin unbearbeitet. 102 Obwohl die Ausgabe bei Georg Müller/Propyläen unvollständig geblieben ist, gilt sie bis heute als maßgebend. Vgl. E. T. A. Hoffmann. Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Detlef Kremer. 2. erw. Aufl. Berlin: de Gruyter 2009, S. 579. 103 Vgl. ebd., S. 580. 104 Ebd., S. 578. 105 Ebd. Die Sammlung von Maassens hat Eingang in die Bestände der Münchner Universitätsbibliothek gefunden. 106 Maassen 1987, S. 12–15, zitiert nach Kremer, E. T. A. Hoffmann, S. 578.

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dar. Die Propyläen-Ausgabe Goethes wurde mit 28 fertigen Bänden übernommen107 und bis zum 45. Band im Jahr 1932 im Propyläen-Verlag fortgesetzt. Die Horen-Ausgabe der Werke Schillers lag bei der Übernahme mit 15 Bänden vor und wurde bis zum Erscheinen des 22. Bandes im Jahr 1926 weitergeführt. Beide Ausgaben gingen auf die Idee und Konzeption von Franz Blei zurück, der als Berater Georg Müllers das Programm des Verlags maßgeblich beeinflusst hatte.108 Neben zahlreichen eigenen Büchern und einer Gesamtausgabe seiner Vermischten Schriften brachte Blei bei Georg Müller z. B. auch die Gesammelten Schriften von Lenz, eine Edition der Gesammelten Werke Stendhals (s. u.) und Ausgewählte Werke Baudelaires heraus. Er zeichnete nicht nur für die Zusammenstellung der Editionen verantwortlich, sondern trat auch mit konkreten Vorstellungen bezüglich der Gestaltung der Werke an den Verleger heran. So skizzierte er beispielsweise in einem Brief an Georg Müller die Abfolge der einzelnen Bände für die Schiller-Ausgabe, gab die „nötigen Vorlagen“ an und ging anschließend auf das Format, die Ausstattung und den möglichen Ladenpreis ein.109 Wie hier deutlich wird, geht auch der Titel Horen-Ausgabe auf Franz Blei zurück. Was die Anordnung betrifft, so würde ich natürlich nicht die chronologische wie im Goethe110 einhalten, da Schiller nicht wie G[oethe] das menschliche Lebenswerk vorstellt, sondern die Chronologie nur innerhalb der Gruppen durchführen. Und zwar verteilen sich die Bände so: […] Das Format um ca 2 cm an beiden Seiten kleiner. Titel: Horenausgabe, da Schiller die Horen wie G[oethe] die Prop[yläen] herausgab u. man so etwas wie ein Pendant bekommt. Einbandzeichnung wie bei Goethe: Farbe des Buckram muss aber anders sein – man muss Proben sehen, vielleicht dunkles Lila u. gelber Schnitt. Schrift? Ich möchte nicht gerne auch bei Sch[iller] zu Unger raten. Aber was für Fraktur sonst? Oder Antiqua? […] Der Preis würde 4 Mark für Leinen Ladenpreis gehen, 3 M. cartonn., 6 in Halbleder, 18 in Ganz[leder]. – Für die Luxuseinbände empfehle ich Ihnen sehr: P. A. Demeter, Leipzig-Gohlis, Kirchweg 611. Der Mann arbeitet wundervoll […].111

Zudem versuchte Blei durch Befragung der ihm bekannten Buchhändler eine Einschätzung der Marktchancen der neuen Ausgabe zu liefern. Ich holte hier vorsichtig einige Buchhändler betreffend Aussichten einer Schillerausgabe aus und bekam sehr günstige Antworten – es müsse, sagte man mir, das Erscheinen der Bände so

107 Entgegen den Angaben bei Schwab-Felisch und Schütz, die beide von 17 Bänden sprechen, geht aus der Auflistung der übernommenen Bände in der Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) hervor, dass bereits 28 Bände der Goethe-Ausgabe bei Georg Müller erschienen waren. Vgl. auch Buchkunst und Graphik im Verlag Georg Müller, S. 11. 108 Vgl. hierzu insgesamt: Walravens/Reinthal, Franz Blei als Berater. 109 Franz Blei an Georg Müller, [1910]. In: Walravens/Reinthal, Franz Blei als Berater, S. 97. 110 Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe). 111 Ebd., S. 97–100.

4.1 Programmbereich Literatur 

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rasch sein wie das des Goethe[112] und zu Weihnachten müssten vier Bände mindestens vorliegen.113

Damit präsentierte Blei seinem Verleger ein fertiges Projekt, das von diesem auch umgehend realisiert wurde. Noch 1910 erschienen die ersten zwei Bände der HorenAusgabe von Schillers sämtlichen Werken und bis Ende 1911 waren die Bände 3 bis 5 fertiggestellt. Für Blei bedeutete die Herausgabe umfassender Editionen eine günstige Möglichkeit, sich für eine längere Zeit an einen Verlag zu binden und ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen.114 Da Blei in der Öffentlichkeit aber vor allem als freier Schriftsteller wahrgenommen werden und die Aufmerksamkeit der Leser auf sein eigenes Werk lenken wollte, bestand er darauf, dass er „unter keinen Umständen“ als Herausgeber oder Übersetzer genannt werden sollte.115 Gleichzeitig bekräftigte er – wohl auf Müllers Anfrage hin – „betreffend Schiller […] einen Mitherausgeber oder was ähnliches durchaus entbehren zu können“.116 Tatsächlich arbeitete Blei jedoch nicht allein an den Klassikerbänden. Als wissenschaftliche Berater beschäftigte der Verlag Carl Schüddekopf (s. o.) und den Oberstudiendirektor Conrad Höfer (1872– 1947), der wie Schüddekopf Mitglied der Gesellschaft der Bibliophilen war. Während Blei für die Zusammenstellung der Druckvorlagen zuständig war, für das von ihm als „gräuliche Arbeit“ beschriebene „Suchen, Herausreissen, in Druck schicken, wiederbekommen, wieder einordnen, usw.“117, übernahmen Schüddekopf und Höfer die Überprüfung und Korrektur der von Blei gelieferten Vorlagen. Dass ab Band 3 der Schiller-Ausgabe schließlich Höfer als offizieller Herausgeber genannt wurde, mag auch im Zusammenhang mit der Kritik an Bleis Arbeitsweise im Rahmen der Goethe-Ausgabe gestanden haben. Blei antwortete auf entsprechende Vorwürfe seitens seines Verlegers:118 Was das Andere anbelangt. Die „mangelhafte“ Zusammenstellung der Goethebände119 möchte ich von Höfer bestätigt sehen. Bis jetzt sind wichtige Aenderungen meiner Zusammenstellung noch nicht nötig gewesen. Dafür, dass unwichtige solche Aenderungen gemacht wurden, ist in

112 Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe). 113 Vgl. Franz Blei an Georg Müller, [1910]. In: Walravens/Reinthal, Franz Blei als Berater, S. 100. 114 Für die einzelnen Bände der Schiller-Ausgabe erhielt Blei von Georg Müller jeweils 250 Mark, „fällig bei Ablieferung der Druckvorlage“. Vgl. die entsprechende Notiz in: Walravens/Reinthal, Franz Blei als Berater, S. 206. 115 Franz Blei an Georg Müller am [12.09.]. In: Walravens/Reinthal, Franz Blei als Berater, S. 47. 116 Franz Blei an Georg Müller, [1910]. In: Walravens/Reinthal, Franz Blei als Berater, S.107. 117 Ebd., S. 59. 118 Der entsprechende Brief Georg Müllers ist nicht erhalten. 119 Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe).

110  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Betracht zu ziehen, dass ich ja auch nur 250, resp. 200 Mark Honorar für die grosse Auflage bekomme. […] Da die Bände gekauft werden, sehe ich die Vorwürfe nicht recht ein.120

Hintergrund dieser Angelegenheit schienen allerdings auch die verschiedenen Honorarzahlungen zu sein, die Georg Müller sowohl an Blei als auch an Schüddekopf bzw. Höfer zu leisten hatte. Müller hatte mit seiner Kritik an Bleis Arbeit wahrscheinlich eine Reduzierung des Honorars rechtfertigen wollen, woraufhin Blei erwiderte: Es ist doch wirklich kein unbilliges Verlangen, dass wir die Abmachung getroffen haben, dass für alles was ich Ihnen liefere, in monatlichen Raten von jeweils 200 Mk. gezahlt wird.[…] Und meine Arbeit am Goethe[121] ist ja getan; für das was Höfer noch daran tut, wird ja Höfer bezahlt, ebenso wie für den Schiller[122]. Das Lesen der Korrekturen macht ja nicht erst eine abgelieferte Arbeit komplet [sic!].123

Interessanterweise erwähnte Blei lediglich Höfer als weitere an den Goethe- und Schiller-Bänden beteiligte Person. In den erhaltenen Unterlagen des Propyläen-Verlags findet sich hingegen eine von Herz unterzeichnete Aktennotiz, die nahelegt, dass zunächst Schüddekopf und nach dessen Tod im Jahr 1917 Höfer als wissenschaftlicher Berater für Bleis Ausgaben fungiert hatte: Wie Herr Neuhöfer und Herr von Gemmingen vom Verlage Georg Müller mir und Herrn Dr. Leppmann Ende September 1919 in München erklärten, besteht ein Vertrag mit Herrn Prof. Dr. Höfer nicht. Die Sache liegt vielmehr folgendermassen: Professor Schüddekopf war ursprünglich der wissenschaftliche Berater für die von Herrn Dr. Blei hergestellten Ausgaben. Herr Prof. Schüddekopf erhielt hierfür ein bestimmtes Honorar, und hatte einen grösseren Vorschuss für noch nicht geleistete Arbeit darauf bezogen. Nach dem Tode von Prof. Schüddekopf wendete sich der Verlag Georg Müller an dessen Witwe mit dem Ersuchen, diejenigen Vorschüsse, für die eine Gegenleistung von Schüddekopf nicht vorläge, zurückzuzahlen. Frau Schüddekopf leistete keine Rückzahlung, sondern bat Herrn Prof. Höfer aus Freundschaft für den Verstorbenen, die bereits von Georg Müller honorierte Arbeit zu übernehmen. Ein Honorar von Seiten des Georg Müller Verlags erübrigte sich also.124

Für denUllstein Verlag, der Höfer für die weitere Herausgabe der Goethe- und Schiller-Ausgaben verpflichten wollte, gestaltete es sich schwierig, die tatsächliche Honorar- bzw. Vertragsbasis zu rekonstruieren, auf der Höfer im Georg Müller Verlag beschäftigt worden war. Wenige Tage zuvor hatte man noch angenommen,

120 Franz Blei an Georg Müller, [1912]. In: Walravens/Reinthal, Franz Blei als Berater, S. 234 f. 121 Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe). 122 Schillers Sämtliche Werke (Horen-Ausgabe). 123 Franz Blei an Georg Müller, [1912]. In: Walravens/Reinthal, Franz Blei als Berater, S. 235. 124 Aktennotiz vom 4.10.1919 mit dem Betreff „Höfer“, unterzeichnet von Emil Herz (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.).

4.1 Programmbereich Literatur 

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dass ferner für die weiteren Bände [der Goethe-Ausgabe] ein Honorar weder gezahlt noch vereinbart worden ist, da Conrad Höfer sich mit dem vorgeschlagenen Honorar von M. 200,- nicht einverstanden erklärte, sondern der Ansicht war, die Frage bis nach Beendigung des Krieges auf sich beruhen zu lassen.125

In einer Unterredung mit den Verantwortlichen des Propyläen-Verlags äußerte Höfer schließlich, dass er von Anfang an den Schiller[126] gemacht hat. Das Honorar betrug M 500,- pro Band. Weiter auch hat er den Goethe[127] hergestellt und zwar von Band III ab bis Band XX. Die Bände I und II Goethe stammen von Blei.128

Die seinerzeit von Georg Müller geäußerte Kritik an der Arbeit Bleis wurde in diesem Zusammenhang von Höfer bekräftigt. Er ging davon aus, dass die allein von Blei verantworteten Bände „bei einer Neuauflage vollständig anders gestaltet werden [müssten], da sie wissenschaftlich nicht zu vertreten sind.“129 Propyläen übernahm Höfer schließlich mit Vertrag vom 15. Oktober 1919 als Herausgeber der Goethe Propyläen-Ausgabe und der Schiller Horen-Ausgabe.130 Die vereinbarten Honorare wurden am 5. Oktober 1920 noch einmal abgeändert und auf 2500 Mark für jeden von Höfer vollständig neu bearbeiteten Band und 750 Mark für jeden als weitgehend unveränderte Neuauflage erscheinenden Band festgelegt.131 Mit einigen Verzögerungen aufgrund des sich gegen die Vereinbarung und Einhaltung von festen Ablieferungsterminen sträubenden Höfers,132 dem aber im Hinblick

125 Aus einem Briefe des Georg Müller Verlages, München vom 25.9.19 an Herrn Dr. Leppmann, Propyläen-Verlag (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 126 Schillers Sämtliche Werke (Horen-Ausgabe). 127 Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe). 128 Zum Vertrag Höfer. (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 129 Ebd. 130 Vgl. Verlagsvertrag von Conrad Höfer vom 15.10.1919. (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 131 Vgl. Emil Herz an Conrad Höfer am 5.10.1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 132 Vgl. Franz Leppmann an Conrad Höfer am 15.5.1923 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.): „Wir möchten Ihnen heute mitteilen, wie wir uns die neuen vertraglichen Abmachungen über die Schiller-Ausgabe denken, um Ihre Meinung zu hören vor allem für die Ablieferungstermine, damit wir den Vertrag formulieren können. Denn sie werden nunmehr auch eingesehen haben, dass ein Vertrag, der die Lieferungsfristen für die Manuskripte nicht genau festsetzt in sich sinnlos ist, erstens aus ideellen Gründen, weil die Arbeit dann gar zu leicht Phantom bleibt, und zweitens aus materiellen Gründen, weil eine gleitende Honorarskala schliesslich auch nicht bis in alle Ewigkeit gleiten kann. Sie haben am Schiller noch Band 18, 19, 20 sowie ein Registerband zu erledigen.“

112  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

auf die Beendigung der Ausgabe in Honorarfragen großzügigen Verlag133 konnte die Horen-Ausgabe von Schillers-Werken schließlich mit dem 22. Band im Jahr 1926 abgeschlossen werden. Von der Propyläen-Ausgabe der Werke Goethes wurde aus nicht zu ermittelnden Gründen letztendlich nur Band 29 von Höfer herausgegeben. Ab Band 30 übernahm Curt Noch die Herausgabe, mit dem Ullstein schon vorher in Kontakt gestanden hatte, denn Noch hatte bereits Goethes sämtliche Werke in 20 Bänden zusammen mit Paul Wiegler imUllstein Verlag herausgegeben, nach einem von Georg Witkowski aufgestellten Gesamtplan.134 Hier zeigt sich, dass nicht nur Georg Müller, sondern auch Ullstein schon vor der Gründung des Propyläen-Verlags mit Beratern aus dem unmittelbaren Umfeld der Bibliophilen zusammengearbeitet hatte. Bettina von Arnim Im Rahmen der vom Propyläen-Verlag selbstständig veranstalteten Klassikerausgaben wird stets die siebenbändige Ausgabe der Sämtlichen Werke Bettina von Arnims an erster Stelle genannt,135 da sie zum Zeitpunkt ihres Erscheinens von 1920 bis 1922 die „einzige bisher vorhandene Gesamtausgabe“136 war. Der frühe Zeitpunkt des im Dezember 1919 mit dem Herausgeber Waldemar Oehlke abgeschlossenen Verlagsvertrages137 macht deutlich, dass bereits im Gründungsjahr des Propyläen-Verlags eigene, ehrgeizige Projekte angestoßen worden waren. Die ursprünglich geplanten sechs Bände der Werkausgabe Bettina von Arnims sollten laut Vertrag eigentlich „alle […] auf einmal erscheinen“138 und somit bereits „für den Weihnachts-Büchermarkt 1920 vorliegen“139. Bis dahin erschienen allerdings lediglich vier Bände, während die Bände fünf bis sieben erst in den Jahren 1921 und 1922 präsentiert werden konnten. Mit Waldemar Oehlke hatte der Propyläen-Verlag einen Herausgeber gewinnen können, der als Honorarprofessor für Literaturgeschichte seinen Forschungsschwerpunkt auf die Dichter der Klassik gelegt hatte und sich durch seine

133 Vgl. Franz Leppmann an Conrad Höfer am 25.2.1924: „Die Honorarvorschläge […] wollen wir nun nochmals zu Ihren Gunsten revidieren.“ und Propyläen an Conrad Höfer am 24.10.1924: „Wir dürfen Ihnen heute die Mitteilung machen, dass wir Ihrem Wunsche folgen, und das mit Rücksicht auf die Mehrarbeit für den letzten Band von Schillers Werken zu verdoppelnde Honorar auch für Band 21 bezahlen wollen.“ (beides Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 134 Goethe: Sämtliche Werke. Hrsg. nach einem von Georg Witkowski aufgestellten Gesamtplan von Kurt Noch und Paul Wiegler. Mit Einleitungen von Hermann Bahr u. a. (Pandora-Klassiker). Berlin: Ullstein 1923 und 1924. 135 Vgl. Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 107; Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 201 und Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 103. 136 Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 107. 137 Vgl. Verlagsvertrag von Waldemar Oehlke vom 21.12.1919 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 138 Ebd. 139 Ebd.

4.1 Programmbereich Literatur 

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Promotion über Bettina von Armin für die Herausgabe ihrer Werke besonders auszeichnete.140 Die Ausgabe des Propyläen-Verlags enthielt neben den Einführungen Oehlkes zu den einzelnen Werken eine ausführliche Einleitung über das Leben und die Persönlichkeit der Dichterin. Oehlke betonte darin, dass die Bemühungen um die Herausgabe der gesammelten Werke eines Dichters vor allem auch deren Rettung vor Vergessen und Zerstörung dienten. Im Falle Bettina von Arnims konnte Oehlke mit seiner Ausgabe das Spontini-Heft der Öffentlichkeit zugänglich machen, das nach seiner Aussage nur noch in drei Exemplaren erhalten war, wovon sich zwei in Privatbesitz befanden.141 Gottfried Keller Die sechsbändige Werkausgabe von Gottfried Keller erschien in den Jahren 1921 und 1922 mit jeweils drei Bänden pro Jahr. Für die Herausgabe der „kritisch durchgesehene[n] und erläuterte[n]“142 Werke Kellers hatte man mit dem Professor der Universität Bern Harry Maync (1874–1947) ebenfalls einen Germanisten verpflichtet. Maync konnte reichhaltige Erfahrung als Herausgeber von Klassikerausgaben vorweisen. Er hatte sowohl an der historisch-kritischen Weimarer Sophienausgabe von Goethes Werken mitgearbeitet und im Zuge dessen im Jahr 1911 Wilhelm Meisters theatralische Sendung in zwei Bänden herausgeben, als auch Gesamtausgaben u. a. von Mörike und Immermann in Meyers Klassiker-Ausgaben verantwortet, die ebenfalls kritischen Editionsstandards folgten und in repräsentativen, bibliophil ausgestatteten Ausgaben erschienen waren. Die Sämtlichen Werke Kellers erschienen im Zuge eines „Ausgabenbooms“, der durch den Ablauf der Schutzfrist für Kellers Werke im Jahr 1920 ausgelöst worden war.143 Mindestens ein Dutzend Gesamtausgaben aus unterschiedlichen Verlagen erschienen allein im Jahr 1921.144 Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg war in diesem Fall das termingerechte Erscheinen möglichst vor den Ausgaben der Konkurrenz. Propyläen präsentierte sich hier nach außen hin als versierter Klassikerverlag, dem es gelang, zu diesem wesentlichen Termin neben renommierten Konkurrenten wie dem Bibliographischen Institut oder dem Bong Verlag eine der bedeutendsten Keller-Ausgaben der 20er Jahre vorzulegen.145 Tatsächlich zählte jedoch die Keller-Ausgabe zu jenen Editionen, die bei Abschluss des Übernahmevertrages

140 Vgl. Oehlke, Waldemar. In: Germanistenlexikon, Bd. 2, S. 1345–1347. 141 Vgl. Waldemar Oehlke: Bettinas Leben und Persönlichkeit. In: Bettina von Arnim. Gesammelte Werke. Bd. 1. Hrsg. von Waldemar Oehlke. Berlin: Propyläen 1920, S. III–LXXI, hier S. LXXI. 142 Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929, S. 11 (Frankfurt/M., AdB). 143 Morgenthaler, Editionen und Editionsgeschichte, S. 344. 144 Vgl. ebd. 145 Vgl. die Liste der 1921/22 erschienenen Ausgaben in Gottfried-Keller-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Ursula Amrein. Stuttgart: Metzler 2016, S. 406.

114  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

mit dem Georg Müller Verlag bereits vorbereitet vorgelegen hatten146 und von Propyläen nun nur noch auf den Markt gebracht werden mussten. Da der handschriftliche Nachlass Kellers aufgrund der strengen Nachlassverwaltung nicht zur Verfügung stand und alles bisher noch nicht Gedruckte durch den Nachlassverwalter Emil Ermatinger (1873–1953) für die von ihm selbst geplante kritische Gesamtausgabe zurückgehalten wurde, beschränkten sich die neuen Ausgaben auf bereits bekannte Texte Kellers auf der Grundlage der von Cotta 1919 veranstalteten Jubiläumsausgabe und der 1893 erschienenen Nachgelassenen Schriften und Dichtungen.147 Mayncs Keller Edition zählte unter den ab 1921 erschienenen Ausgaben zu den umfangreichsten und unterschied sich von diesen durch die zusätzliche Aufnahme der politischen Aufsätze Kellers und einer Nachlese aus den frühen Gedichtsammlungen. Etwas Neues wurde den Keller-Lesern aber vor allem mit dem Abdruck der ersten Fassung des Grünen Heinrichs geboten, den man in den anderen Ausgaben vergeblich suchte und für den Maync sogar einen eigenen Band veranschlagt hatte. Keller hatte die erste Fassung des Grünen Heinrichs bei der von ihm selbst zusammengestellten Ausgabe der Gesammelten Werke, erschienen 1889 im Berliner Wilhelm Hertz Verlag ein Jahr vor seinem Tod, nicht mit aufnehmen wollen und daran hielten die meisten Ausgaben auch über das Jahr 1920 hinaus fest.148 Somit bot der Propyläen-Verlag die zu diesem Zeitpunkt vollständigste verfügbare Textgrundlage für die Keller-Forschung, während sich spätere Ausgaben (wie z. B. die von Gustav Steiner im Jahr 1942 im Birkhäuser Verlag herausgegebene Ausgabe Gottfried Kellers Werke in acht Bänden) noch auf einen weitaus geringeren TextGrundstock beschränkten.149 Mayncs Keller-Edition, die sich eng an Ermatingers Studienausgabe von 1916 hielt, wurde allerdings für die Übernahme zahlreicher Druckfehler aus älteren Ausgaben und das Fehlen einer Erläuterung zur ersten Fassung des Grünen Heinrichs kritisiert. Der Schweizer Germanist Jonas Fränkel (1879– 1965), der sich selbst um die Herausgabe einer Keller-Gesamtausgabe bemühte, bezichtigte Maync vor allem der mangelnden „philologischen Kritik“.150 Das sorgfältige Überprüfen der Texte anhand der Originalausgaben, das nach Fränkels Ausführungen bei Maync nicht ausreichend stattgefunden hatte, wäre seiner Meinung nach jedoch für eine „kritisch durchgesehene“ Ausgabe grundlegend gewesen.151

146 Vgl. Aufstellung der bei Abschluss des Vertrages vorbereiteten Klassikerausgaben. (Marbach, DLA, A: Langen-Müller, o. Z.). 147 Vgl. Morgenthaler, Editionen und Editionsgeschichte, S. 344. 148 Vgl. ebd., S. 338. 149 Ebd., S. 344. 150 Jonas Fränkel: Die Gottfried Keller-Ausgaben. Ein Kapitel neuester Philologie. In: Euphorion 29 (1928), S. 138–174, hier S. 170. 151 Ebd., S. 159.

4.1 Programmbereich Literatur

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Jean Paul (Johann Paul Friedrich Richter) In der Liste der vorbereiteten Ausgaben findet sich auch die 1923 unter der Leitung des Jean Paul-Kenners Eduard Berend152 (1883–1973) in fünf Bänden in einer Auflage von je 2500 Exemplaren153 herausgegebene Jean Paul-Edition. Berend war Schüler des Münchner Professors Franz Munckers (1855–1926) gewesen, dessen Hauptarbeitsgebiete innerhalb der Literaturgeschichte die Edition, Biographie und Bibliographie darstellten. Er beschäftigte sich vier Jahrzehnte lang mit der Erneuerung von Karl Lachmanns Lessing-Ausgabe (23 Bde., 1886–1924), betreute darüber hinaus aber auch zahlreiche populäre Leseausgaben, z. B. von Kleist, Wieland und Immermann.154 Berend hatte also bereits über seinen Lehrer Einblicke in die editionsphilologische Arbeit erhalten und wurde von diesem später in seinem Engagement für eine Jean Paul-Ausgabe unterstützt. Zudem war Berend durch Munckers oberstes Gebot der philologisch-historischen Exaktheit und Überprüfbarkeit geprägt worden,155 das zur wichtigsten Maßgabe auch für Berends Arbeitsweise wurde. 1909 hatte er über Jean Paul promoviert, dem er fortan fast ausschließlich seine wissenschaftliche Tätigkeit widmete. Erste editionsphilologische Erfahrungen hatte Berend bei der Herausgabe einer sechsbändigen Ludwig Tieck-Ausgabe gesammelt, die noch während seines Promotionsverfahrens im Jahr 1908 in Bongs goldener Klassiker-Bibliothek erschien.156 Im Jahr 1910 erschien dort auch eine von Karl Freye (1882–1915) gemeinsam mit Berend herausgegebene achtbändige Auswahl von Jean Pauls Werken.157 Freye war ein Freund Berends. Er hatte ihn auf den in der StaBi lagernden Nachlass Jean Pauls aufmerksam gemacht und damit den Grundstein für Berends intensive Beschäftigung mit dem Dichter gelegt. Der Anstoß zu einer grundlegenden Debatte um die Neuausgabe der Werke Jean Pauls war jedoch ursprünglich nicht von Berend ausgegangen. Auch Josef Müller setzte sich in seiner Dissertation mit Jean Paul auseinander. Er hatte im Jahr 1905 einen Aufsatz mit der Forderung nach einer neuen Jean Paul-Ausgabe veröffentlicht, worin er die Etablierung des süddeutschen Dichters „als nationale Leitfigur“ gefordert hatte, dem im Kanon der deutschen Literatur ein Platz unmittelbar neben Goethe und Schiller eingeräumt werden sollte.158 Erschienen war Müllers Auf-

152 Vgl. Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 201. 153 Vgl. Ullstein-Chronik (Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). 154 Vgl. Ernst Osterkamp: Muncker, Franz. In: NDB 18 (1997), S. 585–587. Online-Version. URL: https://www.deutsche-biographie.de/gnd11718165X.html#ndbcontent [1.12.2017]. 155 Vgl. Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 19. 156 Vgl. ebd., S. 23. 157 Jean Pauls Werke. Auswahl in acht Teilen. Hrsg. von Karl Freye in Verbindung mit Eduard Berend. Berlin u. a.: Bong & Co. 1910. Vgl. Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 25. 158 Josef Müller: Eine neue Jean Paul-Ausgabe. In: Süddeutsche Monatshefte 2 (1905), S. 422–425, zitiert nach Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 27.

116  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

satz in den Süddeutschen Monatsheften, die 1903 von Georg Müller gegründet und bis Juni 1905 in dessen Verlag herausgegeben worden waren. Damit war Georg Müller von Anfang an in die Diskussion um eine neue Jean Paul-Edition eingebunden und als potenzieller Verleger im Gespräch. In den folgenden Jahren gab es jedoch keine weiteren Vorstöße zu diesem Thema und auch der 1910 von Berend und Julius Petersen (1878–1941) ausgearbeitete erste Entwurf einer wissenschaftlichen Ausgabe führte zunächst zu keinen neuen Entwicklungen.159 Erst 1914 wurde schließlich der Antrag auf Finanzierung der von Berend und Petersen geplanten Ausgabe bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften eingereicht. Im Antrag wurde Berend jedoch auf Anraten Gustav Roethes (1859–1926) – Sekretär der philosophisch-historischen Klasse der Akademie und ehemaliger Lehrer Berends und Petersens – nicht erwähnt. Während Roethe Petersen als „vortrefflich bewährte[n] Philologe[n]“ und „Professor“ unterstützte, der mit seinen Professuren in München, Yale und Basel bereits eine vielversprechende Karriere vorweisen konnte, äußerte er sein Misstrauen gegenüber dem von ihm als „betriebsamen Literaturjuden“160 bezeichneten Berend. Als Jude und Privatgelehrter, dessen Habilitationsversuch drei Mal scheitern sollte, galt Berend sowohl innerhalb seines Fachs als auch insgesamt im Wissenschaftsbetrieb als Außenseiter.161 Die Jean Paul-Edition wurde als Akademieprojekt angenommen. Doch auch gegen Georg Müller als möglichem Verleger der Edition äußerte man Bedenken, denn man hielt ihn „nach der Art seines Verlages, seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, seiner Geschäftspraxis“ für ungeeignet.162 Die Verlagsfrage blieb ungeklärt und der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verschob die weiteren Verhandlungen und Entscheidungen auf vorerst unbestimmte Zeit. Berend war der literaturinteressierten und literaturwissenschaftlichen Öffentlichkeit bis zu diesem Zeitpunkt vor allem durch seine Rezensionen zu Jean Pauls Werken bekannt, die nicht nur in literaturwissenschaftlichen Zeitschriften wie Euphorion erschienen, sondern auch in Zeitschriften für Buchliebhaber und -sammler, vor allem der Zeitschrift für Bücherfreunde (s. o.). Darüber hinaus war im Jahr 1913 mit Jean Pauls Persönlichkeit. Zeitgenössische Berichte gesammelt und herausgegeben von Eduard Berend Berends erstes Buch im Verlag Georg Müller erschienen. Nachdem die Verhandlungen mit der Akademie über die historisch-kritische Jean Paul-Ausgabe zum Erliegen gekommen waren, Berend sich aber dennoch „das gro-

159 Eduard Berend an Julius Petersen am 10.4.1919 (Marbach, DLA), zitiert nach Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 29. 160 Gustav Roethe an Julius Petersen am 26.3.1914 (Marbach, DLA), zitiert nach Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 33. 161 Vgl. Knickmanns Hinweise auf die Benachteiligungen, denen jüdische Wissenschaftler bereits vor 1933 ausgesetzt waren: Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 51 f. Vgl. Knickmanns Ausführungen zu Berends Habilitationsversuchen insgesamt: Ebd., S. 47–60. 162 Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 35.

4.1 Programmbereich Literatur 

117

ße Werk der Gesamtausgabe als Lebensaufgabe gesetzt“ hatte, entschloss er sich, diese im Alleingang ohne institutionelle Unterstützung zu beginnen.163 Im Jahr 1922 erschienen die ersten beiden Bände der von Berend herausgegebenen Briefausgabe bei Georg Müller,164 für die er eine finanzielle Unterstützung von der an die Akademie der Wissenschaften angeschlossenen Samson-Stiftung hatte erwirken können165 und die wohl deshalb nicht an den Propyläen-Verlag übergeben worden war. Die Realisierung der einzelnen Bände ging allerdings nicht so zügig voran, wie Berend sich das erhofft hatte. Der dritte Band erschien im Jahr 1924 und der vierte Band, der eigentlich bis zum 100. Todestag Jean Pauls im Jahr 1925 hätte fertiggestellt sein sollen, erschien – wohl auch aufgrund von Schwierigkeiten zwischen Herausgeber und Verleger – erst 1926.166 Während Berends wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Jean Paul durch den Vertragsabschluss mit der Preußischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 1927 für die alleinige Herausgeberschaft einer Gesamtausgabe einen vorläufigen Höhepunkt verzeichnen konnte,167 beteiligte er sich nun aber auch verstärkt an der allgemeinen Popularisierung des Dichters, die u. a. von der 1925 gegründeten Jean Paul-Gesellschaft vorangetrieben wurde. Zu Berends populären Veröffentlichungen über Jean Paul kann auch die bei Propyläen erschienene Ausgabe gezählt werden, die im Unterschied zu den meisten anderen Klassikergesamtausgaben des Verlags heute nicht in wissenschaftlichen Bibliotheken, dafür aber umso häufiger in Antiquariaten aufzufinden ist. Dass die Propyläen Jean-Paul-Edition in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Dichter keine Rolle spielte, wird auch daran deutlich, dass sie im Germanistenlexikon nicht unter Berends Veröffentlichungen aufgeführt wird.

163 Ebd., S. 86. Petersen schien für das Unternehmen ebenfalls nicht mehr zur Verfügung zu stehen, auch wenn sich Berend mit ihm weiterhin brieflich austauschte und ihn aufgrund der schwierigen finanziellen Lage zu Beginn der zwanziger Jahre um Unterstützung bei der Suche nach einer Anstellung bat. 164 Die Briefe Jean Pauls. Hrsg. und erläutert von Eduard Behrens. München: Georg Müller 1922– 26. Diese Ausgabe hatte man anscheinend aus dem Vertrag mit Ullstein herauslassen können. 165 Vgl. Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 85. 166 Berend berichtete Petersen gegenüber, dass „die Freude an den beiden Briefbänden stark getrübt [wurde] durch allen Ärger, den [er] mit dem Verleger hatte“. Eduard Berend an Julius Petersen am 23.2.1923 (Marbach, DLA), zitiert nach Knickmann, Der Jean-Paul-Forscher Eduard Berend, Teil I, S. 85. Im Nachlass von Berend und in den im DLA erhaltenen Unterlagen des Georg Müller Verlags aus dieser Zeit wurden keine Dokumente gefunden, die weiteren Aufschluss über die Zusammenarbeit zwischen dem Georg Müller Verlag und Berend geben könnten. 167 Als Verlag hatte man schließlich Böhlau ausgewählt, wo auch die Sophienausgabe der Werke Goethes erschien.

118  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Stendhal (Marie-Henri Beyle) Unter den Dichtern, deren Werke im Georg Müller Verlag bei Vertragsabschluss mit Ullstein vorbereitet vorlagen, findet sich auch Stendhal. Doch stammte die ab 1921 bei Propyläen erschienene Ausgabe nicht aus dem Georg Müller Verlag, sondern aus dem Verlag von Eugen Diederichs.168 Es handelte sich um die erste deutsche Ausgabe Stendhals (Ausgewählte Werke in Einzelbänden, acht Bände, 1901–1908, 1910/11), die maßgeblich zur Entdeckung des Autors in Deutschland und schließlich zu seiner Etablierung als „Klassiker“ der Weltliteratur beigetragen hatte.169 Eugen Diederichs war der erste deutsche Verleger, der Stendhal in sein Verlagsprogramm aufgenommen hatte. Den Anstoß hierzu hatte der Übersetzer und freie Schriftsteller Friedrich von Oppeln-Bronikowski gegeben, der ab 1898 bereits die Werke Maeterlincks in den Verlag gebracht hatte. Beide Autoren – Stendhal und Maeterlinck – sollten daraufhin eine gesteigerte Bedeutung sowohl im Verlagsprogramm als auch in der Literaturgeschichte insgesamt erhalten. Oppeln-Bronikowski übersetzte nicht nur die in Frankreich bereits erschienenen Werke Stendhals, sondern betrieb gleichzeitig eine umfassende Stendhal-Forschung, die ihn zu bisher unbekannten Quellen und Werken führte. So konnte er beispielsweise die Chroniken aus der italienischen Renaissance und nachgelassene Novellen in Band VIII (1908) der Ausgewählten Werke als Erstausgaben präsentieren.170 Die von ihm verfassten Einführungen zu den jeweiligen Bänden beeinflussten und förderten die Rezeption Stendhals in Deutschland.171 Seine Übersetzungen wurden vielfach ihrer Gewissenhaftigkeit gewürdigt.172 Es war Oppeln-Bronikowski, der seine Stendhal-Ausgabe schließlich mit in den Propyläen-Verlag brachte. Er hatte bereits seit der Gründung Propyläens in Kontakt mit dem Verlag gestanden. Ab Januar 1920 sind umfangreiche Schreiben erhalten, in denen es um die Herauslösung der Stendhal-Ausgabe aus dem Eugen Diederichs Verlag geht. Oppeln-Bronikowski glaubte nicht daran, dass dies in verträglicher Weise zu bewerkstelligen sein würde. Er schrieb am 22. Januar 1920 an den Propyläen-Verlag: Wegen einer Gesamtausgabe von Beyle-Stendhal bei Ihnen habe ich […] versucht, E[ugen] Diederichs zu bewegen, auf seine unausgeübten Vertragsrechte gegen Abfindung zu verzichten,

168 Zur Ausgabe des Georg Müller Verlags s. u. 169 Vgl. hierzu insgesamt Heidler, Kontext der ersten deutschen Stendhal-Ausgabe. 170 Vgl. Victor del Litto: Aspekte der Aufnahme und Wirkung Stendhals in Deutschland. In: Stendhal und Deutschland. Hrsg. von Kurt Ringger und Christof Weiand. (Stendhal-Hefte. 1). Tübingen: Narr 1986, S. 11–16, hier S. 13 f. und Heidler, Kontext der ersten deutschen Stendhal-Ausgabe, S. 195 f. 171 Vgl. Heidler, Kontext der ersten deutschen Stendhal-Ausgabe, S. 196. 172 Vgl. ebd., S. 197.

4.1 Programmbereich Literatur

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was aber bei seinem schwerfälligen und eigensinnigen Wesen […] nicht ohne Prozeß durchzusetzen sein wird.173

Obwohl noch nicht abzusehen war, ob Diederichs zu einer Abtretung der Rechte an der Stendhal-Ausgabe gebracht werden konnte, stieg Oppeln-Bronikowski sehr engagiert in die Verhandlungen mit Propyläen ein, indem er die Rechtesituation für die einzelnen Werke schilderte und einen detaillierten Plan für die neue Ausgabe vorlegte.174 Wenn er in Bezug auf die Realisierung der Ausgabe an Propyläen schreibt, er „wäre froh, endlich einen tatkräftigen Verleger dafür zu finden“, wird deutlich, dass es ihn schon seit längerem zu einer Neuausgabe gedrängt hatte.175 Nur einen Monat später forderte er den Propyläen-Verlag schließlich auf, „grundsätzlich“ zu entscheiden, ob dieser die Ausgabe in der von Oppeln-Bronikowski geplanten Form „herausbringen und es auf eine Klage seitens Diederichs ankommen lassen“ wolle.176 Soweit sollte es allerdings nicht kommen. „Nach langwierigen und peniblen Verhandlungen“ gelang es Oppeln-Bronikowski im Mai endlich, sich mit seinem ehemaligen Verleger „persönlich und in Güte zu einigen“. Diederichs hatte ihm schriftlich mitgeteilt: „Wenn Sie also den Stendhal mit einem anderen Verlag machen wollen, gut, ich halte Sie nicht.“ 177 Als Antrieb für die Verweigerung einer Neuausgabe der Werke Stendhals gegenüber Oppeln-Bronikowski werden finanzielle Gründe angegeben.178 Diederichs scheute sich in der Inflationszeit vor größeren und langfristigeren Kapitalbindungen und spekulierte nicht wie viele andere Verlage auf mögliche hohe Gewinne im Klassikerbereich. Der Verleger sah seine Aufgabe der Anregung, Entdeckung und Förderung des Neuen bei Stendhal bereits erfüllt, sodass „die unmittelbare Bedeutung, die Stendhal für ihn […] einst besessen hatte, […] sich in seinen Augen überlebt“ hatte.179 Für Oppeln-Bronikowski war mit dem Einlenken Diederichs „das Haupthindernis aus dem Weg geräumt“.180 Mit Vertrag vom 22. Oktober 1920 übertrug er dem Propyläen-Verlag das alleinige Verlagsrecht an den Werken Rot und Schwarz, Römi-

173 Friedrich von Oppeln-Bronikowski an Propyläen-Verlag am 22.1.1920 (Marbach, DLA, A: Oppeln-Bronikowski, 02.54.16/1). 174 Vgl. Friedrich von Oppeln-Bronikowski an Propyläen-Verlag am 19.2.1920 (Marbach, DLA, A: Oppeln-Bronikowski, 02.54.16/2). 175 Friedrich von Oppeln-Bronikowski an Propyläen-Verlag am 22.1.1920 (Marbach, DLA, A: Oppeln-Bronikowski, 02.54.16/1). 176 Friedrich von Oppeln-Bronikowski an Propyläen-Verlag am 19.2.1920 (Marbach, DLA, A: Oppeln-Bronikowski, 02.54.16/2). 177 Friedrich von Oppeln-Bronikowski an Propyläen-Verlag am 31.5.1920 (Marbach, DLA, A: Oppeln-Bronikowski, 02.54.16/3). 178 Heidler, Kontext der ersten deutschen Stendhal-Ausgabe, S. 203 f. 179 Ebd. 180 Friedrich von Oppeln-Bronikowski an Propyläen-Verlag am 31.5.1920 (Marbach, DLA, A: Oppeln-Bronikowski, 02.54.16/3).

120  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

sche Spaziergänge, Reise in Italien, Italienische Novellen und Chroniken, Ueber die Liebe und Bekenntnisse eines Egoisten, wobei die Letztgenannten noch zu übersetzen waren.181 Zudem konnten die Rechte an dem von Arthur Schurig (1870–1929) übersetzten Band Die Karthause von Parma übernommen werden. Propyläen schloss auch mit ihm einen entsprechenden Vertrag, der dem Verlag „das alleinige Verlagsrecht an seiner Übersetzung […] für alle Auflagen und Ausgaben“ sicherte und Schurig gleichzeitig zu einer „gründlichen“ Überarbeitung seiner Übersetzung verpflichtete.182 Aus diesen Werken sollte bei Propyläen eine neue Ausgabe der Gesammelten Werke Stendhals entstehen, „die zunächst mit sieben Bänden in Aussicht genommen“ wurde.183 Darüber hinaus behielt man sich das Recht auf die Herausgabe von Einzelausgaben vor.184 Oppeln-Bronikowski scheint den engen Zeitplan, auf den der Verlag ihn verpflichtet hatte, weitgehend eingehalten zu haben, denn bereits 1921 erschienen die ersten vier Bände der Ausgabe. 1922 und 1923 kamen die Bände fünf bis sieben auf den Markt und noch im Jahr 1923 wurde die Ausgabe um weitere drei Bände erweitert, die bis 1924 realisiert werden konnten. Als letzten Band nahm man die Geschichte der Malerei auf. Die Rechte an dieser von Oppeln-Bronikowski ursprünglich für den Georg Müller Verlag besorgten Übersetzung waren gegen die Zahlung von 100 000 Mark an ihn zurückgefallen.185 Da es sich bei der Stendhal-Ausgabe nicht um eine aus dem Georg Müller Verlag übernommene Ausgabe handelte, konnte Georg Müller in diesem Fall mit einer eigenen Produktion in unmittelbare Konkurrenz zu Propyläen treten. Fast zeitgleich zur Ausgabe des Propyläen-Verlags erschien in den Jahren 1921 bis 1925 eine fünfzehnbändige, von Franz Blei und Wilhelm Weigand herausgegebene und von Paul Renner gestaltete Werkausgabe Stendhals. Weitere Konkurrenz entstand durch die achtbändige Ausgabe Ausgewählte Werke mit Einbänden von Walter Tiemann, die aus den im Insel-Verlag erschienenen Stendhal-Übersetzungen von Arthur Schurig in den Jahren von 1921 bis 1929 entstanden war. Beide Ausgaben bescherten der Propyläen-Ausgabe von Oppeln-Bronikowski und damit auch dem Übersetzer und Herausgeber selbst „einen schweren Stand“.186 Während es Schurig durch seine zahlreichen Aufsätze über Stendhal und die von ihm verantwortete Werkausgabe im pres-

181 Vgl. Verlagsvertrag mit Oppeln-Bronikowski vom 22.10.1920 (Marbach, DLA, A: Oppeln-Bronikowski, 02.54.368). 182 Verlagsvertrag mit Arthur Schurig vom 20.10.1920 (Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, Berlin, o. Z.). 183 Verlagsvertrag mit Oppeln-Bronikowski vom 22.10.1920 (Marbach, DLA, A: Oppeln-Bronikowski, 02.54.368). 184 Ebd. 185 Vgl. das Schreiben des Georg Müller Verlags an Friedrich von Oppeln-Bronikowski vom 17.5.1923 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 186 Heidler, Kontext der ersten deutschen Stendhal-Ausgabe, S. 205.

4.1 Programmbereich Literatur 

121

tigeträchtigen Insel-Verlag gelang, sein symbolisches Kapital zu mehren und sich als wichtigster deutscher Übersetzer und Kenner Stendhals zu positionieren, führte die Verlagswahl Oppeln-Bronikowskis eher dazu, dass seine Verdienste und seine Expertise in Bezug auf Stendhal in Vergessenheit gerieten. So kritisierte Oppeln-Bronikowski in einer Stellungnahme zu einer zeitgenössischen Kritik, die die Ausgaben des Insel- und des Georg Müller Verlags würdigend hervorhob, die Propyläen-Ausgabe aber nur am Rande in Bezug auf die Novellen erwähnte, dass seine „Verdienste um eine deutsche Stendhal-Ausgabe in dieser Weise verdunkelt werden“.187 Das symbolische Kapital der etablierten und für die hohe Qualität der Klassikerausgaben bekannten Verlage Insel und Georg Müller übertrug sich auf die Editionen und Herausgeber. Der Propyläen-Verlag hingegen hatte sich im Fall Oppeln-Bronikowskis dessen symbolisches Kapital zu Nutzen gemacht und es ihm damit ein Stück weit gleichzeitig auch entzogen. Denn durch die unmittelbare Konkurrenz mit den gleichzeitig erscheinenden Editionen des Insel- und des Georg Müller Verlags erfuhr die Stendhal-Ausgabe des sich gerade erst auf dem Markt etablierenden Propyläen-Verlags deutlich weniger Aufmerksamkeit.188 Edgar Allan Poe Franz Blei, den Propyläen nicht für die weitere Herausgabe der Schiller- und Goethe-Ausgabe übernommen hatte, machte dem Propyläen-Verlag nicht nur mit der Stendhal-Ausgabe bei Georg Müller, sondern auch mit einer Edgar Allan Poe-Ausgabe Konkurrenz. Die Gesammelten Werke Edgar Allan Poes, herausgegeben von Franz Blei, erschienen 1922 in sechs Bänden bei Rösl & Cie, also zeitgleich zu der zwischen 1921 und 1922 von Theodor Etzel (1873–1950) bei Propyläen herausgegebenen Gesamtausgabe der Dichtungen und Erzählungen. Vergleicht man die inhaltliche Einteilung der Bände, so wird deutlich, dass die Propyläen-Ausgabe eine stärker populäre Ausrichtung auf ein allgemeines Publikum vorsah. Die einzelnen Bände waren thematisch-inhaltlich geordnet und boten dem Leser damit bereits eine entsprechende Heranführung an das Werk. Die Bände umfassten Gedichte (Band 1), Geschichten von Schönheit, Liebe und Wiederkunft (Band 2), Verbrecher Geschichten (Band 3), Die Abenteurer Pym und Rodman (Band 4), Phantastische Fahrten (Band 5), Scherz- und Spottgeschichten (Band 6). Bleis Ausgabe hingegen enthielt in Band 1 Heureka und die Gedichte in Prosa, in Band 2 Arthur Gordon Pym. Phantastische Reisen und in Band 6 Die Gedichte und Aufsätze. Die Bände drei bis fünf waren den Erzählungen vorbehalten, die in rein chronologischer Gliederung präsentiert wurden. Neben den genannten Ausgaben erschienen 1924 die Sämtlichen poetischen Werke und eine zweibändige Auswahl aus den Streitschriften von Angelus Silesius, herausgegeben von dem Literaturwissenschaftler Georg Ellinger (1859–1939).

187 Ebd., S. 205 f. 188 Vgl. Heidler, Kontext der ersten deutschen Stendhal-Ausgabe, S. 205 f.

122  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Marktentwicklung im Segment der Gesamtausgaben Mit Ausnahme der besonders umfangreichen Goethe-, Schiller- und Turgenjew-Ausgaben erschienen keine Gesamtausgaben über das Jahr 1925 hinaus. Ausschlaggebend hierfür war die Absatzentwicklung für bibliophile Werke in den zwanziger Jahren,189 die sich auch an den Auflagenzahlen der Klassikereditionen des PropyläenVerlags ablesen lässt. Die einzelnen Bände der Keller- und der Poe-Ausgabe, beide zwischen 1921 und 1922 herausgekommen, erschienen in einer Auflage von durchschnittlich 7000 Exemplaren. Der erste Band der zehnbändigen Stendhal-Ausgabe wurde sogar in einer Auflage von 14 085 Exemplaren hergestellt, diese reduzierte sich dann allerdings bei den folgenden Bänden auf 9000 bis 5000 Exemplare. Auch bei den nach 1925 weitergeführten Ausgaben lassen sich, der Marktentwicklung entsprechend, sinkende Auflagenzahlen feststellen. Während die Goethe-Bände bis dahin in einer Auflage von mindestens 3000 Exemplaren erschienen waren, sank die Auflagenzahl in den Jahren 1926 und 1927 unter diese Marke und betrug ab Band 38 im Jahr 1928 schließlich 2000 Exemplare. Auch die Auflagenzahlen der Schillerund der Turgenjew-Ausgaben, die bis 1924 mit ebenfalls ca. 3000 Exemplaren angegeben sind, wurden verringert. Die Schiller-Bände verzeichneten ab Band 19 (1924) nur noch eine Auflage von 2000 Exemplaren und die der Turgenjew-Ausgabe wurde 1925 auf 2000, 1930 auf 1500 und für den letzten Band im Jahr 1931 letztlich auf 1000 Exemplare reduziert.190 Da nach Einbruch der guten Ertragslage keine neue Klassikeredition mehr von Propyläen in Angriff genommen wurde, wird deutlich, dass die Strategie des Verlags vor allem auf die Nutzung eines günstigen Absatzmarktes und nicht auf den Aufbau eines Klassikerprogramms zielte. Der Verlag konnte die bis 1925 herausgegebenen Werkausgaben allerdings weiterhin in seinem Gesamtprogramm präsentieren und profitierte somit auch künftig von deren Ansehen auf dem Buchmarkt.191 Goethes Propyläen-Ausgabe und Schillers Horen-Ausgabe brachte man ungeachtet der verschlechterten Absatzmöglichkeiten und der Schwierigkeiten mit dem Herausgeber zu Ende, um die Wahrung des symbolischen Kapitals und des Ansehens des Propyläen-Verlags nach außen hin sicherzustellen.

189 Vgl. Abschn. 5.1. 190 Alle Auflagenzahlen wurden der Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) entnommen. 191 Als zusätzliche Werbung für die Ausgaben wurde im Gesamtverzeichnis zu jeder Edition eine besonders positive Kritik abgedruckt. Vgl. Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929 (Frankfurt/M., AdB). Außerdem kündigte der Verlag z. B. jeden neuen Band in der Rubrik Aus dem Propyläen-Verlag im Querschnitt an.

4.1 Programmbereich Literatur

 123

Die Gestaltung der Gesamtausgaben Für den Erfolg der Klassikerausgaben war neben der wissenschaftlichen Zuverlässigkeit und den guten Übersetzungen192 besonders die von Steiner-Prag entworfene individuelle Gestaltung und hochwertige Ausstattung der Bände verantwortlich. Die Bände der Werkausgabe Bettina von Arnims beispielsweise waren als Lesebücher im Oktav-Format angelegt, die mit ihren gestreiften, bunten Einbandpapieren (vgl. Abb. 1), der ornamentalen Goldprägung der Lederrücken (vgl. Abb. 2) und dem Goldkopfschnitt durchaus dekorativ gestaltet waren. In die Bände waren zahlreiche Portraittafeln eingebunden, die vor allem Bettina von Arnim selbst (vgl. Abb. 3) und Mitglieder der Familie Brentano zeigten. Darüber hinaus enthielten die Bände Abbildungen verschiedener Schauplätze, wie z. B. das Gartenhaus Goethes. Ein herausklappbares eingebundenes Brieffaksimile in der Einführung zur Günderrode in Band 2 (vgl. Abb. 4) machte dem Leser die Quellen unmittelbar zugänglich. Auch die Noten zu den Stücken aus Arnims Liederheft wurden abgedruckt (vgl. Abb. 5).

Abb. 1: Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Einband

Abb. 2: Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Rückenansicht einzelner Bände

192 Vgl. Verlagsprospekt zu den Gesammelten Werken Stendhals (Marbach, DLA).

124  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 3: Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Portrait

4.1 Programmbereich Literatur 

Abb. 4: Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Band 2, Brieffaksimile

125

126  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 5: Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Band 4, Notendruck

Die Ausgabe der Werke Edgar Allan Poes war wiederum streng nach den Forderungen der neuen Buchkunst gestaltet. Es handelte sich um eine reine Leseausgabe, die auf Kommentare, Erläuterungen und Abbildungen verzichtete. Das Format der Bände entsprach ebenfalls einem Oktav-Format, wobei sie im Vergleich zur ArnimAusgabe etwas höher waren und dadurch insgesamt schlanker wirkten. Die äußere Erscheinung war zudem durch eine zurückhaltende, aber qualitativ hochwertige Gestaltung gekennzeichnet, die mit einem Halbpergament-Einband, einer dezenten Goldprägung des Rückens und einer reduzierten farblichen Gestaltung betont wurde (vgl. Abb. 6). Damit traf man den Geschmack der bibliophilen Buchkäufer und Leser. Von den Rezensenten wurde die Gestaltung als „ungewöhnlich vornehm“, „gediegen“ und „geschmackvoll“ gelobt.193

193 Zitiert aus Verlagsprospekt Urteile der Presse über Werke aus dem Propyläen-Verlag Berlin (Marbach, DLA).

4.1 Programmbereich Literatur 

127

Abb. 6: Edgar Allan Poe. Gesamtausgabe der Dichtungen und Erzählungen

Bei den übernommenen und im Propyläen-Verlag fortgeführten Ausgaben hatte man die ursprüngliche Gestaltung und Ausstattung weitgehend beibehalten. Auch unter diesen Ausgaben finden sich sehr schlicht gestaltete Bände, wie die der Goethe- und Schiller-Ausgabe (vgl. Abb. 7). Die Bände waren sowohl in der Einband- als auch in der Textgestaltung klassizistisch nüchtern gehalten (vgl. Abb. 8) und entsprachen damit dem hohen typographisch-ästhetischen Anspruch der Dichterfürsten, die zu Lebzeiten „den Verzicht auf jedweden Schmuck“194 von ihren Verlegern eingefordert hatten.

194 Vgl. Monika Estermann/Frieder Schmidt: Die Buchkultur im 19. Jahrhundert. Bd. II, 1: Zeitalter, Material, Gestaltung. Hamburg: Maximilian Gesellschaft 2016, S. 303.

128  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 7: Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe)

Abb. 8 Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe), Titelblatt

Die typographische Gestaltung der Titelblätter der Klassikerausgaben war insgesamt gekennzeichnet durch die Berücksichtigung der durch die Buchkunstbewegung geprägten Gestaltungsregeln, die seit der Jahrhundertwende vor allem in Verlagen wie dem Eugen Diederichs Verlag, dem S. Fischer oder dem Insel-Verlag durch die von ihnen beschäftigten Buchgestalter Anwendung und Weiterentwicklung erfahren hatten195. Der Titelsatz war insgesamt nicht länger geprägt durch reiche Dekoration, sondern konzentrierte sich auf eine klare Typographie mit einem offenen, lichten Satz,196 den man auch bei den Gesamtausgaben des Propyläen-Verlags feststellen kann. Verwendet wurde zudem ein seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bevorzugtes Stilmittel für die Titelgestaltung: der Rahmen. Dieser wurde bei Propyläen zur Gestaltung der neu aufgekommenen und beliebten Form des Doppeltitels197 eingesetzt. Im Vergleich zu einigen ornamental-floralen Beispielen anderer

195 Vgl. ebd., S. 131. 196 Vgl. hierzu z. B. die Ausführungen von Emil Rudolf Weiß, zitiert bei Estermann/Schmidt, Buchkultur im 19. Jahrhundert, S. 133. 197 Vgl. ebd., S. 147–151.

4.1 Programmbereich Literatur 

129

Buchkünstler198 hatte Steiner-Prag für die Klassikergesamtausgaben sehr dezente Rahmenvarianten entworfen (vgl. Abb. 9). Als weitere Schmuckelemente kamen Vignetten (vgl. Abb. 10) oder Frontispize (vgl. Abb. 11) und schwarz-roter Zweifarbendruck zum Einsatz.

Abb. 9: Stendhal, Reise in Italien, gerahmter Doppeltitel

Abb. 10: Gottfried Keller, Der grüne Heinrich, gerahmter Doppeltitel mit Vignette

198 Vgl. z. B. die Entwürfe von Emil Rudolf Weiß für den Diederichs Verlag oder Heinrich Voglers Entwürfe für den Insel-Verlag bei Estermann/Schmidt, Buchkultur im 19. Jahrhundert, S. 148 f.

130  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 11: Ludovico Ariosto, Der rasende Roland, Frontispiz und Titelblatt

Abb. 12: Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Beispielseite mit Sternchen

4.1 Programmbereich Literatur 

131

Auf den Textseiten wurde weitgehend auf dekorative Elemente verzichtet. In der Werkausgabe Bettina von Arnims verwendete man kleine Sternchen (vgl. Abb. 12), wie sie auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Entstehungszeit der Werke, beliebt waren. Großzügige Weißflächen heben die Typographie der Ausgaben deutlich von den eng bedruckten Seiten der billigen Klassikerausgaben ab. Bei der Wahl der Schriften konzentrierte man sich in den Klassikerausgaben des PropyläenVerlags überwiegend auf Frakturschriften und entsprach damit dem zeitgenössischen Diskurs und der Praxis anderer Verlage, wie z. B. dem Insel-Verlag.199 Sowohl die in Klassikerausgaben verbreiteten Texte kanonischer Autoren als auch die hierfür als geeignet angesehene Fraktur wurden als Teil des nationalen Bewusstseins proklamiert.200 Fremdsprachige Klassikerausgaben201 oder künstlerisch-bibliophile Ausgaben202 erschienen in einem höheren Anteil auch in Antiqua. Wollte man einen Massenmarkt oder wie bei Propyläen immerhin einen breiteren Absatzmarkt erreichen, war die Wahl der Fraktur unabdingbar. Darüber hinaus setzte man im Propyläen-Verlag auch auf die Herstellung qualitativ unterschiedlicher Ausgaben. Goethes Propyläen-Ausgabe beispielsweise erschien in vier verschiedenen Ausstattungskategorien. Es gab eine Basiskategorie in Pappe oder kartoniert für 10 Mark, eine Ganzleinen-Ausgabe für 12 Mark, den Halbledereinband für 16 Mark und schließlich die exklusive Ganzlederausstattung für 50 Mark pro Band.203 Während von den Schiller-Bänden drei unterschiedliche Ausgaben erhältlich waren (Pappe/kartoniert, Ganzleinen und Halbleder), brachte Propyläen die meisten Editionen in einer Papp- und einer Halblederausgabe (z. B. Hölderlin, Jean Paul, Stendhal) heraus. Einige Ausgaben (z. B. Arnim, Molière, Eichendorff) erschienen ausschließlich in einer Halblederausgabe. Hinzu kamen einmalige, nummerierte Vorzugsausgaben in kleineren Auflagen204, die eine zahlungskräftige, bibliophile Zielgruppe ansprachen.205 Mit diesen in ihrer Ausstattung und damit auch

199 Vgl. Anton Kippenberg an Alfred Walter Heymel am 11. April 1911 (DLA Marbach, SUA:InselVerlag), zitiert nach Philip Ajouri: Antiqua und Fraktur im Klassikerdruck um 1900. Zum Insel Verlag und der Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe. In: Die Präsentation kanonischer Werke um 1900. Semantiken. Praktiken. Materialität. Hrsg. von Philip Ajouri (Beihefte zu editio. 42). Berlin/New York: de Gruyter 2017, S. 163–181. 200 Vgl. die Äußerungen von Georg Witkowski in Abschn. 4.1.1. Vgl. umfassend zum „Streit zwischen Fraktur und Antiqua“: Wehde, Typographische Kultur, Abschn. 6.2. 201 Bei Propyläen z. B. die weitergeführte Molière-Ausgabe. 202 So z. B. die im Insel-Verlag erschienene Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe, die als internationales, innovatives buchkünstlerisches Projekt Harry Graf Kesslers angesehen werden kann, vgl. Ajouri, Antiqua und Fraktur im Klassikerdruck, S. 181. 203 Vgl. Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929, S. 10 (Frankfurt/M., AdB). 204 Die Luxusausgabe von Goethes Werken beispielsweise wurde pro Band in einer Auflage von 250 Exemplaren hergestellt. 205 Vgl. die direkte Ansprache des „bemittelten Bücherfreundes“ in einem Verlagsprospekt des Propyläen-Verlags (Frankfurt/M., AdB, ohne Datum).

132  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

in ihrem Preis gestaffelten Ausgaben desselben Textes konnten verschiedene Käuferschichten bedient und damit weitere Absatzmöglichkeiten erschlossen werden. Um die von Georg Müller gesetzten Qualitätsstandards weiterhin garantieren zu können und auch nach außen hin sichtbar zu machen, führte man bei Propyläen die Zusammenarbeit mit den „großen Leipziger Druckereien“206 zunächst fort. Die meisten Klassikerausgaben sowie die Reihen Werke der Weltliteratur und Das kleine Propyläen-Buch entstanden in den ersten Jahren in der Spamerschen Buchdruckerei und dem Bibliographischen Institut. In den eingesehenen Bänden der Klassiker des Altertums ließen sich ausschließlich Druckvermerke der Spamerschen Buchdruckerei finden, die neben der Reichsdruckerei und Poeschel & Trepte ebenfalls für den Druck zahlreicher Werke aus dem Bereich des Propyläen Kunstverlags verantwortlich zeichnete. Auch die Propyläen-Kunstgeschichte entstand bis Mitte der zwanziger Jahre bei Spamer, mit Ausnahme des Bildteils, der bei F. Bruckmann in München hergestellt wurde, bis Ullstein dann selbst die Herstellung der Bände übernahm. Seit dem Umzug der Zeitschriften- und Buchherstellung in ein mit modernster Technik ausgestattetes,207 neu gebautes Druckhaus in Tempelhof208 zum Jahreswechsel 1926/27 wurden auch die Propyläen-Bücher dort hergestellt. Neben „verschiedensten Maschinen“ „für alle Druckarten“209 verfügte das Ullstein-Druckhaus auch über eine Buchbinderei und eine eigene Reproduktionsabteilung. So konnte nun die komplette Herstellung aller Bücher und Zeitschriften des Ullstein-Konzerns von den billigen Ullsteinbüchern zu einer Mark und der BIZ bis hin zur Kunst- und Weltgeschichte des Propyläen-Verlags und dem Querschnitt in Tempelhof erfolgen.210

4.1.3 Buchreihen Klassiker des Altertums Den zweiten umfangreichen Teil des vom Georg Müller Verlag erworbenen Bestandes bildete die Reihe Klassiker des Altertums, die von Heinrich Conrad (1866–1919) und Hanns Floerke (1875–1944) herausgegeben wurde. Heinrich Conrad, der eigent-

206 Sein Dämon war das Buch, S. 70. 207 Vgl. Karl Ullstein: Unsere Technik. In: Der Verlag Ullstein zum Weltreklamekongress Berlin 1929. Berlin: Ullstein 1929, S. 229–247, hier S. 237: „Das Druckereigebäude ist eine Sehenswürdigkeit in ganz Deutschland geworden, und wöchentlich werden Hunderte von Gästen […] durch den Betrieb geführt, der […] durch die imposante Menge modernster Maschinen die Besucher in Verwunderung setzt.“ 208 Vgl. Walter Matuschke: Führend in Deutschland, anerkannt in der Welt. Technik im Hause Ullstein/Axel Springer. In: Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 2. Berlin: Ullstein 1977, S. 11–42, hier S. 30. 209 Ullstein, Unsere Technik, S. 238. 210 Vgl. Matuschke, Führend in Deutschland, S. 30.

4.1 Programmbereich Literatur

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lich Hugo Storm hieß, hatte 1898 den „Verein für freies Schriftthum“ gegründet, mit dem er sich als maßgeblicher Verleger der naturalistischen Dichter in Berlin zu etablieren gedachte. Nach der Pleite des Verlags verschwand Storm 1898 hochverschuldet aus Berlin, lebte später einige Jahre in Italien, arbeitete u. a. als Übersetzer aus dem Italienischen und Französischen und wurde schließlich auch für den Georg Müller Verlag als Herausgeber und Übersetzer tätig.211 Bekannt wurde er vor allem als Übersetzer der Werke Casanovas. Conrad war darüber hinaus wie Franz Blei als „Berater und Ideenlieferant“212 für Georg Müller tätig, da er „über eine große Kenntnis der urheberrechtlich nicht mehr geschützten verwertbaren Literatur“ verfügte.213 Hanns Floerke arbeitete zunächst ebenfalls als Herausgeber und Lektor für Georg Müller. Nach Georg Müllers Tod und der Übernahme des Verlags durch den Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband im Jahr 1928214 wurde Floerke Vorstandsmitglied des Verlags, zuständig für Lektorat und literarische Leitung.215 Begünstigend hierfür mag sich seine nationalsozialistisch-antisemitische Haltung ausgewirkt haben.216 Auch nach der Fusion mit dem Albert Langen Verlag blieb Floerke Mitglied der Geschäftsführung.217 Er wurde 1936 pensioniert. Die Klassiker des Altertums waren bei Georg Müller ursprünglich in zwei Teilreihen erschienen. Die erste Reihe (1911–1913) umfasste 20, die zweite (1913–1914) zwölf Bände. Nach dem Tod Georg Müllers und der Übernahme des Verlags durch seine Erben kam es im Jahr 1918 zu einer Fortsetzung der ersten Reihe um weitere sieben Bände. Die Klassiker des Altertums beinhalteten die Werke von Autoren wie Plutarch, Herodot, Horaz, Lukian, Cicero, Tacitus, Platon, Aristophanes, Homer und Catull. Die ansprechend gestalteten, häufig illustrierten und mit Anmerkungen versehenen Ausgaben sollten als Zielpublikum den „interessierten Laien“218 und „moderne[n] Leser“219 ansprechen. Meist hatte man auf die bei Georg Müller als „Meisterwerke der Übersetzungskunst“ angepriesenen Texte aus dem 18. und 19. Jahr-

211 Vgl. Franz Jäschke: Hugo Storm alias Heinrich Conrad(t) – Schriftenverzeichnis. In: Erotische Literatur. Mitteilungen zu Erforschung und Bibliographie. Bd. 7. ars amandi: Berlin 2003, S. 11–92. 212 Meyer, Die Verlagsfusion Langen-Müller, S. 23. 213 Hanns Floerke: Georg Müller und sein Verlag (Manuskript), S. 61, zitiert nach Meyer, Die Verlagsfusion Langen-Müller, S. 23. 214 Vgl. Meyer, Die Verlagsfusion Langen-Müller, S. 38. 215 Vgl. ebd., S. 41. 216 Vgl. ebd., S. 22, besonders auch ebd., Anm. 8, in der Meyer darauf hinweist, dass Floerke laut Aussage von Gustav Pezold (Leiter des Georg Müller Verlags ab 1930) Mitbegründer von Rosenbergs „Kampfbund für Deutsche Kultur“ gewesen sein soll. 217 Vgl. Meyer, Die Verlagsfusion Langen-Müller, S. 22, Anm. 7. 218 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 201. 219 Klassiker des Altertums. Hrsg. von Heinrich Conrad. Verlagsprospekt. Zitiert nach Sein Dämon war das Buch, S. 49.

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hundert zurückgegriffen,220 so z. B. auf Christoph Martin Wielands Übersetzung der Cicero-Briefe und der Werke Lukians, Friedrich Schleiermachers Übertragung von ausgewählten Werken Platons oder auf Johann Friedrich Salomon Kaltwassers Übersetzung der Lebensbeschreibungen Plutarchs. Der Propyläen-Verlag übernahm die gesamte Reihe in sein Programm und gab von zahlreichen Bänden in den Jahren 1920 und 1922 eine Neuauflage heraus. Als Beispiele hierfür sind die Neun Bücher der Geschichte von Herodot, die Satiren und Episteln von Horaz, Lukians Sämtliche Werke und Aristophanes Komödien zu nennen. Zeitgleich setzte man in Weiterführung der Zusammenarbeit mit Floerke auch die zweite Reihe mit eigenen Produktionen fort. Von 1920 bis 1927 erschienen weitere 14 Bände, wobei die einzelnen Werke, wie zuvor auch, meist mehrere Bände umfassten. Propyläen erweiterte die Klassiker des Altertums um die zweibändigen Elegien des Tibull, den Kranz des Meleagraos und die Komödien des Plautus, die vier Bände der Reihe umfassten. Darauf folgten unter anderen die Siegesgesänge von Pindar, die Tragödien von Aischylos und schließlich zum Abschluss der Reihe die Philosophischen Schriften Senecas.221 Die Auflage der Bände betrug in der Regel zwischen 2000 und 3000 Exemplaren. Mit der Weiterführung der Klassiker des Altertums sicherte sich der PropyläenVerlag ebenfalls große Anerkennung. In einer sehr positiven Besprechung in der Frankfurter Zeitung wurde vor allem das Bestreben des Verlags anerkannt, „gewisse Strömungen der alten Literatur, die nicht zu den ‚populären‘ gehören, aber gerade anspruchsvollen Lesern […] viel Genuß gewähren, möglichst vollständig zu bringen“222. Die Fortsetzung der Reihe diente demnach auch dazu, das Propyläen-Profil zu stärken und vom Programm des Ullstein Buchverlags abzuheben: Bei Propyläen wurde (jedenfalls zu diesem Zeitpunkt) keine „populäre“ Literatur herausgegeben, sondern „anspruchsvolle“, und die Ausgaben waren „möglichst vollständig“, im Gegensatz zu den Ullstein-Büchern, in denen die Romane oft in verkürzter Form erschienen.223 Die bei Propyläen verlegten Bände der Reihe entsprachen in ihrer äußeren Erscheinung den bei Georg Müller erschienenen Bänden.224 Ihre Ausstattung und Gestaltung besorgte ebenfalls Hugo Steiner-Prag. Die Klassiker des Altertums waren bei Georg Müller in einer Halbleder-Ausgabe und einer auf Bütten gedruckten und

220 Buchkunst und Graphik im Verlag Georg Müller, S. 11. Vgl. auch Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 201. 221 Die Bände Der Kranz des Meleagros, die Tragödien von Aischylos und die Siegesgesänge von Pindar hatte man bereits bei Georg Müller für eine Fortsetzung der zweiten Reihe vorgesehen. Vgl. Buchkunst und Graphik im Verlag Georg Müller, S. 14. Die Liste der Bände im Anhang wurde alphabetisch sortiert, da die Zuordnung zu den beiden Reihen nicht immer rekonstruiert werden konnte. 222 Urteile der Presse über Werke aus dem Propyläen-Verlag Berlin (Marbach, DLA). 223 Weber, Ullstein Ramsch & Co, S. 210. 224 Vgl. Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 107.

4.1 Programmbereich Literatur 

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in Leder gebundenen Luxusausgabe erschienen.225 Ebenso wie die Klassikerausgaben waren die Bände nach dem Krieg aufgrund des Ledermangels auch im Pappeinband erhältlich.226 Bei Propyläen erschienen die schmalen Bände der Reihe generell in zwei Ausgaben: Halbleinen und Halbleder. Werke der Weltliteratur Die erste Buchreihe, die der Propyläen-Verlag eigenständig konzipiert hatte und ab 1920 herausgab, war die Reihe Werke der Weltliteratur. Bände der ersten Jahre waren Die Hochzeitsreise von Charles de Coster, Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien von Laurence Sterne und Romane von Voltaire. Bis in das Jahr 1924 hinein folgten weitere Bände von Autoren wie Chamisso, Dostojewski, Flaubert, Grimmelshausen, E. T. A. Hoffmann, Jean Paul, Kleist, Mörike, Murger, Rabelais, Rousseau, Tolstoi und Wieland. Als Beispiel für eine im Hinblick auf die Autoren- und Werkauswahl ähnlich aufgestellte und somit unmittelbar konkurrierende Reihe kann die Bibliothek der Romane genannt werden. Sie erschien in den Jahren 1911 bis 1926 im Insel-Verlag. Im Unterschied zu dieser Reihe, bei der die erste Auflage meist 10 000 Exemplare betrug,227 wurden die Werke der Weltliteratur in einer etwas geringeren Auflage herausgegeben. Lediglich für die Bände von de Coster und Voltaire und für die Geschichte der Manon Lescaut und des Chévalier des Grieux von Abbé Prevost verzeichnet die Ullstein-Chronik eine Auflage von ebenfalls ca. 10 000 Exemplaren. Bei den übrigen Bänden schwankte die Auflage zwischen 3000 und 9000 Exemplaren. Während der Titel der im Insel-Verlag erscheinenden Reihe das Programm weitgehend offen ließ, machte die Propyläen-Reihe einen deutlichen Anspruch auf Kanonisierung geltend. Ihr Bestreben sollte es sein, „das Bezeichnende und Bleibende aus der Literatur“ auszuwählen und in Einzelausgaben zu präsentieren.228 Mit den Werken der Weltliteratur wollte man einen „Kanon der nach den jeweiligen ästhetischen Normen als überzeitlich und allgemeingültig angesehenen literarischen Werke“ zusammenstellen.229 Damit rekurrierte man auf eine bis heute allgemeingültige Begriffsdefinition von „Weltliteratur“230. Die Auswahl der Werke geschah allerdings unter einem rein eurozentrischen Blickwinkel und speiste sich zudem aus den im Rahmen der Gesamtausgaben verfügbaren Werken.

225 Vgl. ebd. 226 Vgl. Buchkunst und Graphik im Verlag Georg Müller, S. 13. 227 Vgl. Sarkowski, Insel-Verlag, S. 118. 228 Verlagsprospekt (Marbach, DLA). 229 Verlagsprospekt (Marbach, DLA). 230 Vgl. z. B. Metzler Literatur Lexikon. Begriffe und Definitionen. Hrsg. von Günther und Irmgard Schweikle. 2., überarb. Aufl. Stuttgart: Metzler 1990, S. 502.

136  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Bis auf das einheitliche Format wurde jeder Band von Steiner-Prag völlig individuell gestaltet. Papier, Typographie, Material und Farbe des Einbandes (vgl. Abb. 13–Abb. 15) – die gesamte Ausstattung sollte auf „den poetischen Charakter“231 des jeweiligen Werkes abgestimmt werden. Auf diese Weise wollte man „auch äußerlich die Stimmung der Zeit und die Eigenart des Autors widerspiegel[n]“232. Um die Verankerung der Werke in ihrer Entstehungszeit zusätzlich deutlich zu machen, wurden die Bände außerdem mit zahlreichen zeitgenössischen Illustrationen ausgestattet. Während im Fall von Chamissos Peter Schlemihls wundersame Geschichte bereits das Titelblatt die beigefügten Holzschnitte von Adolph von Menzel einführt (vgl. Abb. 16), sind zahlreiche andere Titelblätter der Werke der Weltliteratur lediglich mit dem Signet des Propyläen-Verlags verziert (vgl. Abb. 17) oder verzichten vollständig auf Schmuckelemente und strukturieren die Titelseite ausschließlich mithilfe von Linien.

Abb. 13: Werke der Weltliteratur, Buchrücken einzelner Bände

231 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 202, vgl. auch Verlagsprospekt (Marbach, DLA). 232 Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 107.

4.1 Programmbereich Literatur 

Abb. 14: Werke der Weltliteratur, Kopfschnitte einzelner Bände

Abb. 15: Ivan Sergejewitsch Turgenjew, Väter und Söhne, Einband

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138  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 16: Adelbert von Chamisso, Peter Schlemihls wundersame Geschichte, Titelblatt mit Holzschnitt von Adolph Menzel

4.1 Programmbereich Literatur 

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Abb. 17: Ivan Sergejewitsch Turgenjew, Väter und Söhne, Titelblatt mit Signet des PropyläenVerlags

140  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Der Propyläen-Verlag bot die Werke der Weltliteratur in einzelnen Bänden in einer Papp- und/oder einer Halblederausgabe an und stellte zudem Kassetten mit fünf Bänden zusammen, die mit einer bibliophilen Halblederausstattung versehen waren.233 Außerdem erschienen von einigen Bänden, wie z. B. de Costers Hochzeitsreise oder Murgers Bohème, einmalige nummerierte Vorzugsausgaben in einer Auflage von 250 Exemplaren auf Bütten gedruckt und vollständig in Leder gebunden. Auf diese Weise konnte mit den Büchern des Propyläen-Verlags erneut die gesamte Bandbreite einer Käuferschicht zwischen dem bibliophilen Sammler und dem Leser, der lediglich an den Texten einzelner Bände interessiert war, angesprochen werden. Die Pappbände kosteten in der Inflationszeit ihres ersten Erscheinens 30 bis 50 Mark, Halblederbände zwischen 65 und 85 Mark, die Vorzugsausgaben waren für 500 Mark erhältlich.234 Diese Preise wurden von Zeitgenossen als „verhältnismäßig billig“235 beurteilt.236 Das kleine Propyläen-Buch Mit den vorangegangenen literarischen Produktionen hatte der Propyläen-Verlag ausschließlich aus dem bildungsbürgerlichen Kanon geschöpft und auch das Image der Reihe Das kleine Propyläen-Buch wurde weithin durch den „Fundus der Klassik“237 geprägt. Neben Diderot, Dostojewski, Heine, Eichendorff u. v. a. traten im Programm des Propyläen-Verlags jetzt jedoch erstmals auch zeitgenössische Autoren in Erscheinung. Bei deren Auswahl bemühte man sich, berühmte und literarisch anerkannte Autoren mit hohem symbolischem Kapital für den Verlag zu gewinnen, die aufgrund ihres Renommees bereits als „zeitgenössische Klassiker“ bezeichnet werden konnten und insofern als Bindeglied zwischen dem Klassikerprogramm und der zeitgenössischen Literatur fungierten, der sich Propyläen ab 1925 zuwandte. Als ersten hochrangigen Namen findet man im Jahr 1924 Heinrich Mann mit seiner Novellensammlung Abrechnungen in der Reihe Das kleine Propyläen-Buch. Heinrich Mann galt als „literarischer Repräsentant der Republik“238. Sein hohes Engagement in aktuellen politischen und kulturellen Themen zeigte sich vor allem in seiner umfangreichen publizistischen Tätigkeit, der er seine hohe Reputa-

233 Vgl. Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 202. 234 Vgl. ebd. und Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929, S. 25–37 (Frankfurt/M., AdB). 235 Kommentar des Zwiebelfischs zu Rousseaus Bekenntnissen aus dem Verlagsprospekt Urteile der Presse über Werke aus dem Propyläen-Verlag Berlin (Marbach, DLA). 236 Da für die ersten Inflationsjahre der Weimarer Republik keine Daten zum durchschnittlichen Ladenpreis vorliegen, kann an dieser Stelle lediglich auf die zeitgenössische Beurteilung der Preise des Propyläen-Verlags zurückgegriffen werden. 237 Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 107. 238 Renate Werner: Heinrich Mann. Zu seiner Wirkungsgeschichte in Deutschland. In: Heinrich Mann. Texte zu seiner Wirkungsgeschichte in Deutschland. Hrsg. von Renate Werner. München und Tübingen: dtv und Niemeyer 1977, S. 1–51, hier S. 9.

4.1 Programmbereich Literatur 

141

tion und öffentliche Präsenz zwischen den beiden Weltkriegen verdankte239 – zwei Faktoren, die Heinrich Mann zu einem begehrten Autor für den Ullstein-Konzern machten. 1925 trat Arthur Schnitzler im Programm des Propyläen-Verlags auf, der als bedeutendster Vertreter der Wiener Moderne den Höhepunkt seiner schriftstellerischen Karriere bereits vor dem Beginn der Weimarer Republik erreicht hatte und von den Lektoren des Ullstein-Konzerns besonders „umworben“ wurde (vgl. Kap. 5).240 Auch Annette Kolb (1870–1967) und Jakob Schaffner (1875–1944) waren mit je einem Werk in der Reihe Das kleine Propyläen-Buch vertreten.241 Sie zählten ebenfalls zu jener etablierten Schriftstellergeneration, die sich auf dem literarischen Markt bereits einen Namen gemacht hatte. Der Schweizer Jakob Schaffner galt als Künstler „bedeutenden Ranges“ und wurde von „Zeitgenossen als der Romancier begrüßt“, der experimentierfreudig an die Erzählkunst von Gotthelf und Keller anknüpfte.242 Er gehörte zum progressiven Flügel der Schweizerischen Literatur und hatte 1922 mit Johannes. Buch der Kindheit sein literarisches „Meisterwerk“243 präsentiert. Annette Kolb, die 1913 für ihren Erstlingsroman Das Exemplar mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet worden war,244 hatte insbesondere durch ihr politisches Engagement und ihren Kampf für den Frieden während des Ersten Weltkrieges von sich Reden gemacht.245 In den zwanziger Jahren steigerte sich ihr literarischer Ruhm, der ihr, umgeben von einem großen Freundes- und Bekanntenkreis bestehend aus bedeutenden Schriftstellern, Künstlern, Musikern und Politikern der Weimarer Republik, eine angesehene Position im kulturellen Leben Deutschlands verschaffte.246 Als weitere zeitgenössische Autoren waren Walther von Hollander (1892–1973), Carl Zuckmayer und Willy Seidel (1887–1934) oder auch ausländische Autoren wie André Gide (1869–1951) und Maurice Baring (1874–1945) vertreten. Der für die Reihe geplante Band von Else Lasker-Schüler (1869–1945), „zusammengestellt aus Geschichten, Aufsätzen und Gedichten“, über den man bereits einen Vertrag unter

239 Vgl. Werner, Heinrich Mann, S. 15. 240 Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 110. 241 Annette Kolb: Wera Njedin. Erzählungen und Skizzen (1925). Jakob Schaffner: Der Kreiselspieler. Berliner Gestalten und Schicksale (1925) 242 Schweizer Literaturgeschichte. Die deutschsprachige Literatur im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Klaus Pezold. Leipzig: Militzke 2007, S. 83. 243 Lexikon der Schweizer Literaturen. Hrsg. von Pierre-Olivier Walzer. Basel: Lenos 1991, S. 385. 244 Vgl. Richard Lemp: Annette Kolb. Leben und Werk einer Europäerin. Mainz: Hase & Koehler 1970, S. 13. 245 Vgl. ebd., S. 11 und 14 f. 246 Vgl. ebd., S. 17 f. und insgesamt für die Zeit zwischen 1919 und 1933 Armin Strohmeyr: Annette Kolb. Dichterin zwischen den Völkern. München: dtv 2002, S. 127–145.

142  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

dem Titel Der Dudelsackpfeifer mit der Autorin abgeschlossen hatte,247 konnte hingegen nicht realisiert werden.248 Nach Aussage Krells war Lasker-Schüler letztlich ihrem Versprechen nicht nachgekommen, mehr als die zwanzig bei Vertragsabschluss vorliegenden Seiten zu liefern.249 Das kleine Propyläen-Buch erschien in den Jahren 1924 bis 1925 mit insgesamt 27 Bänden, deren Auflage in der Regel ca. 5000 Exemplare betrug. Eine Ausnahme bildete Die Frau des Richters von Arthur Schnitzler. Die Novelle konnte aufgrund ihres Vorabdrucks in der Vossischen Zeitung eine Auflage von 10 063 Exemplaren erreichen.250 Im Vergleich zum Ullstein Buchverlag waren die Auflagenzahlen der Propyläen-Reihen um einiges geringer. Obwohl z. B. Heinrich Manns Novellensammlung Abrechnungen als Kleines Propyläen-Buch immerhin in zwei Auflagen251 von insgesamt über 15 000 Exemplaren erschien, wurde sie von der Neuauflage des Professor Unrat in der Reihe das Gelbe Ullstein-Buch mit einer Auflage von über 100 000 Exemplaren bei weitem übertroffen.252 Die Herausgabe der Reihe Das kleine Propyläen-Buch muss im Zusammenhang mit der „explosionsartige[n], […] durch den Erfolg der Insel-Bücherei beeinflußte[n] Vermehrung des Reihenbuchs“253 zu Beginn der Weimarer Republik gesehen werden. Ullstein hatte zwar bereits vor dem Ersten Weltkrieg seine Buchpublikationen in Reihen herausgegeben, diese wurden jedoch dem billigen und qualitativ minderwertigen Massenbuch zugerechnet. Nun aber erschienen zahlreiche neue Bücherreihen auf dem Markt, die besonderen Wert auf eine sorgfältige Herstellung und Ausstattung der Bände legten,254 wie z. B. die Europäische Bibliothek des Rascher-Verlags, Die Einsiedelei des Musarion-Verlags, die Mosaik-Bücher des Mosaik-Verlags oder auch die nach dem Krieg in ihrer Ausstattung durch Walter Tiemann modernisierte Liebhaberbibliothek von Kiepenheuer.255 In diesem Konkurrenzfeld positionierte sich nun der Propyläen-Verlag mit der Reihe Das kleine Propyläen-Buch, die vor allem den Sektor des Geschenkbuches bedienen sollte und als „Das billige bibliophile Buch für anspruchsvolle Leser“256 beworben wurde. Damit reagierte man auch bei Propyläen auf die Forderungen der Bibliophilen (s. o.) nach dem erschwinglichen, aber dennoch sorgfältig hergestellten, „schönen“ Buch.

247 Verlagsvertrag mit Else Lasker-Schüler vom 3.6.1925 (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). 248 Vgl. hierzu auch Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 110. 249 Vgl. Krell, Das alles gab es einmal, S. 210–213. 250 Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). Vgl. Abschn. 5.2.4. 251 S. u. 252 Vgl. Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 107. 253 Haefs, Wilhelm: Ästhetische Aspekte des Gebrauchsbuchs in der Weimarer Republik. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 6 (1996), S. 353–382, hier S. 355. 254 Vgl. Haefs, Ästhetische Aspekte, S. 355. 255 Vgl. ebd. 256 Anzeige des Propyläen-Verlags im Querschnitt, März 1925.

4.1 Programmbereich Literatur 

143

Die Reihe zeichnete sich durch ein einheitliches Format, eine einheitliche Einbandgestaltung und einen einheitlich festgelegten Preis aus, der im Jahr 1925 pro Band (in Leinen) 2,50 Mark, im Jahr 1929 dann nur noch 2,20 Mark betrug.257 Das klassische Oktav-Format der Reihe entsprach dem favorisierten Buchformat der Zeit, dessen Anteil an der Gesamtproduktion im Jahr 1926 bei 36 Prozent lag.258 Auch die Preisgestaltung des Kleinen Propyläen-Buchs stimmte mit den marktüblichen Werten überein, denn im Jahr 1926 waren 61 Prozent aller Veröffentlichungen für einen Preis von bis zu 3 Mark erhältlich.259 Im Jahr 1927 wurde die Reihe „mit fünf Bänden wieder aufgenommen“260. Neben einer Neuauflage der Abrechnungen von Heinrich Mann erschienen die Bände Karl und Anna von Leonhard Frank (1882–1962), Ein Bauer aus dem Taunus von Carl Zuckmayer, Alarm im Jenseits von Willy Seidel und Das singende Knöchlein von Hertha von Gebhardt (1896–1978). Die Erstauflage dieser zeitgenössischen Novellen war mit jeweils 10 000 Exemplaren doppelt so hoch wie ursprünglich für die Reihe üblich. Franks Karl und Anna konnte gar eine Auflage von 40 000 Exemplaren erreichen.261 Außerdem wiesen die Bände eine schlichtere und weniger farbenfrohe Ausstattung auf und entsprachen damit der Entwicklung des Verlags, der nach 1925 zwar immer noch Bücher in guter Qualität auf den Markt brachte, sich jedoch nicht mehr in der „Herstellung bibliophiler Werke im engeren Sinne engagierte“262. Die Kleinen Propyläen-Bücher der Jahre 1924 und 1925 waren in einer Leinenund einer Satinausgabe erhältlich. Die Gestaltung der Leinenausgabe bestach besonders durch ihre farbliche Gestaltung. Für Einband, Vorsatzpapier und Schnitt wurden verschiedene Farben aus einer festgelegten Farbpalette verwendet, die bei den einzelnen Bänden unterschiedlich kombiniert wurden.

257 Vgl. Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929, S. 45 (Frankfurt/M., AdB). 258 Vgl. Kastner, Buchverlag der Weimarer Republik, S. 46. 259 Vgl. ebd., S. 49. 260 Neue Novellenbücher aus dem Propyläen-Verlag. In: Der Querschnitt 7 (1927), Heft 2, S. 532. 261 Diese Auflage ist nicht in der Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) verzeichnet, geht aber aus den Angaben zu den im KVK verzeichneten Ausgaben hervor. 262 Laabs, und erhoffe mir, S. 173.

144  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 18: Anselm Feuerbach, Ein Vermächtnis, grüner Leineneinband

4.1 Programmbereich Literatur

Abb. 19: Willy Seidel, Die ewige Wiederkunft, gelber Leineneinband

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146  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 20: Das kleine Propyläen-Buch, Vorsatzpapiere

4.1 Programmbereich Literatur 

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So findet man beispielsweise bei Anselm Feuerbachs Ein Vermächtnis einen grünen Leineneinband (vgl. Abb. 18), pinkes Vorsatzpapier (vgl. Abb. 20) und einen gelb eingefärbten Schnitt. Als weiteres Beispiel kann Willy Seidels Die ewige Wiederkunft angeführt werden. Für den Einband verwendete man die Farbe Gelb (vgl. Abb. 19), der Schnitt war pink gefärbt, das Vorsatzpapier blau (vgl. Abb. 20). Alle Bände tragen ein von Hugo Steiner-Prag für die Reihe entworfenes Signet, das in den Buchdeckel mit Gold geprägte wurde (vgl. Abb. 18 und Abb. 19). Es handelt sich dabei um eine blumenumrankte Abwandlung des ursprünglichen Verlagssignets.

4.1.4 Einzelausgaben Ergänzt wurde das Programm in den ersten Jahren durch Einzelausgaben, die teilweise ebenfalls aus dem von Georg Müller übernommenen Bestand stammten, wie z. B. den fünfbändigen Decamerone von Giovanni di Boccaccio oder auch die Phantasien im Bremer Ratskeller von Wilhelm Hauff, die mit Zeichnungen von Alfred Kubin versehen waren. Hinzu kamen eigene Produktionen mit den thematischen Schwerpunkten „Lebensbilder und Briefe“ (z. B. mit einer dreibändigen Heine-Briefausgabe, herausgegeben von Friedrich Hirth (1878–1952)263, einer Sammlung der Werke und Briefe Schleiermachers und einem Werk über Friedrich Hebbel) und „Märchen und Sagen“, bei denen die Brüder Grimm, Ludwig Tiecks Märchen und Geschichten und weitere Volksmärchen der Deutschen nicht fehlen durften. Die Auflage dieser Einzelausgaben lag meist zwischen 2000 und 6000 Exemplaren. Von Ludwig Fulda erschienen zwei von ihm übertragene und zusammengestellte Anthologien: Das Buch der Epigramme, eine Sammlung deutscher Sinngedichte aus vier Jahrhunderten (1920), und Die gepuderte Muse (1922), die Verserzählungen des französischen Rokoko enthält und „mit 40 Tafeln nach zeitgenössischen Kupfern und zahlreichen Schmuckstücken“264 ausgestattet war. Das Buch der Epigramme erschien in einer Auflage von 6016 Exemplaren, für Die gepuderte Muse verzeichnet die Ullstein-Chronik 9000 Exemplare. Die vergleichsweise hohen Auflagenzahlen spiegeln Fuldas Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad als Bühnenschriftsteller zu Be-

263 Die von Georg Müller übernommenen zwei Bände der Heine-Briefausgabe wurden im Jahr 1920 mit einem dritten Band vervollständigt. Vgl. zu Hirth: Friedrich Hirth. In: Internationales Germanistenlexikon. Bd. 2. Hrsg. u. eingel. von Christoph König, bearbeitet von Birgit Wägenbaur. Berlin: de Gruyter 2003, S. 757–759. Der Heine-Forscher war frühzeitig nach Frankreich emigriert und hatte die französische Staatsbürgerschaft angenommen. Er setzte sich intensiv auch mit Heines Zeit in Paris auseinander und wurde aufgrund seiner komparatistischen Forschung 1946 als erster deutscher Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an die Universität Mainz berufen. 264 Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929, S. 23 (Frankfurt/Main, AdB). Vgl. auch den Brief von Emil Herz an Ludwig Fulda am 3.11.1922 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.), in dem Herz das Buch selbst „als ein Schmuckstück des Propyläen-Verlags“ bezeichnet.

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ginn der Weimarer Republik wieder. Seine größten Erfolge hatte Fulda um die Jahrhundertwende gefeiert, neben vielen anderen Preisen wurde ihm 1933 der Wiener Burgtheaterring für den meistgespielten, lebenden Autor verliehen.265 Darüber hinaus bekleidete Fulda zahlreiche Ämter, so war er z. B. Mitbegründer und 20 Jahre lang Vorsitzender des Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller, Mitbegründer der deutschen Gruppe des PEN-Clubs und einige Jahre lang ihr Vorsitzender und schließlich ab 1926 Mitglied der Preußischen Akademie der Künste und Vorsitzender der Sektion für Dichtkunst. Besondere Anerkennung wurde ihm auch als Übersetzer zuteil, vor allem für die von ihm übertragenen Werke Molières, die ab 1901 bei Cotta erschienen waren. Aber auch Die Meisterlustspiele der Spanier (1925), die Fulda für den Propyläen-Verlag ins Deutsche übersetzt hatte und deren Bühnenvertrieb der Arcadia-Verlag übernahm,266 finden in diesem Zusammenhang Erwähnung in seiner Biographie.267 Fulda bewegte sich in Berlin im Kreise der „Freien Bühne“, er war befreundet mit Samuel Fischer und Arthur Schnitzler268 und hatte mit Julius Elias an der bei S. Fischer ab 1898 erschienenen Gesamtausgabe der Werke Henrik Ibsens mitgearbeitet. Ein großer Teil der Propyläen-Einzelausgaben bestand aus Werken, die bereits in den Gesamtausgaben erschienen waren. Diese bildeten nicht nur im Hinblick auf das symbolische Kapital das Fundament des Verlags, sondern auch in Bezug auf eine intensive und äußerst systematisch betriebene Mehrfachverwertung. Alle Werke, die einen erfolgreichen Absatz auch als Einzelausgabe bzw. im Rahmen der Reihen versprachen, wurden aus den Gesamtausgaben herausgelöst und mehrfach verwertet. Als Beispiele lassen sich die Gedichte Eichendorffs nennen, die schon als Band 1 und 2 der Gesammelten Werke erschienen waren, ebenfalls Gogols Die toten Seelen, Band 3 der Sämtlichen Werke, oder auch Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, der Bestandteil der Bettina von Arnim-Ausgabe war. Darüber hinaus waren bei den Einzelausgaben vor allem jene Autoren vertreten, die mit ihren Werken in die Reihen des Verlags aufgenommen worden waren. So findet man Eichendorff und Gogol bei den Kleinen Propyläen-Büchern, Heinrich von Kleist mit der Marquise von O. als Einzelwerk und mit Michael Kohlhaas in den Werken der Weltliteratur oder Dostojewski als Einzelwerk mit Der Idiot und mit zwei anderen Werken in den Werken der Weltliteratur und dem Kleinen Propyläen-Buch.

265 Vgl. Ludwig Fulda. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 8: Frie–Gers. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur: München 2000, S. 279–301, hier S. 279. 266 Vgl. Wilhelm Gronle an Arcadia Verlag am 30.9.1924 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 267 Vgl. Fritz Martini: Fulda, Ludwig Anton Salomon. In: NDB 5 (1961), S. 727 f. 268 Vgl. Holger Dauer: Ludwig Fulda, Erfolgsschriftsteller. Eine mentalitätsgeschichtlich orientierte Interpretation populärdramatischer Texte (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. 62). Niemeyer: Tübingen 1998, S. 44–46.

4.2 Programmbereich Kunst

 149

Der Propyläen-Verlag setzte mit seinem literarischen Programm der ersten Jahre auf eine möglichst starke Marktdurchdringung, die durch die intensive Mehrfachverwertung der Texte und die Produktion unterschiedlich ausgestatteter Ausgaben erreicht werden sollte. So konnte sowohl die Anzahl der zu erreichenden Käufer pro Text erhöht als auch der unterschiedliche Bedarf eines einzelnen Käufers innerhalb seines Interessengebietes (Leseausgabe, illustrierte Ausgabe, Geschenkbuch, dazu passende Biographie etc.) abgedeckt werden, womit eine stärkere Kundenbindung erreicht wurde. Von Vorteil für Kalkulation und Preisgestaltung war die Tatsache, dass im Programmbereich bis 1925 keine Autorenhonorare gezahlt werden mussten, da alle Texte aufgrund der abgelaufenen Schutzfrist für den Verlag kostengünstig und frei verfügbar waren, was sich wiederum positiv auf die Gesamtkalkulation des Unternehmens Ullstein auswirken sollte.

4.2 Programmbereich Kunst 4.2.1 Kunstmarkt, Kunstbuch und Konkurrenzsituation Das Propyläen-Kunstprogramm war durch die grundlegende Einwirkung von Julius Elias und seinen weitreichenden Kontakten eng mit der Berliner Kunstszene verbunden. Neben Künstlern wie Max Slevogt, Lovis Corinth und Max Liebermann konnten einflussreiche Museumsdirektoren wie Wilhelm von Bode (1845–1929) und Max J. Friedländer (1867–1958), Kunsthistoriker der Berliner Universität wie Werner Weisbach (1873–1953) und Gerhard Rodenwaldt (1886–1945) und in Berlin ansässige Kunstschriftsteller wie Max Osborn (1870–1946) und Carl Einstein (1885–1940) zur Mitarbeit gewonnen werden. Es wurden in Berlin nicht nur die meisten Autoren rekrutiert, gleichzeitig war die Stadt auch der wichtigste Absatzmarkt für die Kunstpublikationen des Verlags, denn in Berlin hatte sich in den zwanziger Jahren „das Kunstleben und der Kunsthandel“ Deutschlands „fast ganz zusammengefunden“.269 Die Hauptstadt war seit der Jahrhundertwende zur führenden Kunstmetropole Deutschlands geworden. 270 Bis in die 1890er Jahre hatte in Berlin die „offizielle Kunst“ vorgeherrscht, die von der königlichen Kunstakademie propagiert und von der Landeskunstkommission unterstützt worden war. Unter der Führung Anton von Werners unterdrückten die arrivierten Künstler die Förderung junger, moderner Kunst. Nur selten wurden zeitgenössische Künstler zu den Akademieausstellungen zugelassen. Ankäufe ihrer

269 Otto Ernst Hesse: Berlin als geistiges Zentrum. In: Der Verlag Ullstein zum Welt-Reklame-Kongress. Berlin: Ullstein 1929, S. 49–56, hier S. 51. 270 Vgl. zum Kunstmarkt und Kunsthandel in Berlin seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933: Enderlein, Berliner Kunsthandel.

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Werke durch die Nationalgalerie wurden von der Landeskunstkommission weitestgehend verhindert. Die Entwicklung Berlins, das seit seiner Erhebung zur Reichshauptstadt im Jahre 1871 einen ausgesprochenen ökonomischen Aufschwung verzeichnen konnte, wurde damit im kulturell-künstlerischen Bereich stark behindert. München konnte seine Stellung als „unbestrittenes künstlerisches Zentrum Deutschlands“ zunächst weiterhin behaupten.271 Einen entscheidenden Wendepunkt brachte die Gründung der Berliner Sezession im Jahr 1898.272 Bereits in den Jahren zuvor hatte es zahlreiche sezessionistische Abspaltungen innerhalb der Berliner Künstlerschaft gegeben. Die jüngeren Künstler traten in Opposition zu den überkommenen Kunstidealen des Deutschen Reiches und ihren Verfechtern. Sie forderten stärkere Anerkennung und bessere Präsentationsmöglichkeiten, die ihnen im Rahmen der offiziellen Akademieausstellungen verwehrt blieben. Die Gründung verschiedener Künstlervereinigungen mit autonomen Ausstellungsambitionen bereicherte die kulturelle Landschaft der Stadt Berlin und förderte ihren Aufstieg. Trotz allem hatten die Künstler nach wie vor mit mangelnder Akzeptanz der neueren Kunstströmungen zu kämpfen. So kam es nach weiteren Auseinandersetzungen, wie der Schließung der vom „Verein Berliner Künstler“ initiierten Munch-Ausstellung, der umstrittenen Auswahl von Kunstwerken für die Pariser Weltausstellung unter dem Einfluss Anton von Werners und schließlich der Ablehnung eines Bildes von Walter Leistikow für die große Berliner Kunstausstellung, unter dessen Initiative zu einem Zusammenschluss der wichtigsten modernen deutschen Künstler.273 Als Präsidenten konnte der Vorstand der Berliner Sezession Max Liebermann gewinnen, dessen Bekanntheit und Prestige die Anerkennung des Künstlervereins zusätzlich beförderten.274 Unter seiner Führung wurde die Sezession zum wichtigsten Organ innerhalb der deutschen Kunstszene. Man distanzierte sich nun entschlossen vom offiziellen Ausstellungsbetrieb und strebte ein „freies, demokratisches Forum an“, das zeitgenössische Kunst gleich welcher Ausprägung fördern und im Rahmen der regelmäßigen Ausstellungen entsprechende Vermittlungsarbeit leisten wollte.275 Dass Berlin nun München den Rang als kulturelles Zentrum Deutschlands ablaufen und zum „bedeutendsten Markt nach Paris“ werden würde, war aber vor allem auch den starken Impulsen des Kunstmarktes zu verdanken.276 Als Vorreiter im Bereich der zeitgenössischen Kunst kann Fritz Gurlitt (1854–1893) gelten, der seinen

271 Achenbach/Eberle, Max Liebermann in seiner Zeit, S. 72. 272 Vgl. Imiela, Rezeption des deutschen Impressionismus, S. 77. 273 Vgl. hierzu insgesamt Achenbach/Eberle, Max Liebermann in seiner Zeit, S. 76–80. 274 Vgl. Imiela, Rezeption des deutschen Impressionismus, S. 74. Vgl. auch Abschn. 3.2.6. 275 Achenbach/Eberle, Max Liebermann in seiner Zeit, S. 80 f. 276 A. Lichtwark, Briefe an die Komission für die Verwaltung der Kunsthalle. Hrsg. von Gustav Pauli. Bd. I. Hamburg 1923, S. 362, zitiert in: Achenbach/Eberle, Max Liebermann in seiner Zeit, S. 80.

4.2 Programmbereich Kunst

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Kunstsalon 1880 in Berlin gegründet hatte. Er setzte sich besonders für die deutschen Modernisten wie Liebermann, Leibl und Uhde ein und stellte 1883 als erste Berliner Galerie Werke führender französischer Impressionisten aus. Es folgten weitere Galeriegründungen, wie die von Amsler & Ruthardt und Hollstein & Puppel, die sich auf den Bereich Graphik spezialisiert hatten. Bereits in anderen Städten etablierte Galerien errichteten Niederlassungen in der Hauptstadt und verlegten schließlich ihren Hauptsitz dorthin, wie beispielsweise Alfred Flechtheim (1887– 1937) oder Paul und Bruno Cassirer (1872–1941), die wiederum namhafte Künstler wie Lovis Corinth und Max Slevogt von München nach Berlin holten.277 Im Bereich des künstlerischen Antiquariats sind Max Perl und Paul Graupe (1881–1953) hervorzuheben, die mit ihren ab Mitte der 1910er Jahre durchgeführten Buchauktionen vor allem die Buchliebhaber ansprachen, aber auch eine wichtige Anlaufstelle für alle Graphikinteressierten waren. Bis Mitte der zwanziger Jahre hatte sich der Berliner Kunsthandel in eine Vielzahl unterschiedlich spezialisierter Auktionshäuser und Galerien ausdifferenziert, deren Auktionen und Ausstellungen ein nationales und internationales Publikum anzogen. Zusammen mit dem Kunstinteresse war auch die Zahl der Berliner Privatsammlungen seit den 1880er Jahren rasch angestiegen. Inhaltlich konzentrierten sich die meisten Sammlungen auf die ältere Kunst. Einen besonderen Schwerpunkt nahmen die italienische Renaissance und die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts ein.278 Die Kunstsammlungen erfüllten für die Sammler, die in großen Teilen aus dem Bürgertum stammten, zwei wichtige Funktionen. An erster Stelle stand die Repräsentation. Ursprungsgedanke und Ziel des Sammelns war die standesgemäße Dekoration und Ausstattung der Wohnhäuser, die als Ausstellungsorte inszeniert wurden.279 Nicht selten führten die Sammler auch einen Salon, in dem die wichtigsten Persönlichkeiten des kulturellen Lebens ein- und ausgingen. Neben der Repräsentation diente der Besitz von Kunst als Geldanlage. Kunst wurde zum Spekulationsobjekt. Besonders nach der Jahrhundertwende stiegen die Preise speziell für alte Kunst an und erreichten aufgrund der hohen ausländischen Nachfrage zum Ende des Ersten Weltkrieges hin Rekordsummen. Durch erfolgreiche Versteigerungen zahlreicher hochwertiger Sammlungen, wie z. B. der Altmeistersammlung des Hamburger Patriziers Eduard Weber durch das Auktionshaus Lepke im Jahr 1912 oder der „legendären Impressionistensammlung“ des Bankiers Julius Stern durch Paul Cassirer im Jahr 1916, festigte der Berliner Kunstmarkt „seinen Status als Kunstmarkt von Weltrang“.280 Damit wuchs auch der Einfluss der Sammler, die nicht nur

277 Zu Paul und Bruno Cassirer als Konkurrenten des Propyläen-Verlags, s. u. 278 Vgl. Enderlein, Berliner Kunsthandel, S. 23. Vgl. Abschn. 4.2.4 für detailliertere Ausführungen im Zusammenhang mit der Propyläen-Kunstgeschichte. 279 Vgl. Gaehtgens, Wilhelm von Bode und seine Sammler, S. 160; Enderlein, Berliner Kunsthandel, S. 23. 280 Enderlein, Berliner Kunsthandel, S. 33 f.

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als wichtigster Partner der Kunsthandlungen den entscheidenden ökonomischen Antrieb des Kunstmarktes sicherten, sondern darüber hinaus als Mäzene sowohl die Künstler selbst förderten als auch die Museen unterstützten. Die Berliner Museen, durch deren komplexartigen Zusammenschluss unter der Leitung Wilhelm von Bodes die Spreeinsel in Berlins Mitte zur „Museumsinsel“ geworden war, trugen zu Berlins internationalem Ruf als Kunststadt bei. Ihr Renommee hatten die Häuser, allen voran die Gemälde- und die Nationalgalerie, der intelligenten Ankaufspolitik ihrer Direktoren und den guten Beziehungen zu den Berliner Kunstsammlern zu verdanken. Bode hatte in seiner langjährigen Tätigkeit als Museumsdirektor der Berliner Museen systematisch einen Kreis von Sammlern um sich herum etabliert, die er beim Aufbau ihrer Sammlungen durch wissenschaftliche Expertisen, Gutachten, Erstellung von Katalogen und allgemeine Beratung, z. B. zur Aufstellung und Präsentation der Kunstwerke, unterstützt hatte. Dem Bedürfnis der Sammler, ihren Kunstbesitz auch nach außen hin ausreichend präsentiert zu wissen, kam Bode durch entsprechende Ausstellungen entgegen, in denen er ab 1883 die berühmtesten Kunstwerke aus privaten Sammlungen zeigte und damit gleichzeitig den Ehrgeiz zu weiteren Käufen anregte. Als Gegenleistung konnte er auf finanziellen Beistand, Leihgaben und Stiftungen der Sammler zählen, die auch dadurch zu einflussreichen Akteuren des Kunstmarktes wurden. 281 Wo Bode besonders als Ratgeber im Bereich der älteren Kunst hochgeschätzt war, beschritten Hugo von Tschudi282, Direktor der Nationalgalerie, und vor allem sein Nachfolger Ludwig Justi den Weg in Richtung der modernen Kunst. Der bereits während des Krieges zu verzeichnende Anstieg der Preise für alte Kunst stand den gemäßigteren Preisen für zeitgenössische Kunst gegenüber. Da die Museen besonders in den Inflationsjahren nach dem Ersten Weltkrieg mit finanziellen Schwierigkeiten und damit verbundenen erheblichen Kürzungen der Ankaufsbudgets zu kämpfen hatten, wirkten sich diese Krisenjahre positiv auf die Entstehung der zeitgenössischen Sammlungen aus. Die Museen erwarben schwerpunktmäßig moderne deutsche Kunst, die zu günstigeren Preisen zu haben war, da (vor allem im Ausland) noch keine allzu große Nachfrage herrschte.283 Um die kontinuierliche Qualität von Sammlungen und Ausstellungen sicherstellen zu können, waren die Museumsdirektoren darüber hinaus zusätzlich auf externe Hilfe angewiesen. Dabei setzte man weiterhin erfolgreich auf die Zusammenarbeit mit den Berliner Sammlern, die allerdings teilweise selbst mit dem Währungsverfall zu kämpfen hatten und ihre Kunstwerke nicht als Stiftung ins Museum geben konnten, sondern auf dem Markt

281 Vgl. hierzu insgesamt Gaehtgens, Wilhelm von Bode und seine Sammler. 282 Vgl. zu Tschudi: von Hohenzollern/Schuster, Hugo von Tschudi. 283 Vgl. Vernon L. Lidtke: Museen und die zeitgenössische Kunst in der Weimarer Republik. In: Sammler, Stifter und Museen. Kunstförderung in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Ekkehard Mai und Peter Paret unter Mitw. von Ingrid Severin. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1993, S. 215–238, hier S. 221.

4.2 Programmbereich Kunst



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verkaufen mussten.284 So waren größere Schenkungen an öffentliche Museen, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg häufiger geschehen waren, in den zwanziger Jahren eher selten.285 Dennoch sollte es Justi mit Unterstützung der Privatsammler und des „Vereins der Freunde der Nationalgalerie“ gelingen, eine „einmalige Sammlung moderner Kunst“ für das von ihm 1918 eröffnete Kronprinzen-Palais zusammenzutragen.286 Aufgrund der zunehmenden Geldentwertung zu Beginn der zwanziger Jahre verstärkte sich die Anlage in Sachwerte, was sich besonders im Kunsthandel bemerkbar machte. Wie Karl Scheffler in seinen Erinnerungen bemerkte, erzeugte „die Geldentwertung künstlich eine Haussestimmung“, die „dem Konjunkturrittertum zustatten kam. Die Kunsthändler verkauften alles, was sie auf Lager hatten oder was im Eiltempo in jeder Sommersaison gemalt wurde.“287 Mit zunehmender Nachfrage der Sammler stiegen am Berliner Kunstmarkt vor allem die Preise für hochwertige Graphik. Sie galt als „relativ sichere Kapitalanlage“288 und kostengünstige Alternative zum Gemälde. Denn während Gemälde oder Handzeichnungen arrivierter Maler wie Liebermann, Slevogt und Corinth für viele bereits unerschwinglich geworden waren, konnte man ihre Druckgraphik noch zu einem deutlich günstigeren Preis erwerben und die Wahrscheinlichkeit der Wertsteigerung war hoch. Den Künstlern bot sich damit wiederum die Möglichkeit, auch weniger gut situierte Bevölkerungsschichten zu erreichen.289 Kunstverlage im Konkurrenzfeld des Propyläen-Verlags Die Galeristen nutzten die hervorragenden Absatzmöglichkeiten und gründeten eigene Verlage, in denen sie in Zusammenarbeit mit den Künstlern Graphikmappen und Kunstbücher von hoher Qualität herausgaben. Bereits vor der Jahrhundertwende waren die Verlage von Amsler & Ruthardt (1860) und Paul und Bruno Cassirer (1898) gegründet worden. Bis 1920 folgten Herwarth Walden (1910), Fritz Gurlitt (1918), Karl Nierendorf (1920) und Alfred Flechtheim (1913). Zu den engsten Konkurrenten zählten aus diesem Bereich neben Fritz Gurlitt, der der Hauptverleger Lovis Corinths werden sollte (s. u.), vor allem die Verlage von Paul und Bruno Cassirer. Deren Programmschwerpunkt lag wie bei Propyläen ebenfalls auf der Berliner Sezession und dem Impressionismus. Dank der Zusammenarbeit mit Elias, der zuvor

284 So z. B. Paul Davidsohn, der seine Kupferstichsammlung, die damals größte in deutschem Besitz, 1920–1921 aufgrund wirtschaftlicher Nöte verkaufen musste. Vgl. Enderlein, Berliner Kunsthandel, S. 25. 285 Vgl. Lidtke, Museen und die zeitgenössische Kunst, S. 222. 286 Enderlein, Berliner Kunsthandel, S. 19. 287 Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre, S. 216. 288 Enderlein, Berliner Kunsthandel, S. 45. 289 Vgl. hierzu in Bezug auf Liebermann: Achenbach, Die Rolle Max Liebermanns, S. 68.

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für Paul Cassirer tätig gewesen war, gelang es dem Propyläen-Verlag, nun unmittelbar mit den Cassirers um die entsprechenden Künstler und Autoren zu konkurrieren.290 Bruno Cassirer hatte nach der Trennung (1901) des gemeinsam gegründeten Kunstsalons mit angegliedertem Buch- und Kunstverlag den Buchverlag weitergeführt, in dem er das literarische Programm fortsetzte und sich weiterhin der Kunst, seiner „leidenschaftlichen Liebe“291, widmete. Es gelang ihm, die bestehenden Kontakte zu Museumsdirektoren und Kunsthistorikern, wie Wilhelm von Bode, Max J. Friedländer oder Alfred Lichtwark, fruchtbar weiterzuführen und mit vortrefflichen kunstwissenschaftlichen Publikationen, wie z. B. der Reihe Die Kunst des Ostens (1920–1925), hervorzutreten. Einen weiteren Programmschwerpunkt stellten die Künstlerzeugnisse dar, in denen die Künstler selbst – wie auch für die von Bruno Cassirer herausgegebene Zeitschrift Kunst und Künstler292 – als Autoren gewonnen werden konnten. Im Bereich der originalgraphisch illustrierten Werke avancierte Bruno Cassirer zum wichtigsten Initiator und Förderer der impressionistischen Buchillustration.293 Von Liebermann und Slevogt entstanden bei Bruno Cassirer bereits vor dem Ersten Weltkrieg originalgraphische Mappenwerke in kleinen Ausgaben.294 Von allen Künstlern war Slevogt dem Verlag und damit dem Verleger am engsten verbunden. Er wurde von Bruno Cassirer in seinem „illustrativen und dekorativen Talent“ gefördert und als Illustrator gezielt aufgebaut.295 Man kann davon ausgehen, dass sich Slevogts Ruhm als Buchillustrator vor allem auf die bei Bruno und Paul Cassirer entstandenen Werke gründete. Bruno Cassirer brachte sich persönlich sehr stark in den Realisierungsprozess der Ausgaben ein und nahm damit unmittelbaren Einfluss auf die Gestalt der Werke Slevogts.296 Er fühlte sich für das Werk Slevogts und für dessen Verbreitung und Ansehen insgesamt verantwortlich. Dies äußerte sich auch in einem streitbaren Engagement gegenüber der Konkurrenz, wie der Propyläen-Verlag in einer Auseinandersetzung um das Werk Der Waldläufer feststellen musste (s. u.). Neben Slevogt und Liebermann sind als weitere Künstler des Bruno Cassirer Verlags u. a. Karl Walser, Lovis Corinth und Hans Meid zu nennen.297

290 Vgl. Lang, Impressionismus und Buchkunst, S. 497. 291 Peters, Kunstverlage, S. 497. 292 Vgl. Abschn. 7.1. 293 Vgl. Lang, Impressionismus und Buchkunst, S. 72, der davon ausgeht, dass, bezogen auf die impressionistisch illustrierten Bücher, „kein anderer Verleger […] so qualitativ außerordentliche Bücher“ verlegte wie Bruno Cassirer. 294 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 499. 295 Achenbach, Die Rolle Max Liebermanns, S. 62. 296 Ebd., S. 64. 297 Achenbach, Die Rolle Max Liebermanns, S. 62.

4.2 Programmbereich Kunst 

155

Paul Cassirer hatte die Kunsthandlung zu hohem Ansehen geführt und war mit seinen vielbeachteten Ausstellungen, seinem kompromisslosen Eintreten für die Moderne und seinem Engagement in der Berliner Sezession zu einer Schlüsselfigur des Berliner Kunstlebens geworden. Er pflegte Kontakte zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstlern. Edvard Munch, Paul Cézanne und Vincent van Gogh wurden durch Paul Cassirer in Deutschland erst bekannt. Nach Ablauf der vereinbarten Sperrfrist im Jahr 1908 gründete auch er erneut einen Buchverlag, den er in enger Konkurrenz zu seinem Vetter betrieb. Die Programme der beiden Verlage wiesen deutliche Parallelen auf, ergänzten sich aber auch.298 Paul Cassirer gelang es wie seinem Vetter, sich nicht nur mit Kunstliteratur, sondern auch mit kunstwissenschaftlicher Literatur einen Namen zu machen. Neben der Herausgabe von fünf Bänden mit Handzeichnungen, denen u. a. die Werke Tizians (1924) oder venezianische Zeichnungen der Hochrenaissance (1925) zugrunde lagen, ist die Kunstgeschichte von Max Deris zur Malerei des 19. Jahrhunderts zu nennen299 oder auch die anspruchsvolle 14-bändige Reihe über Die Altniederländische Malerei, die von Max J. Friedländer ab 1924 herausgegeben wurde.300 Diese Werke sind in ihrem Anspruch, ihrer hochwertigen Ausstattung und ihrer reichen Illustration vergleichbar sowohl mit den Propyläen-Bänden der Reihe Die führenden Meister, in der beispielsweise Wilhelm Bodes Werk über Sandro Botticelli und Friedländers Monographie über Pieter Brueghel erschienen,301 als auch mit den Bänden der Propyläen-Kunstgeschichte. Dem hohen Anspruch Bruno Cassirers im Bereich der Buchillustration begegnete Paul Cassirer mit der Gründung der Pan-Presse. Von 1909 bis 1921 erschienen dort 21 illustrierte, auf der Handpresse gedruckte Bücher und Mappenwerke wichtiger zeitgenössischer Künstler. Ihnen wollte der Kunsthändler mit der PanPresse eine „Gelegenheit […] geben, sich in der Technik auszudrücken, die ihrem Talent und Temperament adäquat ist“.302 Neben Liebermann, Slevogt und Corinth waren unter anderen Ludwig Meidner (1884–1966), Max Beckmann (1884–1950), Max Pechstein (1881–1955), Marcus Behmer (1879–1958), Käthe Kollwitz (1867–1945) und Ernst Barlach (1870–1938) im Verlag vertreten. Ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte sich vor allem zu Liebermann, mit dem Cassirer ähnliche kunstpolitische Interessen verbanden und der zu einem engen Vertrauten des Kunsthändlers werden sollte.

298 Vgl. Caspers, Paul Cassirer und die Pan-Presse, S. 13 f. und Achenbach, Die Rolle Max Liebermanns, S.61 f. 299 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 474. 300 Vgl. ebd., S. 501. 301 Vgl. Abschn. 4.2.3. 302 Zitiert nach DraufSichten. Buchkunst aus deutschen Handpressen und Verlagen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Hrsg. von Eduard Isphording. Leipzig: Faber & Faber 2005, S. 49.

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Die Verlagsgründungen im Bereich des Kunstverlags waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur im unmittelbaren Umfeld der Kunstgalerien zahlreich.303 Weitere Konkurrenten des Propyläen-Verlags finden sich auch unter den literarischen Verlagen, von denen sich einige auf den Gebieten der Originalgraphik und der Reproduktion um eine erstklassige Illustrierung und Ausstattung ihrer Werke verdient machten. Erwähnt werden sollen hier der Kurt Wolff Verlag, der in den Jahren 1924 bis 1926 die hoch gelobten Bände zur deutschen Plastik herausgab, die als beispielhafte Illustrierung kunsthistorischer Fachliteratur angesehen wurden,304 und auch der 1904 gegründete Piper Verlag. Dieser agierte zwar größtenteils in München und stand unter dem besonderen Einfluss von Julius Meier-Graefe und dessen Veröffentlichungen.305 Eine deutliche Konkurrenz zu Propyläen bestand jedoch durch die zahlreichen Veröffentlichungen der 1917 gegründeten Marées-Gesellschaft. Diese war von Piper und Meier-Graefe als „Basis“ für die Realisation von kunstwissenschaftlichen Veröffentlichungen, Mappenwerken und bibliophilen Ausgaben gegründet worden.306 Die Mitglieder der Gesellschaft beförderten durch ihre Subskription den Verkauf der Werke und stützten damit nachhaltig das Kunstprogramm des Piper Verlags, in dem die Drucke der Marées-Gesellschaft herausgegeben wurden. Aufgrund des großen Erfolgs gelang es Reinhard Piper (1879–1953) zusammen mit Meier-Graefe eine eigene Lichtdruckerei in Berlin zu kaufen und als weiteren Teilhaber Bruno Deja, einen der besten Lithographen der Zeit, zu gewinnen. Mit dessen Hilfe konnte der Verlag zukünftig eine „singuläre Reproduktionsqualität auf der Grundlage eines extrem sorgfältigen Herstellungsprozesses“ garantieren.307 Neben den originalgraphischen Werken, die zu Beginn der zwanziger Jahre erschienen, ist besonders auch die zwischen 1922 und 1924 erschienene zehnbändige Kunstbuchreihe Das Bild. Atlanten zur Kunst zu erwähnen, die das Bild als Quellengrundlage der kunsthistorischen Forschung in den Mittelpunkt rückte. Als wichtigste Künstler des Piper Verlags können Beckmann, Barlach und Kubin und die Künstler des „Blauen Reiter“ genannt werden. Mit dem Insel-Verlag konkurrierte Propyläen nicht nur im Bereich der anspruchsvollen Literatur- bzw. Klassikerausgaben, auch im Kunstverlag lassen sich Parallelen zum Propyläen-Verlag ziehen. Kippenberg nutzte ebenfalls die Sonderkonjunktur für bibliophile Ausgaben zu Beginn der zwanziger Jahre und veröffentlichte Liebhaber- und Vorzugsausgaben in kleinen Auflagen, darunter illustrierte Werke von zeitgenössischen Künstlern wie Corinth oder Liebermann.308

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Vgl. die Liste der Verlagsgründungen bei Peters, Kunstverlage, S. 495. Vgl. ebd., S. 476 f. Zur Verlagsgeschichte des Piper-Verlags vgl. Ziegler, 100 Jahre Piper. Ziegler, 100 Jahre Piper, S. 57. Ebd., S. 58. Vgl. Sarkowski, Insel-Verlag, S. 204.

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Zwar wurde der S. Fischer Verlag nicht im Bereich der Kunstliteratur tätig und als originalgraphische Ausgaben waren lediglich einige Vorzugsausgaben seiner wichtigsten Autoren erschienen, doch wirkten sich die Bestrebungen des Propyläen-Verlags im Kunstverlag auch auf S. Fischer aus. Denn Propyläen versuchte, zeitgenössische Autoren abzuwerben oder wenigstens einzelne Texte aus den Generalverträgen zu lösen, um diese entsprechend illustriert herauszugeben. Dies ist durch einen recht umfangreichen Schriftwechsel beispielsweise im Fall Gerhart Hauptmanns (1862–1946) dokumentiert, dessen Ketzer von Soana der Propyläen-Verlag mit Illustrationen von Otto Hettner (1875–1931) herausbringen wollte. Hauptmann selbst hatte die Ausgabe angeregt und die Bekanntschaft mit Hettner war überhaupt erst durch Hauptmann zustandegekommen,309 sodass man sich bei Ullstein berechtigte Hoffnungen auf eine Realisierung dieses Plans machen durfte. Herz und Elias waren „sehr entzückt“ über Hauptmanns Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Sie wollten das Werk „unter allen Umständen“ in das Kunstprogramm des PropyläenVerlags aufnehmen und „gingen bereitwillig auf die Idee ein“.310 Um Hauptmann für sich zu gewinnen, richtete man sich auch in der Honorarfrage ganz nach seinen Wünschen.311 Und als klar wurde, dass es Schwierigkeiten geben würde, weil Samuel Fischer nicht bereit war, den Text für das Propyläen-Werk freizugeben, und nun selbst eine illustrierte Prachtausgabe für Hauptmann plante, versuchte man zudem, über ein sehr großzügiges Angebot an den Illustrator Hettner den Ausgang der Angelegenheit zugunsten desUllstein Verlags zu beeinflussen. Elias stellte Hauptmann in Aussicht, dass man Hettner die „Aufgabe […] erleichtern“ könnte, indem man ihn „für etwa 8–10 Tage“ auf Kosten des Verlags „an die oberitalienischen Seen in die Gegend des Monte Generoso schicken“ würde.312 Um das eigene Programm mit den Namen erfolgreicher Autoren zieren zu können, trat Ullstein mit den unterschiedlichsten attraktiven Angeboten an die Autoren heran. Der Verlag suggerierte ihnen, dass alles möglich sei, sowohl in der Umsetzung ihrer Ideen als auch in finanzieller Hinsicht. Auch wenn diese Vorgehensweise nicht immer von Erfolg gekrönt war, so rüttelte man doch kräftig an der Beziehung der Autoren zu ihren Stammverlegern. Dies wirkte sich meist vorteilhaft für die Autoren aus, denn wie im Fall Fischers mussten die Verleger oft selbst die zwischen den Autoren und Ullstein besprochenen Buchprojekte in die Tat umsetzen, um das Abwandern des Autors, sei es auch nur für einzelne Werke, zu verhindern. Elias appellierte bei Hauptmann zudem an sein Ansehen als Schriftsteller und die Notwendigkeit seiner freien künstlerischen Entwicklung.

309 Vgl. Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 26.3.1923 (Berlin, StaBi, Nachlass Julius Elias). 310 Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 16.3.1923 (Berlin, StaBi, Nachlass Julius Elias). 311 Vgl. Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 28.3.1923 (Berlin, StaBi, Nachlass Julius Elias). 312 Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 9.5.1923 (Berlin, StaBi, Nachlass Julius Elias).

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Es ist sehr fraglich, ob es höchste Ethik ist, einen grossen Künstler so sehr auf Gedeih und Verderb vertraglich an sein Unternehmen zu binden und dem Genie die Hände zu fesseln. Hat man aber so einen Vertrag erreicht, dann muss man die Grosszügigkeit haben, die Ausnahmen zuzulassen, die der Künstler selbst für seine innere wie äussere Entwicklung für nötig hält.313

Damit unternahm Elias einen weiteren wichtigen Schachzug in der Autorengewinnung. Vor allem die arrivierten, erfolgreichen Autoren, für die eine gezielte Förderung und die Bindung an einen angesehenen Verlag keine zentrale Rolle mehr spielten, rückten nun die möglichst ertragreiche Verwertung ihrer Werke in den Mittelpunkt. Sie erhielten besonders während der Inflationszeit zu Beginn der zwanziger Jahre zahlreiche Angebote, nicht nur von Ullstein, und empfanden die feste Bindung an einen Verlag als Beschränkung ihrer „Bewegungsfreiheit“314. Im S. Fischer Verlag versuchten neben Hauptmann z. B. auch Schnitzler, Hermann Hesse (1877– 1962) und Thomas Mann (1875–1955) sich Möglichkeiten für gewisse „Extratouren“ offen zu halten.315 Den Ketzer von Soana jedoch bekam Propyläen nicht. Zu eng war Hauptmann als Autor und Freund seinem Verleger verbunden, zu entschlossen wehrte sich Fischer gegen die Konkurrenz Ullsteins. Wurde bei Propyläen die Freigabe des Werkes als „kleine Freiheit“ angesehen, die Fischer seinem Autor zugestehen und dem Propyläen-Verlag als „kleinen künstlerischen Vorteil gönnen“316 müsse, empfand Fischer die zeitweisen Abtrünnigkeiten seiner Autoren stets auch als Geringschätzung seiner eigenen verlegerischen Arbeit.317 Der Ketzer von Soana erschien schließlich in einer Liebhaberausgabe 1923 bei Fischer, 1926 folgt eine illustrierte signierte Vorzugsausgabe mit Originalradierungen von Hans Meid. Kunstbuch Mit ihrer Hinwendung zum illustrierten Buch folgten die deutschen Kunsthändler dem Vorbild Frankreichs, wo bereits in den 1880er Jahren aufwendige, mit zahlreichen, auch ganzseitigen Illustrationen geschmückte Prachtausgaben in Mode gekommen waren und um die Jahrhundertwende die in Paris ansässigen Kunsthändler Ambroise Vollard (1865–1939) und Daniel Henry Kahnweiler (1884–1979) begonnen hatten, sich als Verleger der Livres de peintres, der Malerbücher, zu betätigen.318 Die Kunsthändler eröffneten der künstlerischen Buchillustration mit den von ihnen realisierten originalgraphischen Werken neue Möglichkeiten. Sie

313 Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 15.8.1924 (Berlin, StaBi, Nachlass Julius Elias). 314 Mendelssohn, Fischer, S. 917. 315 Thomas Mann an Philipp Witkop im September 1922, zitiert nach Mendelssohn, Fischer, S. 917. 316 Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 6.4.1923 (Berlin, StaBi, Nachlass Julius Elias). 317 Vgl. Mendelssohn, Fischer, S. 923. 318 Vgl. Isphording, Draufsichten, S. 19. Vgl. auch Karin v. Maur: Tendenzen der Buchkunst im zwanzigsten Jahrhundert. In: Papiergesänge. Buchkunst im zwanzigsten Jahrhundert. Künstlerbü-

4.2 Programmbereich Kunst 

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standen dem Bild näher als dem Buch, unterstützten demgemäß die Emanzipation des Bildes vom Text und legten Wert auf dessen eigenständige Wirkung. Der Künstler sollte frei in der Interpretation des Textes sein und musste nicht zwangsläufig direkten Bezug auf ihn nehmen. In deutschen Bibliophilenkreisen wurde allgemein das illustrierte Buch bis in die zwanziger Jahre hinein als Werk für „Neureiche und Ungebildete“ verurteilt.319 Zu sehr stand die von der Buchkunstbewegung postulierte harmonische Buchgestaltung im Vordergrund, die eine ausgewogene Ästhetik aller Bestandteile des Buches forderte (vgl. Abschn. 4.1.1). Die Illustration sollte sich in die ästhetische Einheit des Buches einfügen bzw. dieser unterordnen. Hans von Weber, Herausgeber des Zwiebelfischs und selbst Verleger zahlreicher illustrierter Bücher, machte dies in Bezug auf die von Slevogt und Corinth in der Pan-Presse erschienenen Werke deutlich: Es ist ein Gesetz, gegen das niemand ungestraft sündigt, daß Harmonie nur im Gleichklang und in gegenseitiger Selbstbeschränkung möglich ist. Wo Einer den Anderen übertönen will oder kraft seines Könnens und Temperaments übertönen muß, da kann es nur Mißklang geben […]. Nur mit größtem Respekt und ehrlicher Bewunderung dessen, was hier […] geschaffen wurde, darf man an eine Kritik dieser Werke herangehen und die Vermutung aussprechen, daß gerade hier die Unmöglichkeit bewiesen wurde, die Spalten des Buches Künstlern von solcher Kraft, Glut und Verve zu öffnen, ohne es selbst zu zerstören […] herrlich wären diese gewaltigen und genialen Drucke in einer Mappe gewesen – das Buch haben sie zerstört.320

Die hochwertigen illustrierten Bücher, die ab ca. 1910 entstanden, waren größtenteils in originalgraphischen Druckverfahren hergestellt worden. Wie im Bereich des rein typographischen Buchdrucks konnte man unter dem Einfluss der zunehmenden Technisierung (vgl. Abschn. 4.1.1) auch im Bilderdruck eine Rückbesinnung auf die traditionellen Techniken beobachten. Die Verwendung von Holzschnitt, Lithographie und Radierung bot dem Künstler die Möglichkeit, seinen Entwurf direkt auf die Druckplatte aufzubringen. Von diesem Originaldruckstock konnten dann die Druckabzüge ohne den Zwischenschritt eines „potenziell verfälschenden Medienwechsels“, wie z. B. ein fotomechanisches Reproduktionsverfahren, hergestellt werden.321 Die Originalgraphik wurde als unmittelbare Ausdrucksmöglichkeit des

cher, Malerbücher und Pressendrucke aus den Sammlungen der Bayrischen Staatsbibliothek München. Hrsg. von Béatrice Hernard und Karin von Maur. München: Prestel 1992, S. 11–53, hier S. 20. 319 Lucius, Buchgestaltung und Buchkunst, S. 334. 320 Hans von Weber: Vom illustrierten Buche, S. 22. Zitiert nach Caspers, Paul Cassirer und die Pan-Presse, S. 182. 321 Peters, Kunstverlage, S. 478 f.

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Künstlers im Buch angesehen und galt als wichtiges Qualitätsmerkmal der künstlerisch-bibliophilen Buchproduktion.322 Gleichzeitig wurde sie aufgrund der exzellenten Absatzmöglichkeiten für hochwertige Graphik von den Verlegern nicht nur aufgrund ihres künstlerischen Wertes, sondern vor allem auch systematisch im Hinblick auf ihre wert- und damit preissteigernde Funktion eingesetzt. Die erhöhte Nachfrage nach Luxusgütern während der Inflationszeit hatte auch im Bereich des Kunstbuches zu einer Segmentierung der Produktion geführt, die eine Differenzierung in Normal-, Vorzugs- und Luxusausgaben mit sich brachte.323 Unterschieden wurden die einzelnen Ausgaben aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausstattung, was vor allem die Anzahl der Illustrationen bzw. der (vom Künstler zusätzlich signierten) Originalgraphik, aber auch die Papier- und Einbandqualität betraf. Das Verlegen von Originalgraphik und hochwertigen Büchern war zu Beginn der zwanziger Jahre zu einem lohnenswerten Geschäft geworden, dem sich immer mehr Verlage zuwandten. Zeitgenossen kritisierten sowohl die gesamte Entwicklung im Kunst- und Verlagswesen als auch die Werke selbst, die in diesem Zusammenhang entstanden. Karl Scheffler bemerkte rückblickend: „Jeder Verleger wollte auf dem von wenigen bereiteten Gebiet der Originalgraphik leicht ernten, ja es wurden Verlage auf Grund der Konjunktur gegründet: es artete zu einem Betrieb aus.“324 Bibliophile wie Georg Witkowski oder Fedor von Zobeltitz und Buchgestalter wie Paul Renner kritisierten die Produktion von „bibliophilen Scheinwerten“325 und „Renommier-Objekte[n]“326, die der Ausbreitung eines „spekulative[n] Element[s]“ Vorschub leisteten.327 Der Zwiebelfisch polemisierte im Jahr 1919 – wahrscheinlich mit unmittelbarem Bezug auf Ullstein – „gegen die ‚bibliophil‘ gewordenen Kaufleute des Buchhandels, die das Bibliophile hauptsächlich in hohen Preisen zu erblicken schienen“.328 Ullstein sollte es entgegen aller Kritik jedoch gelingen, dauerhaft mit „echten“ bibliophilen Werten zu überzeugen und sich mit seinem Kunstprogramm einen Namen im Segment der Kunstliteratur zu machen, der über die Zeit der zwanziger Jahre hinaus andauerte.329

322 Vgl. hierzu die Auseinandersetzung zwischen Bruno Cassirer und dem Propyläen-Verlag bezüglich des Werkes Der Waldläufer, s. u. 323 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 466. 324 Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre, S. 84. 325 Zitiert nach Lucius, Buchgestaltung und Buchkunst, S. 335. 326 Paul Renner: Das Luxus Buch und unsere Zeit. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 36 (1932), S. 57. 327 Fedor von Zobeltitz: Das künstlerische Buch der Gegenwart. II. Der „Marsyas“. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 10 (1919), S. 165. 328 Lucius, Buchgestaltung und Buchkunst, S. 335. 329 Hierfür spricht z. B. die ausschließlich der Propyläen-Graphik gewidmete Sonderausstellung, die vom 10.6. bis 4.9.1977 im Kupferstichkabinett Berlin stattgefunden hat. Vgl. Dückers, Propyläen Graphik.

4.2 Programmbereich Kunst 

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Ullstein hatte insgesamt die steigende Bedeutung des Bildes erkannt, das nun in seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen und in erheblichem Umfang Eingang in die Publikationen der Zeit fand und die Gestaltung von Büchern und Zeitschriften grundlegend beeinflusste. Bilder dienten nicht mehr länger nur der Ergänzung des Textes, sondern avancierten nach dem Ersten Weltkrieg zu einem „eigenständigen Element“ und wurden „nicht selten zur […] Hauptaussage“ eines Werkes.330 Kurt Tucholsky (1890–1935) brachte die Tendenzen der Zeit mit der Formel: „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ im Ullstein-Magazin Uhu 1926 auf den Punkt.331 Es war ein „zunehmend visuelle[s] Zeitalter“332 angebrochen, in dem das Kino und die illustrierte Presse eine große Aufmerksamkeit auf sich zogen. Auf dem Buchmarkt hatten der Bildband und das Fotobuch als neue Buchgattungen Konjunktur.333 Bei der Einführung eines noch unbekannten Schriftstellers ging man sogar davon aus, dass „heut’ überhaupt nur ‚Bilderbücher‘ Aussicht auf […] Erfolg und auf die Propagierung eines jüngeren Talents haben“334. Die literarischen Werke mussten folglich laut Elias in illustrierten Ausgaben erscheinen, um überhaupt das Interesse des Publikums zu wecken. In der Weimarer Republik hatte sich „die quantitative Steigerung der industriellen Bildproduktion“ fortgesetzt, die bereits seit der Entwicklung fotomechanischer Bilddruckverfahren ab ca. 1870 beobachtet werden konnte.335 Schon um 1900 war die Entwicklung des graphischen Gewerbes so weit fortgeschritten, dass „im Prinzip […] jede Bildvorlage […] im Druck annähernd authentisch“336 wiedergegeben werden konnte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Autotypie zur gebräuchlichsten Reproduktionstechnik. Daneben entwickelte man vor allem den Offset- und den Kupfertiefdruck als effiziente Massendruckverfahren weiter.337 Der Bilddruck erfuhr in der Weimarer Republik somit außerdem eine zunehmende Kapitalisierung, da nur finanzkräftige Unternehmen über ausreichende Mittel für die Anschaffung der kostspieligen Druckmaschinen verfügten.338 Neben der quantitativen Steigerung der Bildproduktion stand auch die Verbesserung der Abbildungsgenauigkeit im Zentrum der Bemühungen. Diese war besonders wichtig für wissenschaftliche Publikationen. Insbesondere in der Kunstgeschichte wirkte sich die Fülle der nun verfügba-

330 Lucius, Buchgestaltung und Buchkunst, S. 324. 331 Roland Jaeger: Orbis Terrarum und Das Gesicht der Städte. Moderne Photobücher über Länder und Metropolen. In: Blickfang. Bucheinbände und Schutzumschläge Berliner Verlage 1919–1933. 1000 Beispiele, illustriert und dokumentiert. Hrsg. von Jürgen Holstein. Mit einem Vorw. von Christoph Stölzl und Beitr. von Peter Nils Dorén. Berlin: Holstein 2005, S. 416–439, hier S. 418. 332 Ebd. 333 Vgl. ebd., S. 417 und Lucius, Buchgestaltung und Buchkunst, S. 324. 334 Julius Elias an Max Slevogt am 10.6.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 335 Peters, Kunstverlage, S. 474. 336 Ebd., S. 472. 337 Vgl. ebd., S. 472 und Abschn. 4.2.2. 338 Vgl. ebd., S. 472, 475.

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ren detailgenauen Reproduktionen positiv auf den wissenschaftlichen Diskurs aus, stellte sie doch eine bisher nicht gekannte „allgemeine Verständigungsbasis“ dar.339 Quantität und Qualität der Illustrationen wurden somit in der Weimarer Republik ein wichtiges Kriterium, um sich im Feld der Kunstverlage behaupten zu können. Die Möglichkeit, originalgetreue Reproduktionen von Kunstwerken anzufertigen, und die dadurch enorm gesteigerte Verfügbarkeit der entsprechenden Bilder befriedigten und verstärkten gleichzeitig den „Hunger nach Kunst“340. Dabei wurde das Interesse an Kunst nicht nur durch den expandierenden Graphikmarkt angeregt, sondern auch durch eine staatlich geförderte Kunstvermittlung. Das im Zusammenhang mit der Volksbildungsbewegung bereits zu Beginn des Jahrhunderts formulierte Ansinnen, „die Kunst und vor allem unsere deutsche nationale Kunst der Jugend unseres Volkes und denjenigen Kreisen, die fernab von den Zentralen der Kultur wohnen, zugänglich und verständlich“341 zu machen, wurde in der Weimarer Republik vom preußischen Kultusministerium zur wichtigsten Aufgabe einer gezielten Kulturpolitik erklärt. Mit seinem republikanischen Bildungskonzept, das die Kunst in den Mittelpunkt rückte, etablierte das preußische Kulturressort Maßstäbe für die staatliche Kunstpolitik des gesamten Reiches. Eine auf das „Sehen und Empfinden“ basierende Kunstvermittlung sollte den Einzelnen in seiner Persönlichkeit als „mündigen Staatsbürger“ stärken und seine Identifikation mit den demokratischen Werten der Republik unterstützen.342 Die hierzu entwickelten Konzepte nahmen vor allem die Kunsterziehung an den Schulen und das Museum als öffentlichen Ort der Kunstbetrachtung ins Blickfeld. Neben diesen traditionellen Vermittlungsmöglichkeiten gewannen moderne Einrichtungen, wie die um die Jahrhundertwende neu eröffneten Warenhäuser eine zunehmende Bedeutung für die Vermittlung zwischen Kunst und Publikum.343 Nicht selten waren die meist jüdischen Inhaber selbst Kunstsammler, die sich nun mit Bildergalerien und wechselnden Kunstaus-

339 Ebd., S. 474. 340 Arthur Seemann 1901, zitiert nach ebd. 341 Kunsterziehung. Ergebnisse und Anregungen des Kunsterziehungstages in Dresden am 28. und 29. September 1901, Leipzig 1902, S. 14. Zitiert nach Imorde/Zeising, Alles Bildungsleben gipfelt in der Kunst, S. 11. 342 Kristina Kratz-Kessemeier: „…um uns zu einer wirklich höheren Kultur emporzuarbeiten“. Kunstvermittlung als republikanisches Bildungskonzept des Weimarer Preußen. In: Teilhabe am Schönen. Kunstgeschichte und Volksbildung zwischen Kaiserreich und Diktatur. Hrsg. von Joseph Imorde und Andreas Zeising. Weimar: Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften 2013, S. 29– 46, hier S. 30–32. 343 Vgl. hierzu insgesamt: Christine Haug: Kunst, Bibliophilie und Warenhaus. Kultur als Element professioneller Reklametechnik um 1900. In: Parallelwelten des Buches. Beiträge zur Buchpolitik, Verlagsgeschichte, Bibliophilie und Buchkunst. Hrsg. von Monika Estermann, Ernst Fischer und Reinhard Wittmann. Wiesbaden: Harrassowitz 2008, S. 413–437.

4.2 Programmbereich Kunst

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stellungen, dem Verkauf von hochwertigen Kunstbüchern und -mappen, Ausstellungskatalogen und bibliophilen Werken ebenfalls als Kunstförderer betätigten.344 Im Hinblick auf die angestrebte schichtenübergreifende Kunstrezeption warben die Vertreter der Kunsterziehungsbewegung für das Potenzial des Schaufensters, über das „ein beständiger öffentlicher Lehrdiskurs über die Wandlung des Geschmacks“ transportiert werde.345 Auch das Verlagswesen wurde von der umfassenden Popularisierung von Kunst und Kunstgeschichte erfasst, die sich in der Programmgestaltung der Kunst- und Publikumsverlage der Weimarer Republik niederschlug. Es entstand eine Fülle von Werken, die Kunst auf unterschiedlichste Weise an ein breites Publikum vermitteln sollten und zu diesem Zweck umfangreiches Bildmaterial ausbreiteten. Als typische Publikationsform entstand in diesem Zusammenhang die (populäre) Kunstbuchreihe. Diese wurde einerseits, besonders in der massenhaft produzierten einfachen Form der kleinen billigen Büchlein mit wenigen Abbildungen, von Kunsthistorikern wie Bode aufgrund der mangelnden Qualität und der „häppchenweise“ präsentierten Kunstgeschichte heftig kritisiert.346 Andererseits wurden Kunstwissenschaftler zu begehrten Autoren populärwissenschaftlicher Darstellungen, die für sie eine „lukrative Einnahmequelle“ darstellten.347 Die Kunstbuchreihen hatten meist Künstlermonographien oder die unterschiedlichen Epochen der Kunstgeschichte zum Gegenstand und reichten von wohlfeilen Reihen mit 10–15 Seiten starken Bändchen und 20–30 Abbildungen bis hin zu streng wissenschaftlich konzipierten Reihen, die auf 200 bis 300 Seiten mehrere hundert Abbildungen präsentierten und, wie die Propyläen-Kunstgeschichte, nicht selten auch mit einer hochwertigen Ausstattung versehen waren.348 Obwohl die Kunstverleger aufgrund der Preissteigerungen der Papierindustrie und der Einführung der Luxussteuer hohe Herstellungskosten und damit verbunden ein entsprechendes Risiko bei der Realisierung neuer Werke auf sich nehmen mussten, lässt sich zu Beginn der Weimarer Republik von einem in jeder Hinsicht fruchtbaren Absatzmarkt für Kunstliteratur sprechen. Sowohl im Bereich der billigen, populären als auch bei den teuren, hochwertigen Produktionen galt: „Die Verleger hatten mit allem Glück, was sie unternahmen“.349 Die Sparte der Kunstliteratur konnte einen „bemerkenswerten Zuwachs“350 verzeichnen. Die Statistik ermittelt für den Bereich Kunst und Musik einen Anstieg von 690 Titeln im Jahr 1919 auf über 1900 Titel im Jahr 1923, womit der Höhepunkt in der Weimarer Republik erreicht

344 345 346 347 348 349 350

Ebd., S. 416. Lichtwark, zitiert bei ebd., S. 415. Peters, Kunstverlage, S. 487. Imorde/Zeising, Alles Bildungsleben gipfelt in der Kunst, S. 19. Vgl. die unterschiedlichen Reihen, bei Peters, Kunstverlage, S. 488 f. Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre, S. 216. Kastner, Statistik und Topographie, S. 346.

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wurde.351 Der Titelausstoß in diesem Segment hatte sich seit Kriegsende also fast verdreifacht.352 Das gesteigerte Interesse an Kunst schlug sich ebenfalls im Bereich der Periodika nieder.353 Das Programm der 1885 gegründeten Zeitschrift Die Kunst für Alle hielt nun auch in die thematisch breiter aufgestellten Unterhaltungszeitschriften Einzug. Von den Sozialistischen Monatsheften bis zur Dame pflegten die meisten Zeitschriften einen kulturellen Teil, der sich mit unterschiedlichen Themen aus dem Bereich der Kunst auseinandersetzte und über Künstler und aktuelle Ausstellungen berichtete. Dies führte auch dazu, dass immer mehr Schriftsteller und Journalisten die Kunst zu ihrem Metier und sich selbst zum „Kunstschriftsteller“ oder „Kunstkritiker“ erklärten. „Jede Zeitung, jede Zeitschrift wollte ihre Mitarbeiter und Kritiker haben, die den Lesern Verständnis vermitteln sollten“ 354, schrieb Karl Scheffler, der selbst nach einer Tätigkeit als Dekorationsmaler zur Kunstpublizistik gefunden hatte. Der Kunstschriftsteller hatte sich aus dem Reiseschriftsteller entwickelt und wurde seit der Herausbildung der Kunstgeschichte als wissenschaftlicher Disziplin von deren Vertretern aufgrund seines „antiwissenschaftlichen Geistes“ sowie des „kunstpolitischen“ und „kulturpolitischen Wirkungsideals“ kritisiert.355 In der Tat bestand der wichtigste Unterschied darin, dass die Kunstschriftsteller um eine möglichst publikumswirksame Inszenierung ihrer Werturteile zu einem bestimmten Werk, einem Künstler oder einer Kunstrichtung bemüht waren, sie näherten sich der Kunst aus der Sicht des Schriftstellers oder Journalisten, während die Kunsthistoriker nach wissenschaftlicher Objektivität strebten. Wo sich die Wissenschaftler verstärkt mit alter Kunst beschäftigten, traten die Kunstschriftsteller besonders in der Blütezeit ihres Wirkens am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die moderne Kunst ein. Aufgrund ihrer literarischen Begabung, ihrer Nähe zu den Künstlern, mit denen sie oft befreundet waren, ihrer Kenntnisse des Kunstbetriebes und ihrer Produktivität wurden sie von den Verlagen als Autoren und Mitarbeiter geschätzt. Die Popularisierung der Kunst erfuhr einen wesentlichen Antrieb auch durch die Kunstschriftsteller, deren Texte bis heute herangezogen werden, wenn es um die wirksame Präsentation von Kunst für ein größeres Publikum geht.356 Ein lu-

351 Vgl. Kastner, Buchverlag der Weimarer Republik, S. 195, Tabelle „Kunst und Musik“. 352 Vgl. Kastner, Statistik und Topographie, S. 346 und Ernst Umlauff: Beiträge zur Statistik des deutschen Buchhandels. Leipzig: Verl. des Börsenvereins der Dt. Buchhändler 1934, S. 85. Für die weitere Entwicklung des Kunstmarktes s. u. 353 Vgl. Abschn. 7.1. 354 Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre, S. 61 f. 355 Vgl. Wolfgang Ullrich: Der Kunstschriftsteller. Ehrenrettung einer Spezies. SWR2 Essay, Redaktion Stephan Krass, Sendung 14.05.2012, 22.03–23.00 Uhr. URL: https://docplayer.org/19516353-Derkunstschriftsteller-ehrenrettung-einer-spezies-von-wolfgang-ullrich.html [10.5.2018]. 356 Vgl. Ullrich, Der Kunstschriftsteller. Er weist in diesem Zusammenhang auf die Ausstellung El Greco und die Moderne aus dem Jahr 2012 hin, die sich auf Meier-Graefes Entwicklungsgeschichte der Kunst beruft.

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kratives Beschäftigungsfeld fanden die Autoren im Bereich der beliebten KunstBildbände. Peters spricht gar von der Herausbildung eines „neuen Typus des Kunstschriftstellers für Bildbände“, der beispielsweise von Wilhelm Hausenstein verkörpert wurde.357 Die Charakteristik der hier gemeinten „Bildbände“ bestimmte sich durch eine hohe Anzahl der Abbildungen, auf die sich der Hauptaugenmerk richten sollte. Die Qualität des „mit eilige[r] Feder“ verfassten Textes gab hingegen häufig Anlass zur Kritik.358 Doch auch Hausenstein hatte wie die meisten der bekanntesten Kunstschriftsteller eine universitäre Ausbildung im Fach Kunstgeschichte genossen, so beispielsweise Paul Westheim, Julius Meier-Graefe, Max Osborn und Carl Einstein. Diese wiederum können als Förderer der von ihnen protegierten Künstler und Kunstrichtungen gelten. Für die Verlage und Leser waren sie eine wichtige Schnittstelle zwischen Kunstgeschichte, Wissenschaft, dem aktuellen Kunstgeschehen und dem an Kunst interessierten Leser und wurden somit zu einer unverzichtbaren Vermittlungsinstanz.

4.2.2 Steiner-Prag, Liebermann, Slevogt und Corinth – Originalgraphik im Propyläen-Verlag Betrachtet man vor diesem Hintergrund im Folgenden das Kunstprogramm des Propyläen-Verlags wird deutlich, dass hier tatsächlich, wie bereits von Schwab-Felisch konstatiert, von einer „lange entworfenen Verlags-Strategie“ ausgegangen werden kann, die wohl ursprünglich vor allem die Herausgabe der Propyläen-Kunstgeschichte zum Ziel hatte.359 Nun gelang es Ullstein, darüber hinaus ein Kunstprogramm zu entwickeln, das sich optimal an den Entwicklungen, Tendenzen und Strömungen der Zeit orientierte und somit entsprechend erfolgreich sein konnte. Die modernen Reproduktionsmöglichkeiten und Bilddruckverfahren stellten die technischen Grundlagen für die Herstellung hochwertiger Kunstpublikationen, der Absatzmarkt war nach dem Ersten Weltkrieg besonders aufnahmefähig, die Inflation und das Interesse an Kunst verschafften der Kunstliteratur zu Beginn der zwanziger Jahre ein lukratives Absatzhoch. Berlin als Standort des Verlags entwickelte sich zu einer wichtigen Kunstmetropole und bot Ullstein die besten Voraussetzungen, sein umfangreiches Netzwerk auch in diesem Bereich weiter auszubauen. Man kann davon ausgehen, dass neben den geschäftlichen Kontakten des Verlags die Brüder Ullstein auch private Kontakte in die Kunstwelt Berlins unterhielten. Sie alle sammelten Kunst,360 vor allem Franz Ullstein, der sich zudem der Bibliophilie verschrieben hat-

357 Peters, Kunstverlage, S. 475. 358 Ebd., Anm. 46. 359 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 205. 360 Vgl. Donath, Der Berliner Kaufmann als Kunstfreund, S. 298.

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te, und Rudolf Ullstein, der von seinem Bruder Hermann als „manischer Sammler“ beschrieben wurde und regelmäßig die Auktionen Graupes besuchte.361 Mit Max Osborn hatte Ullstein ab 1910 bereits vor dem Ersten Weltkrieg einen versierten Kunstschriftsteller gewinnen können, der im Verlag mit seinen Werken Geschichte der Kunst362 und Meisterbuch der Kunst363 erste Grundsteine im Programmbereich Kunst legte und ab 1914 als Kunstkritiker für die Vossische Zeitung tätig wurde.364 Die Gründung des Propyläen-Verlags und das Hinzutreten von Julius Elias ergaben zusammen mit den bereits äußerst günstigen Voraussetzungen schließlich den perfekten Rahmen für ein gelungenes und erfolgreiches Kunstprogramm. Durch die Vermittlung von Elias konnten die berühmtesten deutschen Graphiker für den Propyläen-Verlag gewonnen werden. Seine Kontakte zu den Akteuren der Berliner Sezession bildeten die Grundlage für die Auswahl der Künstler. Das originalgraphische Programm setzte damit einen deutlichen Schwerpunkt auf den deutschen Impressionismus, der in der Buchillustration zwischen 1919 und 1925 eine Hochphase verzeichnen konnte.365 Als dessen wichtigste Vertreter galten Slevogt, Liebermann und Corinth.366 Ihre Namen versprachen eine entsprechende Resonanz auch bei einem größeren Publikum und förderten die Akzeptanz des Verlags. Der deutsche Impressionismus stand in der Weimarer Republik für die „offizielle“ Malerei.367 Die Maler waren anerkannt und geschätzt. Slevogt galt als der „bedeutendste unter den lebenden Illustratoren“368, Liebermann als „Leitfigur einer ganzen Generation im Kulturleben der Zeit“ um 1900369, Corinth war für sein unbändiges Wesen und Talent bekannt370. Daneben waren als weitere Mitglieder der Berliner Sezession und Künstler im Propyläen-Verlag Emil Orlik371, Lesser Ury (1861–

361 Vgl. Sabine Knopf: „Für Bilder und Bücher ist immer Platz…“ – Berliner Verleger und Buchhändler als Kunstsammler und Bibliophile. In: Imprimatur 21 (2009), S. 225–258. 362 Geschichte der Kunst. Eine kurzgefaßte Darstellung ihrer Hauptepochen. Berlin: Ullstein 1910. 363 Meisterbuch der Kunst: Eine kurzgefaßte Geschichte der Kunst. Berlin: Ullstein 1910. 364 Zu Max Osborn vgl. Ulrike Wendland: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler. Teil 2. München: Saur 1999, S. 465–470. Siehe auch Abschn. 4.2.4. 365 Vgl. Lang, Impressionismus und Buchkunst, S. 71. Langs Bibliographie verzeichnet für diesen Zeitraum rund 140 impressionistisch illustrierte Bücher. 366 Vgl. Lang, Impressionismus und Buchkunst, S. 106, der von einem „Triumvirat der deutschen Impressionisten“ spricht. 367 Brigitte Lohkamp: Malerei. In: Deutsche Kunst der 20er und 30er Jahre. Hrsg. von Erich Steingräber. München: Bruckmann 1979, S. 115–235, hier S. 117. 368 Loubier, Die neue deutsche Buchkunst, S. 106. 369 Achenbach, Die Rolle Max Liebermanns, S. 65. 370 Vgl. Butts, Corinth als Graphiker, S. 77. 371 Vgl. Rudolf Pfefferkorn: Die Berliner Secession. Berlin: Haude & Spener 1972, S. 92 f.

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1931)372, Max Pechstein373 und Wilhelm Trübner vertreten. Mit Steiner-Prag hatte man einen erfolgreichen Buchgestalter und gleichzeitig bekannten Illustrator an den Verlag binden können, dessen Illustrationswerk zur Novelle Carmen von Prosper Merimée den Auftakt des Propyläen-Kunstprogramms bilden sollte. Hugo Steiner-Prag Steiner-Prag lieferte dem Propyläen-Verlag für Carmen elf ganzseitige Lithographien, die auf Kunstdruckpapier als Einschalttafeln eingebunden wurden, und zehn halbseitige Lithographien, die als Bilder in den Text gedruckt wurden.374 Propyläen oblag das ausschließliche Verlagsrecht an den Illustrationen. Der Verlagsvertrag verfügte, dass die Steine nach Herstellung der einmaligen Auflage von 430 Exemplaren abgeschliffen werden würden. Die gesamte Auflage war auf Büttenpapier gedruckt, in den ersten 30 Exemplaren waren die ganzseitigen Bilder mit handsignierten Remarquen des Künstlers versehen. Dieses erste, im Jahr 1920 bei Propyläen erschienene originalgraphische Werk besaß mit seiner einmaligen, nummerierten Auflage, den zahlreichen, ganzseitigen originalgraphischen Illustrationen, dem hochwertigen Papier, der klassischen Typographie und dem wertvollen Einband die typischen Merkmale der in Deutschland zu Beginn der Weimarer Republik so absatzstarken Luxusausgaben. Die Werke erschienen bei Propyläen, wie es insgesamt auf dem Markt und auch im Bereich der literarischen Produktion des Verlags dieser Jahre üblich war, in qualitativ unterschiedlich ausgestatteten Ausgaben. Steiner-Prags zweites illustriertes Werk im Propyläen-Verlag, Heines Spanische Romanzen, für die er zwölf OriginalRadierungen geliefert hatte,375 wurde 1921 „in einer einmaligen Auflage von 250 nummerierten Exemplaren“ hergestellt.376 Die Nummern 1 bis 15 waren „auf Japanpapier abgezogen“ und die Radierungen trugen Remarquen, die „vom Künstler handschriftlich unterzeichnet“377 waren. Die übrigen Exemplare waren auf van Geldern-Bütten abgedruckt. Hiervon waren die Nummern 16 bis 50 mit je einer vom Künstler handschriftlich unterzeichneten Radierung und die Nummern 51 bis 250 mit einer einmaligen Handschrift des Künstlers unter dem Druckvermerk verse-

372 Vgl. ebd., S. 85–87. 373 Max Pechstein war zeitweise Mitglied der Künstlervereinigung „Brücke“ und ab 1914 der „Freien“ bzw. „Neuen Sezession“. Vgl. Pfefferkorn, Berliner Secession, S. 103. 374 Vgl. Verlagsvertrag von Hugo Steiner-Prag vom 20. Juni 1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.), dem auch die nachfolgenden Angaben über das Werk entnommen wurden. 375 Vgl. Verlagsvertrag von Hugo Steiner-Prag vom 4. Mai 1921 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 376 Die Angaben wurden dem Druckvermerk in Heinrich Heine: Spanische Romanzen. Berlin: Propyläen 1921 entnommen. Eingesehen wurde das Exemplar mit der Nummer 70 (Berlin, StaBi). 377 Ebd.

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hen.378 Auf eine ähnliche Weise war auch die nummerierte Auflage in Höhe von 300 Exemplaren des Majorats von E. T. A. Hoffmann in ihrer Ausstattung gestaffelt. Die ersten 200 Exemplare der von Steiner-Prag illustrierten Ausgabe enthielten Radierungen mit Remarquen, die von ihm handschriftlich unterzeichnet waren. Die Nummern 201 bis 300 trugen nur eine einmalige Unterschrift des Künstlers.379 In den Jahren 1923 und 1924 erschienen mit Heinrich Heines Gespenstischen Balladen und Friedrich Hebbels Maria Magdalena zwei weitere von Steiner-Prag illustrierte Luxusdrucke, die in ähnlicher Weise ausgestattet wurden. Max Liebermann Liebermanns illustriertes Werk ist – verglichen mit Slevogt und Corinth – nicht sehr umfangreich. Dass Liebermann sich im Alter dem Illustrieren zuwandte, mag vor allem den Marktbedürfnissen und den damit im Zusammenhang stehenden Anregungen und Anfragen von Bruno und Paul Cassirer und Julius Elias geschuldet sein.380 Liebermann nahm nur wenige Aufträge an. Als renommierter Künstler konnte er es sich erlauben, die Anfragen genau zu prüfen und – sollten sie ihm nicht zusagen – abzulehnen. So wies er beispielsweise die Anfrage des Leipziger Bibliophilenabends zurück, den Biberpelz von Hauptmann zu illustrieren, mit dem Hinweis, dass der Text in ihm nicht „die Lust [erwecke], ihn zu illustrieren“381. Liebermann wandte sich stattdessen vor allem den deutschen Klassikern zu und illustrierte Werke von Keller, Goethe, Kleist, Fontane und Heine.382 Die 1923 im Propyläen-Verlag erschienenen Illustrationen zu Heines Rabbi von Bacharach werden als „Höhepunkt der Liebermannschen Illustrationskunst überhaupt“ bewertet.383 Für dieses Werk lieferte er 17 Original-Lithographien, das Buch erschien in einer Auflage von 400 Exemplaren. Bei den ersten 100 waren „sämtliche Lithos in signierten Drucken auf Japan beigegeben“, bei den Nummern 101 bis 400 waren „das Frontispiz und der Druck-

378 Vgl. ebd. 379 Vgl. den Druckvermerk in E. T. A. Hoffmann: Das Majorat. Berlin: Propyläen 1922. Eingesehen wurde das Exemplar mit der Nummer 70 (Berlin, StaBi). 380 Vgl. Achenbach, Druckgraphik, S. 105. 381 Ebd. 382 Dass diese Auswahl als von Liebermann persönlich „sicher nicht zufällig getroffene Auswahl“ bewertet wird (Achenbach, Druckgraphik, S. 105), ist kritisch zu hinterfragen, entspricht sie doch dessen, was zu Beginn der Weimarer Republik erfolgreich im Bereich der Luxusausgaben am Markt abgesetzt werden konnte. Zudem waren die Texte gemeinfrei und standen so den Verlegern ohne weitere Kosten für den Abdruck zur Verfügung. Sowohl bei der Zahlung des Honorars als auch bei der Gewährung künstlerischer Freiheit, was das Verhältnis von Illustration und Text anbelangte, hatte der Verleger damit einen größeren Spielraum. 383 Achenbach, Druckgraphik, S. 135.

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vermerk handschriftlich gezeichnet“.384 Zudem brachte man eine luxuriöse Mappenausgabe in einer Auflage von 15 Exemplaren heraus.385 Die nur im Fragment erhaltene Erzählung Heines war als „Exposition“ eines geplanten Romans gedacht, der jüdische Schicksale in der Feudalgesellschaft des Mittelalters zum Thema haben und „Lebensraum und Denkweise der Juden in ihrer typischen Eigenart“ nachzeichnen sollte.386 Aus dem historischen Roman sollte sich Heines Kritik gegen die Diskriminierung der Juden in der zeitgenössischen Gesellschaft ableiten, der Autor wollte sein Werk als Aufruf zur Emanzipation verstanden wissen.387 Als gläubiger Jude fühlte sich Liebermann von Heines Text angesprochen, er war mit den im Buch dargestellten Szenen vertraut.388 Liebermann war daran gelegen, den Text modern zu interpretieren und mit seinen Illustrationen ebenfalls einen Bezug zur Gegenwart herzustellen, in der der Antisemitismus wieder aufflammte.389 Sehr geehrte Herren Dr. Elias u[nd] Reinhold, ich war um so mehr von dem fertigen Exc. des Rabbi [von Bacharach] enttäuscht, je schöneren Eindruck die einzelnen Druckbogen auf mich gemacht haben u noch machen. Aber sowohl das Signet als auch die Japan-Drucke neben den Auflage-Drucken sind meinem Geschmack außerordentlich zuwider. Ich hatte die Zeichnung, die Sie vor den Titel gesetzt haben, in verkleinertem Maßstabe als Signet bestimmt, womit Sie sich auch einverstanden erklärt hatten: das Signet, welches Sie genommen, paßt zu einem Gebetbuch für orthodoxe Juden, während der „Rabbi“ gerade die entgegengesetzte Tendenz darstellt. Es ist mittelalterlich, während das Buch u – wie ich hoffe – meine Illustrationen von uns’rer Zeit sind. Durch das Signet wird dem Buch ein falscher Stempel aufgedrückt: was mich nicht nur wegen des Buches, sondern auch meinetwegen (da man das Signet mir in die Schuhe schieben kann) auf’s tiefste verletzt. […] Sie haben ganz Recht, daß ich an einen andern Typ gewöhnt bin: jedenfalls hätten Sie mich doch fragen sollen, ob mir der von Ihnen gewählte Typ gefällt. Ich hätte Ihnen dann geantwortet, daß nicht zur Entscheidung steht, welcher Typ geschmackvoller sei […], sondern welcher Typ für die Illustrationen passender ist.390

Liebermanns Brief macht deutlich, dass der Künstler vom Verlag erwartet hatte, die Gesamtgestaltung des Buches auf seine Illustrationen hin abzustimmen. Die vom Verlag vorgenommene Auswahl des Signets, die eine stärkere Orientierung an Hei-

384 385 386 387 388 389 390

Druckvermerk in Heinrich Heine: Der Rabbi von Bacherach. Berlin: Propyläen 1923. Vgl. Laabs, und erhoffe mir, S. 173. Achenbach, Druckgraphik, S. 125. Vgl. ebd., S. 124 f. Vgl. ebd., S. 126. Ebd., S. 126 f. Max Liebermann an Julius Elias am 18.9.1923 (Berlin, StaBi, Nachlass Julius Elias).

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nes Textvorlage dokumentierte, ließ ihn höchst verärgert reagieren, da er hierdurch auch die Wirkung seiner Illustrationen als beeinträchtigt empfand.391 Von Liebermann erschien neben dem Rabbi von Bacharach 1924 außerdem das Buch Ruth, dessen Lithographien von M. W. Lassally in Berlin auf der Handpresse abgezogen wurden.392 Das Werk wurde in einer nummerierten Auflage von 200 Exemplaren herausgegeben, deren Text in der Druckerei von Jakob Hegner in Hellerau bei Dresden gedruckt worden war. Die Ausstattung unterschied sich in der Qualität des Papiers und des Einbandes. Die ersten 50 Exemplare waren auf echtes Japanbütten gedruckt und in Ganzleder gebunden, die Nummern 51 bis 200 waren mit Büttenpapier und Halbleder-Einband ausgestattet. Die ganzseitigen Lithographien hatte der Künstler in allen Exemplaren signiert. Max Slevogt Während Liebermann sich in der Auswahl seiner Motive stets am realen Leben orientierte, hatte sich Slevogt der Phantasie, den Märchen und Abenteuern verschrieben. Er illustrierte zahlreiche Kinder- und Jugendbücher und wollte mit seinen Illustrationen ein breiteres Publikum erreichen. Paul Cassirer konzentrierte sich jedoch in seinem Verlag fast ausschließlich auf teure Luxusdrucke in geringer Auflage. Er konnte Slevogt unter anderem für die Auftaktpublikation seiner Pan-Presse gewinnen, für die der Künstler den Lederstrumpf illustrierte, der zu einem seiner Hauptwerke werden sollte. Während Paul Cassirer Volksausgaben als eher „unübersichtliches Kapital“393 beurteilte, gelang es Bruno Cassirer hingegen, dem Wirkungsanspruch des Künstlers durch Ausgaben in größeren Auflagen stärker entgegenzukommen. In seiner Reihe Das Märchenbuch (1918–1927) erschienen beispielsweise zu einem günstigen Preis und in kleinem Format Federzeichnungen Slevogts zu den Märchen der Brüder Grimm, J. K. A. Musäus und 1001 Nacht.394 Neben anderen vereinzelten Ausgaben mit höherer Auflage und kostengünstigerer Ausstattung, wie z. B. der ebenfalls bei Bruno Cassirer erschienenen Werkdruckausgabe von Karl Witt, Die tapferen Zehntausend, oder dem 1909 herausgegebenen Rübezahl in „populärer Form“395, wurden die meisten Illustrationen Slevogts als teure Sammler-Ausgaben in limitier-

391 Protokoll zum Vertrag, 22.11.1922 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 392 Vgl. den Druckvermerk in Das Buch Ruth. Berlin: Propyläen 1924. 393 Paul Cassirer an Max Slevogt am 14.2.1918 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). Von den Luxusausgaben versprach er sich einen höheren Gewinn. Vgl. Paul Cassirer an Max Slevogt am 14.2.1918 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100): „Die Luxusausgabe wird viel Geld bringen.“ 394 Vgl. Achenbach, Die Rolle Max Liebermanns, S. 71. 395 Hans-Jürgen Imiela: Max Slevogt. Eine Monographie. Karlsruhe 1968, S. 401, Anm. 43.

4.2 Programmbereich Kunst



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ten Auflagen auf den Markt gebracht, die nur selten 400 Exemplare überstiegen.396 Angesichts dessen hatte Slevogt bereits 1908 seinem Freund, dem Kunsthistoriker Karl Voll gegenüber geklagt: Das ist der Fluch, daß bei unseren Verhältnissen in Deutschland der Verleger nur an ein winziges, mit gespicktem Beutel begabtes Publikum denken mag, – u. eine breite Auflage à la Indianergeschichte ein liebenswürdiger, aber wohl vergeblicher Versuch bleibt, den ich nur meinen persönlichen Beziehungen verdanke.397

Die Verleger nutzten Slevogts Hoffnung auf Realisierung einer größeren Volksausgabe und stellten diese in Aussicht, um den Künstler zunächst für weitere Luxusausgaben zu gewinnen. So lockte Paul Cassirer beispielsweise mit einer vermeintlichen Volksausgabe von Goethes Faust: Ich gebe einen schön gedruckten „Faust“ heraus, I. und II. Teil [….]. Aber ich habe dabei die Idee, zunächst wieder eine sehr teure Luxusausgabe zu machen, dann aber eine Volksausgabe nach dem Krieg, wenn das Papier billig ist. Volksausgabe ist natürlich etwas kühn gesagt, da auch in der Volksausgabe der Band sicherlich 15–20 M. kosten wird oder vielleicht noch mehr, aber ich meine damit ein Geschenkbuch für das deutsche Volk, einen Ersatz für die Doré’sche Bibel. Die Leute kaufen, und haben es immer getan, zu Konfirmationen, Hochzeiten und überhaupt zu den grossen Erinnerungstagen sogenannte Prachtwerke, und so dächte ich, dass der Faust, der doch unser ureigenstes deutsches Werk ist, einem Künstler wie Ihnen die Gelegenheit bieten könnte, wirklich dem Volk ein Geschenk zu machen.398

Die Faust-Ausgabe Paul Cassirers erschien schließlich erst 1927 in einer Auflage von 250 Exemplaren und in einer Mappenausgabe von 50 Exemplaren. Als „echte“ Volksausgabe der Illustrationen Slevogts gab Paul Cassirer lediglich 1924 die Randzeichnungen zu Mozarts Zauberflöte im Kupfertiefdruck heraus, die allerdings 1920 ebenfalls zunächst als 17. Druck der Pan-Presse in einer Auflage von nur 100 Exemplaren mit 47 Originalradierungen erschienen waren. Auch Elias nutzte diese Strategie in den Verhandlungen mit Slevogt, um das Interesse des Künstlers am Propyläen-Verlag aufrecht zu erhalten. So entwickelte er 1922 zusammen mit Slevogt den Plan zu einer Don Quichote-Volksausgabe. Er versicherte Slevogt, dass diese Ausgabe „in gewisser Art [sein] Lebenswerk werden könnte, nicht nur nach der künstlerischen Seite hin, sondern auch nach der Wirkung in die Ferne.“ Elias versuchte Slevogt zu überzeugen: „Bis jetzt hatten Sie mit Volksausgaben kein Glück; bei Don Quijote aber wird uns die Sache ohne Zweifel

396 Die von Paul Cassirer geplante Volksausgabe zu der 1920 herausgegebenen Vorzugsausgabe der Randzeichnungen zu Mozarts Zauberflöte wurde 1923 in Angriff genommen und erschien 1924. Auch hierzu findet sich entsprechende Korrespondenz im Nachlass Slevogts. 397 Imiela, Max Slevogt, S. 401, Anm. 43. 398 Paul Cassirer an Max Slevogt am 14.2.1918 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100).

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auf den ersten Schlag gelingen.“399 Die Anbindung des Propyläen-Verlags an den Ullstein-Konzern, der sich in der Ansprache der Masse bestens auskannte und auch künstlerische Inhalte erfolgreich und populär zu transportieren wusste, mag in Bezug auf die Realisierung einer solchen Volksausgabe eine zusätzliche Attraktivität für Slevogt ausgemacht haben. Die Don Quichote-Ausgabe sollte jedoch nicht realisiert werden.400 Zunächst einmal bildete das von Slevogt illustrierte Werk Alte Märchen mit der Feder erzählt im Jahr 1920 zusammen mit Steiner-Prags Prosper Mérimée den Auftakt des Propyläen-Kunstprogramms. Es entsprach sowohl in der Thematik als auch in der höheren Auflage von 4997 Exemplaren den Vorstellungen Slevogts. Der Künstler lieferte 20 Märchenzeichnungen, die für das Werk reproduziert wurden, lediglich die Luxusausgabe (Auflage 200 Expl.) versah man mit einer Originallithographie. Im Unterschied zu den Druckformen der Originalgraphiken, die jeweils nur für eine begrenzte Auflage verwendet und danach vernichtet wurden, verblieb das Recht an den reproduzierten Zeichnungen in diesem Fall bei Slevogt, auch wenn der Verlag sich das ausschließliche Reproduktionsrecht vertraglich gesichert hatte. Der Verlag sprach Slevogt gegenüber lediglich „die Erwartung“ aus, dass dieser die Zeichnungen „innerhalb von zwei Jahren nach der Publikation […] weder im Ganzen noch einzeln verkaufen oder verschenken“ würde.401 Welchen Stellenwert die Unterscheidung zwischen Original- und Reproduktionsdruck für das Werk des Künstlers und dessen Wert hatte und welche Schwierigkeiten die Definition des Originals im Bereich der Graphik mit sich brachte, zeigt das Beispiel des Waldläufers, eines Werkes von Gabriel Ferry das, illustriert mit 66 Zeichnungen Slevogts, 1921 bei Propyläen erschien. Neben der normalen Auflage in Höhe von 1200 Exemplaren gab man eine Luxusausgabe in einer Auflage von 300 Exemplaren heraus, versehen mit einer zusätzlichen handsignierten Originalradierung, einem Kalbsledereinband, einer „Titelgoldpressung auf dem Rücken“ und einer „goldgepressten Vignette auf dem Deckel“.402 Die Zeichnungen Slevogts waren von der Reichsdruckerei Berlin in einer Entwicklungsstufe des Offsetdrucks (s. u.) gedruckt worden. Dieser war 1907 entwickelt worden und galt zu Beginn der zwanziger Jahre noch als „neues Verfahren“.403 Denn bis Ende der 1910er Jahre war für die Reproduktion von künstlerischen Vorlagen hauptsächlich die Farblithographie oder – für besonders hochwertige Wiedergaben – der Lichtdruck verwendet worden.

399 Julius Elias an Max Slevogt am 27.7.1922 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 400 Die Gründe hierfür sind nicht bekannt. 401 Emil Herz an Max Slevogt am 30.3.1920 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 402 Julius Elias an Max Slevogt am 8.2.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). Die normale Ausgabe enthielt bereits eine handsignierte Original-Lithographie. Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) und Angaben bei Lang, Impressionismus und Buchkunst, S. 178, Nr. 209. 403 Vgl. Carl Ferdinand Reinhold an Max Slevogt am 10.12.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100).

4.2 Programmbereich Kunst 

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Der Übergang zur Offsetreproduktion erfolgte fließend, da sich die Arbeitsabläufe ähnelten und die Verfahrensweisen in den Druckereien schrittweise angepasst wurden. Der Offsetdruck wird als indirektes Druckverfahren bezeichnet, da die Druckfarbe von der Druckplatte oder dem Druckzylinder zunächst auf ein Gummituch bzw. einen Gummizylinder und dann von diesem aus auf das Papier aufgebracht wird. So kann die Druckplatte geschont und infolgedessen eine höhere Auflage hergestellt werden. Mit dem Einsatz des Rollenoffsetdrucks erhöhte man zudem die Druckgeschwindigkeit und senkte somit zusätzlich die Druckkosten. Der Offsetdruck galt zwar in den zwanziger Jahren als noch nicht vollständig ausgereift und gab in seiner Qualität immer wieder Anlass zur Kritik. Doch vor allem große Betriebe mit eigenen Herstellungsabteilungen, wie Brockhaus oder Ullstein, statteten diese mit entsprechenden Maschinen aus und verwendeten den Offsetdruck, da er sich für eine günstige Massenproduktion eignete und auch bei Verwendung von qualitativ minderwertigem Papier gute Ergebnisse erzielte.404 Für den Druck des Waldläufers scheint ein spezielles, eher kostenintensives Verfahren angewendet worden zu sein, das den allmählichen Übergang von der Lithographie zum Offsetdruck dokumentiert.405 Die Reproduktion der Zeichnungen geschah zunächst mithilfe eines fotografischen Kopierprozesses, mit dem halbtönige Negative ohne das „sonst übliche gleichmässige mechanische Raster“ übertragen werden konnten.406 Die Übertragung erfolgte auf einen lithographischen Stein, sodass man bis zu diesem Punkt von einer Fotolithographie sprechen würde, die allerdings bereits als nicht originalgraphisches Verfahren zu bewerten ist. Anschließend wurden die Zeichnungen jedoch nicht direkt vom Stein, sondern „vom Gummituch gedruckt“, was einen klaren Hinweis auf die Reproduktion im Offsetverfahren gibt.407 Um wiederum den Kriterien der Originalgraphik zu entsprechen, muss der Künstler die Druckform selbst manuell bearbeiten und die gesamte Auflage von der Originalplatte (evtl. unter Beteiligung des Druckers) drucken. Die Abdrucke werden schließlich vom Künstler autorisiert. Außerdem gilt es, die Auflage entsprechend zu beschränken und ihre Höhe im Druckvermerk zu verzeichnen.408 Bei der Lithographie bringt der Künstler seine Zeichnung beispielsweise direkt mit lithographischer Kreide auf einen gekörnten Stein auf, von dem aus anschließend auf das Papier gedruckt wird. Eine weitere, sehr beliebte Technik war die Autographie, bei der nicht

404 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 475. 405 Vgl. Carl Ferdinand Reinhold an Max Slevogt am 10.12.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100): „Wie wir ihnen schon im Sommer mitteilten, ist der von der Reichsdruckerei geforderte Betrag – eben infolge der verwendeten Technik – ausserordentlich hoch.“ 406 Carl Ferdinand Reinhold an Max Slevogt am 10.12.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 407 Julius Elias an Bruno Cassirer am 29.11.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 408 Vgl. Ales Krejca: Die Techniken der graphischen Kunst. Handbuch der Arbeitsvorgänge und der Geschichte der Original-Druckverfahren. Hanau/M.: Dausien 1980, S. 11.

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direkt auf den Stein, sondern auf autographisches Papier gezeichnet und die Zeichnung anschließend durch ein Umdruckverfahren auf den Stein kopiert wird. Obwohl Slevogt für das von ihm illustrierte Werk Der Waldläufer weder direkt auf den Stein gezeichnet, noch die Zeichnungen durch Umdruck auf den Stein aufgebracht oder von diesem gedruckt hatte, enthielt der Titel des Werkes den Zusatz „Mit Steinzeichnungen von Max Slevogt“. Dies brachte dem Propyläen-Verlag die ärgerliche Kritik Bruno Cassirers ein. Denn diese Bezeichnung, so Cassirer, müsse „den Eindruck erwecken […], als ob es sich um Lithographien, also um Originalgraphische Blätter handele“, während es sich bei Slevogts Zeichnungen um „nicht abzugsfähige Kreidezeichnungen“ handele, die im Offsetverfahren vervielfältigt worden seien. Er wies darauf hin, dass der vom Propyläen-Verlag gewählte Begriff der „Steinzeichnungen“ als „unbedingt unrichtig“ anzusehen sei.409 Bruno Cassirer, der sich auch im Auftrag Slevogts an den Propyläen-Verlag wandte, gab außerdem zu bedenken, dass a) das künstlerische Renommee Slevogts geschädigt werden könnte, wenn die Reproduktionen irrtümlich als Lithographien angesehen werden und dementsprechend enttäuschen würden, dass b) die Käufer im Vergleich mit dem bei Propyläen erschienenen Werk die Preise anderer Bücher mit echten Steinzeichnungen „unberechtigt hoch finden müssen“ und dass c) die Käufer der Propyläen-Ausgabe, nachdem sie bemerkt hätten, dass es sich nicht um echte Lithographien, sondern um Reproduktionen handelte, ebenfalls gegen die vom Verlag gewählte Bezeichnung protestieren könnten.410 Diesem offiziellen Beschwerdebrief Cassirers war eine mündlich-schriftliche Diskussion zwischen Elias und Reinhold auf der einen und dem Künstler und seinem Hauptverleger auf der anderen Seite vorausgegangen. Cassirer hatte dem Verlag eine „Irreführung“411 der Buchkäufer vorgeworfen, wogegen Elias „energisch“412 protestierte: Jeder bei uns hat optima fide gehandelt. In allen Ankündigungen ist mit keiner Zeile davon die Rede, dass es sich hier um eine Original-Technik handelt; im Gegenteil ist stets der Unterschied gemacht zwischen den in den Text gedruckten Bildern und der Original-Graphik, die als solche besonders hervorgehoben ist. Ausserdem aber sind ja die Zeichnungen tatsächlich als Lithographien wiedergegeben; dass sie vom Gummituch gedruckt sind statt direkt vom Stein, bedeutete ja eigentlich gar keinen Unterschied, da häufig sogar Original-Lithographien von der Handpresse des weichen Druckes halber im Offset-Verfahren abgezogen werden, ohne dass bisher irgend Jemand Anstoss daran genommen hätte. Der einzig belangreiche Unterschied ist der, dass die Zeichnungen Slevogts nicht direkt auf den Stein gebracht, sondern mit den Mitteln der Photographien auf diesen übertragen wurden. Psychologisch ist die Sache so zu erklären, dass Slevogt bei unserer Unterredung mit Begeisterung und Elan sagte: Hier will ich etwas

409 Bruno Cassirer an den Propyläen-Verlag am 5.12.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 410 Ebd. 411 Ebd. 412 Julius Elias an Bruno Cassirer am 29.11.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100).

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ganz Flottes, Rasches, Weiches, Impressionistisches machen, als ob ich auf den Stein fantasierte. Dieses Wort hing uns in der Erinnerung und dominierte über die Erwägungen graphischer Haarspalterei.413

In ähnlicher Weise versuchte Reinhold die Angelegenheit Slevogt gegenüber zu beschwichtigen: Wir haben seinerzeit geschwankt, ob wir die Wiedergabe ihrer Zeichnungen als „Steinzeichnungen“ benennen dürften. Zunächst hieß der Titel, wie Sie aus der Beilage ersehen: „Illustriert von M. S.“; dann sagten wir: „Mit Bildern von M. S.“ und schließlich kamen wir zu dem Wortlaut: „Mit Steinzeichnungen von M. S.“ und zwar auf Grund folgender Erwägungen. Ueberall wo es sich um vom Künstler auf den Stein gezeichnete Bilder handelt, unterlässt kein Verleger zu sagen: Original-Steinzeichnungen oder Original-Lithographien. Wir haben bei unserem Wortlaut – natürlich wohlüberlegt – die Bezeichnung „Original“ fortgelassen. Dann aber sagten wir uns, dass es doch ebenso irreführend und missverständlich sei, wenn man Original-Steinzeichnungen auch jene Drucke nennt, bei denen der Künstler mit lithographischer Kreide auf Papier zeichnet, ein Opus, das dann auf den Stein umgedruckt wird. Es ist doch lediglich ein stillschweigendes Übereinkommen, wenn man auch hier von einer Original-Technik spricht. Oftmals verändert sich das Original beim Umdruck noch stärker, als es bei der photomechanischen Übertragung der Fall ist. […] Auf jeden Fall aber geht bei der Übertragung der Zeichnung durch Umdruck auf den Stein mindestens ebenso viel vom Original verloren als bei dem hier von der Reichsdruckerei verwendeten Verfahren. Wesentlich ist der Unterschied allerdings insofern als es sich bei diesem Buch um Maschinendruck handelt und nicht um Handpressendruck. Aber wir haben an keiner Stelle den Anschein zu erwecken versucht, dass hier Handpressen-Abzüge vorlägen, sondern klar zum Ausdruck gebracht, dass nur bei der signierten Radierung und der signierten Lithographie eine OriginalTechnik verwendet wurde. Für jeden Graphik Sammler schaltet aber unseres Erachtens die Idee, dass die 65 Bilder mit der Hand vom Stein gedruckt wurden, von selbst aus, da sowohl die Zahl der Bilder wie vor allem die hohe Auflage eine so kostspielige Technik nicht ermöglichen würden.414

Bei dieser Angelegenheit ging es für den Verlag, der ja noch am Anfang stand, sowohl um das Vertrauen der Künstler und deren Bereitschaft, weitere Werke zusammen mit dem Propyläen-Verlag zu realisieren, als damit auch insgesamt um das angestrebte Renommee als ernstzunehmender Kunst- und Literaturverlag. Nach außen hin versuchte man deshalb alles, um sich des Eindrucks zu erwehren, man hätte das Buch durch den gewählten Titel in bewusst irreführender Weise in den Bereich der Originalgraphik rücken wollen. Der Verlag kam der Forderung Cassirers nach

413 Ebd. 414 Carl Ferdinand Reinhold an Max Slevogt am 10.12.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100).

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einer „Richtigstellung für die Öffentlichkeit“415 nach, indem er die noch nicht verkauften Exemplare des Waldläufers mit einem neuen Titelblatt versehen ließ, das auf den Titel „Mit Steindrucken nach 65 Zeichnungen von M. S.“ lautete. Man druckte neue Prospekte für das Buch und auch in den Ankündigungen wurde der Text entsprechend geändert. Reinhold wies Slevogt darauf hin, dass man allerdings weder die bereits verkauften Exemplare zurückfordern noch den Preis herabsetzen könne. Letzteres war aufgrund der hohen Herstellungskosten für den Verlag „geschäftlich nicht denkbar“.416 Da die Titelfindung allein in der Verantwortung der Redaktion gelegen hatte, bat man Slevogt, alle Reklamationen direkt an den Verlag zu verweisen, der für eine entsprechende Aufklärung sorgen wollte. Da Propyläen jedoch wissentlich und in der Verantwortung von mindestens zwei Experten wie Elias und Reinhold die Bezeichnung „Steinzeichnungen“ für ein Werk verwendet hatte, bei dem der Künstler selbst nicht mit dem Stein in Berührung gekommen war, lässt letztlich die Annahme zu, dass der Verlag mit dem Titel durchaus eine kalkulierte „Aufwertung“ des Buches vorzunehmen gedacht hatte. Man hatte nicht mit Bruno Cassirers Hartnäckigkeit gerechnet, der die Angelegenheit noch Jahre später verfolgte. Nachdem trotz „wiederholter Vorstellungen“ und „Vorhaltungen“ der Kunsthändler Graupe den Waldläufer weiterhin in seinem Auktionskatalog „mit zahlreichen Originallithographien“ anzeigte, bat Cassirer Slevogt im Jahr 1927, „Graupe diese falschen Angaben ein für alle Mal […] zu untersagen“.417 Cassirers Sorge um die Diskreditierung der übrigen graphischen Publikationen Slevogts bezog sich vor allem auf seinen eigenen Verlag, in dem die meisten illustrierten Bücher Slevogts erschienen waren. Als Verleger und Graphikhändler war Bruno Cassirer der Hauptvertreter Slevogts und damit auch der „Verwalter der Vervielfältigungsrechte“ für dessen Werk.418 Für den Propyläen-Verlag spielte er somit eine wichtige Rolle, da er großen Einfluss auf Slevogt, den Graphikmarkt insgesamt und die Preisgestaltung ausüben konnte.419 Trotz der Missbilligung Cassirers aufgrund der vorangegangenen Auseinandersetzungen um den Waldläufer gelang es Elias bereits ein halbes Jahr später, Slevogt

415 Bruno Cassirer an den Propyläen-Verlag am 5.12.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 416 Carl Ferdinand Reinhold an Max Slevogt am 10.12.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 417 Bruno Cassirer an Max Slevogt am 26.4.1927 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). Noch heute findet man in den Beschreibungen des bei Propyläen erschienenen Waldläufers, z. B. auf Antiquariatsplattformen wie dem ZVAB, die irreführenden Hinweise auf die angeblichen „Original-Lithographien“ Slevogts. 418 Bruno Cassirer an den Propyläen-Verlag am 5.12.1921 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 419 Vgl. Bruno Cassirer an Max Slevogt am 8.12.1924 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100).

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wieder für ein gemeinsames Projekt zu gewinnen.420 Slevogt hatte sich bereit erklärt, für die Illustration des Tulifäntchens, einer satirisch-komischen Verserzählung von Immermann, „etwa 20 (zwanzig) Radierungen“ in Form von ganzseitigen Bildern, Textillustrationen und Vignetten zu liefern. Der Vertrag ging Slevogt am 28. Juli 1922 zu.421 Die Unterschrift des Künstlers sollte jedoch noch einige Monate auf sich warten lassen. Slevogt hegte eine ähnliche Abneigung gegen vertragliche Festlegungen wie Liebermann.422 Dem Verlag hingegen war daran gelegen, den Vertrag möglichst zeitnah zum Abschluss zu bringen, um sich das Werk zu sichern und dieses in der Planung entsprechend berücksichtigen zu können. Elias schrieb diesbezüglich an Slevogt: „Ich wäre Ihnen persönlich sehr dankbar, wenn Sie den Tulifäntchen-Vertrag, den ich ganz nach Ihren Wünschen eingerichtet habe, bald unterzeichnen wollten, damit diese Angelegenheit, an die Sie später con amore herantreten könnten, wenigstens jetzt zu den Akten gelangt.“423 Zu Beginn des Jahre 1923 stand die Unterschrift Slevogts jedoch nach wie vor aus, obwohl man bereits die Details des Druckes, das Format der Zeichnungen und die Schriftart des Textes diskutierte. Zusammen mit einem geklebten Exemplar des Textes übersandte der Verlag am 27. Januar einen weiteren geänderten Vertragsentwurf an Slevogt, begleitet sowohl von einem Schreiben von Herz als auch von Reinhold. Im Februar erhielt der Künstler die Druckproben des Textes, wobei sich der Verlag für die „Jean PaulFraktur, die Heger in Hellerau besitzt“, aussprach. Man wartete außerdem auf die Freigabe des Formates für die Radierungen Slevogts, denn der Verlag organisierte den Zuschnitt der Kupferplatten, die anschließend dem Künstler zugeschickt wurden. Am 15. März ging Slevogt ein erneuter Vertragsentwurf zu, in dem auf seinen Wunsch hin das Honorar geändert worden war. Statt einer Tantieme in Höhe von 10 Prozent vom Ladenpreis erhielt Slevogt nun „die Hälfte des Reingewinns, den das Werk dem Verlage bringt.“424 Dies war die übliche Honorierung Slevogts auch

420 Bruno Cassirer an Max Slevogt am 17.12.1923 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100): „Dass der Propyläen-Verlag nach der Blamage mit dem ‚Waldläufer‘ nun wieder ein Radierwerk von Ihnen herauszugeben in der Lage ist, ist für mich wirklich sehr schmerzlich, aber ich hoffe, dass Sie nach Ihrer Rückkehr für mich wieder ein Buch mit Kreidelithographien machen werden. […] in Erwartung dieses neuen Buches tröste ich mich über die Konkurrenz des Propyläen-Verlages.“ 421 Vgl. Julius Elias an Max Slevogt am 28.7.1922 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). Das Werk erschien 1923 in einer Auflage von 300 Exemplaren. 422 Vgl. Julius Elias an Gerhart Hauptmann am 15.8.1924 (Berlin, StaBi, Nachlass Elias, Kiste 2, Hauptmann, Gerhart, 2, 2): „Viele Künstler sind gegen vertragliche Bindungen, wie Liebermann und Slevogt.“ Vgl. auch Paul Cassirer an Max Slevogt am 14.2.1918 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100): „Wir brauchen natürlich keinen Vertrag, Sie machen die ‚Zauberflöte‘. Das Honorar ist bestimmt und mein Angebot, das ich noch einmal wiederhole der Genauigkeit halber, […], wird die Grundlage sein, für die spätere Schlussabrechnung.“ 423 Julius Elias an Max Slevogt am 28.7.1922 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 424 Vgl. Vertragsentwurf, ohne Datierung, und Carl Ferdinand Reinhold an Max Slevogt am 15.3.1923 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100).

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bei Paul und Bruno Cassirer.425 Als Reingewinn galt „die Summe der erzielten Einnahmen abzüglich aller Herstellungs- und Vertriebskosten des Verlages“.426 Slevogt war, besonders in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, als Künstler „so geschätzt“427, dass er „jeden Preis verlangen“428 konnte. Dementsprechend geschäftstüchtig verhandelte er mit seinen Verlegern. Bei Propyläen hatte er bereits bei seinem ersten Werk, dem Märchenbuch, ein höheres Honorar verhandelt. Nach Besprechungen mit Elias ließ er die im Vertrag vorgesehene Garantiesumme in Höhe von 10 000 Mark, abziehbar vom späteren tatsächlichen Honorar, in ein garantiertes „besonderes Honorar, zahlbar nach Ablieferung der Zeichnungen“ umwandeln.429 Weitere, nicht für den unmittelbaren Druck innerhalb der Bücher angefertigte Zeichnungen, z. B. die der Luxusausgabe des Märchenbuches beigegebene Radierung, wurden ohnehin über das Beteiligungshonorar hinaus zusätzlich vergütet. Lovis Corinth Auch Lovis Corinth fand seinen Weg zu Propyläen über Elias, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband.430 Corinth gehörte wie Elias dem engeren Kreis um Walter Leistikow an. Nach seiner Übersiedlung von München nach Berlin im Jahr 1901 wurde er Mitglied der Berliner Sezession. Corinth stand zu Beginn seiner Berliner Zeit bei Paul Cassirer unter Vertrag, mit dem er sich später allerdings in Auseinandersetzung um den Vorsitz und schließlich Spaltung der Berliner Sezession überwerfen und den Kontakt zu ihm weitgehend abbrechen sollte.431 Nach dem Zerwürfnis mit Paul Cassirer arbeitete Corinth mit Fritz Gurlitt zusammen, in dessen Verlag die meisten seiner illustrierten Werke erschienen. Während Propyläen von Slevogt nur wenige und eher unbedeutende Werke herausbrachte, konnte sich der Verlag aufgrund der freundschaftlichen Verbindung zwischen Corinth und Elias zum zweitwichtigsten Verlag Corinths etablieren. Insgesamt wurden fünf Bücher bzw. Mappenwerke mit Illustrationen von Corinth bei Propyläen herausgegeben.

425 Vgl. z. B. die Verträge zu Die Inseln Wak Wak (15.7.1921), Schwarze Szenen (Bruno Cassirer an Max Slevogt am 24.11.1921) oder auch die Mappenausgabe zu Der König Drosselbart (Bruno Cassirer an Max Slevogt am 29.3.1922) (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 426 Entwurf Verlagsvertrag, ohne Datierung (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 427 Paul Cassirer an Max Slevogt am 18.3.1918 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 428 Julius Elias, der sich hier auch auf die Bilder Slevogts bezieht, an Max Slevogt am 2.12.1922 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 429 Emil Herz an Max Slevogt am 12.4.1920 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). 430 Vgl. Butts, Corinth als Graphiker, S. 80. Vgl. auch die Anmerkung in Lovis Corinth. Eine Dokumentation. Zusammengestellt von Thomas Corinth. Tübingen: Wasmuth 1979, S. 288: „Dr. Elias und Gattin kannte Corinth lange Jahre und hatte als Junggeselle Heiligabende um die Jahrhundertwende bei Elias verbracht.“ 431 Vgl. hierzu Achenbach, Die Rolle Max Liebermanns.

4.2 Programmbereich Kunst

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Corinths erste produktive Schaffensphase im Bereich der Graphik in den 1890er Jahren war deutlich beeinflusst von Max Klinger (1857–1920) und dessen Abhandlung Malerei und Zeichnung. 1891 erschienen, setzte sie sich mit den Wirkungsmöglichkeiten von Zeichnung und Druck auseinander und schrieb diesen eine vom Gemälde unabhängige, autonome Bedeutung zu. Klinger hatte damit die graphische Kunst in „eine regelrechte Aufbruchstimmung“ versetzt, die Künstler wie beispielsweise Käthe Kollwitz dazu veranlasste, sich ausschließlich der Graphik zuzuwenden.432 Corinths wichtigstes Werk aus dieser Zeit war eine Serie von neun Radierungen, die 1894 unter dem Titel Tragikomödien erschien. In den folgenden Jahren wandte sich Corinth wieder hauptsächlich der Malerei zu, mit der er zu einem der bekanntesten Künstler Deutschlands werden sollte. Sein 1908 wiedererwachtes Interesse an der Graphik lässt sich auf seine Freundschaft zu Hermann Struck (1876– 1944) zurückführen, der sich vor allem für die Technik der Radierung einsetzte und hierüber 1908 bei Cassirer das Werk Die Kunst des Radierens veröffentlichte. Struck galt Corinth als „enthusiasmierter, passionierter Graphiker“, dem es gelingen sollte, Corinths „Können für die Nadel“ erneut zu aktivieren.433 Denn Struck unterstützte Corinth bei der technischen Ausführung der Druckvorgänge, die diesen stets verdrossen und die er als „unerfreulich“ und schwierig empfunden hatte.434 Um Corinth zu einer Zusammenarbeit gewinnen zu können, waren seine Verleger darauf bedacht, ihm die Arbeit an seinen Drucken und das anschließende Signieren der Blätter weitgehend zu erleichtern. Der Propyläen-Verlag garantierte dem Künstler beispielsweise die Zusammenarbeit mit dem von ihm gewünschten Drucker. So hatte man für den Druck der Kompositionen den Berliner Drucker Alfred Ruckenbrod unter Vertrag nehmen können, mit dem Corinth bereits sehr vertraut war und der versprach, dem Künstler „diese Arbeit so bequem wie möglich zu machen“.435 Die bei Propyläen erschienenen Werke Corinths zählen zu den wichtigsten graphischen Werken des Künstlers. Sie entstanden in den letzten Jahren vor seinem Tod, in denen Corinth zwischen 1918 und 1925 noch einmal eine besonders produktive Phase verzeichnen konnte. Das Spätwerk Corinths war gekennzeichnet von einem ausdrucksstärkeren Stil, der nicht nur auf die allgemeine Hinwendung zum Expressionistischen zurückzuführen ist, sondern auch auf seine persönliche Situation.436 Corinths Stilwechsel von der möglichst perfekten „Beherrschung von Form

432 Butts, Corinth als Graphiker, S. 78. 433 Ebd., S. 79. 434 Ebd. 435 Ebd., S. 80. 436 Was letztlich den Ausschlag über die Stiländerung gab, darüber ist sich die Forschung uneinig. Lang, Impressionismus und Buchkunst, S. 110, geht von einer Reaktion Corinths auf neue künstlerische Einsichten und Errungenschaften aus, während Butts, Corinth als Graphiker, S. 82, die Meinung vertritt, dass „Corinths Hinwendung zu einem ausdrucksstärkeren Stil […] allerdings eher persönliche Ursachen“ hatte.

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und Detail“ schlug um in einen freieren, expressiv-eindringlichen Stil, der unter anderem seinem schwierigen Gesundheitszustand nach dem Schlaganfall im Jahr 1911 und der damit einhergehenden Depression sowie der Sorge auch um die politischen Zustände in Deutschland geschuldet war.437 Corinth betonte nun vor allem „das Unzusammenhängende, Flüchtige und Fragmentarische“ in seinen Bildern.438 Ähnlich der Werke Slevogts ließen sich Corinths Buchillustrationen nicht den buchästhetischen Gesetzen zweckgebundener Buchkunst unterordnen, sondern dominierten vielmehr in ihrer Ausdrucksstärke über den zu illustrierenden Text.439 Auf die Mappe Kompositionen aus dem Jahr 1921, die zehn Originalradierungen Corinths enthielt und in einer geringen Auflage von nur 100 Exemplaren erschien, folgte 1922 Gullivers Reise ins Land der Riesen. Das Werk wurde in einer Auflage von 400 Exemplaren herausgegeben, die mit 25 Originallithographien illustriert waren. „Den Druck des Textes besorgten die Gebrüder Mann, Berlin, die Lithographien wurden von Hermann Birkholz, ebenfalls Berlin, auf der Handpresse abgezogen.“440 Die Ausstattung war gestaffelt, sodass bei den Nummern 1 bis 25 sämtliche Lithographien auf Japanpapier vom Künstler handsigniert worden waren und eine signierte Radierung beigegeben war. Die Nummern 26–200 wurden beim Druckvermerk signiert und enthielten zudem eine signierte Radierung auf Kaiserlich Japan, und die Nummern 201–400 waren schließlich nur beim Druckvermerk signiert worden. Neben der Buchausgabe gab Propyläen im darauffolgenden Jahr außerdem eine Mappenausgabe von Gullivers Reise ins Land der Riesen in einer Auflage von nur sechs Exemplaren heraus. Im selben Jahr erschien bei Propyläen Saul und David. Die beiden Brüder Samuels, das eine Radierung und 56 Lithographien Corinths enthielt und in einer Auflage von 300 in ihrer Ausstattung gestaffelten Exemplaren hergestellt wurde. Daneben erschien noch eine weitere Mappe mit dem Titel Vision in einer Auflage von 100 Exemplaren. Trotz der offensichtlich expressionistischen Einflüsse entsprechen auch Corinths Illustrationen mit ihrer Konzentration auf das Phantastische, Mystische und auf biblische Themen dem bevorzugten Themenkanon der impressionistischen Buchillustration. Lovis Corinths Nachtwachen des Bonaventura bildeten den Abschluss der originalgraphischen Kunstproduktionen im Propyläen-Verlag und waren gleichzeitig das letzte Werk bei Propyläen, an dem Corinth arbeiten sollte. Der Vertrag für die „einmalige Luxus-Ausgabe“, der die Lieferung von „ungefähr 30 Original-Lithographien und eine[r] Radierung“ vorsah und Propyläen „das alleinige Verlagsrecht an diesen Bildern“ übertrug, war bereits am 18. November 1923 abgeschlossen wor-

437 Butts, Corinth als Graphiker, S. 82. 438 Lang, Impressionismus und Buchkunst, S. 110. 439 Vgl. ebd. 440 Druckvermerk in Jonathan Swift: Gullivers Reise ins Land der Riesen. Berlin: Propyläen 1922.

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den.441 Corinth lieferte 22 Lithographien, die von A. Rogall in Berlin auf der Handpresse abgezogen wurden, und die vorgesehene Radierung. Anschließend schien es zu Verzögerungen in der Herstellung des Werkes gekommen zu sein. Da die letzte Rate von Corinths Honorar allerdings erst „nach vollständigem Verkauf der Vorzugsausgabe“ fällig werden sollte, beschwerte sich der Künstler am 12. März 1925 bei Herz, dass „noch nicht einmal mit dem Druck der Luxusausgabe, geschweige denn mit dem Verkauf begonnen worden“ sei.442 Corinth verstarb schließlich am 17. Juli 1925 und konnte einen Teil der Auflage nicht mehr signieren, „so daß die Exemplare in dem Zustand zur Ausgabe gelang[t]en, in dem der Künstler sie hinterlassen hat[te]“443. Von der ursprünglich geplanten Auflage in Höhe von 300 nummerierten Exemplaren wurden lediglich 200 Exemplare hergestellt.444 Mappen Propyläen trat jedoch nicht nur als Herausgeber kostbarer illustrierter Bücher auf, sondern auch als Verleger vom Buch unabhängiger Graphik. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Graphikmappe Kleine Welten von Wassily Kandinsky (1866– 1944). Dieser war Ende 1921 von Moskau nach Berlin übergesiedelt und wurde 1922 an das Staatliche Bauhaus zu Weimar berufen. Dort entstand im selben Jahr die Künstlermappe „für den Propyläen-Verlag […] nach Angaben des Künstlers“.445 Sie beinhaltete vier Kaltnadelradierungen, vier zum Teil farbige Holzschnitte sowie vier Farblithographien und erschien in einer nummerierten Auflage von 30 auf Japanpapier gedruckten Exemplaren in Ganzpergamentmappen und 200 auf Büttenpapier gedruckten Exemplaren in Halbledermappen.446 Die Herausgabe dieser noch heute bei Sammlern begehrten Bauhauspublikation447 steigerte das Ansehen des Propyläen-Verlags, denn das Weimarer Bauhaus stand für die Förderung von Künstlern und manuellen Druckverfahren „jenseits kommerzieller Interessen“, bei der „programmatisch-konzeptionelle Überlegungen“448 im Vordergrund standen. Ebenfalls

441 Verlagsvertrag von Lovis Corinth vom 18.11.1923 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 442 Vgl. Lovis Corinth an Emil Herz am 12.3.1925, zitiert nach Lovis Corinth. Eine Dokumentation. 443 Druckvermerk in Ernst August Friedrich Klingemann: Die Nachtwachen des Bonaventura. Berlin: Propyläen 1925. 444 Vgl. Laabs, und erhoffe mir, S. 174, der andere Zahlen zugrunde legt, die allerdings weder mit der Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) und dem Druckvermerk im Werk bezüglich der (hier angegebenen) Auflagenzahl noch mit den Angaben im Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929 (Frankfurt/M., AdB) bezüglich der Anzahl der letztendlich abgedruckten Lithographien übereinstimmen. 445 Druckvermerk in Wassily Kandinsky: Kleine Welten. Berlin: Propyläen 1922. 446 Vgl. ebd. und Peters, Kunstverlage, S. 482. 447 Vgl. Laabs, und erhoffe mir, S. 171. 448 Peters, Kunstverlage, S. 482.

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als reine Graphikfolge brachte der Propyläen-Verlag 15 Blätter von Emil Orlik aus einer Reihe von Radierungen heraus, die während der zweiten Ostasienreise des Künstlers in Ägypten entstanden und bereits 1913 auf einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert worden waren.449 Die Mappe erschien im Jahr 1922 unter dem Titel Aus Ägypten, versehen mit einem Vorwort von Julius Elias, in einer Auflage von 110 Exemplaren.450 In der Propyläen-Mappe, die im Jahr 1923 in derselben Auflage herausgegeben wurde, erschienen acht jeweils signierte Radierungen von Liebermann, Slevogt, Corinth, Meid, Orlik, Lesser Ury, Ulrich Hübner (1872–1932) und Max Pechstein. Insgesamt sind die Originalgraphik-Produktionen des Propyläen-Verlags als durchweg konventionell zu bewerten. Sie spiegeln den allgemeinen Stil der zeitgenössischen Pressendrucke wider, die „weitestgehend traditionsorientiert“ gestaltet waren, sich „stark auf die Vergangenheit“ und „das dauerhaft Gültige bezogen“ und so „nahtlos an den Stil vor 1914“ anknüpften.451 Somit entsprach man auch bei Propyläen den Ansprüchen des Zielpublikums, das sich größtenteils aus dem wohlhabenden Bürgertum rekrutierte, dessen Geschmack sich an den Konventionen der Vorkriegszeit orientierte.452 Bei der Themenwahl für die zu illustrierenden Werke standen die von den Impressionisten bevorzugten historischen, mystischen und biblischen Stoffe im Vordergrund.453 Die Texte waren zudem meist gemeinfrei und ohne weiteres in der Bibliothek zu beschaffen, sodass der Verlag, ähnlich wie im Programmbereich Literatur, zusätzliche Autorenhonorare einsparen konnte.454 Der Versuch, die Texte bekannter zeitgenössischer Schriftsteller für ein Illustrationswerk zu gewinnen, scheint dem Verlag lediglich in einem Fall im Bereich der Reproduktionsgraphik gelungen zu sein.455 Das von George Grosz (1893–1959) illustrierte Werk Kobes von Heinrich Mann erschien bei Propyläen im Jahr 1925 in einer Auflage von 5000 Exemplaren.456 Darüber hinaus ist ein Werk des allerdings unbekannt ge-

449 Vgl. Europäische Moderne. Buch und Graphik aus Berliner Kunstverlagen 1890–1933. Ausstellung der Kunstbibliothek Berlin in der Sonderausstellungshalle der Staatlichen Museen, Berlin Dahlem, 12.5.–2.7.1989. Hrsg. von Lutz S. Malke. Berlin: Reimer 1989, S. 97. 450 Das Vorwort von Elias konnte nicht ausfindig gemacht werden. Die Blätter der Mappe sind heute einzeln antiquarisch für einen Preis zwischen 300 und 500 Euro pro Blatt erhältlich. 451 Lucius, Buchgestaltung und Buchkunst, S. 336. 452 Vgl. ebd. 453 Vgl. Lang, Impressionismus und Buchkunst, S. 80. 454 Vgl. Abschn. 4.1. Für die Ausgabe Gullivers Reisen ins Land der Riesen, illustriert von Lovis Corinth, recherchierte man z. B. in der Staatsbibliothek zu Berlin nach dem passenden Text. Vgl. Fischer, Dienstboten, Brecht und andere, S. 227. 455 Vgl. Abschn. 4.2.1 zu dem Versuch, Hauptmann für ein entsprechendes Werk zu gewinnen. 456 Über die Zusammenarbeit von George Grosz mit dem Propyläen- bzw. dem Ullstein Verlag im Bereich Kunstbuch wurden keine Dokumente aufgefunden. Das Archiv der Akadamie der Künste in Berlin, wo Grosz’ Nachlass lagert, bewahrt lediglich einige Schriftwechsel von Grosz mit den Redak-

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bliebenen Autors Hartmut Walter Alice und andere Novellen457 zu nennen, das mit Illustrationen Slevogts versehen 1922 im Propyläen-Verlag in einer Auflage von 2015 Exemplaren und einer Luxusausgabe in einer nummerierten Auflage von 150 Exemplaren mit einer eingebundenen Radierung erschien. Der Einsatz originalgraphischer Verfahren konzentrierte sich bei Propyläen auf die Lithographie und die Radierung. Obwohl letztere eigentlich in der Weimarer Republik „gegenüber dem Holzschnitt deutlich zurück[trat]“458, wurde sie bei Propyläen fast ebenso häufig zur Illustrierung von Texten oder zur Bestückung von Graphikmappen eingesetzt wie die Lithographie. Diese galt insgesamt als „das unkomplizierteste und am häufigsten verwendete originalgraphische Verfahren“459. Der Radierung bediente sich bei Propyläen vor allem Steiner-Prag und man setzte sie als hochwertige Beigabe zur Wertsteigerung der Produktionen ein. Der Holzschnitt trat in den Produktionen des Propyläen-Verlags hingegen selten in Erscheinung.460

4.2.3 Monographien und Reihen Monographien Neben der Originalgraphik zeichnete sich der Verlag außerdem durch hochwertige Produktionen im Bereich der Reproduktionsgraphik aus. Zum einen handelte es sich dabei ebenfalls um Buchillustrationen und Zeichnungssammlungen einzelner Künstler in Mappen- oder Buchform. Von Wilhelm Trübner erschien 1921 in einer Auflage von 700 Exemplaren eine Sammlung Handzeichnungen, die von Julius Elias ausgewählt und mit einer Einleitung versehen worden war. Von Käthe Kollwitz folgten 1923 acht Kreidezeichnungen zum Thema Abschied und Tod, die im mehrfarbigen Offsetdruck wiedergegeben waren. Die Ausgabe umfasste 300 nummerierte Exemplare. Sie wurde von dem mit Kollwitz gut bekannten Gerhart Hauptmann eingeleitet461 und von Julius Elias herausgegeben. 1925 erschienen zudem 50 Hand-

tionen der BIZ und der Dame auf. Das Buch ist heute antiquarisch für den Preis von 200 bis 300 Euro erhältlich. 1969 wurde bei Propyläen ein Nachdruck der Ausgabe von 1925 veranstaltet. 457 Vgl. Julius Elias an Max Slevogt am 3.12.1920 (Speyer, LBZ/Pfälzische Landesbibliothek, N 100). Elias spricht allerdings von Hartmut Griesinger, während das Buch dann unter dem Namen „Hartmut Walter“ veröffentlicht wurde. 458 Peters, Kunstverlage, S. 481. 459 Ebd. 460 Lediglich in Vater unser, illustriert mit 12 Originalholzschnitten von Max Pechstein, und der Mappe Kleine Welten von Kandinsky. 461 Vgl. Astrid Böttcher: „Als ich Sie kennenlernte waren Sie sehr jung – ich auch“ – Käthe Kollwitz und Gerhart Hauptmann. In: Käthe Kollwitz und ihre Freunde. Katalog zur Sonderausstellung anlässlich des 150. Geburtstages von Käthe Kollwitz. Hrsg. vom Käthe-Kollwitz-Museum Berlin. Berlin: Lukas 2017, S. 31–34.

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zeichnungen von E. T. A. Hoffmann in einer einmaligen Auflage von 550 Exemplaren. Zum anderen erschienen bei Propyläen mit Reproduktionsgraphik ausgestattete Künstlerbiographien und Sammelwerke, die das künstlerische Schaffen innerhalb einer bestimmten Epoche oder eines Kulturkreises zum Thema hatten. So rundete beispielsweise Julius Elias das originalgraphische Programm des Verlags mit der Herausgabe der Handzeichnungen deutscher Impressionisten ab. Das Werk sollte die „im Ablauf begriffene[…] Malerschule noch einmal in energischer Rückschau“462 zusammenfassen und legte dabei seinen Schwerpunkt auf die Berliner Sezession. Es wurde 1921 in unterschiedlichen Ausgaben in einer Auflage von 330 Exemplaren herausgegeben. Im selben Jahr erschienen die Handzeichnungen deutscher Meister des 15. und 16. Jahrhunderts, zusammengestellt von Max J. Friedländer und Elfried Bock, in einer Auflage von 598 Exemplaren, „die sehr schnell vergriffen war“463. Im Jahr 1922 folgten Gotische Holzschnitte, herausgegeben von Kurt Glaser, in einer Luxus-Ausgabe von 100 Exemplaren und einer gewöhnlichen Ausgabe von 2201 Exemplaren. Die Frühen Japanischen Holzschnitte, zusammengestellt aus der Sammlung Straus-Negbaur,464 brachte der Verlag schließlich 1925 in einer deutschen und einer englischen Ausgabe zu je 375 Exemplaren heraus. Mit den als Einzelausgaben herausgegebenen Künstlerbiographien knüpfte der Verlag eng an die Reihe Die führenden Meister (s. u.) an und zeigte sein Engagement für aktuellere Kunstströmungen. Max Osborn veröffentlichte 1922 eine Monographie über Max Pechstein, welche die früheste Würdigung des „Brücke“- Künstlers und Begründers der „Neuen Sezession Berlin“ darstellte.465 Max J. Friedländer verfasste für den Propyläen-Verlag eine Biographie über Max Liebermann, die im Jahr 1924 erschien, und Alfred Kuhn gab 1925 ein Werk über Lovis Corinth heraus. Neben den „Klassikern der Kunst“, die bei den Führenden Meistern vertreten waren, wollte man sich hiermit nun den „großen Künstlern des neunzehnten Jahrhunderts“466 widmen. Das Propyläen-Programm wurde auf diese Weise um die Biographien der wichtigsten Vertreter der Berliner Sezession vervollständigt.467 Alle Werke waren mit mehr als 100 Abbildungen versehen. Den Vorzugsausgaben der Liebermann- und der

462 Verlagsprospekt (Marbach, DLA). 463 Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 109. Das Werk, das der Verlag rechtzeitig für den Weihnachtsverkauf des Jahres 1921 herausgebracht hatte, war beim Publikum so gut angekommen, dass den Autoren ein „Nachtragshonorar von […] zweitausend Mark“ gezahlt wurde. 464 Vgl. Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 109. 465 Vgl. Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 290. 466 Vgl. Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 110. 467 Osborns Pechstein-Biographie erschien in zwei unterschiedlich ausgestatteten Vorzugsausgaben zu jeweils 50 Exemplaren und in einer regulären Ausgabe mit einer Auflage von 2893 Exemplaren. Friedländers Liebermann-Biographie wurde in einer Vorzugsausgabe zu 100 Exemplaren und einer gewöhnlichen Ausgabe zu 2879 Exemplaren herausgegeben. Kuhns Corinth-Biographie kam in einer Auflage von 2000 Exemplaren auf den Markt.

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Pechstein-Monographie hatte man signierte Originalgraphiken beigelegt.468 Im Falle Pechsteins war für deren Beschaffung Max Osborn persönlich verantwortlich. Er hatte sich zudem vertraglich verpflichtet, „Pechstein zu veranlassen, dem Propyläen-Verlag eine Mappe Original-Graphiken als besonderes Werk zum Verlag zu übergeben“.469 Des Weiteren ist die Biographie Ulrich Christoffels über Buonaventura Genelli. Aus dem Leben eines Künstlers zu nennen, Hermann Uhde-Bernays gab die Erinnerungen der Malerin Louise Seidler heraus, Lothar Brieger das Werk Wilhelm Tischbein. Aus meinem Leben und Hans Mackowsky veröffentlichte die Briefe, Tagebücher, Gedanken von Karl Friedrich Schinkel. Alle Ausgaben erschienen im Jahr 1922, waren in Halbledereinbände gebunden und hatten eine Auflage von ca. 4000 Exemplaren. Diese Bände sollten den Beginn einer Reihe einleiten, in der der Verlag beabsichtigte, „autobiographische Aufzeichnungen und Briefe von Künstlern des 19. Jahrhunderts“ herauszugeben.470 Im Folgejahr erschien noch der Band Lebenserinnerungen eines deutschen Malers. Ludwig Richter von Max Lehrs, der wohl durch einen Herausgeberwechsel471 erst später fertig geworden war. Darüber hinaus wurde die Reihe jedoch nicht fortgesetzt. Die führenden Meister In den Jahren 1921 bis 1926 gab der Propyläen-Verlag die Reihe Die führenden Meister heraus, in der die Biographien „solcher Altmeister“ erschienen, „die in dem Kunst- und Kulturbewusstsein der […] Menschen stark und bestimmend weiterleben und eine wesentliche und befruchtende Wirkung auf das moderne Kunstschaffen ausüben.“472 Die Reihe sollte „die großen Namen aus der Kunstgeschichte der Italiener, Niederländer, Spanier, Franzosen und Deutschen“473 umfassen. Den Anfang machte Wilhelm von Bode mit Sandro Botticelli. Neben den für die Reihe üblichen Halbleinen- und Halbleder-Ausgaben erschien von diesem Werk eine kostbare Vorzugsausgabe von 200 nummerierten Exemplaren, gebunden in einen Ganzledereinband mit Handvergoldung. Sie war mit einem „Supplement“ versehen, bestehend

468 Die Luxusausgabe der Pechstein-Biographie wirkte nach Puchert „wegbereitend für spätere Editionen der sechziger und siebziger Jahre“. Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 291. 469 Verlagsvertrag von Max Osborn vom 27.12.1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 470 Verlagsvertrag von Rudolf Oldenbourg vom 23.7.1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags). 471 Ursprünglich sollte der Band von Rudolf Oldenbourg herausgegeben werden, vgl. Verlagsvertrag mit dem Autor vom 23.8.1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 472 Verlagsprospekt (DLA Marbach). Vgl. auch Verlagsvertrag von Max J. Friedländer vom 27.5.1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 473 Verlagsvertrag von Max J. Friedländer vom 27.5.1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.).

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aus einer Ganzledermappe mit „11 Faksimiledrucken nach den Zeichnungen Botticellis zu Dantes Göttlicher Komödie“. Im Jahr 1922 folgten drei weitere Bände: Pieter Brueghel von Max J. Friedländer, Tizian von Emil Waldmann (1880–1945) und Antoine Watteau von Edmund Hildebrandt (1872–1939). Bis 1926 erschien dann jährlich ein Band der Reihe: 1923 Wilhelm Hausensteins Giotto, 1924 Velazquez von August L. Mayer (1885–1944) und schließlich 1926 Hans Holbein d. J. von Ulrich Christoffel (1891–1975). Auch bei dieser Reihe lässt sich die Entwicklung der Absatzmöglichkeiten für wertvolle Bücher in den frühen zwanziger Jahren an den Auflagenzahlen ablesen. Denn während Bodes Botticelli und Hildebrandts Watteau 1921 und 1922 noch in einer Auflage von 8500 bzw. 7100 Exemplaren erschienen, hatte der Verlag die Auflage bei den letzten Bänden aus den Jahren 1925 und 1926 auf 2000 bzw. 3000 Exemplare reduziert. Die von Hugo Steiner-Prag gestalteten Bände waren mit ca. 100 meist ganzseitigen Abbildungen ausgestattet, der Umfang des Textes war vertraglich auf „250–300 Druckseiten“ festgelegt.474 Die Reihe sollte „wissenschaftlich und populär gleichzeitig sein“, indem die Autoren einerseits den Künstler „als Menschen“ darzustellen und seine Kunst dem Leser „so nahe wie möglich zu bringen“475 suchten und andererseits indem sie neue kunstwissenschaftliche Erkenntnisse in den Werken verarbeiteten und darlegten.476 Skizzenbücher Mit den Skizzenbüchern wurden finanziell schwächer gestellte Kunstinteressierte angesprochen. Für einen „erschwingliche[n] Ladenpreis“477 von 4 Mark pro Band konnten ausgewählte Handzeichnungen der Künstler Albrecht Altdorfer, Leonardo da Vinci, Jean-Honoré Fragonard, Francisco de Goya, Adolph Menzel und Raffael erworben werden. Die einzelnen Bände waren mit einer kurzen, drei- bis vierseitigen Einleitung versehen, für die man „bedeutende Fachmänner“478 hatte gewinnen können. Die meisten waren dem Verlag bereits durch weitere Kunstpublikationen verbunden, wie z. B. von Bode, Friedländer, Bock oder auch August L. Mayer. Die als Broschuren erschienenen Bände enthielten jeweils 32 ganzseitige Lichtdrucktafeln auf Kupferdruckpapier. Der Propyläen-Verlag bediente sich damit einer in dieser Zeit beliebten Methode zur Imitation wertvoller Handkupferdrucke.479 Die ersten vier Skizzenbücher (Fragonard, Goya, Raffael, da Vinci) wurden von Propyläen im Jahr 1924 herausgegeben, ihre Auflage betrug ca. 5000 Exemplare. 1926 wurde sie mit Er-

474 475 476 477 478 479

Ebd. Ebd. Vgl. ebd. Aus dem Propyläen-Verlag. In: Der Querschnitt 4 (1924), Heft 5, S. 320. Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929 (Frankfurt/M., AdB). Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 477.

4.2 Programmbereich Kunst 

187

scheinen der letzten beiden Hefte (Altdorfer, Menzel) in Anbetracht der verminderten Absatzmöglichkeiten für Kunstliteratur auf 3000 Exemplare herabgesetzt.

4.2.4 Propyläen-Kunstgeschichte Die Idee zur Herausgabe einer Kunstgeschichte kann im Vertragsarchiv des Ullstein Verlags bis in das Jahr 1912 zurückverfolgt werden. Am 28. November dieses Jahres unterzeichnete Max Osborn einen Vertrag mit demUllstein Verlag, der ihn als Mitherausgeber für eine „populäre Kunstgeschichte“ vorsah, die „sich hinsichtlich Ausstattung, Format und Bändezahl an die sechsbändige, bei Ullstein in den Jahren 1908 bis 1910 erschienene Weltgeschichte[480] anlehnen“ sollte.481 Als prestigeträchtigen Hauptherausgeber hatte man Wilhelm von Bode gewinnen können, als weiterer Mitherausgeber war Prof. Dr. Karl Koetschau, der damalige Leiter des KaiserFriedrich-Museums, vorgesehen. Als Mitarbeiter des Verlags kam Osborn wohl vor allem eine koordinierende Funktion zu, außerdem „gehörte die Lieferung von Einleitungen zu den einzelnen Bänden oder zu einzelnen Abschnitten dieser Bände […] zu [seinen] Obliegenheiten“. Bei „Meinungsverschiedenheiten“ zwischen ihm und den anderen beiden Herausgebern sollte sich Osborn jedenfalls der Entscheidung des Verlags unterwerfen. Zudem verpflichtete ihn der Vertrag „zur Mitarbeit an der Propaganda der Kunstgeschichte“, unabhängig vom Fortbestand seines Vertrages und ohne die Zusage einer zusätzlichen Vergütung.482 Der geplante Erscheinungstermin des ersten Bandes der Kunstgeschichte wurde im Vertrag mit dem „1. März 1914“ angegeben, die nachfolgenden Bände wollte man „in Zwischenräumen von 6 Monaten erscheinen“ lassen.483 Das Projekt wurde jedoch in dieser Form nicht in die Tat umgesetzt. Erst mit der Gründung des Propyläen-Verlags nach dem Krieg knüpfte man an die alten Pläne an. Im Jahr 1922 schloss der Verlag erneut Verträge über die Herausgabe einer „Geschichte der Kunst“ ab, deren „Sammeltitel“ noch bestimmt werden sollte.484 Die Konzeption der Kunstgeschichte war nun, zehn Jahre später, an die veränderten Marktbedingungen und -bedürfnisse angepasst worden. Dieses Mal hatte man keinen Herausgeber vorgesehen, weder einen, der dem Werk durch seinen Namen zusätzliches symbolisches Kapital hätte verschaffen können, noch einen für Organisation und Ablauf zuständigen Herausgeber, der sich um Autorenbeschaffung und

480 Vgl. zur Ullstein-Weltgeschichte Abschn. 6.2.2. 481 Verlagsvertrag von Max Osborn vom 28.11.1912 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 482 Ebd. 483 Ebd. 484 Verlagsvertrag von Max Osborn vom 28.2.1922 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.).

188  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

-betreuung, Abgabefristen etc. kümmern würde. Während man bei einem Erscheinen unter dem Verlagsnamen Ullstein noch durch den Namen Bodes die Ernsthaftigkeit und den Anspruch des Unternehmens hätte betonen müssen, war nun mit dem Propyläen-Verlag ein würdiger Rahmen für das Projekt geschaffen worden, der den Verlag auf die Verpflichtung eines Herausgebers verzichten ließ. Ausschlaggebend war dabei, dass man innerhalb der Ullstein-Redaktion eine kompetente Abteilung eingerichtet hatte, die sich unter der Leitung des Kunsthistorikers Carl Ferdinand Reinhold um die Steuerung solch anspruchsvoller Großprojekte kümmerte. Konzeption und Ausstattung Die Bände der Kunstgeschichte waren als selbstständige, auch einzeln erhältliche Einheiten angelegt, deren Einleitungstext in der Regel von einem einzelnen Autor verfasst wurde. Der Verlagsvertrag gab vor, dass die Einleitung „das Wesentliche einer jeden Epoche zusammenfasst und die Persönlichkeiten der Meister und ihre Werke beleuchtet.“ Ihr Umfang war vertraglich begrenzt auf anfangs „circa 3 Druckbogen à 16 Seiten“ 485 und später auf „100 Seiten […] im Maximum“486. Außerdem sollte ein „kurzes biographisches Register und eine kurze Bibliographie beigegeben werden“487. Der Vertrag sah keine weiteren konzeptionellen Vorgaben an die Autoren vor. Die fehlende Verpflichtung auf eine einheitliche konzeptionelle Grundlage, wie sie beispielsweise bei der Propyläen-Weltgeschichte gefordert wurde, machte eine das Gesamtwerk auch auf wissenschaftlicher Ebene steuernde Instanz überflüssig. Die Propyläen-Kunstgeschichte war zunächst auf 16 Bände angelegt, die im Zeitraum zwischen 1923 und 1929 erschienen. Der Reihe liegt eine bis heute in der Kunstgeschichte übliche Einteilung nach Weltkulturen und abendländischen Kunstepochen zugrunde,488 die allerdings eine Akzentuierung auf die im Kaiserreich besonders beliebten Epochen der Renaissance und der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts aufweist. Die Renaissance – besonders die italienische Renaissance und die Frührenaissance – nahm im Kaiserreich „den höchsten Rang“ unter den Kunstepochen ein.489 Die Kultur dieser Zeit und die entsprechenden Kunstgegenstände, darunter neben Gemälden und Skulpturen vor allem auch Einrichtungsgegenstände, galten als kulturelles Ideal und Höhepunkt der abendländischen Kunst-

485 Vgl. Verlagsvertrag mit Emil Waldmann vom 22.4.1925 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 486 Rezension, in der die gesamte Propyläen-Kunstgeschichte besprochen wurde, abgedruckt in einem Propyläen-Verlagsprospekt (Marbach, DLA). 487 Verlagsvertrag von Max Osborn vom 28.2.1922 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 488 Vgl. Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 287. 489 Gaehtgens, Wilhelm von Bode und seine Sammler, S. 165.

4.2 Programmbereich Kunst

 189

produktion. Insbesondere Speisesäle und Arbeitszimmer wurden als RenaissanceZimmer vollständig im Stil der Epoche gestaltet.490 Das Sammeln von italienischer Renaissance-Kunst und deren Präsentation in den Wohnräumen der Häuser galt dem Besitzbürgertum als „Nobilitierung“ ihres Standes.491 Auf diesen als repräsentativ zu bezeichnenden Sammlertypus hatte Bode besonderen Einfluss, er stellte seine wissenschaftliche Expertise bei der Konzeption der Sammlungen zur Verfügung und beriet im Hinblick auf die Echtheit der Kunstwerke. Das Ziel der Sammler war die Rekonstruktion eines „kulturhistorischen Ambientes“ und dessen „historische Einbindung in die eigene Kultur“.492 Als Höhepunkt dieser Entwicklung galt Bodes Einrichtung eines Renaissance-Museums im Kaiser-Friedrich-Museum (heute BodeMuseum), das Vorbildcharakter für die an Bode orientierten Sammler hatte. In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, dass die Renaissance als Schwerpunkt der Propyläen-Kunstgeschichte besonders ausführlich in drei Bänden behandelt wurde. Die bereits vor dem Ersten Weltkrieg getroffenen Vorbereitungen und die ursprünglich geplante Herausgeberschaft von Bode erklären die starke Verortung der Kunstgeschichte in den künstlerischen Vorlieben des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Abgesehen von der zunächst kleineren Gruppe von Sammlern, die sich für zeitgenössische Kunst einsetzte, sollte die Vorliebe für Renaissance und niederländische Kunst noch bis in die 20er und 30er Jahre Gültigkeit bewahren. So war es denn auch der von Bode verfasste Band Die Kunst der Frührenaissance, der der Reihe im Jahr 1923 einen fulminanten Start verschaffte.493 Die beiden weiteren Bände zur Renaissance, Paul Schubrings Die Kunst der Hochrenaissance in Italien und Gustav Glücks Die Kunst der Renaissance in Deutschland, folgten in den Jahren 1926 und 1928. Dass neben der Renaissance auch die niederländische Kunst bei den Sammlern des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts hoch im Kurs stand, ist ebenfalls in großen Teilen auf Bode zurückzuführen. Bereits seine Dissertation hatte sich mit der niederländischen Malerei befasst und es sollten zahlreiche weitere Forschungsarbeiten zu diesem Themenbereich folgen. Während seiner Tätigkeit für die Berliner Museen förderte er gezielt den Ankauf niederländischer Meister und schuf damit neben London und Paris die bedeutendste Sammlung dieser Art.494 Bei den Sammlern wurde er als herausragender Spezialist der niederländischen Malerei geschätzt.495 Zusätzlich zur Förderung durch Bode war es aber auch die Identifikation der Sammler mit den Charakteristika der Kunst, die die niederländische Malerei zu einem begehrten Sammelobjekt werden ließ. Gaehtgens weist darauf hin, dass sich

490 Vgl. ebd., S. 158. 491 Ebd., S. 167. 492 Ebd., S. 161 und S. 159. 493 Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.), die die Auflage mit 6927 Exemplaren angibt. 494 Vgl. Enderlein, Kunsthandel, S. 15. 495 Vgl. Gaehtgens, Wilhelm von Bode und seine Sammler, S. 167 f.

190  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

besonders das Bürgertum in den realistischen Darstellungen einer Gesellschaft wiedererkannte, in der Strebsamkeit und Tüchtigkeit zu beruflichem Erfolg und Wohlstand geführt hatten.496 Der Vorliebe für die niederländische Malerei begegnete man in der PropyläenKunstgeschichte mit einem eigenen Band zu diesem Thema. Als Autor verantwortlich zeichnete Max J. Friedländer, Direktor des Kupferstichkabinetts, wichtigster Mitarbeiter Bodes und neben ihm „einer der bedeutendsten und meistkonsultierten Experten in Berlin“.497 Friedländers Band Die niederländische Malerei im 17. Jahrhundert erschien ebenfalls im ersten Jahr der Propyläen-Kunstgeschichte. Damit hatte man neben dem eigentlichen ersten Band der Reihe – Die Kunst der Naturvölker und der Vorzeit herausgegeben von Eckart von Sydow – jene beiden Bände von den wohl bekanntesten Berliner Kunsthistorikern an die erste Stelle der Reihe gerückt, welche die bei den Sammlern populärsten Themen zum Inhalt hatten. Auch wenn Bode nicht als Herausgeber fungiert hatte, konnte auf diese Weise sein Ansehen mit der gesamten Reihe der Propyläen-Kunstgeschichte in Verbindung gebracht werden.

Abb. 21: Propyläen-Kunstgeschichte, Rückenansicht

496 Vgl. ebd., S. 168. 497 Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker, Teil 1, S. 163.

4.2 Programmbereich Kunst

Abb. 22: Propyläen-Kunstgeschichte, Signet

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192  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Dass die Propyläen-Kunstgeschichte „seltener in Studentenbuden anzutreffen war“498, sondern bevorzugt das kunstinteressierte wohlhabende Bürgertum als Hauptzielgruppe definiert worden war, lässt sich auch an der materiellen Gestaltung und dem Preis der Bände ablesen. Dem Niveau der anfänglichen PropyläenProduktionen entsprechend, hatte auch die Kunstgeschichte eine hochwertige, bibliophile, von Steiner-Prag entworfene Ausstattung vorzuweisen (vgl. Abb. 21). Die Bände wurden im Lexikonformat in einer Halbleinen- und einer Halblederausgabe angeboten. Jeden Band zierte ein eigens für die Propyläen-Kunstgeschichte entwickeltes Signet (vgl. Abb. 22). Die hohen Herstellungskosten spiegeln sich im Verkaufspreis wider.499 Im Jahr 1929 waren die Halbleinenbände für 38 bis 55 Mark erhältlich, die Halblederbände kosteten zwischen 42 und 60 Mark. Vergleicht man diese Preise mit den statistisch ermittelten durchschnittlichen Ladenpreisen für Kunstbücher in der Weimarer Republik und berücksichtigt, dass es sich bei den für die Erhebung betrachteten Werken zu 36 Prozent um Bücher mit einem Umfang zwischen lediglich fünf und 48 Seiten handelt,500 während die Bände der Kunstgeschichte jeweils ca. 500 bis 700 Seiten umfassten, dann entspricht der von Emil Herz als hoch empfundene Preis allerdings durchaus dem Preisniveau der Zeit. Im Jahr 1929 betrug der durchschnittliche Ladenpreis 36,44 Mark, im Zeitraum von 1925 bis 1933 durchschnittlich 27,40 Mark.501 Autoren Der Autorenstamm der Propyläen-Kunstgeschichte bestand größtenteils aus hochrangigen, teilweise auch international anerkannten Wissenschaftlern, unter denen sich in einem ausgewogenen Verhältnis Universitätsprofessoren und Direktoren bzw. Mitarbeiter staatlicher Museen befanden. Neben Bode und Friedländer hatte man im Bereich der Museen zusammen mit Heinrich Schäfer (1868–1957), dem Direktor der Sammlung ägyptischer Altertümer, und Walter Andrae (1875–1956), dem Kustos an den Staatlichen Museen, gleich vier Autoren aus den wichtigsten Kunstmuseen Berlins für die Zusammenarbeit gewonnen. Daneben fanden sich weitere etablierte Persönlichkeiten der deutschsprachigen Museumslandschaft, wie Emil Waldmann, der Direktor der Kunsthalle Bremen, sein Vorgänger Gustav Pauli

498 Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 290. 499 Vgl. Herz, Denk ich an Deutschland, S. 299. 500 Vgl. Kastner, Statistik und Topographie des Verlagswesens, S. 361. 501 Vgl. Kastner, Buchverlag der Weimarer Republik, S. 387 und ebd., Text und Daten der CD-ROMBeilage, Tabelle „Segment Kunst(gewerbe). Durchschnittlicher Einzelpreis und Gesamtladenpreis mit relativen Entwicklungen sowie Vergleichs- und Anteilserhebungen zur Gesamtproduktion des Dt. Buchhandels“ (Kastner_Barbara/Daten/Preis/Fachgebiete/Preis Fachgebiete/Tabellenblatt „TPrL12Kunst“).

4.2 Programmbereich Kunst



193

(1866–1938), der ab 1914 Direktor der Kunsthalle Hamburg war,502 Gustav Glück, der Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien, und Otto Fischer (1886–1948), der Direktor des Museums der Bildenden Künste in Stuttgart. Die Professoren waren, bis auf den Archäologie-Professor Gerhard Rodenwaldt (1886– 1945), alle Kunsthistoriker und kamen von den Hochschulen in Berlin (Werner Weisbach, Gerhard Rodenwaldt), Wien (Heinrich Glück, Ernst Diez), München (Hans Karlinger) und Hannover (Paul Schubring). Mit Max Osborn und Carl Einstein (1885–1940) verfügte die Kunstgeschichte zudem über zwei Autoren, die sich bereits als Kunstschriftsteller einen Namen gemacht hatten.503 Doch auch die anderen Autoren zeichneten sich durch eine umfangreiche Publikationsliste aus. Für die Auswahl der Autoren war einerseits im Hinblick auf deren Reputation die Anzahl und die Qualität ihrer Publikationen in Zeitschriften und bei angesehenen Verlagen von Bedeutung, andererseits handelte es sich bei der Propyläen-Kunstgeschichte nicht um eine rein wissenschaftliche Reihe, weshalb ein am Publikum orientierter Schreibstil eine Voraussetzung für den Erfolg des Unternehmens darstellte. Beispielhaft sind hier Friedländer, Waldmann und Pauli zu nennen, denen ein flüssiger, lebendiger, klarer und verständlicher Schreibstil zugeschrieben wurde.504 Bode hatte insgesamt mehr als 500 Publikationen veröffentlicht,505 viele davon bei Bruno und Paul Cassirer. Auch Max J. Friedländer und Emil Waldmann waren als Autoren bei den Cassirers vertreten, letzterer zudem im Programm von Seemann und dem Insel-Verlag. Waldmann galt ferner als einer der produktivsten Autoren der Zeitschrift Kunst und Künstler, für die er seit 1910 über 50 Beiträge verfasst hatte.506 Gustav Pauli, von dem zahlreiche Werke bei Kurt Wolff, dem Furche Verlag und bei Velhagen & Klasing erschienen waren, schrieb überdies „ständig über neuere wie ältere Kunst und kulturpolitische Streitfragen“ und veröffentlichte seine Aufsätze ebenfalls in Zeitschriften wie Kunst und Künstler.507 Zusammen mit Osborn und Einstein, die beide in Berlin ansässig waren,508 stammte fast die Hälfte der insgesamt 19 Autoren aus der Hauptstadt. Neben der

502 Vgl. zum Wirken Paulis in der Kunsthalle Hamburg, „…diese der edlen Kunst gewidmeten Hallen“ Zur Geschichte der Hamburger Kunsthalle. Hrsg. von Ulrich Luckhardt. Hamburger Kunsthalle 1994, S. 40–47. 503 Vgl. die Auflistungen der Werke und Beiträge von Carl Einstein in Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker, Teil 1, S. 131–133 und von Max Osborn in ebd., Teil 2, S. 465–469. 504 Vgl. zu Friedländer, Kunsthistoriker Lexikon, S. 107: „F. schrieb eine Prosa von seltener Klarheit und Einfachheit.“; zu Pauli, ebd., S. 324: „An P.s Alterswerk, der flüssig geschriebenen […] Darstellung…“; zu Waldmann, ebd., S. 478: „Wissenschaftlern wie W. […], die Museumsarbeit und das ausgedehnte Publizieren lebendig geschriebener Texte zu vereinen vermochten.“ 505 Vgl. Kunsthistoriker Lexikon, S. 33. 506 Vgl. ebd., S. 479. 507 Ebd., S. 323. 508 Einstein lebte zwischen 1919 und 1928 in Berlin.

194  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

räumlichen Nähe, die eine Zusammenarbeit erleichterte, war der hohe Bekanntheitsgrad dieser Autoren für den Verlag von Vorteil. Erst im dritten Erscheinungsjahr der Kunstgeschichte, nach den Bänden der Berliner Autoren Sydow, Bode, Friedländer, Weisbach, Schäfer und Andrae, traten mit Pauli, Glück und Diez Autoren auf, die nicht den Berliner Kunsthistoriker-Kreisen entstammten. Während die Museumsdirektoren auch als Autoren von ihrer prominenten Stellung in der Kunstszene profitierten, wurde das Ansehen der Berliner Professoren durch den sehr guten Ruf des Berliner Kunsthistorischen Seminars gestärkt, „das zu Beginn des 20. Jahrhunderts als der ‚Olymp‘ der deutschen Kunstgeschichte“ galt und das größte kunsthistorische Institut in Deutschland war.509 Es wird deutlich, dass man auch bei den wissenschaftlichen Autoren der Propyläen-Kunstgeschichte großen Wert auf bekannte Autorennamen legte. Die Zusammenarbeit mit anerkannten und geschätzten wissenschaftlichen Autoren war eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz des Werkes in Fachkreisen. Propyläen hat auf den Erfolg der Kunstgeschichte durch die „sachkundig-sichere“510 Auswahl der Autoren unter Berücksichtigung ihres symbolischen Kapitals maßgeblich Einfluss genommen. Illustrationen Verantwortlich für den Erfolg der Reihe war außerdem die umfangreiche Ausstattung mit Anschauungsmaterial. Nach der eher knapp gehaltenen Einleitung folgte der Illustrationsteil, der pro Band in der Regel zwischen 400 bis zu 750 Abbildungen enthielt. Damit überstieg die Anzahl der Bilder sogar die in den Verträgen vorgesehenen „etwa 300 bis 400 Illustrationen aus dem Gebiete der Malerei, der Architektur und des Kunstgewerbes“.511 Das Bild rückte in seinen Wirkungsmöglichkeiten konkurrenzlos in den Mittelpunkt. Im Unterschied zu der im Jahr 1912 vorgesehenen Konzeption der Kunstgeschichte, die keine vertraglichen Regelungen zur Verwendung von Abbildungen vorsah, wurde nun der gestiegenen Bedeutung des Bildes Rechnung getragen. Die Verträge zur Propyläen-Kunstgeschichte gaben vor, dass sich diese „auf das Bild“ gründen solle, sodass „der künstlerische Entwicklungsgedanke […] im Bild selbst und in der Auswahl und Zusammenstellung des bildnerischen Materials zum Ausdruck“ gelange.512 Nicht nur die Aussagekraft der einzelnen Bilder zählte also, vielmehr sollte auch durch eine entsprechende Konzeption des

509 Sabine Arend: Die Kunstgeschichte unter Brinckmann und Pinder. In: Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Hrsg. von Rüdiger vom Bruch, Christoph Jahr und Rebecca Schaarschmidt. Berlin: Franz Steiner 2005, S. 182. 510 Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 285. 511 Verlagsvertrag von Max Osborn vom 28.2.1922 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 512 Ebd.

4.2 Programmbereich Kunst 

195

Bildteils und der dadurch hergestellten Bezüge der Bilder zueinander ein aussagekräftiger Überblick über die künstlerischen Ausprägungen der jeweiligen Epoche gegeben werden, der durch Tafeln und Karten komplettiert wurde. In Bodes Band Die Kunst der Frührenaissance wurde die Wirkung der Bilder zusätzlich durch ihre Präsentation auf unterschiedlichem Trägerpapier unterstrichen. So waren beispielsweise die Handzeichnungen auf braunen Karton geklebt, die Frauenbildnisse auf roten oder hellgrauen und die Männerportraits auf schwarzen Karton (vgl. Abb. 23– Abb. 26). In ihrem Lob für die Komposition des Bildteils für Friedländers Die niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts gingen die Kritiker sogar so weit, deren „geistvolle Charakteristik und Schönheit der Darstellung“ mit „einem Meisterporträt“ zu vergleichen.513 Um eine kontinuierlich gute Qualität der Bände gewährleisten zu können, lag die Konzeption des Bildteils in der Verantwortung des Verlags. Die Verfasser konnten, wie es bereits bei vorangegangenen Propyläen-Produktionen üblich gewesen war,514 lediglich das ihnen „für wünschenswert erachtete Abbildungsmaterial dem Verlag in Vorschlag bringen, beziehungsweise zugänglich machen“515. Die Redaktion forschte unter der Leitung von Reinhold „in Archiven, Bibliotheken, Museen und Galerien nach den jeweils besten Bildvorlagen“516. Bei der Wiedergabe der Bilder profitierte man von den insgesamt verbesserten Reproduktionsmöglichkeiten (s. o.), die durch die exzellente Ausstattung der hauseigenen Druckerei und die Erfahrung des Ullstein-Konzerns nun für die Kunstgeschichte optimal eingesetzt werden konnten. Für die Herstellung der Illustrationen wandte man das gesamte Spektrum moderner Reproduktionsverfahren an. Neben dem für Kunstbildbände gebräuchlichsten Bilddruckverfahren, der Autotypie, die sich für Textabbildungen ebenso wie für farbige Bildtafeln eignete, kam vor allem der Kupfertiefdruck und in einigen Bänden auch der farbige Offsetdruck zum Einsatz517. In der Propyläen-Kunstgeschichte enthielten sieben der 16 Bände zwischen sechs und 18 Offsettafeln. So kombinierte man beispielsweise bei der Kunst des Barock von Werner Weisbach 404 Abbildungen in Autotypien mit 24 Kupfertiefdrucktafeln, fünf mehrfarbig montierten Tafeln (Vierfarbendrucke) und acht Offsettafeln.518

513 Abdruck im Band. 514 Beispielsweise bei der Reihe Die führenden Meister, vgl. hierzu z. B. § 2 des Verlagsvertrages von Max. J. Friedländer vom 27.5.1920 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 515 Vgl. § 2 aller Verlagsverträge zur Propyläen Kunstgeschichte (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 516 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 207. 517 Zum Offsetdruck s. o. 518 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 475 und Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929, in dem die zweite Auflage mit von Peters Angaben abweichenden 404 Abbildungen angegeben wird (Frankfurt/M. AdB).

196  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 23: Gentile Bellini, Selbstbildnis, Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 8

4.2 Programmbereich Kunst

Abb. 24: Andrea Mantegna, Madonna, Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 8

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198  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Abb. 25: Lorenzo Vecchietta, Madonna, Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 8

4.2 Programmbereich Kunst 

Abb. 26 Luca Signorelli, Männerbildnis, Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 8

199

200  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Kunstbuchreihen, in denen eine solche Fülle von Illustrationen ausgebreitet wurde wie in der Propyläen-Kunstgeschichte, standen in der Weimarer Republik schnell unter dem Verdacht reine „Bilderbücher“ zu sein. Der Grat zwischen positiver und negativer Bewertung war schmal.519 Ausschlaggebend für die überaus positive Beurteilung der Propyläen-Kunstgeschichte durch die zeitgenössische Kritik war das ausgewogene Verhältnis in der Qualität des Bild- und des Textteils. Die PropyläenKunstgeschichte war „viel mehr als ein schönes und inhaltsreiches Bilderbuch“520. Sie bot solide aufgebaute, fachwissenschaftlich spezialisierte Darstellungen521, die teilweise zu Standardwerken für mehrere Generationen wurden.522 Neben der „Fülle“523 und der „vollkommenen Wiedergabe“524 der Abbildungen wurden ebenfalls die recht kurz gehaltenen, aber durchweg „sprachlich anschaulich“525 gestalteten Einleitungstexte der Verfasser positiv aufgenommen. Man lobte insgesamt die wissenschaftliche Qualität der Bände.526 Die Kölnische Zeitung befand, dass der Text der Propyläen-Kunstgeschichte wohl das Beste biete, „was heute auf so knappem Raum über den betreffenden Zeitabschnitt gesagt werden kann, und er bietet dies in einer jedem Laien verständlichen, sehr anregenden Form“527. Einigen Bänden wurde gar bescheinigt, „die beste und solideste aufgebaute Darstellung“ der entsprechenden Kunstepoche zu sein und der „klarste Führer zum Verständnis ihrer Ziele und Mittel“.528 Dass „die allerneuesten wissenschaftlichen Ergebnisse“529 berücksichtigt wurden, lässt sich beispielsweise an Werner Weisbachs Barock-Band aufzeigen. Noch 1921 hatte Weisbach festgestellt, dass „wenig systematisches Wissen über das Thema vorhanden“530 sei, um sich dann in den folgenden Jahren als einer der ersten

519 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 474 f. 520 Rezension zum Band Die Kunst des alten Orients von H. O. Lange in der Berlingske Tidende, Kopenhagen, zitiert aus einem Verlagskatalog (Marbach, DLA). 521 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 474. 522 Vgl. Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 286 und 289. 523 Ebd. 524 Aus einer Rezension über Die niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts, abgedruckt in einem Verlagsprospekt (Marbach, DLA). 525 Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 286. 526 Vgl. auch die Rezensionen zu Die Kunst des Barock von Otto Grautoff im Berliner Tageblatt und zur Kunst der Hochrenaissance in Italien im Hamburger Fremdenblatt, abgedruckt ohne Datumsangaben in einem Verlagsprospekt zur Propyläen-Kunstgeschichte (Marbach, DLA). 527 Rezension, in der die gesamte Propyläen-Kunstgeschichte besprochen wurde, abgedruckt in einem Propyläen-Verlagsprospekt (Marbach, DLA). 528 Rezension zum Band Die Kunst des alten Orients von H. O. Lange in der Berlingske Tidende, Kopenhagen, zitiert aus einem Verlagskatalog (Marbach, DLA). 529 Aus einer Rezension des Hamburger Fremdenblatts, abgedruckt im Band Die Kunst der Hochrenaissance in Italien. 530 Werner Weisbach: Der Barock als Kunst der Gegenreformation. Berlin, 1921, Vorwort. Zitiert nach Birte Pusback: Wilhelm Pinder – ein umstrittener Vermittler deutscher Kunst. In: Teilhabe am Schönen. Kunstgeschichte und Volksbildung zwischen Kaiserreich und Diktatur. Hrsg. von Jo-

4.2 Programmbereich Kunst 

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Kunsthistoriker intensiver dem Barock und seinen Rahmenbedingungen zuzuwenden. Die Ergebnisse seines 1924 veröffentlichten Aufsatzes Barock als Stilphänomen flossen unmittelbar in den im selben Jahr bei Propyläen veröffentlichten Band der Kunstgeschichte ein. Die Kritik beurteilte das Werk als „besonders begrüßenswert, weil in diesem Band zum ersten Male vom Standpunkt der neueren Forschung aus die deutsche Barockkunst gleichberechtigt neben derjenigen Italiens, Frankreichs, und Spaniens in Erscheinung“ trat.531 Auflagen Von den ersten 16 Bänden, die im Zeitraum zwischen 1923 und 1929 erschienen, erreichten die meisten bis 1934 eine zweite, einige auch eine dritte Auflage. Die Erstauflage lag stets zwischen 5000 und 7000 Exemplaren. Zu den erfolgreichsten Bänden zählten Sydows Kunst der Naturvölker und der Vorzeit und Friedländers Band über die niederländische Kunst, die insgesamt vier Auflagen erzielen konnten. Der Absatz des Bandes Die Kunst Indiens, Chinas und Japans von Otto Fischer wurde durch die ausgeprägte Faszination für das Exotische und „Primitive“ und damit für außereuropäische Kunst begünstigt, die man in den zwanziger Jahren beobachten konnte.532 Das Werk verzeichnete bereits zwei Jahre nach dem ersten Erscheinen im Jahr 1928 eine Gesamtauflage von 10 000 Exemplaren.533 Auch die zwischen 1927 und 1939 zusätzlich vom Verlag herausgegebenen zehn Ergänzungsbände wurden erfolgreich auf dem Markt positioniert. Als Standardwerk galt zum Beispiel Adolf Feulners 1927 erschienene Kunstgeschichte des Möbels, die mit einer Erstauflage von 5003 Exemplaren startete und im Jahr 1930 bereits die dritte Auflage erreicht hatte. Carl Einsteins Die Kunst des 20. Jahrhunderts Mit Carl Einsteins 1926 erschienenem Band Die Kunst des 20. Jahrhunderts, der eine Gesamtauflage von 12 000 Exemplaren verzeichnen konnte,534 kam der Verlag dem verstärkten Bedürfnis nach kompetenter Deutung zeitgenössischer Kunst entgegen, das sich in den zwanziger Jahren in einer steigenden Anzahl von Monographien und Reihen zur Kunst und den Künstlern der Moderne niederschlug. Als Beispiel ist die Reihe Junge Kunst zu nennen, die von 1919 bis 1933 im Klinkhardt & Biermann Verlag erschien. Sie stellte eine Sammlung bibliophiler Bändchen zur europäischen Avantgarde zusammen, die jeweils einen Künstler in den Mittelpunkt rückten. Zum

seph Imorde und Andreas Zeising. Weimar: Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften 2013, S. 205–222, hier S. 212. 531 Otto Grautoff im Berliner Tageblatt, abgedruckt im Band Die Kunst des Barock von Werner Weisbach. 532 Vgl. Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 287 und Herz, Denk ich an Deutschland, S. 299. 533 Vgl. Puchert, Zwischen Anmut und Zero, S. 287. 534 Vgl. ebd., S. 288.

202  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

Erfolg von Einsteins Kunst des 20. Jahrhunderts mag zudem ein Vorfall beigetragen haben, der sich zwischen dem Bildhauer Ernesto de Fiori (1884–1945) und dem Autor zugetragen hatte. Einstein hatte in seinem Buch ein kritisches Urteil über die Kunst seines ehemaligen Freundes gefällt, das jenen so erboste, dass er sich veranlasst fühlte, Einstein den Band der Kunstgeschichte auf den Kopf zu schlagen. Einstein stellte daraufhin Strafanzeige, der Fall wurde in den hauseigenen Blättern Ullsteins publikumswirksam als Skandal inszeniert und bot damit die beste Gelegenheit zusätzliche Werbung für Einsteins Band zu lancieren.535 „Es gehört[e] Mut dazu“536, eine unabhängige und durchweg kritische Haltung gegenüber einer noch nicht abgeschlossenen Kunstperiode einzunehmen, als deren Teil Einstein selbst gelten kann. Mit seinen präzisen Formulierungen und einem „hohen Grad an analytischer Intensität“, die ihn von anderen zeitgenössischen Autoren unterschied, fällte er ein fundiertes Urteil über die Kunst seiner Zeit.537 Nur wenige der von Einstein hervorgehobenen Künstler zählen heute nicht zu den Klassikern der Moderne.538 Bereits der Kunsthändler Kahnweiler hatte Einstein in diesem Zusammenhang bescheinigt, etwas „absolut Endgültiges über die Kunst unserer Zeit“539 geschrieben zu haben und seinem Anspruch, „etwas einigermassen definitives geben“ zu wollen, gerecht geworden zu sein.540 Dabei kann Einsteins Werk selbst als „sprachliches Kunstwerk von Rang“ gelten.541 Unter deutlichem Einfluss der literarischen Stilmittel des Expressionismus gelang es dem Autor, die sprachliche Ausgestaltung an das jeweilige Sujet anzupassen, um somit beispielsweise „historische Verläufe sprachlich nachzugestalten“ oder konkrete Seherlebnisse anschaulich zu beschreiben.542 Einstein, der bis dahin vor allem für die kleine literarische Form bekannt war und der die Kunstschriftstellerei zunächst hauptsächlich als Broterwerb verstanden hatte, entwickelte in der Kunst des 20. Jahrhunderts ein „kunsttheoretisch durchdachtes und in seiner Darstellung durchkomponiertes ent-

535 Vgl. hierzu und insgesamt zu Einsteins Kunstgeschichte den von Uwe Fleckner und Thomas W. Gaehtgens innerhalb der Werkausgabe herausgegebenen Band Carl Einstein: Die Kunst des 20. Jahrhunderts. Hrsg. und kommentiert von Uwe Fleckner und Thomas W. Gaehtgens. Berlin: Fannei & Walz 1996, der neben den Verlagsverträgen und dem erhaltenen Schriftwechsel mit dem Verlag auch die Beiträge zum Fiori-Skandal und Rezensionen zum Werk enthält. 536 Daniel-Henry Kahnweiler an Carl Einstein am 24.11.[192]2, zitiert nach Carl Einstein. DanielHenry Kahnweiler. Correspondance 1921–1939. Marseille: Dimanche 1993, S. 131. 537 Fleckner/Gaehtgens, Schauend ändert man, S. 23. 538 Vgl. ebd. 539 Daniel-Henry Kahnweiler an Carl Einstein am 20.4.1926, zitiert nach Carl Einstein. Daniel-Henry Kahnweiler. Correspondance 1921–1939. Marseille: Dimanche 1993, S. 155 f. 540 Einstein an Kahnweiler, 1922, zitiert nach Carl Einstein. Daniel-Henry Kahnweiler. Correspondance, S. 127. 541 Fleckner/Gaehtgens, Schauend ändert man, S. 14. 542 Ebd., S. 16.

4.2 Programmbereich Kunst 

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wicklungsgeschichtliches Großmodell“543, das nicht nur von Kunstkritik und Kunstgeschichte, sondern auch von Kunstphilosophie durchdrungen war.544 Mit einem besonderen Schwerpunkt wurden die französische Kunst und der Kubismus behandelt, von den deutschen Künstlern fanden vor allem Paul Klee und die Vereinigung des „Blauen Reiters“ Beachtung. Ansonsten gestand Einstein ein, dass seine Kunstgeschichte, vor allem was die deutsche Kunst betraf, „für allerhand Leute eine böse Sache werden wird.“545 Einstein arbeitete intensiv an seiner Kunstgeschichte. Er führte umfangreiche Korrespondenzen mit Kunsthändlern und Künstlern, die ihn mit Material versorgten, unternahm zahlreiche Reisen und Galeriebesuche und studierte gründlich die zeitgenössische Kunstliteratur, um seinem eigenen Anspruch an das Werk gerecht zu werden. Seine weitreichenden persönlichen Kontakte innerhalb der Kunstszene versorgten ihn mit den aktuellsten Abbildungsmaterialien. So schickte Kahnweiler beispielsweise „vier ganz neue Grisphotos […], die hier noch nicht gezeigt wurden, die wir für die Grisausstellung aufheben.“546 Aus der Sammlung Gottlieb Friedrich Rebers (1880–1959)547, dem Einstein die zweite Ausgabe der Kunstgeschichte widmen sollte, konnte er 25 bedeutende Werke von Pablo Picasso, Georges Braque, Fernand Léger und Juan Gris abbilden,548 was wiederum dem Präsentationsbedürfnis des Sammlers entgegenkam.549 Für Einstein war die Verbindung mit Ullstein/Propyläen eine willkommene Möglichkeit, seine Kunstauffassung ausführlich und gründlich zu skizzieren,550 damit ein größeres Publikum zu erreichen und sich als ernstzunehmender Kunstkritiker zu positionieren. Gleichzeitig war er sich über die Ausrichtung des Verlags, der sich in den Anfangsjahren vor allem an den eher wohlhabenden Bücher- und Kunstliebhaber richtete, durchaus bewusst. Wie aus seinem Schriftwechsel mit Kahnwei-

543 Ebd., S. 13. 544 Vgl. insgesamt die kunstwissenschaftliche Analyse der Konzeption und des Inhaltes der Kunst des 20. Jahrhunderts bei Fleckner/Gaehtgens, Schauend ändert man. 545 Carl Einstein an Daniel-Henry Kahnweiler im Dezember 1922, zitiert nach Carl Einstein. DanielHenry Kahnweiler. Correspondance, S. 132. 546 Daniel-Henry Kahnweiler an Carl Einstein am 24.11.1922, zitiert nach Carl Einstein. Daniel-Henry Kahnweiler. Correspondance, S. 131. 547 Vgl. zu Reber insgesamt: Peter Kropmanns/Uwe Fleckner: Von kontinentaler Bedeutung. Gottlieb Friedrich Reber und seine Sammlung. In: Die Moderne und ihre Sammler. Französische Kunst in deutschem Privatbesitz vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik. Hrsg. von Andrea Pophanken und Felix Billeter (Passagen. 3). Berlin: Akademie Verlag 2001, S. 347–385. Vgl. auch Kap. 7. 548 Vgl. ebd., S. 361. 549 Vgl. hierzu auch Kap. 7. 550 Während ein in allen Verlagsverträgen einheitlich festgelegter Umfang des Textes von „3 Druckbogen à 16 Seiten“ vorgesehen war (vgl. die Verlagsverträge zur Propyläen Kunstgeschichte, Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.), umfasste Einsteins Manuskript schließlich elf Druckbogen (vgl. Fleckner/Gaehtgens, Schauend ändert man, S. 9).

204  4 Programmstrategie und Profilierung zwischen 1919 und 1925

ler hervorgeht, stand er mit Elias in Verhandlungen über weitere Bücher. Vorgesehen waren jeweils eine Biographie über Gris und über Braque „im grossen Format“, die dem Kunstprogramm des Verlags entsprechend eine kurze Einleitung bzw. Biographie der Künstler und einen Oeuvrekatalog enthalten sollten, darüber hinaus aber vor allem „Arbeiten beider Künstler in denkbar besten Reproduktionen“.551 Eine von Einstein geplante theoretische Abhandlung über Gris und die Bedeutung und Entwicklung des Kubismus sollte hingegen im Querschnitt-Verlag erscheinen,552 da das Werk im absatzorientierten Ullstein- bzw. Propyläen-Verlag keine Aufnahme gefunden hätte.553 Der Vertrag für Einsteins Kunst des 20. Jahrhunderts wurde, wie die meisten anderen Autorenverträge auch, im März 1922 abgeschlossen, die Abgabe des fertigen Manuskriptes war bereits für Juli 1922 vorgesehen, geschah letztlich allerdings erst im März 1925, sodass der Band schließlich im Jahr 1926 erscheinen konnte. Einsteins Band gelangte mit einer im Vergleich zu den üblichen 5000 Exemplaren erhöhten Erstauflage von 7000 Exemplaren auf den Markt, die ansonsten lediglich den Bänden von Bode und Friedländer zugestanden worden war. Bereits im Jahr 1928 erschien eine wenig veränderte zweite Auflage, für die der Verlag hauptsächlich eine stilistische Umarbeitung des Textes gefordert hatte.554 1931 folgte die dritte Auflage, für die Einstein sein Werk einer gründlichen Überarbeitung unterzog. Der Kreis der behandelten Künstler wurde erweitert, die Kapiteleinteilung verändert und die sprachliche Ausgestaltung des Textes erneut einer vollständigen Überprüfung unterzogen. Die Unterschiede zwischen erster und dritter Auflage sind so grundlegend, dass Fleckner zu dem Ergebnis kommt, „daß man – grosso modo – von zwei unterschiedlichen Büchern zur Kunst des 20. Jahrhunderts sprechen kann“.555 Die Kunst des 20. Jahrhunderts war zwar ein verlegerischer Erfolg, von der Wissenschaft wurde das Werk hingegen weitgehend ignoriert. Als mögliche Gründe führt Fleckner hierzu die ohnehin geringe Beschäftigung der akademischen Kunstgeschichtsschreibung mit moderner Kunst und die Nichtakzeptanz des Werkes als wissenschaftliche Leistung aufgrund der sprachlichen Eigenwilligkeit an. Viele Leser fanden eher einen literarischen Zugang zu dem auch als Schriftsteller bekannten Autor, wodurch das gesamte Werk stärker im literarischen Absatzmarkt verortet wurde. Auch das politisch oppositionelle Engagement des Autors könnte die Rezep-

551 Carl Einstein an Daniel-Henry Kahnweiler im Juni 1923, zitiert: nach Carl Einstein. Daniel-Henry Kahnweiler. Correspondance, S. 138–148, hier S. 139. 552 Vgl. ebd., S. 140. 553 Einstein betrachtete seinen Band der Propyläen-Kunstgeschichte „als Propädeutikum“ für diese geplante Studie über den Kubismus. Vgl. Kropmann/Fleckner, Von kontinentaler Bedeutung, S. 360. 554 Vgl. Wilhelm Gronle an Carl Einstein am 12.3.1927, zitiert nach Fleckner/Gaehtgens, Carl Einstein, S. 826 f. 555 Fleckner/Gaehtgens, Carl Einstein, S. 33.

4.2 Programmbereich Kunst

 205

tion der Kunstgeschichte entsprechend beeinflusst haben.556 Zudem trug Einsteins kompromisslose Kritik, die er an zahlreichen Künstlern, aber auch an den Urteilen renommierter Vorkämpfer der modernen Kunst geübt hatte, dazu bei, dass die Kunstgeschichte in Wissenschaft und Künstlerkreisen keine positive Aufnahme fand. Einsteins polemischer Ton, seine Nichtachtung der Leistungen renommierter Kunstwissenschaftler wie Tschudi, Lichtwark oder Pauli, seine offensichtliche Bevorzugung der französischen Kunst und seine öffentliche Aburteilung Julius MeierGraefes und dessen erfolgreichen und populären Werkes Die Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst brachte ihm die Gegnerschaft nicht nur der Sezession ein.557 Entscheidend ist zudem, dass die Rezension von Einsteins Kunst des 20. Jahrhunderts im Jahr 1933 jäh abbrach. Die nationalsozialistische Kunstpolitik machte die weitere Auseinandersetzung mit moderner Kunst unmöglich. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass Einsteins Werk im Dritten Reich als eine Art „Selbst-Präsentation des Gegners begriffen wurde“, anhand derer Paul Ludwig Troost, bis zu seinem Tod Lieblingsarchitekt und maßgeblicher künstlerischer Berater Hitlers, diesem und Goebbels „das marxistische Moment in der modernen Kunst erläutert“ habe.558

556 Vgl. ebd., S. 18. 557 Vgl. ebd., S. 19. 558 Berthold Hinz: Die Malerei im deutschen Faschismus. Kunst und Konterrevolution. München 1974, S. 10, zitiert bei Fleckner/Gaehtgens, Schauend ändert man, S. 31, Anm. 62.

5 Ullsteins „exklusive Zone“ – Mehrfachverwertung bei Propyläen zwischen 1926 und 1933 5.1 Das Produktionsvolumen im Kontext des Buchmarktes Mitte der zwanziger Jahre In den Jahren bis 1926 hatte der Verlag mit seinen Werken aus den Bereichen Literatur und Kunst ein selbstständiges und in sich geschlossenes Programm entwickelt, mit dem eine klare Zielgruppe – der anspruchsvolle, bibliophile Leser oder Sammler – angesprochen wurde. Die schlechte allgemeinwirtschaftliche Lage, die zu einer Reduzierung des Produktionsvolumens auf dem Buchmarkt besonders während der Hochinflation in den Jahren 1923 und 19241 führte, hatte sich bei Propyläen nicht niedergeschlagen, da man die Sonderkonjunktur für bibliophile Werke auszunutzen wusste. Der Titelausschuss des Verlags konnte vielmehr in den Jahren 1923 bis 1925 mit jährlich 50 Bänden bzw. 40 Titeln einen deutlichen Höhepunkt verzeichnen. Die Situation änderte sich ab 1926. Während auf dem Buchmarkt insgesamt nach 1927 ein deutliches Absinken der Titelproduktion bis unter den Wert von 1919 zu beobachten war,2 dokumentiert die Ullstein-Chronik bereits für das Jahr 1926 einen erheblichen, abrupten Einbruch der Neuerscheinungen. Verantwortlich hierfür könnte vor allem der signifikante Rückgang der Titelproduktion im Segment der Kunstliteratur gewesen sein, der ab 1926 einsetzte. Die Anzahl der Titel reduzierte sich von 980 Titeln im Jahr 1925 auf 673 Titel im Jahr 1926. Nach einer kurzfristigen Steigerung im Jahr 1927 auf 750 Titel ging die Titelzahl dann kontinuierlich zurück bis auf 362 Titel am Ende der Weimarer Republik.3 Ein rentabler Verkauf der bibliophilen Werke war nicht mehr möglich. Die Anzahl der bei Propyläen verlegten Bände sank 1926 auf lediglich sechzehn ab, das entsprach vierzehn Titeln. Nach einem mit der Entwicklung des Kunstbuchmarktes korrelierenden vorübergehenden Anstieg im Jahr 1927 reduzierte sich die Zahl der Neuerscheinungen des Verlags schließlich weiterhin bis zum Ende der Weimarer Republik und erreichte 1933 einen Umfang von lediglich sieben Bänden bzw. fünf Titeln.4 Ein Blick in das Gesamtverzeichnis des Verlags5 zeigt, dass im Jahr 1929 noch zahlreiche vor 1926 entstandene Bücher aus dem hochpreisigen, bibliophilen Segment vorrätig waren. Dadurch konnte sich Propyläen zwar weiterhin seiner hoch-

1 2 3 4 5

Vgl. Kastner, Statistik und Topographie, S. 341. Vgl. ebd., S. 342 und Kap. 2. Vgl. ebd., S. 196, Tabelle „Segment Kunst(gewerbe)“. Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929 (Frankfurt/M., AdB).

https://doi.org/10.1515/9783110683561-005

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe



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wertigen Produktionen rühmen, der Absatz besonders der originalgraphischen Werke war allerdings letztendlich „so außerordentlich gering“, dass man sich ab 1931 zur Aufhebung des Ladenpreises und damit zur Verramschung der Werke entschied.6 Die Trennung von dem unrentabel gewordenen Klassiker- und Kunstprogramm und der Tod von Elias im Jahr 1927, auf dessen Engagement das Propyläen-Programm maßgeblich basiert hatte, hinterließ den Verlag hinsichtlich neuer Projekte zunächst ohne klare Programmstruktur.7 Erst nach und nach füllte sich der Rahmen wieder mit Inhalt. Doch das nun aufgebaute Programm war kein strukturiertes, eigenständig für den Propyläen-Verlag entwickeltes Programm mit klarem Profil. Es entstand vielmehr aus der Notwendigkeit heraus, nun auch die im Propyläen-Verlag zu veröffentlichenden Werke in das bei Ullstein zur Perfektion gebrachte System der Mehrfachverwertung einzugliedern, um einen möglichst hohen wirtschaftlichen Nutzen erzielen zu können. Neben der Abstimmung mit dem Arcadia-Theaterverlag, der Propyläen einige seiner bedeutendsten Autoren zuführen sollte (vgl. Abschn. 5.3), wurde das Propyläen-Programm fortan von der Auswahl der Romanabteilung geprägt. So entwickelten sich die Romane zeitgenössischer Autoren zusammen mit den Buchausgaben der bei Arcadia verlegten Bühnenmaterialien zu den beiden Säulen des Propyläen-Programms.8

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe 5.2.1 Romane, Kriegsliteratur, ausländische Autoren – Propyläen-Bücher ab 1926 Romane Die bei Propyläen erscheinenden Romane wurden – analog zu den Ullstein-Romanen – aus dem der konzernübergreifend arbeitenden Romanabteilung vorliegenden Gesamtangebot ausgewählt. Das wichtigste Auswahlkriterium war zunächst die Eignung für den Vorabdruck in einer der Ullstein-Periodika (s. u.), wobei aber gleichzeitig auch die vorgesehene Realisierung der anschließenden Buchausgabe berücksichtigt wurde. Denn man wollte „in erster Linie die Romane bringen […], deren

6 Vgl. z. B. die Schreiben des Ullstein-Konzerns an Max Slevogt (6.10.1931), Max Liebermann (3.2.1933), Max Unold (3.2.1933) und an die Frau des verstorbenen Lovis Corinth (3.2.1933) (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 7 In den Programmverzeichnissen wird dies nicht deutlich, da nach wie vor die noch nicht abverkauften Kunst- und Literaturproduktionen der ersten Jahre des Verlags angezeigt werden konnten. 8 Als „Moderne Romane“ wurden sie ab 1931 in der Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) in einer eigenen Rubrik aufgelistet.

208  5 Ullsteins „exklusive Zone“

Buchausgaben sodann bei uns erscheinen“.9 Handelte es sich um einen anspruchsvolleren Stoff und/oder einen entsprechenden Autor, übergab man das Buch in die Zuständigkeit des Propyläen-Verlags, während die als stärker massentauglich eingestuften Texte i. d. R. bei Ullstein verlegt wurden. Nach den letzten Ausgaben des Kleinen Propyläen-Buches entstanden somit auch keine Reihen mehr bei Propyläen, alle Romane erschienen ausschließlich in Einzelausgaben. Die deutliche Unterscheidung der Programme von Ullstein und Propyläen war damit teilweise aufgehoben, die Autoren wurden auf der Grundlage ihres jeweiligen Buches sowohl Ullstein als auch Propyläen zugewiesen. So nahm man mit Walther von Hollander, Ernst Weiss und Arnold Ulitz (1888–1971) Autoren bei Propyläen auf, die auch im Ullstein-Buchprogramm für gehobene Unterhaltungsliteratur zuständig waren. Die Anzahl ihrer Publikationen in den Verlagen war annähernd gleich, über den Ort der Veröffentlichung wurde je nach Art und Inhalt der Werke entschieden. Die Zahl der von einem Autor bei Propyläen veröffentlichten Werke lag insgesamt zwischen einem und drei Romanen. Die Strategie des Verlags basierte auf der Gewinnung bekannter Autoren – sei es auch nur für einzelne Bücher –, deren Namen unmittelbar für eine (relativ) hohe Auflagenzahl sorgten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Propyläen-Romane ohnehin in der Regel in einer weitaus geringeren Auflage als die Ullstein-Romane erschienen. Was bereits am Beispiel Heinrich Manns für Das kleine Propyläen-Buch gezeigt werden konnte (vgl. Kap. 4), gilt auch für die Einzelausgaben. Während im Bestsellergeschäft des Ullstein Buchverlags Auflagen von über 100 000 Exemplaren keine Seltenheit waren,10 betrug die Auflage der Propyläen-Romane i. d. R. zwischen 4000 und 20 000 Exemplaren. Als Beispiele für erfolgreiche Autoren, die diese Auflagen überschreiten konnten,11 sind Ernst Penzoldt, Lion Feuchtwanger und Alfred Neumann (1895–1952) zu nennen. Ernst Penzoldt, der in den zwanziger Jahren erste Erfolge als Schriftsteller verzeichnen konnte, veröffentlichte einen seiner erfolgreichsten, aber auch für sein Gesamtwerk untypischsten Text bei Propyläen. Es war ihm selbst ein Rätsel, „wie dieser lyrisch-romantische Mensch urplötzlich und in wenig Wochen […] diesen stellenweise derb-komischen Roman von sich gibt, um sich danach, als wäre nichts geschehen, wieder wesentlich zahmeren Themen zu widmen.“12 Der 1930 erschienene Schelmen- und Familienroman Die Powenzbande war eine Reaktion auf den von

9 Max Krell an Arthur Schnitzler am 14.1.1927 (University Library Cambridge, B 521). 10 Vgl. z. B. die Angaben der Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) für die Reihe Das gelbe Ullsteinbuch im Jahr 1927. Von den ersten 18 erschienenen Bänden konnten sieben eine Auflage von über 100 000 Exemplaren und die restlichen eine Auflage zwischen 50 000 und 90 000 Exemplaren erzielen. 11 Auf Remarques Im Westen nichts Neues und die Kriegsliteratur wird weiter unten eingegangen. 12 Ernst Penzoldt: Der Herr Verfasser der „Powenzbande“. In: ders. 1992, Bd. 6, S. 86–88, hier S. 86. Zitiert nach Christian Klein: Ernst Penzoldt. Harmonie aus Widersprüchen. Leben und Werk (1892– 1955). Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2006, S. 301.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe

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1929 bis 1932 andauernden Gerichtsprozess, der sich um die Novelle Etienne und Luise entsponnen hatte, die in der Vossischen Zeitung vorabgedruckt worden war. Zwar brachte dieser Prozess Penzoldt einerseits an den Rande des finanziellen Ruins, andererseits verschaffte er ihm aber auch weitreichende Aufmerksamkeit. In der Powenzbande karikierte Penzoldt bürgerliche Moralvorstellungen und sprach „sich für die Kraft der Phantasie, die Ungebundenheit und die Lebenslust“ aus.13 Während Penzoldts Werke bis dahin eher unbekannt geblieben waren,14 gelang ihm mit der Powenzbande der Durchbruch. Der Roman traf den Humor der Zeit und wurde von Axel Eggebrecht in der Literarischen Welt als „eine der erfreulichsten Erscheinungen des Jahres“ gefeiert.15 Die Auflage erreichte 20 537 Exemplare. Propyläen bzw. der Arcadia-Verlag nahmen Penzoldt im Anschluss auch für die Theaterfassung der Novelle Etienne und Luise und die Stücke Die Portugalesische Schlacht und Der Knabe Karl unter Vertrag. Lion Feuchtwanger, der mit dem Roman Jud Süß – einem der meistverkauften Bücher des Jahres 1925 neben Thomas Manns Zauberberg und Emil Ludwigs Wilhelm II. – zu einem der beliebtesten, auch im Ausland anerkannten Schriftsteller der zwanziger Jahre avancierte,16 war im Verlag bereits mit dem 1927 erschienenen Werk Drei angelsächsische Stücke vertreten. 1932 veröffentlichte er den ersten Teil seiner Josephus-Trilogie Der jüdische Krieg bei Propyläen. Inhaltlich die Zerstörung Jerusalems und des jüdischen Staates durch die Römer aufgreifend, wurde das Werk, welches „das jüdische Problem unter historischem Aspekt zu erneuter Diskussion“ brachte, von Emil Herz als Reflektion auf „die innerdeutschen Verhältnisse“ verstanden.17 Feuchtwangers Roman konnte mit einer Auflage von 50 000 Exemplaren einen „Massenabsatz“18 verzeichnen, der nach Ansicht des Autors auf einem Irrtum der Käufer beruhte: „Sie glaubten, der Jüdische Krieg behandle die sehnsüchtig erwartete blutige Auseinandersetzung zwischen Deutschen und Juden. Sie müssen sich gedulden. Vielleicht nur für kurze Zeit.“19 Feuchtwanger sollte mit seiner Einschätzung Recht behalten. Bereits im folgenden Jahr kehrte er aufgrund der

13 Gertraud Lehmann: Penzoldt, Ernst. In: NDB 20 (2001), S. 175 f. Online-Version. URL: https:// www.deutsche-biographie.de/gnd118739913.html#ndbcontent [5.2.2017]. 14 Vgl. die Rezension von Roda-Roda: Wer ist Ernst Penzoldt? In: Der Querschnitt 10 (1930), Heft 2, S. 632. 15 Axel Eggebrecht: Ernst Penzoldt: „Die Powenzbande“. In: Die literarische Welt, 6. Jg., Nr. 37 (12.09.1930), S. 6, zitiert nach Klein, Penzoldt, S. 302. 16 Der Roman Jud Süß erreichte im Erscheinungsjahr eine Auflage von 40 000 Exemplaren, die sich bis 1929 auf 80 000 Exemplare erhöhte, zudem existierten zu diesem Zeitpunkt bereits 13 ausländische Übersetzungen. Vgl. Vogt-Praclik, Bestseller, S. 63 f. 17 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 318 f. 18 Ebd. 19 Lion Feuchtwanger über den Erfolg des Jüdischen Kriegs, zitiert aus Herz, Denk ich an Deutschland, S. 319.

210  5 Ullsteins „exklusive Zone“

Machtergreifung der Nationalsozialisten von einem Auslandsaufenthalt nicht mehr nach Deutschland zurück. Auch Alfred Neumanns Narrenspiegel, erschienen im Jahr 1932, konnte eine für den Propyläen-Verlag vergleichsweise hohe Auflage von 35 000 Exemplaren verzeichnen. Neumann hatte sich als erfolgreicher Verfasser historischer Romane etabliert, nachdem ihm im Jahr 1926 mit Der Teufel ein „echter Sensationserfolg“20 gelungen war. Der Roman war in der Frankfurter Zeitung als Vorabdruck erschienen, die anschließende Buchausgabe bei der Deutschen Verlagsanstalt erzielte bis 1930 eine Auflage von 120 000 Exemplaren und Neumann wurde für Der Teufel der Kleist-Preis zugesprochen.21 Der als Schelmenroman konzipierte Narrenspiegel war das letzte von Neumann in Deutschland verfasste Buch, bevor auch er 1933 das Land verlassen musste. Neben den oben genannten Werken gab man z. B. 1929 Die Blondjäger von Hans Leip (1893–1983) heraus, dessen Unterhaltungsliteratur sich vor allem mit den Themen Meer und Seefahrt befasste. Bekannt wurde er durch die Vertonung seines 1915 entstandenen Gedichtes Lili Marlen, das – verbreitet durch den Soldatensender Belgrad – im Zweiten Weltkrieg große Popularität erlangte. Von Arnold Ulitz erschienen die Romane Aufruhr der Kinder und Worbs bei Propyläen und von Otto Alfred Palitzsch dessen Erstling Die Marie. Als zuverlässiger Lieferant erfolgreicher Unterhaltungsliteratur sowohl für den Propyläen- als auch für denUllstein Verlag ist darüber hinaus Walther von Hollander zu nennen. Zahlreiche seiner Familienromane wurden in der Vossischen Zeitung vorabgedruckt. Die Romane Die Angst zu lieben und Zehn Jahre, zehn Tage erschienen im Propyläen-Verlag als Buchausgabe.22 (Anti-)Kriegsliteratur Im Westen nichts Neues – das meistverkaufte Buch des Verlags und gleichzeitig das zu diesem Zeitpunkt erfolgreichste Buch überhaupt – stammte von einem bis dahin noch weitgehend unbekannten Autor. Erich Maria Remarque, ursprünglich Erich Paul Remark, Sohn eines Buchbinders, hatte als Redakteur für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet und 1920 einen unbeachtet gebliebenen Roman veröffentlicht. Zwischen 1916 und 1917 hatte er im Ersten Weltkrieg gekämpft, war verwundet worden und hatte die Zeit bis zum Ende des Krieges im Lazarett verbracht. Sein Werk Im Westen nichts Neues basierte auf seinen persönlichen Kriegserfahrungen, die in „einen fiktionalen Überbau“ eingearbeitet wurden mit dem Ziel, „das

20 Vogt-Praclik, Bestseller, S. 65. 21 Vgl. ebd. 22 Die Auflagen der in diesem Absatz genannten Bücher betrug zwischen 8000 und 10 000 Exemplaren, vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). Zu Hollander vgl. Werner Kayser: Walther von Hollander (Hamburger Bibliographien. 14). Hamburg: Hans Christians 1971.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe



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Kriegserlebnis […] in einen fiktionalen Diskurs mit authentischem Quellenmaterial zu transformieren“. Ein Verfahren, das Remarque auch in seinen späteren Werken anwandte. 23 Im Westen nichts Neues wurde von Emil Herz und auch allgemein als „pazifistischer Kriegsroman“24 bewertet, der durch seinen „emotionalen Stil“ und eine „Ästhetik des Horrors“ eine sehr hohe Akzeptanz in der Öffentlichkeit fand. Unterstützt durch die Vermarktungsstrategie des Verlags wurde der Text trotz eindeutiger Hinweise auf dessen fiktionalen Charakter als authentischer Bericht wahrgenommen (s. u.).25 Remarque hatte seinen Romanbericht verschiedenen Verlagen angeboten, darunter auch Samuel Fischer, der sich nicht zu einer Veröffentlichung entschloss und dies später als eine der „schwerwiegendsten Fehlentscheidungen seiner Verlegerkarriere“ bezeichnete.26 So erschien – nach dem Vorabdruck in der Vossischen Zeitung (s. u.) – die Buchausgabe von Im Westen nichts Neues schließlich am 31. Januar 1929 bei Propyläen.27 Remarques Roman sollte zum legendären Bestseller des Verlags werden.28 Die erste Auflage betrug 30 000 Exemplare, sie war bei Erscheinen des Buches bereits vergriffen.29 Am 23. Februar lieferte man das 100. Tausend aus, bis zum September erreichte die Auflage 800 000 Exemplare, insgesamt konnten schließlich über eine Million Exemplare der deutschen Buchausgabe abgesetzt werden. Aber auch international wurde Im Westen nichts Neues zu einem Bestseller. Das Buch wurde in 27 Sprachen übersetzt und konnte bereits 1931 eine Gesamtauflage von fast 3,5 Millionen Exemplaren verzeichnen.30 Durch seinen enormen Erfolg wurde Im Westen nichts Neues zu einer „zentrale[n] Drehscheibe“ im literarischen Feld im Bereich der Kriegsliteratur.31 Der Roman brachte eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg in Gang und löste eine Konjunktur nicht nur für Anti-Kriegsliteratur, sondern auch für nationalistisch-militärische

23 Schneider, Es ist ein Buch ohne Tendenz, S. 27 f. 24 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 319. 25 Vollmer, Schlachtfelder, S. 38. 26 Vgl. die Zusammenfassung Im Westen nichts Neues. Roman. URL: http://www.remarque.uni-osnabrueck.de/iwnn.htm [6.11.2016]. 27 Die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Romans ist sehr gut dokumentiert und wird im Rahmen dieser Arbeit deshalb nicht im Detail dargestellt. Vgl. z. B. Curt Riess: Erich Maria Remarque schreibt im Westen nichts Neues. In: Ders.: Bestseller. Bücher die Millionen lesen. Hamburg 1960, S. 166–180. Eine detaillierte Chronologie über die Entstehung des Werkes im Propyläen-Verlag bietet Schneider, Remarques Roman, S. 254–264. 28 Vgl. die Zusammenfassung der von Vogt-Praclik definierten Kriterien für ihre Untersuchung der Bestseller in Vogt-Praclik, Bestseller, S. 30. 29 Vgl. Johannes Brautzsch: Untersuchungen über die Publikumswirksamkeit der Romane Im Westen nichts Neues und Der Weg zurück von Erich Maria Remarque vor 1933. Diss. phil. Universität Potsdam 1969, S. 278. Vogt-Praclik, Bestseller, S. 49. Hierzu auch Krell, Das alles gab es einmal, S. 161: „Als der Schluß [des Fortsetzungsromans] erschien, lagen schon Zehntausende Bestellungen auf die Buchausgabe vor.“ 30 Vgl. die ebd., S. 53, abgedruckte Anzeige aus Der Querschnitt 11 (1931). 31 Vollmer, Schlachtfelder, S. 172.

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Kriegsliteratur aus, die besonders in den Jahren 1929 bis 1931 eine Fülle entsprechender Veröffentlichungen mit sich brachte.32 Für zahlreiche dieser Werke stellte Im Westen nichts Neues einen direkten Bezugs- bzw. Reibungspunkt dar.33 Im Westen nichts Neues war eines der wenigen erfolgreichen kriegskritischen Bücher. Die Antikriegsliteratur konnte insgesamt in der Weimarer Republik keine großen Erfolge verzeichnen. Die Werke erschienen verstreut in eher unbekannten, kleinen Verlagen, denen „weder das ökonomische und symbolische Kapital von Traditionsverlagen noch von einzelnen Verlegerpersönlichkeiten zur Verfügung stand“.34 Die auf dem Buchmarkt erfolgreichere Gruppe der Autoren, die das militärisch-nationalistische Segment der Kriegsliteratur bedienten, wurde hingegen gestärkt und unterstützt durch Verlage politischer Gruppierungen wie dem Verlag Franz Eher Nachf., der den Völkischen Beobachter herausgab, Traditionsverlagen wie Bertelsmann und Verlegerpersönlichkeiten wie Eugen Diederichs. Als „opinion leaders and information gatekeepers“35 verschafften sie den Autoren und den von ihnen verbreiteten Anschauungen Legitimität und Respekt und förderten die Vermarktung und Etablierung ihrer Bücher im literarischen Feld. Insofern ist es signifikant, dass der einzige erfolgreiche Titel im Segment der Antikriegsliteratur im Propyläen-Verlag erschien, der, eingebettet in das Imperium der Ullstein-AG, über die notwendigen Mittel und die Erfahrung verfügte, um den Titel innerhalb einer äußerst effizienten Werbeaktion auf dem Markt zu lancieren (s. u.). Propyläen zählte darüber hinaus zu den wenigen Verlagen, die mehr als einen kriegskritischen Titel während der Zeit der Weimarer Republik veröffentlichten. Gleichzeitig bildete die Kriegsliteratur auch innerhalb des Programms neben den zahlreichen Einzeltiteln eine gewisse Konstante. Vor Remarques Erfolg war – in der Wiederaufnahme der Reihe Das kleine Propyläen-Buch (vgl. Abschn. 4.1.3) – die Novelle Karl und Anna des Pazifisten Leonhard Frank bei Propyläen erschienen. Mit über 40 000 Exemplaren konnte sie die Auflage der ursprünglich für diese Titel vorgesehenen Erstauflage von 10 000 Exemplaren deutlich übersteigen.36

32 Vgl. Vogt-Praclik, Bestseller, S. 49 und Vollmer, Schlachtfelder, S. 176. 33 Vgl. hierzu Vollmer, Schlachtfelder, Abschn. 5.3 und Günther Hartung: Gegenschriften zu Im Westen nichts Neues und Der Weg zurück. In: Erich Maria Remarque, Leben, Werk und weltweite Wirkung (Beiträge zum gleichnamigen Symposion, Erich-Maria-Remarque-Zentrum, Universität Osnabrück, 25.–28. September 1997). Hrsg. von Thomas F. Schneider. Osnabrück: Rasch 1998, S. 109– 150. Vgl. auch Füssel, Belletristische Verlage, S. 75, der auf den von Josef Magnus Wehner 1930 im Georg Müller Verlag veröffentlichten Roman Sieben vor Verdun verweist, der als „eine einzige Verherrlichung des deutschen Soldatentums […] bewusst gegen Erich Maria Remarques pazifistischen Roman Im Westen nicht Neues“ geschrieben worden sei. 34 Vollmer, Schlachtfelder, S. 80. 35 Ebd., S. 83. 36 Diese Auflage ist nicht in der Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.) verzeichnet, geht aber aus den Angaben zu den im KVK verzeichneten Ausgaben hervor.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe

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1930 veröffentlichte Hertha Lesser (1897–1980) unter dem Pseudonym Adrienne Thomas bei Propyläen ihr Erstlingswerk Die Katrin wird Soldat37, das ebenfalls zu einem überraschenden Erfolg werden sollte. Der Roman war eines der wenigen von einer Frau zum Thema Krieg verfassten Bücher38 und zudem in der eine hohe Subjektivität suggerierenden „weiblichen Form“ des Tagebuchs konzipiert.39 Damit sprach die in der Zeit des Krieges spielende Liebesgeschichte vor allem ein weibliches Zielpublikum an. Seit dem Ersten Weltkrieg war die Zahl der veröffentlichten Tagebücher – als meistverbreitete Form literarischer Tatsachenberichte – stark angestiegen.40 Auch im Hinblick auf die Schilderung von Kriegserlebnissen hielt man das Tagebuch für besonders aussagekräftig.41 So hatte Lesser wie Remarque private Aufzeichnungen über selbst Erlebtes als Ausgangsbasis für eine anschließende Fiktionalisierung herangezogen. Dem Leser gegenüber wurde damit eine besondere Nähe geschaffen, die das Interesse für „Intimes“ befriedigte und Raum für Diskussionen über die Authentizität des Textes bot, die wiederum den Vermarktungsinteressen von Verleger und Autor entgegenkamen. Die Katrin wird Soldat gehörte mit den beiden Büchern von Remarque zu den erfolgreichsten Werken des PropyläenVerlags in dieser Zeit. In der Ullstein-Chronik ist eine Auflage von 91 000 Exemplaren verzeichnet, Biener spricht von einer Gesamtauflage, „die in die Millionen“ ging.42 Der Roman konnte ebenfalls im Ausland große Erfolge verzeichnen, bis 1931 war er bereits in zehn Sprachen übersetzt worden.43 Als direkte Anknüpfung an Im Westen nichts Neues gab Propyläen im Jahr 1931 auch den zweiten Roman von Erich Maria Remarque Der Weg zurück heraus, auf den man sich eine Vorzugsoption vertraglich gesichert hatte. Die Auflage fiel dieses Mal deutlich geringer aus, erreichte aber dennoch eine für den Propyläen-Verlag sehr beachtliche Anzahl von 187 000 Exemplaren. Ausländische Autoren Romane ausländischer Autoren waren verstärkt in den Jahren 1925 und 1926 in das Verlagsprogramm des Propyläen-Verlags aufgenommen worden. Von Jules Romains (1885–1972) erschien Lucienne, Marcel Prousts (1871–1922) Erstlingswerk Tage der Freuden wurde zum ersten Mal im Propyläen-Verlag in deutscher Sprache veröffent-

37 Vgl. Rebecca Biener: Die literarische Verteidigung des kleinen Glücks am Beispiel der Autorin Adrienne Thomas. Diss. phil. Universität Siegen 2005. URL: http://dokumentix.ub.uni-siegen.de/ opus/volltexte/2007/286/pdf/biener.pdf [25.11.2016], S. 42. 38 Vgl. Vogt-Praclik, Bestseller, S. 60. 39 Vgl. Biener, Literarische Verteidigung, S. 64–66. 40 Vgl. ebd., S. 65. 41 Vgl. Bachleitner, Feuilletonroman, S. 134. 42 Ebd., S. 72. 43 Vgl. die Notiz hierzu in der Vossischen Zeitung vom 12.7.1931, Morgenausgabe, S. 6.: „In zehn Sprachen übersetzt!“

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licht, von Lafcadio Hearn (1850–1904) gab man Japanische Geistergeschichten heraus, von Georges Duhamel (1884–1966) Zwei Freunde und schließlich von Nikolaj Nikitin (1895–1963) Der Flug. In den dreißiger Jahren erschienen darüber hinaus neben dem Roman Nippernaht und die Jahreszeiten (1931) des estnischen Schriftstellers August Gailit (1891–1960) noch zwei Bücher ausländischer Autoren zum Thema Krieg. 1930 brachte man den von Ernst Weiß überarbeiteten Roman Sibirische Garnison44 des österreichisch-ungarischen Autoren Rodion Markovits (1884–1948) heraus, der eine Auflage von etwas mehr als 20 000 Exemplaren erzielen konnte. 1933 wurde der Roman Versuchung in Budapest des ungarischen Autors Franz Körmendi (1900–1972) veröffentlicht, dessen Auflage mit 14 000 Exemplaren in der UllsteinChronik angegeben ist.

5.2.2 Feuilletonroman und Romanvorabdruck – Entwicklungen in der Weimarer Republik und Bedeutung für die Autoren Bis zum Ersten Weltkrieg hatte ein „allgemeiner Romanwettlauf“ eingesetzt,45 der mit zunehmender Kapitalisierung und Kommerzialisierung der Presse in der Weimarer Republik weiter voranschritt. In der politischen Meinungspresse wurden Romane sowohl in den liberalen Blättern, unter denen im Hinblick auf die Qualität der Romane die Frankfurter Zeitung und die Vossische Zeitung hervorzuheben sind, als auch in den sozialdemokratischen, kommunistischen, deutschnationalen, nationalsozialistischen und konservativ-katholischen Blättern abgedruckt. Darüber hinaus erschienen sie in der Boulevardpresse, in den Wochenzeitungen wie der BIZ oder Tageszeitungen wie der Berliner Morgenpost. Der Gesamtbedarf an Romanen stieg weiter an und die Zahl der Romanvertriebe erhöhte sich von 15 im Jahr 1918 auf 25 im Jahr 1932, hinzu kamen literarische Agenturen und Buchverlage, die ebenfalls Romane aus ihrem Programm an Zeitungen und Zeitschriften verkauften.46 Darunter zählte Ullstein neben Carl Duncker, Scherl und Knorr & Hirth zu den aktivsten Romanvertrieben. Angestrebt wurde generell die Mehrfachverwertung der Texte, also der Verkauf an möglichst viele Zeitungen, was das Honorar der Autoren ebenfalls entsprechend erhöhte. Inhaltlich konnten sich der Kriminalroman sowie der Abenteuer- und phantastische Roman immer größerer Beliebtheit erfreuen, während das Interesse an Gesellschafts-, Familien- und Liebesromanen weiterhin hoch blieb. Die

44 Es handelt sich hier um die von Ernst Weiß überarbeitete Fassung des Romans, vgl. Abschn. 3.2.4. 45 Samuel Fischer an Arthur Schnitzler am 8.10.1907, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 69. 46 Vgl. Bachleitner, Feuilletonroman, S. 127 f.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe



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vor dem Ersten Weltkrieg beliebten Übersetzungen gingen während der Weimarer Republik stark zurück und wichen dem deutschen Originalroman.47 Die Etablierung des Feuilletonromans stand in enger Verbindung mit der Entwicklung des freien Schriftstellers, dem das Schreiben als Hauptberuf den Lebensunterhalt sichern sollte. Der (Vor-)Abdruck der Werke in Zeitungen und Zeitschriften stellte eine wichtige Einnahmequelle dar, die die finanzielle Situation der Autoren zu sichern half und, wie am Beispiel Paul Heyses gezeigt wurde,48 den „Gang auf den freien Markt“ in vielen Fällen überhaupt erst möglich machte. Besonders die Zeitschriften zahlten hohe Honorare für den Abdruck von Romanen, teilweise überstiegen diese die Honorare für Buchausgaben bei weitem. Der Autor Arthur Zapp berichtete von 300 Mark, die ihm für sein erstes Buch gezahlt worden waren, während die Gartenlaube ihm als noch unbekanntem Autor bereits 3000 Mark für einen dort abgedruckten Text bezahlt habe.49 Erfolgreiche Romane erschienen häufig in unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften, aber nicht zwingend auch als Buchausgabe. Andererseits entwickelte sich der Vorabdruck geradezu zu einer „Vorbedingung“ der Buchwerdung eines Textes.50 Sowohl Verlage wie Ullstein als auch die Autoren, selbst wenn es diesen, wie im Falle Schnitzler manchmal „im ganzen […] ja sympathischer [wäre], wenn der Roman gleich als Buch erschiene“, wollten auf diese zusätzliche Verwertungsmöglichkeit nur „ungern verzichten“.51 Darüber hinaus ermöglichte der Abdruck in Periodika die Präsentation der Werke und des Autors vor einem breiten Publikum, was vor allem für noch unbekanntere Autoren entscheidend war, doch auch von etablierten Schriftstellern geschätzt wurde. Jakob Wassermann (1873–1934) hatte den Vorabdruck Hofmannsthal gegenüber in diesem Zusammenhang als „freundliche Möglichkeit“ beurteilt, „gelegentlich etwas vor einen sehr großen Leserkreis zu bringen und daraus gewissen materiellen Vorteil zu ziehen.“52 Die Adressierung des im Entstehen begriffenen Massenpublikums hatte bis zur Jahrhundertwende die verstärkte Hinwendung zur realistischen Prosa und eine nachlassende Bedeutung der klassischen Gattungen Drama und Epos zur Folge. Zudem beeinflussten die im Hinblick auf eine publikumswirksame Schreibweise geschulten, hauptberuflich zum Beispiel als Journalisten oder Redakteure tätigen Autoren die Entwicklung zum Realismus sowie zum satirischen und sozialkritischen Schreiben. Ihnen werden aber auch maßgebliche Impulse angesichts der Trivialisierung des Feuilletonromans zugeschrieben.53

47 Vgl. ebd., S. 131 f. 48 Vgl. ebd., S. 76. 49 Vgl. ebd., S. 77. 50 Kaminski/Ramtke/Zelle, Zeitschriftenliteratur, S. 31. 51 Arthur Schnitzler an Heinrich Schnitzler am 21.11.1927, zitiert nach Schnitzler, Briefe 1913–1931, S. 511. 52 Hugo von Hofmannsthal an Paul Wiegler am 18.3.1928, zitiert nach Briefe an Paul Wiegler, S. 12. 53 Vgl. Bachleitner, Feuilletonroman, S. 44.

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In der Weimarer Republik wurde der Vorabdruck mit seinen attraktiven Verdienstmöglichkeiten auch als Teil und Ausdruck eines kulturellen Wandels verstanden, der den Schriftsteller stärker nach einer möglichst effizienten Verwertung seiner Texte streben ließ als nach Anerkennung und Ansehen innerhalb des literarischen Feldes. Alle Klassen und nahezu die Gesamtheit der Individuen haben auf den Vorrang des Geistigen verzichten müssen, weil der Erwerb zu sehr drängte. […] Vom Erwerb bestimmt sind alle Werte auf die [der Schriftsteller] sich beruft. […] Was den Erwerb nicht angeht, verschwindet einfach als Wert, so der Ruhm. Der Ruhm würde bedeuten, fünfzehn Jahre erfolglos zu arbeiten und auch dann noch von ihm allein nicht leben zu können. Er war die Erfindung ausgestorbener Menschenarten und wurde einst gutgläubig übernommen von einem Bürgertum, das auch seinerseits nun dahinging.54 Das Bürgertum als Zielgruppe mit entsprechendem Wertekanon wurde abgelöst von einer neuen Gesellschaftsschicht der Unterhaltung suchenden Angestellten. Wer als Schriftsteller Erfolg haben wollte, schrieb nun für „illustrierte Zeitungsleser und Schnellfahrer“.55 Heinrich Mann, dem es schwer fiel, „seinen Leserkreis noch zu erkennen und genau zu definieren“56, wies damit bezeichnenderweise nicht auf die literarischen Vorlieben der Leser, sondern vielmehr auf einen bevorzugten Publikationsort und eine mögliche Lesesituation hin, zum Beispiel auf das Lesen während der Reise. Bei den Lesern besonders gefragt war nun Unterhaltungsliteratur, die – in Zeitungen, Zeitschriften oder Taschenbüchern veröffentlicht – bequem auch unterwegs gelesen werden konnte. Die sich verändernden Produktions- und Rezeptionsbedingungen der Weimarer Republik, die besonders auch durch die Konkurrenz des gedruckten Wortes zu den beliebten neuen Medien Film und Radio geprägt waren, brachten nach Meinung Heinrich Manns somit zudem die „Notwendigkeit einer ästhetischen Anpassung an die Mittel der Trivialliteratur“57 mit sich. Der neue, zeitgemäße Roman sollte „Vergnügen“ bereiten und spannende „Unterhaltung“ bieten.58 Der Vorabdruck beeinflusste den Entstehungsprozess der Werke. Die Autoren gingen dazu über, ihre Texte gezielt im Hinblick auf den gewünschten Vorabdrucks-

54 Heinrich Mann: Zeit und Kunst (1928). In: Sieben Jahre. Chronik der Gedanken und Vorgänge (Heinrich Mann. Studienausgabe in Einzelbänden. Hrsg. von Peter-Paul Schneider). Frankfurt/M.: Fischer 1994, S. 493. Zitiert nach Teinturier, Zeitungsleser, S. 145. 55 Teinturier, Zeitungsleser, S. 145. 56 Ebd. 57 Ebd., S. 194. 58 Ebd.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe



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ort hin zu konzipieren.59 Schriftsteller wie Arthur Schnitzler, der als professioneller „Medienarbeiter“ auch für Zeitungen, Zeitschriften oder den Film tätig wurde und die Mehrfachverwertung seiner Texte damit selbst vorantrieb,60 fragten direkt bei den Verlagen an, welches Genre und welche Thematik dort gerade gewünscht seien. So schrieb Schnitzler 1924 an Wiegler: „Für alle Fälle aber möchte ich anfragen, ob Sie auch auf eine historische Novelle, vielmehr in vergangener Zeit spielende, frei erfundene, reflektieren würden.“61 Gleichsam wurden Texte, unabhängig von Ansehen und Bekanntheitsgrad ihres Verfassers abgelehnt, wenn sie den Kriterien des Vorabdrucks nicht entsprachen.62 Krell schrieb z. B. an Arthur Schnitzler: Mir liegt nun die schmerzliche Aufgabe ob, Ihnen zu sagen, daß der Verlag sich nicht entschließen konnte, „Therese“ für den Vorabdruck zu erwerben. Die Meinung gab den Ausschlag, daß durch die Zerlegung in Tagesabschnitte die chronikartige, allmähliche Steigerung des Schicksals ihre Intensität und ihre bezwingende Wirkung einbüßen würde. Nach dem sehr starken Einsatz des Salzburger Familienbildes gibt sich die Schilderung an eine Folge von Stationen hin, deren Stetigkeit im Vorabdruck einer Dehnung anheimfallen würde. In diesem Progressiven liegt ein genau voraussehbarer Ablauf, der die Überraschung ausschließt, nach der unsere Journale sich umzusehen gezwungen sind.63

Nicht selten traten die Verlage auch mit mehr oder weniger konkreten Vorstellungen an einen Autor heran und versuchten diesen, für ein Vorabdrucks-Roman-Projekt zu gewinnen. Lieber Walter Hasenclever, mich beschäftigt ein Einfall. Wir bräuchten – für den Verlag und für die Journale – ausgezeichnet geschriebene Spannungsromane. Wer aber schreibt sie? Wer hat die Phantasie? Die deutschen Autoren seriöser Provenienz zucken die Schultern. Allerdings nicht alle. Ich habe eben jemanden für einen bestimmten Stoff gewonnen. Und mit einem anderen Stoff denke ich an Sie. Dabei bitte ich Sie sehr, diskret mit meinem Anliegen umzugehen. Denn es liegt in der Luft und wer zuerst danach greift, hats. Also: ältere Spannungsromane ganz neu zu bearbeiten. Kennen Sie „Nabob“ von Daudet? Kein Mensch in Deutschland hat eine Ahnung davon. Sie als Gobseck-Kenner müssten etwas daraus

59 Man kann davon ausgehen, dass dies nicht nur für den Vorabdruck, sondern auch im Hinblick auf die mögliche anschließende Verfilmung und für Bühnenschriftsteller galt. Vgl. Lange, Siegeszug, S. 99 und Abschn. 5.3.3. 60 Vgl. Podewski, Schnitzler und der Buch- und Zeitschriftenmarkt, S. 53. Vgl. hierzu insgesamt auch Füssel, Buch in der Medienkonkurrenz, S. 322–340. 61 Arthur Schnitzler an Paul Wiegler am 20.11.1924 (Marbach, DLA, A: Schnitzler, Mappe 570, 85.1.2095). 62 Vgl. z. B. auch Schneider, Romanabteilung, S. 101, die als Beispiel den renommierten NovellenAutor Paul Ernst anführt, dessen Manuskript von Ullstein abgelehnt wurde, weil sich in keinem der Ullstein-Blätter „für diese unheimliche Geschichte […] ein Platz [hatte] finden lassen.“ 63 Max Krell an Arthur Schnitzler am 10.11.1927 (University Library Cambridge, B 521). Therese gehörte damit zu den wenigen Ausnahmen unter Schnitzlers Erzähltexten, die nicht vorabgedruckt worden waren. Vgl. Podewski, Schnitzler und der Buch- und Zeitschriftenmarkt, S. 54.

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machen können. Zudem hätten Sie – auf dem für Sie neuen Glacis – ein Gerüst an Daudet. Es müsste Sie doch reizen, einmal in die dramatische Kurve eine epische Einlage zu machen. Alten Zierrat herunterschlagen. Ganz neue Batterien einsetzen, damit die Geschichte im Glanz von 1929 leuchtet. Wollen Sie? Lesen Sie einmal nach und schreiben Sie mir. Kennen Sie andere verschollene Romane, die man wählen könnte? Sie verstehen, wie ich’s meine. Herzlich immer Ihr Krell64

Dieser in der literaturwissenschaftlichen Rezeption der Werke, die meist lediglich auf die „kontextbereinigte“ Monographie „als scheinbar höherwertiger[er]“65 Erscheinungsform fokussiert, oftmals unberücksichtigt gelassene Entstehungskontext offenbart einen nicht zu unterschätzenden Einfluss der Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen. Es waren nicht nur Buchverleger und Lektoren, sondern auch einflussreiche Redaktionen, wie die des Ullstein-Konzerns oder der Frankfurter Zeitung, die den Zugang der Autoren zu einem breiten Publikum und ihren Erfolg auf dem Buchmarkt steuerten. Den ursprünglichen Zweck des Feuilletonromans – Auflagensteigerung und Mehrfachverwertung von Texten – in den Hintergrund rückend, verstanden sich diese auch als Literaturvermittler und -förderer, die, wie sich Ullstein Schnitzler gegenüber pries, „die Übertragung eines Werkes […] auf einen sehr grossen Kreis aus allen Schichten der Bevölkerung“66 ermöglichten und damit der „Öffentlichkeit“ überhaupt erst „zugängig“67 machten. Den ökonomischen Erwartungen des Blattes verpflichtet, brachten sich die Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen teilweise maßgeblich in die Gestaltung des Textes mit ein.68 In der Regel wurde das Recht des Verlegers auf „Kürzungen, auch in größerem Umfange, sowie [auf] kleinere redaktionelle Änderungen“69 vertraglich festgelegt, die den Text des Autors „auf die Wirkung der fortsetzungsweisen Veröffentlichung“70 hin optimieren sollten. Als „mutmaßliche[r] cliffhanger-Kompositeur“71 ließ der Verleger den Vorabdruck zudem nicht zwingend der vom Autor vorgesehenen Kapiteleinteilung folgen, er griff in das Werk ein, um die Spannung und

64 Max Krell an Walter Hasenclever am 25.11.1929 (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.38). 65 Kaminski/Ramtke/Zelle, Zeitschriftenliteratur, S. 12. 66 Kurt Korff an Arthur Schnitzler am 19.11.1926 (University Library Cambridge, B 521). 67 Max Krell an Arthur Schnitzler am 10.11.1927 (University Library Cambridge, B 521). Vgl. hierzu auch Cristina Priotto, Fortsetzung folgt. Feuilleton-Romane in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im 20. Jahrhundert. Marburg: Tectum 2007, S. 35, die darauf hinweist, dass sich das Feuilleton „in den Rang einer Kulturmittlerin zwischen Oberschicht und breiter Masse“ erhob. 68 Vgl. Kaminski/Ramtke/Zelle, Zeitschriftenliteratur, S. 16. 69 § 4 des standardisierten „Roman-Vertrages“ des Ullstein Verlags. 70 Samuel Fischer an Arthur Schnitzler am 11.11.1907, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 74. 71 Kaminski/Ramtke/Zelle, Zeitschriftenliteratur, S. 16.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe



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damit die Neugierde des Lesers auf die nächste Nummer aufrechtzuerhalten.72 Somit steuerte der Verleger auch die Rezeption der Werke. Unter großem Einfluss des Verlags stand zudem die Wahl des Titels, dem eine Schlüsselrolle innerhalb der Werbekampagne für den Vorabdruck zukam, weshalb es in Abstimmung mit dem Autor darum ging, einen „zweckmäßigen Titel (vom Standpunkt des Publikumserfolgs)“ zu finden. 73

5.2.3 Der Romanvorabdruck bei Ullstein Fortsetzungsromane wurden bei Ullstein unter anderem in der Dame und der Vossischen Zeitung abgedruckt, die wichtigste Rolle für den gesamten Konzern spielte in dieser Hinsicht jedoch die BIZ. Sie hatte die höchste Auflage und war damit auch „eine der ergiebigsten Quellen, aus der die Gewinne des Hauses […] flossen.“74 1891 im Verlag Hepner & Co. gegründet und 1894 von Ullstein übernommen, war die BIZ im Unterschied zu den meisten im Abonnement vertriebenen Familienzeitschriften des 19. Jahrhunderts von Anfang an für den Straßenverkauf konzipiert worden.75 Sie nutzte damit einen zu diesem Zeitpunkt ganz neuen Vertriebsweg für Zeitungen und Zeitschriften, der sich seit seiner Legalisierung im Jahr 1904 vor allem in den Großstädten etablierte76 und nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend professionalisierte. Berlin, wo „seit der Reichsgründung so viele Zeitungen und Zeitschriften wie an keinem anderen Ort in Deutschland“ erschienen,77 bot ideale Voraussetzungen für einen organisierten und expandierenden Straßenhandel. Ullstein konnte bei dem Vertrieb seiner Zeitungen und Zeitschriften auf ein eigenes Händlernetz zurückgreifen. Dieses bestand aus „fliegenden Händlern“, die vor allem die aktuellen Tageszeitungen wie die Berliner Zeitung verkauften, und Zeitungskiosken, an denen die Illustrierten zu den besonderen Favoriten der Käufer zählten.78 Da die Auflage der BIZ nicht durch einen festen Abonnentenstamm abgesichert war, galt es, die Leser jede Woche aufs Neue zum Kauf der Zeitschrift zu bewegen. Für eine Illustrierung auf hohem Niveau wurden die bekanntesten Zeichner enga-

72 Vgl. als Beispiel die Hinweise zu Perutz Roman Wohin rollst du, Äpfelchen bei Mayer, Unterhaltung vom Dichter, S. 180. 73 Paul Wiegler an Arthur Schnitzler am 31.10.1926 (University Library Cambridge, B 521). 74 Jödicke, Als die Werbung noch Propaganda hieß, S. 143. 75 Mayer, Unterhaltung vom Dichter, S. 173. 76 Vgl. Luft, Berliner Illustrirte, S. 112. 77 Christine Haug: Sonderformen des verbreitenden Buchhandels. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2. Die Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. München: Saur 2007, S. 535–552, hier S. 536. 78 Haug, Sonderformen, S. 544 f.

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giert und sobald es die Reproduktions- und Drucktechnik zuließ, bediente man sich der Fotografie in großem Stil. Vor allem auf dem Titelblatt wurde diese als „optische Lockung“79 eingesetzt. Darüber hinaus war es aber vor allem der Fortsetzungsroman, mit dem neue Leser gewonnen und für mehr als eine Nummer an das Blatt gebunden werden sollten. Für die BIZ wurde der erfolgreiche Romanabdruck somit zu „eine[r] Lebensfrage“, er konnte dem Blatt in einem Quartal 20 000 bis 30 000 neue Leser zuführen.80 Aus diesem Grund konzentrierte sich die gesamte Werbestrategie für die BIZ auf den Fortsetzungsroman, er war das „Herzstück“ der Zeitschrift.81 Zwei Mal im Jahr wurde ein besonders geeignet erscheinender Roman für eine außergewöhnliche Werbeaktion ausgewählt, für die „alle Register gezogen und der größte Aufwand betrieben wurde“.82 Der Beginn des Romanabdrucks wurde als „öffentliches Ereignis“ zelebriert, denn er sollte der BIZ einen deutlichen Anstieg der Auflage bescheren.83 Der erfolgreiche Vorabdruck beförderte schließlich auch die im Anschluss erscheinende Buchausgabe, die nicht selten zu einem Bestseller wurde. Eine von der Werbestelle des Börsenvereins veranlasste statistische Erhebung zur individuellen Motivation beim Bücherkauf aus dem Jahr 1926 bestätigte, dass „die vorherige Kenntnis des Werks“ ein wesentliches Kriterium beim Kauf eines Buches war.84 Der Werbefachmann Hermann Ullstein erläuterte 1943, auf welche Weise die Buchkäufer durch den Vorabdruck eines Romans in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden konnten: Suppose you enter a store where dozens of books are lying at the counter. Among them is one whose title you have seen advertised every week in, say, The New York Times, although you may not have realised it consciously. Your eye, nevertheless, has taken a mental photograph; your ear, too, has registered its name. Mechanically, you choose it, not caring whether or not it has previously appeared as a serial. You may, on the other hand, make it your choice simply because, from lack of time, you have not been able to read it in serial form and now wish to make up for what you have missed. Or, not having read it, you may have suffered from being unable to join in conversation in which its characters are beeing discussed and the book itself praised or condemned. This, then, was the way in which a novel, previosly printed serially in the Berliner Illustrirte, became a best seller.85

Das überdurchschnittlich hohe Honorar, das Ullstein den Autoren der Fortsetzungsromane bezahlte, spiegelt die Bedeutung des Romans für den Erfolg der Zeitschrift

79 Luft, Berliner Illustrirte, S. 87. 80 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 231. 81 Ebd., S. 94. 82 Jödicke, Als die Werbung noch Propaganda hieß, S. 144. 83 Ebd. 84 Schneider, Buchkäufer und Leserschaft, S. 156. Ca. 20 Prozent der Befragten gaben die „vorherige Kenntnis des Werks“ als entscheidendes Motiv beim Bücherkauf an. 85 Hermann Ullstein: The Rise and Fall of the House of Ullstein. London: Nicholson & Watson 1943, S. 96.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe

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und der Buchausgabe wider. Es weckte das Interesse zahlreicher, auch renommierter Autoren, die sich in der Hoffnung auf einen Vorabdruck in der BIZ mit ihren Werken zuerst an Ullstein wandten.86 Von dem Zustrom an Texten profitierten darüber hinaus aber auch die Dame und die Vossische Zeitung und vor allem der Buchverlag. Schloss der Verlag einen Vertrag über ein bereits geschriebenes Werk ab, das nicht direkt für den Vorabdruck vorgesehen war, vergütete man dem Autor teilweise zusätzlich die Übertragung des „Alleinrecht[s], einen Vorabdruck [des Werkes] zu veranstalten“. So zahlte man Heinrich Mann allein für dieses Recht an der im Propyläen-Verlag erschienenen Novelle Kobes 1000 Mark „und im Falle der Veranstaltung des Vorabdrucks“ sollte er „nochmals den Betrag von Mk. 1000.– “ erhalten.87 Das attraktive Honorar und der breite Leserkreis, mit dem ein Vorabdruck in den Ullstein-Periodika und besonders in der BIZ verbunden war, mussten allerdings vor allem von anspruchsvolleren arrivierten Schriftstellern wie Schnitzler oder Hauptmann stets gegen den Einfluss des Veröffentlichungsortes auf die Rezeption des Werkes abgewogen werden. Denn, so hatte schon Fontane seinerzeit geurteilt, „jede geistige Arbeit nimmt von dem Ort […], wo sie sich niederläßt, einen ganz bestimmten Geruch an und kann ihrem eignen Erzeuger dadurch wie verleidet werden.“88 Im Falle Schnitzlers und Hauptmanns sollte der Abdruck in der BIZ sogar den Absatz der anschließend im S. Fischer Verlag erscheinenden Bücher erschweren statt befördern. Ihre Novelle habe ich gelesen. […] Ich hoffe, dass wir in Ihrem Fall nicht eine ähnliche Erfahrung machen, wie es mit zwei Romanen von Bernhard Kellermann und Gerhart Hauptmann geschehen ist; mit diesen Romanen, die durch den Vorabdruck in der „Berliner Illustrierten Zeitung“ [sic!] im Absatz erheblich behindert waren. Ich würde vorschlagen, dass wir zuerst 1500 Exemplare drucken und ich hoffe, Sie werden in Anbetracht der Unsicherheit, die durch den Vorabdruck in der „Berliner Illustrierten Zeitung“ [sic!] gegeben ist, mit meinem Vorschlag einverstanden sein. […] Auch von Bruno Franck habe ich durch seinen Verleger gehört, dass

86 Vgl. z. B. auch das Schreiben Hugo von Hofmannsthals an Paul Wiegler am 18.3.1928, zitiert nach Briefe an Paul Wiegler, S. 12f: „Jakob Wassermann hält mir öfters vor, warum ich denn nicht gelegentlich etwas für die Ullsteinblätter schriebe […], da er sehr wohl weiß, daß eben das Beste und Ernsthafteste, das ich hervorbringe, mir nichts einträgt. […] Soviel mir vorschwebt, war in meinem Gespräch mit W[assermann] gar nicht von der Vossischen Zeitung die Rede, sondern von einem der anderen Blätter. Ich glaube von der illustrierten Zeitung […] u[nd] zw[war] schlug er diese Stelle eben wegen der größeren Honorarmöglichkeit vor.“ 87 Verlagsvertrag mit Heinrich Mann vom 24.9.1924 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 88 Zitiert bei Bachleitner, Feuilletonroman, S. 75.

222  5 Ullsteins „exklusive Zone“

der Buchabsatz seine Romans „Trenck“ durch den Vorabdruck in der „Berliner Illustrierten Zeitung“ [sic!] ungünstig beeinflusst war.89

Veröffentlichten renommierte literarische Autoren in der BIZ, wurde ihr Text aufgrund des Publikationsortes als Unterhaltungsliteratur eingestuft, wodurch im Falle des S. Fischer Verlags das Zielpublikum des Verlags eher abgeschreckt als zum Kauf des jeweiligen Buches angeregt wurde. Für Leo Perutz’ Roman Wohin rollst Du, Äpfelchen, der 1928 im Rahmen einer großen Propaganda-Aktion in der BIZ erschienen war,90 „fehlen [beispielsweise] Rezensionen aus der Zeit völlig“, obwohl Literaturkritiker wie Tucholsky, Kisch oder Ossietzky sonst jedes neue Buch von Perutz „enthusiastisch“ gefeiert hatten.91 Perutz’ Roman, der im Anschluss an den Vorabdruck zudem in der Reihe der gelben Ullstein-Bücher erschienen war, wurde nicht nur von der zeitgenössischen Kritik, sondern später auch von der literaturwissenschaftlichen Forschung ignoriert.92 Der von Geldsorgen geplagte Perutz versuchte trotz allem, weiterhin Kontakt zu Ullstein zu halten. Denn die stattlichen Honorare waren für viele Schriftsteller, die versuchten, ihre Existenz mit dem Schreiben zu bestreiten, wichtiger als der in einem anderen Verlag möglicherweise zu erringende Ruhm. Auch für Schnitzler war der Ullstein Verlag in den zwanziger Jahren zu einer nicht unbedeutenden Einnahmequelle geworden. Er versuchte, dort möglichst viele Werke als Vorabdruck unterzubringen, und freute sich besonders, als Wiegler „eine Veröffentlichung in der Illustrirten Zeitung für möglich“ hielt, da dies „auch in Hinsicht auf die Honorarfrage günstige Aussichten eröffnet[e].“93 Was hingegen die nachfolgenden Buchausgaben betraf, war Schnitzler in der günstigen Position, mit verschiedenen Verlagen über die Konditionen verhandeln zu können. Er wollte zwar von den Ullstein-Honoraren profitieren, seine Bücher aber anschließend an anderer, adäquater Stelle veröffentlichen. In den Verhandlungen um die Traumnovelle, die 1925 in der Dame als Vorabdruck erschienen war, äußerte er Ullstein gegenüber: Die Buchverlagsfrage möchte ich, wie ich Ihnen schon seinerzeit gesagt, aus der Diskussion überhaupt ausscheiden. Ich wünsche diesmal das Buch entweder Fischer oder Zsolnay zu überlassen, umso mehr als ja der Propyläenverlag für mich persönlich gegenüber jenen beiden weder ideell noch materiell eine Vorzugsstellung beanspruchen kann und bei gerechter Annahme gleichen Rangs meine ethischen Verpflichtungen nach jenen anderen Seiten höher liegen.94

89 Samuel Fischer an Arthur Schnitzler am 17.1.1927, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 148 f. 90 Vgl. Mayer, Unterhaltung vom Dichter, S. 177. 91 Ebd., S. 188. 92 Ebd., Anm. 71. 93 Arthur Schnitzler an Paul Wiegler am 28.10.1926 (Marbach, DLA, A: Schnitzler, Mappe 570, 85.1.2095). 94 Arthur Schnitzler an Paul Wiegler am 25.8.1925 (Marbach, DLA, A: Schnitzler, Mappe 570, 85.1.2095).

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe



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Das erklärte Ziel des Verlags war es hingegen, gerade angesehene Autoren wie Schnitzler mit einem Kombinationsangebot auch für die anschließende Herausgabe des Buches zu gewinnen. Schnitzlers „alter Verleger“95 Samuel Fischer, der sich wieder einmal gegen die Ullstein-Konkurrenz behaupten musste, stellte Ullsteins Vorgehensweise wie folgt dar: Die Firma Ullstein hat in der Regel die Taktik für Buch- und Vorabdruck eine Summe zu bieten, die sich, soweit das Buch in Frage kommt, schwer nachprüfen lässt. Gewöhnlich geschieht es auf Kosten des Vorabdruckhonorars durch scheinbar bessere Honorarbedingungen für die Buchausgabe.96

Tatsächlich hatte Ullstein allerdings standardisierte „Roman-Verträge“ entworfen, aus denen sich eindeutige und getrennt voneinander aufgelistete Honorare für Vorabdruck und Buchausgabe entnehmen und überprüfen ließen.97 Die bereits vorgedruckten Standard-Verträge geben ebenfalls Aufschluss darüber, dass man die Verbindung von Vorabdruck und Buchausgabe bei Ullstein als Normalfall ansah. Aufgrund seines Renommees und da man die Zusammenarbeit mit Schnitzler fortzuführen gedachte, wurde man sich bei Ullstein hinsichtlich eines reinen Vorabdrucks der Traumnovelle mit ihm einig. Unbeeindruckt jedoch von der Tatsache, dass Schnitzler „bei Ullstein von allem Anfang an abgelehnt“ hatte, „die Frage der Zeitungs- und der Buchausgabe zu verquicken“98, wurde Wiegler nicht müde, den Autor von einer weiteren Buchausgabe bei Ullstein bzw. Propyläen überzeugen zu wollen. Denn vielleicht besteht bei Ihrem nahenden Romanwerk, das Sie ja für den Vorabdruck uns schon zugesagt haben, die Möglichkeit, auch über die Buchausgabe zu verhandeln, die Ullstein sicher zu ganz bedeutender Verbreitung bringen würde.[…] Es ist für Ullstein schon viel gewonnen, wenn Sie im gegebenen Gespräch gütigst gestatten wollen, daß Herr Lahm eine solche Kombination mit Ihnen vorbereitend erörtert, damit Sie sich schlüssig werden.99 Neben der Verbindung von Vorabdruck und Buchausgabe war das alleinige Journalrecht ein weiteres entscheidendes Geschäftsprinzip Ullsteins, das in den Vertragsverhandlungen allerdings oftmals zu Unmut der Autoren führte. Ullstein sicherte sich das Exklusivrecht auf die im Vorabdruck erscheinenden Romane, sodass

95 Samuel Fischer an Arthur Schnitzler am 28.10.1925, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 145. 96 Ebd. 97 So erhielt beispielsweise Arnold Ulitz für seinen Roman Abseits ein Vorabdruckshonorar in Höhe von 10 000 Mark und für die Buchausgabe eine Umsatzbeteiligung von 15 Prozent vom Ladenpreis. Vgl. den Verlagsvertrag (Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, Berlin, o. Z.). 98 Arthur Schnitzler an Samuel Fischer am 31.10.1925, zitiert nach Fischer, Briefwechsel mit Autoren, S. 145 f. 99 Paul Wiegler an Arthur Schnitzler am 3.11.1926 (University Library Cambridge, B 521).

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diese in keiner anderen Publikation gleichzeitig erscheinen durften. Damit wurde die gesamte Aufmerksamkeit auf die entsprechende Ullstein-Zeitschrift gelenkt, in der der Roman als Erstveröffentlichung erschien. Auch in ausländischen Zeitschriften wie z. B. dem Neuen Wiener Journal durften die Texte erst mit „eine[r] Respektsfrist von 1 Monat“ erscheinen, wie man Schnitzler auf dessen Nachfrage hin zugestand.100

5.2.4 Vorabdruck der Propyläen-Romane in der Vossischen Zeitung Während Mitte der zwanziger Jahre zunächst nur vereinzelt Werke bei Propyläen herausgegeben wurden, die vorher als Romanabdruck erschienen waren, nahm deren Anzahl zum Ende der zwanziger und Beginn der dreißiger Jahre deutlich zu. Nach dem großen Erfolg von Im Westen nichts Neues wählte man vor allem die oben genannten Kriegsromane für den Vorabdruck und die anschließende Buchausgabe aus. Daneben waren es hauptsächlich die Unterhaltungsromane von Hollander, Leip, Palitzsch, Neumann etc., die sich für diese Art der Mehrfachverwertung eigneten. Gemäß der Unterscheidung und Charakterisierung, die Schwab-Felisch in der Verlagsgeschichte für den Ullstein- und den Propyläen-Verlag vorgenommen hatte – „Ullstein, fix und aktuell, ein wenig lärmend und vorlaut, gelb und aggressiv, […] liberal gelegentlich bis zur Selbstentäußerung. Propyläen dagegen […] gediegen und traditionsbewußt“101 –, wurden die Romane bereits bei der Auswahl der Vorabdrucksorte den unterschiedlichen Profilen der Verlage zugeordnet. Romane, die später im Propyläen-Verlag als Buch erscheinen sollten, wurden in der Regel in der Vossischen Zeitung vorabgedruckt. Hierdurch signalisierte man dem Leser, dass es sich um einen anspruchsvolleren Stoff handelte. Die populäreren Stoffe fanden wiederum ihren Weg zunächst häufig in die BIZ. Deren hohe Auflage und weiter Leserkreis ebneten den Weg für eine erfolgreiche und ebenfalls in hoher Auflage erscheinende Buchausgabe im Ullstein-Programm. Die Profile der Periodika und der Verlage wurden auf diese Weise zusätzlich geschärft und die Verwertungsketten vereinheitlicht. Die Vossische Zeitung – als älteste Berliner Zeitung – war aus den von Post- und Botenmeister Christoff Frischmann seit 1617 herausgegebenen Zeitungen entstanden, die der Sammlung und Verbreitung der wichtigsten Nachrichten aus dem „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ dienten.102 Seit 1785 trug die Zeitung den

100 Max Krell an Arthur Schnitzler am 11.2.1931 (University Library Cambridge, B 521). 101 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 215. 102 Vgl. Peter de Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin. Überarb. und erw. Aufl. Berlin: Ullstein 1982, S. 21–35.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe



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Titel Königlich Privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen und wurde offiziell erst 1910 in Vossische Zeitung umbenannt. Dieser Name geht auf ihren früheren Besitzer, den Buchhändler Christian Friedrich Voß zurück, der die Zeitung ab 1751 übernommen hatte. Ab diesem Zeitpunkt war auch Gotthold Ephraim Lessing als Rezensent für die Vossische tätig, die später in den Besitz seiner Familie übergehen sollte, da die Tochter von Christian Friedrich Voß den Bruder des Dichters Karl Lessing heiratete.103 Eng verbunden mit der Vossischen Zeitung ist ebenfalls der Name Fontanes, der zwischen 1870 und 1890 vor allem für die Theaterkritiken zuständig war. Die Vossische Zeitung war bekannt für ihre Kulturnachrichten auf hohem Niveau, die dem Theater eine besondere Beachtung schenkten.104 Sie erschien ab 1824 täglich, ab 1879 gab es ein Morgen- und ein Abendblatt.105 Neben den politischen Nachrichten war bereits ab 1802 ein Wirtschaftsteil entstanden.106 Im Vergleich zu anderen Zeitungen hatte man das Romanfeuilleton hingegen 1897/ 98 recht spät eingeführt.107 Man verband den Namen der Vossischen aufs Engste „mit dem […] fortschrittlich gesinnten, gebildeten Berliner Bürgertum“108, das gleichzeitig eine hohe Kaufkraft aufweisen konnte und zum florierenden Anzeigengeschäft der Zeitung beitrug. Mit Wirkung zum 1. Januar 1914 wurde die Vossische Zeitung durch den Ullstein Verlag übernommen, der uneingeschränkter und alleiniger Besitzer wurde und so die Existenz des Blattes sichern konnte. Die Auflagen nahmen stetig zu, bis 1927 verzeichneten die Wochennummern eine Auflage von mehr als 66 300 Exemplaren und die Sonntagsausgabe bis zu 76 600 Exemplaren.109 Die Gesamtleitung des Feuilletons übernahm ab 1921 Monty Jacobs, dem es gelang, die Traditionen der Zeitung fortzuführen und „die führenden Persönlichkeiten des deutschen Schrifttums als Mitarbeiter um sich zu sammeln“.110 Jacobs war zuständig für das ab 1925 der Zeitung täglich beiliegende Unterhaltungsblatt, das „den gesamten Stoff des literarisch-künstlerischen und gelehrten Teils zusammenfaßt[e]“ und einen „allgemeinen Überblick über die Entwicklung der Wissenschaft“ bot, der in lebendiger Form „das so verschiedenartig interessierte Publikum [der] Tageszeitung“ anzusprechen vermochte.111 Dabei hatte sich die Zeitung im Bereich der Kunst

103 Vgl. ebd., S. 47–52. 104 Vgl. ebd., S. 55. 105 Vgl. ebd., S. 71 f. 106 Vgl. ebd., S. 56. 107 Vgl. Bachleitner, Feuilletonroman, S. 66. 108 Max Osborn: Die Vossische Zeitung seit 1904. In: 50 Jahre Ullstein 1877–1927. Hrsg. von Max Osborn. Berlin: Ullstein 1927, S. 223–278, hier S. 224. 109 Vgl. ebd., S. 265. 110 Ebd., S. 273. 111 Ebd., S. 254.

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und Literatur ausdrücklich den „Strömungen der Gegenwart“ verschrieben.112 Im Unterhaltungsblatt erschienen neben den Fortsetzungsromanen auch Novellen und Gedichte, während die sonntägliche Beilage Literarische Umschau Rezensionen veröffentlichte und einen Überblick über die Neuerscheinungen bot. Die Auswahl der Fortsetzungsromane für die Vossische Zeitung erfolgte wie für alle anderen Ullstein-Periodika in enger Abstimmung mit der Romanabteilung und der Werbeabteilung des Verlags (s. u.), wobei der Chefredakteur letztlich entschied, welcher konkrete Text für den Vorabdruck aufgenommen wurde, da er die Qualität der Texte im Hinblick auf die Leser-Blatt-Bindung am besten einschätzen konnte.113 Als Maßstab für die literarische Qualität der Werke nannte Osborn Fontanes Roman Irrungen, Wirrungen, der 1887 im Erstabdruck in der Vossischen Zeitung erschienen war. Ullstein war daran gelegen, die „ansehnliche Reihe von Romanen, die als meisterliche Werke der epischen Literatur Ruhm“ erlangt hatten und in der Vossischen Zeitung zum Abdruck gelangt waren, fortzusetzen.114 Man versicherte, dass „gerade die anspruchsvollen Leserschichten der Vossischen Zeitung […] dem mit so reifem Geschmack geleiteten Romanteil großes Gewicht bei[legten]“.115 Im Unterschied jedoch z. B. zur Frankfurter Zeitung, für deren weithin berühmtes Feuilleton die intellektuelle Elite der Weimarer Republik gewonnen werden konnte und deren Romane von führenden Schriftstellern wie Joseph Roth, Arnold Zweig, René Schickele und Heinrich Mann stammten,116 zeigt die Auswahl der Autoren der Vossischen Zeitung Mitte der zwanziger Jahre deutliche Zugeständnisse an die Unterhaltungskultur des Ullstein-Konzerns. Neben Arthur Schnitzler, Jakob Wassermann und Gabriele Reuter (1859–1941) finden sich zahlreiche Romane der Ullstein-Hausautoren, wie z. B. Walther von Hollander oder Vicky Baum (1888–1960). Anders als in der Frankfurter Zeitung, wo der Feuilletonroman „an prominenter Stelle“ auf der ersten Zeitungsseite abgedruckt wurde,117 erschienen in der Vossischen Zeitung die einzelnen Folgen der Fortsetzungsromane stets auf den Seiten zwei und drei des Unterhaltungsblattes. Sie waren zudem mit einem Strich118 von den Nachrichten aus Kultur und Wissenschaft abgegrenzt und erhielten auf diese Weise einen exklusiven Abdrucksort innerhalb der Zeitung zugewiesen. Denn anders als zum Beispiel in der BIZ, wo Werbeanzeigen in den Text eingelassen wurden,119 sah das Layout der Vossischen Zeitung im Bereich des Fortsetzungsromans keinerlei Anzeigen oder Texteinschübe vor. Der Lesefluss innerhalb der einzelnen

112 113 114 115 116 117 118 119

Ebd., 273. Vgl. Schneider, Buchverlag in der perfektionierten Vermarktungskette, S. 49. Osborn, Vossische Zeitung, S. 274. Ebd., 276. Vgl. Bachleitner, Feuilletonroman, S. 115. Priotto, Fortsetzung folgt, S. 43 f. Zur Entstehung des „Strichs“ vgl. ebd., S. 17–20. Vgl. Mayer, Unterhaltung vom Dichter, S. 181.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe

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Folgen wurde somit nicht gestört oder gar unterbrochen. Im Vergleich zur BIZ gab es deutlich weniger Werbung und Publicity für Werk und Autor. Ausgewählte Texte allerdings, von denen man sich besonderen Zuspruch des Publikums erhoffte, wurden von der Redaktion mit zusätzlichen Informationen über Autor und Werk vorangekündigt120 oder auch, wie das weiter unten besprochene Beispiel von Im Westen nichts Neues zeigt, in eine ähnlich große Werbeaktion wie bei der BIZ eingebettet. Erschienen die vorabgedruckten Werke anschließend als Buch im PropyläenVerlag, veröffentlichte der Verlag zum Erscheinungstermin in der Regel eine Rezension in der Literarischen Umschau. Otto Alfred Palitzschs Roman Die Marie wurde beispielsweise von Erich Kästner rezensiert, der wiederum zugleich im ersten Satz auf den erfolgreichen Vorabdruck in der Vossischen Zeitung verwies, der vom 16. März 1932 bis 12. April 1932 stattgefunden hatte. Schräg unter der Rezension platzierte der Verlag zusätzlich eine Anzeige, die ebenfalls auf die Wiedererkennung des Werkes durch das Publikum setzte: Soeben ist der von der Vossischen Zeitung veröffentlichte Erstlingsroman von Alfred Otto Palitzsch Die Marie als Buch erschienen! Wer den Fortsetzungsroman verfolgt hat, kennt den Wert dieses Werkes und wird es gern noch einmal im Zusammenhang lesen. Jede Buchhandlung hat es vorrätig!121

Der Abstand zwischen der Beendigung des Vorabdrucks und dem Erscheinen des Buches lag meist bei zwei bis drei Monaten. Im Falle des Romans Nippernaht und die Jahreszeiten des estnischen Schriftstellers August Gailit, der vom 14. Oktober 1931 bis 12. November 1931 vorabgedruckt worden war, gelang es dem Verlag sogar, das Buch direkt am Tag nach Beendigung des Vorabdrucks erscheinen zu lassen.122 Der Vorabdruck selbst hatte in der Regel eine Laufzeit von vier bis sechs Wochen. Diese im Vergleich zu früheren Zeiten kürzere Abdrucksdauer war sowohl im Interesse des Verlags als auch des Autors, denn man ging davon aus, dass die Leser „auch nicht mehr Geduld genug [hatten], um sich bis zum Schluß durch einen Roman hindurchzuwinden, der ein Vierteljahr oder noch länger läuft.“123

120 So veröffentlichte man beispielsweise zum Start des Romans Versuchung in Budapest des ungarischen Autors Franz Körmendi drei Tage vorher eine Notiz mit dem Titel Unser neuer Roman. (Vossische Zeitung vom 29.11.1932, Abendausgabe, Beilage Das Unterhaltungsblatt, S. 7. Der Abdruck in der Vossischen Zeitung erfolgte vom 2.12.1932–9.2.1933.) Körmendi war als Sieger aus einem internationalen, von einem Londoner Verlag ausgeschriebenen Wettbewerb hervorgegangen. Da das Buch bereits im Ausland Erfolge verzeichnet hatte und als Nachkriegsroman gut in das Programm des Propyläen-Verlags passte, versuchte man, mit diesen Informationen die Neugierde der Leser zu wecken. 121 Vossische Zeitung vom 5.6.1932, Beilage Literarische Umschau, S. 13. 122 Vgl. den entsprechenden Hinweis in der Vossischen Zeitung vom 13.11.1931, Morgenausgabe, S. 3: „August Gailits Roman, dessen Abdruck wir gestern im Unterhaltungsblatt beendeten, ist heute als Buch im Propyläen-Verlag erschienen.“ 123 Fritz Engel vom Berliner Tageblatt, zitiert nach Bachleitner, Feuilletonroman, S. 132, Anm. 92.

228  5 Ullsteins „exklusive Zone“

Im Westen nichts Neues Auch wenn die Werbemaßnahmen rund um den Vorabdruck eines Romans in der Vossischen Zeitung im Vergleich zur BIZ zurückhaltender waren, so war doch auch in diesem anspruchsvolleren Bereich des Ullstein-Konzerns der Fortsetzungsroman ebenfalls Bestandteil eines ausgeklügelten Vermarktungskonzeptes. An Remarques Im Westen nichts Neues wird deutlich, welch hohe Bedeutung den äußerst professionellen und effizienten Werbemaßnahmen in Bezug auf den Erfolg eines Buches zukamen. Denn außer Remarques Werk waren die übrigen, in der Weimarer Republik in kleinen, eher unbekannten Verlagen erschienenen Antikriegsbücher weitgehend unbeachtet geblieben (s. o.). Zehn Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war man zunächst auch bei Ullstein skeptisch, ob der Markt ein weiteres Kriegsbuch positiv aufnehmen würde. Laut der Dokumentation von Thomas F. Schneider wurde Remarques Manuskript mit der Bitte um Stellungnahme an zahlreiche Führungspersonen des Verlags verteilt und durchlief anschließend mehrere Instanzen, bis man sich dafür entschied, den Autor unter Vertrag zu nehmen. Als Befürworter des Buches traten Cyrill Soschka (Leiter der Herstellungsabteilung) und Monty Jacobs auf, der einem Vorabdruck in der Vossischen Zeitung schließlich zustimmte.124 Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass Ullstein die Romanvorabdrucke der Frankfurter Zeitung verfolgt hatte, in der von Juni bis September 1927 Der Streit um den Sergeanten Grischa von Arnold Zweig unter dem Titel Alle gegen Einen125 und 1928 bis zwei Tage vor dem Start von Im Westen nichts Neues Ludwig Renns Krieg126 abgedruckt worden waren. Beide Texte setzten sich ebenfalls kritisch mit dem Ersten Weltkrieg auseinander.127 Renns Krieg ähnelt Remarques Text zudem, da er auch aus der Perspektive eines Soldaten erzählt wird.128 Der Ankündigung des Vorabdrucks hatte die Redaktion der Frankfurter Zeitung eine Bibliographie der in jüngster Zeit erschienenen Werke zum Thema Krieg angefügt, die den Text in einen größeren Zusammenhang einordnete. Ullsteins Veröffentlichung von Im Westen nichts Neues kann auch als Reaktion auf die, durch die Zusammenfassung in der Frankfurter Zeitung deutlich vor Augen geführte, steigende Anzahl von Texten gewertet werden, die zum Ende der zwanziger Jahre hin den Ersten Weltkrieg thematisierten. Es zeichnete sich ein Trend ab, den der Ullstein Verlag gewinnbringend für sich zu nutzen wusste, indem er „seinen“ Text zum Thema so öffentlichkeitswirksam präsentierte, dass dieser

124 Vgl. Schneider, Remarques Roman, S. 257 f. 125 Die Buchausgabe erschien 1928 im Gustav Kiepenheuer Verlag. 126 Frankfurter Zeitung, 16.9.–8.11.1928; die Buchausgabe erschien 1930 im Frankfurter Societätsverlag. Vgl. Bachleitner, Feuilletonroman, S. 133–138. 127 Renns Krieg wurde allerdings in der zeitgenössischen Rezeption nicht unmittelbar als kriegskritischer Text verstanden. Vgl. Vollmer, Schlachtfelder, S. 38, Anm. 113. 128 Vgl. hierzu Bachleitner, Feuilletonroman, S. 134.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe



229

zum Auslöser und Antreiber der eigentlichen Debatte werden sollte.129 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass zwar der Verlagsvertrag mit Remarque über Buchausgabe und Vorabdrucksrecht bereits am 29. August 1928 abgeschlossen wurde. Die Entscheidung für den Vorabdruck in der Vossischen Zeitung wurde allerdings erst Mitte September getroffen, fiel also mit der Vorankündigung und dem Beginn des Abdrucks von Renns Krieg zusammen. Dass nach dieser Entscheidung alle weiteren Schritte sehr zügig erfolgten, verwundert nicht, zumal man einen außerordentlich werbewirksamen Starttermin für den Vorabdruck ins Auge gefasst hatte – die erste Folge von Im Westen nichts Neues sollte am 10. November 1928 erscheinen, am zehnten Jahrestag der Flucht des Kaisers vor Unterzeichnung der offiziellen Waffenruhe. Der Zeitraum, in dem der Vorabdruck und die Herausgabe des Buches erfolgte, kann als „äußerst glücklich“ für die erfolgreiche Vermarktung beurteilt werden.130 Die Weimarer Republik befand sich Ende 1928 noch in ihrer stabilen Phase, die wirtschaftlichen Aufschwung und die kulturelle Euphorie der zwanziger Jahre gebracht hatte. Gleichzeitig wurden die ersten Anzeichen der 1929 einsetzenden Wirtschaftskrise sichtbar und die politische Polarisierung und Radikalisierung der Weimarer Parteienlandschaft war bereits in vollem Gange.131 Der Verlag hatte sich unter anderem auch für die Veröffentlichung des Werkes entschieden, weil es eine neue Perspektive auf das Kriegsgeschehen einnahm und den Anspruch hatte, stellvertretend für eine ganze Generation zu sprechen und deren Erfahrungen im Krieg und in der Zeit danach allgemeingültig zu formulieren. Wo bisher vor allem Schilderungen über Schlachten im Vordergrund gestanden hatten und Heeresführer zu Wort gekommen waren, sollte den Lesern nun der Krieg aus der Sicht eines Soldaten erfahrbar gemacht werden. Die Vossische Zeitung, die sich eigentlich zum Ziel gesetzt hatte, ihre Leser mit den Fortsetzungsromanen auf möglichst angenehme Art und Weise zu unterhalten, sie „von deprimierenden Eindrücken – und seien sie noch so kunstvoll geformt – wegzuführen“ und „den grauen Gegenwartserlebnissen die heitere Seite gegenüberzustellen“132, sprach sich mit der Entscheidung für den Vorabdruck von Im Westen nichts Neues sogar gegen ein internes Gutachten von Carl Jödicke aus. Als Leiter der Ullstein-Werbeabteilung hatte dieser einen maßgeblichen Anteil an der Auswahl der Fortsetzungsromane, da neben der literarischen Qualität, die von den Lektoren beurteilt wurde, vor allem das Potenzial der Texte im Hinblick auf ihre Werbewirksamkeit geprüft

129 Vgl. Schneider, Romanabteilung, S. 105, die darauf hinweist, dass die Beobachtung der in den Medien der Zeit diskutierten bzw. vorgestellten Themen zu den Aufgaben der Ullstein-Autoren gehörte und das Verlagsprogramm unter Berücksichtigung aktueller Themen entsprechend angepasst wurde. 130 Vollmer, Schlachtfelder, S. 173. 131 Vgl. ebd. 132 Max Krell an Arthur Schnitzler am 10.11.1927 (University Library Cambridge, B 521).

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werden musste.133 Jödicke hatte empfohlen, „diesen grausigen Totentanz […] nicht in einer Zeitung ab[zu]drucken, ihn den Lesern also nicht gewissermaßen 4 Wochen lang auf[zu]zwingen.“134 Ungeachtet dessen erschien am 8. November 1928 eine einspaltige Vorankündigung des Vorabdrucks von Remarques Im Westen nichts Neues auf der Titelseite der Vossischen Zeitung.135 Während die Feuilletonromane normalerweise weit entfernt von den politischen Nachrichten in der Beilage und dort zudem „unter dem Strich“ abgedruckt wurden, zeigt die hier erzeugte Nähe gemeinsam mit dem gewählten Startdatum die Absicht des Verlags, dem Roman auch politische Bedeutung zuzuschreiben. Die Vossische Zeitung positionierte sich mit dem Antikriegsroman entsprechend ihrer liberalen, demokratischen Ausrichtung. Den Text selbst hingegen hatte Remarque auf Geheiß des Verlags vollständig „entpolitisiert“: Konsequent werden explizite Schuldzuweisungen, Hinweise auf Kriegsgewinnler, Menschenexperimente, die Diskussion der Verantwortlichkeit des Einzelnen im und am Kriegsgeschehen getilgt bzw. in unverbindliche, im Rahmen eines mehr und mehr amüsanten, ‚lesefreundlichen‘ Dialogs stehende Kurzstatements abgeändert.136

Im Westen nichts Neues kann als Beispiel für einen vorabgedruckten Text angeführt werden, auf dessen Gestalt der Verleger maßgeblich Einfluss genommen hatte. Die anfangs vorhandenen autobiographischen Bezüge wurden verschleiert und die ursprünglich eindeutig pazifistische Haltung des Protagonisten Paul Bäumler wurde stark abgemildert zugunsten einer neutraleren Position, mit der sich „ein breites, auch politisches Spektrum der potenziellen Leserschaft identifizieren konnte.“137 Ullstein wies in der Vorankündigung explizit darauf hin, dass es sich hier um „ein Buch ohne Tendenz“ handele.138 Darüber hinaus rückte man vor allem die Eigentümlichkeit und Neuartigkeit der literarischen Ausgestaltung des Textes in den Vordergrund. Was entstanden ist, läßt sich nicht in irgendeine Literaturgattung einreihen. Es ist kein Kriegsroman, auch kein Tagebuch. Es ist erlebtes Leben und doch abgerückt durch eine Gestaltungskraft, die das persönliche Erleben ohne Kunstgriff, ohne Verzerrung und Verzeichnung in eine Sphäre der Allgemeingültigkeit hebt. […] Ein Werk, das Blatt für Blatt den Eindruck ergreifender Wahrheitstreue erweckt […].139

133 134 135 136 137 138 139

Vgl. Schneider, Romanabteilung, S. 106. Schneider, Remarques Roman, S. 259. Vgl. Nichts Neues im Westen. In: Vossische Zeitung vom 8.11.1928, Morgenausgabe, S. 1. Schneider, Buch ohne Tendenz, S. 36. Vollmer, Schlachtfelder, S. 174. Nichts Neues im Westen. In: Vossische Zeitung vom 8.11.1928, Morgenausgabe, S. 1. Ebd.

5.2 Vom Romanvorabdruck in der Vossischen Zeitung zur Propyläen-Buchausgabe

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Um den Roman in der Schwebe zwischen Fiktion, Wirklichkeit und Allgemeingültigkeit konsequent zu vermarkten, wurde auch Remarques Biographie durch den Verlag verschleiert und ein fiktiver Autor kreiert. Man verschwieg beispielsweise Remarques schriftstellerische Ambitionen und seine journalistische Tätigkeit, ohne dabei direkt die Unwahrheit zu sagen, denn Remarque war ja tatsächlich bis dahin „kein Schriftsteller von Beruf“.140 Dennoch hatte er die Niederschrift eines Romans oder Berichts über den Krieg seit längerem geplant und Im Westen nichts Neues war nicht in einem plötzlichen, spontanen Impuls entstanden, wie man den Lesern der Vossischen Zeitung Glauben machen wollte.141 Ebenfalls wurde die Tatsache nicht erwähnt, dass Remarque nur kurz an der Front eingesetzt war und die Zeit danach bis Kriegsende in einem Lazarett verbracht hatte. Die Vorankündigung spricht vielmehr von „ein[em] Soldat[en], der bis zum letzten Tag seine Pflicht tat“.142 Diesem wurden darüber hinaus Eigenschaften zugeschrieben, die das Bild des einfachen Soldaten stärken sollten. Er wurde als „ein geordneter, schlichter, schwerblütiger, schweigsamer Mensch“ beschrieben.143 Es wird deutlich, wie Ullstein auf diese Weise einen Entstehungskontext für das Werk entwarf, der sich in das Vermarktungskonzept fügte und damit die Rezeption und die Identifikation mit Werk und Autor im Hinblick auf deren „Authentizität“ steuerte. Die Wirkung des Textes auf die Leser wurde somit zusätzlich verstärkt. Bereits die Vorankündigung stellte nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich eine Einleitung des Textes dar, die sich in Wortwahl und Duktus an der Kriegsliteratur selbst orientierte und den Leser somit an das zu behandelnde Thema heranführte. Einer aus der grauen Masse, einer von den Hunderttausenden, die als halbe Rinder dem Ruf zu den Fahnen freiwillig folgten, begeistert, ahnungslos, fortgerissen durch die Ermahnungen patriotischer Lehrer und des Beispiels der Kameraden, ein Soldat, […] muß für alle sprechen, muß das Gespenst der Vergangenheit stellen, am Kreuzweg um Mitternacht, muß es packen und halten und noch einmal mit Lebensblut erfüllen – damit es Zeugnis ablege und ihnen allen die Ruhe bringe.144

Während Remarques Text in der Vossischen Zeitung bis zum 9. Dezember 1928 überaus erfolgreich als Vorabdruck erschien, unternahm der Verlag weitere Werbemaßnahmen, die den Verkauf der Buchausgabe fördern sollten. Im Dezember 1928 und Januar 1929 plakatierte man Litfaßsäulen mit einem Countdown bis zum Erscheinungstermin des Buches, im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel erschienen Anzeigen und man verschickte Werbematerialien an den Buchhandel. Am Tag des

140 Ebd. 141 Vgl. ebd. „Erich Maria Remarque […] hat plötzlich vor einigen Monaten den Drang und Zwang empfunden, das in Wort zu fassen, […] was ihm […] geschehen war.“ 142 Ebd. 143 Ebd. 144 Ebd.

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Erscheinens veröffentlichte der Verlag eine entsprechende Notiz im Unterhaltungsblatt, in der man den Erfolg des Vorabdrucks noch einmal hervorhob und betonte, dass „noch niemals [der] Widerhall einer Romanpublikation mit einer solchen ungestümen Wucht zu uns gedrungen [ist]“.145 Die Buchausgabe wurde als Anliegen der Leser dargestellt, dem der Verlag nun nachkommen wolle. „Alle Leser, die sich […] an uns wandten, äußerten den gleichen Wunsch. Sie wollten Remarques Erzählung in einer Form besitzen, die beständiger ist als ein Zeitungsblatt. Sie verlangten nach einer Buchausgabe. Dieser Wunsch ist nun erfüllt worden.“146 Auswirkungen des Vorabdrucks Für einen zuvor weitgehend unbekannten Autoren wie Remarque zeigte der Vorabdruck in Verbindung mit der nachfolgenden Buchausgabe eine ähnliche positive Wirkung wie eine Buchpreisverleihung.147 Neben den hohen Honoraren für Vorabdruck und Buchausgabe sind die umfangreichen Marketingmaßnahmen zu nennen – Plakate, Interviews, ausgedehnte Berichterstattung etc. –, die die Bekanntheit des Autors und den Absatz der Buchausgabe bis hin zu einem Platz auf der Bestsellerliste beförderten. Der Autor erhielt damit sehr gute Chancen auf Verträge für seine nachfolgenden Werke. Im Falle von Im Westen nichts Neues erfuhr der Text sogar eine Kanonisierung als bekanntestes Werk der Antikriegsliteratur. Für einen angesehenen, etablierten Autor wie Schnitzler hingegen, der sich bereits im Bereich der gehobenen Literatur ausgezeichnet hatte, brachte der Vorabdruck zwar einen materiellen Vorteil mit sich, die Buchausgabe im Propyläen-Verlag hatte dem Autor jedoch „wenig ermutigende Erfahrungen“ beschert.148 Schnitzlers Novelle Die Frau des Richters war 1925 in der Vossischen Zeitung im Vorabdruck149 und danach als Buchausgabe bei Propyläen in der Reihe Das kleine Propyläen-Buch erschienen. Schnitzler hatte für den Vorabdruck 10 000 Mark und für die Buchausgabe einen Vorschuss in Höhe von 6000 Mark erhalten.150 Bei einer Auflage von knapp über 10 000 Exemplaren und einem Ladenpreis von 2,50 Mark entsprach dies einer sehr großzügigen Tantieme von 24 Prozent. Karl Lahm von der Vossischen Zeitung hatte bei Schnitzler allerdings zu hohe Erwartungen geweckt, als er diesen für die Kombination von Vorabdruck und Buchausgabe gewinnen wollte und davon sprach, „wie turmhoch die Auflagen dank des Riesenapparates

145 „Im Westen nichts Neues“. Remarques Buch erscheint. In: Vossische Zeitung vom 31.1.1929, Morgenausgabe, S. 9. 146 Ebd. 147 Zur Wirkung des Literaturpreises im literarischen Feld vgl. Abschn. 5.3.2. 148 Arthur Schnitzler an Paul Wiegler am 22.10.26 (Marbach, DLA, A: Schnitzler, Mappe 570, 85.1.2095). 149 Vossische Zeitung, Morgenausgabe, 7.8. bis 15.8.1925. 150 Vgl. Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 110. Die Akte Arthur Schnitzlers konnte im Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags nicht aufgefunden werden.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

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des Berliner Hauses steigen können.“151 Das Buch blieb dann allerdings, so konstatierte Schnitzler 1926 ein Jahr nach dem Erscheinen, „tatsächlich so gut wie unbekannt.“152 Und an Olga Schnitzler schrieb er enttäuscht: „Als Buchherausgeber haben sich Ulstein (sic!), bei mir wenigstens, gar nicht bewährt; – so unbemerkt wie die Fr[au]. d[es]. R[ichters]. und mit so wenig Auflagen ist noch keine Novelle von mir vorübergegangen.“153 Sosehr sich Wiegler später für eine weitere Buchausgabe von Schnitzler einsetzte, der Autor lehnte diese konsequent ab, sodass Die Frau des Richters das einzige Buch von Schnitzler bei Propyläen bleiben sollte.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe – Programmabstimmung mit dem Arcadia-Theaterverlag 5.3.1 Theaterlandschaft und Bühnenvertrieb in den 1920er Jahren Im Hinblick auf das Verlagsprestige und die Programmkontinuität stellten die bei Propyläen als Buchausgaben erscheinenden Bühnenstücke das im Vergleich mit den Romanausgaben bedeutendere Programmsegment dar. Wie im Folgenden deutlich werden wird, gelang es dem Verlag in den wenigen Jahren zwischen 1925 und 1932, das symbolische Kapital noch einmal signifikant zu steigern. Dies konnte durch die gezielte strategische Vorgehensweise Ullsteins erreicht werden, indem der mit Propyläen erfolgreich etablierte Geschäftszweig des anspruchsvollen Literatur- und Kunst-Verlags um eine wichtige Abteilung erweitert wurde – den ArcadiaBühnenvertrieb. Als Geschäftsführer ernannte man Wilhelm Gronle, die künstlerische Leitung wurde Julius Elias übertragen. Der Arcadia-Verlag sollte „als Autorenquelle“154 für den Propyläen-Verlag eine hohe Bedeutung erlangen. Gegründet wurde Arcadia im Jahr 1923, als für das Theater in Berlin eine besonders erfolgreiche „Hoch-Zeit“ begann, in deren Verlauf sich die Stadt zum „Brennpunkt“ des Theaters entwickeln würde.155 Das deutsche Theater erlebte insgesamt in den zwanziger Jahren „einen Höhepunkt in quantitativer wie qualitativer Hinsicht“156. Die etwa 150 Bühnen lagen zu drei Vierteln in der Provinz, mit den Zentren Frankfurt, Darmstadt, München, Dresden und Düsseldorf, wo es durchaus auch zu

151 Karl Lahm an Arthur Schnitzler am 15.1.1925 (University Library Cambridge, B 521). 152 Arthur Schnitzler an Paul Wiegler am 22.10.26 (Marbach, DLA, A: Schnitzler, Mappe 570, 85.1.2095). 153 Arthur Schnitzler an Olga Schnitzler am 20.9.26, zitiert nach Schnitzler, Briefe 1913–1931, S. 450. 154 Carl Zuckmayer an Emil Herz am 25.1.1932, S. 4 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 155 Vgl. Rühle, Theater in Deutschland, S. 472. 156 Simhandl, Theatergeschichte, S. 232.

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Neuentdeckungen kam. Doch bildete Berlin – vor allem in den Jahren 1924 bis 1929 – „den absoluten Mittelpunkt“157 hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung und nationalen Anerkennung der Stücke. Dramatiker, Regisseure und Schauspieler drängten nach Berlin, denn „nur die Hauptstadt verfügte über ein Publikum und eine Presse, mit denen ein Ereignis gemacht oder verhindert werden konnte.“158 1925 gab es dort über fünfzig Theater,159 jeden Abend spielten über dreißig Bühnen.160 Das Theater gehörte zu den Atmungsorganen der Stadt, […] es war ein Teil seiner selbst, notwendig wie Straßen, Untergrundbahnen, Wohnungen und Restaurants, notwendig wie die Spree, der Wannsee und der Grunewald, notwendig wie Arbeit, Fabriken und Potsdam, notwendig, also selbstverständlich wie sie,

stellte der Theaterkritiker Herbert Ihering rückblickend fest.161 Die bis heute bekanntesten Regisseure und Theaterleiter wie Max Reinhardt (1873–1943), Erwin Piscator (1893–1966) und Ernst Josef Aufricht (1898–1971) und Schauspieler wie Emil Jannings (1884–1950), Werner Krauß (1884–1959), Tilla Durieux, Hans Albers (1891– 1960) und Fritz Kortner (1892–1970) bestimmten das Niveau des Hauptstadttheaters. Das Neben- und Gegeneinander von konservativem und progressivem, literarischem und aktuell-politischem Theater162 machte die Bühnen Berlins gleichzeitig „so vielfältig wie in keiner anderen Stadt“.163 In den Feuilletons der Berliner Zeitungen nahm die Berichterstattung über das Theater einen entsprechend hohen Stellenwert ein, die großen Blätter beschäftigten teilweise bis zu vier Kritiker. Für den UllsteinKonzern waren u. a. Monty Jacobs, Arthur Eloesser, Max Osborn und Paul Wiegler tätig. Neben Siegfried Jacobsohn (Weltbühne), Paul Fechter (DAZ), Felix Hollaender (8-Uhr-Blatt) und Stefan Großmann (Das Tage-Buch) sind darüber hinaus die sich in ihrer legendären Gegnerschaft befruchtenden Kritiker Herbert Ihering (Berliner Börsen-Courier) und Alfred Kerr (Berliner Tageblatt und Frankfurter Zeitung) zu nennen.164 Zuständig für die Vermittlung neuer Theaterstücke an die Bühnen waren die Bühnenvertriebe, die die Interessen der Bühnenautoren vertraten, die Vervielfältigung der Bühnenmaterialien besorgten und die Abrechnung der Tantiemen vornah-

157 Ebd. 158 Jost Hermand/Frank Trommler: Die Kultur der Weimarer Republik. München: Nymphenburger Verlagshandlung 1978, S. 194. 159 Vgl. Rühle, Theater in Deutschland, S. 471. 160 Vgl. Simhandl, Theatergeschichte, S. 232. 161 Herbert Ihering: Berliner Dramaturgie. Berlin: Aufbau 1947, S. 10. 162 Vgl. Rühle, Theater in Deutschland, S. 559 f. 163 Ebd., S. 481. 164 Ebd., S. 678–681.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

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men.165 Der Bühnenverlag hatte sich insgesamt bereits bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem äußerst lukrativen Verlagsbereich entwickelt, sodass Buchverleger dieses Geschäft nicht mehr den Theateragenturen oder spezialisierten Bühnenverlagen überlassen wollten und begannen, entsprechende Abteilungen innerhalb ihrer Verlage einzurichten.166 Da Samuel Fischer „vielfach“ erlebt hatte, „dass der eine oder andere Autor [s]eines Verlags den Bühnenvertrieb eines Conkurrenzverlags in Anspruch“ nahm, beschloss auch er im Jahr 1903, den Vertrieb der Bühnenstücke seiner Autoren selbst zu organisieren.167 Mit der Suche nach einem Leiter für die neue Abteilung, wandte sich Fischer an Julius Elias in der Hoffnung, dieser könne ihm „einen Mann“ empfehlen, der mit den Theaterverhältnissen Bescheid weiss, der auch Geschäftssinn genug hat, um mit den Direktoren zu verhandeln und die geschäftliche Seite der Sache nebst den Bureauarbeiten zu betreiben, der aber auch litterarische und künstlerische Kultur genug besitzen muss, um im Rahmen meines Verlags diese Sache mit Geschmack und Takt zu leiten.168

Hieraus wird deutlich, dass Elias bereits zu diesem Zeitpunkt über maßgebliche Kontakte in die Theaterwelt verfügte und sich im Bereich des Bühnenvertriebs auskannte.169 Das sollte ihn zum perfekten Kandidaten für die Etablierung des UllsteinBühnenvertriebs werden lassen. Tatsächlich gelang es ihm in nur kurzer Zeit, den Arcadia-Verlag zu einem „der attraktivsten Zulieferer für die Bühnen in Sachen zeitgenössischer Dramatik“ auszubauen.170 Ullstein schloss damit nun auch im Bereich der Bühnenstücke als ernstzunehmender Konkurrent zu literarischen Verlagen wie S. Fischer auf. Und mit Propyläen verfügte man bereits über einen idealen Veröffentlichungsort für die Buchausgaben der Bühnenstücke und anderen Werke der Bühnenautoren. Um die Programme von Arcadia und Propyläen besser zu koordinieren und den Propyläen-Verlag auch im Bereich der Bühnenstücke stärker in die Verwertungskette einzubinden, leitete man bei Arcadia gegen Ende des Jahres 1926 eine Programmänderung ein. Während man bis dahin zahlreiche ausländische Stücke im Programm geführt hatte, darunter vor allem die von Elias eingebrachten, größtenteils selbst übersetzten französischen Schwänke, beschloss man im Hinblick auf ein mögliches altersbedingtes Ausscheiden Elias’, den „Bühnenvertrieb ausländischer

165 Vgl. Stefanie Watzka: Verborgene Vermittler. Ansätze zu einer Historie der Theateragenten und -verleger (Kleine Mainzer Schriften zur Theaterwissenschaft. 10). Marburg: Tectum 2006, S. 53. 166 Vgl. Jaehrig-Ostertag, Geschichte der Theaterverlage, Sp. 190. 167 Samuel Fischer an Julius Elias am 18.7.1903 (Berlin, StaBi, Nachlass Julius Elias, o. Z.). 168 Ebd. 169 Vgl. Abschn. 3.2.5. 170 Völker, Arcadia-Verlag, S. 142.

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Autoren einzuschränken […], soweit es sich um neuere Werke handelt[e]“.171 Gleichzeitig wollte man sich zukünftig auf Autoren beschränken, „die auch für Propyläen interessant waren und andere, von denen lediglich Bühnentexte angefertigt sowie kostspielige Notenmaterialien hergestellt werden mussten, besser ausgliedern.“172 Diese Entscheidungen waren sicherlich auch durch das Abebben der Sonderkonjunktur für Kunst- und bibliophile Bücher beeinflusst worden. Die durch Aufgabe dieses Segments entstandene Leerstelle konnten nun die Bühnenautoren besetzen und mit ihrem Erfolg das Propyläen-Programm weiterhin auf einem hohen Niveau halten. Carl Zuckmayer Das dramatische Programm des Propyläen-Verlags erlebte einen fulminanten Start mit Carl Zuckmayers Schauspiel Der fröhliche Weinberg. Zuckmayer hatte mit seinen vorherigen Stücken bereits einige Niederlagen einstecken müssen und auch Der fröhliche Weinberg war zunächst von mehreren Bühnen abgelehnt worden, bis er in die Hände von Julius Elias gelangte. Um das Stück auf die Bühne zu bringen, griff dieser zu einer im Bühnenvertrieb üblich gewordenen, allerdings als „unlauter“ beurteilten Geschäftspraktik – der Verkoppelung von Stücken.173 Dabei überließ der Bühnenverlag oder die Theateragentur ein begehrtes Stück nur unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig auch ein eher schwierig abzusetzendes Stück durch das jeweilige Theater abgenommen und aufgeführt wurde.174 Elias soll den Theaterdirektor „Heinz Saltenburg mit der Drohung, ihm die begehrten französischen Neuheiten vorzuenthalten, zur Uraufführung gezwungen haben.“175 So konnte Der fröhliche Weinberg, für den Zuckmayer dann kurz zuvor noch den Kleist-Preis erhalten hatte, am 22. Dezember 1925 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin uraufgeführt werden – und Zuckmayer gelang endlich der Durchbruch.176 Die Kritiker überschlugen sich vor Begeisterung. Kerr, der noch zu Beginn des Jahres über die Aufführung von Zuckmayers Stück Pankraz erwacht oder Die Hinterwäldler geurteilt hatte: „Stück und Autor können wir getrost vergessen“177, war nun gemeinsam mit seinen Kolle-

171 Wilhelm Gronle an Walter Hasenclever am 20.12.1926 (Marbach, DLA, A: Hasenclever, NZ 86.1.292). 172 Völker, Arcadia-Verlag, S. 138 f. 173 Watzka, Verborgene Vermittler, S. 60. 174 Vgl. ebd. und Jaehrig-Ostertag, Geschichte der Theaterverlage, S. 197. 175 Völker, Arcadia-Verlag, S. 131. 176 Vgl. Carl Zuckmayer 1896–1977. „Ich wollte nur Theater machen“. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs in Verbindung mit der Stadt Mainz und dem Land Rheinland-Pfalz im Schiller-Nationalmuseum Marbach und im Rathaus der Stadt Mainz. Ausstellung und Katalog: Gunther Nickel und Ulrike Weiß. Hrsg. von Ulrich Ott und Friedrich Pfäfflin (Marbacher Katalog. 49). Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 1996, S.89 und Nickel, Carl Zuckmayer, S. B 85. 177 Zitiert nach Rühle, Theater in Deutschland, S. 485.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe

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gen voll des Lobes vor allem für den Humor des Stückes. Eloesser schrieb dazu, die Leute hätten sich über den Fröhlichen Weinberg „krank und gesund gelacht“.178 Zuckmayer hatte das allgemeine Verlangen nach Heiterkeit, Entspannung und Vergnügen befriedigt, das sich ab 1924 in Berlin verbreitet hatte179 und die Komödie in den folgenden Jahren zur erfolgreichsten, der Konkurrenz des Kinos Stand haltenden Form des Theaters werden lassen sollte.180 Mit dem Fröhlichen Weinberg und besonders auch dem Hauptmann von Köpenick hatte Zuckmayer einen entscheidenden Beitrag zur deutschen Komödie181 und zur Erneuerung des Volkstheaters geleistet.182 Die Kritiker waren begeistert von einem neuen „Durchbruch zum Publikum“, der mit Zuckmayers derb spaßigem, weinseligem und in rheinhessischer Mundart verfasstem Fröhlichen Weinberg gelungen war.183 Das Lustspiel wurde ein großer Erfolg und avancierte zum meistgespielten Theaterstück der zwanziger Jahre.184 Davon profitierte natürlich auch die im selben Jahr erschienene Buchausgabe des Fröhlichen Weinbergs. Der Verlag war stets bestrebt, die Buchausgaben der Theaterstücke im selben Jahr zu veröffentlichen, in dem auch die Uraufführung stattfand, denn eine zeitnahe, erfolgreiche Aufführung der Stücke mit entsprechender Berichterstattung in allen Zeitungen war die beste Werbung und ließ die Auflagenzahlen steigen.185 Der Fröhliche Weinberg erreichte mit fast 19 500 Exemplaren analog zum Erfolg des Stückes auch die höchste Auflage unter den Propyläen-Bühnenstücken. Nach dem Fröhlichen Weinberg erschien auch das folgende Theaterstück Zuckmayers, sein 1927 am Lessingtheater in Berlin uraufgeführtes Schauspiel Schinderhannes, als Buch im Propyläen-Verlag. Es konnte mit 8040 Exemplaren eine Auflage erzielen, die ebenfalls die Stücke anderer Autoren weit übertraf. 1929 folgte Ein Seiltänzerstück in vier Akten mit dem Titel Katharina Knie, in dem Zuckmayer „seine Beobachtungen über die Veränderungen des Schaustellerberufs zum Thema“186 machte. Wie seine beiden vorherigen Stücke begeisterte auch Katharina Knie das Publikum, die Kritiker hingegen hatten das Drama nach der Uraufführung im Dezember 1928 als „Katastrophe der geistigen Haltung“ 187 zerrissen und ihm „zeitweilige Kit-

178 Ebd., S. 486. 179 Vgl. ebd., S. 481. 180 Vgl. Hermand/Trommler, Die Kultur der Weimarer Republik, S. 229. 181 Vgl. ebd., S. 231. 182 Vgl. Simhandl, Theatergeschichte, S. 235 und Volksstück. Vom Hanswurstspiel zum sozialen Drama der Gegenwart. Von Hugo Aust, Peter Haida und Jürgen Hein. Hrsg. von Jürgen Hein. München: Beck 1989, S. 294. 183 Hermand/Trommler, Kultur der Weimarer Republik, S. 230 f. 184 Vgl. Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 89. 185 Vgl. Völker, Arcadia-Verlag, S. 133. 186 Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 119. 187 Herbert Ihering im Berliner Börsen-Courier vom 22.12.1928 (Abend-Ausgabe), zitiert nach Ott/ Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 127.

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schnähe“188 vorgeworfen.189 Die Auflage der Propyläen-Ausgabe erreichte 4759 Exemplare. Neben einer Neuauflage von Zuckmayers erstem Drama Der Kreuzweg,190 das 1921 bei Kurt Wolff erschienen war,191 kam Ende 1929 die Buchausgabe des Kinderstücks Kakadu Kakada auf den Markt, das zwar von Publikum und Kritik gut aufgenommen wurde,192 allerdings in der Buchausgabe lediglich eine Auflage von 1700 Exemplaren erreichen konnte. Zuckmayer war mittlerweile zu einem „Liebling des Publikums“ geworden.193 Mit Der Hauptmann von Köpenick erschien 1930 sein letztes erfolgreiches Bühnenwerk bei Propyläen. Die Auflage betrug 10 000 Exemplare und war damit nur halb so hoch wie die des Fröhlichen Weinbergs, übertraf aber ansonsten alle anderen im Propyläen-Verlag erschienenen Werke des Autors.194 Auf der Bühne wurde der Der Hauptmann von Köpenick zu einem Erfolg.195 130 deutschsprachige Theater setzten das Stück auf ihren Spielplan, allein in Berlin wurde es 150 Mal gespielt, und die Aufführungsrechte konnten nach Europa und Amerika verkauft werden.196 Die Kritik zeigte sich insgesamt recht milde, beanstandete jedoch, wie schon beim Schinderhannes,197 die fehlende politische und gegenwartsbezogene Ausrichtung des Stücks.198 Die völkische Presse, die bereits den Fröhlichen Weinberg als „geist- und witzlose Schweinerei“199 bezeichnet und zu Störaktionen der Vorstellungen aufgerufen hatte, an denen sich selbst Goebbels beteiligte, bezichtigte Zuckmayer, mit dem Hauptmann von Köpenick „das deutsche Militär […] durch die Jauche seiner Gemeinheit“200 gezogen zu haben. Kurz vor der Enteignung der Ullsteins und der Beendigung von Zuckmayers Vertrag (s. u.) erschien von ihm zuletzt im Jahr 1934 das Schauspiel Der Schelm von Bergen in einer Auflage von 2000 Exemplaren bei Propyläen.

188 Alfred Kerr im Berliner Tageblatt vom 22.12.1928 (Abend-Ausgabe), zitiert nach Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 127. 189 Vgl. hierzu insgesamt Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 126–129. Vgl. außerdem Rühle, Theater in Deutschland, S. 609. 190 Die Auflage betrug bei Propyläen lediglich 972 Exemplare. 191 Vgl. zu diesem Stück Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 46–52. 192 Vgl. ebd., S. 165 f. 193 Rühle, Theater in Deutschland, S. 608–610. 194 Vgl. zu den entsprechend hohen Einnahmen Zuckmayers in den Jahren 1926 und 1931 Abschn. 5.3.2. 195 Uraufführung im März 1931. 196 Vgl. Traugott Krischke, Kind seiner Zeit, S. 106 f. 197 Vgl. Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 107 f. 198 Vgl. ebd., S. 193. 199 Völkischer Beobachter vom 11.2.1926, zitiert nach Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 97. 200 Völkischer Beobachter vom 24./25./26.5.1931, zitiert nach Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 197.

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Walter Hasenclever Auch Hasenclever wandte sich in den zwanziger Jahren der Komödie zu und entwickelte sich neben Zuckmayer zu einem weiteren „Repräsentant[en] dieses Genres“.201 Inspiriert durch das französische Lustspiel hatte er sich von den Visionen und Utopien des Expressionismus losgesagt und beschlossen, „von vorne anzufangen“.202 1927 erschien sein erstes Lustspiel Ein besserer Herr im Propyläen-Verlag, das im selben Jahr in Frankfurt uraufgeführt wurde. Die Auflagenzahl des gesellschaftskritischen Stücks blieb mit 3000 Exemplaren hinter den erfolgreichen Werken Zuckmayers zurück. Dennoch übernahm der Ullstein-Konzern gegen Zahlung von 6000 Mark vom Verlag Die Schmiede alle bisher erschienenen Werke von Hasenclever und ließ diese als Buchausgaben bei Propyläen erscheinen.203 Die literarischen Neuerscheinungen des Verlags im Jahr 1928 waren daraufhin fast ausschließlich Werke Hasenclevers,204 unter denen sich z. B. das expressionistische Drama Der Sohn (1914), die Komödie Die Entscheidung (1919) und die Dramen Jenseits (1920) und Gobseck (1922) befanden. Auch die Tragödie Antigone, für die Hasenclever im Jahr 1917 den Kleist-Preis erhalten hatte, wurde bei Propyläen veröffentlicht. Die geringste Auflage erzielten die Dramen Jenseits und Gobseck mit 300 bis 400 Exemplaren. Die höchste Auflagenzahl mit 4536 Exemplaren erlangte hingegen wiederum das Stück, das im selben Jahr am 12. Oktober 1928 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin uraufgeführt worden war. Dabei handelte es sich um die Komödie Ehen werden im Himmel geschlossen, die ursprünglich den Titel Doppelspiel getragen hatte. Hasenclever erregte großes Aufsehen und brachte die Kirche gegen sich auf, weil er Gott in menschlicher Gestalt hatte auftreten lassen.205 Es hagelte zahlreiche Aufforderungen, das Stück abzusetzen, die Vorstellungen wurden mit „Stinkbomben und Protestrufen bedacht“206 und in Wien kam es nach der Aufführung durch Max Reinhardt207 zu einer Anklage wegen Gotteslästerung gegen Autor und Schauspieler.208 Hasenclevers dritte „große Komödie“ und gleichzeitig sein letztes Stück bei Propyläen erschien mit Napoleon greift ein im Jahr 1930. Das zeit-

201 Hermand/Trommler, Die Kultur der Weimarer Republik, S. 229. 202 Rühle, Theater in Deutschland, S. 482. 203 Vgl. Bühnenvertrieb Die Schmiede an Walter Hasenclever am 13.8.1928 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.) und Emil Herz an Hasenclever am 20.8.1928 (Marbach, DLA, A: Hasenclever Neuzugang, 86.1.292). Der Verlag Die Schmiede war zu Beginn des Jahres 1928 in die Insolvenz geraten und wurde nach einem gerichtlichen Vergleich 1929 im Jahr 1930 liquidiert. Vgl. zum Verlag Die Schmiede: Füssel, Belletristische Verlage, S. 25–28, hier S. 28. 204 Unter den 20 Neuerscheinungen des Propyläen-Verlags im Jahr 1928 befanden sich 15 Werke von Walter Hasenclever und zwei Goethe-Bände. 205 Vgl. Raggam, Walter Hasenclever, S. 185. 206 Ebd., S. 186. 207 Max Reinhard hatte das Aufführungsverbot umgangen und Vorstellungen an der Volksbühne gewagt. 208 Vgl. Raggam, Walter Hasenclever, S. 187.

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kritische Stück, mit dem der Autor Kritik an der Politik der europäischen Staaten übte,209 wurde am 8. Februar 1930 am Neuen Theater in Frankfurt uraufgeführt, es erzielte bei Propyläen eine Auflage von 2500 Exemplaren. Bertolt Brecht Bevor Brecht zu Propyläen kam, hatte er bei Gustav Kiepenheuer unter Vertrag gestanden. Kiepenheuer war allerdings in den Jahren 1924/25 in eine Krise geraten und sah sich veranlasst, seine schlechte wirtschaftliche Lage durch Einsparungsmaßnahmen zu lindern.210 Zu diesen Maßnahmen zählte die „Abgabe von ein oder zwei Autoren, deren Vorschüsse sehr hoch sind (Feuchtwanger, Kaiser)“ und auch der „Abbau aller Renten (soweit sie vertragsmässig zu Ende sind) vorläufig auf 2–3 Monate, Ablehnung aller Rentenanträge, soweit sich nicht etwas aussergewöhnliches bietet“.211 In dieser Situation wanderte schließlich nicht nur Feuchtwanger (s. u.), der zu einem der wichtigsten und dauerhaftesten Förderer Brechts geworden war,212 sondern auch Brecht selbst zum zahlungskräftigen Ullstein-Konzern ab. Im Oktober 1925 nahm Ullstein Brechts Stück Mann ist Mann unter Vertrag,213 das am 25. September 1926 in Darmstadt und Düsseldorf uraufgeführt wurde. Die Buchausgabe erschien 1927 in einer Auflage von 2000 Exemplaren im PropyläenVerlag. In diesem Jahr war es Rudolf Kayser (1889–1964), Lektor bei S. Fischer und ab Mitte der zwanziger Jahre dramaturgischer Berater Erwin Piscators, „nach langen Kämpfen“ gelungen, die Aufführung von Brechts Mann ist Mann an der Volksbühne in Berlin durchzusetzen.214 Ähnlich wie bei Hasenclever erschienen alle Werke Brechts innerhalb eines Jahres bei Propyläen. Gleichzeitig mit Mann ist Mann brachte der Verlag das Schauspiel Im Dickicht der Städte heraus, das 1923 bereits in der ersten Fassung mit dem Titel Dickicht im Münchner Residenztheater uraufgeführt worden war. 1926 übernahm Ullstein die Rechte an diesem Werk vom Drei MaskenVerlag und veröffentlichte die zweite Fassung des Stücks als Buchausgabe im Propyläen-Verlag in einer Auflage von 2000 Exemplaren. Das 1919 entstandene Drama Trommeln in der Nacht, das Brecht den Durchbruch als Dramatiker verschafft hatte,215 wurde 1926 ebenfalls durch Ullstein vom Drei Masken-Verlag übernommen und erschien schließlich bei Propyläen in einer Auflage von 1000 Exemplaren.

209 Vgl. ebd. S. 202. 210 Vgl. Völker, Arcadia-Verlag, S. 136. 211 Funke, Gustav Kiepenheuer, S. 183. 212 Vgl. Rühle, Theater in Deutschland, S. 444. 213 Vgl. Ullstein an Bertolt Brecht am 20.10.1925 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 214 Rudolf Kayser an Julius Elias am 22.5.1927 (Berlin, StaBi, Nachlass Elias, o. Z.). 215 Die Uraufführung am 22.9.1922 in München war Brechts erste Aufführung überhaupt. Vgl. Rühle, Theater in Deutschland, S. 445.

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Ödön von Horváth Horváth galt im Jahr 1929 als „wichtigste Neuerwerbung“216 des Verlags. Seine Posse Rund um den Kongress war im Juli von Ullstein in den Arcadia-Bühnenvertrieb übernommen worden. Die erste Buchausgabe des Autors bei Propyläen erschien 1930 mit dem Roman Der ewige Spießer. 1931 folgte die politische Zeitsatire Italienische Nacht, die zuvor am 20. März 1931 im Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführt worden war. Im selben Jahr, ebenfalls erst nach der Uraufführung, die am 2. November 1931 im Deutschen Theater stattgefunden hatte, kam Horváths bekanntestes Bühnenstück Geschichten aus dem Wienerwald im Propyläen-Verlag heraus.217 Horváth gilt zusammen mit Marieluise Fleißer (1901–1974), die auch bei Arcadia unter Vertrag stand, als bedeutendster Autor des in der Weimarer Republik erfolgreichen Volksstücks. Er entlarvte in seinen Stücken die Klischees des kleinbürgerlichen Alltags, verzichtete dabei aber auf die üblichen Charakteristika wie „derbe Späße, gemischt mit Rührseligkeiten, […] hanebüchene Moral und billige Sexualität“218. Vielmehr nutzte er das Genre als Instrument der analysierenden Darstellung, Aufklärung und Kritik.219 Die Theaterkritiker waren sich in ihrem Urteil über Horváths Stücke nicht einig. Während die deutschen Kritiker, wie Alfred Polgar, Alfred Kerr, Herbert Ihering und Julius Bab, Horváths Stücke weitgehend positiv beurteilten und in Horváth selbst die „stärkste Kraft unter den Jungen“ mit „dramatische[r] Begabung“ sahen, warfen die Wiener Kritiker seinen Stücken „mangelnde Entwicklung“ vor und verurteilten z. B. die Geschichten aus dem Wienerwald als „Skandal“ und „Ungeheuerlichkeit“. In völkischen Kreisen fasste man Horváths Werke als „armselige Hetze gegen den Nationalsozialismus“ auf.220 Zwischen den Uraufführungen seiner Stücke Italienische Nacht und Geschichten aus dem Wienerwald wurde Ödön von Horváth am 25. Oktober 1931 der Kleist-Preis verliehen.221 Obwohl durch die Preisverleihung und die Uraufführungen Horváths Bekanntheit beim Publikum gestiegen war, fanden die Buchausgaben des Propyläen-Verlags keinen guten Absatz und erzielten lediglich eine Auflage in Höhe von jeweils 1500 Exemplaren. Horváths

216 Völker, Arcadia-Verlag, S. 140, vgl. auch Krischke, Kind seiner Zeit, S. 64. 217 Die Angaben bei Schwab-Felisch, der Propyläen-Verlag habe auch Kasimir und Karoline und Glaube, Liebe, Hoffnung als Buchausgabe veröffentlicht, sind nicht richtig. Die Werke erschienen lediglich als Bühnenmanuskripte im Arcadia-Verlag. Sie sollten eigentlich im Frühjahr 1933 zusammen in einer Buchausgabe mit dem Titel Zwei Volksstücke 1932 herausgegeben werden, wozu es dann nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht mehr kam. Vgl. hierzu: Völker, Arcadia-Verlag, S. 140 und Krischke, Horváth-Chronik, S. 82 f. 218 Bertolt Brecht: Anmerkungen zum Volksstück. In: Ders.: Schriften. Bd. 24, S. 293, zitiert nach Ich wollte nur Theater machen, S. 212. 219 Vgl. Simhandl, Theatergeschichte, S. 236 und Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 212. 220 Krischke, Horváth-Chronik, S. 68–78. 221 Vgl. Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 209–213 und Krischke, Horváth-Chronik, S .75 f.

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Roman Der ewige Spießer hingegen hatte 1930 immerhin 6000 Exemplare erreicht, von denen jedoch nicht alle abgesetzt werden konnten und der Restbestand ab 1932 verramscht wurde.222 Hasenclever, Horváth, Brecht und vor allem Zuckmayer waren die einzigen Autoren des Propyläen-Verlags, bei denen man darauf abzielte, ihr gesamtes Werk oder wenigstens einen größeren Teil davon im Verlag zu veröffentlichen. So wurden neben den Bühnenstücken auch die Gedichtbände, Erzählungen und Romane der Autoren in das Verlagsprogramm aufgenommen. Von Carl Zuckmayer erschien im Jahr 1926 sein erster Gedichtband Der Baum, dessen Veröffentlichung der Kiepenheuer Verlag unbedingt hatte verhindern bzw. verzögern wollen. Hermann Kasack (1896–1966), Gustav Kiepenheuers Cheflektor, hatte dem Verleger 1924 empfohlen: „Es muß vermieden werden, daß Z[uckmayer]s Gedichte weder bei uns noch anderswo vor Brechts Hauspostille erscheinen. Ich rate bei den Gedichten überhaupt ab […].“223 Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten des Kiepenheuer Verlags musste jedoch der Brechtsche Gedichtband zurückgestellt werden.224 Die Hauspostille, eine Sammlung von Balladen und Liedern Brechts inklusive eines Notenteils, die ursprünglich bei Kiepenheuer hatte erscheinen sollen,225 wurde schließlich bei Propyläen veröffentlicht. Dies geschah allerdings erst im Jahr 1927, ein Jahr nachdem dort Der Baum von Zuckmayer erschienen war. Die Auflage beider Gedichtbände lag bei 3000 Exemplaren. Im Jahr 1932 brachte Propyläen zudem Zuckmayers Novelle Die Affenhochzeit heraus. Von Walter Hasenclever erschienen 1928 neben den bereits genannten Bühnenstücken zahlreiche weitere Werke, wie z. B. die Gedichtbände Tod und Auferstehung und Der Jüngling mit einer Auflage von 846 bzw. 739 Exemplaren und Umsturz und Aufbau mit einer Auflage von 2044 Exemplaren. Mit den oben genannten Autoren hatte der Ullstein-Konzern vier der wichtigsten zeitgenössischen Dramatiker unter Vertrag genommen, die die Theaterszene der Weimarer Republik maßgeblich bestimmten. Ihnen allen war der Kleist-Preis verliehen worden, der „als die höchste literarische Auszeichnung für junge Dramatiker“ galt.226 Zuckmayer hatte den Preis im Jahr 1925 für den zum Zeitpunkt der Verleihung noch nicht aufgeführten Fröhlichen Weinberg erhalten. Er selbst vergab die Auszeichnung im Jahr 1931 an Ödön von Horváth für dessen dramatische Dichtun-

222 Vgl. Propyläen-Verlag an Horváth am 10. November 1932 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 223 Zitiert nach Ott/Pfäfflin, Ich wollte nur Theater machen, S. 132. 224 Vgl. ebd. 225 Vgl. hierzu Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 134 f. 226 Zuckmayer, Als wär’s ein Stück von mir, S. 405.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe  243

gen.227 Bertolt Brecht war 1922 ausgezeichnet worden228 und Walter Hasenclever hatte den Preis bereits 1917 entgegennehmen dürfen229. Der Kleist-Preis war von der 1911 anlässlich des 100. Todestags Heinrich von Kleists gegründeten Kleist-Stiftung im November des Jahres 1912 zum ersten Mal vergeben worden. Damit hatte man die Idee eines „literarischen Jugendpreises“ umgesetzt, der „entwicklungsfähige junge Talente […] fördern und vor wirtschaftlichen Sorgen […] schützen sollte“.230 Bei der Verleihung entschied nicht das „sonst übliche Majoritätsprinzip“, sondern es wurde jeweils ein Vertrauensmann ernannt, der das alleinige Entscheidungsrecht besaß.231 Die Begründung hierfür lag in der beabsichtigten Unterstützung „neue[r] und ungewöhnliche[r] Begabungen“, die, so Richard Dehmel in der von ihm ausgefertigten Geschäftsordnung, anfangs selten „den Beifall einer Mehrheit“ erhielten.232 Der Kleist-Preis konnte in den folgenden Jahren eine sehr hohe Geltung erringen. Die Auszeichnung umfasste neben einem Preisgeld von zunächst 1000 und später 1500 Mark eine Würdigung des jeweils prämierten Werkes, „die von der gesamten deutschen Presse veröffentlicht wurde“233. Insofern bedeutete die Auszeichnung für den Preisträger eine enorme Steigerung des öffentlichen Interesses und seines Bekanntheitsgrades. Die Verleihung des Kleist-Preises stellte nicht nur einen Transfer von ökonomischem, sondern vor allem auch von symbolischem Kapital dar, wodurch das literarische Renommee der Preisempfänger maßgeblich erhöht wurde.234 Der Literaturpreis verschaffte seinem Träger und dem Verlag innerhalb des literarischen Feldes einen „Positionierungsvorteil“ gegenüber nicht ausgezeichneten Autoren und deren Verlagen.235 Neben den bereits genannten Stücken verlegte der Propyläen-Verlag weitere einzelne Werke aus dem Angebot des Arcadia-Verlags, wie z. B. im Jahr 1926 die beiden Stücke Kronprinzessin Luise und Königin Luise von Ludwig Berger (1892–1969), von denen letzteres eine Auflage von 4000 Exemplaren verzeichnen konnte. Im Jahr 1927 erschien von der erfolgreichen Ullstein-Autorin und Fontane-Preisträgerin

227 Vgl. Der Kleist-Preis 1912–1932: Eine Dokumentation. Hrsg. von Helmut Sembdner. Berlin: Erich Schmidt, 1968, S. 121. 228 Der Preis wurde ihm für die Dramen Trommeln in der Nacht, Baal und Im Dickicht verliehen. Vgl. Sembdner, Kleist-Preis, S. 81. 229 Vgl. ebd., S. 64. 230 Ebd., S. 143, vgl. auch S. 15. 231 Ebd., S. 20. 232 Ebd. 233 Ebd., S. 406. 234 Vgl. Judith S. Ulmer: Geschichte des Georg-Büchner-Preises. Soziologie eines Rituals. Berlin u. a.: de Gruyter 2006, S. 19 und 29. Ulmer fasst unter Berücksichtigung von Bourdieus kultursoziologischem Ansatz „die Vergabe von Literaturpreisen als innerhalb eines spezifischen gesellschaftlichen Feldes angesiedelte soziale Handlungen auf, die in der Auseinandersetzung konfligierender Interessen zur Mobilisierung von materiellen Werten und Prestige beitragen.“ Vgl. ebd., S. 3. 235 Ulmer, Geschichte des Georg-Büchner-Preises, S. 29.

244  5 Ullsteins „exklusive Zone“

Gina Kaus (1894–1985) das Stück Toni, dem in Bremen der Goethe-Preis verliehen worden war. Und von Sling (Paul Schlesinger, 1878–1928), dem bekannten Gerichtsreporter, dessen Ullstein-Buch Tausch im Ring eine Auflage von über 80 000 Exemplaren erreicht hatte, brachte man Der dreimal tote Peter heraus.236 Von Lion Feuchtwanger, der zu Arcadia gewechselt war, erschienen Drei angelsächsische Stücke in einer Buchausgabe bei Propyläen. Ernst Penzoldt war 1930 mit der Trauerspiel-Version seiner Novelle Etienne und Luise in den Arcadia-Verlag aufgenommen worden und hatte anschließend auch das schon zuvor entstandene Stück Die Portugalesische Schlacht eingereicht, das am 31. Januar 1931 gleichzeitig an Theatern in München, Darmstadt und Oldenburg uraufgeführt wurde und im selben Jahr bei Propyläen als Buchausgabe erschien. Die Auflagen der oben genannten Bücher bewegten sich zwischen 1500 und 3000 Exemplaren. Die Einzelausgaben im Programm des Propyläen-Verlags ab Mitte der zwanziger Jahre waren viel schlichter in ihrer Gestaltung und Ausstattung als die vorangegangenen bibliophilen Produktionen. Die meisten Bücher, vor allem die Bühnenstücke, erschienen in einer kleinformatigen, broschierten Ausgabe, die sich nach 1925 insgesamt auf dem Buchmarkt durchgesetzt hatte. 1926 waren „knappe 60 Prozent der Ersterscheinungen und Neuauflagen broschierte Werke“ 237. Illustrationen spielten in der Regel bei der literarischen Produktion des Verlags nach 1925 keine Rolle mehr. Eine Ausnahme bildete z. B. Zuckmayers 1932 erschienene Affenhochzeit, die vollständig von Emil Orlik gestaltet und mit Text- und Umschlagillustrationen versehen worden war (vgl. Abb. 27–Abb. 29). Die Preise der Einzelausgaben bewegten sich im Jahr 1929 für die broschierte Ausgabe zwischen 2 Mark und 4,50 Mark, je nach Umfang des Werkes. Die Ausgaben in Halb- bzw. Ganzleinen kosteten zwischen 3,50 Mark und 6 Mark.238 Die Preise des Propyläen-Verlags orientierten sich damit am allgemeinen Preisniveau, denn der marktübliche durchschnittliche Ladenpreis lag 1929 im Bereich der Schönen Literatur bei 3,06 Reichsmark.239

236 Vgl. Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 107. 237 Kastner, Buchverlag der Weimarer Republik, S. 48. 238 Vgl. ebd. 239 Vgl. ebd., Text und Daten der CD-ROM-Beilage, Tabelle „Schöne Literatur. Durchschnittlicher Einzelpreis und Gesamtladenpreis mit relativen Entwicklungen sowie Vergleichs- und Anteilserhebungen zur Gesamtproduktion des Dt. Buchhandels“ (Kastner_Barbara/Daten/Preis/Fachgebiete/ Preis Fachgebiete/Tabellenblatt „TPrL8SchöneL“).

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

Abb. 27: Carl Zuckmayer, Affenhochzeit, Einband

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246  5 Ullsteins „exklusive Zone“

Abb. 28: Carl Zuckmayer, Affenhochzeit, Vorsatz

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

Abb. 29: Carl Zuckmayer, Affenhochzeit, Titelblatt

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248  5 Ullsteins „exklusive Zone“

5.3.2 Allgemeine Vertragsgestaltung, Verwertung der Filmrechte und Autorenhonorare am Beispiel der Bühnenautoren Allgemeine Vertragsgestaltung Bis Mitte der zwanziger Jahre schlossen die bis dahin nur vereinzelt und vor allem in der Reihe Das kleine Propyläen-Buch vertretenen zeitgenössischen Autoren ihren Vertrag mit dem Propyläen-Verlag direkt ab.240 Anschließend wurden die Verlagsverträge generell von der Ullstein-AG und nicht spezifisch vom Propyläen- oder Ullstein Buchverlag ausgestellt.241 Auf diese Weise standen sowohl dem Verlag als auch den Autoren grundsätzlich alle Veröffentlichungs- und Verwertungsmöglichkeiten offen, die innerhalb des Konzerns zu verwirklichen waren oder von diesem vermittelt werden konnten. Im Generalvertrag von Horváth wurde beispielsweise explizit darauf hingewiesen, dass es dem Verlag freistehe, „die Werke im Ullsteinoder im Propyläen-Verlag, bezw. einem dem Ullstein Verlage nahestehenden Bühnenverlage herauszubringen bezw. zu verwerten.“242 Gemäß des 1902 in Kraft getretenen Verlagsgesetzes und des 1910 novellierten Urheberrechtsgesetzes243, den Empfehlungen der Juristen folgend, die „den Abschluss möglichst unzweideutiger und vollständiger Verlagsverträge“244 forderten, enthielten die Verlagsverträge konkrete Regelungen zur Überlassung der einzelnen Verwertungsrechte. Ullstein kann als besonders fortschrittlicher Verlag im Umgang mit den Nebenrechten angeführt werden,245 bildeten diese doch die Grundlage für das Geschäftsmodell der profitablen Mehrfachverwertung.246 Wo zahlreiche Verleger der etablierten Kulturverlage in der vieldiskutierten Medienkonkurrenz eine Gefahr für das traditionelle Buch sahen, wusste Ullstein die Wechselwirkungen zwischen alten und neuen Medien – zwischen Buch, Zeitung, Theater, Kino, illustrierter Zeitschrift oder auch Rundfunk – gewinnbringend zu nutzen.247 Das Aufführungsrecht war neben dem Recht auf Vorabdruck, dem Recht auf Verfilmung und dem Übersetzungsrecht eines der zentralen Nebenrechte der Ullstein-Verträge. Im Unterschied zu den zwischen dem Bühnenverlag und den Bühnen abzuschließenden Verträgen, deren wichtigste inhaltliche Grundlagen seit 1919

240 Auch die Verträge der Herausgeber der Klassikerausgaben, der Autoren der Kunstgeschichte, der Künstler und der Autoren von illustrierten Werken (z. B. Heinrich Mann, Kobes) wurden vom Propyläen-Verlag ausgestellt. 241 Die Verträge der Autoren der Propyläen-Weltgeschichte waren ebenfalls von der Ullstein-AG und nicht dem Propyläen-Verlag ausgestellt. 242 Verlagsvertrag mit Ödön von Horváth vom 11.1.1929. 243 Vgl. Lange, Siegeszug, S. 78. 244 Ebd., S. 93. 245 Vgl. ebd., S. 90. 246 Vgl. hierzu insgesamt Schneider, Buchverlag in der perfektionierten Vermarktungskette. 247 Vgl. ebd., S. 47.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

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durch einen zwischen dem Verband Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten, der Vereinigung der Bühnenverleger und dem Deutschen Bühnenverein vereinbarten Normalaufführungsvertrag geregelt wurden, waren die Bühnenverleger frei in der vertraglichen Gestaltung.248 In der Regel wurden Aufführungskommissionsverträge abgeschlossen, in denen der Bühnenschriftsteller den Bühnenvertrieb dazu bevollmächtigte, in eigenem Namen mit den Bühnen über die Aufführungslizenzen zu verhandeln und diese entsprechend zu übertragen.249 In den Verträgen der Propyläen-Bühnenautoren wurden die Aufführungsrechte an den Bühnenstücken in einen Generalvertrag eingebettet, der den Autor dazu verpflichtete, während der jeweils vereinbarten Zeitspanne „seine gesamte schriftstellerische Produktion an dramatischen, erzählenden und lyrischen Werken […] dem Verlag Ullstein zuerst einzureichen“.250 Wurde ein Werk durch den Verlag angenommen, erhielt der Autor ein Bestätigungsschreiben mit dem Hinweis, dass – unter Berücksichtigung der im Generalvertrag festgelegten Konditionen – der „Bühnenvertrieb durch die Arcadia G. m. b.H“ besorgt oder das jeweilige Buch im Propyläen-Verlag erscheinen werde. Im Unterschied zu anderen Bühnenverlagen ließ sich Ullstein jedoch nicht nur eine Vollmacht für den Vertrieb der Bühnenlizenzen durch den Autor erteilen, sondern forderte die Übertragung der „ausschließlichen und uneingeschränkten Bühnenrechte“ an den Werken.251 In einem direkt mit Arcadia abgeschlossenen Vertrag über eine von mehreren Autoren gemeinsam zu verfassende „musikalische Komödie“ ließ man sich sogar „die alleinigen und ausschließlichen Rechte an der Komödie für alle Länder, alle Sprachen und alle Zeiten“ übertragen.252 Damit gaben die Autoren die Rechte an ihren Werken unwiderruflich an Ullstein ab und banden sich dementsprechend an den Verlag. Problematisch wurde dies ab 1933, als Werke von Propyläen-Autoren verboten wurden und viele Schriftsteller wie beispielsweise Hasenclever Deutschland verlassen mussten (s. u.). Verwertung der Filmrechte Ullstein passte bestehende Verträge zeitnah an die technischen Entwicklungen und die damit entstehenden neuen Verwertungsmöglichkeiten an. Seit 1913 sahen die Verlagsverträge vor, dass die „Verwertung für dramatische oder kinematographi-

248 Vgl. Jaehrig-Ostertag, Geschichte der Theaterverlage, Sp. 220–223. 249 Vgl. Watzka, Verborgene Vermittler, S. 55. 250 Verlagsvertrag mit Ödön von Horváth vom 11.1.1929 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 251 Z. B. im Verlagsvertrag von Walter Hasenclever über das Werk Kommt ein Vogel geflogen vom 28.1.1931 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 252 Verlagsvertrag mit Walter Hasenclever, Ernst Toller, Walter Mehring und Alexis Granowski vom 3.11.1928 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.).

250  5 Ullsteins „exklusive Zone“

sche Darbietungen […] nur mit Genehmigung des Verlages“ gestattet war.253 Damit konnte der Verlag immerhin einen „kontrollierenden Einfluss“ auf die Verwertung der Rechte ausüben.254 Als die deutsche Filmbranche während des Krieges aufgrund des Importverbots für ausländische Firmen zu boomen begann, ergriff man ab 1918 diese Chance auch bei Ullstein und änderte die Verlagsverträge mit Zustimmung der Autoren entsprechend ab. Von nun an war der „Verlag allein berechtigt, die Filmrechte der Werke zu verkaufen“. Man verpflichtete sich, „die Hälfte der hierfür eingehenden Honorare“ an den Autor abzuführen.255 Ab Mitte 1929 wurden neben den Stummfilmrechten auch die Tonfilmrechte in die Verträge aufgenommen.256 Während sich die populären Ullstein-Romane für eine erfolgreiche Verfilmung besonders eigneten und dementsprechend begehrt bei den Filmgesellschaften waren,257 spielte die Verfilmung für die im Propyläen-Verlag erscheinenden Bücher eine eher untergeordnete Rolle. Als prominentestes Beispiel kann die Verfilmung von Remarques Im Westen nichts Neues angeführt werden.258 Doch gelang es Ullstein nicht nur im Programmbereich Romane, sondern auch für die Theaterstücke eine mindestens dreistufige Verwertungskette zu generieren, die aus der durch den Arcadia-Verlag vermittelten Aufführung der Theaterstücke und dem dazugehörigen Vertrieb der Bühnenmaterialien, der Herausgabe des Buches im Propyläen-Verlag und schließlich der Verfilmung bestand. Da Berlin sowohl die wichtigste TheaterStadt Deutschlands als auch das Zentrum der deutschen Filmindustrie mit zahlreichen konkurrierenden Filmstudios war,259 bot der Standort die günstigsten Voraussetzungen für eine wirtschaftlich fruchtbare Verbindung der beiden unmittelbar konkurrierenden und in verschiedenen Wechselwirkungen aufeinander Bezug neh-

253 Verlagsvertrag Peter Voss, Der Millionendieb, zwischen Ewald Gerhard Seeliger und Ullstein Verlag vom 21.5.1913. Zitiert nach Lange, Siegeszug, S. 90, Anm. 142. 254 Lange, Siegeszug, S. 91. 255 Brief Ullstein an Carry Brachvogel vom 9.9.1918. Zitiert nach Lange, Siegeszug, S. 91. Vgl. auch die hier genannten weiteren Beispiele in Anm. 146. 256 Vgl. ebd., S. 93. 257 Vgl. Lange, Siegeszug, S. 102. Vgl. hierzu auch die Beispiele von einigen der bekanntesten Bestseller der Weimarer Republik, die in Ullstein-Periodika vorabgedruckt, bei Ullstein als Buch erschienen und anschließend verfilmt worden waren. Schneider, Buchverlag in der perfektionierten Vermarktungskette, S. 50 f. 258 Vgl. hierzu z. B.: Harley U. Taylor: Erich Maria Remarque’s Im Westen nichts Neues and the Movie All Quiet on the Westen Front. Genesis, Execution, and Reception. West Virginia University Philological Papers 26 (1980), 13–20; Hans Beller: Gegen den Krieg. Im Westen nichts Neues (All Quiet on the Western Front, 1929). In: Fischer Filmgeschichte. Bd. 2: Der Film als gesellschaftliche Kraft 1925–1944. Hrsg. von Werner Faulstich und Helmut Korte (Fischer Cinema. 4492). Frankfurt/M.: Fischer 1991, S. 110–129. 259 Vgl. Bärbel Schrader und Jürgen Schebera: Kunstmetropole Berlin 1918–1933. Die Kunststadt in der Novemberrevolution. Die goldenen Zwanziger. Die Kunststadt in der Krise. Berlin/Weimar: Aufbau 1987, S. 68.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

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menden Medien Theater und Film.260 Außerdem war der Ullstein-Konzern selbst im Filmgeschäft tätig,261 sodass er durch entsprechende Beteiligungen an Filmfirmen von dem Verkauf der Filmlizenzen und der erfolgreichen Verfilmung der Romane und Theaterstücke gleich mehrfach profitierte.262 Das junge Medium Film, das sich ab der Jahrhundertwende und besonders seit den 1910er Jahren von rein dokumentarischen Darstellungen dem Erzählen fiktionaler Geschichten zuwandte, suchte im Zuge dieser ästhetischen Weiterentwicklung die Nähe des traditionellen Mediums Theater. Dies äußerte sich zum einen in der äußeren Form der Filmvorführung. Es kam zu einer „Angleichung des Kinobesuchs an die Normen des Theaterbesuchs“.263 Repräsentative Filmtheater ersetzten die anfänglichen Vorführungen in Laden- oder Kneipenkinos. Zum anderen orientierte sich der Film zunächst auch in seinen inhaltlichen und darstellerischen Konzepten „vorwiegend am Theater und dessen dramaturgischen und narrativen Mustern“264, bis es zur Entwicklung und Ausreifung eigener, filmspezifischer Erzählstrukturen gekommen war. Verstärkt wurde die starke Bindung des Films an das Theater zusätzlich durch personelle Kontinuitäten. Viele Produzenten, Regisseure und Schauspieler kamen vom Theater und brachten die ihnen vertrauten Formen und Konzepte in die Entstehung der neuen Filme ein. Nicht selten wurden die Theaterschauspieler auch für die Verfilmungen der Stücke engagiert. Auf diese Weise versuchte man die Erfolge der Bühnenaufführungen und das symbolische Kapital der Schauspieler auf das Kino zu übertragen.265 So spielte beispielsweise in der Verfilmung von Zuckmayers Stück Der Hauptmann von Köpenick (s. o.) Max Adalbert die Titelrolle, der den Wilhelm Voigt bereits erfolgreich auf der Bühne verkörpert hatte. Etliche Theaterstars, wie Paul Wegener oder Emil Jannings, konnten schließlich auch im Kino große Erfolge feiern. Man übernahm damit den Starkult des Theaters für das Kino, wo er – besonders in Hollywood ab den 30er Jahren – eine wesentliche kommerzielle Bedeutung erhalten sollte.266 Zudem verpflichtete man berühmte Theaterautoren wie Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal oder Arthur Schnitzler für das Kino und warb mit dem Etikett des „Autorenfilms“.267 Auf diese

260 Vgl. hierzu Christian Maintz: Einleitung. Theater und Film. Historische Präliminarien. In: Ders.: Schaulust. Theater und Film – Geschichte und Intermedialität. Münster (u. a.): Lit. 2002, S. 5–36. 261 Vgl. hierzu Lange, Siegeszug, S. 86–89 und Schüler, Der Ullstein Verlag und der Stummfilm. 262 Vgl. auch die Hinweise auf die Werbeabsprachen zwischen Ullstein und den jeweiligen Filmfirmen, die sich vertraglich verpflichten mussten, „bei der Aufführung des Films für eine möglichst umfangreiche Propaganda der Buchausgabe zu sorgen.“ Lange, Siegeszug, S. 111. 263 Albersmeier 1994, S. 135, zitiert nach Maintz, Theater und Film, S. 11. 264 Maintz, Theater und Film, S. 11. 265 Vgl. ebd. 266 Vgl. ebd., S. 12. 267 Vgl. ebd., S. 13. Hasenclever schrieb nicht nur Filmdrehbücher, sondern arbeitete auch als Filmschauspieler. Vgl., Kasties, Walter Hasenclever, S. 282 f.

252  5 Ullsteins „exklusive Zone“

Weise sollte es dem anfänglich „als kunstunfähig geschmähten“268 „Jahrmarktsmedium Film“269 gelingen, sein Renommee zu steigern, das bildungsbürgerliche Publikum für sich zu gewinnen und dadurch die „Rezeptionsbasis“ zu verbreitern.270 Die Bühnenschriftsteller allerdings, die sich in den Dienst der Filmindustrie stellten und diese zusätzliche, allerdings nicht immer lukrative Einkommensquelle271 zu nutzen wussten, ernteten teilweise harsche Kritik der Kinogegner und wurden als „money-maker“ und Spekulanten bezeichnet.272 Gleichzeitig stand die Praxis der Mehrfachverwertung insgesamt in der Kritik273 und die Tatsache, dass ein Roman nicht nur im Vorabdruck und als Buch und ein Bühnenstück nicht nur als Theateraufführung erfolgreich sein musste, sondern der Verlag bei der Annahme oder Ablehnung bereits die mögliche Verfilmbarkeit des Stoffes in sein Urteil einbezog. Auch für die Bühnenautoren kann angenommen werden, dass die Motivation, ein Stück zu schreiben, das Aussicht auf eine Verfilmung haben könnte, den Schreibprozess der Autoren beeinflusste. Im Querschnitt findet sich sogar eine Persiflage auf diese Produktionsbedingungen:274 „Nein“, sagte der Theatermanager, „dieses Stück kommt für uns gar nicht in Frage. Es gefällt mir übrigens, und wenn die Verhältnisse besser wären, würde ich einen Versuch wagen, aber so wie die Dinge jetzt liegen – unmöglich!“ „Aber warum nicht, wenn es Ihnen gefällt?“ fragte der Autor. „Es wäre kein Kassenstück.“ „Kein Kassenstück? Meinen Sie, daß das Publikum…?“ „Ach nee“ sagte der Manager, „aber die Filmgesellschaften kaufen so was nicht, mein Lieber.“ „Die Filmgesellschaften? Ich habe es doch für die Bühne geschrieben!“

268 Maintz, Theater und Film, S. 12. 269 Ebd., S. 10. 270 Kaes, Anton: Einführung. In: Kino-Debatte. Texte zum Verhältnis von Literatur und Film 1909– 1929. Hrsg. von Anton Kaes (Wissenschaftliche Reihe. 4307). München: dtv 1978, S. 1–36, hier S. 2. 271 Mit ästhetisch anspruchsvollen Produktionen, die nicht dem Massengeschmack entsprachen, konnten die Theaterautoren keine großen Erfolgsaussichten verbinden. Vgl. hierzu die Reaktion Walter Hasenclevers im Rahmen einer Umfrage der Vossischen Zeitung, warum deutsche Dichter nicht verstärkt als Filmautoren arbeiten: „Der Provinzgeschmack siegt. […] Ein eiserner Konzern von Kitschmagnaten beherrscht den Markt. […] Auf die Rundfrage: ‚Warum schreiben Sie keinen Filme?‘ möchte ich mit der Frage antworten: ‚Für wen soll ich Filme schreiben?‘.“ In: Vossische Zeitung, 31.3.1929, zitiert nach Kasties, Walter Hasenclever, S. 282. 272 Erich Oesterheld: Wie die deutschen Dramatiker Barbaren wurden. 1913. Zitiert nach Kaes, Kino-Debatte, S. 97. 273 Vgl. hierzu z. B. die Kritik Zuckmayers an der Verfilmung, die im Querschnitt 11 (1931), Heft 1, S. 39–41 erschienen ist und in der er sich gegen die schlechte Verfilmung von Literatur und für eine speziell am Medium Film orientierte „Film-Dichtung“ ausspricht, die diesen als „eigene, ursprüngliche Kunstform“ ernstnimmt. 274 Patricia Collinge: Vom Drehbuch. In: Querschnitt 13 (1933), Heft 4, S. 246–248, zitiert nach Lange, Siegeszug, S. 100.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

253

Der Manager rückte ungeduldig hin und her: „Gewiß, das ist ja doch der Haken daran. Das Stück hat nicht die leiseste Aussicht, als Film gekauft zu werden.“ „Das lag auch gar nicht in meiner Absicht“, sagte der Autor gekränkt. „Da hätte ich es ja gleich als Drehbuch abgefaßt und nach Hollywood geschickt.“ „Das hätte Ihnen nichts genützt.“ „Nein, wieso?“ „Weil es ja doch zuerst ein Theaterstück sein müßte.“ […]

Es haben sich nur wenige Quellen erhalten, die Aufschluss geben über Verhandlungen oder Korrespondenzen bezüglich der Verfilmung von im Propyläen-Verlag erschienenen Bühnenstücken.275 Die Beispiele von Zuckmayer und Hasenclever276 sollen immerhin einen kurzen Einblick vermitteln, wie die vertragliche Praxis der Filmrechtsverwertung bei den Propyläen-Bühnenautoren aussah. Nachdem 1929 bereits Zuckmayers Stück Katharina Knie verfilmt worden war, wurde im Dezember 1931 der Film Der Hauptmann von Köpenick uraufgeführt. In den Verhandlungen über das Zustandekommen des Films und die Abrechnung der Einnahmen schien es zwischen Verlag und Autor zu – aus der Sicht Zuckmayers – „unliebsame[n] Vorgänge[n]“ gekommen zu sein, die dieser durch eine „Neuregelung“ der Beteiligungsverhältnisse zukünftig verhindern wollte.277 Dabei ging es ihm darum, eine höhere Beteiligung an den Filmeinnahmen zu erhalten, falls der Filmvertrag „durch [s]eine persönlichen Beziehungen und Verhandlungen“ und „nur unter Hinzuziehung des Verlags“ zustande kommen würde.278 Statt der im Vertrag geregelten 80 Prozent forderte Zuckmayer für diesen Fall eine Beteiligung in Höhe von 90 Prozent. Wie Lange bereits am Beispiel Vicky Baums aufgezeigt hat,279 lässt sich ebenfalls bei Zuckmayer eine mit wachsendem Erfolg ansteigende Verbesserung der Vertragskonditionen beobachten. Auch Zuckmayer hatte zu Beginn zunächst lediglich einen 50-prozentigen Anteil an den Erlösen aus dem Verkauf der Filmrechte erhalten, der ab 1929 im Zuge des Verkaufs der Filmrechte an Katharina Knie auf zwei Drittel280 und später auf 80 Prozent erhöht wurde.281 Zuckmayers Vor-

275 Obwohl beispielsweise von Horváth die von Arcadia betreuten Stücke Italienische Nacht (1931), Geschichten aus dem Wienerwald (1931), Glaube, Liebe, Hoffnung (1932) und Kasimir und Karoline (1932) verfilmt worden waren, lassen sich dazu weder im Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags noch in Horváths Nachlass in Wien Unterlagen finden. 276 Vgl. zur Verfilmung von Ein besserer Herr auch Kasties, Walter Hasenclever, S. 237. 277 Carl Zuckmayer an Emil Herz am 25.1.1932 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 278 Ebd. 279 Lange, Siegeszug, S. 95 f. 280 Wilhelm Gronle an Carl Zuckmayer am 6.9.1929. (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 281 Vgl. Carl Zuckmayer an Emil Herz am 25.1.1932. (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.).

254  5 Ullsteins „exklusive Zone“

schlag, durch ihn selbst angebahnte Filmverträge mit einer höheren Beteiligung zu honorieren, trat Gronle mit einer konsequenten Absage entgegen: Was die Beteiligung an den Erlösen aus dem Verkauf von Verfilmungsrechten anbelangt, so bin ich aber sehr gegen den Vorschlag Zuckmayers, sowohl was einen Beteiligungssatz von nur 10 % anbelangt, als auch was eine Unterscheidung nach der Verhandlungsführung betrifft. Hier müssten wir wenigstens 20 % erhalten und grundsätzlich immer, weil auch die Verhandlungen stets durch uns geführt werden sollten (auch in den Fällen, wo sich jemand einmal direkt an Zuckmayer zuerst wendet). Das war ja gerade das Unglück in allen bisherigen Fällen, dass Zuckmayer glaubte uns etwas abknapsen zu müssen. Der Anreiz dazu würde ja bestehen bleiben, wenn es wieder bei einer Differenzierung in unserer Beteiligung bliebe. Z. sollte hier doch wirklich gelernt haben und einsehen, dass sein Einlassen in Verhandlungen trotz „Ersparnis“ an unserer Beteiligung nur immer von Schaden, teilweise von ganz erheblichem, für ihn gewesen ist. Ein Ausschalten der früheren gewiss unliebsam gewesenen aber allein auf Zuckmayers Verhalten zurückzuführenden Vorgänge ist nur denkbar wenn eine für alle Fälle gleichermassen geltende Vereinbarung besteht.282

Wie sich auch in anderen Fällen zeigte, war Ullstein stets darauf bedacht, die Kontrolle über die Rechteverwertung ausschließlich im Verlag zu belassen und eine Einmischung der Autoren möglichst gering zu halten. Denn nur so konnte eine effiziente, zentral durch den Verlag gesteuerte Verwertung garantiert und konnten „Alleingänge“ der Autoren verhindert werden. In einem ähnlichen Fall entgegnete der Verlag dem Autor Fred Andreas, dass man eine „besondere Berücksichtigung bei Herbeiführung eines Abschlusses“ durch den Autor „für inopportun“ halte. Verlag und Autor würden in dieser Hinsicht schließlich „Hand in Hand“ arbeiten.283 Dass der Verlag im Sinne der Autoren handelte und deren Rechte gegenüber den Filmfirmen vertrat, zeigt das Beispiel Hasenclevers. Ullstein hatte die Filmrechte an Hasenclevers Lustspiel Ein besserer Herr an die Filmgesellschaft Emelka verkauft. Obwohl dem Autor „eine Mitwirkung vertraglich vorbehalten“ worden war, hatte die Filmgesellschaft das Manuskript in eigener Regie und ohne Rückversicherung des Autors ausarbeiten lassen.284 Nach Einsichtnahme durch den Verlag kam man Hasenclever gegenüber zu dem Schluss, dass „etwas ganz anderes herausgekommen ist als was in Ihrer Intention lag, nämlich ein Schwank mit vulgärer Note, während Sie ein Lustspiel von äusserst geschliffener Form gebracht haben“.285 Auch

282 Wilhelm Gronle an Carl Zuckmayer am 30.1.1932. (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 283 Ullstein an Fred Andreas vom 10.1.1033. (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). Zitiert nach Lange, Siegeszug, S. 97. 284 Wilhelm Gronle an Walter Hasenclever am 12.4.1928 (Marbach, DLA, A: Hasenclever, NZ 86.1.292). 285 Ebd.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe

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der Autor selbst fand das Ergebnis „unter aller Kritik“.286 Man einigte sich schließlich mit der Filmgesellschaft darauf, dass der Film gedreht werden dürfe, verpflichtete Emelka aber dazu, „im Zusammenhang mit dem Film den Autor und sein Werk nur in der einschränkenden Form: ‚Nach Motiven des Lustspiels „Ein besserer Herr“ von Walter Hasenclever‘ zu erwähnen und zwar bei Veröffentlichungen jeder Art, sei es in Publikationen oder auf der Leinwand, etc.“287 Nach Besichtigung des Films glaubte Gronle dann schließlich „annehmen zu dürfen, daß die Angelegenheit […] als geregelt angesehen [werden] kann. Der Film ist an sich wirklich nicht schlecht gemacht, es fehlt ihm nur das Niveau Ihres Werkes […]. [Er] dürfte sein Publikum unterhalten und vermutlich geschäftlich ein Erfolg für die Emelka werden.“288 Honorare der Bühnenautoren Carl Zuckmayer und Bertolt Brecht schlossen im Jahr 1925 einen (gleich lautenden) Generalvertrag mit dem Ullstein-Konzern ab, der sie verpflichtete, innerhalb der achtzehnmonatigen Laufzeit ihre „gesamte schriftstellerische Produktion an dramatischen, erzählenden und lyrischen Werken […] dem Verlag Ullstein zuerst einzureichen“ und ihnen gleichzeitig eine monatliche Abschlagszahlung von 600 Mark sicherte.289 An Einnahmen aus den Buchverkäufen wurden die Autoren mit zehn Prozent des Ladenpreises des broschierten Exemplars beteiligt, ebenfalls mit zehn Prozent am Gewinn aus dem „für Bühnenzwecke hergestellten und vertriebenen Material“ und aus den Zahlungseingängen des Bühnenvertriebs erhielten sie 80 Prozent.290 Zuckmayers Vertrag wurde am 16. Oktober 1926 bis zum 31. März 1930 verlängert, damit einher ging zusätzlich eine Erhöhung des monatlichen Fixums auf 1600 Mark.291 Ab der nächsten Vertragsverlängerung am 1. März 1928, die nun eine Laufzeit bis zum 31. März 1932 vorsah, erhielt Zuckmayer eine monatliche Zahlung von 2000 Mark.292 Auch Brechts Generalvertrag wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 30. Juni 1931.293 Seine monatlichen Abschlagszahlungen wurden jedoch

286 Walter Hasenclever an Wilhelm Gronle am 16.4.1928 (Marbach, DLA, A: Hasenclever, NZ 86.1.128). 287 Ullstein an Emelka am 21.6.1928 (Marbach, DLA, A: Hasenclever, NZ 86.1.292). 288 Wilhelm Gronle an Walter Hasenclever am 28. Juni 1928 (Marbach, DLA, A: Hasenclever, NZ 86.1.292). 289 Nickel, Carl Zuckmayer, S. B 86. 290 Verlagsvertrag von Bertolt Brecht vom 21.7.1925, zitiert nach Davidis, Bertolt Brecht, S. B 150. 291 Vgl. Verlagsvertrag von Carl Zuckmayer vom 16.10.1926 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 292 Vgl. Verlagsvertrag von Carl Zuckmayer vom 1.3.1928 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 293 Vgl. Davidis, Bertolt Brecht, S. B 151. Auch wenn dazu keine Belege erhalten sind, kann davon ausgegangen werden, dass der Vertrag mit Ullstein wohl vorzeitig gelöst wurde, da Brecht bereits am 17.1.1930 mit seinem früheren Verleger Gustav Kiepenheuer einen „Vertrag über seine gesamte Produktion“ mit einer Laufzeit bis zum 31.12.1930 abschloss, aus dem heraus noch im selben Jahr

256  5 Ullsteins „exklusive Zone“

nicht erhöht. Dies mag damit zusammenhängen, dass von Brecht während der gesamten Laufzeit seines Vertrages lediglich vier Bücher erschienen. Zuckmayer, von dem im Vergleich mit den anderen Autoren mit Abstand die meisten Titel bei Propyläen erschienen sind, hatte sich bis zum Beginn der dreißiger Jahre zu einem der wichtigsten Autoren des Verlags entwickelt.294 Einige Wochen vor Ablauf des bestehenden Generalvertrages konnte er am 25. Januar 1932 selbstbewusst, aufgrund seiner „sowohl in materieller als in psychologischer Hinsicht wesentlich verändert [en]“ Stellung als Autor,295 eine Änderung der vertraglichen Konditionen zu seinen Gunsten fordern. Am 18. Februar 1932 wurde daraufhin eine monatliche Zahlung von 3500 Mark vereinbart, die Beteiligung an den Einnahmen des inländischen Bühnenvertriebs wurde auf 85 Prozent, der Autorenanteil an den Buchverkäufen von zehn auf zwölf Prozent und bei Romanen gar auf 14 Prozent erhöht.296 Zuckmayer erhielt damit ein außergewöhnlich hohes monatliches Fixum, denn „selbst Schriftsteller, deren Bücher sich gut verkauften, konnten – so Peter Suhrkamp 1930 – höchstens mit einer monatlichen Rente von 1000 Mark rechnen.“297 Außerdem sagte man dem Autor mit seinem Einkommen zu verrechnende Sonderzahlungen bis zur Höhe von jährlich 12 000 Mark zu. Während das Jahreseinkommen des überwiegenden Anteils der deutschen Angestelltenhaushalte in den Jahren 1926/27 bei unter 5100 Mark lag,298 hatte Carl Zuckmayer aus dem Vertrag mit Ullstein für das Jahr 1926 Einnahmen in Höhe von 123 692,50 Mark erwirtschaftet, die sich aus Tantiemen für Bühnenaufführungen, Buchausgaben, Bühnenmaterial und aus Filmeinnahmen ergaben.299 Hinzu kamen weitere Erlöse u. a. aus Rundfunk- und Feuilletonbeiträgen. In den Jahren 1927 bis 1930 lag sein Jahresverdienst zwischen 48 000 und 94 000 Mark. 1931, im Jahr der Uraufführung des Hauptmanns von Köpenick, konnte Zuckmayer mit 165 069,73 Mark noch einmal seinen Rekordverdienst von 1926 um ca. 40 000 Mark überschrei-

zwei Hefte der Reihe Versuche erschienen. Vgl. Cornelia Caroline Funke: Im Verleger verkörpert sich das Gesicht seiner Zeit. Unternehmensführung und Programmgestaltung im Gustav Kiepenheuer Verlag 1909 bis 1944. Wiesbaden: Harrassowitz 1999, S. 152. 294 Vgl. Völker, Arcadia-Verlag, S. 145. 295 Carl Zuckmayer an Emil Herz am 25.1.1932, S. 6 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 296 Vgl. die Vereinbarung zwischen Carl Zuckmayer und Ullstein vom 18.2.1932 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 297 Nickel, Carl Zuckmayer, S. B 86. 298 Von 2000 untersuchten Arbeiter-, Angestellten und Beamtenhaushalten hatten 71 Prozent der Angestelltenhaushalte ein Jahreseinkommen von weniger als 5100 Mark, vgl. Ute Schneider: Lektürebudgets in Privathaushalten der zwanziger Jahre. In: Gutenbergjahrbuch 71 (1996), S. 341–351, hier S. 345. 299 Vgl. Die Einnahmen des Herrn Carl Zuckmayer […] in der Zeit von 1926 bis Ende 1931 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.).

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

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ten.300 Aus der erhaltenen Aufstellung der Einkünfte Zuckmayers aus seinem Vertrag mit Ullstein wird deutlich, von welch geringer Bedeutung die Buchausgaben für den finanziellen Verdienst des Autors waren. Während die Honorare aus den inländischen Bühneneinnahmen zwischen 1926 und 1931 mit 87,3 Prozent des Gesamteinkommens zu Buche schlugen, erzielte Zuckmayer nur 2,3 Prozent seiner Einnahmen durch den Verkauf von Büchern.301 Für Brecht bedeutete der Abschluss mit Ullstein einen „großen Triumph“ und „ein großes Glück“, da er Ullstein als „sicherste[n] Verlag“ betrachtete.302 An seinem Beispiel wird deutlich, welche große Rolle die finanzielle Absicherung durch eine regelmäßige monatliche Zahlung für die Autoren spielte. Denn „die Einnahmen von seiten des Ullstein Verlags bildeten in den späten zwanziger Jahren Brechts finanzielle Basis“.303 Auch wenn er nicht an die sehr hohen Einnahmen Zuckmayers heranreichen konnte, erhielt er doch mit seinem Fixum von 600 Mark monatlich doppelt so viel wie beispielsweise ein Feuerwerker, der 1927 etwas mehr als 300 Mark verdiente.304 Obwohl über die bereits genannten vier Bücher hinaus von Brecht keine weiteren Werke bei Propyläen erschienen, zahlte der Verlag ca. fünf Jahre lang an den Autor, allerdings zuletzt unter der Bedingung, „daß das unverrechnete Guthaben […] nicht mehr als 12 000 Mark“ beträgt.305 Da weder Brechts Aufführungen noch seine Bücher zu dieser Zeit ein finanzieller Erfolg waren, kam der Autor zu dem Schluss, dass „er wahrscheinlich einer der seltenen Fälle [sei], in denen Ullstein von einem Autor ausgebeutet werde“.306 Einen ähnlichen Eindruck hatte zu Beginn der zwanziger Jahre auch Gerhart Hauptmann, dessen Roman Phantom von Emil Herz für einen Vorabdruck in der Berliner Zeitung angenommen worden war. Nachdem der Autor einen großzügigen Ullstein-Scheck von Herz erhalten hatte, soll er geäußert haben, dass „so ein junger Verleger […] aber auch zu leicht herein[zu] legen“ sei.307 Beide Autoren übersahen bei ihrer Einschätzung, dass vor allem ihr berühmter Name dem Verlag bei der Anhäufung von symbolischem und kulturellem Kapital von großem Nutzen war. Auch für Ödön von Horváth „war die Honorierung seiner Arbeit ein entscheidendes Argument, im Propyläen-Verlag zu publizieren“.308 Der Autor hatte ein An-

300 Vgl. ebd. und Nickel, Carl Zuckmayer, S. B 88. 301 Vgl. Die Einnahmen des Herrn Carl Zuckmayer […] in der Zeit von 1926 bis Ende 1931 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 302 Zitiert nach Völker, Arcadia-Verlag, S. 133 f. 303 Davidis, Bertolt Brecht, S. B 150. 304 Vgl. Nickel, Carl Zuckmayer, S. B 86. 305 Davidis, Bertolt Brecht, S. B 151. 306 Fritz Sternberg: Der Dichter und die Ratio. Erinnerungen an Bertolt Brecht. Göttingen: Sachse & Pohl 1963. 307 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 241. 308 Schneider, Buchverlag in der perfektionierten Vermarktungskette, S. 51.

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gebot des S. Fischer Verlags mit der Begründung ausgeschlagen, dass der Ullsteinbzw. Propyläen-Verlag „mehr gezahlt [habe] als Fischer“.309 An Lotte Fahr schrieb er: „Kapitalist bleibt Kapitalist, warum soll ich ihnen was schenken?!“310 Horváth schloss am 11. Januar 1929 mit Ullstein ebenfalls einen Generalvertrag, zunächst für die Dauer von elf Monaten, ab. Dieser erstreckte sich allerdings nicht nur, wie bei Brecht und Zuckmayer, auf die „gesamte schriftstellerische Produktion an dramatischen, erzählenden und lyrischen Werken“, sondern räumte dem Verlag auch auf gemeinsam mit anderen Autoren verfasste Werke und jegliche weiteren schriftstellerischen Produktionen Horváths eine Option ein.311 Bei dem jungen und noch nicht hinreichend etablierten Autor war der Verlag in der Zahlung des monatlichen Fixums zurückhaltender als bei Brecht oder bei Zuckmayer. Horváth erhielt für die ersten beiden Monate nach Abschluss des Vertrages jeweils 500 Mark und anschließend 300 Mark. Der Vertrag wurde mehrfach verlängert, ab März 1931 erhielt der Autor 500 Mark für die Monate, in denen er sich in Berlin aufhielt. Mit der letzten Vertragsverlängerung „bis Ablauf des Jahres 1932“ wurde ihm dann ab Oktober 1931 generell eine monatliche Zahlung dieses Betrages zugesagt.312 Die sonstigen Konditionen des Vertrages, die eine Tantieme von zwölf Prozent vom Ladenpreis für jedes verkaufte Buchexemplar, zehn Prozent für das Bühnenmaterial und eine achtzigprozentige Beteiligung des Autors am Bühnenvertrieb seiner Werke vorsahen, wurden im Laufe der Jahre nicht verändert. Horváth erhielt in dieser Zeit immerhin einen um zwei Prozent höheren Anteil an den Buchverkäufen als Brecht und bis Februar 1932 auch als Zuckmayer. Ullstein wollte Walter Hasenclever, der 1914 für den Verlag als Korrespondent bei der internationalen Kunstausstellung in Venedig tätig gewesen war,313 bereits 1917 als Autor gewinnen. Hasenclever antwortete jedoch am 22. Dezember 1917 auf einen Brief des Lektors Max Krell: „Ich muss ganz offen sein und Ihnen sagen, dass ich leider mit meinem Verleger Paul Cassirer einen Vertrag abgeschlossen habe, der mir nicht die Möglichkeit lässt, irgendwelche Werke in anderen Unternehmungen erscheinen zu lassen.“314 Außer bei Paul Cassirer veröffentlichte Hasenclever seine

309 Ödön von Horváth an Lotte Fahr am 15. Januar 1929, zitiert nach Klaus Kastberger/Kerstin Reimann: Vorwort. In: Ödön von Horváth: Der ewige Spießer. Hrsg. von dens. unter Mitarbeit von Julia Hamminger und Martin Vejvar (Ödön von Horváth. Wiener Ausgabe sämtlicher Werke. 14.1). Berlin/ New York: de Gruyter 2010, S. 1–13, hier S. 2. 310 Ebd. 311 Verlagsvertrag von Ödön von Horváth vom 11.1.1929 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). Die Zahlung erfolgte rückwirkend ab Oktober 1931 und die am 15. Oktober bereits geleistete Zahlung von 300 Mark wurde „auf die letzte Monatsrate 1932 verrechnet“. 312 Vgl. Ullstein an Ödön von Horváth am 10.11.1931 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 313 Vgl. Hasenclever, Briefe, Bd. 1, S. 150. 314 Walter Hasenclever an Max Krell am 22.12.1917 (Marbach, DLA, A: Hasenclever Neuzugang, 86.1.292).

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe

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Werke später auch bei Rowohlt und dem Verlag Die Schmiede. Erst im Jahr 1926 gelang Ullstein schließlich die Übernahme von Hasenclevers Stück Ein besserer Herr. Zu diesem Zeitpunkt stand der Autor noch bei der Schmiede unter (General-)Vertrag, aus dem das Bühnenwerk „ausnahmsweise wegen Differenzen […] herausgenommen“ worden war, wie aus einer Mitteilung des Arcadia-Verlags vom 5. Dezember 1927 hervorgeht.315 Man sagte Hasenclever für den Besseren Herren einen Vorschuss in Höhe von 4000 Mark zu, der mit seinem achtzigprozentigen Anteil aus den Bühnenaufführungen316 verrechnet wurde. An den Einnahmen aus dem Vertrieb des Bühnenmaterials und an der Buchausgabe war Hasenclever mit jeweils zehn Prozent beteiligt. Als der Autor dann am 18. Juni 1928 in einem Brief an Max Krell notierte, dass seine neue Komödie zu „3/5“ fertig sei,317 stand bereits fest, dass diese bei Ullstein (betreut von Arcadia und Propyläen) unter Vertrag genommen werden sollte. Hasenclever teilte Krell mit, dass jetzt, wo sein „Vertrag mit der ‚Schmiede‘ […] abgelaufen“ sei, er auf einen Generalvertrag mit Ullstein hoffe.318 Daraufhin schloss man am 31. Juli 1928 eine „Vorabmachung“ mit Hasenclever über das Stück Doppelspiel, das später unter dem Titel Ehen werden im Himmel geschlossen bekannt werden sollte, und zahlte dem Autor einen großzügigen Vorschuss von 6000 Mark.319 Mit einem Schreiben vom 20. August 1928 bestätigte Ullstein dann die Übernahme Hasenclevers früherer Werke von der Schmiede und der Autor, der für die Verhandlungen nach Berlin gekommen war,320 konnte noch am selben Tag seinen Generalvertrag mit Ullstein unterzeichnen. Der Vertrag hatte eine Laufzeit „bis zum Ablauf des Jahres 1932“321 und entsprach, was die Beteiligung des Autors an den Einnahmen des Verlags betraf, den Konditionen des Vertrages von Horváth. Während man Hasenclever für seine Werke Ein besserer Herr und Doppelspiel hinsichtlich des Buchverkaufs lediglich zehn Prozent vom Ladenpreis zugesagt hatte, sah der Generalvertrag für alle weiteren Werke zwölf Prozent vor.322 Der Vertrag

315 Mitteilung des Arcadia-Verlags vom 5.12.1927 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 316 Vgl. die vertragliche Regelung mit Hasenclever vom 21.10.1926, die dem Autor darüber hinaus an den Eingängen aus „den beiden schon getätigten Bühnenverträgen“ einen Anteil von 90 Prozent zusagte (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 317 Hasenclever, Briefe, Bd. 1, S. 351. 318 Ebd. 319 Vgl. den Verlagsvertrag von Walter Hasenclever vom 31.7.1928 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 320 Vgl. Hasenclevers Brief vom 10.7.1928 an Kurt Wolff, dem er mitteilt: „Wir fahren am 25. mit dem neuen Buick, der sich bis auf die Bremsen gut bewährt hat, nach Berlin, wo Ullstein einen Generalvertrag mit mir machen will.“ Hasenclever, Briefe, Bd. 1, S. 352. 321 Verlagsvertrag von Walter Hasenclever vom 20.8.1928 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 322 Dafür setzte man für diese beiden erfolgreichen Stücke im September 1928 den Anteil des Autors an den Bühnenmaterialien von ursprünglich zehn Prozent auf „12 Prozent der erzielten Brutto-

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räumte dem Verlag auf alle „bis zum Ablauf des Jahres 1932 entstehenden belletristischen Werke, wie Dramen, Romane, Novellen, Gedichte etc.“ ein Optionsrecht ein,323 das den Erwerb der vorgelegten Manuskripte innerhalb einer Frist von vier Wochen vorsah. Außerdem beinhaltete er eine andere Vergütungsweise als die der regelmäßigen monatlichen Auszahlung eines Fixums. Hasenclever erhielt nach der Annahme eines Werkes durch den Verlag „einen Vorschuss, der bei abendfüllenden Stücken Mark 5000.– […] betragen soll[te]“ und sich, wie bereits bei Ein besserer Herr, ausschließlich auf den Anteil des Autors an den Einnahmen der Bühnenaufführungen bezog und mit diesem verrechnet wurde.324 Im Vergleich zu den anderen Autoren, deren monatliche Zahlungen mit allen gezahlten Tantiemen zu verrechnen war, hatte Hasenclever also den Vorteil, dass er die Einnahmen aus Buchverkäufen und Bühnenmaterialien zusätzlich zu seinem Vorschuss erhielt. Neben hohen Vorschüssen und monatlichen Rentenzahlungen war der Verlag bereit, großzügige Sonderzahlungen zum Beispiel für Autorenreisen zu leisten (vgl. auch Kap. 6). So erhielt beispielsweise Carl Zuckmayer 1932 einen Betrag von 8000 Mark, um den Fortgang seiner „Arbeiten weiter zu erleichtern“.325 Die mögliche Abwanderung zu Ullstein wurde damit auch zu einer Drohung, die die Autoren ihren Verlegern gegenüber aussprachen, um das gewünschte Honorar einzufordern. Georg Kaiser (1878–1945) beispielsweise, einer der „produktivsten und viel gespielten deutschen Autoren der zwanziger Jahre“326, verlangte vom Kiepenheuer Verlag „den Schutz“ seiner Produktion und drohte: „Sonst bleibt mir nur der eiligste Weg zu Ullstein, der mir die erforderlichen Beträge bei Übergabe meiner neuen Manuskripte zahlt. Ich komme überhaupt zu der Überzeugung, daß ich meinen Weg zu Ullstein nicht mehr länger aufschieben kann.“327 Tatsächlich erhielt Kaiser 1927 einen Vorschuss in Höhe von 10 000 Mark von Ullstein und versprach dem Verlag „sowohl ein[en] Roman wie ein Drama“, die er jedoch niemals vorgelegt hat.328 „Es gehörte seinerzeit zum Komment, die großzügigen Vorschüsse gern zu nehmen, sich aber zugleich zumindest spöttisch von Ullstein zu distanzieren“329, urteilte Erhard Schütz über das Verhalten der Autoren. Vor allem renommierte Schriftsteller hegten Vorbehalte gegenüber der kulturellen Kompetenz des Großkonzerns.

Eingänge“ herauf, wie aus einer internen Verlagsmitteilung von Wilhelm Gronle vom 14.9.1928 hervorgeht (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 323 Verlagsvertrag von Walter Hasenclever vom 20.8.1928 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 324 Verlagsvertrag von Walter Hasenclever vom 20.8.1928 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 325 Vgl. Ullstein an Carl Zuckmayer am 6.4.1932 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 326 Völker, Arcadia-Verlag, S. 143. 327 Ebd. 328 Vgl. hierzu ebd.: „Die Angelegenheit blieb ungeregelt…“ 329 Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 93.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe  261

In einem Brief an Ullstein bezüglich einer weiteren Verlängerung seines Generalvertrages beschreibt Zuckmayer 1932 sehr deutlich, wie sich – mit zunehmendem Erfolg – der Anspruch an seinen Verlag verändert hatte. Nicht mehr „nur die geschäftliche Tüchtigkeit und Sicherheit des Hauses“, sondern auch „seine gesamte Haltung und öffentliche Bedeutung“ war nun „von Wichtigkeit“ für Zuckmayer.330 Denn während er zu Beginn seiner Karriere noch damit zufrieden gewesen war, „einen mehr oder minder günstigen Vertragsabschluss für geraume Zeit oder für einzelne […] Arbeiten zu fixieren“, war nun „die Vertretung [s]eines Gesamtwerkes in den Vordergrund gerückt“.331 In Bezug auf diesen Gesichtspunkt äußerte Zuckmayer allerdings seine Hauptkritik am Buchverlag: Was den Buchverlag angeht, so müsste auch hier das Bestreben und das Bewusstsein, einen Autor in seinem Gesamtwerk herauszustellen, massgebend sein. Ich konnte mich bisher dem Eindruck nicht ganz entziehen, dass den Verlag im Wesentlichen doch nur die Erfolgschance eines einzelnen Buches interessiert und dass bei Büchern, mit denen ein ausgesprochenes Geschäft nicht zu machen ist, das Interesse sehr bald erlischt.[…] In Zukunft müsste besonders im Zusammenhang mit neu hinzukommenden Büchern eine stetige und nicht verschwindende Propaganda auch für […] weniger auffällige Werke durchgeführt werden.332

Auch Horváth sah den Verkauf seiner Bücher nicht ausreichend gefördert. 1932 nahm er ein Angebot des Kiepenheuer Verlags an und verließ den Propyläen-Verlag. In einem Schreiben vom 2. Januar 1933 kritisierte er nachträglich: Bei der letzten Aufführung in Leipzig war in der ganzen Stadt bei keinem Buchhändler auch nur eines meiner Bücher zu sehen. Und in Berlin war gar nicht einmal in einer Ullsteinfiliale ein Buch vorrätig, geschweige denn, dass sich mal eines in eine Auslage verirrt hätte.333

Auf dem Weg ins Dritte Reich In den Vertragsakten von Walter Hasenclever findet sich ebenfalls keine Vertragsverlängerung nach 1932. Während Wilhelm Gronle in einem Schreiben vom 8. Februar 1932 noch versichert hatte, „vor allen Dingen sind wir nach wie vor für Ihr weiteres eigenes Schaffen interessiert, wir rechnen da mit einer Zusammenarbeit auf lange Sicht“334, vermutete Hasenclever dann im Oktober desselben Jahres, dass man ihn, aufgrund der Ablehnung seines Stückes Sinnenglück und Seelenfrieden und „da

330 Carl Zuckmayer an Emil Herz am 25.1.1932, S. 2 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 331 Ebd., S. 1. 332 Ebd., S. 5. 333 Ödön von Horváth an Wilhelm Gronle am 2.1.1933 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 334 Wilhelm Gronle an Walter Hasenclever am 8.2.1932 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.).

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der Vertrag zu Ende“ ging, „los werden“ wollte.335 Hasenclevers Werke wurden nach der Machtergreifung Hitlers verboten und der Autor flüchtete nach Frankreich. Ein weiterer Schriftwechsel lässt sich erst wieder für das Jahr 1935 nachweisen. Er hat nicht Hasenclevers Buchausgaben im Propyläen-Verlag, sondern ausschließlich die Verwertung der Bühnenrechte durch den Arcadia-Verlag zum Thema. Trotzdem soll die briefliche Auseinandersetzung an dieser Stelle kurz dargestellt werden, um beispielhaft die Situation der Verlagsautoren deutlich zu machen, deren Werke ab 1933 in Deutschland verboten wurden. Hasenclever beanstandete, dass er seit Februar 1933 keine Honorar-Abrechnungen mehr erhalten habe, obwohl „seitdem mehrfach Aufführungen“ seiner Stücke im Ausland stattgefunden hätten, deren Tantiemen vom Verlag eingenommen worden waren „und ordnungsgemäß […] hätten verrechnet werden müssen“.336 In Bezug auf seinen Vertrag mit Ullstein schrieb er: Mittlerweile ist der Verlag in andere Hände übergegangen und sämtliche Voraussetzungen, aufgrund derer die Verträge abgeschlossen waren, sind hinfällig geworden, da Sie nach den heute in Deutschland geltenden Bestimmungen nicht mehr in der Lage sind, den Vertrieb meiner Stücke im Inland und Ausland im Sinne unserer Abmachungen vorzunehmen.337

Es antwortete der weiterhin im Verlag tätige Wilhelm Gronle, der sich, den Quellen nach zu urteilen, vor 1933 stets für Hasenclever eingesetzt hatte.338 Der freundschaftliche Ton, der die Briefe des Prokuristen und Arcadia-Geschäftsführers bis dahin geprägt hatte,339 war nun allerdings verschwunden. An sich haben wir gewiß kein sonderliches Interesse daran, Ihre Stücke im Vertrieb zu haben. Bühnen des Inlandes werden die Stücke nicht mehr bringen, also weder mit uns noch mit einem andern Bühnenvertrieb Abschlüsse darüber tätigen. Sie werden sich aber wohl erinnern, daß Sie bei uns noch erheblich im Vorschuss stehen, rund sind es ca. Mark 4500. Bei Rückzah-

335 Hasenclever, Briefe, Bd. 1, S. 413, vgl. auch die Anmerkungen, ebd., S. 500. 336 Walter Hasenclever an Arcadia-Verlag am 12.7.1935 (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.38). 337 Ebd. 338 Vgl. z. B. den Briefwechsel bezügl. der Verfilmung von Hasenclevers Stück Ein besserer Herr (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever). Auch ein Schreiben Max Krells bestätigt diese Einschätzung: „Herr Gronle ist sehr tätig für Sie“. Max Krell an Walter Hasenclever am 16.4.1928 (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.292). 339 Walter Hasenclever schreibt in einem weiteren Brief: „Vor mir liegt eine große Korrespondenz mit Ihnen aus den vergangenen Jahren, die neben den geschäftlichen auch unsere freundschaftlichen Beziehungen bestätigt.“ (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.38). Vgl. auch Gronles briefliche Äußerung „Aus Ihrer Mitteilung darf ich schließen Sie im Herbst hier wiederzusehen; ich freue mich heut schon darauf, mit Ihnen in Ihrem Buick über die Avus zu flitzen.“ Wilhelm Gronle an Walter Hasenclever am 5.4.1928 (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.38).

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

263

lung dieses Betrages durch Sie an uns sind wir gern bereit, Ihren Wünschen nach Lösung des Vertragsverhältnisses sofort zu entsprechen.340

Die Autoren hatten die Rechte an ihren Werken den Verlagen übertragen und konnten die Verträge nun lediglich im Einverständnis mit den Verlegern aufheben. Da die Verlage jedoch teilweise weitere Einnahmen aus Auslandsaufführungen o. ä. verzeichnen konnten und die häufig aus Vorschusszahlungen entstandenen Guthaben der Autoren zunächst verrechnen wollten, gestaltete sich eine Lösung der Vertragsverhältnisse schwierig. Bei Ullstein konnten nach der nationalsozialistischen Übernahme einst geschätzte Autoren, die nun in Deutschland nicht mehr erwünscht waren, jedenfalls auf keine Zugeständnisse oder Unterstützung mehr von Seiten des Verlags hoffen. Somit entfielen für die Autoren die Einkünfte in Deutschland, sie hatten aber auch keine Möglichkeit, die Vermarktung ihrer Werke im Ausland selbst zu voranzutreiben oder zu steuern.341 Obwohl Hasenclever, wie er in einem weiteren Brief mitteilte, die Adresse seiner Schwester beim Verlag hinterlegt hatte342 und die Situation des emigrierten Autors bekannt gewesen sein dürfte, wies Gronle alle Schuld bezüglich der für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzten Honorar-Abrechnung zurück: „Frühere Abrechnung ist unterblieben, weil uns Ihre Adresse im Ausland, die Sie ja wohl mehrfach gewechselt haben, nicht bekannt gewesen ist.“343 Vormals bestandene persönliche oder gar freundschaftliche Beziehungen der Verlagsmitarbeiter zu den Autoren wurden nun, jedenfalls im Fall von Wilhelm Gronle, von einem gesinnungspolitisch konformen Verhalten abgelöst. Der „Rechtsruck“344, der sich schon zu Beginn der dreißiger Jahre im Ullstein Verlag bemerkbar gemacht hatte, drückte sich durch eine „Lähmung der linken bis liberalen Kräfte“ und einen „Kurs der übereilten Anpassung“345 aus und war u. a. verbunden mit der Entlassung des Chefredakteurs der B. Z. am Mittag, Franz Hölle-

340 Wilhelm Gronle (Arcadia-Verlag) an Walter Hasenclever am 26.7.1935 (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.140). Vgl. hierzu z. B. auch das bei Kasties, Walter Hasenclever, S. 304 zitierte Schreiben des Marton-Verlags an Walter Hasenclever vom 17.1.1934: „Wir können ja damit, dass Ihre Werke in Deutschland aufgeführt werden, nicht mehr rechnen. Damit entfallen, sehr vorsichtig gerechnet, mindestens 70 % der Einnahmemöglichkeiten.“ 341 Vgl. Walter Hasenclever an Arcadia am 12. Juli 1935 (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.38). In diesem Schreiben äußerte Hasenclever den Wunsch, den „Gesamtvertrieb seiner Stücke im Ausland“ selbst organisieren zu wollen. 342 Vgl. Walter Hasenclever an Wilhelm Gronle (Arcadia-Verlag) am 26.8.1935 (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.38). 343 Wilhelm Gronle (Arcadia-Verlag) an Walter Hasenclever am 26.7.1935 (Marbach, DLA, A: Neuzugang Hasenclever, 86.1.140). 344 Völker, Arcadia-Verlag, S. 146. 345 Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 126.

264  5 Ullsteins „exklusive Zone“

ring. Dieser galt als „Mann der Linken“346 und musste deshalb „auf Druck von Nazis und Reichswehr“347 das Haus verlassen. Carl von Ossietzky kommentierte im Januar 1932 in einem Leitartikel der Weltbühne die Vorgänge bei Ullstein mit den Worten: „Als Höllering in das Haus Ullstein geholt wurde, […], da brauchte man einen Verbindungsmann nach links, der Beziehungen zur jungen Literatur hatte […]. Heute ist man eifrigst bemüht, alle Spuren einer republikanischen und kulturradikalen Vergangenheit zu verwischen.“348 Das ist der Hintergrund, vor dem die Beendigungen der Verträge Horváths und Hasenclevers beurteilt werden müssen und vor dem Zuckmayer seine Überlegungen bezüglich einer weiteren Zusammenarbeit mit Ullstein anstellte, die er dem Verlagsleiter Emil Herz am 25. Januar 1932 brieflich mitteilte. Die „Haltung des Verlags und seiner Leitung“ hatte ihn „bedenklich“349 gestimmt. Er appellierte an Herz: Sie wissen selbst genau, auf welcher Seite heute eine fortschrittliche Literatur und eine lebendige Dichtung wächst, – und auf welcher Seite man hausbackene, posthume und epigonale Alltagschreiberei findet […]. Das Haus Ullstein war immer eines jener grossen, fundierten, einflussreichen Verlagshäuser, dessen gute und mächtige Tradition eine fortschrittliche demokratisch-republikanische, humane und volkstümliche Haltung war. […] Sie wissen ebenso gut wie ich, dass in der öffentlichen Meinung […] in der letzten Zeit dieses Charakterbild zu schwanken scheint.350

Bereits ein Jahr zuvor hatte Zuckmayer in einem Brief an seinen Freund Albrecht Joseph geäußert, dass ihm „die politische, gesinnungspolitische Haltung des Hauses Ullstein ein Stein peinlichsten Anstoßes“ sei, der eventuell seinen Austritt aus dem Verlag zur Folge haben könnte.351 Inwiefern die politische Ausrichtung des Ullstein Verlags letztendlich bei den Vertragsverhandlungen Zuckmayers eine Rolle spielte, kann nicht rekonstruiert werden. Zuckmayer entschloss sich jedenfalls, seinen Vertrag bis zum 31. März 1935 zu verlängern.352 Die dem Autor mit der Vertragsverlängerung zugesagten hohen monatlichen Zahlungen machen deutlich, dass in diesem Fall, im Unterschied zu Hasenclever und Horváth, auch dem Verlag sehr

346 Nickel, Carl Zuckmayer, S. B 87. 347 Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 126. 348 Carl von Ossietzky: Der Fall Franz Höllering. In: Die Weltbühne, Nr. 1 vom 5. Januar 1932, S. 1– 6, hier S. 1. Vgl. auch ebd. S. 3: „[…] man dämpft, man retuschiert, man untersagt der ‚Voß‘ etwa den Gebrauch des Wortes ‚Nazi‘, um die Leute ‚nicht unnütz zu reizen‘.“ Ossietzky beurteilte die Kündigung des Chefredakteurs der B. Z. am Mittag, Franz Höllering, als „skandalöseste Kapitulation vor dem Nationalsozialismus, die bisher zu verzeichnen war.“, ebd., S. 6. 349 Carl Zuckmayer an Emil Herz am 25.1.1932, S. 1 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 350 Ebd., S. 2. 351 Carl Zuckmayer an Abrecht Joseph am 15.1.1931, zitiert nach Carl Zuckmayer. Albrecht Joseph. Briefwechsel 1922–1972. Hrsg. von Gunther Nickel. Göttingen: Wallstein 2007, S. 59. 352 Vgl. Nickel, Carl Zuckmayer, S. B 89.

5.3 Vom Theaterstück zur Buchausgabe 

265

daran gelegen war, den äußerst erfolgreichen Autor weiterhin vertraglich zu binden. Doch Zuckmayers Stücke wurden 1933 ebenfalls verboten, wodurch seine Einnahmen schlagartig einbrachen.353 Die hohen Vorauszahlungen des Verlags konnten nicht länger ausgeglichen werden, auf Zuckmayers Honorarkonto entstand schnell ein Minus. Der Verlag reagierte mit der Herabsetzung der monatlichen Raten von 3500 Mark auf 1500 bzw. 1000 Mark, bis dann auch Zuckmayer als letzter zeitgenössischer Bühnenautor des Propyläen-Verlags mit der Übernahme Ullsteins im Juli 1934 den Verlag verlassen musste.354

353 Vgl. ebd., S. B 88. 354 Vgl. ebd., S. B 89.

6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag 6.1 Geschichtswissenschaft und Weltgeschichtsschreibung zu Beginn des 20. Jahrhunderts In der Geschichtswissenschaft kam es ab den 1890er Jahren zu einer Krise des Historismus als grundlegender Strömung der historischen Forschung, die sich vor allem im Methodenstreit um Karl Lamprecht (1856–1915) vollzog.1 Der auf Leopold von Ranke (1795–1886) zurückgehende Historismus gründete sich auf eine detaillierte, quellenorientierte Untersuchung und Darlegung einzelner historischer Vorgänge mit dem Ziel, ein möglichst fundiertes Verständnis für die unverwechselbare Individualität der jeweiligen Geschehnisse oder Epochen zu entwickeln. Er konzentrierte sich auf politische und ideengeschichtliche Phänomene und stellte den Staat als wichtigstes Arbeitsfeld in den Mittelpunkt der Historiographie.2 So war die Geschichtswissenschaft bis 1900 vor allem von einer hohen Spezialisierung der Historiker geprägt, die thematisch stark fokussierte Einzeluntersuchungen publizierten. In seiner ab 1891 erschienenen, von der traditionellen Geschichtswissenschaft heftig attackierten Deutschen Geschichte trat Lamprecht für die Ablösung des Historismus durch das Wissenschaftskonzept der Kulturgeschichte ein. Die Kritik am Historismus richtete sich sowohl gegen die Beschränkung der Forschungsinhalte als auch gegen die Methode selbst. So wurde politische Geschichte von kulturwissenschaftlich arbeitenden Historikern lediglich als Teildisziplin einer in ihrem Erkenntnisanspruch weitergehenden Kulturgeschichte verstanden.3 Gleichzeitig implizierte Lamprechts Neuansatz einen Wechsel der Erkenntnisperspektive. Geschichte sollte nicht

1 Vgl. Geschichte des Historismus. Eine Einführung. Hrsg. von Friedrich Jaeger und Jörn Rüsen. München: Beck 1992, S. 141. Zum Methodenstreit vgl. z. B. Stefan Haas: Historische Kulturforschung in Deutschland 1880–1930. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1994, S. 98–185 und die Aufsätze von Michael Maurer, Lars Deile und Katja Naumann in der Sektion III „Methodenstreit“ in: Karl Lamprecht (1856–1915). Durchbruch in der Geschichtswissenschaft. Hrsg. von Jonas Flöter und Gerald Dieser. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2015, S. 229–290. 2 Vgl. ebd. 3 Vgl. Eberhard Gothein, der sich diesbezüglich selbstbewusst gegenüber dem Politikhistoriker Dietrich Schäfer äußerte: „Politische Geschichte bleibt in ihrer Notwendigkeit und ihrem Wert bestehen; aber die allgemeine, die Kulturgeschichte verlangt von ihr, daß sie sich ihr ein- und unterordne.“ Eberhard Gothein: Die Aufgaben der Kulturgeschichte, Leipzig 1889, S. 3, zitiert nach Lars Deile: Der Blick in den Belagerungsring. In: Karl Lamprecht (1856–1915). Durchbruch in der Geschichtswissenschaft. Hrsg. von Jonas Flöter und Gerald Dieser. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2015, S. 253–270, hier S. 255, Anm. 3. Dass Kulturgeschichte letztlich vor allem als „Spezialgeschichte des Nicht-Politischen“ aufgefasst wurde, lässt sich größtenteils auf das Wirken Georg Steinhausens zurückführen, der auf der Suche nach einem von der traditionellen Geschichtswissenschaft unabhängigen und vernachlässigten Arbeitsgebiet eine „Kulturgeschichte im engeren Sinne“ formulierte, die sich als „Geschichte des Unpolitischen“ verstand. Vgl. ebd., S. 261. https://doi.org/10.1515/9783110683561-006

6.1 Geschichtswissenschaft und Weltgeschichtsschreibung  267

mehr aus der Perspektive individueller Einzelleistungen heraus geschrieben werden, sondern vielmehr das kollektive Ganze in den Blick nehmen, um allgemeingültige Strukturen ableiten zu können. Letztlich ging es also darum, „ob die Individuen mit ihren Handlungsabsichten“ oder „die kollektiven Phänomene“ als bestimmende, dynamische Faktoren des geschichtlichen Wandels verstanden werden sollten.4 Lamprecht forderte zunächst die stärkere Berücksichtigung sozialer und ökonomischer Faktoren in der historischen Forschung. Schließlich maß er aber vor allem dem menschlichen Seelenleben als geistiger Triebkraft einen grundlegenden Einfluss auf den historischen Wandel bei, sodass für ihn die (Sozial-)Psychologie, verstanden als „Naturwissenschaft des Seelenlebens“, die „eigentliche Basis“ für die historische Forschung darstellte.5 Unter dem Einfluss des Völkerpsychologen Wilhelm Wundt (1832–1920) entwickelte Lamprecht die Theorie der „Kulturzeitalter“, welche die klassische Periodisierung der geschichtlichen Abläufe ersetzen sollten. Lamprecht konnte sich mit seinem neuen Ansatz nicht gegen den institutionell, methodisch und wissenschaftspolitisch fest verankerten Historismus durchsetzen.6 Gleichwohl gelang es ihm mit dem 1909 gegründeten Leipziger Institut für Kulturund Universalgeschichte eine in Deutschland einzigartige, von der Universität unabhängige Forschungsstätte ins Leben zu rufen, mit der die dauerhafte Auseinandersetzung mit Universal- und Weltgeschichte in Forschung und Lehre gesichert wurde.7 Trotz des fortgesetzten Aufschwungs der Kulturgeschichte in Deutschland seit den 1850er Jahren blieben die Kulturhistoriker in der historischen Fachwissenschaft weitgehend ausgegrenzt.8 Dies war zum einen auf den fehlenden Konsens über Gegenstand, Aufgaben und Methoden zurückzuführen, der eine wissenschaftliche Institutionalisierung der äußerst heterogenen Kulturgeschichtsschreibung an den Universitäten verhinderte.9 Zahlreiche Kulturhistoriker wurden stattdessen in Archiven, Museen, Zeitschriftenredaktionen und als Autoren populärer Geschichtswerke tätig. Zum anderen schlugen ihnen die Dilettantismus-Vorwürfe aus den Reihen der Fachhistoriker umso stärker entgegen, je größer das Interesse der Leser an kultur-

4 Jaeger, Geschichte des Historismus, S. 144. 5 Ebd. 6 Ebd., S. 146. Zur Stilisierung Lamprechts als Außenseiter vgl. Matthias Middell: Karl N. Lamprecht (1856–1915). In: Außenseiter der Geschichtswissenschaft. Hrsg. von Helmut Reinalter. Bd. 2. Würzburg: Königshausen & Neumann 2015, S. 189–211. 7 Vgl. Matthias Middell: Karl Lamprecht und das Institut für Kultur- und Universalgeschichte bei der Universität Leipzig. In: Karl Lamprecht (1856–1915). Durchbruch in der Geschichtswissenschaft. Hrsg. von Jonas Flöter und Gerald Diesener. Leipzig: Universitätsverlag 2015. S. 63–83, hier S. 82 f. 8 Vgl. Nissen, Populäre Geschichtsschreibung, S. 183. 9 Vgl. Deile, Blick in den Belagerungsring, S. 257.

268  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

wissenschaftlichen Veröffentlichungen war.10 Die für ein breiteres, nicht ausschließlich wissenschaftliches Publikum geschriebenen Werke, die häufig in hochwertig ausgestatteten, das bildungsinteressierte Bürgertum ansprechenden Ausgaben erschienen, erfreuten sich u. a. aufgrund ihrer lebendigen Sprache und ihrer Bezüge auf das Alltagsleben großer Beliebtheit bei den Lesern. Die populärwissenschaftlichen Darstellungen versprachen hohe Absatzzahlen, sodass die Verlage gezielt die Zusammenarbeit mit den Kulturhistorikern suchten.11 In der Kulturgeschichtsschreibung kam es vor diesem Hintergrund zur Ausdifferenzierung zweier Gruppen. Auf der einen Seite standen (Bestseller-)Autoren wie Gustav Freytag (1816–1895) oder Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897), die sich aufgrund des großen Erfolgs ihrer Veröffentlichungen über ihr Außenseitertum hinwegzusetzen wussten. Auf der anderen Seite gab es eine Gruppe von Kulturhistorikern, die sich innerhalb des Wissenschaftssystems für die universitäre Etablierung der Kulturgeschichtsschreibung und gleichzeitig insgesamt für „die Abgrenzung einer professionellen akademisierten Geschichtsschreibung“12 gegenüber den von Amateurhistorikern verfassten historischen Romanen einsetzten. Hierzu zählten beispielsweise Lamprecht, dessen Deutsche Geschichte sich unbeachtet der starken Kritik aus etablierten Historikerkreisen sehr erfolgreich verkaufte, oder Georg Steinhausen (1866–1933), der die Monographien zur deutschen Kulturgeschichte bei Eugen Diederichs herausgab.13 Die traditionelle Geschichtswissenschaft hegte allgemein „fundamentale Vorbehalte gegenüber der Weltgeschichtsschreibung“.14 Wie Hans Helmolt (1865–1929) im Vorwort seiner Weltgeschichte konstatierte, trat „Universalität“ dem „Spezialistentum“ der Historikerzunft als „etwas Unerlaubtes“15 gegenüber und man zählte Menschheitsgeschichte nicht zu den legitimen Fachprodukten. Demgegenüber entsprach die Weltgeschichtsschreibung im Sinne der auch von Lamprecht verfolgten

10 Vgl. ebd., S. 184 f. Vgl. hierzu besonders die auf den Seiten 185–187 kurz geschilderte Kontroverse zwischen dem politischen Historiker Dietrich Schäfer (1845–1929) und dem Kultur- und Wirtschaftshistoriker Eberhard Gothein (1853–1923), die dem Lamprecht-Streit vorangegangen war. 11 Vgl. die Ausführungen Nissens, Populäre Geschichtsschreibung, S. 182–188 zum Thema „Kulturgeschichtsschreibung als populäre Geschichtsschreibung?“. Nissen geht hier noch einmal ausführlicher auf das Verhältnis traditionelle Geschichtswissenschaft – Kulturhistoriker – populäre Geschichtsschreibung ein. Vgl. auch Deile, Blick in den Belagerungsring, S. 259. 12 Middell, Karl Lamprecht, S. 68. 13 Vgl. Nissen, Populäre Geschichtsschreibung, S. 185. Zu den kulturgeschichtlichen Positionen Steinhausens und Lamprechts vgl. Deile, Blick in den Belagerungsring. 14 Hartmut Bergenthum: Weltgeschichten im wilhelminischen Deutschland: Innovative Ansätze in der populären Geschichtsschreibung. In: Weltgeschichtsschreibung im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Matthias Middell. Leipzig: Universitätsverlag 2002, S. 49. 15 Hans F. Helmolt: Gegenstand und Ziel einer Weltgeschichte. In: Weltgeschichte. Hrsg. von Hans F. Helmolt. Bd. 1. Leipzig: Bibliographisches Institut 1899, S. 4. Zitiert nach Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 591.

6.2 Vorgänger der Propyläen-Weltgeschichte



269

Universalgeschichtsschreibung dem umfassenden Erkenntnisanspruch der Kulturhistoriker in Bezug auf historische Entwicklungen. Man geht davon aus, dass das gesteigerte Interesse an der Weltgeschichtsschreibung ab 1900 auf die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung zurückzuführen ist und die Kulturhistoriker es als ihre Aufgabe ansahen, dem dadurch entstehenden „Orientierungsbedürfnis“ der gebildeten Öffentlichkeit entgegenzukommen und an der Interpretation der modernen Welt mitzuwirken.16 Insgesamt kann für den Zeitraum um die Jahrhundertwende von einem regelrechten „Boom der Weltgeschichtsschreibung“ gesprochen werden.17 Bergenthum zählt „etwa zwanzig populäre Weltgeschichten“ unterschiedlichster Ausrichtung.18

6.2 Vorgänger der Propyläen-Weltgeschichte 6.2.1 Hans Helmolts Weltgeschichte im Bibliographischen Institut Auch die in neun Bänden im Bibliographischen Institut von Hans Helmolt von 1899 bis 1907 herausgegebene Weltgeschichte wollte als Antwort auf das durch die veränderte Welt ausgelöste Informationsbedürfnis verstanden werden.19 Sie kann als unmittelbares Konkurrenzwerk zur Ullstein-Weltgeschichte gelten. Beide Weltgeschichten verzeichneten eine weite Verbreitung und eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.20 Der Herausgeber Hans Helmolt war ein Schüler Karl Lamprechts und Friedrich Ratzels gewesen. Er arbeitete als Redakteur für das Bibliographische Institut und gab dort von 1894 bis 1919 die Vierteljahrshefte für Weltgeschichte heraus.21 Die Pläne zur Weltgeschichte des Bibliographischen Institutes waren vom Verlag ausgegangen. Helmolt versicherte später im Vorwort, er sei darauf bedacht gewesen, dass sich das Projekt in den „enzyklopädisch gerichteten Rahmen des Verlags

16 Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 591. Er weist in Anm. 8 darauf hin, dass diese Auffassung von den dem Historismus verschriebenen Historikern nicht geteilt wurde und die Kontroverse zwischen Lamprecht und Erich Brandenburg (1868–1946) sich auch auf die Frage erstreckte, „inwieweit und in welcher Form die Geschichtswissenschaft überhaupt auf diesen Bedarf antworten könne und sollte.“ Vgl. ausführlicher zur Kontroverse um die Universalgeschichte: Middell, Weltgeschichtsschreibung, Kap. 7, S. 152–171. Vgl. auch Bergenthum, Weltgeschichten, S. 16 f., mit unmittelbarem Bezug zur Ullstein-Weltgeschichte (s. u.). 17 Bergenthum, Weltgeschichten, S. 17. 18 Ebd. Vgl. auch den Beitrag Weltgeschichte von Walter Goetz, in dem er die wichtigsten Weltgeschichten aus Deutschland, England und Frankreich seit der Jahrhundertwende kurz darstellt. Walter Goetz: Weltgeschichte. In: Archiv für Kulturgeschichte 24 (1934), S. 273–303. 19 Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 600. 20 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 18. Vgl. für die Ullstein-Weltgeschichte auch Gliech, Weltgeschichten, S. 76. 21 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 20.

270  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

passend einfüge“.22 Helmolt wollte sein Werk als „Kulturgeschichte im ausgedehnten Sinne des Wortes“ verstanden wissen und ging explizit auf seine populärwissenschaftliche Darstellung ein: Unser Werk ist durchaus wissenschaftlich gedacht und angelegt. Wir beabsichtigen, mit ihm aus der Zahl der vorhandenen ‚Weltgeschichten‘ nach Form und Inhalt herauszutreten. Diese Absicht und ihre Durchführung wird jeden gewinnen, der das Leben dem Wissen und das Wissen dem Leben nicht entfremdet sehen will. Gelehrsamkeit darf weder als das Eigentum einer Zunft verschlossen, noch unvorsichtig verschleudert werden: […]. Eine freie, geschmackvolle Behandlung macht ohne Gefährdung der Gründlichkeit einem größeren Kreise die Früchte gelehrter Forschung annehmbar.23

Das hohe Innovationspotenzial von Helmolts Weltgeschichte gründete sich vor allem auf deren Gruppierung nach ethno-geographischen Gesichtspunkten24 sowie eine Gliederung in „Völkerkreise“, welche die traditionelle Einteilung in Antike, Mittelalter und Neuzeit ersetzte,25 und außerdem auf Helmolts Abkehr vom Eurozentrismus der Geschichtsschreibung, den er als nicht mehr zeitgemäß erachtete.26 Helmolt sah in der intensiven Berücksichtigung der Vielfalt, der Vermischungen und der Wechselwirkungen zwischen den Kulturen aller Völker27 eine angemessene Reaktion der Weltgeschichtsschreibung auf die Veränderungen der Welt.28 Im Vergleich zu bestehenden Weltgeschichtskonzepten verfolgte er damit eine „enorme Perspektivenerweiterung“29. Helmolt verwarf alle bisher bestimmenden Auffassungen der Geschichtstheorie und präsentierte sein Vorhaben als völligen Neuanfang in der Weltgeschichtsschreibung.30 Indem er sich gegen die Geschichtsphilosophie und für die Sammlung und Präsentation konkreten Geschichtswissens aussprach, brachte er sich auch in Opposition zu Lamprecht. Trotz der Mitarbeit renommierter Universitätsprofessoren, wie dem Paläontologen Johannes Ranke (1836–1916) oder

22 Hans F. Helmolt: Vorwort. In: Weltgeschichte. Hrsg. von Hans F. Helmolt. Bd. 1. Leipzig: Bibliographisches Institut 1899, S. V. Zitiert nach Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 593. 23 Hans F. Helmolt: Weltgeschichte. Bd. 1. Umschlagseite 3. Leipzig: Bibliographisches Institut 1899. Zitiert nach Bergenthum, Weltgeschichten, S. 21. Der populärwissenschaftliche Charakter zeigte sich auch in der äußeren und inneren Gestaltung des Werkes, so war zum Beispiel umfangreiches Kartenmaterial beigegeben und die Weltgeschichte enthielt zahlreiche qualitativ hochwertige Abbildungen. Vgl. ebd. 24 Diese ging auf Helmolts Lehrer Ratzel zurück. Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 593 f. 25 Ebd., S. 598. Vgl. auch Bergenthum, Weltgeschichten, S. 23. 26 Vgl. ebd., S. 594. 27 Helmolt kritisierte deutlich die überwiegende Vernachlässigung der Geschichte der sogenannten „geschichtslosen Völker“. Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 596, Anm. 24. 28 Vgl. ebd., S. 595. 29 Ebd., S. 600. 30 Vgl. ebd. S. 598.

6.2 Vorgänger der Propyläen-Weltgeschichte



271

dem Geografen Friedrich Ratzel (1844–1904),31 war Helmolts Weltgeschichte alles andere als repräsentativ für die akademische Historikerzunft. Darüber hinaus hatte sie mit zahlreichen strukturellen Problemen, wie beispielsweise der häufig kritisierten fehlenden Verbindung der Einzelstudien, zu kämpfen.

6.2.2 Die Ullstein-Weltgeschichte von Julius Pflugk-Harttung Die in den Jahren 1907 bis 1910 erschienene, auf sechs Bände angelegte UllsteinWeltgeschichte war das erste umfangreiche und prestigeträchtige, aber auch kostenintensive Unternehmen des Buchverlags, das in der Verantwortung des Cheflektors Emil Herz initiiert und durchgeführt worden war.32 Als wissenschaftlichen Leiter und Herausgeber hatte man den Historiker und Archivar Julius Pflugk-Harttung (1848–1919) gewonnen.33 Gemeinsam mit Herz konnte er hochrangige Wissenschaftler mit internationalem Ruf für die Weltgeschichte verpflichten. Gegenüber der Helmoltschen Weltgeschichte lässt sich die Ullstein-Weltgeschichte eher als repräsentatives Unternehmen der deutschen Geschichtswissenschaft werten.34 Unter den 28 Autoren der Weltgeschichte befanden sich neben Karl Julius Beloch (1854–1929) und Karl Brandi (1868–1946) z. B. auch die im Streit liegenden Historiker Lamprecht und Erich Brandenburg (s. o.), der Arzt, Botaniker und Zoologe Ernst Haeckel (1834– 1919), der eine darwinistische Darstellung der Entwicklungsgeschichte beisteuerte, Felix von Luschan (1854–1924), Direktor des Königlichen Museums für Völkerkunde, mit einer Abhandlung über Rassen- und Völkerkunde oder auch der junge Kunsthistoriker Wilhelm Hausenstein, der über die negativen Folgen der Industrialisierung für die „arbeitende Klasse“ schrieb und dabei ausführlich die Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels zitierte. Die Autoren vertraten insgesamt sehr unterschiedliche Positionen, was der Weltgeschichte einen recht heterogenen Charakter verlieh.35 Der Verlag spielte nicht nur im Hinblick auf die finanzielle Realisierung des Projekts eine entscheidende Rolle, er brachte sich von Beginn an auch in die inhaltliche Konzeption ein. Die Weltgeschichte wollte nicht den Gelehrten, sondern den historisch interessierten Leser und explizit sogar die arbeitende Bevölkerung anspre-

31 Insgesamt verzeichnete die Weltgeschichte Helmolts 36 Autoren. Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 20. 32 Vgl. Herz, Denk ich an Deutschland, S. 216: „Das zu investierende Kapital stellte sich auf eine Million Mark.“ 33 Zur Biographie Pflugk-Harttungs vgl. die Hinweise bei Bergenthum, Weltgeschichten, S. 33 f. 34 Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 604. 35 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 35.

272  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

chen.36 Im Hinblick auf den Preis der Ullstein-Weltgeschichte, der mit 94 Mark für alle Bände noch höher lag als der Preis der Helmolt’schen Weltgeschichte (72 Mark), wurde als wichtigste und kaufkräftigste Zielgruppe vor allem das wilhelminische Bildungsbürgertum anvisiert, dessen Interesse an den weltgeschichtlichen Ereignissen in engem Zusammenhang mit der gesteigerten wirtschaftlichen und politischen Bedeutung Deutschlands in der Welt stand.37 Die sehr hochwertige Ausstattung der Ullstein-Weltgeschichte, die von den Rezensenten besonders gelobt wurde,38 ähnelte der der Helmolt’schen Weltgeschichte. Besondere Sorgfalt legte man auf die Auswahl, Anordnung und den Druck der Bilder. Während Illustrationen „bis zum Ende des 19. Jahrhunderts […] keine Voraussetzung für die Popularität und den Erfolg“ eines Geschichtsbuches dargestellt hatten, wurde die Ullstein-Weltgeschichte „geradezu verschwenderisch“ mit Bildmaterial ausgestattet.39 Die Redaktion entsandte wissenschaftlich geschulte Mitarbeiter in Archive, Museen und Bibliotheken, die geeignetes Bildmaterial für die Weltgeschichte aufspürten. Um die Authentizität der Bände zu erhöhen, sollten lediglich Bilder verwendet werden, die aus der jeweils behandelten Epoche stammten.40 Zusammen mit den zahlreichen Faksimiles historischer Schriftdokumente und dem umfangreichen Kartenmaterial, das teilweise extra für die Weltgeschichte angefertigt worden war,41 erzielte man in der Ullstein-Weltgeschichte eine äußerst ansprechende „Visualisierung der Geschichte“, die gezielt als Distinktionsmerkmal im Hinblick auf konkurrierende historische Werke eingesetzt wurde.42 Die Gliederung und die inhaltliche Grundkonzeption der Ullstein-Weltgeschichte müssen wiederum im Vergleich zur Helmoltschen Weltgeschichte als äußerst konventionell beurteilt werden.43 Pflugk-Harttung ignorierte Helmolts Kritik am Eurozentrismus und bediente sich der traditionellen räumlichen Dimensionierung von Weltgeschichte, die Europa in den Mittelpunkt der Entwicklungen rückte,44 während andere Gebiete, wie z. B. Afrika, lediglich „als Objekt[e] der europäischen Kolonisations- und Expansionstätigkeit“ in den Blick genommen wurden.45 Deutlichster

36 Vgl. Pflugk-Harttung, Bd. 4, 1907, Zur Einführung, S. VIII, IX, X. Zitiert nach Bergenthum, Weltgeschichten, S. 35. Vgl. außerdem zur inhaltlichen und konzeptionellen Gestaltung der UllsteinWeltgeschichte Diwald, Das Selbstverständnis Europas, S. 270. 37 Vgl. Diwald, Das Selbstverständnis Europas, S. 264 und Gliech, Weltgeschichten, S. 66. 38 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 36, Anm. 102. 39 Nissen, Populäre Geschichtsschreibung, S. 208. 40 Vgl. Gliech, Weltgeschichten, S. 75 f. 41 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 36. 42 Gliech, Weltgeschichten, S. 76. 43 Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 604. 44 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 38 f. 45 Bergenthum, Weltgeschichten, S. 39. Vgl. auch Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 605, der der Ullstein-Weltgeschichte eine „dumpfe Kolonialapologetik“ attestiert und diese anhand eindrücklicher Zitate belegt. Vgl. hierzu auch: Hartmut Bergenthum: Kolonialismus und Rassismus in der

6.2 Vorgänger der Propyläen-Weltgeschichte

 273

Bezugspunkt der Ullstein-Weltgeschichte war die deutsche Geschichte. „Staat, Nationalstaat und Machtstaat“ bildeten „zentrale Kategorien“ und auch die Fokussierung auf die Handlungen einzelner berühmter Männer behielt bei Pflugk-Harttung ihre in der traditionellen Geschichtsschreibung konstitutive Bedeutung.46 Dennoch verstand der Herausgeber Weltgeschichte als „Geschichte der Menschheit“, die das „gesamte Gebiet der Völkergeschichte, Kulturgeschichte und Staatengeschichte, außerdem aber auch neuere Wissenschaftszweige, welche die ersteren in engste Berührung mit der Naturgeschichte bringen: so die moderne Urgeschichte, Vorgeschichte und Stammesgeschichte“ berücksichtigen sollte.47 Die Ullstein-Weltgeschichte band in einem stärken Maße als Helmolt kulturelle, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in die Darstellung der allgemeinen Geschichte ein und öffnete sich kulturgeschichtlichen Prozessen und Erklärungsfaktoren.48 Karl Lamprecht hatte eine Mitarbeit an der Weltgeschichte seines Schülers Helmolt abgelehnt, für das konventionellere Unternehmen des Ullstein Verlags allerdings zur Verfügung gestanden. Als Verfasser des Schlusskapitels bot sich ihm eine ausgezeichnete Gelegenheit, „noch einmal […] sein kulturhistorisches Verfahren einer alles umfassenden Mentalitätsgeschichte“ und dessen Ausweitung auf die Universalgeschichte vorzustellen und sich auf diese Weise seine Autorität auf dem Gebiet der Weltgeschichtsschreibung zu sichern.49

6.2.3 Neubearbeitung der Helmolt’schen Weltgeschichte durch Armin Tille Ullstein war es mit der Weltgeschichte gelungen, nur wenige Jahre nach der Gründung des Buchverlags in Konkurrenz zu einem der renommiertesten Lexikonverlage, dem Bibliographischen Institut, zu treten.50 Dort reagierte man umgehend auf den Erfolg der Ullstein-Weltgeschichte, die bis Mitte der zwanziger Jahre einschließlich des nachgelieferten siebten Bandes eine Gesamtauflage in Höhe von 344 823 Ex-

populären Weltgeschichtsschreibung, vornehmlich dargestellt am Beispiel der Ullstein-Weltgeschichte. In: Kolonialismus hierzulande. Eine Spurensuche in Deutschland. Hrsg. von Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller. Erfurt: Sutton 2007. S. 370–374. Eine Ausnahme von der starken Europazentrierung, auch innerhalb der ansonsten traditionellen Gliederung, bildete der Band zur Geschichte des Orients. 46 Bergenthum, Weltgeschichten, S. 41. 47 Pflugk-Harttung: Weltgeschichte. Bd. 1, 48 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 43. 49 Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 607. 50 Vgl. ebd., S. 620: „Dieser Wirkung konnte sich auch Meyers Bibliographisches Institut in Leipzig nicht verschließen, nachdem man mit Helmolts Weltgeschichte zwar als erster auf dem Markt gewesen war, nun aber dem Konkurrenten der entscheidende Coup gelungen war.“

274  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

emplaren erzielen konnte.51 Bereits 1910 begann man mit der Umarbeitung der Helmolt’schen Weltgeschichte, die dann zwischen 1913 und 1923 in einer vollständig überarbeiteten Neuausgabe unter dem Herausgeber Armin Tille erscheinen sollte.52 Das neue Werk knüpfte nicht an den von Helmolt geforderten Neubeginn der Weltgeschichtsschreibung an, mit dem er sich von allen vorangegangenen Überlegungen distanziert hatte. Tille suchte vielmehr wieder eine stärkere Annäherung an die Traditionen und Praktiken der deutschen Geschichtswissenschaft und bemühte sich, seine Weltgeschichte in die Reihe der Vorgängerwerke einzuordnen. Helmolts geographisch-anthropologische Sicht auf die Weltgeschichte erschien in der neuen Einleitung „nur noch als eine mögliche Variante unter vielen“.53 Die Gliederung von Tilles Weltgeschichte näherte sich deutlich dem der Ullstein-Weltgeschichte zugrundeliegenden traditionellen Aufbau an.54 So verwarf Tille beispielsweise Helmolts Prinzip der strengen chronologischen Darstellung innerhalb festgelegter geographischer Räume und wählte stattdessen den auch von Pflugk-Harttung verfolgten Ansatz, historische Zusammenhänge übergreifend, über die angenommenen Grenzen eines Völkerkreises hinweg zu betrachten und darzustellen.55 Ullsteins erste Weltgeschichte hatte somit bereits eine „Modellfunktion“ für gleichartige Unternehmungen erlangt, die sich sowohl auf die Ausstattung als auch auf die inhaltliche Gestaltung erstreckte und die im Laufe der folgenden Jahre im Propyläen-Verlag weiter ausgebaut werden sollte.56

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 6.3.1 Herausgeber und Konzeption Fast zwanzig Jahre nach der Ullstein-Weltgeschichte erschien schließlich zwischen 1929 und 1933 die zehnbändige Propyläen-Weltgeschichte, herausgegeben von Walter Goetz (1867–1958). Am 25. Juni 1926 war Emil Herz mit einem kurzen Schreiben an ihn herangetreten57 und erbat „in einer Verlagsangelegenheit“ seinen Rat bzw. seine Mitarbeit.58 Goetz’ Kontakt zu Ullstein bestand zu diesem Zeitpunkt schon ei-

51 Vgl. Gliech, Weltgeschichten, S. 76: „Jeder Einzelband kam damit auf knapp 50 000 Stück, für wissenschaftlich anspruchsvolle Literatur wäre das noch heute ein gutes Ergebnis.“ 52 Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 620–628. 53 Ebd., S. 621. 54 Vgl. ebd., S. 621 f. 55 Vgl. ebd., S. 622. 56 Vgl. ebd., S. 620. 57 In seinen Erinnerungen datiert Goetz die Anfrage des Verlags auf das Jahr 1925, was sich durch die Quellen in seinem Nachlass nicht belegen lässt. Vgl. Goetz, Aus dem Leben, S. 68. 58 Emil Herz an Walter Goetz am 25.6.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz



275

nige Jahre. Auf Vorschlag des Verlags hatte er 1920 die Korrespondenz zwischen Kaiser Wilhelm II. und Zar Nikolaus II. bei Ullstein herausgegeben, um dessen Begutachtung und Beurteilung der Echtheit der Verlag den Historiker zuvor gebeten hatte.59 Bereits im Jahr 1916 hatte Goetz eine Anfrage bezüglich „einer vergleichenden Universal-Geschichte“ von der Verlagsbuchhandlung Andreas Perthes in Gotha erhalten, deren Entstehung man dort „besonders dankbar“ begrüßt hätte.60 Während Goetz auf dieses Angebot aus unbekannten Gründen nicht eingegangen war, sagte er dem Ullstein Verlag am 8. Juli 1926, nur wenige Tage nach der mündlichen Verhandlung, seine Mitarbeit an der Propyläen-Weltgeschichte zu, wofür ihm Hermann Ullstein persönlich dankte.61 Walter Goetz hatte nach einem Studium der Geschichte in Freiburg, München und Leipzig im Jahr 1890 promoviert und 1892 eine Editionstätigkeit bei der Historischen Kommission in München begonnen. Dort nahm er erste Fühlung mit Friedrich Naumanns sozialpolitischer Ideenwelt über dessen Zeitschrift Die Hilfe auf und gründete schließlich zusammen mit einigen gleichgesinnten jungen Wissenschaftlern den „Kreis der Hilfefreunde“62, zu dem unter anderen auch Theodor Heuss zählte.63 1895 habilitierte Goetz in Leipzig und wurde 1911 Mitherausgeber der Zeitschrift Archiv für Kulturgeschichte.64 Nach Stationen in München, Tübingen und Straßburg kehrt er 1915 als Nachfolger des verstorbenen Karl Lamprecht nach Leipzig zurück, wo er bis zu seiner Pensionierung als Professor für neuere Geschichte und Leiter des von Lamprecht ins Leben gerufenen Institutes für Kultur- und Universalgeschichte tätig war.65 Die Übernahme des Institutes durch Goetz brachte eine thematische Verschiebung von der Universalgeschichte zur Geistesgeschichte mit sich. Außerdem wurden Lamprechts Pläne für ein Forschungsinstitut, das durch eine breite, überindividuelle Forschung eine theorieorientierte, moderne Kulturgeschichte fördern sollte, von Goetz verworfen. Das Forschungsinstitut wurde in eine Förderungsanstalt umgewandelt, die zunächst Stipendien für selbstgewählte Forschungsvorhaben an Doktoranden vergab und ab Mitte der zwanziger Jahre jungen Wissenschaftlern eine Anstellung für konkrete, vom Institut ausgeschriebene Projekte in Aussicht stellte.66

59 Vgl. Goetz, Aus dem Leben, S. 67. 60 Friedrich Andreas Perthes AG an Walter Goetz am 3.3.1916 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/39). 61 „Ihre freundlichen Zeilen vom 8. Juli haben uns sehr erfreut und wir danken Ihnen bestens, dass Sie sich zu einer Zusage entschlossen.“ Hermann Ullstein an Walter Goetz am 14.7.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 62 Goetz, Aus dem Leben, S. 31. 63 Heuss studierte ab 1902 in München Sozialwissenschaften. 64 Goetz wurde ab 1911 neben dem Gründer der Zeitschrift Georg Steinhausen zweiter Herausgeber. Vgl. Haas, Kulturforschung, S. 256. 65 Vgl. ebd., S. 236–238. 66 Vgl. ebd., S. 238 f.

276  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

Neben seinem Wirken als Historiker wurde Goetz auch politisch tätig. Er zählte zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Sein Engagement innerhalb des Kreises um Friedrich Naumann, dem er sich seit der Gründung des nationalsozialen Vereins bereits 1896 angeschlossen hatte,67 mündete 1919/20 schließlich in ein Reichstagsmandat für die DDP. Goetz wird eine eher konservative Haltung gegenüber dem deutschen Parlamentarismus und der Außenpolitik bescheinigt, besonders was die Verhandlungen um Reparationszahlungen betraf. Seine Wirtschaftspolitik orientierte sich wiederum stärker am linken Parteiflügel der DDP und wendete sich gegen die „Auswüchse“ des Kapitalismus.68 Wie zahlreiche Kulturhistoriker gehörte Goetz zu den Befürwortern der Weimarer Republik.69 Während Vertreter der Politikgeschichte, die den Staat in besonderem Maße betonten, als Anhänger der preußischen Monarchie galten, zeichneten sich die liberaleren Kulturhistoriker als „eher reformfreudig“ aus.70 Bei der Neuwahl des Reichstags 1928 sah Goetz von einer weiteren Kandidatur ab und beendete seine Zeit in Berlin, um sich wieder verstärkt der Vorlesungstätigkeit und dem Institut für Kulturgeschichte in Leipzig widmen zu können.71 Mit Goetz hatte man einen Herausgeber gewinnen können, der als Direktor eines Institutes, das sich schwerpunktmäßig mit Universalgeschichte befasste, nicht nur über den nötigen institutionellen Rückhalt, sondern auch über akademische Macht, weitreichende Kontakte und einen hohen Bekanntheitsgrad verfügte.72 Darüber hinaus muss besonders sein hohes Engagement für die Bildung zum Beispiel in Volksbildungsvereinen oder im Kulturausschuss des Reichstages hervorgehoben werden.73 Für Goetz ging die Wirkung der Wissenschaft vor allem auch auf die „Möglichkeiten zur Verbreitung der Bildung“ durch entsprechende Publikationen zurück,74 was ihn ebenfalls als geeigneten Herausgeber für die Propyläen-Weltgeschichte auszeichnete. Goetz’ Ansprechpartner im Verlag waren Emil Herz und dessen Mitarbeiter Carl Ferdinand Reinhold. Letzterer leitete die Redaktion der Kunstproduktionen des Pro-

67 Vgl. Goetz, Aus dem Leben, S. 37. 68 Vgl. Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 230 f. 69 Vgl. ebd., S. 245. 70 Haas, Kulturforschung, S. 271. Haas bescheinigt der Kulturgeschichte einen „demokratischen Charakter […], der in der Betonung sozialer Phänomene mit hineinspielt“. Ebd., Anm. 15. Dass es zu Überschneidungen zwischen politischer und historisch-konzeptioneller Debatte zwischen Politik- und Kulturhistorikern kam, wie beispielsweise zwischen Goetz und Georg von Below, beschreibt Haas auf S. 270 in Anm. 8. 71 Vgl. Goetz, Aus dem Leben, S. 66. Haas folgert, dass bereits „die Mehrfachbelastung als Universitätsprofessor, als Leiter eines überdurchschnittlich großen Lehrinstituts und als Direktor einer Forschungseinrichtung, die Lamprecht körperlich ruiniert hatte, […] auch von Goetz langfristig nur unter Entbehrungen oder durch Qualitätsverlust der geleisteten Arbeit durchführbar“ war. Haas, Kulturforschung, S. 238. 72 Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 636. 73 Vgl. Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 282.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

277

pyläen-Verlags75 und hatte u. a. den umfassenden Bilderteil der Propyläen-Kunstgeschichte betreut. Während die wichtigsten Entscheidungen, z. B. vertragliche Honorar- und Terminvereinbarungen oder übergreifende konzeptionelle Absprachen, von Herz getroffen wurden, der sich darüber meist direkt mit Goetz verständigte, war Reinhold bei der Propyläen-Weltgeschichte für alle Details zuständig und steuerte die Organisation und den Ablauf des Projekts insgesamt, besonders die nicht immer einfache Zusammenarbeit zwischen Redaktion, Herausgeber und Mitarbeitern. Reinholds wichtigste Kontaktperson in dieser Hinsicht war Sigfrid Steinberg (1899–1969), ein Leipziger Schüler und Mitarbeiter von Goetz, der nun von Ullstein als dessen Assistent unter Vertrag genommen und honoriert wurde.76 Steinberg arbeitete intensiv an der Entstehung der Weltgeschichte mit, die Quellen belegen seine maßgebliche Beteiligung an der Konzeption und der Autorengewinnung (s. u.). Als Bedingung für die Übernahme der Herausgeberschaft an der PropyläenWeltgeschichte hatte Goetz die völlige Neugestaltung der Ullstein-Weltgeschichte gefordert: „Ich antwortete im ersten Augenblick: nur wenn dabei von dem alten Werk nichts übrig bleibt, weder der Name des Herausgebers noch die Mitarbeiter noch auch die ganze Auffassung von Weltgeschichte“.77 Bei Ullstein war man sofort einverstanden. Die Verpflichtung von Goetz ging mit dem Wunsch des Verlags einher, „eine wirkliche Weltgeschichte von den Urzeiten bis zur Gegenwart“78 zu entwickeln, die „den veränderten Verhältnissen und der neuen Geschichtsauffassung Rechnung“ tragen und ihrem Anspruch gemäß nun im Propyläen-Verlag erscheinen sollte.79 Unter der „modernen Geschichtsauffassung“80 verstand man den auch von Goetz vertretenen kulturgeschichtlichen Ansatz, Geschichte als Entwicklung der Kultur zu verstehen. Das Ziel der Propyläen-Weltgeschichte, so formulierte es Goetz im Rückblick, sollte „eine das geschichtliche Leben umfassende Darstellung auf geistesgeschichtlicher Grundlage unter Voraussetzung der Einheit aller Geschichte“ sein.81 Damit wies er auf die drei wichtigsten, den Aufbau und Inhalt der PropyläenWeltgeschichte bestimmenden Faktoren hin. Zunächst sollte das Werk im Verständnis der Kulturgeschichtsschreibung nicht den „politische[n] Streit“ und die von der traditionellen Geschichtswissenschaft vor-

74 Walter Goetz: Die geistige Bewegung im 19. Jahrhundert. In: Propyläen-Weltgeschichte. Bd. 8. Hrsg. von Walter Goetz. Berlin: Propyläen 1930, S. 457–540, hier S. 462. Zitiert nach Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 283. 75 Vgl. Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 207. 76 Vgl. Goetz, Aus dem Leben, S. 69 und Verlagsvertrag von Sigfrid Steinberg vom 27.8.1926 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 77 Goetz, Aus dem Leben, S. 68. 78 Ebd. 79 Herausgebervertrag von Walter Goetz vom 14.9.1926 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 80 Verlagsprospekt Weihnachten 1930 (Frankfurt/M., AdB). 81 Goetz, Aus dem Leben, S. 68.

278  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

rangig betrachteten einflussreichsten Persönlichkeiten zum Hauptthema haben, sondern die „großen […] kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge“ darstellen.82 Als „Universalfaktor“ rückte die menschliche Kultur somit deutlicher als in der Ullstein-Weltgeschichte Pflugk-Harttungs in den Vordergrund.83 Goetz war der Auffassung, dass dieser die „kulturgeschichtlichen Wünsche des Verlags“ aufgrund der „Unklarheit […] über sein Unternehmen“ und die unzureichende Definition des Kulturbegriffs nicht hinreichend erfüllt habe.84 Er hingegen knüpfte in seinem Verständnis von Weltgeschichte an Ranke an, dem er bescheinigte, nicht daran „schuld“ zu sein, „daß […] Volks- und Weltgeschichten zu politischen Ausschnitten aus der Weltgeschichte ohne jeden Kulturbegriff geworden“ seien.85 Rankes Einschränkungen der Themengebiete seiner eigenen Weltgeschichte seien den fehlenden Vorarbeiten und seiner Vorsicht vor voreiligen Schlussfolgerungen auf unbekanntem Gebiet geschuldet. Unter Bezug auf die Forschungen Gerhard Masurs über Ranke ging Goetz davon aus, dass auch Ranke Geschichte als „Kontinuität der Kultur“ verstanden hatte.86 Er schloss sich Rankes methodischer Vorgehensweise an, indem er ausreichende Vorarbeiten im Bereich der Einzelforschung als unverzichtbare Basis der Weltgeschichtsschreibung voraussetzte, ohne die sich ein entsprechendes Unterfangen als „unmögliche Aufgabe“ ausnehmen würde.87 Kulturgeschichte bedeutete für Goetz „allgemeine Geschichte“ bzw. die „Zusammenfassung allen geschichtlichen Lebens“.88 Seine Geschichtsauffassung lief somit zwangsläufig auf eine Universal- und Weltgeschichtsschreibung hinaus. Denn nur diese konnte der Einzelforschung die notwendige Einordnung in den Gesamtzusammenhang verschaffen. Auch hier orientierte sich Goetz an Ranke, der in seinen Erinnerungen bekräftigt hatte, dass „das Einzelne“ niemals „in seinem vollen Lichte […] erscheinen“ werde, „als wenn es in seinem allgemeinen Verhältnis aufgefaßt wird“, sodass letztlich alle Studien danach strebten, Universalgeschichte zu schreiben.89 Einen breiten Raum in den zeitgenössischen Diskussionen um Weltgeschichtsschreibung nahm die Frage ein, auf welche Art und Weise die Einheit der Weltgeschichte, in der das geschichtliche Wissen zusammengeführt werden sollte, hergestellt werden könne.90 Dabei stand die von einem einzelnen Verfasser nicht zu bewältigende Fülle des Stoffes der möglichen Unverbundenheit der einzelnen Teile

82 Verlagsprospekt Weihnachten 1930 (Frankfurt/M., AdB). 83 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 42 f. 84 Goetz, Weltgeschichte, S. 276 f. 85 Ebd., S. 273 f. 86 Ebd., S. 274. 87 Ebd., S. 279. 88 Ebd., S. 296. 89 Ebd., S. 273. 90 Vgl. hierzu Goetz’ Ausführungen auch unter Einbezug der Propyläen-Weltgeschichte, ebd., S. 294–297.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz



279

des Werkes bei der Zusammenarbeit mehrerer Autoren gegenüber.91 Goetz sprach sich deutlich für eine Weltgeschichte als gemeinschaftliches Projekt unter der Steuerung eines Herausgebers aus. Er vertrat die Auffassung, dass „wo sich die Geschichte […] zur vollen Weltgeschichte weitet, […] die Kraft des Einzelnen zu gründlicher Darstellung zu versagen“ schien, sich aber durchaus „unter Gleich- und Ähnlichgestimmten eine relativ starke Einheit erzielen“ lasse.92 Er war der Meinung, dass auch dem einzelnen Verfasser einer Weltgeschichte deren vollständige Einheit nicht gelingen könnte, da es unmöglich wäre, auf allen Gebieten über gleichwertiges Fachwissen zu verfügen.93 Es ließ sich vor allem auch auf den Einfluss der kulturwissenschaftlich arbeitenden Historiker zurückführen, dass die Weltgeschichtsschreibung insgesamt seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine deutliche Ausweitung des zu behandelnden historischen Stoffes verzeichnete: Neben die zeitliche Ausdehnung tritt die räumliche; die Weltgeschichte beginnt den ganzen Planeten zu erfassen. Noch verwirrender aber als die chronologische und geographische Stoffvermehrung ist die materielle. Gewiss sind Literatur-, Kunst-, Wirtschafts-, Rechts- und Religionsgeschichte keine neuen Disziplinen, aber sie treten aus ihrer Isolierung, sie wollen im Rahmen einer allgemeinen Geistes- oder Kulturgeschichte gewürdigt und in ihrer Wechselwirkung mit der politischen Geschichte gesehen werden. Daher diese verwirrende Fülle des Stoffes, die kein Einzelner mehr bewältigen kann.94

Bei der Konzeption der Propyläen-Weltgeschichte jedenfalls wollte man die „Planlosigkeit“, die Steinberg der Ullstein-Weltgeschichte vorwarf, welche nach seinem Urteil mit einer „unorganischen Zusammenstellung der einzelnen Bände“ und dadurch auftretenden Überschneidungen einherging, unbedingt vermeiden.95 So fanden bereits vor dem endgültigen Vertragsabschluss am 14. September 1926 zahlreiche Verhandlungen und Gespräche statt, für die Steinberg mit der Erarbeitung „einer Aufstellung […] über den möglichen Aufbau der Weltgeschichte“ eine wichtige konzeptionelle Grundlage geschaffen hatte.96 Anders als in der UllsteinWeltgeschichte, der die „gemeinsame Grundidee, was denn eigentlich Universalgeschichte sei“ 97, fehle, sollte die Propyläen-Weltgeschichte von Anfang an „ein plan-

91 Auch die Rezensionen zur Propyläen-Weltgeschichte behandeln i. d. R. als ersten Punkt die Konzeption durch mehrere Bearbeiter. 92 Ebd., S. 296. 93 Vgl. ebd., S. 297. 94 C. H. Becker: Der Wandel im geschichtlichen Bewusstsein. In: Die neue Rundschau 38,1 (1927), S. 113–121. 95 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 15.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 96 Ebd. 97 Ebd.

280  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

mäßig angelegtes Ganzes“98 sein, das die Mitarbeiter auf die gemeinsame Darstellung einer „Geschichte der menschlichen Kultur“ verpflichtete.99 Zunächst mussten sich Herausgeber und Verlag im Rahmen der Vorgespräche über die geschichtsphilosophische Prägung der Weltgeschichte verständigen. Für Goetz, der auch im Leipziger Institut für Kultur- und Universalgeschichte eine stärker geistesgeschichtlich und geschichtsphilosophisch geprägte Forschung vorantrieb,100 war eine entsprechende Fundierung der Weltgeschichte essenziell. So wies er auch später in seiner Abhandlung über die Weltgeschichtsschreibung explizit darauf hin, dass „hinter der Gesamtdarstellung eine bestimmte geschichtsphilosophische Auffassung“ stehe und dem „Grundsätzlichen […] überhaupt ein breiter Raum zugebilligt worden“ sei.101 Helmolt hingegen war 1899 davon überzeugt gewesen, dass es nicht „Sache des Historiker“ sei, „eine Philosophie der Geschichte […] zu geben“102, da diese „mit ihrem Subjektivismus die objektive Auffassung“ und die „reine Wissenschaft“103 störe. Für ihn führte der Weg zur Weltgeschichte ausschließlich über die Sammlung und vorurteilsfreie Präsentation des bekannten Wissens.104 1927 konstatierte C. H. Becker in der Neuen Rundschau wiederum einen „Wandel im historischen Bewusstsein“, der den auch von Helmolt vertretenen „Glaube[n] an die objektive Geschichtsbetrachtung“ durch eine Hinwendung zum „Subjektive[n], Konstruierte[n], Philosophische[n], Künstlerische[n]“ ablöse.105 Es bestehe kein Interesse mehr am eigentlichen historischen Tatbestand. Denn „eine neue Auffassung, eine neue Perspektive, eine neue Konstruktion und damit auch neue Methoden der Geschichtsbetrachtung“ würden nun die Auseinandersetzung mit der Historie bestimmen.106 Mit Goetz als Herausgeber hatte sich Ullstein zwar bewusst für eine moderne Geschichtsschreibung im Sinne der Kulturgeschichtsschreibung entschieden. Mit Blick auf die Verkäuflichkeit der Weltgeschichte war dem Verlag allerdings daran gelegen, „dass das Werk nicht so sehr ‚geschichtsphilosophisch‘ ausfallen sollte“. Herz forderte, dass „in jedem Abschnitt die tatsächlichen Ereignisse auch wirklich

98 Goetz, Weltgeschichte, S. 297. 99 Goetz, Vorwort, S. XVII. Zur inhaltlichen Konzeption der Propyläen-Weltgeschichte im Vergleich zur Ullstein-Weltgeschichte vgl. Diwald, Das Selbstverständnis Europas, besonders S. 273–278. Wie die Rezensionen die Einheit der Propyläen-Weltgeschichte letztlich beurteilten und wie die konkrete Zusammenarbeit zwischen Herausgeber, Autoren und Verlag aussah, s. u. 100 Vgl. Haas, Kulturforschung, S. 239, Anm. 288. 101 Goetz, Weltgeschichte, S. 297. 102 Helmolt, Gegenstand und Ziel einer Weltgeschichte, S. 3. Zitiert nach Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 595. 103 Helmolt, Gegenstand und Ziel einer Weltgeschichte, S. 8. Zitiert nach Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 595. 104 Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 595. 105 Becker, Wandel, S. 113. 106 Ebd., S. 116.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

281

fortlaufend erzählt und dargestellt werden sollten, und zwar in anschaulicher Weise“107. Steinberg äußerte sich zu diesem Thema etwas großspurig gegenüber Goetz: Naja, ich habe ihm [Herz] empfohlen, doch nur ruhig Ihnen zu überlassen, wie der richtige Weg zwischen Allgemeinverständlichkeit und flacher Popularität und grauer Theorie am besten zu wählen sei.108

Der Verlag aber ließ sich programmatische Entscheidungen nicht aus der Hand nehmen. Mit seiner Unterschrift musste sich Goetz auf die „populären Ziele“ des Projektes verpflichten. Er war angehalten, „die Einheitlichkeit, Vollständigkeit und Volkstümlichkeit des gesamten Unternehmens zu wahren“109. Goetz’ Vertrag regelte explizit, dass er darauf hinwirken sollte, dass die Bearbeiter eine vollständige Darstellung der wichtigsten geschichtlichen Tatsachen geben und nicht zu Gunsten der ebenfalls notwendigen geschichtsphilosophischen Betrachtungsweise die Behandlung des rein Tatsächlichen zurückstellen.110

Herz’ Forderung, dem Leser ein sicheres Tatsachengerüst an die Hand zu geben, war nach Meinung des Verlags besonders wichtig für das Verständnis der „großen Zusammenhänge“111 und damit für den Absatz des Werkes an ein breites Publikum. Der entsprechende vertragliche Passus findet sich deshalb nicht nur im Herausgebervertrag, sondern auch in jedem einzelnen Mitarbeitervertrag und den Mitarbeiterrichtlinien. Somit wurde die Ausrichtung der Weltgeschichte durch den Verlag gesteuert, sie lag nicht im Ermessen des Herausgebers. Dies erklärt auch die Diskrepanz zwischen Goetz’ Betonung der geschichtsphilosophischen Grundlage der Propyläen-Weltgeschichte und der späteren kritischen Bewertung derselben durch Middell, der in der Einleitung von Goetz „eher eine Aneinanderreihung von Ideologemen des späten 19. Jahrhunderts als eine originelle Begründung eines weltgeschichtlichen Zusammenhangs“ sah.112 Das von Hans Freyer verfasste Kapitel Systeme der weltgeschichtlichen Betrachtung, welches theoretische Reflexionen zur Weltgeschichtsschreibung lieferte, muss nach Middell sogar als Kritik an der Konzeption der Propyläen-Weltgeschichte gelesen werden, da es über deren im histori-

107 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 26.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 108 Ebd. 109 Herausgebervertrag von Walter Goetz vom 14.9.1926 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 110 Ebd. 111 Ebd. 112 Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 643. Vgl. auch Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 279, der bestätigt, dass die Propyläen-Weltgeschichte sowohl „in bezug auf die theoretische Durchdringung der Geschichte gewissermaßen die Summe der Arbeit von Walter Goetz als Historiker darstellte als auch thematisch seine bis dahin gewonnenen Erkenntnisse repräsentiere“, Goetz allerdings „eine in sich geschlossene Modellvorstellung“ nicht entwickelt habe.

282  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

schen Positivismus verharrende Darstellungen hinausdeutete.113 Berücksichtigt man bei der Analyse allerdings die Schriftwechsel zwischen Verlag und Herausgeber bzw. dessen Mitarbeiter Steinberg, die das Ringen zwischen den wissenschaftlichen Zielen der Historiker und den populären Absatzzielen des Verlags offenbaren, wird deutlich, welche Zugeständnisse Goetz an die populäre Konzeption der PropyläenWeltgeschichte machen musste. Goetz’ Entscheidungsmacht über das Werk war insgesamt stark eingeschränkt. Zu seinen Aufgaben zählten die Verteilung des Stoffes „nach der vorher im Einverständnis mit dem Verlag festgelegten Disposition auf die einzelnen Bände“, die Bestimmung des Umfangs und Inhalts jedes Beitrags unter genauer Abgrenzung gegenüber den anderen Beiträgen und die Bearbeitung der Bände auf Inhalt und Form, nach ebenfalls vorgegebenen Kriterien.114 Goetz, der selbst vier thematische Beiträge verfasste, übernahm die Verantwortung für die Korrekturen, soweit nicht von den Autoren erledigt, und für die Anfertigung des Inhaltsverzeichnisses, der Register und Tabellen. Auch wenn der Verlag sich das Recht vorbehalten hatte, über die Reihenfolge der Bände zu entscheiden, ist die Gliederung der Propyläen-Weltgeschichte letztlich bis auf wenige kleine Änderungen und Umstellungen vollständig auf Steinbergs Pläne zurückzuführen. Er hatte im Vorfeld einen Vorschlag für die Bandeinteilung und eine detaillierte Ausarbeitung der Aufteilung des Stoffes innerhalb der einzelnen Bände vorgelegt,115 die mit Herz und Goetz abgestimmt wurden.116 Tab. 1: Bandeinteilung der Propyläen-Weltgeschichte Band

Endgültige Einteilung

Einteilung nach Steinbergs Konzept

1 2 3 4 5 6

Das Erwachen der Menschheit Hellas und Rom / Entstehung des Christentums Das Mittelalter Das Zeitalter der Gotik und Renaissance Reformation und Gegenreformation Das Zeitalter des Absolutismus

Geopolitik, Rassenkunde, Prähistorie Alter Orient, Ägypten Griechenland und Rom Frühes und hohes Mittelalter Spätes Mittelalter und Renaissance Reformation und Gegenreformation

113 Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 643. 114 Herausgebervertrag von Walter Goetz vom 14.9.1926 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 115 Entgegen der zweifelnden Bemerkung von Middell (vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 641, Anm. 137) bestand somit ein „konsistenter“ Plan für die Propyläen-Weltgeschichte, dessen Entwicklung anhand der Briefe Steinbergs an Goetz nachvollzogen werden kann. 116 Goetz’ Einschätzungen hierzu lassen sich leider aus den vorhandenen Quellen nicht herauslesen. Neben den handschriftlichen Aufzeichnungen Steinbergs existiert im Vertragsarchiv des Ullstein Verlags ein Typoskript Einteilung der neuen zehnbändigen Weltgeschichte, datiert auf dem 27.8.1928, aber ohne Angabe eines Verfassers. Es unterscheidet sich vor allem in der Bezeichnung der einzelnen Bände von den Vorschlägen Steinbergs.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz

Band 7

Endgültige Einteilung Revolution und Restauration

8 9 10

Liberalismus und Nationalismus Die Entstehung des Weltstaatensystems Das Zeitalter des Imperialismus

 283

Einteilung nach Steinbergs Konzept Entdeckungsgeschichte und Geschichte der entdeckten Völker Absolutismus Revolution und Restauration Liberalismus und Imperialismus

Die inhaltliche Konzeption der Bände ging einher mit der Frage nach dem Format und der Bändezahl, die Steinberg und Herz bei ihrem persönlichen Treffen im Verlag am 21. August 1926 „anhand der gesamten im Verlagsbüro vorhandenen Literatur des Hauses Ullstein durchsprachen“117. Herz entschloss sich schließlich in Änderung des ursprünglichen, auf das Großquart-Format der Ullstein-Weltgeschichte bezogenen Plans, der nur fünf Bände vorgesehen hatte, für eine Unterteilung des Gesamtwerkes in zehn Bände, die im Großoktav-Format erscheinen und ca. 400 Seiten umfassen sollten.118 Laut Steinberg hatte diese Einteilung aufgrund der „organische[n]“ Gliederung „nicht nur verlagstechnische, sondern auch strukturelle Vorzüge“119, sodass sowohl der Herausgeber „gegen die Formatveränderung keinerlei Bedenken“ hegte als auch Herz, der davon überzeugt war, hinsichtlich der Handlichkeit des Werkes „einer Notwendigkeit Rechnung zu tragen“.120 Steinberg hatte im Hinblick auf die inhaltliche Konzeption der Propyläen-Weltgeschichte gefordert, den „grundsätzlichen Fehler“ der Ullstein-Weltgeschichte zu vermeiden, die seiner Meinung nach zwei unterschiedliche Prinzipien des Aufbaus vermische: „Abschnitte[n], die den rein zeitlichen Verlauf einer Periode über die ganze Welt oder zumindest Europa“ schildern, stünden solche, „bei denen der maßgebliche Gesichtspunkt die lokale Zusammengehörigkeit ist“, gegenüber.121 Goetz sprach sich zwar deutlich gegen die rein geographische Gliederung aus, wie sie der Helmolt’schen Weltgeschichte zugrunde lag. Er war aber auch kein Befürworter eines „System[s] der Gleichzeitigkeit“122, wie er am Beispiel des Geschichtswerkes Peuples et civilisations von Halphen und Sagnac erläuterte: Aber auch die Entwicklung alles Menschendaseins ist eine Einheit – die großen Linien der Entwicklung sind im ganzen und in den Einzelgebieten die gleichen. […] Es fragt sich aber, ob diese Einheit der Entwicklung in einer äußeren Gleichzeitig dargestellt werden kann. Will man nach dem Vorbild von Halphen-Sagnac nach Jahrhunderten zusammenstellen, was in Rom, in

117 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 26.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 118 Als Vorbild für das Format gibt Steinberg Goetz gegenüber die von ihm herausgegebene Geschichtswissenschaft in Selbstdarstellungen (Verlag Felix Meiner, 1925) an. Sigfrid Steinberg am 26.8.1926 an Walter Goetz (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 119 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 26.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 120 Emil Herz an Walter Goetz am 27.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 121 Ebd. 122 Goetz, Weltgeschichte, S. 295.

284  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

Ostasien oder in Amerika geschehen ist, so zerreißt man vielmehr die natürlichen Zusammenhänge, statt sie aufzudecken. […] Solche weltgeschichtliche Gleichzeitigkeit ist eine Täuschung; die äußere Gleichzeitigkeit ist noch keine Einheit. Faßt man die vorhandenen tatsächlichen Einheiten – die Geschichte eines Volkes, dann eines Kulturkreises – nicht zuerst in sich zusammen, so wird das weltgeschichtliche Geschehen nicht klar werden können. Ohne gewisse Längsschnitte geht es nicht ab. […] Wer [allerdings] Weltgeschichte konstruiert, indem er Längsschnitte der einzelnen Völkergeschichten nebeneinander stellt, […] löst die Weltgeschichte in unverbundene Teile auf. […] – keines der beiden Systeme, weder der Querschnitt noch der Längsschnitt, vermögen die wahre Weltgeschichte zu geben. Aber aus ihrer lockeren Vereinigung läßt sich das Maximum an Einheitlichkeit gewinnen, das wir für unsere Anschauung brauchen.123

Letztlich unterschied sich der Aufbau der Propyläen-Weltgeschichte nicht so sehr von dem ihres Vorgängerwerkes, nun standen allerdings zehn statt sechs Bände zur Ausbreitung des Stoffes zur Verfügung. Die ersten drei Bände reichten bis zum Beginn der Neuzeit und behandelten die Entwicklungen Vom Erwachen der Menschheit (Band 1) bis zum Mittelalter (Band 3) nach geographischen Räumen, bei denen im Unterschied zur Ullstein-Weltgeschichte der Blickwinkel ausgeweitet wurde bis nach Indien und in die islamisch geprägten Gebiete.124 Ab Band vier folgte eine „europäische Erfolgsgeschichte mit Westeuropa und Deutschland im Mittelpunkt“, in der die Kolonien zwar miteinbezogen wurden, allerdings ohne ihre eigenständigen Entwicklungen zu berücksichtigen.125 Band neun erläuterte die Entstehung des Weltstaatensystems anhand der USA, Süd- und Mittelamerika, der islamischen Welt, Russland und Ostasiens. Die Propyläen-Weltgeschichte behielt also durchaus die von Steinberg bemängelte, von Goetz aber als optimale Vorgehensweise der Weltgeschichtsschreibung befürwortete Vermischung der Methoden hinsichtlich der zeitlich-geographischen Gliederung bei. In Bezug auf die inhaltliche Zentrierung auf die Geschichte und Kultur Europas und die Expansion der europäischen Völker folgte man dem Vorschlag Steinbergs. Er hatte die starke Konzentration auf Europa auch damit gerechtfertigt, dass sowohl die an der Entstehung Beteiligten als auch die Leserschaft der Weltgeschichte „zur germanisch-romanischen Völkerfamilie gehören“. Die Weltgeschichte sollte vor allem die „Durchdringung der gesamten Welt mit den ideellen Kräften des Abendlandes zum Mittelpunkt machen“.126 In einem Brief erläuterte Steinberg ausführlich, wie einzelne Epochen und Kulturen in Bezug auf Europa zu betrachten seien und ein „durchgehende[r,] einheitliche[r] Zug durch das ganze Werk“ hergestellt werden könne, „ohne daß dabei die nichteuropäischen Kulturen zu kurz kämen, da ja selbstverständlich am geeigneten Platz das Wesentliche über sie vorgebracht wer-

123 124 125 126

Ebd. Vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 640. Ebd., S. 643. Ebd.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

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den muß“.127 Nach Middells Beurteilung ging man auf diese Weise in der PropyläenWeltgeschichte so weit, dass man von einer „eurozentrische[n] Umdeutung“ der geschichtlichen Entwicklungen in den nichteuropäischen Gebieten der Welt sprechen könnte.128 Seiner Einschätzung nach wurde „das Bild einer Welt [erschaffen], die […] ihre Gaben in den Topf europäischer Kultur liefert[e] und sich damit einen Platz in der hall of fame sichert[e]“ und die darüber hinaus der europäischen „Überlieferungsleistung [bedurfte], um nicht einfach in Bedeutungslosigkeit zu versinken.“129 Die Propyläen-Weltgeschichte unterschied sich somit vor allem durch die noch stärkere Eurozentrierung von der Ullstein-Weltgeschichte. Nur 22 Prozent des Inhaltes setzten sich letztlich mit der außereuropäischen Welt auseinander mit einem Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert.130

6.3.2 Gewinnung der Autoren Die Aufnahme von Beiträgen und die Auswahl der Autoren der Propyläen-Weltgeschichte durch den Herausgeber erfolgte ebenso „unter Berücksichtigung der populären Ziele des Unternehmens im Einverständnis mit dem Verlag“, was Goetz im Nachhinein als „nicht ganz leicht“ beurteilte.131 Eine erste Liste möglicher Autoren hatte man bereits im Rahmen der anfänglichen Konzeptionsdiskussionen erstellt und den einzelnen Beiträgen geeignete Bearbeiter zugeordnet. Vorschläge erhielt der Herausgeber von Herz, der sich beispielsweise für Professor Johannes Haller (1865–1947) aus Tübingen als Autor für das „späte Mittelalter“, Professor Paul Joachimsen (1867–1930) aus München für das Kapitel „Reformation und Gegenreformation“ und die Professoren Georg Küntzel (1870–1945) aus Frankfurt und Hans Rothfels (1891–1976) aus Königsberg aussprach, die er als Autoren für den Abschnitt „Revolution“ geeignet fand.132 Tatsächlich wurde schließlich nur Joachimsen zum

127 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 15.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). Vgl. außerdem Middells Einschätzung zur „eurozentrischen Umdeutung“ der Weltgeschichte. Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 643. 128 Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 643. 129 Ebd. 130 Vgl. Diwald, Das Selbstverständnis Europas, S. 277 f. 131 Ebd. Die Quellen belegen insgesamt, dass sich die Gewinnung der Autoren nicht so einfach gestaltete, wie Weigand in seiner Goetz-Biographie behauptet. („Die Verpflichtung von geeigneten Mitarbeitern war überdies sehr einfach, da jeder der angesprochenen deutschen Historiker nur zu froh war, sich an einer Unternehmung zu beteiligen, die sein nationales bzw. sogar internationales Ansehen zu steigern in der Lage schien […]“) Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 272. Vgl. demgegenüber die Aussage von Herz: „Ich weiss, sehr geehrter Herr Geheimrat, wie ausserordentlich schwer es gewesen ist, die Mitarbeiter zu gewinnen […]“. Emil Herz an Walter Goetz am 13.10.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54), s. Anm. 176 in diesem Kapitel. 132 Emil Herz an Walter Goetz am 27.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

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Autor der Weltgeschichte,133 doch hatte Herz mit ihm auf einen Historiker hingewiesen, der später den besonderen Beifall der Rezensenten erhalten sollte.134 Auch Steinberg beteiligte sich aktiv an der Autorenauswahl und brachte Walter Vogel (1880–1938), der schließlich den Beitrag Boden und Geschichte verfasste, und Hermann Wätjen (1876–1944), der die Beiträge Holländische, spanische und portugiesische Ausdehnungsbewegung und Mittel- und Südamerika im 19. Jh. übernahm, ins Gespräch. Insgesamt gelang es Goetz, 39 angesehene Wissenschaftler aus 18 Universitätsstädten für die Mitarbeit zu gewinnen. Während man bereits in der UllsteinWeltgeschichte verschiedene wissenschaftliche Disziplinen einbezogen135 und sich besonders den Naturwissenschaften geöffnet hatte,136 wurde in der Propyläen-Weltgeschichte vor allem das historische Bewusstsein des Herausgebers Walter Goetz deutlich, „das den Staat nicht isolierte von Wirtschaft und Gesellschaft, oder die Kultur nicht von der Religion und Philosophie“137. Man konzentrierte sich in der Auswahl der Autoren nun entsprechend der Ausrichtung der Weltgeschichte verstärkt auf kulturgeschichtlich arbeitende Wissenschaftler, darunter befanden sich neben Historikern auch Theologen, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, Anthropologen und Archäologen. Institutionell mit Goetz verbunden waren vor allem der Wirtschaftshistoriker Alfred Doren (1869–1934), der lange Zeit als Dozent am Institut für Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig tätig gewesen war,138 und Hans Freyer (1887–1969). Er hatte seine wissenschaftliche Laufbahn als junger Doktorand in Goetz’ Forschungsinstitut begonnen und 1925 die Leitung des neu gegründeten, dem Institut für Kulturgeschichte angeschlossenen Institutes für Soziologie übernommen.139 Besonderen Wert hatten Verlag und Herausgeber ursprünglich außerdem auf die Gewinnung ausländischer Autoren gelegt. An erster Stelle auf der Kandidatenliste stand sicherlich der Belgier Henri Pirenne (1862–1935), der aufgrund seiner systematischen Internationalisierungsbestrebungen der Wissenschaft und der Universität, seiner komparativen Arbeitsweise und institutionellen Verankerung als einer der bedeutendsten und innovativsten europäischen bzw. internationalen Ge-

133 Warum die anderen, von Herz vorgeschlagenen Kandidaten ablehnten, ist nicht bekannt. 134 Vgl. Rudolf Stadelmann: Rezension der Propyläen-Weltgeschichte Bd. 5. In: Historische Zeitschrift 144 (1931), S. 565–568, besonders S. 566 f. 135 Vgl. Abschn. 6.2.2. Außerdem wurden die Forschungsergebnisse weiterer wissenschaftlicher Disziplinen, wie z. B. der Astrophysik, der Geologie, der Paläontologie und der Ethnologie, einbezogen. Vgl. Nissen, Populäre Geschichtsschreibung, S. 200. 136 Vgl. Bergenthum, Weltgeschichten, S. 46. 137 Diwald, Das Selbstverständnis Europas, S. 274. 138 Vgl. Haas, Kulturforschung, S. 273, vgl. insgesamt zu Doren S. 273 f. 139 Vgl. ebd., S. 231.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

287

schichtswissenschaftler galt.140 Die Suche nach internationalem Anschluss wird als wichtigstes Charakteristikum seiner wissenschaftlichen und institutionellen Betätigung betont. Pirenne war „in ganz Deutschland hochgeschätzt als einer der heilsamen und notwendigen Vermittler zwischen deutscher und französischer Wissenschaft.“141 Seine Schriften wurden in Deutschland „ebenso anerkannt wie in Belgien“ und „noch mehr gelesen als in Frankreich“.142 Von den Gründern der Schule der Annales, Marc Bloch (1886–1944) und Lucien Febvre (1878–1956), wurde Pirenne als „europäischer Historiker“ bezeichnet.143 Der Propyläen-Weltgeschichte hätte er sicherlich besonders in Frankreich und Belgien, aber auch international erhöhte Aufmerksamkeit und Akzeptanz sichern können (s. u.). Um Pirenne für das Unternehmen zu interessieren, nutzte Steinberg seine eigenen Kontakte und schlug einen Umweg über den mit Pirenne bekannten Den Haager Historiker Nicolaas Japikse (1872–1944) ein. Da Pirenne, wie Steinberg in seinem Brief an Japikse ausführte, während des Krieges eine „nicht ganz gerechte Behandlung“ durch die deutschen Behörden erfahren hatte, schien es Steinberg empfehlenswert, „an ihn zunächst durch einen neutralen Vermittler heranzugehen“, um ihn so „am leichtesten für eine internationale Zusammenarbeit mit deutschen Gelehrten wieder gewinnen zu können“.144 Steinberg pries Japikse gegenüber die Propyläen-Weltgeschichte als europäisches Unternehmen an und betonte, dass die deutschen Mitarbeiter durchweg Anhänger des neuen (demokratischen) Staates und damit zugleich Anhänger des Verständigungsgedankens seien. Das Werk solle „die geistige Gemeinschaft der europäischen Völker schon durch die Auswahl der Mitarbeiter zum Ausdruck bringen“145, die inhaltliche Eurozentrierung sich also in der Zusammensetzung des Mitarbeiterkreises widerspiegeln. Man wollte für die einzelnen Abschnitte der Weltgeschichte Spezialisten aus den Ländern gewinnen, die in einer bestimmten Epoche die wichtigsten politischen oder kulturellen Impulse gegeben hatten. So erläuterte Steinberg seine Autorenvorschläge für das Kapitel Spätes Mittelalter146 gegenüber Goetz wie folgt:

140 Vgl. Geneviève Warland: Henri Pirennes und Karl Lamprechts Internationalisierungsstrategien. In: Karl Lamprecht (1856–1915). Durchbruch in der Geschichtswissenschaft. Hrsg. von Jonas Flöter und Gerald Diesener. Leipzig: Universitätsverlag 2015, S. 193–214. 141 Gustav Schmoller an Henri Pirenne am 3.12.1909, zitiert nach Warland, Henri Pirennes und Karl Lamprechts Internationalisierungsstrategien, S. 201. 142 Ebd. 143 Warland, Henri Pirennes und Karl Lamprechts Internationalisierungsstrategien, S. 201. 144 Sigfrid Steinberg an Nicolaas Japikse am 15.12.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 145 Ebd. 146 Die Epoche sollte „nicht national, sondern kulturell in die 3 wichtigsten Sphären zerlegt“ werden, um „diese dann wieder in sich ganz übernational“ zu betrachten. Huizinga hatte man für die „Sphäre“ der „Höfischen Kultur“ vorgesehen. Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 26.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41).

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Übrigens käme für die Territorialgeschichte neben Huizinga [Johan Huizinga (1872–1945)] vielleicht Alois Schulte in Betracht? Oder Henri Steiner? Doch hielte ich auf jeden Fall hier einen Nichtdeutschen für geeignet. Die wirklich große Politik wird in dieser Zeit eben nicht in Deutschland gemacht, sondern in Frankreich und England, und da wäre gerade ein Niederländer wie Huizinga doch wohl der Mann mit dem weitesten Blickfeld.147

Goetz selbst hatte für das Gebiet der angelsächsischen Staatenwelt zwischen dem Beginn des 17. und dem Ende des 19. Jahrhunderts die Beteiligung eines „englischen Gelehrten“ vorgeschlagen, was durch den Verlag besonders begrüßt wurde.148 Man war mit George Peabody Gooch (1873–1968) in Kontakt getreten, der allerdings „infolge einer längeren Behinderung ablehnen musste“.149 Auch Pirenne hatte zwar zunächst Einzelheiten zu dem ihm zugedachten Beitrag über die spätmittelalterliche Entwicklung Westeuropas erfragt, dann aber mit Verweis auf anderweitige Verpflichtungen, die seine gesamte Zeit in Anspruch nähmen, am 29. Mai 1927 ebenfalls abgesagt.150 Absagen erhielt Ullstein außerdem von Huizinga und von dem Franzosen Alphonse Aulard (1849–1928), den man mit Hilfe des Pariser Ullstein-Korrespondenten kontaktiert hatte – in beiden Fällen sind die Hintergründe der Ablehnung nicht bekannt. Der Verlag hatte sich von der „Internationalität des Mitarbeiterstabes […] eine erwünschenswerte Garantie für den Erfolg des Gesamtwerkes“ versprochen und wollte seine diesbezüglichen Bestrebungen am Ende des Jahres 1926 „doch nicht so ohne weiteres aufgeben“151. Die Einbeziehung angesehener ausländischer Autoren hätte für Propyläen eine günstigere Aufnahme im europäischen Ausland bewirken und auf diese Weise weitere Abnehmerkreise für die Weltgeschichte erschließen können. Dies galt es vor allem vor dem Hintergrund zu berücksichtigen, dass das Interesse an der Weltgeschichtsschreibung in anderen europäischen Ländern sehr viel ausgeprägter war. Die großen englischen, französischen und skandinavischen Unternehmen zeigten, so Goetz in einer Überblicksdarstellung zur Weltgeschichtsschreibung, dass Deutschland „nicht an erster Stelle marschiere“.152 Vor allem Frankreich engagiere sich hier in besonderem Maße, was an der großen Zahl der einschlägigen französischen Werke und der „eifrige[n] Mitarbeit der besten Historiker“ abzulesen sei.153 Ausländische Mitarbeiter hätten der Propyläen-Weltgeschichte eine höhere Akzeptanz und bessere Positionierung innerhalb

147 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 26.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 148 Vgl. Emil Herz an Walter Goetz am 31.12.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 149 Ebd. 150 „Mais je viens d’être charger par une association scientifique belge d’un long travail historique qui prendra dèsormais tout le temps dont je puis disposer. Dans ces conditions il ne m’est pas possible d’assumer de nouvelles obligations.“ Henri Pirenne am 29.5.1927 an Sigfrid Steinberg (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/39). 151 Emil Herz an Walter Goetz am 31.12.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 152 Goetz, Weltgeschichte, S. 297. 153 Ebd., S. 297 f.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

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der europäischen Weltgeschichtsschreibung sichern und dadurch zu einem besseren Anschluss der deutschen Forschung führen können. Doch obwohl man weiterhin nach namhaften ausländischen Autoritäten Ausschau hielt, konnten letztlich nur zwei ausländische Mitarbeiter gewonnen werden. Neben dem Schweizer Alfred Stern (1846–1936), der die Französische Revolution und die Revolution von 1848/49 behandelte, hatte der Italiener Gaetano de Sanctis (1870–1957) seine Beteiligung zugesagt. Der Schüler Karl Julius Belochs (1854–1929) und dessen Nachfolger an der Universität Rom verfasste den Beitrag Der Hellenismus und Rom, der im zweiten Band der Propyläen-Weltgeschichte erschien. Dies führte allerdings durch die unwillkürlich erzeugte Sonderstellung zu Irritationen der Leser, denn de Sanctis war der einzige nicht deutschsprachige Autor der Weltgeschichte, dessen Beitrag übersetzt werden musste. Der Rezensent Victor Ehrenberg fragte sich, „weshalb in diesem einzigen Falle kein deutscher [also deutschsprachiger] Mitarbeiter gewonnen wurde“, da „es ja hier auch auf die sprachliche Form“ ankäme und man deshalb doch eigentlich „nur ungern zu einer – noch so einwandfreien – Übersetzung“ greifen sollte.154 Im Hinblick auf die Absatzmöglichkeiten der Propyläen-Weltgeschichte in anderen Ländern lässt sich keine positive Resonanz ermitteln. Während die stets zu Vergleichen herangezogene, konkurrierende Helmolt’sche Weltgeschichte bereits vor ihrer Neuauflage in den zwanziger Jahren Übersetzungen ins Englische und Russische vorweisen konnte, ist für die Propyläen-Weltgeschichte lediglich die Vergabe der spanischen Übersetzungsrechte an den Verlag Espasa-Calpe, S. A. in Madrid belegt.155 Die Versendung der Verträge an die Autoren der Propyläen-Weltgeschichte erfolgte Ende 1926/Anfang 1927. Emil Herz vermeldete am 31. Dezember 1926 mit einer namentlichen Autoren-Auflistung, die auch Auskunft über die geplante Bogenzahl und das vereinbarte Abgabedatum lieferte, die Weiterleitung von insgesamt 22 Verträgen,156 auf die am 22. Januar 1927 weitere zehn folgten.157 Für die persönlichen Gespräche und Verhandlungen mit den Autoren war Goetz’ Assistent Steinberg zuständig. Im Auftrag des Verlags unternahm er zahlreiche Reisen durch Deutschland und auch ins Ausland, um zu den Autoren die besonders von Herz geforderte, aber auch von Goetz gewünschte „engere Fühlungnahme“ herzustellen. Beide waren der Ansicht, „dass in einer mündlichen Verhandlung die Schwierigkeiten sich leichter

154 Victor Ehrenberg: Rezension der Propyläen-Weltgeschichte Bd. 2. In: Historische Zeitschrift 147 (1933), S. 149–154, hier S. 151. 155 Vgl. Wilhelm Gronle an Walter Goetz am 12.3.1932 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). In Spanien erschien die Weltgeschichte in der 5. Auflage bis 1958. Vgl. Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 308. 156 Emil Herz an Walter Goetz am 31.12.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 157 Vgl. Aufstellung der am 22. Januar herausgegebenen Weltgeschichts-Verträge (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/66).

290  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

beheben lassen.“158 Es ging hauptsächlich darum, noch unentschlossene Autoren zur Mitarbeit zu bewegen, die inhaltliche Ausgestaltung und Abgrenzung der Beiträge zu besprechen und die gewünschten Verschiebungen der Abgabetermine und außergewöhnlichen Honorarforderungen zu verhandeln, insgesamt also auf die potenziellen Mitarbeiter in dem von Verlag und Herausgeber „gewünschten Sinne einzuwirken“.159 Der Verlag plante für Steinberg regelrechte „Tourneen“, von denen jener aufgrund der oftmals schwierigen Gespräche nicht immer begeistert war.160 So reiste er beispielsweise am 15. Februar 1927 nach Frankfurt, um dort Wilhelm Mommsen (1892–1966), Karl Brandi (1868–1946), Theodor Mayer (1883–1972), Walter Platzhoff (1881–1969) und Georg Küntzel zu treffen. Am 18. Februar führte ihn seine Tour nach Heidelberg, wo er mit Erich Rothacker (1888–1965), Karl Hampe (1869–1936) und Willy Andreas (1884–1967) sprach. Freiburg erreichte Steinberg dann am 20. Februar. Dort kontaktierte er Franz Schnabel (1887–1966), Gerhard Ritter (1888–1967) und Georg von Below (1858–1927), bevor er nach Italien zu Karl Julius Beloch und Gaetano de Sanctis weiterreiste. Steinberg erstattete über seine Verhandlungsergebnisse detailliert Bericht an Goetz. So liefern die Quellen einen guten Eindruck von Steinbergs Reisen und den Anstrengungen im Kontakt mit den Autoren, wenn er z. B. über das Gespräch mit Beloch in Rom berichtet: Beloch ist bezwungen. Aber noch ein solches Ding und ich bin für ein Vierteljahr arbeitsunfähig! Ich habe 3 Tage hintereinander 3+3+2 Stunden mit ihm konferiert. Endlich hat er im wesentlichen zugestimmt und will nun gleich mit der Arbeit anfangen, sobald der Vertrag in seinen Händen ist. […] Damit er nicht noch abspringt, habe ich Dr. Herz gleich geschrieben, er solle ihm sofort den Vertrag zuschicken.161

Zwischen seinen längeren Reisen stattete Steinberg dem Verlag regelmäßige Besuche in Berlin ab, um sich vor Ort persönlich mit Herz zu beraten und dessen Zustimmung zu den unterschiedlichsten Forderungen der Autoren einzuholen. Herz lobte Steinbergs Engagement und „gute Erfolge“, die zum Abschluss einer ganzen Reihe weiterer Verträge geführt hatten.162

6.3.3 Zusammenarbeit zwischen Verlag, Herausgeber und Autoren Insgesamt waren sich Herausgeber und Verlag schließlich einig, dass es ihnen gelungen war, „eine Elite der deutschen Geschichtsschreiber zu gewinnen und sie auf

158 Emil Herz an Walter Goetz am 31.1.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 159 Emil Herz an Walter Goetz am 10.2.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 160 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 14.10.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 161 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 4.3.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 162 Emil Herz an Sigfrid Steinberg am 9.4.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41).

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz



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das Gesamtprogramm zu verpflichten.“163 Eine besondere Herausforderung war nun, diese „Schar von Forschern zu gemeinsamer Arbeit zu vereinen“164, um die innere Einheit des Werkes gewährleisten zu können. Man war zwar einerseits um ein hohes wissenschaftliches Niveau auf dem aktuellsten Forschungsstand bemüht,165 dennoch sollte die Weltgeschichte andererseits ein sprachlich anschauliches, „im besten Sinn volkstümliches Werk für das deutsche Publikum“ werden.166 Der Verlag hatte, wie bereits bei Goetz, vertragliche Voraussetzungen geschaffen, die die Mitarbeiter auf feste Grundsätze verpflichteten. So mussten sie beispielsweise dem Herausgeber das Recht einräumen, „diejenigen Änderungen vorzunehmen, die im Interesse der Einheitlichkeit des Gesamtunternehmens und seiner besonderen Zwecke erforderlich sind“.167 Zusätzlich wurde den Mitarbeitern im Februar 1927 ein vertraglich angekündigter Leitfaden zugesandt, nach dessen Maßgabe die jeweiligen Epochen zu behandeln waren.168 Die Richtlinien beinhalteten in detaillierter Form:169 – das Ziel und die Absicht der Weltgeschichte, – Hinweise zur Anzahl der Bände und dem Format, – Regelungen zu den Illustrationen, – den Hinweis, dass jeder Mitarbeiter eine genaue Disposition seines Zeitabschnitts von der Leitung des Verlags erhielt, – die Aufforderung, den vereinbarten Umfang des Beitrags nicht zu überschreiten, – die Anweisung, den Abgabetermin einzuhalten, – den Hinweis darauf, dass der abendländische Standpunkt die Weltgeschichte beherrschte und deshalb den breitesten Raum einnehmen sollte, – die Verpflichtung der Mitarbeiter auf den neuesten Forschungsstand und den Verzicht auf Literaturangaben. Da man auf Kritik an der Anzahl der Autoren im Hinblick auf die Verbundenheit der einzelnen Teile der Weltgeschichte bereits gefasst gewesen war, sprach Goetz diesen Punkt in seiner Einleitung des ersten Bandes ausführlich an. Er wies darauf hin, dass sich die Mitarbeiter der Weltgeschichte den programmatischen Zielen „nach Möglichkeit angepaßt“ hätten, „ohne daß ein Zwang gegenüber der Arbeitssphäre

163 Goetz, Aus dem Leben, S. 69; vgl. hierzu auch Herz, Denk ich an Deutschland, S. 300. 164 Walter Goetz: Vorwort. In: Propyläen-Weltgeschichte. Hrsg. von Walter Goetz. Bd. 1: Das Erwachen der Menschheit. Berlin: Propyläen 1929, S. XVII–XVIII, hier S. XVII. 165 Vgl. Richtlinien für die Mitarbeiter der Weltgeschichte (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/53). 166 Sigfrid Steinberg an Carl Ferdinand Reinhold am 11.1.1931 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/66). 167 Mitarbeiterverträge zur Propyläen-Weltgeschichte im Berliner Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags. 168 Vgl. ebd. 169 Vgl. Richtlinien für die Mitarbeiter der Weltgeschichte (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/53).

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des Einzelnen ausgeübt wurde“.170 Als Herausgeber hatte er außerdem versucht, eine zusätzliche Einheit des Ganzen dadurch herzustellen, dass er jedem Band einen zusammenfassenden Überblick vorausschickte.171 Doch sowohl zeitgenössische als auch heutige Beurteiler der Propyläen-Weltgeschichte konnten hiervon nicht überzeugt werden. So schrieb Hedwig Hintze im Jahr 1931 in ihrer Rezension zu Band 7, dass sich „die Schattenseiten solcher Aufteilung recht empfindlich bemerkbar“ machten und dass der vorliegende Band „doch kein abgerundetes, aus einem Geist und Guß geformtes Werk geworden ist.“172 Und Hans Rosenberg wies in seiner Rezension zum achten Band der Propyläen-Weltgeschichte auf die „Vorzüge und Mängel, die die Aufteilung des Stoffes unter verschiedene Bearbeiter mit sich zu bringen pflegt“, hin und kritisierte die sehr unterschiedliche Qualität der Beiträge.173 Der Historiker Matthias Middell urteilte schließlich 2005, dass Goetz’ Einleitungen von einer „Unverbindlichkeit“ seien, die „die Überforderung eines eigentlich relativ eng spezialisierten Historikers angesichts der Flut zu bewältigender Phänomene und Theorien anzeige“ und der „die Schwierigkeiten eines aufgrund der großen Autorenzahl notwendig amorphen Orpus“ nicht bewältigen konnte.174 Auch Herz hatte im Hinblick auf die Koordination der zahlreichen Mitarbeiter und der großen Anzahl von Beiträgen durch den Herausgeber „Bedenken“, die er wiederholt mündlich und schriftlich, wie z. B. am 13. Oktober 1927 gegenüber Goetz äußerte: Ich weiss, sehr geehrter Herr Geheimrat, wie ausserordentlich schwer es gewesen ist, die Mitarbeiter zu gewinnen, und dass es zum Teil nur dadurch möglich war, dass viel mehr als bei dem alten Werk die Stoffgebiete aufgeteilt wurden. Aber wir sind uns wohl darüber einig, dass die vielen einzelnen Beiträge nur dann sich zu einem einheitlichen Ganzen runden, wenn ein starker Herausgeberwille die Fäden fest in der Hand hält. Mit allem Nachdruck muss auf genaue Einhaltung der gegebenen Disposition gedrungen werden, und auch sonst darf nichts unversucht bleiben, das Werk so zusammenzuschließen, wie es Ihnen und uns vorschwebt. Sie werden selbst, sehr geehrter Herr Geheimrat, am besten bestimmen können, welche Mittel der Beeinflussung jeweils zu wählen sind. Ich möchte Ihnen heute nur noch mal sagen, dass wir jederzeit bereit sind, […] Sie in Ihrer Herausgebertätigkeit zu unterstützen.175

Anlass zu diesen nachdrücklichen Hinweisen hatte ein von Goetz geplantes Rundschreiben an die Mitarbeiter gegeben. Die Autoren und der Herausgeber der Weltgeschichte waren auf dem deutschen Historikertag in Graz im September 1927 zu einer

170 Vgl. Goetz, Vorwort, S. XVII. 171 Vgl. ebd. 172 Hedwig Hintze: Rezension der Propyläen-Weltgeschichte Bd. 7. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 90 (1931), S. 136–140, hier S. 136. 173 Hans Rosenberg: Rezension der Propyläen-Weltgeschichte Bd. 8. In: Historische Zeitschrift 150 (1934), S. 349–350, hier S. 349. 174 Middell, Weltgeschichtsschreibung, S. 641, Anm. 137. 175 Emil Herz an Walter Goetz am 13.10.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

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Besprechung zusammengekommen, in der „neben der Klärung zahlreicher Einzelheiten auch einige grundsätzliche, das ganze Werk betreffende Fragen“ im Kollegenkreis diskutiert worden waren.176 Goetz hatte in verschiedenen Punkten, wie z. B. bei der Buchtype oder den Kartenbeigaben ausdrücklich um Meinungsäußerungen der Autoren gebeten, die er dann an den Verlag weiterleiten wollte.177 Um die Ergebnisse des Treffens und die noch offenen Fragen an die Mitarbeiter zu kommunizieren, hatte Goetz ein Schreiben entworfen, das er Steinberg zur weiteren Abstimmung mit dem Verlag zuschickte. Dieser übermittelte nach einem Aufenthalt bei Ullstein in Berlin schließlich, etwas deutlicher als Herz es in dem oben zitierten direkten Schreiben an Goetz formuliert hatte, die Auffassung des Verlags zu diesem Thema: Das Rundschreiben an die Mitarbeiter hält Dr. Herz für gänzlich inopportun. Er wünscht, dass Sie den Mitarbeitern gegenüber vollkommen diktatorisch auftreten und diese niemals, wenigstens nicht schriftlich um ihre Meinungsäußerung befragen, soweit es sich um herausgeberische oder verlegerische Dinge handelt. Die Mitarbeiter dürften nie das Gefühl haben, dass sich Herausgeber oder Verlag über irgend etwas im Unklaren wären.178

Dass die Verpflichtung auf ein recht enges Korsett von Richtlinien und die Untersagung der Mitbestimmung der einzelnen Autoren für den planmäßigen Ablauf und damit auch für den wirtschaftlichen Erfolg des ambitionierten Verlagsprojekts unverzichtbar waren, wird im Entstehungsprozess der Propyläen-Weltgeschichte an verschiedenen Stellen deutlich. Ein besonders sensibles Thema für Verlag und Autoren war die rechtzeitige Abgabe der Manuskripte. Der erste Band sollte am 1. Juli 1928 erscheinen, die weiteren Bände wollte der Verlag „in Zwischenräumen von 3 (drei) Monaten“ folgen lassen.179 Als Abgabetermin für alle Beiträge hatte man, bis auf verschiedene Ausnahmen, den 31. Dezember 1927 vertraglich festgelegt. Am 2. März 1928 waren jedoch die Beiträge von zwölf Mitarbeitern noch nicht beim Verlag eingetroffen, darunter die Autoren Freyer, Georg Steindorff (1861–1951) und Hans Plischke (1890–1972), die für den ersten Band vorgesehen waren. Der Verlag forderte den Herausgeber zu einer „kleine[n], vorsichtige[n] Anfrage“ bei den Autoren auf, denn man müsse „doch versuchen, wenigstens den ersten Band unter Dach und Fach zu bekommen“, damit man, „wenn die Grundfragen endgültig erledigt sind, sofort mit der Drucklegung beginnen“ könne.180 Doch daraus sollte nichts werden. Als erster Band der Propyläen-Weltgeschichte erschien Band 7 im Jahr 1929,

176 Entwurf eines Rundschreibens an die Mitarbeiter der Weltgeschichte, ohne Datum (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 177 Vgl. ebd. 178 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 14.10.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/53). 179 Herausgebervertrag von Walter Goetz vom 14.9.1926 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 180 Emil Herz an Sigfrid Steinberg am 2. März 1928 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

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es folgten die Bände 5 und 8 im Jahr 1930. Band 1 sollte dann erst 1931 mit den Bänden 2 und 6 auf den Markt kommen. Der Verlag, der mit seinen großen personellen und maschinellen Ressourcen auch alle zehn Bände zu einem Zeitpunkt hätte produzieren können,181 war bei der Einhaltung des Erscheinungsplans der PropyläenWeltgeschichte auf die fertigen Manuskripte der Autoren angewiesen. So bestimmten letztlich die zahlreichen Verzögerungen durch verspätete Abgaben oder vollständige Ausfälle von Autoren, deren Beiträge neu vergeben werden mussten, die Reihenfolge der Bände.182 Ein besonderes Ärgernis für den Verlag stellte die verspätete Abgabe des Register-Manuskriptes für Band 5 dar, denn diese lag im Verschulden von Steinberg selbst, da er für die Erstellung der Register zuständig war. Er hatte das Manuskript nicht wie vereinbart am 23. April, sondern erst eine Woche später am 30. April 1930 im Verlag eingereicht, wodurch eine Verschiebung des Ausgabetermins von Mai auf Juni verursacht wurde. Herz reagierte ungehalten auf diese Verzögerung, die für den Verlag eine „empfindliche innere Störung“ des betrieblichen Ablaufs bedeutete und „vor allem von größtem Nachteil für den buchhändlerischen Erfolg des Werkes“ sein konnte.183 Er betonte, dass es sich aufgrund der hohen investierten Beträge184 „hier um für den Verlag wirklich lebenswichtige Dinge“ handele: Bei einer wissenschaftlichen Einzelarbeit mag es belanglos sein, zu welchem Termin sie erscheint. Bei einem Sammelwerk, dessen Bände vom Sortiment für den Reisebuchhandel in bestimmten Abständen erwartet werden, hängt aber alles davon ab, dass diese zu einem für den Vertrieb günstigen Zeitpunkt herauskommen.185

Herz stellte in seinem Brief an Steinberg unmissverständlich klar, dass das gesamte Projekt den Bedingungen des Verlags unterworfen sei, der als Initiator und Geldgeber möglichst einen wirtschaftlichen Erfolg erzielen wollte. An Steinberg richtete er die Ermahnung: Ich hoffe, dass Sie einsehen werden, dass die Erfordernisse des Verlags auch für Ihre Aufgaben ausschlaggebend sind und Sie sich in Zukunft daran anzupassen vermögen; sonst müsste ich mindestens die Anfertigung des Registers in andere Hände legen.186

181 Vgl. den entsprechenden Hinweis in den Richtlinien für die Mitarbeiter der Weltgeschichte (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/53): „Der Verlag wird imstande sein, die 10 Bände der Weltgeschichte gleichzeitig zu drucken.“ 182 Z. B. der ursprünglich von Manfred Stimmig zu verfassende, dann von Goetz übernommene Beitrag zur Geschichte Deutschlands vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, vgl. Carl Ferdinand Reinhold an Walter Goetz am 21.9.1931 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 183 Emil Herz an Sigfrid Steinberg am 10.5.1930 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 184 Herz spricht von „fast eine[r] Million Mark“. Emil Herz an Walter Goetz am 3.3.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 185 Emil Herz an Sigfrid Steinberg am 10.5.1930 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 186 Emil Herz an Sigfrid Steinberg am 10.5.1930 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz

 295

Die Androhung, Steinberg die Erstellung des Registers zu entziehen, rührte sicherlich auch daher, dass es bereits beim ersten erschienen Band (Bd. 7) eine Kontroverse um die Ausgestaltung und Qualität des von Steinberg erstellten Registers gegeben hatte. Sie schlägt sich in einem verdrießlichen Brief Reinholds vom 28. November 1929 nieder, aus dem die Problematik der Kompetenz- und Machtverteilung zwischen Herausgeber und Verlag erneut ersichtlich wird. Reinhold hatte von ihm für notwendig erachtete Korrekturen am Register vornehmen lassen, die nicht abschließend mit Steinberg abgestimmt worden waren. Er antwortete auf die Vorwürfe Steinbergs: Ich habe mir nie angemaßt, die Funktion des Herausgebers zu ursupieren, was Ihnen im Laufe unserer bisherigen Zusammenarbeit m. E. aus allen Handlungen erkennbar sein müsste. Der Verleger eines solchen Sammelwerkes ist allerdings auch kein bloßer Drucker, der nur ungesehen ausführen müsste, was ihm vorgelegt wird. Ich weiß sehr gut, was ein wissenschaftliches Register ist, denn ich habe unter meiner Leitung mehr als hundert solcher Register entstehen lassen und habe für die Sorgfalt und Brauchbarkeit dieser Register genügend Anerkennung erfahren. Wenn mir also, im wohlverstandenen Interesse des Werkes, seiner Mitarbeiter und Herausgeber solche kleinen Massnahmen zu treffen selbstverständlich schien, so halte ich das für nicht so tiefgreifend und aufregend, wie es nach Ihrem Brief[187] scheinen möchte.188

An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Verlag durch entsprechend ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter und Lektoren bis hinein in die wissenschaftliche Ausgestaltung des Werkes fachkundigen Einfluss nahm. Die Einmischung des Verlags in den von Steinberg und Goetz für sich deklarierten Kompetenzbereich führte indes zu anhaltender Anspannung in der Zusammenarbeit, besonders zwischen Reinhold und Steinberg. Vor allem letzterer sparte Goetz gegenüber zukünftig nicht mit spitzen Bemerkungen hinsichtlich der wissenschaftlichen Kompetenz des Verlagsmitarbeiters. Einen weiteren Reibungspunkt zwischen den Autoren der Weltgeschichte und dem Verlag stellte der Umfang der Beiträge dar. Bereits die vertragliche Vereinbarung auf eine feste Bogenzahl hatte bei einigen Autoren für Schwierigkeiten gesorgt, da sie sich nicht an eine „ganz genau […] vorgeschriebene Seitenzahl gebunden fühlen“ und „das Gefühl des unbedingten Zwanges“ vermeiden wollten.189 Bei Friedrich Ernst August Krause (1879–1942) führte dies dazu, dass man ihm über die vereinbarten 4 ½ Bogen hinaus einen gewissen Spielraum „bis zu 6 Bogen“ zusagte, allerdings mit dem anschließenden Hinweis, dass dies die oberste Grenze für den Umfang seines Beitrages darstellen müsse.190 Während er die Vereinbarung einhielt

187 Steinbergs Brief hat sich leider nicht erhalten. 188 Carl Ferdinand Reinhold an Sigfrid Steinberg am 28.11.1929 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 189 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 13.7.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 190 Sigfrid Steinberg an Friedrich Ernst August Krause am 28.7.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41).

296  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

und das Manuskript letztendlich nur „geringfügig mehr als 5 Bogen“ umfasste,191 gab es andere Autoren, bei denen sich die Erfüllung der vertraglichen Vereinbarungen schwieriger gestaltete. Neben Joachimsen und de Sanctis, „die fast das Doppelte geliefert“ hatten,192 ist als problematischster Autor in dieser Hinsicht vor allem Karl Hampe zu nennen. Ihm hatte man, neben einer Verlängerung der Abgabefrist um ein Jahr, für seinen Aufsatz über Das europäische Mittelalter von 900 bis 1250 statt der ursprünglich geplanten 12 ½ Bogen mit Abschluss seines Vertrages bereits 14 Bogen zugesagt.193 Der Verlag hatte den renommierten Historiker unbedingt für eine Mitarbeit an der Propyläen-Weltgeschichte gewinnen wollen. Deshalb erhielt er auch ein im Vergleich zu den anderen Autoren deutlich höheres Honorar (s. u.). In einem Brief an Emil Herz konstatierte Walter Goetz, dass „keine andere Wahl übrig bleibt, als nachzugeben“, da ihm und dem Verlag „am Festhalten Hampes sehr viel“ lag und der Autor generell „unendlich schwer für derartiges zu gewinnen“ war.194 Bei einer Absage Hampes fürchtete man, mit dem für diesen Fall vorgesehenen Autor Bernhard Schmeidler (1879–1959) keinen gleichwertigen Ersatz zu haben.195 Im Vordergrund stand Hampes Name, der „der Sache von Anfang an sehr viel“ nutzen sollte.196 Bekannt geworden war der an der Heidelberger Universität lehrende Historiker vor allem mit seinen größeren Darstellungen Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer197 und Herrschergestalten des deutschen Mittelalters198. Durch Hampes hohes Renommee als Forscher und seinen ansprechenden sprachlichen Stil fand sein Werk über die engeren Fachkreise hinaus auch bei „einem breiten Bildungspublikum“ Beachtung und Aufnahme, was ihn insgesamt „zu einem der bedeutendsten deutschen Geschichtsschreiber“ machte.199 Im September 1931, ein halbes Jahr bevor der Beitrag Hampes in Band 3 der Weltgeschichte erscheinen sollte, lag das Manuskript des Autors dem Verlag zur Einsicht vor – es umfasste bereits 17 Bogen, obwohl noch drei wichtige Abschnitte fehl-

191 Gleichwohl bemerkte der Autor im Nachhinein kritisch, dass „seine Darstellung auf allerknappstem Raum […] als ‚Condensierte Milch‘ bezeichnet worden war“. Friedrich Ernst August Krause an Sigfrid Steinberg am 24.1.1932 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 192 Emil Herz an Walter Goetz am 3.9.1931 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 193 Vgl. Verlagsvertrag von Karl Hampe vom 28.4.1927 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 194 Ebd. 195 Vgl. ebd. 196 Ebd. 197 Erschienen 1909 bei Quelle & Meyer in Leipzig. 198 Erschienen 1927 bei Quelle & Meyer in Leipzig. 199 Historiker Lexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart. Hrsg. von Rüdiger vom Bruch und Rainer A. Müller. München: Beck 2002, S. 135. Vgl. auch Friedrich Baethgen: Karl Ludwig Hampe. In: NDB 7 (1966), S. 599. Online-Version. URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118701282. html#ndbcontent [4.10.2018].

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz



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ten und überschritt somit die vertraglichen Vereinbarungen deutlich.200 Herz aber musste – wie er Goetz gegenüber betonte – „sehr darauf bedacht sein, dass die vertraglich vereinbarten Umfänge eingehalten werden“, da gerade Band 3 „besonders stark mit Text bedacht“ worden war. Er sprach sich mit Nachdruck gegen die von Goetz und Steinberg vorgeschlagene Reduzierung der Bilder als mögliche Kompensation für die Mehrseiten Hampes aus, weil „nicht viel damit zu gewinnen“ sei, da man, „um diesen Textüberschuss […] einzubringen, von etwa 230 Abbildungen, die der Beitrag enthalten dürfte, 150 weglassen“ müsste.201 Dies hätte der Konzeption der Propyläen-Weltgeschichte widersprochen, in der die Illustrationen vor allem auch im Hinblick auf den Absatz des Werkes bei einem breitem Publikum, eine entscheidende Rolle spielten (s. u.). Herz hatte darüber hinaus besonders den Gesamtumfang der einzelnen Bände im Blick, denn mit den bis dahin durchschnittlich 650 Seiten hatte man bereits ein Maximum in der Kalkulation erreicht. Neben der „technische[n] Bewältigung“ seitens der Buchbinderei musste vor allem der ursprünglich auf der Basis der 607 Seiten des zuerst erschienenen siebten Bandes errechnete Ladenpreis berücksichtigt werden.202 Jede weitere Seite bot den Käufern der Weltgeschichte „ein Mehr“, das sich für den Verlag nicht rechnete. Hinzu kam die Entlohnung der Autoren pro abgeliefertem Bogen, sodass eine wesentliche Ausweitung des Umfangs zusätzlich zu einer raschen Erhöhung der Honorare insgesamt führen konnte. Herz wirkte engagiert darauf ein, dass solche nicht einkalkulierten und somit auch kaum auszugleichenden Kosten den finanziellen Erfolg des Projektes nicht gefährdeten. Im Falle Hampes versuchte man dies durch die Anordnung von Kürzungen zu erreichen, die der Herausgeber vornehmen sollte, der darüber hinaus zu klärenden Gesprächen mit dem Autor verpflichtet wurde. In der Redaktion hatte man mit solchen Bearbeitungen der Texte zwar bereits Erfahrung, doch schätzte man Hampe im Hinblick auf „die Notwendigkeit, Kürzungen vorzunehmen“ als „wesentlich empfindlicher“ ein als die anderen betroffenen Autoren.203 Nachdem zwischenzeitlich noch eine komplette Verschiebung der Herausgabe des dritten Bandes der Weltgeschichte aufgrund einer längeren Krankheit Hampes erwogen worden war, beklagte sich Reinhold bei Goetz, dass er „so viel Empfindlichkeit […] in 25 Jahren redaktioneller und herausgeberischer Tätigkeit“ bei seinen Autoren nicht erlebt hätte. Mit Kunstwissenschaftlern ließe es sich „einfacher und reibungsloser umgehen“, als mit Historikern.204 Band 3 der Weltgeschichte konnte zwar schließlich im Mai des Jahres 1932 erscheinen, sein Umfang überstieg jedoch nach wie vor die Planung

200 Vgl. Emil Herz an Walter Goetz am 3.9.1931 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 201 Ebd. 202 Emil Herz an Walter Goetz am 19.4.1932 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 203 Emil Herz an Walter Goetz am 3.9.1931 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 204 Carl Ferdinand Reinhold an Walter Goetz am 1.2.1932 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

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um ca. 100 Seiten, weil trotz entsprechender Vereinbarungen mit Hampe sein Beitrag nicht ausreichend gekürzt worden war. Herz, der monatelang wiederholt auf die Kalkulation des Verlags hingewiesen hatte, stellte schließlich „mit großem Bedauern“ fest, dass der Herausgeber die Position des Verlags in der Zusammenarbeit mit Hampe nicht ausreichend berücksichtigt und durchgesetzt hatte. Er betonte am Schluss seines Briefes noch einmal, dass der Verlag an die einmal festgelegten Ladenpreise gebunden ist und dass es daher für uns keinerlei Ausweichgeleis gibt, Umfangsvermehrungen der Bände durch Erhöhung der Preise auszugleichen.205

Um Hampe zu den Kürzungen seines Beitrages bewegen zu können, hatte man ihm die Sonderpublikation des ungekürzten Manuskriptes vorgeschlagen, die dann nach Erscheinen des Bandes der Weltgeschichte ebenfalls 1932 im Propyläen-Verlag unter dem Titel Das Hochmittelalter. Geschichte des Abendlandes von 900–1250 erschien. Innerhalb des Bandes nahm Hampes Abhandlung so viel Raum ein, wie allen anderen Autoren gemeinsam zugestanden worden war. Während deshalb die „außerabendländische Geschichte nur übersichtsweise und die des frühen Mittelalters in gedrängter Kürze gegeben“ wurde, konnte sich allein Hampe „einer ausholende[n] und tiefdringende[n] wissenschaftliche[n] Behandlung seines Stoffes“ widmen.206 Diese wiederum wurde von der Kritik außerordentlich gelobt und als „Lebenswerk“ Hampes bewundert,207 sodass Propyläen wenigstens mit der qualitativen Bereicherung der Weltgeschichte einen Ausgleich für die mühevollen Auseinandersetzungen verbuchen konnte. Wie eine Mitteilung von Goetz zeigt, hatte man als Obergrenze für die Vergütung der Autoren ursprünglich 500 Mark veranschlagt.208 Manche Autoren, wie z. B. Brandi, Mommsen oder Joachimsen, erhielten nur 400 Mark pro Bogen. Mit Hampe hatte man sich schließlich auf 700 Mark pro Bogen geeinigt. Herz bekräftigte Goetz gegenüber, wie schwer es dem Verlag gefallen war, „ein derartiges Honorar zuzugestehen“, da man bereits in Bezug auf den festgesetzten Höchstsatz von 500 Mark

205 Emil Herz an Walter Goetz am 19.4.1932 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 206 Theodor Mayer: Rezension der Propyläen-Weltgeschichte Bd. 3. In: Historische Zeitschrift 148 (1933), S. 578–581, hier S. 578. 207 Ebd., S. 580. Der Sonderdruck von Hampes Abhandlung über das Das Hochmittelalter. Geschichte des Abendlandes von 900–1250 wird heute zusammen mit den oben genannten Schriften Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer und Herrschergestalten des deutschen Mittelalters zu den wichtigsten Schriften des Historikers gezählt. Vgl. z. B. Eike Wolgast: Mittlere und Neuere Geschichte. In: Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus. Hrsg. von Wolfgang U. Eckart, Volker Sellin und Eike Wolgast. Heidelberg: Springer Medizin Verlag 2006, S. 491–516, hier S. 491. 208 Vgl. die Mitteilung Walter Goetz’ an Emil Herz am 6.3.1927 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.).

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz

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nicht glauben konnte, „dass irgend ein Verlag zur Zeit auch nur annähernd ein solches Bogenhonorar“ zahle.209 Die Honorarzahlungen an wissenschaftliche Autoren lagen beispielsweise bei J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Ende der 20er Jahre im günstigen Fall bei ca. 200 Bogenmark.210 Der vom Akademischen Schutzverein Ende 1925 veröffentlichte Mustervertrag für wissenschaftliche Autoren sah ein Mindesthonorar von 80 bis 100 Mark pro Bogen vor.211 Ein noch größeres Zugeständnis im Hinblick auf das Honorar machte der Verlag an Erich Marcks (1861–1938), der 1000 Mark pro Bogen erhielt.212 Obwohl der Historiker als „einer der geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus“ zu den führenden Vertretern der nationalistisch politisierten Geschichtswissenschaft zählte213 und somit den politischen Gegenpol zu Walter Goetz darstellte, war dem Verlag viel daran gelegen, eine Zusammenarbeit mit dem renommierten Historiker zu erreichen. Marcks hatte mit seinen äußerst erfolgreichen Biographien über Kaiser Wilhelm I.214 und Bismarck215 eine hohe Popularität erreicht und galt „als Meister der biogr[aphischen] Essayistik“. Sein Werdegang war geprägt von einflussreichen Lehrern wie Heinrich Nissen, bei dem er promoviert, und Heinrich von Treitschke, bei dem er sich habilitiert hatte.216 Marcks hatte von 1922 bis 1928 am Berliner Historischen Institut gelehrt und war seit 1910 Mitherausgeber der Historischen Zeitschrift. 1922 ernannte man ihn zum „Historiographen des preußischen Staates“.217 Marks war mit zahlreichen „Ehren und Titeln“ ausgezeichnet218 und wurde als führender Historiker

209 Emil Herz an Walter Goetz am 8.3.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). Vgl. auch den Brief von Emil Herz an Walter Goetz am 3.3.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54), in dem Herz seine Hoffnung ausdrückt, „Hampe für ein Bogenhonorar von Mk. 500.– zu gewinnen“. 210 Vgl. Silke Knappenberger-Jans: Verlagspolitik und Wissenschaft. Der Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) im frühen 20. Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz 2001, S. 516. 211 Musterentwurf eines Verlagsvertrages. In: Nachrichten des Akademischen Schutzvereins 2, Nr. 3, Dezember 1925, S.4 (Beilage zu den Mitteilungen Jg. 5, 1925). 212 Vgl. Verlagsvertrag von Erich Marcks vom 7.4.1927 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 213 Peter Fuchs: Erich Marcks. In: NDB 16 (1966), S. 122–125, hier S. 124. Vgl. Jens Nordalm: Historismus und moderne Welt. Erich Marcks (1861–1938) in der deutschen Geschichtswissenschaft. Berlin: Duncker & Humblot 2003, der eine differenziertere Deutung des politischen Wirken Erich Marcks’ fordert. 214 Erich Marcks: Kaiser Wilhelm I. Leipzig: Duncker & Humblot 1897. Das Werk erzielte bis 1943 neun Auflagen. Vgl. Historiker Lexikon, S. 209. 215 Die zum Jubiläum Bismarcks verfasste, 1915 veröffentlichte Biographie Bismarcks (Erich Marcks: Otto von Bismarck. Ein Lebensbild. Stuttgart u. a.: Cotta 1915) konnte bis 1935 28 Auflagen erreichen. Vgl. Historiker Lexikon, S. 209. 216 Vgl. ebd. 217 Ebd. 218 Fuchs, Erich Marcks, S. 124.

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seiner Generation erachtet,219 für den der Verlag bereit war, das eigentliche Maximalhonorar zu verdoppeln. Die Beiträge von Goetz wiederum sollten „nach den Höchstsätzen der anderen Mitarbeiter“ honoriert werden.220 Da letztlich Marcks und Hampe das angedachte Maximalhonorar deutlich überschritten, erklärte sich Goetz dem Verlag entgegenkommend bereit, „Marcks und Hampe als Sonderfälle“ zu betrachten und als höchstes Autorenhonorar 500 Mark anzusehen.221 Neben dem erhöhten Honorar stellten auch die Sonderabzüge der einzelnen Beiträge eine Möglichkeit für den Verlag dar, den Autoren eine zusätzliche „Vergütung“ zukommen zu lassen. Aus einer Notiz an den Leiter der Herstellungsabteilung Cyrill Soschka geht hervor, dass statt der einheitlich in den Verträgen zugesagten 25 Sonderabzüge Hampe 50 Abzüge und Marcks 40 Abzüge, der Autor Hans Heinrich Schaeder (1896–1957) sogar 100 Abzüge bekommen sollte.222 Propyläen stellte außerdem Schreibkräfte für solche Autoren zur Verfügung, die mit ihren Beiträgen nicht rechtzeitig fertig zu werden drohten,223 übernahm die Übersetzung des Beitrags von de Sanctis oder auch die für die Drucklegung notwendigen, eigentlich durch die Autoren zu erstellenden Abschriften der Manuskripte, wie z. B. bei Marcks, dem „die Bedingung des Vertrages, den Text in Maschinenschrift-Abzügen einzureichen, solchen Kummer bereitet“224 hatte. Für den Herausgeber stand neben dem vom Verlag honorierten Sekretär jederzeit ein Auto zur Verfügung, um bei Bedarf die Autoren aufsuchen zu können.225 Goetz lobte die Großzügigkeit des Verlags in seinen biographischen Aufzeichnungen mehrfach, garantierte sie ihm doch eine gewisse Bequemlichkeit und Sicherheit im Hinblick auf die Realisation des Projekts. Nichtsdestotrotz wurde „die fabelhafte Generosität“226 Ullsteins im Mitarbeiterkreis der Weltgeschichte immer wieder hinterfragt. Steinberg setzte sie in Bezug zum möglichen „Gewinn“, den der Verlag mit der Propyläen-Weltgeschichte erzielen und der nach seinen Berechnungen „bei der ersten Auflage von 20 000 Exemplaren etwa 1–1½ Mio Mark“ ausmachen könnte. Damit wurde für ihn deutlich, dass der Ullstein-Konzern einen weitaus größeren finanziellen Handlungs-

219 Vgl. hierzu insgesamt Nordalm, Historismus und moderne Welt, S. 9. 220 Vgl. § 3 im Verlagsvertrag von Walter Goetz vom 2.9.1926 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 221 Walter Goetz an Emil Herz am 6.3.1927 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags, o. Z.). 222 Vgl. Notiz an „Herrn Soschka, Herstellung“ vom 10.12.1927 (Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags). 223 Beispielsweise für Rothacker, vgl. Carl Ferdinand Reinhold an Sigfrid Steinberg am 22.2.1929 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 224 Brief an Marcks vom 19.11.27, Absender unbekannt (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 225 Goetz, Aus dem Leben, S. 68. 226 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 26.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41).

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

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spielraum besaß als andere Verlage und seine Aufwendungen in einem durchaus profitablen Verhältnis zum Gewinn standen: Ein Haus wie Ullstein rechnet eben mit Summen, von denen wir uns kaum eine Vorstellung machen können und die der übrige Verlagsbuchhandel nicht entfernt erreicht. Aber das kann uns ja gleichgültig sein, da die Mitarbeiter jedenfalls sehr zufrieden sein können.227

Wie im literarischen Bereich des Ullstein- und Propyläen-Verlags kann auch bei der Weltgeschichte beobachtet werden, dass sich Autoren einerseits vehement gegen den „Verleger Kapitalismus“228 aussprachen, während sie andererseits alles versuchten, um für sich selbst den größtmöglichen Nutzen aus ihrer Zusammenarbeit mit Ullstein zu ziehen.229 Von besonderer Bedeutung für den Erfolg der Propyläen-Weltgeschichte war neben dem Bekanntheitsgrad und dem Renommee der Autoren vor allem deren Fähigkeit, einfach, verständlich und ansprechend zu schreiben. Denn das Werk sollte einen „nichtfachwissenschaftlichen Charakter“230 haben und sich an den „normalen Leser“231 wenden. Kritisiert wurde die Verwendung von „gar zu vielen Fremdworten und wissenschaftlichen Fachausdrücken“232 oder auch ein zu komplizierter, die Lektüre erschwerender Satzbau. In diesen Punkten kam es während der Entstehung der Weltgeschichte immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Autoren, wie z. B. mit Oscar Walzel (1864–1944) und Hans Freiherr von Soden (1881–1945).233 Die Entscheidungen des Verlags in Bezug auf die ästhetische Präsentation und Gliederung der Texte hingegen, die Ullstein ebenfalls gezielt auf eine leichte Rezeption der Weltgeschichte hin gestaltete, wurden gut angenommen. Hierzu zählten zwecks größerer Übersichtlichkeit beispielsweise lebende Kolumnentitel und eine Trennung der Artikel durch Zwischentitel. Titel und Type wurden, so scheint es, trotz der strikten Reaktion von Herz auf Goetz’ Einbeziehung der Autoren, in einvernehmlicher Diskussion mit allen Beteiligten entschieden. Bei der Wahl der Schriftart hatte sich der Verlag ursprünglich für eine Antiqua ausgesprochen und dabei wohl die Ver-

227 Ebd. 228 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 18.2.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 229 So hatte Hampes Schwiegersohn ausgerechnet, „daß bei einer Auflage von 50 000 das Honorar für die Seite nur 1 Pfennig beträgt, und daß das angeblich hohe Honorar nur Bluff sei.“ Sigfrid Steinberg am 18.2.1927 an Walter Goetz (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 230 Sigfrid Steinberg an Hans Heinrich Schaeder am 13.4.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/66). 231 Carl Ferdinand Reinhold an Walter Goetz am 20.5.1930 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 232 Ebd. 233 Vgl. die Abschrift einer Mitteilung an Hans Freiherr von Soden vom 17.7.1930 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54), aus der hervorgeht, dass sich von Soden in fünf aufgelisteten Punkten auf Kürzungen, Vereinfachungen, Vermeidung von Fremdwörtern usw. dem Verlag gegenüber explizit verpflichten musste. Vgl. zum Fall Walzel auch Carl Ferdinand Reinhold an Walter Goetz am 11.10.1928 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

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käuflichkeit des Werkes außerhalb Deutschlands fördern wollen. Die Historiker hingegen stimmten für den Druck in Fraktur,234 was letztlich auch vom Verlag umgesetzt wurde.235 Bei den Titeln berücksichtigte man ebenfalls die Wünsche des Herausgebers. Für Band 5 hatte im Verlag vom Standpunkt „des Vertriebes und der Propagandawirkung“ aus der Titel Das Zeitalter der religiösen Erregung den meisten Zuspruch gefunden.236 Goetz hingegen stimmte für eine andere, etwas weniger reißerische Variante und wählte den endgültigen Titel Das Zeitalter der religiösen Umwälzung.

6.3.4 Illustrationen Das wichtigste Ausstattungsmerkmal der Propyläen-Weltgeschichte bildete die umfangreiche Illustrierung, die auf der Grundlage des Bildmaterials der Ullstein-Weltgeschichte entstanden war. Man hatte den Stellenwert von Abbildungen in einem wissenschaftlichen Werk vorab zwischen Herausgeber und Verlag diskutiert, denn grundsätzlich lag der geschichtswissenschaftlichen Praxis jener Zeit das Bild als Quelle noch fern.237 Das Bild war bis dahin fast ausschließlich Gegenstand kunstgeschichtlicher Betrachtungen gewesen, als Garant für wissenschaftliche Sicherheit galt den Historikern die textgebundene Analyse.238 Goetz wies zwar auch darauf hin, dass die Verbindung einer streng wissenschaftlichen Darstellung mit Abbildungen „ein etwas gefährliches Unternehmen“239 sein könnte, bekräftigte aber, dass „das geistige Element der gesamten Darstellung […] im Grunde nicht besser als durch zeitgenössische Kunstwerke zum Ausdruck gebracht werden [konnte]“.240 Steinberg, der die alte Ullstein-Ausgabe komplett durchgesehen und die Illustrationen auf ihre Wiederverwendbarkeit in der neuen Weltgeschichte hin analysiert hatte, sprach sich deutlich dafür aus, „das so wertvolle und reiche Material des alten

234 Vgl. Entwurf eines Rundschreibens an die Mitarbeiter der Weltgeschichte, ohne Datum (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 235 Wie aus den Dokumenten ersichtlich, wurde diese Entscheidung mehrfach mündlich diskutiert, die Diskussionsergebnisse sind in den schriftlichen Quellen leider nicht dokumentiert. 236 Emil Herz an Walter Goetz am 29.3.1930 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 237 Vgl. Jens Jäger: Zwischen Bildkunde und Historischer Bildforschung – Historiker und visuelle Quellen 1880–1930. In: Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung. Hrsg. von Jens Jäger und Martin Knauer. München 2009, S. 45–69, hier S. 54. 238 Vgl. ebd., S. 51. 239 Goetz, Aus dem Leben, S. 68. 240 Ebd. Goetz bezog sich hier auch auf Lamprecht, der ein „System […] in seinen Vorlesungen verwirklicht hatte, an Bildern die geistigen Grundlagen der einzelnen Zeitalter lebendig werden zu lassen“.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

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Ullstein möglichst zu übernehmen“.241 Seiner Meinung nach wäre die Verwendung von Abbildungen nur dann verwerflich, wenn dadurch ein Buch zum bloßen Bilderbuch für erwachsene Kinder wird, und der Text dabei als nebensächlich angesehen und entsprechend behandelt wird. Wenn aber der Text etwas taugt, so schaden gute Bilder gar nichts, sondern verdoppeln im Gegenteil den Wert des Werkes.242

Goetz und Steinberg zählten zu den wenigen deutschen Historikern der Zeit, die das Bild bereits als historische Quelle verstanden und sich aktiv für die Etablierung der historischen Bildniskunde (Ikonographie) innerhalb der Geschichtswissenschaft engagierten. Ullstein hatte mit ihnen und Karl Brandi gleich drei der vier Mitglieder des Deutschen Ikonographischen Ausschusses,243 der 1930 gegründet worden war,244 für die Propyläen-Weltgeschichte gewinnen können. Ziel der Bemühungen des Ausschusses war die Erschließung und Aufarbeitung des in zahlreichen unterschiedlichen Institutionen aufbewahrten Bildmaterials als „bisher unzureichend bekannte, der wissenschaftlichen Methodik entbehrende Quellengattung zur deutschen Geschichte“.245 Neben der Erarbeitung eines ikonographischen Repertoriums, das einen Überblick über alle verfügbaren Materialien und ihren Standort geben sollte, hatte man sich die ehrenamtliche Beratung von Autoren und Verlegern zum Ziel gesetzt.246 Unter der Leitung von Goetz entstanden in seinem Leipziger Institut die beiden Reihen Die Entwicklung des menschlichen Bildnisses247 und Historische Bildkunde. Wenn man bei Ullstein in Bezug auf die Propyläen-Weltgeschichte von moderner Geschichtsauffassung sprach, so kann vor diesem Hintergrund davon ausgegangen werden, dass damit auch die Berücksichtigung der Ikonographie als „jüngste[m] Zweig der Geschichtswissenschaft“248 gemeint war. Doch trotz ihrer Expertise auf dem Gebiet der Bildwissenschaft lag die Verantwortung für die Auswahl der Illustrationen der Propyläen-Weltgeschichte letztlich nicht in den Händen von Goetz und Steinberg, sondern wie bei allen ähnlichen vorangegangenen Werken bei einem Redaktionsteam unter der Leitung von Rein-

241 Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 15.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 242 Ebd. 243 Daneben zählte noch Percy Schramm, der in Göttingen lehrte, zu den Gründungsmitgliedern. 244 Vgl. Deutscher Ikonographischer Ausschuss (Karl Brandi, Walter Goetz, Percy Ernst Schramm, Sigfrid H. Steinberg). Die Erforschung der bildlichen Quellen zur deutschen Geschichte. Ein Aufruf. In: Minerva-Zeitschrift. 3/4 (1931), S. 33–35, hier S. 33. Vorangegangen war im Jahr 1928 die Gründung des internationalen Ausschusses im Rahmen des internationalen Historikertages. 245 Ebd. 246 Vgl. Erich Keyser: Das Bild als Geschichtsquelle (Historische Bildkunde. 2). Hamburg: Diepenbroick-Grüter & Schulz 1935, S. 14. 247 Vgl. hierzu Haas, Kulturforschung, S. 239, Anm. 294. 248 Deutscher Ikonographischer Ausschuss, Erforschung der bildlichen Quellen, S. 33

304  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

hold.249 Nach Goetz’ Aussage hatte der Verlag „zwei jüngere Kunsthistoriker“ engagiert, die zur Beschaffung geeigneter Illustrationen in den großen Bibliotheken von Paris, London, Berlin und Wien recherchierten.250 Auch in diesem Punkt hatte Ullstein die Zusammenarbeit zwischen Verlag, Herausgeber und Mitarbeitern auf eine vertraglich eindeutige Basis gestellt. Jeder Vertrag enthielt den Passus, dass „die Illustration […] möglichst unter Berücksichtigung der Wünsche des Verfassers und des Herausgebers vom Verlag bestimmt“ wird. Somit war die Einflussnahme von Goetz und Steinberg auf eine reine Beratungsfunktion eingeschränkt. Der Verlag wusste aus seiner umfangreichen Erfahrung auf dem Gebiet der illustrierten Publikationen, „dass der Hauptreiz für den Käufer“251 in der reichen Bebilderung der Weltgeschichte liegen werde. Die Mitarbeiter durften deshalb zwar Vorschlagslisten zu ihren Beiträgen einreichen, die Auswahl geeigneter Bilder unter Berücksichtigung einer guten Reproduzierbarkeit lag jedoch, auch um eine gleichbleibend hochwertige Qualität über alle Bände gewährleisten zu können, in den Händen des Verlags. Dieser unterstrich, dass man sich bei der Illustration freie Hand vorbehielt, weil die Auswahl nicht nur vom wissenschaftlichen, sondern auch vom ästhetischen und technischen Standpunkt aus getroffen werden muss. Wir haben wiederholt den Fall erlebt, daß Bilder, die uns von den Mitarbeitern vorgeschlagen wurden, beim besten Willen nicht reproduktionsfähig waren.252

Die Bände der Propyläen-Weltgeschichte boten schließlich auf etwa einem Drittel ihres Gesamtumfangs ca. 450 Illustrationen und ganzseitige Bildtafeln im Farbdruck, Offset- oder auch Kupfertiefdruck (vgl. Abb. 30–Abb. 32). Bei der Bildherstellung kamen wie bereits bei der Propyläen-Kunstgeschichte in der Ullstein-Druckerei „alle Mittel modernster Drucktechnik“253 zum Einsatz.

249 Vgl. Goetz, Aus dem Leben, S. 68. Die Behauptung Erich Keysers, dass die Illustrationen der Propyläen-Weltgeschichte nach den Kriterien der Internationalen Ikonographischen Kommission ausgewählt worden seien, lässt sich anhand der Quellen nicht belegen. Keyser, Das Bild als Geschichtsquelle, S. 14. 250 Goetz, Aus dem Leben, S. 68. 251 Emil Herz an Walter Goetz am 3.9.1931 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 252 Propyläen an August Heisenberg am 20.1.1927 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 253 Angabe eines undatierten Verlagsprospekts eingesehen in Marbach, DLA.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz

Abb. 30: Bildnis des japanischen Kaisers Do-Gai-go, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 1

 305

306  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

Abb. 31: Die Mäuse begraben den Kater, Volkstümlicher russischer Holzschnitt-Bilderbogen, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 9

Die zeitgenössische Kritik honorierte den Aufwand, den man bei Ullstein in die Herstellung der Propyläen-Weltgeschichte investierte, und rühmte die Auswahl und Wiedergabe der Illustrationen in höchsten Tönen. Victor Ehrenberg sprach beispielsweise in der Historischen Zeitschrift von dem „am schönsten ausgestatteten, am reichsten mit Bildmaterial durchsetzten Geschichtswerk der Zeit“: Restlos zu loben sind die Bilder. Die Auswahl ist geistvoll und interessant, die Wiedergabe fast überall hervorragend. Einige der Tafeln bedeuten – man kann das Wort hier kaum verwenden – ein Erlebnis.254

254 Vgl. Ehrenberg, Rezension der Propyläen-Weltgeschichte Bd. 2, S. 149.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

307

Abb. 32: Anfangszeilen des Johannes-Evangeliums, Nordenglische Buchmalerei, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 3

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Abb. 33 Eisenbahnfahrplan New York – Harlem 1848, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 9

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz

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Abb. 34a u. 34b: Anmerkungen zur Arbeiterfrage, Aufzeichnungen Kaiser Wilhelms II., PropyläenWeltgeschichte, Bd. 10

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

311

Neben den zeitgenössischen Illustrationen beeindruckten die Leser der PropyläenWeltgeschichte die beigefügten Faksimiles, wie z. B. der erste gedruckte Eisenbahnfahrplan der Linie New York – Harlem aus dem Jahre 1848 in Band 9 (vgl. Abb. 33) oder auch handschriftliche Anmerkungen Kaiser Wilhelms II. zur Arbeiterfrage in Band 10 (vgl. Abb. 34). Hier machte der Verlag die Quellen unmittelbar für den Leser sicht- und greifbar. Neben der bloßen Lektüre wurde damit auch die selbstständige Entzifferung von Handschriften und das Vergleichen und Überprüfen von Quellen ermöglicht, auf die der Leser, jedenfalls der geschichtsinteressierte Laie, normalerweise keinen unmittelbaren Zugriff hatte. Die Absicht des Verlags war es, durch die Wiedergabe unterschiedlichster „Zeugnisse öffentlichen oder privaten Lebens […] die Ereignisse, Zustände und Menschen der Vergangenheit auferstehen zu lassen“, um auf diese Weise mit Hilfe der Illustrationen „jeder Epoche die nur ihr zugehörende Atmosphäre“ zu verleihen.255 Wie bereits bei der Ullstein-Weltgeschichte hatten sich Verlag und Herausgeber auf den strengen Grundsatz geeinigt, dass nur zeitgenössische Darstellungen verwendet werden sollten, da Abbildungen späterer Zeit oder Historienmalereien das geschichtliche Bild verfälschen könnten.256 Als weitere Zugabe enthielten die Bände der Propyläen-Weltgeschichte umfangreiches Kartenmaterial (vgl. Abb. 35), das teilweise eigens angefertigt worden war,257 und von Steinberg zusammengestellte Zeittafeln in tabellarischer Form zur schnellen Orientierung des Lesers.258 Hinzu kam das bereits erwähnte Register, das kein bloßes Verzeichnis sämtlicher Textstellen, sondern ein „kleines lexikalisches Nachschlagewerk mit Jahreszahlen, Lebensdaten und ähnlichen Angaben zu den einzelnen Stichworten“ darstellte, das „umständliches Suchen an mehreren Stellen unnötig machen sollte“.259 Die Gestaltung der Bände war hochwertig und orientierte sich an der Propyläen-Kunstgeschichte, die Einbände waren ebenfalls von Hugo Steiner-Prag entworfen worden. Die Schutzumschläge einzelner Bände260 hatte Otto Dix (1891–1969) gezeichnet (vgl. Abb. 36). Deren Rückseite zierte jeweils die Abbildung eines „Weisheitsvogel[s] auf dem rollenden Rad der Weltgeschichte“261 (vgl. Abb. 37). Die Bände der Propyläen-Weltgeschichte erschienen in einer Auflage von jeweils 25 000 Exemplaren in einer Halbleder- und einer Ganzleinen-Ausgabe. Laut Emil

255 Undatierter Verlagsprospekt (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/53). 256 Vgl. Sigfrid Steinberg an Walter Goetz am 15.8.1926 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/41). 257 Als Grundlage hatten die in der Ullstein-Weltgeschichte verwendeten Karten gedient. 258 Vgl. Goetz, Aus dem Leben, S. 69. 259 Undatierter Verlagsprospekt (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/53). 260 In Band 6 findet sich der Hinweis auf einen Schutzumschlag von Busso Malchow. 261 Verlagsprospekt aus dem Jahr 1930 zur Propyläen-Weltgeschichte (Frankfurt/M., AdB). Leider konnten bisher keine Quellen zur Zusammenarbeit zwischen Ullstein und Dix aufgefunden werden. Laut Anfrage beim Deutschen Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum, wo Dix’ Nachlass aufbewahrt wird, finden sich keine Hinweise auf Kontakte von Dix mit dem Propyläen- bzw. dem Ullstein Verlag.

312  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

Herz soll die Weltgeschichte „in wenigen Jahren einen Absatz von 400 000 Bänden“262 erreicht haben.

Abb. 35: Europa um das Jahr 1200, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 3

262 Herz, Denk ich an Deutschland, S. 301.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz

Abb. 36: Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 5, Schutzumschlag, Vorderseite

 313

314  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

Abb. 37: Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 5, Schutzumschlag, Rückseite mit der von Otto Dix entworfenen Eule auf dem Rad der Weltgeschichte

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz



315

6.3.5 Letzter Band Sowohl Goetz als auch der Verlag äußerten sich sehr zufrieden über den Erfolg der Propyläen-Weltgeschichte. Goetz notierte 1928 in sein Tagebuch, dass das Werk seiner Meinung nach „über jedes Erwarten“ gelungen war.263 Und im Verlag freute man sich noch 1931 über den in vergleichsweise kurzer Zeit erfolgten erfolgreichen Absatz des zuerst erschienenen siebten Bandes, den man vor allem unter Berücksichtigung der schlechten Wirtschaftslage Ende der zwanziger Jahre nicht erwartet hatte.264 Im Jahr 1933 bereitete dann allerdings die Herausgabe des letzten Bandes erhebliche Schwierigkeiten. Die durch die Machtergreifung Hitlers veränderten politischen Bedingungen, die sich sowohl auf den Buchhandel265 als auch auf die Geschichtsschreibung (s. u.) auswirkten, führten zu dem dringenden Wunsch des Verlags, die Propyläen-Weltgeschichte bis zum Ende des Jahres 1933 abzuschließen. Herz erläuterte die Gründe hierfür wie folgt: […] das Unternehmen hat vor etwa 8 Jahren feste Gestalt angenommen, die Verträge mit Ihnen sind im Jahre 1926 abgeschlossen, der erste Band erschien 1929, all das zeigt, wie sehr diese Propyläen-Weltgeschichte ein Kind aus dem Geist der Jahre 1926–31 ist. Die spezielle Note dieser Entstehungszeit lässt sich in diesem Augenblick in gewissem Grade festhalten. Daher unser grosses Interesse, das Werk nun so rasch wie möglich zu beenden und es noch in diesem Jahre herauszubringen. Bei weiterer Verzögerung laufen wir, der Verlag sowohl wie der Herausgeber, jedoch Gefahr, die Zeitwende noch viel stärker in Erscheinung treten lassen zu müssen. Von einem Werk, von dem neun Bände bereits vorliegen, wird man kaum verlangen, dass es in jeder Einzelheit des 10. Bandes vollständig in den Geist der veränderten Gegenwart transponiert wird. Aber ganz ohne Rücksichtnahme auf die neuen Verhältnisse lässt sich der Band jetzt auch nicht mehr herausbringen. Wie der Schlussband aussehen müsste, wenn er im Jahre 1934 erscheint, lässt sich garnicht [sic!] übersehen.266

Hinzu kam, dass die Druckerei des Ullstein-Konzerns aufgrund der unterschiedlichen Repressionen, wie z. B. dem Verbot zahlreicher Autoren und der Einstellung einzelner Verlagsprodukte, nicht mehr ausgelastet werden konnte. Man benötigte neue Aufträge, da sonst Entlassungen drohten. Herz wies außerdem auf die Sortiments-Buchhandlungen hin, in denen man das Erscheinen des letzten Bandes der Propyläen-Weltgeschichte für das Jahr 1933 erwartet hatte und die dem Verlag ge-

263 Zitiert nach Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 272. 264 Vgl. Carl Ferdinand Reinhold an Walter Goetz am 12.5.1931 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/53). Im Mai 1931 wurden 5000 Exemplare des siebten Bandes nachgedruckt; vgl. Emil Herz an Walter Goetz am 27.5.31 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/66). 265 Vgl. hierzu die Werke von Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der „Gleichschaltung“ bis zum Ruin. Frankfurt: Fischer 2010 und Ders.: Literaturpolitik im „Dritten Reich“. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. München: dtv 1993. 266 Emil Herz an Walter Goetz am 8.9.1933 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

316  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

genüber Regressansprüche stellen könnten, „wenn ihre Kunden bei späterem Erscheinen die Abnahme des Bandes verweigern“.267 Hintergrund des oben zitierten eindringlichen Briefes von Herz an Goetz bildete eine Auseinandersetzung zwischen Verlag und Herausgeber, die sich um den Abschnitt Internationalismus und Nationalismus aus dem von Goetz für den zehnten Band der Weltgeschichte verfassten Kapitel Die geistige Entwicklung um die Jahrhundertwende entsponnen hatte. Der Herausgeber hatte darin die aktuellen politischen Strömungen und Entwicklungen seit 1919 beleuchten wollen, was dem Verlag im Hinblick auf die neue Situation Sorgen bereitete. Denn während Goetz als streitbarer Demokrat nicht dazu bereit war, sich dem zunehmenden Einfluss der Nationalsozialisten unterzuordnen oder diesen gar zu befördern,268 teilten viele Historiker die historisch-politischen Grundprägungen des Nationalsozialismus. Sie sympathisierten mit der antidemokratischen, antisozialistischen, antiliberalen, antisemitischen Haltung der Nationalsozialisten, forderten eine Revision des Versailler Vertrages und lehnten die politischen Strukturen der Weimarer Republik ab.269 Während sich die deutsche Geschichtswissenschaft immer stärker einer rassenideologisch geprägten Volkstumsforschung zuwandte, die später als Grundlage für das Expansionsstreben der Nationalsozialisten dienen sollte,270 stellte sich Goetz gegen die rassistischen Deutungsversuche weltgeschichtlicher Entwicklungen:271 Es ist richtig, daß die Germanen in dieser Zeit [zu Beginn des Mittelalters] die stärkste Ausdehnungskraft besitzen und daß sie den romanischen Völkern neues physisches Leben einflößten. Aber es ist ein Mangel an geschichtlicher Einsicht, wenn man den Germanen über diese gewiß bedeutsame Leistung hinaus eine Vorzugstellung vor allen anderen Rassen und Völkern einräumen und alles Große der abendländischen Welt auf germanische Einflüsse zurückführen will.272

Die Mischung der Rassen und der intensive kulturelle Austausch zwischen den Völkern bildeten zentrale Elemente in Goetz’ Geschichtsverständnis. Zwar nahm die Entwicklung nationaler Kulturen in seinem geschichtstheoretischen Konzept eine grundlegende Bedeutung ein, und der Nationalstaat bildete „den Dreh- und Angel-

267 Ebd. 268 Vgl. hierzu Goetz’ Schilderungen in Goetz, Aus dem Leben, S. 77 f. 269 Vgl. Peter Th. Walter: Zur Entwicklung der Geschichtswissenschaften in Berlin: Von der Weimarer Republik zur Vier-Sektoren-Stadt. In: Exodus von Wissenschaften aus Berlin. Hrsg. von Wolfgang Fischer u. a. Berlin: de Gruyter 1994, S. 153–183, hier S. 172. 270 Vgl. hierzu umfassend: Ingo Haar: Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der „Volkstumskampf“ im Osten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000. 271 Vgl. Monika Gibas: Walter Goetz und das Institut für Kultur- und Universalgeschichte. In: Comparativ 1,4 (1991) Universalgeschichte gestern und heute (I). Zum 100. Jahrestag der Berufung Karl Lamprechts an die Universität Leipzig, 22–29, hier S. 28. 272 Walter Goetz: Mittelalter. In: Propyläen-Weltgeschichte. Bd. 3. Berlin: Propyläen 1932, S. XXIV.

6.3 Die Propyläen-Weltgeschichte von Walter Goetz 

317

punkt seines Verständnisses für den Ablauf politischer Prozesse“273. Dennoch verstand Goetz die eigene Nation nicht als absoluten Wert. Er ging vielmehr davon aus, dass es in Anbetracht des sich verstärkenden internationalen Austauschs zu „einer Überwindung […] der nationalen Kulturen“274 käme. Auf politischer Ebene stand er einer internationalen Einigung wie beispielsweise im Völkerbund offen gegenüber.275 Goetz zählte somit sowohl aufgrund seiner politischen Einstellung und seinem aktiven Einsatz für ein demokratisches Staatssystem als auch aufgrund seiner Positionierung innerhalb der Geschichtswissenschaft zu den Kritikern des Nationalsozialismus. An der Universität stellte sich vor allem die nationalsozialistische Studentenschaft gegen ihn und verhinderte die Fortsetzung seiner Lehrtätigkeit, die er, obwohl Ostern 1933 in den Ruhestand eingetreten, noch bis zur Ernennung seines Nachfolgers hätte weiterführen sollen. Da Goetz in seinem Antwortschreiben an das Kultusministerium gegen die Studentenschaft polemisierte, wurde er „in den einfachen Ruhestand eines Beamten versetzt“ und verlor damit zunächst die Rechte eines ordnungsgemäß emeritierten Universitätsprofessors, wie z. B. die Weiterzahlung seines Gehaltes.276 Diese Entscheidung wurde allerdings ein halbes Jahr später aufgehoben und Goetz in den ordentlichen Ruhestand mit entsprechenden Pensionszahlungen versetzt.277 Reinhold hegte vor diesem Hintergrund erhebliche Bedenken, dass Goetz mit seinen Ausführungen unter der Überschrift Internationalismus und Nationalismus „Anlass zu unerfreulichen und für den Absatz des Werkes bedenklichen Angriffen geben“ werde.278 Propyläen wollte die Passage ersatzlos aus der Weltgeschichte streichen, um keine kritischen Erörterungen herauszufordern, „die sachlich und objektiv nicht sein werden“. Man warnte vor „eine[r] gehässige[n] Pressekampagne“, die sich negativ auf den buchhändlerischen Erfolg der Weltgeschichte auswirken würde. Reinhold befürchtete, „dass ein solcher Anlass dazu führen könnte, die Weltgeschichte für Schulen und Volksbibliotheken zu verbieten“.279 Der Wortlaut des von Goetz geplanten Abschnitts konnte leider nicht rekonstruiert werden, doch Reinholds deutliche Worte lassen erahnen, dass der Herausgeber eine seiner politischen Haltung entsprechende Wertung der aktuellen Geschehnisse hatte einfließen lassen: „Ich sage mir nun folgendes: die Weltgeschichte ist kein Bekenntnisbuch, sondern ein Sammelwerk und da verschlägt es wenig, ob ein Absatz mehr in dem

273 Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 277 f. 274 Walter Goetz: Nationale Kultur und Weltkultur. In: Der Heimatdienst VII (1927), Nr. 1, S. 5f, hier S. 5. Zitiert nach Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 277. 275 Weigand, Walter Wilhelm Goetz, S. 278. 276 Goetz, Aus dem Leben, S. 78. 277 Vgl. ebd., S. 78 f. 278 Carl Ferdinand Reinhold an Walter Goetz am 31.7.1933 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 279 Ebd.

318  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

Werk enthalten ist oder nicht.“280 Der Verlag bemühte sich sehr, Goetz’ Verständnis in dieser Sache zu erreichen. Um das Problem einvernehmlich lösen zu können, wies man auf den großen Erfolg der Weltgeschichte hin, der nicht zuletzt auf die Arbeit des Herausgebers zurückzuführen sei, lobte die gute Zusammenarbeit und besuchte Goetz persönlich, um ihm die Schwierigkeiten der Situation erneut auseinanderzusetzen. Auf diese Weise erreichte man schließlich, dass Goetz auf den Abdruck der kritischen Textstellen verzichtete, seine Darstellung auf die Entwicklungen bis 1918 beschränkte und somit das Werk einen aus der Sicht des Verlags „ungestörten Abschluss“ „unter Ausschaltung aller Reibungsflächen“ finden281 und im November 1933 Band 10 der Propyläen-Weltgeschichte erscheinen konnte.282 Für Goetz allerdings war das Thema damit keineswegs erledigt, denn der Verlag kündigte unmittelbar nach Abschluss des zehnten Bandes der Propyläen-Weltgeschichte einen Ergänzungsband an. Dieser sollte sich – obgleich bereits Band 10 der Weltgeschichte die Zeit von 1890 bis 1933 behandelt hatte – nun erneut und wohl stärker im Sinne des nationalsozialistischen Regimes mit der jüngsten Vergangenheit seit 1928 auseinandersetzen. Goetz reagierte darauf mit einem Rundschreiben an alle Mitarbeiter der Propyläen-Weltgeschichte. Darin wollte er seinen Dank für die fruchtbare Zusammenarbeit ausdrücken, aber auch noch einmal auf die Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Verlag bezüglich des umstrittenen und letztlich gestrichenen Abschnitts Internationalismus und Nationalismus zurückkommen. Ihm lag viel daran, dass seine Person keinesfalls mit dem stattdessen geplanten Ergänzungsband in Verbindung gebracht wurde. Die Mitarbeiter forderte er auf, es ihm gleichzutun. Er wünschte sich, dass „kein Mitarbeiter der Propyläen-Weltgeschichte sich in den Dienst einer im großen vorgeschriebenen Geschichtsauffassung“ stelle, unabhängig davon, wie die jeweilige „politische Stellung“ des Einzelnen auch sei.283 Der Verlag weigerte sich, das Rundschreiben in dieser Form an die Mitarbeiter zu versenden: Wir sind daher der Ansicht, dass die Verhandlungen, die wir mit Ihnen und Geheimrat Brandenburg [Erich Brandenburg] bezüglich der Gestaltung des letzten Bandes geführt haben, eine interne Angelegenheit zwischen den Beteiligten bleiben und in dem geplanten Rundschreiben wegfallen sollten. […] Gegen Ihre ausdrückliche Feststellung, dass Ihre Herausgeberschaft mit den 10 Bänden der Weltgeschichte beendet ist, und dass Sie an dem beabsichtigten Ergänzungsband keinen Anteil haben werden, besteht unsererseits keinerlei Einwendung. Jedoch

280 Ebd. 281 Carl Ferdinand Reinhold am 24.8.1933 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 282 Vgl. Carl Ferdinand Reinhold an Walter Goetz am 30.11.1933 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/ 54). Reinhold bedachte Goetz auch in diesem Schreiben mit warmen Worten des Dankes „für die liebe, freundliche, menschlich vornehme Haltung“, die ihm Goetz in den Jahren gemeinsamer Arbeit erwiesen habe. 283 Handschriftlicher Briefentwurf von Walter Goetz, ohne Datumsangabe (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54).

6.4 Populäre Geschichtsschreibung im Propyläen-Verlag



319

halten wir es nicht für angebracht, dieser Feststellung eine indirekte Aufforderung folgen zu lassen. Dass der Verlag bei Herausgabe dieses Bandes mit aller Klarheit sagen wird, in wessen Hände diese Aufgabe gelegt wurde, bedarf kaum einer besonderen Versicherung, aber sie sei Ihnen hiermit gegeben.284

Der Ergänzungsband konnte letztlich nicht realisiert werden. Die Propyläen-Weltgeschichte wurde nach der Machtübernahme Hitlers verboten, an eine Neuauflage war nicht zu denken. Reinhold blieb 1937 zunächst nur die Hoffnung auf einen Abverkauf der noch vorhandenen Vorräte, gleichzeitig war der Verlag allerdings entschlossen, „auch weiterhin mit einem solchen Werk auf dem Büchermarkt vertreten“ zu sein.285 Man sprach zu diesem Zeitpunkt bereits vom Aufbau einer völlig neuen Weltgeschichte,286 die unter dem Titel die Neue Propyläen-Weltgeschichte ab 1940 von dem Schüler und Schwiegersohn Erich Marcks Willy Andreas herausgegeben werden sollte, der bereits als Autor an der Propyläen-Weltgeschichte mitgearbeitet hatte.287

6.4 Populäre Geschichtsschreibung im Propyläen-Verlag Insgesamt trifft für die Propyläen-Weltgeschichte in der Weimarer Republik zu, was bereits für die populäre Geschichtsschreibung während der Zeit des Kaiserreiches Gültigkeit hatte:288 Entscheidend für den Erfolg des Werkes war die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Verlag und Herausgeber, die trotz unterschiedlichster Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen stets von beiden Seiten gestützt und gefördert wurde. Die wichtigsten Faktoren sind im Bekanntheitsgrad des Herausgebers und der Autoren sowie in der Einflussnahme des Verlags zu sehen, der eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Propyläen-Weltgeschichte eingenommen hat.

284 Carl Ferdinand Reinhold an Walter Goetz am 30.1.1934 (Koblenz, BA, NL Goetz, N 1215/54). 285 Ebd. 286 In Jahren 1936 und 1937 erschienen außerdem zwei „Zusatzbände“, die sich allerdings jeglichen direkten Bezugs zur abgeschlossenen Propyläen-Weltgeschichte enthielten. Vgl. hierzu: Diwald, Das Selbstverständnis Europas, S. 280. 287 Zu Andreas vgl. Eike Wolgast: Andreas, Willy. In: Badische Biographien NF 2 (1987), S. 4–7. Andreas stand der DDP nahe; Wolgast bescheinigt Andreas eine politisch „liberale Gesinnung“, die allerdings von einem großdeutschen und antifranzösischen Nationalismus begleitet wurde, der sich ebenfalls in seiner Geschichtsauffassung niederschlug. Als Professor in Heidelberg „entfaltete Andreas […] eine weit ausstrahlende intensive wissenschaftliche Wirksamkeit in Forschung und Lehre.“ Hinzu kam „eine lebhafte publizistische Tätigkeit“. Andreas verstand sich als „Geschichtsschreiber“. In den meisten seiner Publikationen wandte er sich „über den Kreis der Fachgenossen hinaus an eine größere historisch interessierte Öffentlichkeit“. Vgl. umfassend zu Andreas Wirken und Werdegang an der Universität Heidelberg besonders auch nach 1933: Wolgast, Mittlere und Neuere Geschichte. 288 Vgl. Nissen, Populäre Geschichtsschreibung, S. 324.

320  6 Weltgeschichtsschreibung im Propyläen-Verlag

Auf der Grundlage der Ullstein-Weltgeschichte hatte er eine erfolgreiche populärwissenschaftliche Konzeption für das neue Werk erdacht, an der sich die Arbeit aller Beteiligten auszurichten hatte. Die Aufgabe des Verlags lag vor allem darin, die verständliche Aufbereitung des Stoffes sowohl in der optischen Gestaltung der Textgliederung, der Typographie und der Illustrationen zu entwickeln als auch inhaltlich in den Beiträgen der Autoren zu überwachen. Obwohl von renommierten Historikern verfasst und damit durchaus innerhalb der akademischen Geschichtswissenschaft zu verorten, weist die Weltgeschichte eindeutige Merkmale populärer Wissensvermittlung auf, wie die im Vordergrund stehenden Illustrationen, den Verzicht auf einen wissenschaftlichen Apparat mit Fußnoten und Literaturangaben und die Komprimierung und Vereinfachung des Stoffes.289 Der Verlag fungierte als Vermittler zwischen Wissenschaft und Leser und erlangte auf diese Weise den Zugang zu einer breiten Leserschaft, der gute Absatzzahlen garantieren sollte. Um das Werk bestmöglich zu platzieren, waren seine Marktkenntnisse unerlässlich. Ullstein steuerte den zeitlichen Ablauf des Erscheinens der einzelnen Bände und nahm eine auch im Hinblick auf mögliche Konkurrenzprodukte marktfähige Format- und Preisgestaltung vor. Die Propyläen-Weltgeschichte, bis heute als Beispiel für die Qualität des Propyläen-Programms genannt, kann als eines der wichtigsten Projekte des Verlags angesehen werden, da sie neben ihrem wirtschaftlichen Erfolg für den Ullstein Verlag auch einen hohen Stellenwert im Hinblick auf seine Positionierung im literarischen Feld hatte.

289 Vgl. ebd., S. 323.

7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1 7.1 Kunstzeitschriften der Weimarer Republik – ein Überblick 7.1.1 Zeitschriftengründungen vor dem Ersten Weltkrieg Zahlreiche Kunstzeitschriften der Weimarer Republik waren bereits im Zeitraum um die Jahrhundertwende ab ca. 1895 bis zum Ersten Weltkrieg gegründet worden. In diesen Jahren war in der Kunst – angeregt besonders durch Einflüsse aus Frankreich und England –eine umfassende Erneuerungsbewegung angestoßen worden, die sich gegen die stark durch Kaiser Wilhelm II. geprägte, traditionelle Kunstauffassung der Akademien richtete.2 Die „neue“, „moderne“, „avantgardistische“ Kunst zeichnete sich vor allem durch ihre Vielfalt und das Nebeneinander unterschiedlicher Stilrichtungen aus. Sie ließ sich durch eine allgemeine Aufbruchstimmung, den Willen zu Weiterentwicklung und Modernisierung der Kunst und die Abkehr vom Historismus charakterisieren. Damit war die Kunst dieser Epoche „weniger denn je in eine bestimmte Formel [zu] bringen“, wie Otto Julius Bierbaum bereits 1893 konstatierte.3 Sie sollte vor allem „mehr sein […] als bloße, träge Erbnießerin der Vergangenheit“ und sich als „starker und reicher Ausdruck ihrer Zeit“ manifestieren.4 Die jungen Künstler drängten auf eine „Neugestaltung der künstlerischen Zustände, auf eine Neubegründung der gesamten künstlerischen Erziehung und Production“.5 Man wollte die Kunst wieder stärker in das Leben integrieren, wobei besonders das Kunsthandwerk eine Brücke zwischen Kunst und Alltag herstellen sollte.6 In dieser Phase, in der die Verbreitung und Erläuterung der neuen Darstellungsformen und Kunstauffassungen ein wichtiges Anliegen der Künstler war und gleichzeitig unter den Kunstinteressierten ein erhöhter Bedarf an Information über die neuen Ideen und Konzepte herrschte, entwickelte sich die Publikationsform der Zeitschrift zu einem bedeutenden „Artikulationsmedium“.7 Die Künstler entdeckten das Potenzial der Zeitschrift als Vermittlungsinstanz zwischen Kunst und Publikum.

1 Der Querschnitt. „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“ 1924–1933. Hrsg. von Christian Felber. Frankfurt/M. u. a.: Ullstein 1981. 2 Vgl. Rennhofer, Kunstzeitschriften der Jahrhundertwende, S. 17–22. Vgl. auch Abschn. 4.2. 3 Otto Julius Bierbaum: Aus beiden Lagern. München 1893. Zitiert nach Rennhofer, Kunstzeitschriften, S. 22. 4 Ebd. 5 Alfred Lichtwark: Zur Einführung. In: Pan 1, 2 (1895), S. 97. 6 Vgl. Rennhofer, Kunstzeitschriften, S. 21. 7 Schneider, Artikulationsort Zeitschrift, S. 171. https://doi.org/10.1515/9783110683561-007

322  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

Die Zeitschrift sollte die Gesellschaft mit den neuen Kunstströmungen vertraut machen und war gleichzeitig unmittelbares Experimentierfeld der Künstler. Hier konnten neue Ausdrucksformen, z. B. auch für das Zusammenwirken von Text und Bild, weiterentwickelt werden. Befördert wurde die Entwicklung durch die technischen Errungenschaften in der Bildreproduktion (vgl. Abschn. 4.2), die eine Präsentation der neu entstandenen Werke durch umfangreiches Illustrationsmaterial ermöglichte. Gleichzeitig steigerten der häufig kompromisslose Einsatz einzelner Künstler, Kunstschriftsteller oder Kunsthistoriker für eine bestimmte Kunstrichtung und die damit verbundene Notwendigkeit der Diskussion und des Kommentars den Anteil der gezielten Polemik in den Kunstzeitschriften.8 Bis dahin hatten sie vor allem als referierendes Informationsorgan fungiert,9 während sie nun eine stärker meinungsbildende und popularisierende Funktion erhielten. Die Gründe für das jahrelange Bestehen einzelner, vor dem Ersten Weltkrieg gegründeter Zeitschriften teilweise bis über die Weimarer Jahre hinaus sind vor allem in der Ansprache eines weniger exklusiven, größeren Leserkreises und der dauerhaften Bindung der Leser durch eine möglichst hohe Kontinuität der Zeitschriften in Programm und Inhalt zu suchen. Zudem sorgte in vielen Fällen die Anbindung an einen etablierten Verlag für die notwendige Finanzierung, Bekanntmachung und Stabilität der Zeitschriften. Als Beispiele können zunächst der Kunstwart und die Kunst für Alle genannt werden, die beide ein breites Zielpublikum ansprachen, für eine nationale Kunst eintraten und darüber hinaus einen volkserzieherischen Anspruch erkennen ließen.10 Der Kunstwart war 1887 von Ferdinand Avenarius (1856–1923) gegründet und zunächst im Selbstverlag herausgegeben worden. Während die Zeitschrift in den ersten Jahren nicht mehr als 680 Abonnenten erreichen konnte,11 gelang durch die Übernahme des Verlegers Callwey im Jahr 1895 ein Aufschwung auf bis zu 23 000 Abonnenten in den Jahren 1909 bis 1913.12 Mit dem Ausscheiden von Avenarius im Jahr 1923 und der Übernahme des Kunstwarts durch seinen Stiefsohn Wolfgang Schumann musste der Kunstwart einen deutlichen Bedeutungsverlust hinnehmen, der durch eine „geistige Kehrtwendung“ des Zeitschriftenprofils von einer nationalen zu einer stark sozialistischen Prägung ausgelöst worden war und den Verlust

8 Vgl. beispielsweise die Kontroverse zwischen Paul Westheim und Herwarth Walden. Hierzu Windhöfel, Paul Westheim, S. 87–114. 9 Vgl. Rennhofer, Kunstzeitschriften, S. 28. 10 Krause, Der Kunstwart, S. 216. Vgl. auch die für den Kunstwart von der Universitätsbibliothek Heidelberg zusammengestellten Informationen im Rahmen des Digitalisierungsprojektes „Kunstwissenschaftliche Literatur – digital“. URL: http://www.ub.uni-heidelberg.de/heliosfachinfo/www/ kunst/digilit/artjournals/kunstwart.html. Für die Kunst für Alle vgl. Pohlmann, Kunst für Alle. 11 Vgl. Krause, Kunstwart, S. 217. 12 Vgl. ebd., S. 219.

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eines Großteils der Leser zur Folge hatte.13 Der Kunstwart konnte zwar bis 1937 weiter erscheinen (ab 1931 herausgegeben von Hermann Rinn), spielte aber unter den Kunstzeitschriften der Weimarer Republik keine besondere Rolle mehr. In Bezug auf den Kunstwart stellte der Querschnitt einen deutlichen Gegenpol dar. Der Kunstwart beschränkte sich auf eine rein nationale Perspektive mit antisemitischer Prägung und richtete sich an ein eher unakademisches, zwar an der Kunst interessiertes, aber unerfahrenes Zielpublikum. Dem entgegen trat der freiheitsliebende Querschnitt mit seiner elitären, internationalen Ausrichtung, der ein gebildetes, äußerst kunstversiertes, anspruchsvolles Publikum adressierte. Mit der von 1885 bis 1944 erschienenen Kunst für Alle hatte der Kunstverleger Friedrich Bruckmann (1814–1898) einen neuartigen Zeitschriftentypus geschaffen, in dem erstmals fotografische Farbreproduktionen von Kunstwerken „eine zentrale Rolle spielten“.14 Gleichzeitig wurde die Zeitschrift „ein wichtige[s] Forum für die Verbreitung der künstlerischen Fotografie.“15 Die bewusst erzeugten Relationen zwischen den abgedruckten Kunstwerken des Realismus und den dargebotenen Fotografien erinnern stark an die Gegenüberstellung von Malerei und Fotografie im Querschnitt (s. u.). Bis auf die Fotopräsentation hatte der Querschnitt allerdings nichts mit der Kunst für Alle gemein. Nach dem Tod des Herausgebers Friedrich Pecht (1814–1903) wurde die Kunst für Alle zwar moderner und internationaler, man konnte Autoren wie Julius Meier-Graefe, Alfred Lichtwark und Hugo von Tschudi gewinnen und setzte sich für die Künstler der Sezession und den deutschen Impressionismus ein. Der Kunst der Avantgarde gegenüber blieb man jedoch weitgehend verschlossen.16 An eine stärker kunsthistorisch gebildete Leserschaft richteten sich Zeitschriften wie die ab 1899 ebenfalls bei Bruckmann erschienene Kunst oder die 1903 im Bruno Cassirer Verlag gegründete Zeitschrift Kunst und Künstler. Die Kunst setzte sich aus der Freien Kunst und der Angewandten Kunst zusammen, deren Hefte jeweils im Wechsel erschienen. Der inhaltliche Schwerpunkt lag insgesamt auf zeitgenössischer Kunst. Unter den Autoren finden sich einige der bekanntesten Künstler, Museumsdirektoren und Schriftsteller der Jahrhundertwende, wie beispielsweise Otto Eckmann, Peter Behrens, Henry van der Velde (1863–1957), William Morris (1834–1896) oder Emil Rudolf Weiß in der Angewandten Kunst und Alfred Lichtwark, Julius Meier-Graefe, Paul Schultze-Naumburg (1869–1949) oder Berta Naumburg (1843–1897) in der Freien Kunst. Mit ihrem erfolgreichen Konzept, das keine Fokus-

13 Ebd., S. 226. 14 Sabine Brantl: Die Kunst für Alle. In: Ein Blick für das Volk. Die Kunst für Alle. Hrsg. von Jochen Meister und Sabine Brantl, S. 2. URL: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/102/1/DieKunstfueralle.pdf [23.6.2017]. 15 Pohlmann, Kunst für Alle, S. 37. Zu den Verdiensten des Bruckmann-Verlags auf dem Gebiet der Fotoreproduktion, vgl. ebd. 16 Vgl. Brantl, Die Kunst für Alle, S. 2.

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sierung auf eine bestimmte Kunstrichtung oder Tendenz vorsah und auf Polemik verzichtete, konnte die Kunst eine äußerste Langlebigkeit verzeichnen. Sie erschien bis 1988 unter ihrem ursprünglichen Namen und ging dann in der im Burda Verlag gegründeten Zeitschrift PAN auf. Auch die von Bruno Cassirer konzipierte und ab 1906 von Karl Scheffler herausgegebene Zeitschrift Kunst und Künstler konnte sich rasch etablieren und rückte innerhalb kürzester Zeit an „die erste Stelle“ der deutschen und europäischen Kunstzeitschriften.17 In seinen 1946 erschienenen Memoiren begründete Scheffler den Erfolg der Zeitschrift mit ihrem Programm, das „nicht auf Grund einer Bewegung, einer Richtung [oder] einer Weltanschauung“ entwickelt worden war, sondern dem eine Auswahl von Künstlern und Kunstwerken zugrunde lag, die – auf „Kennerschaft“ beruhend – mit „Überzeugungskraft“ den Lesern gegenüber zu vertreten sei.18 Darüber hinaus sei es wichtig, so Scheffler, die Abonnentenzahl nicht zu gering zu kalkulieren, „weil Exklusivität bedenklich ist“, aber auch nicht zu hoch anzusetzen, „weil sonst Interessen befriedigt sein wollen, die der charaktervollen Haltung der Zeitschrift schaden“.19 Vor dem Ersten Weltkrieg galt Kunst und Künstler als „die meinungsbildende Zeitschrift des Bildungsbürgertums wie der neueren Kunsthistorik“.20 Ihr Schwerpunkt lag allerdings auch nach dem Krieg weiterhin auf dem französischen Impressionismus und der Berliner Sezession um Max Liebermann. Den neueren Entwicklungen der Kunst trat das Blatt sehr zurückhaltend gegenüber, was insbesondere der Ablehnung des Expressionismus durch Scheffler geschuldet war. In der Weimarer Republik nahm Kunst und Künstler damit eine stark retrospektive Position ein, die einen großen Teil des aktuellen Kunstlebens ausblendete und stattdessen vermehrt die ältere Kunst, Museumsproblematiken, die Kunstwissenschaft und die Kunstliteratur mit einbezog.21 Der Querschnitt-Herausgeber Herman von Wedderkop (1875–1956) distanzierte sich deutlich von den oben genannten „ernsthaften“ Kunstzeitschriften, zu denen auch die seit 1866 bei E. A. Seemann erscheinende Zeitschrift für bildende Kunst zählte. „Der Typus Kunst-Zeitschrift ist nebenan, Schlafmittel, dessen Einförmigkeit selbst heutigen [sic!] Organismen nicht mehr unterkriegt. Greisenspielzeug.“ „Jeglicher Art ernsthafter Betrachtung, insbesondere Kunstanalysen“ sollte der Querschnitt „hermetisch verschlossen“ bleiben.22 Das Ziel war es, mit einem innovativen inhaltlichen und ästhetisch-gestalterischen Konzept, das sich für alles Neue und Moderne einsetzte, die etablierten Zeitschriftentypen zu überwinden und somit „Le-

17 Scheffler, Die fetten und die mageren Jahre, S. 181. 18 Ebd., S. 188. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Vgl. Paas, Kunst und Künstler, S. 200 f. 22 Wedderkop, Standpunkt, S. 1.

7.1 Kunstzeitschriften der Weimarer Republik – ein Überblick



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ben in die dehnende Gleichförmigkeit zu bringen“.23 Mit der unterhaltsamen Kombination von Kunst- und Literaturbeiträgen und humoristisch-kritischen Texten und Karikaturen bot der Querschnitt jedoch kein Novum, sondern griff auf ein bereits vor der Jahrhundertwende vor allem von der Jugend etabliertes Konzept zurück,24 das in zahlreichen Zeitschriften nach dem Ersten Weltkrieg seinen Niederschlag fand. Inhaltlich und gestalterisch hatte der Querschnitt ansonsten keine Gemeinsamkeiten mit der Jugend, die zu den wichtigsten deutschen Organen für Kunst, Kunstgewerbe und Literatur der Jahrhundertwende zählte und der Epoche des Jugendstils ihren Namen verliehen hatte.25 Mit seiner offensiven Abkehr vom Expressionismus (s. u.) distanzierte sich der Querschnitt außerdem explizit von dem ab 1910 von Herwarth Walden herausgegebenen Sturm, der als wichtigste Publikation des Expressionismus und insgesamt als „bedeutendste[s] Sprachrohr der Moderne“ gilt.26

7.1.2 Zeitschriftengründungen nach dem Ersten Weltkrieg Die Zahl der Zeitschriftengründungen erreichte einen weiteren Höhepunkt unmittelbar vor bzw. nach Kriegsende in den Jahren zwischen 1917 und 1919.27 Betrachtet man die Zeitschriftenproduktion im Zeitraum von 1919 bis 1922, so lässt sich ein Zuwachs von knapp 30 Prozent feststellen. Das entsprach einer Steigerung um 3886 Titel auf ein Gesamtvolumen von 5065 Titeln.28 Die Sparte der Kunst umfasste allerdings lediglich 4 Prozent, während das Hauptgewicht auf den Sparten Handel und Verkehrswesen (20 Prozent) und Rechts- und Staatswissenschaften (10 Prozent) lag.29 Dennoch klagten Vertreter aus Kunst und Literatur über die „viel zu zahlreichen Kunstrevuen“30 und darüber, dass „jeder Verlag, der etwas auf sich hält, […] genötigt [sei], für seine Bekannten eine besondere Zeitschrift herauszugeben, um

23 Ebd. 24 Vgl. Waltraud Wende: Der Jugendstil der Jugend. In: Philobiblon Band 37, 3 (1993), S. 258–272, hier S. 263. 25 Vgl. Kunstwissenschaftliche Literatur – digital, http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/kunst/digilit/artjournals/jugend.html. 26 Georg Brühl: Herwarth Walden und der Sturm. Köln: DuMont 1983, S. 31. 27 Vgl. Schneider, Artikulationsort Zeitschrift, S. 171 f. Der dort mit Bezug auf Paul Raabe: Das literarische Leben im Expressionismus. In: Die Zeitschriften und Sammlungen des literarischen Expressionismus: Repertorium der Zeitschriften, Jahrbücher, Anthologien, Sammelwerke, Schriftenreihen und Almanache 1910–1921. Stuttgart: Metzler 1964 für die avantgardistischen (vor allem literarischen) Zeitschriften angegebene Gründungshöhepunkt in den Jahren 1910 bis 1914 lässt sich nicht allgemein auf die Kunstzeitschriften übertragen, doch wurden in jenem Zeitraum die wichtigsten avantgardistischen Kunstzeitschriften Der Sturm und Die Aktion gegründet. 28 Vgl. Kastner, Statistik und Topographie, S. 374. 29 Vgl. ebd., S. 374 f. 30 Cicerone, Jg. 12, 1920, S. 172, zitiert nach Herzog, Kunstzeitschriften, S. 67.

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sie auf dem Laufenden zu halten“31. Alfred Döblin fragte im selben Aufsatz, ob es nicht besser sei, „die Verleger verständen sich, tun sich irgendwie zusammen, oder irgendein Zahlungsfähiger macht es im Großen: ein paar hervorragende monumentale Organe zu gründen und sie billig zu vertreiben?“.32 Bereits 1916 hatte Bode kritisiert, dass vor allem die Anzahl der Kunstzeitschriften, Jahrbücher, usw., wie sie in Deutschland etwa in den letzten 10 Jahren entstanden sind, wahrlich nicht zur Vertiefung der Arbeit oder zur Besserung der künstlerischen Belange geführt [haben]. Auch nicht zur Verbesserung des Tones unter den deutschen Kunstgelehrten, da fast jede neue Zeitschrift einer neuen Richtung dienen will.33

Inflationsbedingt kam es im Jahr 1923 insgesamt zu einem Einbruch der Zeitschriften-Titelproduktion bis unter das Niveau von 1919.34 Im Bereich der Kunstzeitschriften machte sich dieser Rückgang besonders bemerkbar, da die Verleger zudem starke Einschränkungen aufgrund der Papierknappheit, der schlechten Qualität aller zur Herstellung benötigten Materialien und Lohn- und Preissteigerungen in den Buchdruckereien, -bindereien und im graphischen Gewerben hinnehmen mussten.35 Dass gleichzeitig das Segment der Kunstbücher in eben jenem Zeitraum einen Zuwachs verzeichnen konnte, erklärte sich dadurch, dass während der Inflation bei den Verlagen die Tendenz bestand, sich anstelle von Zeitschriften, die ein höheres unternehmerisches Risiko mit sich brachten […], verstärkt der Publikation von Neuauflagen bewährter Bücher zu widmen, deren Verkaufsaussichten besser abzuschätzen waren und über deren Produktion in Abhängigkeit von der aktuellen Preisentwicklung bei Druckern und Papierlieferanten von Fall zu Fall entschieden werden konnte.36

31 Alfred Döblin: Neue Zeitschriften. In: Die neue Rundschau 30 (1919), S. 623. 32 Ebd., S. 624. 33 Wilhelm von Bode: Die deutsche Kunstwissenschaft und ihre Jünger. In: Wieland. Zeitschrift für Kunst und Dichtung 49–52 (1916), S. 6, zitiert nach Herzog, Kunstzeitschriften, S. 18. 34 Vgl. Kastner, Statistik und Topographie, S. 374. 35 Vgl. Peters, Kunstverlage, S. 464. Vgl. z. B. Hans (Giovanni) Mardersteig, der im Kurt Wolff Verlag die Gesamtverantwortung für die Herstellung der Zeitschrift Genius (s. u.) innehatte, äußerte hierzu: „In jener Zeit, am Ende des Ersten Weltkrieges und in den nachfolgenden Jahren, fehlte es an fast allem, was die Voraussetzung ist, um Bücher zu machen, die einigermaßen dem hohen Standard der Vorkriegszeit nahekommen konnten, […]. Das Papier, die Druckfarben, das Bindematerial – alles war im allgemeinen von unerfreulicher Güte.“ Giovanni Mardersteig: Ein Leben den Büchern gewidmet. Mainz: Gutenberg-Gesellschaft 1968, S. 5. 36 Georg Jäger: Das Zeitschriftenwesen. In: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Das Kaiserreich 1870–1918. Teil 2. Hrsg. von Georg Jäger im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. Frankfurt/M.: MVB 2003, S. 369–389, hier S. 369.

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Hinzu kam, dass zahlreiche der avantgardistischen Zeitschriften einen sehr eingeschränkten Rezipientenkreis hatten und kein großes Publikum erreichten. Viele erschienen im Selbstverlag oder in eigens zum Zweck der Herausgabe einer Zeitschrift gegründeten Kleinverlagen, entweder weil die Verantwortlichen keinen etablierten Verlag von ihrem Vorhaben hatten überzeugen können oder weil sie sich bewusst nicht in die Abhängigkeit der bürgerlichen Verlage begeben wollten.37 Ohne die Einbettung in eine Verlagsorganisation und die entsprechende Querfinanzierung durch andere Titel war den Zeitschriften oft keine lange Überlebensdauer beschert, denn sogar die in größeren Verlagen herausgegebenen und ein breiteres Publikums ansprechenden Kunstzeitschriften sollten in der Regel ein Zuschussunternehmen bleiben. Es fehlte an verlegerischer Erfahrung und an finanziellen Mitteln, um die Unternehmungen über die ersten Jahre oder manchmal auch nur den ersten Jahrgang hinaus weiterzuführen.38 Doch selbst die in etablierten Verlagen angesiedelten Zeitschriften waren nicht unbedingt langlebiger und wurden oftmals schon nach relativ kurzer Zeit aus unterschiedlichen Gründen wieder eingestellt.39 Nach Überwindung der Hyperinflation stieg die Zeitschriftenproduktion wieder an. Dies war aber wohl vor allem „der merklichen Zunahme medizinischer, mathematischer und technischer Zeitschriftentitel“ geschuldet.40 Im Bereich der Kunst wurde indessen beklagt, „dass der Leserkreis der Kunstzeitschriften […] immer kleiner“ werde und „infolgedessen […] eine Kunstzeitschrift nach der anderen“ verschwinde.41 So zählte Menz in seiner Auswertung für das Jahr 1914 182 Kunstzeit-

37 Vgl. Schneider, Artikulationsort Zeitschrift, S. 179. 38 Vgl. hierzu auch Raabe, Das literarische Leben im Expressionismus, S. 1–22. „Die meisten [Zeitschriften] kamen über einen Jahrgang nicht hinaus, und das gehörte zu ihrem Wesen. Der erste Impuls war der stärkste, und meist reichte auch das Geld nicht, die Arbeit durchzuhalten.“ 39 Vgl. die Beispiele Der Marstall (Paul Steegemann Verlag), Jedermann sein eigener Fußball und Die Pleite (Malik Verlag) bei Schneider, Artikulationsort Zeitschrift, S. 179, und das Beispiel des Genius, der im Kurt Wolff Verlag erschien, s. u. Dass Das Kunstblatt als einzige der unmittelbar nach dem Krieg gegründeten Kunstzeitschriften regelmäßig bis 1933 erschien (vgl. Windhöfel, Paul Westheim und das Kunstblatt, S. 15), war lediglich der Hartnäckigkeit des Herausgebers Paul Westheim zu verdanken. Als das Blatt nach acht Jahren nicht mehr bei Kiepenheuer erscheinen konnte, sah er sich gezwungen, einen anderen Verlag für seine Zeitschriften zu finden und nach Ablauf von zwei Jahren einen erneuten Verlagswechsel vorzunehmen. Westheim wechselte mit dem Kunstblatt zu Beginn des Jahres 1926 zur Akademischen Verlagsgesellschaft Athenaion, und bereits zwei Jahre später stand ein erneuter Wechsel zum J. S. Spaeth Verlag an. Ab 1929 fand das Blatt schließlich wieder Anschluss an einen etablierten Kunstbuchverlag, es erschien bis 1933 im Werkbund Verlag Reckendorf 40 Vgl. Kastner, Statistik und Topographie des Verlagswesens, S. 375. 41 Karl Scheffler: Der neue Mensch. Vortrag: Die neue Kunst und der neue Mensch. Leipzig 1932, S. 17, zitiert nach Herzog, Kunstzeitschriften, S. 123.

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schriften,42 während Sperlings Zeitschriften- und Zeitungsadressbuch im Jahr 1930 nur noch 55 Kunstzeitschriften vermerkte.43 Als wichtigste und langlebigste Zeitschriftengründung im Bereich der Kunst in der Zeit während des Ersten Weltkrieges bis zum Ende der Weimarer Republik gilt das 1916 von Paul Westheim gegründete Kunstblatt, das ab 1917 bei Kiepenheuer erschien.44 Das Blatt trat in Aufmachung und Gestaltung in unmittelbare Konkurrenz zu Schefflers Kunst und Künstler. Es hatte dieselbe Erscheinungsweise und denselben Preis und richtete sich ebenfalls an das kunstinteressierte, bibliophile Bürgertum.45 Westheims Programm unterschied sich jedoch in seiner Ausrichtung auf die werdende, neue Kunst. Das Kunstblatt wurde als „internationalistisch, pluralistisch und modernistisch“46 charakterisiert, worin eine Parallele zum Querschnitt bestand. Während sich jedoch das Kunstblatt vor allem durch die starke Konzentration auf „die modisch-avantgardistische Novität“47 definierte, wollte der Querschnitt „bar jeder Belastung durch die üblichen Schwergewichte der Moral, der Romantik, der geistigen Einstellung, der Tendenz zum Neuesten, zum Radikalismus, zur Tradition, die Dinge, Menschen, Zustände um sich herum in Frische konservieren.“48 Das Konzept des Querschnitts verweigerte sich jeglicher Systematik und Fokussierung, um „beweglich und handlungsfrei“ und somit unabhängig „von geistigen oder künstlerischen Qualitäten zu bleiben“.49 Eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Kunstblatt und dem Querschnitt bzw. dem Ullstein Verlag bestand u. a. über Carl Einstein, der mit Westheim gut bekannt war. Wahrscheinlich hatten sich die beiden bereits in der Zeit zwischen 1906 und 1910 bei gemeinsam besuchten Vorlesungen Heinrich Wölfflins (1864–1945) in

42 Vgl. Menz: Die Zeitschrift, ihre Entwicklung und ihre Lebensbedingungen. 1928, S. 44. Zitiert nach Schneider, Artikulationsort Zeitschrift, S. 178. 43 Vgl. Museum und Avantgarde. Ludwig Justis Zeitschrift Museum der Gegenwart und die Musealisierung des Expressionismus. Hrsg. von Kurt Winkler. (Berliner Schriften zur Museumskunde. 17). Opladen: Leske+Budrich 2002, S. 14. 44 1916 war eine erste Nummer der Zeitschrift in Zusammenarbeit mit I. B. Neumann im Verlag das Graphische Kabinett erschienen. Da Neumann unmittelbar nach Fertigstellung der ersten Ausgabe in das österreichische Heer eingezogen wurde, Westheim nicht mit Neumanns Frau weitermachen wollte und schließlich in Kontakt mit Kiepenheuer kam, endete die Zusammenarbeit bereits nach der ersten Nummer. Diese wurde dann von Kiepenheuer noch einmal gedruckt und als offizielle erste Nummer des Kunstblattes im Januar 1917 herausgegeben. Vgl. Windhöfel, Paul Westheim, S. 44 f. Vgl. auch Herzog, Kunstzeitschriften, S. 58, der das Kunstblatt als Zeitschrift beurteilte, „die in Umfang und Aufmachung am bedeutendsten war, die – weit verbreitet und bekannt – die Zeit des Expressionismus überdauerte“. 45 Vgl. Windhöfel, Paul Westheim, S. 51. 46 Hermand/Trommler, Die Kultur der Weimarer Republik, S. 389 f. 47 Ebd. 48 Wedderkop, Standpunkt, S. 1. 49 Ebd.

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Berlin kennengelernt.50 Eine intensive Zusammenarbeit an unterschiedlichen Projekten ist besonders Mitte der zwanziger Jahre zu verzeichnen. Einstein war regelmäßiger Mitarbeiter des Kunstblattes und hatte zwei Bände der von Westheim zwischen 1920 und 1925 herausgegebenen Orbis Pictus-Weltkunstbücherei verfasst.51 1924 erarbeiteten Einstein und Westheim gemeinsam die Texte für den Katalog zur Ausstellung des Freundes Rudolf Belling (1886–1972) in der Nationalgalerie Berlin. 1924/25 erschien der von Einstein und Westheim gemeinsam herausgegebene Europa-Almanach im Kiepenheuer Verlag.52 In dieser Zeit konnten Einstein und Westheim auch Werke im Propyläen-Verlag realisieren. So gab Westheim 1925 die Künstlerbekenntnisse53 heraus und 1926 erschien als 16. Band der Propyläen-Kunstgeschichte Einsteins Kunst des 20. Jahrhunderts (vgl. Abschn. 4.2.4). Der Ararat war ebenfalls aus einer Kunstgalerie heraus entstanden und dem Querschnitt in seiner inhaltlichen Gestaltung sehr ähnlich. Die Zeitschrift erschien zunächst im Jahr 1919 in drei Nummern als politisches Flugblatt und wurde dann ab Januar 1920 mit der vierten Ausgabe in eine Kunstzeitschrift mit kleinerem Format umgewandelt, die „nur mehr für die ‚Neue Kunst‘ ein[zu]treten“ gedachte. Der Ararat wollte weder „werbend durch Aufruf und Hymne“ noch „theoretisierend durch Essay und Abhandlung“ den Leser informieren oder unterhalten, sondern wie der Querschnitt „die knappsten Formen literarischer Mitteilung bevorzugen: die Skizze, die Glosse und die Notiz.“54 Der Ton des Ararat war geprägt von einer angriffslustigen polemischen Schärfe gepaart mit Witz und Ironie, mit denen man „Pseudokritik“ und „Bürokratie“ entgegentreten wollte.55 Es verband die beiden Blätter darüber hinaus die internationale Ausrichtung und Berücksichtigung des ausländischen Kunstlebens, wobei der Ararat seinen Schwerpunkt auf Russland legte, während im Querschnitt Frankreich und England stärker im Vordergrund standen. Das von Leopold Zahn (1890–1970) herausgegebene Blatt erschien wöchentlich im Verlag des Münchner Kunsthändlers Hans Goltz (1873–1927). Es kann davon ausgegangen werden, dass sich Flechtheim und Goltz kannten und der Ararat Flechtheim als mögliche Inspirationsquelle für seine Marginalien und den sich daraus entwickelnden Querschnitt gedient hatte.56 Der Ararat informierte jedenfalls über Neuigkeiten aus Flechtheims Galerien und platzierte an prominenter Stelle Anzeigen

50 Vgl. Windhöfel, Paul Westheim, S. 9. 51 Vgl. ebd., S. 284–289. 52 Vgl. hierzu ebd., S. 289–297. 53 Vgl. hierzu ebd., S. 297–299. 54 Der Ararat 1 (1920), S. 1, zitiert nach Hans Goltz: Ein Wegbereiter der Moderne. URL: http://www. bad-bad.de/hansgoltz/h_goltz_5.htm [20.6.2018]. 55 Herzog, Kunstzeitschriften, S. 69 f. 56 Vgl. Esau, Magazine of Enduring Value, S. 882 f. Da Flechtheim mit allen wichtigen deutschen und französischen Galeristen und Herausgebern von Kunstzeitschriften bekannt war, standen ihm zahlreiche Publikationen als Ideengeber für den Querschnitt zur Verfügung.

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sowohl für die Galerien als auch für den Querschnitt.57 Wie der Querschnitt enthielt auch der Ararat „kurze Artikel, Notizen, Nachrichten, Anekdoten, viele große und kleine farblose Klischeebilder, eine Auslandsrundschau und internationale Bücherund Zeitschriftenschau, Künstlerbekenntnisse und Tagebuchnotizen“, die für eine unterhaltsame und vielseitige Ansprache der Leser sorgten.58 Im Unterschied zum Querschnitt waren allerdings sowohl der Umfang als auch die Ausstattung mit Abbildungen deutlich geringer. Während dem Querschnitt mit der Übernahme durch Ullstein die Etablierung auf dem Markt der Kunstzeitschriften gelang, musste der Ararat sein Erscheinen bereits 1921 wieder einstellen. Wenngleich der Querschnitt mit Ausstellungsbesprechungen, Auktionsberichten und Informationen über Auktionspreise die klassischen Themengebiete jener Kunstzeitschriften berührte, die sich vor allem an Sammler und/oder Kunsthändler richteten, wie z. B. der Cicerone, das Pantheon und Der Kunstwanderer, hatte er nichts mit deren klassischer Aufmachung und stärkerer Fokussierung auf die alte Kunst gemein. Im Querschnitt nahm die Kunst vielmehr – wie die Zeitschrift selbst – die Funktion eines Zeitdokuments59 der Moderne ein, eines Mediums, das die gesellschaftlich-kulturellen Diskurse aufnahm und verarbeitete. Besonders in der Auseinandersetzung mit dem Körper des Sportlers, die von Alfred Flechtheim und dem Querschnitt gefördert wurde, kam der Kunst eine wichtige Rolle in der Erarbeitung und Dokumentation eines neuen ästhetischen Verständnisses zu, das Gesellschaft und Kultur grundlegend prägen sollte (vgl. Abschn. 7.3). Das Kunstverständnis des Querschnitts knüpfte insgesamt an die Forderungen der neuen Kunstbewegungen seit der Jahrhundertwende an, für die ein Leben mit und für die Kunst im Mittelpunkt stand. Unter Wedderkops Einfluss entwickelte sich der Querschnitt zu einem „Magazin“ nach anglo-amerikanischem Vorbild60, das gleichzeitig die deutsche Magazin-

57 Vgl. ebd. 58 Herzog, Kunstzeitschriften, S. 69. 59 Vgl. hierzu beispielsweise Georg Witkowski in: Zeitschrift für Bücherfreunde 2 (1923), S. 71f: „Was da über älteste und neueste und einige zeitlose Dinge gesagt wird, ist zwar nicht immer tief, aber es zeigt, wohin heute der Wind in Ateliers und Schreibstuben der jungen Kunstmenschen weht. Als Zeitdokument schon sollte man diesen hübschen Band nicht übersehen.“ 60 „Orientiert an den amerikanischen Mustern, die er souverän und passioniert analysiert hatte.“ Hering, Der Querschnitt, S. 211. Siehe auch Esau, Magazine of Enduring Value, S. 877: „Wedderkop wanted to produce a magazine along the lines of American journals, and had carefully analysed the best American offerings to decide on the format and content that he wished his magazine to emulate. He was, then, in direct and regular contact with the editors and contributors to these magazines, as well as those of the most wellknown English literary journals.“ Zu den Unterschieden zwischen den amerikanischen und den deutschen Magazinen vgl.: Rössler, Global Players, vor allem S. 573 f.

7.2 Entstehung und Übernahme des Querschnitts durch Ullstein

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Tradition wieder aufgriff61 und schließlich als „Trendsetter“ auf dem deutschen Magazinmarkt der zwanziger Jahre fungierte.62 Wedderkop war es erfolgreich gelungen, die Idee des illustrierten amerikanischen Magazins für eine Kunstzeitschrift wie den Querschnitt und dessen Rezipientenkreis der deutschen und auch europäischen Intellektuellen zu adaptieren.63 Mit seiner „eigentümlichen Vereinigung von Exotik und Weltkunst mit Sport, Bühne und einer höchst aufgekratzten vorurteilslosen, neuen mondänen Gesellschaft“ wurde der Querschnitt als „gewissermaßen das erste Saxophon unter den deutschen Kunstzeitschriften“ charakterisiert.64 Aufgrund der umfangreichen Illustrierung und bewusst publikumswirksamen Gestaltung des Titelblatts unterschied sich der Querschnitt von den durch längere Textbeiträge und deutlich weniger Abbildungen charakterisierten „klassischen“ Kunstzeitschriften. Der häufige Vergleich mit dem New Yorker, dessen erste Nummer im Jahr 1925 erschien, als der Querschnitt bereits vier Jahre auf dem Markt war, macht deutlich, dass der Kulturtransfer in den zwanziger Jahren nicht nur von Amerika ausging. Vielmehr liegt es nahe, dass Harold Ross (1892–1951) vor seiner Gründung des New Yorkers – neben vielen anderen europäischen Zeitschriften – auch den Querschnitt genau studiert hatte.65 Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass Wedderkop und Ross ähnliche Inspirationsquellen für ihre Zeitschriften zugrunde gelegen hatten.66

7.2 Entstehung und Übernahme des Querschnitts durch Ullstein Der Querschnitt wurde 1924 von Ullstein übernommen und als Periodikum des Propyläen-Verlags in den Verlag eingegliedert. Ausgangspunkt für die Gründung der Zeitschrift durch Alfred Flechtheim war die in den Katalogen seiner Galerie enthaltene Rubrik ‚Mitteilungen der Galerie Flechtheim‘, der der Galerist mehr Bedeutung und eigenständigen Wirkungsraum verleihen wollte. Während der Ausstellungsbetrieb der Galerie Flechtheim in Düsseldorf durch die 1919 eingeführte Luxussteuer –

61 In Deutschland wurde der Begriff Magazin für periodisch erscheinende Zeitschriften bereits seit dem 18. Jahrhundert verwendet. Haacke nennt nach Georg Christoph Lichtenbergs und Georg Forsters Göttingischem Magazin der Wissenschaften und Litteratur für das 18. Jahrhundert und des bei Reclam erschienenen Universums für das 19. Jahrhundert, den Querschnitt als führendes Magazin des 20. Jahrhunderts. Vgl. Haacke, Magazin, Sp. 437. 62 Rössler, Global Players, S. 574. Rössler spricht von einer „Magazin era“ in Deutschland, die in den späten 20er Jahren ihren Höhepunkt fand, als fast jeder Verlag ein Magazin in seinem Portfolio aufweisen konnte und der Käufer am Kiosk die Wahl zwischen zahlreichen verschiedenen Titeln hatte. 63 Vgl. ebd. 64 Bruno Erich Werner: Die Zwanziger Jahre. Von Morgens bis Mitternachts. München: Bruckmann 1962, S. 42–44. Zitiert nach Haacke, Magazin, Sp. 441. 65 Vgl. Esau, Magazine of Enduring Value, S. 887. 66 Vgl. ebd.

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abzuführen bei Verkäufen an Privatpersonen – und die Neugründung der Berliner Filiale 1921 eingeschränkt war,67 konnte Flechtheim in jenem Jahr mit dem Start seiner neuen Zeitschrift einen Erfolg verbuchen (vgl. das Titelblatt in Abb. 38). Auf einen Einfall des Künstlers und späteren Mitarbeiters des Querschnitts Ottomar Starke hin entstand der Titel Querschnitt, der dem Blatt aufgrund des seltenen Anfangsbuchstabens einen erkennbaren Platz in den Katalogen sichern sollte.68 Die Kritik zollte Beifall,69 sodass der Querschnitt seine Fortsetzung fand,70 trotz Flechtheims Klagen über den finanziellen und zeitlichen Aufwand und entgegen seiner Ankündigung, das Blatt ab dem 1. Januar 1922 wieder einzustellen71 oder als Jahrbuch herauszugeben72. Im Jahr 1921 waren sechs Hefte im zweimonatigen Rhythmus erschienen, 1922 reduzierte sich die Folge auf lediglich drei Nummern, die im Frühling, Sommer und zu Weihnachten herauskamen. Zusätzlich hatte man mit Blick auf den Kundenkreis der Galerie Flechtheim und bibliophile Interessenten die Hefte des Jahres 1921 gesammelt als Jahrbuch und versehen mit einem Index der Abbildungen, Fotos und Porträts in einer Auflage von 400 nummerierten Exemplaren herausgegeben.

67 Nachgewiesen sind für 1921 lediglich zwei Ausstellungen, vgl. Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 135. 68 Vgl. Ottomar Starke: Was mein Leben anlangt. Erinnerungen. Berlin: Herbig 1956, S. 96. 69 Vgl. Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 148. 70 Vgl. auch Alfred Flechtheim und Wilhelm Graf Kielmansegg in: Der Querschnitt 2 (1922), Heft 1, S. 13 (Vorwort): „Inständige Bitten verständiger Leser des Querschnitt veranlassen uns, denselben weiter herauszugeben.“ 71 Vgl. Flechtheims Schreiben an seinen Geschäftspartner Daniel-Henry Kahnweiler vom 10.10.1921, zitiert bei Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 147. 72 Vgl. Der Querschnitt 1 (1921), Heft 6, S. 250 (Anmerkung).

7.2 Entstehung und Übernahme des Querschnitts durch Ullstein 

Abb. 38: Erste Ausgabe des Querschnitts im Januar 1921

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Abb. 39: Der Querschnitt im Querschnitt-Verlag, Sommer 1924

7.2 Entstehung und Übernahme des Querschnitts durch Ullstein 

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Als Flechtheims finanzielle Situation zum Ende der Inflationszeit prekärer wurde, sah er sich gezwungen, die Verantwortung für den Querschnitt, dessen Kosten nicht durch die Anzeigeneinnahmen gedeckt werden konnten, abzugeben. Im Oktober 1922 gründeten seine Kreditgeber den Querschnitt-Verlag, in dem neben den Mappenwerken Flechtheims ab 1923 auch der Querschnitt erschien (vgl. Abb. 39).73 Als alleiniger Herausgeber wurde Hermann von Wedderkop eingesetzt. Wie schwer es Flechtheim fiel, die Zeitschrift aufzugeben, zeigt der Kommentar in seinem Rückblick Zehn Jahre Kunsthändler: „Eines Tages aber kam Albert Dreyfus […] mit seinem Bruder Willy […] und Heinz Tiedemann […] und machten aus all diesen Sachen die QuerschnittAktiengesellschaft, setzten Hermann von Wedderkop in meine Zeitschrift und mich kalt.“74 Flechtheim und Wedderkop, letzterer ursprünglich Jura-Assessor in Köln, hatten sich vor dem Ersten Weltkrieg in Paris kennengelernt und waren seitdem freundschaftlich verbunden. Wedderkop trat in Flechtheims Ausstellungskatalogen mehrfach als Autor auf und verfasste von Beginn an Beiträge für den Querschnitt. Er galt als wichtige Persönlichkeit des Kunstlebens und verfügte über zahlreiche Kontakte zu Künstlern und Schriftstellern, auch über Deutschland hinaus.75 Von einem Schüler Hemingways wurde er (unter Bezugnahme auf den Querschnitt) als „one of the most outstanding literary editors of this century“ bezeichnet.76 Bis zum Ende der zwanziger Jahre stellte der Querschnitt den Mittelpunkt seines Schaffens dar. Ab 1927 veröffentlichte Wedderkop zudem einen Roman und einige Reisehandbücher. Die professionelle Etablierung des Querschnitts auf dem Markt, für die bis dahin vor allem die finanziellen Mittel gefehlt hatten, wurde mit der Übernahme durch den Propyläen-Verlag gesichert (vgl. Abb. 40). Während 1923 lediglich zwei Hefte als Doppelnummern und im Jahr 1924 bis November vier Hefte entstanden waren, erschien der Querschnitt ab diesem Zeitpunkt regelmäßig jeden Monat zu einem Preis von 1,50 Mark.77 Der konstante und bis in das Jahr 1932 unveränderte Preis korrespondierte mit einem gleichbleibenden Heftumfang und dem von nun an stabilen Verhältnis zwischen Text- und Anzeigenteil. Die Auflage, die in der Verantwortung Flechtheims maximal 3000 Exemplare betragen hatte,78 konnte bis 1933 auf über 27 000 Exemplare gesteigert werden, die größtenteils im Abonnement vertrieben wurden.78

73 Vgl. Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 168. 74 Alfred Flechtheim: Zehn Jahre Kunsthändler. In: Der Querschnitt 3 (1923), Heft 3/4, S. 151–156, hier S. 155. 75 Zur Entdeckung Hemingways für den Querschnitt durch Wedderkop, s. u. 76 Nicholas Joost: Ernest Hemingway (Reviews), Contemporary Literature, II:2 (Spring 1970), S. 297 f. Zitiert nach Esau, Magazine of Enduring Value, S. 869 f. 77 Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). 78 Vgl. Christine Schulze: Der Querschnitt (1921–1936). In: Deutsche Zeitschriften des 17. bis 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Heinz-Dietrich Fischer. Pullach: Verlag Dokumentation 1973, S. 379–391, hier S. 382. Christian Felber hingegen spricht von einer Auflage in Höhe „von weniger als 1000 Stück pro Heft“. Felber, Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte, S. 9.

336  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

Abb. 40 Der Querschnitt im Propyläen-Verlag, erstes Heft, November 192479

7.2 Entstehung und Übernahme des Querschnitts durch Ullstein

 337

Nicht zu unterschätzen ist allerdings der Wert, den Flechtheims Name für die erfolgreiche Fortsetzung des Querschnitts im Propyläen-Verlag hatte. Auf dem Umschlag und dem Titelblatt wurde der Kunsthändler als Begründer der Zeitschrift genannt, sodass die Aura des Kunstbetriebes den Querschnitt weiterhin umgab und sie mit Flechtheims symbolischem Kapital ausstattete. Flechtheim zählte in der Weimarer Republik zu den international bedeutendsten Händlern und engagiertesten Vermittlern moderner französischer Kunst.80 Er war bekannt für sein weitverzweigtes Beziehungsnetz, das die wichtigsten Künstler, Händler, Sammler und Museen umfasste, und hatte sich schon vor dem Ersten Weltkrieg einen Ruf „als Kenner und Organisator“ erworben.81 Auf seine erste Galeriegründung in Düsseldorf im Jahr 1913 folgten in den zwanziger Jahren Filialen in Berlin, Frankfurt und Köln. Neben seinen Tätigkeiten als Kunsthändler und -sammler war Flechtheim außerdem als Publizist und Verleger aktiv. Die Kataloge zu seinen zahlreichen Ausstellungen und ebenso die im Verlag der Galerie Flechtheim entstandenen Bücher und Mappenwerke – häufig in limitierten Auflagen dargeboten – genügten höchsten bibliophilen Ansprüchen.82 Flechtheim galt als „herausfordernde Erscheinung“83 und durchsetzungsstarke Persönlichkeit. Er war gleichzeitig begeisterungsfähiger Förderer der Kunst und versierter Geschäftsmann und wusste um eine nachhaltige Präsentation seiner Galerie und die gesellschaftliche Inszenierung seiner eigenen Person. In Berlin konnte sich Flechtheim nach dem Tod seines Freundes Paul Cassirer als eine der ersten Adressen84 der französischen Moderne etablieren. Die antisemitische Propaganda hingegen stilisierte ihn zum Inbegriff des jüdischen Kunsthändlers und attackierte ihn bereits zur Zeit der Weimarer Republik in zahlreichen Hetzartikeln. Das Plakat zur Ausstellung „Entartete Kunst“ (1938, Hamburg), die einen Großteil „seiner“ Künstler zeigte, bildete schließlich gar eine Karikatur Flechtheims im Hintergrund ab.85

79 Vgl. Ullstein-Berichte, April 1933, Berlin: Die durchschnittliche Auflage der Monate Januar, Februar und März 1933 wird mit 27 420 Exemplaren angegeben. Die Ullstein-Chronik verzeichnet für das Jahr 1933 24 900 Abonnenten. Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). 80 Vgl. Peter Springer: Alfred Flechtheim: Ein Kunsthändler neuen Typs. In: Avantgarde und Publikum. Zur Rezeption avantgardistischer Kunst in Deutschland 1905–1933. Hrsg. von Henrike Junge. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1992, S. 79–91, hier S. 85 und Monika Flacke-Knoch: Carl Einstein und Alfred Flechtheim. Vermutungen zu einer Wirkungsgeschichte. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Bd. XLIII/XLIX 1987/88, S. 473–484, hier S. 473. 81 Springer, Flechtheim, S. 81. 82 Vgl. Dascher, Es ist was Wahnsinniges, Der Galerist als Verleger: S. 137–143. 83 Starke, Leben, S. 95. 84 Flechtheim selbst betrachtete sich als erste Adresse, jedoch entstand ab Mitte der zwanziger Jahre eine Konkurrenzsituation mit der ebenfalls auf diesem Gebiet erfolgreich tätigen Galerie Thannhauser. Vgl. Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 209–211. 85 Vgl. ebd., Abbildung S. 363.

338  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt unter besonderer Berücksichtigung der Fotopräsentation 7.3.1 Kunst Dass der Querschnitt nach dem Verkauf an Ullstein „in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer das inoffizielle Publikationsorgan der Galerie Alfred Flechtheim“86 blieb, hing auch damit zusammen, dass das Thema Kunst neben Sport, allgemeinen Gesellschaftsthemen, Literatur, Theater, Kino, Mode, Architektur und Reisen lange Zeit den inhaltlichen Schwerpunkt des Querschnitts darstellte. Bis es im Jahr 1930 zum Bruch zwischen Wedderkop und Flechtheim kam87 und der Kunsthändler von da an nicht länger im Impressum der Zeitschrift genannt wurde, blieb Flechtheim dem Blatt weiterhin als Autor und dem Herausgeber als Freund und Berater erhalten. Erst ab 1929 wurde die regelmäßige, ausführliche Berichterstattung über die Galerietätigkeit Flechtheims eingestellt.88 Zusätzlich zu den in jedem Querschnitt-Heft auf einer der letzten Seiten platzierten ganzseitigen Anzeigen der Galerie und dem umfangreichen Bildmaterial zu den jeweiligen Ausstellungen erschienen entsprechende Würdigungen der Künstler durch bekannte Kunstschriftsteller. Carl Einstein schrieb im März 1925 über Georges Rouault und im Mai 1927 über Rudolf Belling, Arnold Zweig äußerte sich im März 1926 im Hinblick auf die Ausstellung über Degas als Plastiker und Julius Meier-Graefe steuerte Beiträge über Renoirs Alter (September 1927) und Paul Kleinschmidt (März 1928) bei. Auch die Künstler selbst konnte Flechtheim zu einer Plauderei im Querschnitt über ihre in seiner Galerie ausgestellten Werke bewegen, so beispielsweise Fernand Léger im Januar-Heft des Jahres 1928. Als weiteres Beispiel für die fortbestehende Verbindung von Galerie und Zeitschrift kann der Künstler Willi Baumeister angeführt werden. Für dessen Schaffen setzte sich der Querschnitt im Zusammenhang mit Flechtheims Baumeister-Ausstellung in Berlin (Februar 1929), einer Werkübersicht in der Frankfurter Galeriefiliale (November 1929) und der Herausgabe eines Mappenwerkes verstärkt ein. Neben Zeichnungen und Lithographien im Textteil der Hefte finden sich Rezensionen und verschiedene Erwähnungen Baumeisters, der selbst als Autor eines kleinen Beitrags über Stuttgart und die Schwaben auftrat und schließlich für das Sport-Heft der Ausgabe September 1930 das Umschlagbild entwarf.89

86 Ebd., S. 168. 87 Nach Dascher könnte der Auslöser Wedderkops Begeisterung für Mussolini gewesen sein, über den er im Juni 1930 ein Portrait „Mussolini, wie ich ihn sehe“ im Querschnitt veröffentlichte. Bereits ab dem nächsten Heft wurde Flechtheim nicht mehr als Gründer der Zeitschrift genannt. Vgl. ebd., S. 259 f. 88 Zu den Änderungen im Profil des Querschnitts ab 1929 und den Hintergründen s. u. 89 Vgl. Wolfgang Kermer: Willi Baumeister. Typographie und Reklamegestaltung. Stuttgart: Edition Cantz 1989, S. 104 f.

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt



339

Die Auswahl der Künstler, deren Leben und Werk Erwähnung im Querschnitt fanden, spiegelte insgesamt Flechtheims Einfluss wieder. Es handelte sich vorrangig um die in seiner Galerie vertretenen Künstler, die Maler der französischen Avantgarde, wie Picasso, Braque, Léger, Matisse, als deren wichtigster Multiplikator Flechtheim galt, und die von ihm protegierten zeitgenössischen deutschen Künstler, wie Beckmann, Belling, Lehmbruck, Hofer, Klee, Nauen, Barlach, Kokoschka, Sintenis (1888–1965) und de Fiori. Während der Expressionismus von Flechtheim und Wedderkop übereinstimmend als „erledigt“ beurteilt wurde – Wedderkop ging soweit, diesen als „Angelegenheit des deutschen Gemüts“ dem deutschen Volkslied zu empfehlen90 –, schlug sich Flechtheims wachsendes Interesse an außereuropäischer Stammeskunst, das auf die Verbindung zu Carl Einstein zurückgeführt wird, ebenfalls im Querschnitt nieder.91 Der Querschnitt wollte keinesfalls mit den konventionellen Kunstzeitschriften in Verbindung gebracht werden (vgl. Abschn. 7.1.1). Nicht ernsthafte Kunstanalysen, sondern anregende Wirkung, Lebendigkeit und Humor nach dem Vorbild der amerikanischen Magazine waren die Absichten, die der Herausgeber mit dem Querschnitt verfolgte.92 Die Beiträge waren zwar allesamt von anerkannten Kunstschriftstellern verfasst, verpflichteten sich aber in ihrem unterhaltsamen Ton dem allgemeinen Stil des Querschnitts. Sie entstanden stets in Verbindung mit den Ausstellungs-Berichterstattungen und boten mehr Einführung und Orientierung zu Künstler und Werk, als dass sie richtungweisende theoretische Grundlagen transportierten.93 Für seine kunstinteressierten Leser stellte der Querschnitt allerdings (neben dem regelmäßig erscheinenden Bücher-Querschnitt)94 bis 1928 einen Sammel-Querschnitt und zwischen August 1926 und Oktober 1927 einen Überblick über die wichtigsten Auktionsergebnisse zur Verfügung, zunächst als Auktionsquerschnitt in separater Beilage, schließlich in den Monaten Juli bis Oktober 1927 als Rubrik innerhalb des Heftes.

90 Wedderkop, Hermann von: Standpunkt. In: Querschnitt 3 (1923), Heft 1/2, S. 1–6, hier S. 3. Vgl. zur Einstellung Wedderkops dem Expressionismus gegenüber vor allem auch: Hermann von Wedderkop: Querschnitt durch 1922. In: Der Querschnitt 1922 (Jahresband), S. [11]–[18]. Vgl. auch Wilmont Haacke: Längsschnitt des Querschnitt. In: Der Querschnitt. Facsimile Querschnitt durch den Querschnitt 1921–1936. Hrsg. von Wilmont Haacke und Alexander von Baeyer. Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1977, S. V–LXII, hier S. XXX und XLI. 91 Vgl. Flacke-Knoch, Carl Einstein, S. 478. Insgesamt fand die „Negerkunst“ generell in den zwanziger Jahren verstärkte Beachtung in den Illustrierten. Vgl. dazu Henrik Stahr: Die Darstellung von Schwarzen in deutschen Wochenillustrierten. In: Fotografie und Bildpublizistik in der Weimarer Republik. Hrsg. von Diethart Kerbs und Walter Uka im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für Bildquellenforschung und Zeitgeschichte e. V. Berlin. Bönen/Westfalen: Kettler 2004, S. 81–95, hier S. 83. 92 Vgl. Wedderkop, Standpunkt, S. 1. 93 Vgl. ebd., Schulze spricht von dem Versuch, „durch kritische Bilanzen richtungweisend zu wirken“. 94 In 1928 auch Schallplatten- und Radio-Querschnitte.

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Die zeitgenössische Kritik betonte in den ersten Jahren des Querschnitts die Respektlosigkeit der Zeitschrift und ihre unkonventionelle Mischung aus „ernsthaften Aufsätzen“ und „unanständige[n] Gedicht[en]“.95 Man beurteilte das Magazin als „komische, ulkige“ oder auch „würdeloseste Kunstzeitschrift“, die „man nicht ernst nehmen kann“ und erkannte seine Funktion vor allem in der Werbung für die Galerie Flechtheim.96 Trotz seines verstärkt auf Unterhaltung ausgerichteten Profils wird dem Querschnitt in seiner „internationalistischen Offenheit nach Frankreich und den USA“ heute durchaus die Leistung einer „seriösen Kunst- und Kulturvermittlung“ zugeschrieben.97

Abb. 41: Künstler bei der Arbeit, Querschnitt 5 (1925), Heft 8, Kunstdruck-Teil 6

In diesem Zusammenhang kommt auch dem umfangreichen Abbildungsmaterial eine erhöhte Bedeutung zu. Integriert in das Layout der Textseiten finden sich Zeichnungen, Lithographien und Druckgraphiken der oben genannten Künstler. Zudem enthielten die Hefte jeweils acht mal vier Tafeln auf Kunstdruckpapier, die Fotografien in hoher Qualität präsentierten. Die dort gezeigten zahlreichen Kunstre-

95 So urteilte die Weltbühne im Mai 1922, zitiert nach Hering, Der Querschnitt, S. 222. Vgl. auch die ebenfalls bei Hering zitierte Kritik aus dem Frühjahrsheft des Cicerone von 1922, Hering, Querschnitt, S. 221. 96 Hering, Querschnitt, S. 222. 97 Lutz Windhöfel: Paul Westheim (1886–1963) und seine Zeitschrift Das Kunstblatt (1917–1933). In: Avantgarde und Publikum. Zur Rezeption avantgardistischer Kunst in Deutschland 1905–1933. Hrsg. von Henrike Junge. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1992, S. 329–339, hier S. 331.

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt 

341

produktionen begleiteten die Berichte über Flechtheims Ausstellungen ebenso wie die anderer, wichtiger Galerie- und Museumsschauen. Verzichtete man bei unbedeutenderen Ereignissen auf eine schriftliche Berichterstattung, wurden jedoch häufig wenigstens ein bis zwei Fotografien abgedruckt, die auf die jeweilige Ausstellung oder Versteigerung hinwiesen. In der Rubrik neue Bilder von … wurden regelmäßig Reproduktionen aktueller Werke zeitgenössischer Künstler veröffentlicht. Darüber hinaus dienten die Fotografien zum Thema Kunst vor allem der Darstellung und Inszenierung der Künstler und gaben detaillierte Einblicke in den Kunstbetrieb. Dabei wurde dem Künstler bei der Arbeit und dem Kontext der Kunstproduktion die größte Aufmerksamkeit zuteil. Das reine Portrait des Künstlers war hingegen eher unterrepräsentiert.98 Neben einzelnen Aufnahmen in der freien Natur waren vor allem Darstellungen, die den Künstler bei der Arbeit in seinem Atelier oder seiner Werkstatt zeigten, in größerer Zahl vertreten. In vielen Bildern stand das Atelier selbst im Vordergrund. Es fungierte als Objekt der Selbstdarstellung, die gezeigten Requisiten ermöglichten Rückschlüsse auf die Themen, mit denen sich der Künstler auseinandersetzte; Einrichtung, Ausstattung und Größe gaben Hinweise auf Status und Vermögen.99 Der Künstler wurde inmitten seiner Schüler, zusammen mit seinem vollendeten Werk oder bei weiteren Aufgaben wie dem Hängen einer Ausstellung, abgebildet. Das Motiv „Künstler und Modell“, das kunstgeschichtlich als „die eigentliche Grundform“ der Darstellung des schaffenden Künstlers gilt, wurde im Querschnitt besonders häufig berücksichtigt.100 Meist waren die Fotografien nach dem etablierten Kompositionsschema Künstler – Werk – Modell inszeniert, die Aufmerksamkeit galt aber in der Regel besonders dem prominenten oder nackten Modell (vgl. Abb. 41). Der Querschnitt zeigte seinen Lesern sowohl das private Umfeld der Künstler, also Familie, Freunde, Wohn- und Urlaubsorte, als auch das berufliche, bestehend aus Kunsthändlern, -kritikern, -historikern und -sammlern. Unter letzteren spielte im Querschnitt vor allem Gottlieb Friedrich Reber eine bedeutende Rolle. Er galt als einer der herausragenden frühen Sammler der französischen Moderne und war mit Alfred Flechtheim und Carl Einstein befreundet.101 Für Flechtheim und seine Galerie waren die zu den regelmäßigen Kunden zählenden Sammler „überlebenswichtig“, zudem bereicherten sie als Leihgeber seine Ausstellungen.102 Der Querschnitt bot eine entsprechende Plattform, um auch private Kunstsammlungen und deren Sammler einem interessierten Publikum vorzustellen,

98 Die Feststellung Michael Klants, dass „die meisten der im Querschnitt abgebildeten Künstlerfotos […] Porträts“ sind, kann durch die Analyse der im Propyläen-Verlag erschienenen Ausgaben des Querschnitts nicht bestätigt werden. Vgl. Michael Klant: Künstler bei der Arbeit von Fotografen gesehen. Ostfildern-Ruit: Cantz 1995, S. 110. 99 Vgl. ebd., S. 63–65. 100 Ebd., S. 105. 101 Vgl. zu Reber: Kropmanns/Fleckner, Von kontinentaler Bedeutung. 102 Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 225.

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was im Falle Reber durch einige Porträts seiner Person und fotografische Ansichten der Innenräume seines Hauses geschah. Die Fotografien wurden im Querschnitt stets in einem klaren Seitenlayout präsentiert, das meist zwei, manchmal auch drei Bilder unter- oder nebeneinander vorsah, die in einem einheitlichen Format in Grautönen wiedergegeben wurden. Damit erfüllten sie die Anforderungen, die die von Heinrich Wölfflin entwickelte Methode des „vergleichenden Sehens“ an das Kunstwerk als Untersuchungsgegenstand stellte.103 Die Eigenschaften der fotografischen Kunstreproduktion, also das standardisierte Format, die Aufhebung der farblichen Unterschiede, die direkte Betrachtungsmöglichkeit aus der Nähe, die Vernachlässigung von Form und Materialität und die Herauslösung aus dem ursprünglichen Kontext sollten die unmittelbare Vergleichbarkeit von Kunstwerken ermöglichen.104 Dieser kunstgeschichtliche Einfluss auf die Bildpräsentation des Querschnitts manifestierte sich in zahlreichen Bildarrangements, in denen zwei oder drei Gemälde unterschiedlicher Künstler, aber ähnlicher Sujets nebeneinander gestellt wurden (vgl. Abb. 42). In regelmäßiger Folge wählte man diese Darstellungsweise auch für die Selbstbildnisse von Künstlern.

Abb. 42: Hafendarstellungen, Querschnitt 7 (1927), Heft 1, Kunstdruck-Teil 7

103 Vgl. Heinrich Wölfflin: Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst. München: Bruckmann 1915. 104 Vgl. hierzu Annette Tietenberg: Die Fotografie – eine bescheidene Dienerin der Wissenschaft und Künste? Die Kunstwissenschaft und ihre mediale Abhängigkeit. In: Das Kunstwerk als Geschichtsdokument. Hrsg. von ders. München: Klinckhardt & Biermann, S. 61–80, hier S. 71.

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt

 343

Walter Benjamins Kritik am Verlust der Aura eines Kunstwerkes und seiner Herauslösung aus dem Bereich der Tradition,105 die auf die oben genannte, durch die Reproduktion verursachte Reduzierung der Originalkunstwerke abzielte, kann im konkreten Fall des Querschnitts widersprochen werden. Denn hier handelte es sich nicht um eine massenhaft verbreitete Zeitschrift; die Kunstwerke wurden vielmehr einem Publikum vorgestellt, das am Erwerb von Kunst interessiert und für das der Zugang zu den Originalen, in Form von Besitz, Ausstellungsbesuchen, Kontakten zu Künstlern usw., ohnehin selbstverständlich war. Für dieses Publikum entwickelte der Querschnitt eine neuartige Kunstpräsentation, die vielmehr die später von André Malraux beschriebene Idee des „musée imaginaire“ vorwegnahm. Sie repräsentiert ein durch die Möglichkeiten der Reproduktion entstehendes „Gebiet künstlerischen Wissens, wie es so ausgedehnt der Mensch bisher noch nie gekannt hat“, das sich „mit wachsendem Bestand und weiterer Ausdehnung immer mehr intellektualisiert“ und „nun zum erstenmal der ganzen Welt als Erbschaft gegeben ist.“106 Malraux ging davon aus, dass die Kunstwerke durch ihre Reproduktion und die mithin ermöglichte Verfüg- und Vergleichbarkeit „neuen Wertungen“ unterzogen werden, die „neue Verwandtschaftsbeziehungen“ und „Sinnbedeutungen“ zu Tage treten lassen.107 Auch in den Bildarrangements des Querschnitts versuchte man bewusst, neue, ungewöhnliche und humorvolle ästhetisch-visuelle Beziehungen herzustellen, die nicht an den tradierten Kunstbewertungen orientiert waren. Dies wurde mithilfe des Mediums Fotografie vor allem durch die Gegenüberstellung bzw. das Nebeneinander von Kunst und Realität verwirklicht. So wurden die Künstler-Selbstbildnisse beispielsweise mit der Portraitfotografie des jeweiligen Künstlers konfrontiert. Der direkte Vergleich des durch den Künstler von sich selbst gezeichneten bzw. gemalten oder modellierten Bildes mit der für den Fotografen eingenommenen Pose zeigte interessanterweise deutliche Gemeinsamkeiten auf, da der Künstler nicht nur im Selbstbildnis, sondern auch vor der Kamera ein vorab definiertes Bild von sich liefert. Auf diese Weise kann er nach Bourdieu „die Regeln der Selbstwahrnehmung draußen durchsetzen“, also seine Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit beeinflussen (vgl. Abb. 43).108

105 Vgl. Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Ders.: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie (edition suhrkamp. 28). Frankfurt/M.: Suhrkamp 1977, S. 10–43. 106 André Malraux: Psychologie der Kunst. Das imaginäre Museum (rowohlts deutsche enzyklopädie. 39). München: Rowohlt 1957, S. 31. 107 Malraux, Psychologie der Kunst, S. 18 f. Vgl. hierzu auch Ernst Fischer, der von einem „virtuellen Raum“ spricht: Ders.: Zwischen Popularisierung und Wissenschaftlichkeit. Das illustrierte Kunstbuch des Wiener Phaidon Verlags in den 1930er Jahren. In: Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930. Hrsg. von Katharina Krause und Klaus Niehr. München/Berlin: Deutscher Kunstverlag 2007, S. 239–266, hier S. 254. 108 Pierre Bourdieu: Die gesellschaftliche Definition der Photographie. In: Pierre Bourdieu u. a.: Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie. Frankfurt/M.: 1983, S. 93– 95. Vgl. hierzu Klant, Künstler bei der Arbeit, S. 13.

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Abb. 43: Oskar Kokoschka – Fotografie und Selbstbildnis, Querschnitt 5 (1925), Heft 12, Kunstdruck-Teil 1

Der Querschnitt erzeugte auch mit zahlreichen anderen Motiven eine Art ästhetischer Spannung zwischen Kunst und Realität, wie sie durch die Fotografie überhaupt erst möglich und durch die Art der Reproduktion wiederum maßgeblich beeinflusst wurde. So lässt die Zeitschrift das Bild Alte Häuser von Maurice de Vlaminck mit der perspektivisch eindrucksvollen Fotografie einer Beamtensiedlung in Berlin aufeinandertreffen (vgl. Abb. 44) oder das Foto des dirigierenden Richard Strauß mit Georges Seurats Gemälde Fischer, wobei die Bilder Angel und Taktstock in sehr ähnlicher Pose präsentieren (vgl. Abb. 45). Regelmäßig wird die Kunst auf diese Art und Weise im Rahmen der Konfrontation von Kunst und Realität auch dem der Zeitschrift eigenen Humor und Spott unterworfen, wenn zum Beispiel ein Aquarell von George Grosz neben einer Kinderkreidezeichnung abgedruckt wird.109

109 Vgl. George Grosz: Vater und Tochter/Kinderzeichnung. In: Querschnitt 9 (1929), Heft 4, Kunstdruck-Teil 5.

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt



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Abb. 44 Vlaminck: Alte Häuser/Beamtensiedlung in Berlin, Querschnitt 9 (1929) Heft 11, Kunstdruck-Teil 3

Abb. 45: Dirigent und Fischer, Querschnitt 9 (1929), Heft 9, Kunstdruck-Teil 2

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7.3.2 Sport „Sport ist eine Leidenschaft dieser Zeitschrift“ bekannte Wedderkop bereits 1923.110 Im Querschnitt spiegelte sich nicht nur das sportliche Engagement und Interesse Flechtheims wider, der selbst aktives Mitglied in unterschiedlichen Sportclubs war und sich laut seines Biografen für alles begeisterte, „was mit Kraft, Schnelligkeit und Eleganz zusammenhing“111, sondern die Sportbegeisterung der gesamten Gesellschaft. Der Sport hatte nach dem Ersten Weltkrieg einen enormen Aufschwung verzeichnen können. In der Weimarer Republik galten Kraft und Kampf nicht mehr als roh und dem Proletariat vorbehalten; die gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit, verstanden als „Fitness“, erlangte einen bisher ungekannten Stellenwert. Aktives Sporttreiben wurde zur Mode und die kommerziell inszenierten Großveranstaltungen, wie z. B. das Sechstagerennen in Berlin, lockten tausende Zuschauer an.112 Der Sport entwickelte sich zu einem bedeutenden Freizeit- und Kulturfaktor im Verstädterungsprozess der Moderne. Die Lebensreformbewegung wiederum propagierte mit der Rückkehr zu einer natürlichen Lebensweise einen Gegenentwurf zum modernen Stadtleben. Hier spielten die Körperkultur und das FKK-Ideal mit dem Ziel der Selbstfindung des individuellen, gesunden, ästhetischen Körpers eine grundlegende Rolle. Die Sport-Euphorie schlug sich nicht nur in den Medien, sondern auch in den Künsten nieder. War die „Sportmalerei“ bis 1918 allerdings eher belächelt worden, änderte sich dies in den zwanziger Jahren unter dem maßgeblichen Einfluss Flechtheims.113 Die bisher getrennt wahrgenommenen Sphären Sport und Kunst114 wurden im Querschnitt erstmals „systematisch“ in Bezug zueinander gesetzt.115 Die Zeitschrift entwickelte sich zu „eine[m] der wichtigsten Organe der intellektuellen Sporteuphorie“ während der Weimarer Republik.116 Fast in jedem Heft finden sich entsprechend in den Textteil integrierte Abbildungen. Innerhalb des Fototeils wer-

110 Wedderkop, Standpunkt, S. 4. 111 Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 189. 112 Vgl. z. B. Herbert Dieker/Gertrud Pfister/Gerd Steins: Massensport. In: Die Metropole. Industriekultur in Berlin im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Jochen Boberg. München: Beck 1986, S. 174 f. 113 Vgl. Dorothee Hansen: Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport. Eine Einführung. In: Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport. Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung (Kunsthalle Bremen, 22.10.2016–26.2.2017; Liebermann-Villa am Wannsee, 13.3. bis 26.6.2017) hrsg. von Dorothee Hansen und Martin Faass. München: Hirmer 2016, S. 11– 19, hier S. 19. 114 Hansen weist darauf hin, dass bis dahin „in den deutschen Kunstzeitschriften […] Sportmotive nur eine marginale Rolle“ gespielt hatten. Ebd. 115 Sicks, Der Querschnitt, S. 34. 116 Anne Fleig: „Siegesplätze über die Natur“. Musils Kritik am Geist des modernen Wettkampfsports. In: Leibhaftige Moderne. Körper in Kunst und Massenmedien 1918–1933. Hrsg. von Michael Cowan und Kai Marcel Sicks. Bielefeld: transcript 2005, S. 81–96, hier S. 81, Anm. 1.

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt 

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den Reproduktionen zeitgenössischer Kunstwerke, die Sport oder Sportler abbilden, und Fotografien aus dem aktuellen Sportbetrieb auf unterhaltsame Weise miteinander kombiniert, wie beispielsweise das Bild des nackten Sportlehrer[s] Sturm im Lehmbad mit Jean-Baptiste Camille Corots Gemälde Venus im Bade (vgl. Abb. 46). Auch literarisch fand das Thema Sport im Querschnitt vielfältige Beachtung. In zahlreichen Essays diskutierten namhafte Schriftsteller meist im Querschnitt-typischen sarkastisch-humorvollen Ton das moderne Streben nach Gesundheit und Fitness. So äußerten sich z. B. die Ärzte Gottfried Benn und Alfred Döblin über Genie und Gesundheit117 und Sexualität als Sport118. Neben Gedichten über Damenringkampf (Heinrich Nowack)119 und Stafettenläufer (Henry de Montherlant)120 und Versen von Jean Giraudoux zum Sport allgemein121 druckte man unter dem Titel Stierkampf zum ersten Mal Hemingways Geschichte The Undefeated im Querschnitt122 ab, die zuvor von amerikanischen und englischen Zeitschriften abgelehnt, nun aber für den Querschnitt ins Deutsche übersetzt worden war.123 Hemingways Text wurde in zwei Fortsetzungen veröffentlicht, den ersten Teil begleiteten zahlreiche Abbildungen des Stierkampfs, darunter zwei vom Autor selbst geschossene Fotografien.124 Im August 1928 und im September 1930 erschienen außerdem zwei den Themen Sport und Körper gewidmete Hefte, deren Titelblätter von Georg Kolbe bzw. Willi Baumeister gestaltet worden waren.

117 Gottfried Benn: Genie und Gesundheit. In: Der Querschnitt 10 (1930), Heft 9, S. 574–577. 118 Alfred Döblin: Sexualität als Sport? In: Der Querschnitt 11 (1931), Heft 11, S. 760–762. 119 Heinrich Nowack: Damenringkampf. In: Der Querschnitt 6 (1926), Heft 5, S. 378. 120 Henry de Montherlant: Die Stafettenläufer. In: Der Querschnitt 12 (1932), Heft 6, S. 396. 121 Jean Giraudoux: Sport. In: Der Querschnitt 9 (1929), Heft 3, S. 198. 122 Ernest Hemingway: Stierkampf. In: Der Querschnitt 5 (1925), Heft 6, S. 521–535, Fortsetzung im folgenden Heft: Der Querschnitt 5 (1925), Heft 7, S. 624–633. 123 Vgl. Esau, Magazine of Enduring Value, S. 878. 124 Ebd.

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Abb. 46: Venus im Bade und Sportlehrer Sturm im Lehmbad, Querschnitt 8 (1928), Heft 6, Kunstdruck-Teil 4

Dem Querschnitt ging es nicht um „sensationelle Aktualitäten“125, es fand keine Sportberichterstattung im eigentlichen Sinne statt. Sport wurde vielmehr als Teil des gesellschaftlichen Lebens dargestellt, als Teil einer im Querschnitt sich manifestierenden modernen Kultur der vermögenden Oberschicht. Im Mittelpunkt standen insbesondere elitäre Sportarten wie Tennis, Segeln, Polo bzw. Reitsport allgemein, Golf, Wintersportarten wie Ski und Eiskunstlauf, der Automobilsport, aber auch Radfahren und Schwimmen. Damit spiegelte der Querschnitt die Freizeitbeschäftigungen und Interessen der eigenen Leser wieder, die sich in großen Teilen Pferd und Automobil, Golfstunden und Winterurlaube in Sankt Moritz leisten konnten. Geradezu einen Kultstatus unter den Sportarten genoss das Boxen, das auch von Flechtheim und der Berliner Gesellschaft der Künstler und Schriftsteller mit großem Interesse verfolgt oder gar aktiv betrieben wurde.126 Der aus dem Rheinland, dem Zentrum des Boxsports der zwanziger Jahre, stammende Kunsthändler würdigte das Boxen von Beginn an im Querschnitt, wo er 1921 konstatierte, dass er es für seine Pflicht halte, „den Boxsport in deutschen Künstlerkreisen populär zu ma-

125 Wedderkop, Standpunkt, S. 2. 126 So z. B. von Georges Braque, Rudolf Belling oder auch dem Dirigenten Leopold Stokowski. Vgl. Rase, Kunst und Sport, S. 114, zum Thema „Frauen boxen“ auch S. 121.

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt



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chen“127. Denn in Paris, wo Flechtheim regelmäßig verkehrte, gehörte das Boxen bereits „zum festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens der Bohème“128. Zeitgleich veröffentlichte er im Verlag seiner Galerie das Mappenwerk Boxer, welches acht handkolorierte Lithographien Rudolf Großmanns (1882–1941) enthielt. Der Boxer Hans Breitensträter (1897–1972) verfasste hierzu ein autobiographisches Vorwort, das teilweise im Querschnitt abgedruckt wurde.129 Erfolgreiche Boxer wie Breitensträter oder Max Schmeling (1905–2005) wurden in der Weimarer Republik als Sportstars gefeiert und zählten schnell zur „Society“, zu deren Kreisen ihnen vor allem Flechtheim Zutritt verschafft zu haben schien. Sowohl Breitensträter als auch Schmeling erwähnen den Kunsthändler in diesem Zusammenhang. Schmeling, zu dem Flechtheim ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte, konnte bei dessen „Prominenten-Treffs“130 entscheidende Kontakte knüpfen und beschrieb dies im Rückblick als „Eintritt in die Welt“.131 Flechtheim betrieb die Verbindung von Kunst und Sport auch im Hinblick auf die Schaffung neuer Kunstwerke, indem er die mit ihm in Kontakt stehenden Künstler zur Porträtierung der Boxer anregte. So schufen Ernesto de Fiori, Rudolf Belling und Renée Sintenis Plastiken von Schmeling, Jack Dempsey (1895–1983), Erich Brandl und Helmut Hartkopp. George Grosz malte Schmeling und Alfred Sohn-Rethel (1899–1990) porträtierte Brandl, der außerdem von der ebenfalls mit Flechtheim in Kontakt stehenden Fotografin Frieda Riess (1890–1950) fotografiert wurde.132 Während in zahlreichen im Querschnitt abgebildeten Werken die typische Boxerpose und damit der Sport selbst betont wurde, rückte in dieser Gegenüberstellung von Kunstwerk und Fotografie der Körper als ästhetisches Objekt in den Vordergrund (vgl. Abb. 47). Der sportliche Körper war in der Weimarer Republik nicht

127 Alfred Flechtheim: Ist der Boxsport roh? In: Der Querschnitt 1 (1921), Heft 6, S. 221. 128 Rase, Kunst und Sport, S. 124. 129 Vgl. Hans Breitensträter: Mein erster Sieg. In: Der Querschnitt 1 (1921), Heft 4/5, S. 144–146. Der Auszug aus dem Vorwort der Boxermappe erschien im Querschnitt zusammen mit einem Essay von Hermann von Wedderkop über Breitensträter, einem Bericht von Jack Dempsey (Gladiators) und einigen Fotos der Boxer. Vgl. ausführlich zur Boxermappe Großmanns: Rase, Kunst und Sport, S. 149–153. 130 So bezeichnete Schmeling die Treffen bei Flechtheim. Rase, Kunst und Sport, S. 119. 131 Vgl. Max Schmeling: Alfred Flechtheim – in memoriam. In: Alfred Flechtheim – Sammler, Kunsthändler, Verleger. Düsseldorf: Kunstmuseum 1987, S. 21. Vgl. zum „Starkult“ um die Boxer und ihrer Darstellung in der Kunst unter dem Einfluss Flechtheims: Lena Schrage: „Überschätzung des Bizeps“? Boxen in der Kunst der 1920er Jahre. In: Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport. Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung (Kunsthalle Bremen, 22.10.2016– 26.2.2017; Liebermann-Villa am Wannsee, 13.3. bis 26.6.2017). Hrsg. von Dorothee Hansen und Martin Faass. München: Hirmer 2016, S. 137–151, hier S. 143–147. 132 Alle genannten Werke wurden im Querschnitt vorgestellt. Nach Ottfried Dascher: Flechtheim und die Riess. Annäherungen und offene Fragen. In: Die Riess. Fotografisches Atelier und Salon in Berlin 1918–1932. Hrsg. von Marion Beckers und Elisabeth Moortgat. Berlin: Das verborgene Museum 2008, S. 96–105, hier S. 102 f., teilte Frieda Riess Flechtheims Begeisterung für das Boxen.

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nur zu einem beliebten Motiv in der Kunst avanciert, er galt allgemein als Vorbild für die verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen.133 So wurden im Querschnitt sowohl die Kunst als auch der Sport als „Körperbildner“ verstanden.134 In Wedderkops wiederholten Abhandlungen zu Kunst und Ästhetik der Moderne schlussfolgerte er: „Die Elemente der neuen Ästhetik sind dieselben wie beim Sport.“135 Damit bezog er sich auf die Kunst der neuen Sachlichkeit, die sich zum Ziel gesetzt hatte, eine „präzise, nüchterne Abbildung der modernen Wirklichkeit“ zu liefern.136 In der Auseinandersetzung des Querschnitts mit den zentralen Themen Kunst und Sport und der Erzeugung vielfältiger fruchtbarer Verbindungen lässt sich ein wichtiger Beitrag „zur Veranschaulichung einer sachlichen, objektiven, präzisen und spannungsgeladenen Kunst“ erkennen, mit dem der Querschnitt zur neusachlichen Theorienbildung beigetragen hat. 137

Abb. 47: Erich Brandl, Querschnitt 5 (1925), Heft 9, Kunstdruck-Teil 7

133 134 135 136 137

Vgl. Sicks, Der Querschnitt, S. 40. Ebd., S. 37. Der Querschnitt 6 (1926), Heft 7, S. 497. Sicks, Der Querschnitt, S. 46. Ebd.

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt



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In der Darstellung des sportlichen Körpers spielte neben der bildenden Kunst vor allem die Fotografie eine wichtige Rolle. Der Querschnitt veröffentlichte fast in jedem Heft Fotografien des bekannten Fotografen Gerhard Riebicke (1878–1957), der sich auf Sport- bzw. Freikörperkultur-Fotografie spezialisiert hatte und die Sportler meist nackt und in freier Natur inszenierte. Er kann als Pionier auf diesem in der Weimarer Republik recht neuen Arbeitsgebiet der Fotografie angesehen werden, dem ein besonderes mediales Interesse galt. Neben Sportzeitschriften wie Sport und Bild oder auf die Propagierung der Freikörperkultur ausgerichteten Blättern wie Monatsschrift für moderne Körperkultur, Ideale Nacktheit, Das Freibad oder Die Schönheit ließen sich Riebickes Bilder gut in die thematisch vielfältiger ausgerichteten Magazine wie Uhu oder Querschnitt integrieren.138 Im Vergleich zum Querschnitt kann dem Uhu allerdings eine größere Zurückhaltung in der Darstellung von Nacktheit bescheinigt werden. Während im Querschnitt beispielsweise unter dem Titel Wochenende das Bild eines unbekleideten Paares mit Kind abgebildet wurde (die Körper sind vollständig sichtbar), erschien dasselbe Bild von Riebicke im Uhu beschränkt lediglich auf die Oberkörper der Personen.139 In der Regel wurden entsprechende Fotografien außerdem stets im Zusammenhang mit einem Artikel abgedruckt und mit erläuternden Bildunterschriften versehen. Damit stand im Uhu nicht die reine Darstellung von Nacktheit im Vordergrund, die Fotografie übernahm vielmehr in erster Linie die Funktion einer entsprechenden Textillustration. In den Aufnahmen Riebickes spielt neben dem Körper auch die fotografisch perfekt inszenierte Wiedergabe der Bewegung durch Festhalten des „richtigen“ Moments eine wichtige Rolle, die vor allem den häufig gezeigten Bildern von Sprüngen die entscheidende Wirkung verleiht (vgl. Abb. 48).140 Andere Bilder im Querschnitt verdeutlichen stärker die von Hans Suren (1885–1972) vertretene Sportästhetik, deren künstlerisches Vorbild die Bronzeplastik lieferte. Der sonnengebräunte, trainierte Körper wurde in erstarrter Haltung fotografiert, er sollte wie eine Statue, wie ein Bild wirken (vgl. das Foto von Edith Boeck in Abb. 49). In diesen Bildern klingt bereits die Propagierung der Ideale Schönheit, Kraft und Anmut an, mit der die nationalsozialistische Rassenideologie den Sport für sich vereinnahmte.141

138 Vgl. Hans-Michael Koetzle: Gerhard Riebicke. In: NDB 21 (2003), S. 559 f. 139 Vgl. Kunstdruck-Teil 6 in Querschnitt 8 (1928), Heft 6, und Titelbatt Uhu 11 (1929). 140 Vgl. zu den Sprungabbildungen insgesamt: Michael Cowan: Imagining the Nation through the Energetic Body. The „Royal Jump“. In: Leibhaftige Moderne. Körper in Kunst und Massenmedien 1918–1933. Hrsg. von Michael Cowan und Kai Marcel Sicks. Bielefeld: transcript 2005, S. 63–80. 141 In der Neuauflage seines ursprünglich 1925 erschienen Buches Mensch und Sonne stützte Suren diese durch seine Thesen. Vgl. hierzu Gabi Langen: Kraft und Anmut. Die nationalsozialistische Körperästhetik in der Sportfotografie. In: Fotogeschichte 62 (1996), S. 45–54, hier S. 46 f.

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Abb. 48: Soldat im Sprung, Querschnitt 8 (1928), Heft 8, Kunstdruck-Teil 5

Abb. 49: Leichtathleten, Querschnitt 11 (1931), Heft 11, Kunstdruck-Teil 2

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt



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Der Querschnitt konzentrierte sich damit vor allem auf den Abdruck ästhetischkünstlerischer Sportfotos, deren Wirkung zusätzlich durch ein geschicktes Bildarrangement verstärkt wurde. Ob die zahlreichen Darstellungen insbesondere nackter Männer als Aktfotos bzw. Sport-Akte oder nicht erotisch konnotierte FKK-Fotografie gewertet werden können, ob es sich bei den einzelnen Bildern um eine journalistische Auseinandersetzung mit der Nacktkultur aufgrund deren zeitgenössischer Bedeutung oder gar um ein Angebot für die homosexuellen Leser des Querschnitts handelte, die im Kreis der Künstler und Literaten um den selbst homosexuellen Alfred Flechtheim zu vermuten waren, muss anhand der einzelnen Abbildungen, der Bildquellen und der eventuell bestehenden Text-Bild-Bezüge innerhalb des jeweiligen Heftes beurteilt werden. Für den Zeitschriftenmarkt insgesamt lässt sich festhalten, dass sich trotz drohender Zensur und Illegalität der Homosexualität die Tendenz zur Vermarktung von Aktfotos männlicher Modelle und deren Abdruck in den Magazinen der zwanziger Jahre verstärkte. Die Bilder fanden sich in der Regel eingebettet in „ästhetische, sittliche, sportliche und auch medizinisch-wissenschaftliche“ Kontexte, die die homoerotischen Bildinhalte und die Möglichkeit einer entsprechenden Betrachtung verschleierten.142 Im Querschnitt hingegen stehen die Fotografien, auch durch ihre Isolierung innerhalb des Kunstdruckteils, meist einzeln für sich. Eine Abgrenzung zwischen Akt- und FKK-Fotografie ausschließlich über den Ort der Publikation vorzunehmen, würde hier jedenfalls zu kurz greifen.143 Der Anteil der Frauen in den Sportfotografien des Querschnitts ist deutlich geringer. Die wenigen Nacktaufnahmen lassen sich, im Unterschied zu denen der Männer, durch eindeutige Bildunterschriften dem Kontext der Lebensreformbewegung zuordnen. Vertreten sind hier vor allem einzelne Fotografien, die gymnastische Übungen der Mensendieck-Schule zeigen, welche sich der Körperkultur der Frau und der Formung des weiblichen Körpers durch entsprechende Übungen, der Befreiung vom Korsett und der Verfechtung des Reformkleids verschrieben hatte. Auch der Querschnitt thematisierte die Änderungen der Kleidungskonventionen für die Sport treibende Frau. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellten die Sportarten Reiten, Tennis, Schwimmen, Schlittschuhlaufen und Radfahren (zumindest innerhalb des Großbürgertums) zwar akzeptierte Bewegungsformen der Frau dar, die Sportkleidung hingegen unterschied sich zunächst nicht von der normalen Straßenkleidung. In den zwanziger Jahren setzte sich schließlich bequemere, zweckdienliche

142 Reinhard Biederbeck/Bernd Kalusche: Motiv Mann. Der männliche Körper in der modernen Kunst. Gießen: Anabas 1987, S. 57 f., vgl. auch S. 40. 143 Vgl. Michael Köhler: Lebensreform durch Körperkultur. „Wir sind nackt und nennen uns du“. In: Das Aktfoto. Ansichten vom Körper im fotografischen Zeitalter. Ästhetik, Geschichte, Ideologie. Hrsg. von Michael Köhler. München: Bucher 1985, S. 341–355, hier S. 346. Die einschlägigen Zeitschriften, welche die Nacktkultur propagierten, arbeiteten mit festen (Amateur-)Fotografen zusammen und griffen in der Regel nicht auf „außerhalb der Bewegung“ entstandenes Bildmaterial zurück.

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Sportkleidung auch für Frauen durch, die Rocklänge wurde deutlich kürzer und man verabschiedete sich endgültig vom Mieder. In diesem Zusammenhang erregten vor allem die Beine der Tennisspielerinnen Aufsehen, die nun, wie der Querschnitt in zahlreichen Fotografien dokumentierte, bei Schritt und Sprung vollständig zu sehen waren. Dies hielt auch Robert Musil in seinem Mann ohne Eigenschaften für erwähnenswert. Der Protagonist Ulrich erinnert sich „an das Bild einer berühmten Tennisspielerin […], sie stand auf der Zehenspitze, hatte das Bein bis über das Strumpfband entblößt und schleuderte das andere Bein gegen ihren Kopf, während sie mit dem Schläger hoch ausholte, um einen Ball zu nehmen.“ Bezeichnend an dieser Textstelle ist, dass Ulrich nicht auf eine persönliche Erinnerung referierte, sondern sich auf ein Bild bezog, das er irgendwo gesehen hatte. Musil stand hier wohl eine der Pressefotografien der Tennisspielerinnen vor Augen. Es handelte sich möglicherweise um das 1924 in Sport und Bild veröffentlichte Foto der französischen Tennisspielerin Suzanne Lenglen (1899–1938), das exakt jene Körperhaltung wiedergibt, die Musil seinen Protagonisten schildern lässt.144 Siegfried Kracauer (1889– 1966) kritisierte in diesem Zusammenhang, dass das in Zeitungen und Zeitschriften massenhaft zur Illustrierung der Gegenwart verbreitete fotografische Bild in Konkurrenz zum Gedächtnisbild trat und somit eine auf das Fotografierbare reduzierte Wahrnehmung der Welt verursachte.145 Lenglen spielte erstmals 1919 in Wimbledon, woran sich eine bemerkenswerte Karriere anschloss, die sie zur populärsten und erfolgreichsten Tennisspielerin der zwanziger Jahre werden ließ. Dem Leser des Querschnitts begegnete sie nicht nur als Sportlerin, sondern auch als Autorin. Die deutsche Übersetzung ihres Romans Spiel um Liebe war 1928 in einer Auflage von 65 700 Exemplaren bei Ullstein erschienen. Die Autorin und ihr Roman fügten sich sehr gut in das populäre, vor allem auch die moderne Frau als Romanleserin ansprechende Ullstein-Programm ein. Während der Verlag im Mai 1928 einen Auszug aus Spiel um Liebe zusammen mit einer Fotografie der „göttliche[n] Suzanne“ im Querschnitt platzierte,146 nahm die Redaktion der Zeitschrift im August desselben Jahres einen Aufsatz des englischen Schriftstellers Beverley Nichols (1898–1983) auf, der gezielt spöttisch auf die emanzipierte Sportlerin reagierte.147 Nichols führte Lenglen als negatives Beispiel der karriereorientierten Frau mit übertriebenem Ehrgeiz an, rühmte ihre Konkurrentin Lily de Alvarez (1905–1998) hingegen für deren „physische[n] Reize“, ihr „malerisch

144 Vgl. Brigitte Werneburg: Diverse Sprünge: Frauen, Sport und Fotografie. In: Fotogeschichte 62 (1996), S. 3–12, hier S. 7. 145 Vgl. Kracauers Kritik an der Fotografie: Siegfried Kracauer: Die Photographie. In: Das Ornament der Masse. Essays (suhrkamp taschenbuch. 371). Frankfurt/M.: Suhrkamp 1977, S. 21–39, hier S. 33– 35. 146 Suzanne Lenglen: Spiel um Liebe. In: Querschnitt 8 (1928), Heft 5, S. 338 f. 147 Beverley Nichols: Senorita d’Alvarez oder Tennis ohne Tränen. In: Querschnitt 8 (1928), Heft 8, S. 566–568.

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt

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[es]“ Spiel, ihre „wilde Grazie“ und ihre „bezaubernd[e] Haltung“.148 Zum Beweis hierfür druckte man ein Foto von de Alvarez ab, das sie in geradezu ballerinenhafter Pose beim Tennisspiel zeigt (vgl. Abb. 50).149 Nichols Aufsatz propagierte ästhetische und überbrachte Forderungen an die Frau, wie eine weibliche Figur, Zurückhaltung und Bescheidenheit – von einer modernen Haltung der sportlich-weiblichen Emanzipation gegenüber fehlte jede Spur. Hier wird deutlich, dass Spott im Querschnitt gezielt eingesetzt wurde, wenn jener sich in seinem „Standpunkt zwischen Moderne und Tradition“ nicht genau festlegen wollte, was in Bezug auf das neue Frauenbild, inszeniert oder tatsächlich gelebt, häufiger der Fall war.150 Denn während einerseits das vor allem auch von den Illustrierten verbreitete Bild der modernen Frau im Querschnitt immer wieder Gegenstand ironisch-humorvoller Betrachtungen und Bildkontrastierungen wird, widmete das Magazin andererseits einzelnen, durch ihr Hobby oder ihren Beruf in die männliche Lebenswelt eindringenden Frauen ausführliche und seriöse Berichte. Im Bereich Sport steht dabei besonders die medienwirksame „Moderne Amazone“ als Typus der „Neuen Frau“ im Vordergrund, die bis dahin verstärkt Männern zugeschriebene Attribute wie Mut, Kraft und Draufgängertum verkörperte.151 Als Beispiel kann Clärenore Stinnes (1901–1990) genannt werden, die zusammen mit Carl-Axel Söderström (1893–1976) zwischen 1927 und 1929 als erste Frau die Welt in einem Auto umrundete, was im Querschnitt durch eine entsprechende Bilderstrecke und einen persönlichen Bericht der erfolgreichen Rennfahrerin dokumentiert wurde.152

148 Ebd. 149 Das Foto von Lily de Alvarez wurde darüber hinaus unmittelbar dem Foto des Soldaten im Sprung (vgl. Abb. 48) gegenübergestellt. 150 Marion Beckers/Elisabeth Moortgat: Ihr Garten Eden ist das Magazin. Zu den Bildgeschichten von Yva im Uhu 1930–1933. In: Fotografieren hieß teilnehmen. Fotografinnen der Weimarer Zeit. Hrsg. von Ute Eskildsen. Düsseldorf: Richter 1994, S. 239–249, hier S. 239. 151 Dorothee Wiethoff: Die moderne „Amazone“. In: Fotografieren hieß teilnehmen. Fotografinnen der Weimarer Republik. Hrsg. von Ute Eskildsen. Düsseldorf: Richter 1994, S. 254–261, hier S. 254. 152 Vgl. Claerenore Stinnes: Im Auto durch Zentralasien. (inkl. Fotografien im Kunstdruckteil 5). In: Der Querschnitt 8 (1928), Heft 11, S. 765–768. Vgl. hierzu auch: Clärenore Stinnes. Im Auto durch zwei Welten. Die erste Autofahrt einer Frau um die Welt 1927–1929. Hrsg. und mit einem Vorwort von Gabriele Habinger. Wien: Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft 2007.

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Abb. 50: Lily d’Alvarez, Querschnitt 8 (1928), Heft 8, Kunstdruck-Teil 5

7.3.3 Fotopräsentation Die im Querschnitt abgedruckten Fotografien weisen nach der Übernahme durch Ullstein eine neue Qualität und Quantität auf. Die Zeitschrift profitierte hier nicht zuletzt von Ullsteins eigenem Bilderdienst und den damit verbundenen Kontakten zu den erfolgreichsten Fotografen der Zeit. So finden sich Ansichten aus dem Berliner Zoo von Friedrich Seidenstücker (1882–1966), ausgewählte Arbeiten von Martin Munkacsi (1896–1963), Beiträge von Sasha Stone (1885–1940) zum „Neuen Sehen“, Pflanzenfotografien aus den Büchern von Albert Renger-Patzsch (1897–1966), Theatereinsichten von der darauf spezialisierten Elli Marcus (1899–1977) oder Porträts der Berliner Society von Frieda Riess, einer der gefragtesten Porträtfotografinnen der Zeit. Doch die Liste der prominenten Namen täuscht über deren wirkliche Bedeutung innerhalb des Querschnitts hinweg. Tatsächlich stammen zahlreiche besonders interessante Fotografien neben dem Ullstein-Bilderdienst auch von „externen“ Bildagenturen wie Wide World Foto, Fox Photo, Atlantic Photo oder Sport & General, auf deren in der Regel ohne Angabe des Fotografen veröffentlichten Bilder der Querschnitt in größerem Maße zurückgegriffen hat. Darüber hinaus waren im Querschnitt weder die Person oder der Beruf des Fotografen Gegenstand des Interesses,

7.3 Kunst und Sport im Querschnitt



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noch trug das Magazin zur generellen zeitgenössischen Auseinandersetzung mit dem Thema Fotografie, bzw. „Neues Sehen“ bei, wie zum Beispiel der Uhu.153 Wie die Abbildungsbeispiele aus Kunst und Sport zeigen, lag der Fotopräsentation im Querschnitt jene Ästhetik der „Einfachheit und Deutlichkeit“ zugrunde, die Wedderkop 1923 für die Gestaltung der Zeitschrift angekündigt hatte.154 Das klare Layout der Fotoseiten wird nur sehr selten zugunsten verspielterer Arrangements mit oval ausgeschnittenen oder sich überschneidenden Abbildungen unterbrochen. Modernen Stilmerkmalen in der Präsentation der Fotografien wie Fotocollagen oder freigestellten Motiven blieb der Querschnitt ebenso verschlossen wie den gegen Ende der zwanziger Jahre populär gewordenen Bildserien in Form von Fotoreportagen oder Fotoromanen. Bildbeiträge, die in ihrer Gestaltung dem „Neuen Sehen“ zuzurechnen sind, finden sich nur vereinzelt.155 In rein gestalterischer Hinsicht wirkte die Fotopräsentation des Querschnitts damit „auffallend konservativ“.156 Das Magazin druckte keine Fotografien im Textteil ab, wodurch es in der Regel zu keiner unmittelbaren Relation zwischen Fotografie und Text kam. Die Abbildungen im Kunstdruckteil nahmen zwar durchaus Bezug auf die im Heft enthaltenen Beiträge oder dienten gar explizit deren Illustrierung, doch durch ihre Isolierung und die auf eine entsprechende Wirkung zielende Konzeption erhielten die Bildeinheiten in großen Teilen eine aussagekräftige Eigenständigkeit. Die Bilder wurden damit nicht in ihrer ursprünglichen Funktion als Gebrauchs- bzw. reine Abbildungsgegenstände verwendet. Die Zeitschrift fungierte hier vielmehr als „Galerie“, in der die Fotografien durch ihre Ausstellung und die Einordnung in neue Zusammenhänge künstlerisch aufgewertet wurden.157 Dabei musste sich der Betrachter die intendierte Aussage der Bildkompositionen weitgehend selbst erschließen, denn der Querschnitt verzichtete größtenteils auf lenkende Bildunterschriften, auf „Wegweiser“ und „Direktive“, die nicht, wie Walter Benjamin kritisierte, den wahren Charakter des Bildes offenbaren sollten, sondern vielmehr von den Illustrierten benutzt wurden, um das Bild in den jeweils gewünschten Kontext zu rücken.158 Im Vergleich zu anderen illustrierten Zeitschriften forderte der Querschnitt demzufolge eine erhöhte Medienkompetenz ein, die von der „Vorstellung einer ‚Erkenntnisleistung‘

153 Vgl. insgesamt hierzu Patrick Rössler, Zwischen Neuem Sehen, aber auch Sophie von Stackelberg: Illustrierte Magazine als Zeitschriftentyp und historische Quelle. Der Uhu als Beispiel. In: Fotografie und Bildpublizistik in der Weimarer Republik. Hrsg. von Diethart Kerbs und Walter Uka. Bönen: Kettler 2004, S. 133–149, hier S. 145 und Beckers/Moortgat, Bildgeschichten von Yva, S. 241. 154 Wedderkop, Standpunkt, S. 2. 155 Vgl. Rössler, Zwischen Neuem Sehen, S. 306–309. 156 Zeising, Lenkung und Ablenkung, S. 358. 157 Vgl. Ute Eskildsen: Fotokunst statt Kunstphotographie. Die Durchsetzung des fotografischen Mediums in Deutschland 1920–1933. In: Film und Foto der zwanziger Jahre. Eine Betrachtung der Internationalen Werkbundausstellung „Film und Foto“ 1929. Hrsg. von Ute Eskildsen und Jan-Christopher Horak. Stuttgart: Gerd Hatje 1979, S. 8–25, hier S. 17. 158 Benjamin, Kunstwerk, S. 21.

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des Sehens“ gekennzeichnet war und es dem Betrachter ermöglichte, sich auf eine selbstständige Deutung der Bildarrangements einzulassen, auch wenn diese nicht immer eindeutig zu lösen war. Zeising geht davon aus, dass die „absurde Bildkombinatorik“ des Querschnitts „darauf abzielte, den naiven Glauben an die Lesbarkeit der Bilder zu unterlaufen.“ Das Bild im Querschnitt „spreche damit eben nicht für sich“.159 Dies mag für einige Bildarrangements gelten, die bewusst in ein Referenzsystem aus Texten und Bildern eingebunden wurden, das „ein intuitives Bildverstehen“ und damit die unmittelbare Deutung der Bilder „unmöglich machte“.160 Ein Großteil der Abbildungen hingegen war durchaus als direkte Nachricht an den Betrachter oder als unmittelbare, eindeutig zuzuordnende Illustration eines Textbeitrages zu verstehen. Denn gleichzeitig erfüllten die Fotografien die Anforderungen, die man allgemein an die Verwendung von Bildern in zeitgenössischen Magazinen stellte. Nicht nur der großzügige Einsatz von Abbildungen sollte ein Magazin auszeichnen, sondern vor allem die „originelle […] Anordnung“, die „Leben, Bewegung, Tempo in die Bilder“ bringen sollte, war entscheidend.161 So symbolisierte das Foto im Querschnitt außerdem die „Dynamik der Zeit“, die Beschleunigung, die das Leben vor allem in der Großstadt Berlin in allen Bereichen erfasst hatte. Wedderkop ging es an erster Stelle darum, dieses Leben und die Zeit in ihrem Gehalt und ihren Besonderheiten möglichst präzise in Schlagworten auf den Punkt zu bringen. Schnelligkeit in der Abfassung eines Textes galt ihm als oberste Prämisse für dessen Erfolg: „Nur das schnell und nervös Geschriebene hat das Tempo der Zeit, das Tempo der Technik, die uns auf Schritt und Tritt an ihr Prinzip erinnert […].“162 Er war sich mit zahlreichen Zeitgenossen einig, dass „was kurz und scharf gesagt wird […] eher die Beachtung [findet] als eine breite Ausführung“. Das Foto kann in diesem Zusammenhang als Steigerung begriffen werden. „Kürzer als der kürzeste Text“163 ersetzte es im Querschnitt auch traditionelle journalistische Textformen, wie beispielsweise den Kommentar oder die Nachricht. So wurden beispielsweise Nachrichten von Jubiläen, Geburtstagen oder auch Todesfällen häufig in Form einer Abbildung bekannt gemacht. Der besondere Beitrag des Querschnitts zur zeitgenössischen visuellen Medienkultur liegt damit einerseits in der Betonung und Nutzung der Wirkungsund Funktionsmöglichkeiten der Fotografie als vom Text emanzipiertes, eigenständiges Element, das andererseits aber gleichzeitig konsequent in ein anspruchsvolles

159 Zeising, Lenkung und Ablenkung, S. 370. 160 Ebd., S. 370. 161 Arthur Ploch/Friedrich Kroner: Wie entsteht ein Magazin? Von den Herausgebern des Uhu und des Scherl-Magazin. In: Die Literarische Welt 29 (1929), S. 3. 162 Hermann von Wedderkop: En Avant, die Literaten. In: Der Querschnitt 7 (1927), Heft 4, S. 247– 251, hier S. 250. 163 Arthur Liebert: Unsere Zeitung und unsere Zeit. Eine kulturphilosophische Würdigung. In: Zeitungs-Verlag Nr. 26 vom 25. Juni 1926, S. 16–18, hier S. 18.

7.4 Profil und Entwicklung des Querschnitts

 359

Referenzsystem aus Bildern und Texten unterschiedlicher Gattungen eingebunden und durch diese assoziative Vernetzung mit verschiedenen Kontexten angereichert wurde.164 Dem Querschnitt gelang es, nicht nur eine humorvolle und ironisch geprägte, auf das Profil des Blattes abgestimmte Ästhetik innerhalb des Bildteils zu entwickeln. In der Darlegung der differenzierten und vielschichtigen Wahrnehmungs- und Deutungsmöglichkeiten des Bildes und seines – auch abhängig vom Kontextwissen des Betrachters – unterschiedlichen Informationsgehaltes scheint ebenfalls eine Kritik an der Instrumentalisierung des Bildes auf, wie sie beispielweise von Walter Benjamin geäußert wurde (s. o.).165 Der Querschnitt führte so vor Augen, wie die Bedeutung eines Bildes durch die Einbindung in einen Text-Bild-Kontext bekräftigt, ins Gegenteil verkehrt oder gar ins Absurde oder Lächerliche überführt werden konnte.

7.4 Profil und Entwicklung des Querschnitts Bei der Positionierung des Querschnitts im breiten Spektrum der Ullstein-Periodika mussten vor allem mögliche Ähnlichkeiten mit der Dame und dem Uhu berücksichtigt und weitgehend vermieden werden. Denn im Hinblick auf die erfolgreiche Vermarktung wurde bei Ullstein für jede einzelne Publikation ein unverwechselbares Profil entwickelt, das sie deutlich von den anderen Produkten unterscheiden sollte.166 Die Dame sprach, wie der Querschnitt, „die ersten Kreise der Gesellschaft“ an, richtete sich aber ausdrücklich an die „verwöhnte und elegante Frau“.167 Ihr Schwerpunkt lag auf Mode und Luxus im Allgemeinen, aktuelle Themen standen im Vordergrund und man brachte „das Wichtigste von Kunst und Theater, sowie Leckerbissen aus der Literatur von heute“.168 Vertreten waren renommierte Autoren wie Carl Zuckmayer, Bertolt Brecht, Robert Walser (1878–1956), Alfred Polgar (1873– 1955), Max Brod, Arnold Zweig, Joachim Ringelnatz (1883–1934) und Arthur Schnitzler, deren Werke auch in der Dame im Vorabdruck erschienen. Wie der Querschnitt, der „zu ernste[n] und gewichtige[n] Angelegenheit[en]“ verschlossen blieb,169 legte auch die Redaktion der Dame Wert auf einen nicht zu schwermütigen Ton und lehnte beispielsweise Schnitzlers Roman Therese mit dem Hinweis auf dessen „tiefgrei-

164 Vgl. Zeising, Lenkung und Ablenkung, S. 370. 165 Vgl. Benjamin, Kunstwerk, S. 21. 166 Die ehemalige Redakteurin des Uhu, Eva Noack-Mosse, schrieb hierüber: „Ein für den ‚Uhu‘ geplanter und ausgearbeiteter Artikel musste so abgefaßt sein, daß er in keiner anderen Publikation des Hauses hätte veröffentlicht werden können.“ Noack-Mosse, Uhu, S. 199. 167 Anzeige Ullstein-Berichte Juli 1928. 168 Anzeige Ullstein-Berichte Oktober 1926. 169 Victor Wittner an Ferdinand Bruckner am 5.1.1929 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 614).

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fende[n] Pessimismus“ ab.170 Ähnlich dem Querschnitt, der laut Wedderkop „in Wien, Prag, Moskau, Paris, in der Schweiz, Holland und in den skandinavischen Ländern gelesen“ wurde171 und in Amerika eine „Sensation hervorgerufen“ habe,172 den man sogar, so überlieferte Paul von Mendelssohn, im damaligen Niederländisch-Indien kaufen konnte,173 war die Dame ebenfalls weit über Deutschland hinaus bekannt. Die Auflagenhöhe des Querschnitts konnte allerdings nicht mit der Dame mithalten, deren Auflage zur Zeit der Weimarer Republik mit über 50 000 Exemplaren verzeichnet ist.174 Die größte Gemeinsamkeit des Querschnitts mit dem Uhu, der nur einen Monat vor der Übernahme des Querschnitts im Oktober 1924 ins Leben gerufen worden war, bestand im umfangreichen Abdruck von Illustrationen und Fotografien. Die Präsentation und Einbettung der Fotografien innerhalb des Uhu und die generelle Auseinandersetzung mit dem Thema unterschieden sich allerdings grundlegend von der des Querschnitts (s. o.). Noch stärker als die Dame und der Querschnitt rückte der Uhu unangestrengte und dennoch intelligente Unterhaltung in den Vordergrund, wofür er ebenfalls namhafte Schriftsteller verpflichten und darüber hinaus berühmte Architekten, Wissenschaftler, so zum Beispiel den Nobelpreisträger Albert Einstein (1879–1955), Fotografen, Schauspieler und bildende Künstler gewinnen konnte. Anspruchsvollere Themen sollten allgemeinverständlich und fesselnd dargestellt werden. Die bekannteste Redakteurin war Vicky Baum; Kurt Tucholsky zählte zu den Mitarbeitern der ersten Stunde. Während im Querschnitt die „Lebendigkeit“ des Themas und seine Aktualitätsbezüge eine entscheidende Rolle für die Auswahl der Texte und Abbildungen spielte,175 galten dem Uhu „gute Laune“, „Schönheit“ und „Lebensfreude“ als die wichtigsten Stichworte für dessen Gestaltung.176 Die beiden Magazine ähnelten sich in Umfang und Format, unterschieden sich jedoch maßgeblich im Niveau und der thematischen Ausrichtung und damit im Umfang der Leserschaft. Als stärker universal angelegtes Magazin konnte der Uhu eine Auflage von über 200 000 Exemplaren erreichen.177

170 Max Krell an Arthur Schnitzler am 10.11.1927 (Cambridge, University Library, Signatur B521), vgl. Abschn. 5.2.2. 171 Vertrieb auch in Österreich und der Tschechoslowakei. 172 Hermann von Wedderkop: Der Siegeszug des Querschnitt. In: Querschnitt 4 (1924), Heft 2/3, S. 90–92, hier S. 90. 173 Mendelssohn berichtete, er habe auf der Fahrt nach Bali „im Innern Javas auf der Station Djokja bei der Bahnhofsbuchhandlung den neuesten Querschnitt“ gekauft. Zitiert nach Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 168. 174 Vgl. die Ullstein-Berichte der entsprechenden Jahre. 175 Wedderkop, Siegeszug, S. 90. Vgl. auch Victor Wittner an Ferdinand Bruckner am 3.9.1931 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 614): „Wir würden uns freuen, wenn Sie uns wieder einmal einen Aufsatz geben wollten, am besten über ein aktuelles und wichtiges Problem.“ 176 Vgl. Noack-Mosse, Uhu, S. 187. Vgl. auch Beckers/Moortgat, Bildgeschichten von Yva, S. 241. 177 Vgl. die Ullstein-Berichte der entsprechenden Jahre.

7.4 Profil und Entwicklung des Querschnitts  361

Doch auch der Querschnitt hatte es sich zum Ziel gesetzt, einen vielseitigen Inhalt zu präsentieren,178 und sich „den großen geistigen Strömungen und Leidenschaften der Zeit“179 zu öffnen. Dabei sollten die unterschiedlichsten Weltansichten und Lebensauffassungen einen Platz im Heft erhalten.180 Sie wurden kommentiert oder unkommentiert zur Diskussion gestellt, miteinander konfrontiert und in diverse Kontexte eingeordnet. Wedderkops Absicht war, die verschiedenen künstlerischen, kulturellen, geistigen „Strömungen durch diese Zeitschrift zu leiten“, sie aber auch „im verstärkten Tempo“ wieder „abfließen zu lassen“.181 Das Verständnis dieses Konzepts setzte bei den Lesern ein gewisses Bildungsniveau mit entsprechenden Fremdsprachenkenntnissen, weltoffene Gelassenheit, Humor und ein fundiertes Verständnis des Zeitgeschehens und der kulturellen Entwicklungen vor allem in Europa, aber auch in Amerika und Russland voraus. Wedderkop und der Mitarbeiterkreis des Querschnitts verfügten über umfangreiche Beziehungen ins Ausland, die sich für die Zeitschrift von fruchtbarem Nutzen erwiesen. So konnte der Querschnitt seinen Magazincharakter ebenfalls durch eine große Anzahl von Beiträgen ausländischer Autoren, regelmäßig auch in französischer und englischer Sprache, festigen. Vertreten waren beispielsweise Ezra Pound (1885–1972), der bereits genannte Ernest Hemingway, Marcel Proust, Gertrude Stein (1874–1946) und Paul Morand (1888–1976). Die Rubrik Das Ausland (1926–1928) wurde gefüllt mit persönlichen Erfahrungsberichten aus den Ländern Frankreich, England, Italien, Spanien und den USA, außerdem erschienen meist umfangreich illustrierte Reiseberichte. Der Querschnitt widmete einzelnen Ländern spezielle Themenhefte, in denen er sich intensiv in Text und Bild mit Kultur und Gesellschaft auseinandersetzte (u. a. September 1926: England, April 1926: Spanien, Juni 1927: Holland, Juni 1925: Russland). Wedderkop, der bis zum Jahr 1931 das inhaltliche Profil des Querschnitts maßgeblich prägte, gestaltete das Blatt bewusst im Hinblick auf eine Zielgruppe, die sich von der Masse abheben wollte. Im Querschnitt kultivierte er einen Snobismus, den er als „Wille zum Anderssein“ verstanden wissen wollte,182 der aber auch dem Lebensgefühl der entsprechenden gesellschaftlichen Kreise während der 20er Jahre Ausdruck verlieh. Humor, Spott und Ironie haben wie in den anderen Ullstein-Blättern auch im Querschnitt einen wichtigen Stellenwert.183 Vor allem die Marginalien, die auf den letzten Seiten der Hefte vermischte Nachrichten und Informationen aus den unterschiedlichsten Themengebieten brachten, sollten eine Art „polemischer

178 Vgl. Wedderkop, Standpunkt, S. 5. 179 Ebd., S. 3. 180 Vgl. Haacke, Querschnitt, S. XXIX. 181 Wedderkop, Standpunkt, S. 3. 182 Ebd. 183 Beckers/Moortgart zählen „Spott und Ironie“ zu den „Markenzeichen der Renommierblätter des Verlags“. Vgl. Beckers/Moortgat, Bildgeschichten von Yva, S. 239. Vgl. hierzu auch Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 110.

362  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

Anhang“ sein.184 Dafür bediente man sich hauptsächlich in anderen, auch ausländischen Zeitschriften abgedruckten Kuriositäten. Eine „ausgezeichnete QuerschnittMaterie“ stellte zum Beispiel die in einer Sportzeitschrift veröffentlichte „FußballKritik in Anlehnung an die Nibelungen-Kritik“ dar, auf die Julius Elias den Verlag aufmerksam gemacht hatte.185 Man hätte diese gerne zusammen mit Herbert Iherings entsprechender Kritik an Fritz Langs Filmepos von 1924186 „neben- oder untereinander“ und einem „hübschen u[nd] seltenen Photo“ des Theaterkritikers abgedruckt und korrespondierte diesbezüglich mehrfach mit Ihering.187 Während dem Querschnitt vor allem an der Wirkung auf die Leser gelegen war, äußerte Ihering allerdings Bedenken, „ob man dem Fussballkritiker durch eine Veröffentlichung nicht sehr schaden würde“, was er „gern vermeiden“ wollte.188 Die Fußballkritik konnte jedoch schließlich nicht im Querschnitt abgedruckt werden, da sich die betreffende Nummer der Fußballzeitschrift nicht auffinden ließ.189 Nicht so stark wie im Uhu, der ein besonderes Interesse für das Persönlich-Intime hegte, das selbst vor der Erfragung des monatlichen Einkommens nicht Halt machte,190 waren aber doch auch die Beiträge im Querschnitt stets in einem sehr persönlichen Stil verfasst. Chefredakteur Victor Wittner (1896–1949) präzisiert in seiner Korrespondenz mit dem Autor Ferdinand Bruckner (1891–1958) die Erwartungen des Querschnitts an den zu liefernden Artikel des Autors wie folgt: Da uns aber Menschen immer mehr interessieren als Dinge, liegt uns nicht so sehr an der viel gepriesenen Sachlichkeit, wir erwarten vielmehr einen durchaus persönlich gefärbten Artikel von Ihnen, sei es nun in der Form einer kurzen, autobiographischen Mitteilung oder, wenn das Ihren Vorsätzen widersprechen sollte, über Ihr besonderes Verhältnis zum Theater und die nach Ihrer Meinung aussichtsreichste Form des heutigen und künftigen Dramas.191

In einem weiteren Brief bekräftigt er noch einmal, dass der Text „auch mit Beispielen aus Ihrer Erfahrung versehen“ sein könnte, „doch bitte ohne Wiederholung dessen, was Sie in dieser Angelegenheit bereits […] anderswo veröffentlicht haben; denn wir wollen eine richtige neue Arbeit von Ihnen haben.“192 Neben der Aktualität der Aufsätze in Bezug auf Thema und Erstabdruck hegte der Querschnitt also auch

184 Schulze, Der Querschnitt, S. 380, zitiert Ottomar Starke, S. 96. 185 Der Querschnitt im Propyläen-Verlag an Herbert Ihering am 10.11.1924 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 3241). 186 Herbert Ihering, Berliner Börsen-Courier vom 15.2.1924. 187 Der Querschnitt im Propyläen-Verlag an Herbert Ihering am 10.11.1924 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 3241). 188 Herbert Ihering an den Querschnitt am 14.11.1924 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 3241). 189 Vgl. ebd. und Der Querschnitt an Herbert Ihering am 12.12.1924 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 3241). 190 Vgl. die zahlreichen Leserumfragen im Uhu. 191 Der Querschnitt an Ferdinand Bruckner am 28.11.1928 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 614). 192 Der Querschnitt an Ferdinand Bruckner am 17.12.1928 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 614).

7.4 Profil und Entwicklung des Querschnitts 

363

nach der Übernahme in den Propyläen-Verlag weiterhin die von Wedderkop bereits 1923 proklamierte „Vorliebe für die Literatur des Lebens, d. h. für die Auslassungen der im Leben Stehenden über das ihnen gewohnte Gebiet und die ihnen eigenen Erfahrungen“.193 Als Autoren konnte man für den Querschnitt nicht nur bekannte Schriftsteller und Künstler gewinnen, sondern auch Regisseure, Schauspieler, Modeschöpfer, Fotografen oder gar Golfcaddies. Dabei wollte der Querschnitt in der Themenwahl neugierig, aufgeschlossen und vielseitig, in seinen Betrachtungen vorurteilslos und frei von moralischen Zwängen sein.194 Bis zum Weggang des Herausgebers Wedderkop konnte die Zeitschrift eine stabile Phase mit etabliertem, inhaltlichem und optischem Profil verzeichnen. Nach der Übernahme durch Ullstein hatte der Querschnitt seine inhaltliche Eigenständigkeit weitgehend beibehalten, denn sowohl die Kunst als auch die Literatur betreffend schlugen Verlag und Zeitschrift unterschiedliche Wege ein. Während bei Propyläen der Schwerpunkt im Bereich Kunst auf dem deutschen Impressionismus lag, rückte der Querschnitt wie sein Gründer Flechtheim vor allem die französische Moderne in den Mittelpunkt. Und wo für den Propyläen-Verlag in der Auswahl seiner Autoren vor allem die vorteilhaften Absatzmöglichkeiten von Werken arrivierter Schriftsteller wie Heinrich Mann, Arthur Schnitzler oder Lion Feuchtwanger im Vordergrund standen und man aus diesen Gründen auch geeignete Werke von UllsteinUnterhaltungsautoren veröffentlichte,195 wollte der Querschnitt die „Ungehörte[n …] vollberechtigt“ zu Wort kommen lassen und die „Literat[en]“ dagegen „mit Misstrauen empfangen“.196 Unter den Autoren sind Gottfried Benn, Else Lasker-Schüler, Franz Werfel, Carl Sternheim, Joachim Ringelnatz, Erich Kästner, Hans Fallada oder auch Mascha Kaléko mit einigen Erstveröffentlichungen ihrer Kabarettlyrik.197 Andere hingegen, um die man sich bei Ullstein und Propyläen bemühte bzw. die dort eine Rolle spielten, wie z. B. Gerhart Hauptmann, Kurt Tucholsky oder Bertolt Brecht, lehnte Wedderkop offen ab.198 In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache zu bewerten, dass Wedderkop nicht in die Reihen der Ullstein-Mitarbeiter aufgenommen wurde und man ihm keine weiteren Aufgaben oder Positionen im Ullstein-Konzern übertrug, obwohl der Verlag bekannt dafür war, kompetente Persönlichkeiten dauerhaft an sich zu bin-

193 Wedderkop, Siegeszug, S. 91. 194 Vgl. ebd., S. 90; Wedderkop, Standpunkt, S. 5; Wedderkop, Querschnitt durch 1922, S. VII. 195 Vgl. Abschn. 5.2. 196 Wedderkop, Standpunkt, S. 3. 197 Vgl. zu Mascha Kaléko Julia Meyer: Karnevaleske Blödsinnzentrale: Mascha Kalékos Berliner Gedichte als Kabaretttexte im Querschnitt. In: Deutsche illustrierte Presse. Journalismus und visuelle Kultur in der Weimarer Republik. Hrsg. von Katja Leiskau, Patrick Rössler und Susanne Trabert. Baden-Baden: Nomos 2016, S. 305–327. 198 Vgl. Haacke, Querschnitt, S. XXX. Vgl. Wedderkop, Querschnitt durch 1922, S. [16].

364  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

den.199 Dass man bei Ullstein mit Wedderkops Leistung oder Gesinnung im Rahmen seiner Herausgebertätigkeit nicht vollauf zufrieden war, wird auch durch die Aufwertung der Position Victor Wittners deutlich. Ab dem Jahr 1928 sind Korrespondenzen Wittners nachweisbar, die er als Redakteur des Querschnitts führte. Ab Januar 1929 wird er als „verantwortlicher Redakteur“ und ab Juli 1929 schließlich offiziell als Chefredakteur in den Querschnitt-Heften genannt. Die ab diesem Zeitpunkt sichtbar werdenden Änderungen in der Gestaltung der Zeitschrift200 können mit großer Wahrscheinlichkeit auf den wachsenden Einfluss des stärker an Ullsteins Vorgaben orientierten Wittner zurückgeführt werden. Nach der Trennung von Wedderkop 1931 lässt sich dann eine deutliche Angleichung an die populäreren Produkte des Ullstein Verlags beobachten, als beginne man nun auch mit dem Querschnitt „auf die Gunst der Massen zu spekulieren“.201 Die Themen des Querschnitts änderten sich, Kunst und Theater traten in den Hintergrund, dafür entstanden Themenhefte, wie z. B. Der Querschnitt durch die Ehe, ER und SIE oder Der Querschnitt durch den Okkultismus. Dem Kino, dessen Pleite Wedderkop 1923 konstatiert hatte und das im Querschnitt zu Beginn keine große Rolle spielte, wurde nach der Übernahme durch den auch im Filmgeschäft engagierten Ullstein-Konzern mit den Jahren mehr Raum geboten. Im Januar 1931 erschien ein entsprechendes Film-Heft. Die kosmopolitische Ausrichtung des Querschnitts hingegen und sein Interesse für das Ausland verschwanden nach der Trennung von Wedderkop recht schnell. Die Auflösung des sich unter Wedderkop etablierten Profils des Querschnitts wird ebenfalls anhand der Titelblätter deutlich. Bis Ende 1930 hatte deren einheitliche, klassisch zurückhaltende Aufmachung für Kontinuität und eine Stärkung des Profils auch nach außen hin gesorgt und die schnelle Wiedererkennung des Querschnitts am Zeitschriftenkiosk garantiert. Danach werden die Umschläge der Hefte lebhafter und bunter, die Abbildungen nehmen mehr Raum ein, dafür tritt der Titel, nun schwarz statt wie zuvor rot, in den Hintergrund. Betont wird die von Willi Baumeister entworfene, signethaft gesteigerte Initiale „Q“, die von 1931 bis 1933 auf den meisten Heften zu sehen ist (vgl. Abb. 52). Hatte die Titelillustration unter Wedderkop eher den künstlerischen Schwerpunkt des Magazins betont – neben dem häufig vertretenen Ernst Aufseeser (vgl. Abb. 51) finden sich beispielsweise Illustrationen von Chagall, Grosz oder Léger –, so nimmt sie unter Wittner eher den Charakter des satirischen Cartoons an (vgl. Abb. 52), wie er von Kurth Werth (1896–1983) nicht nur für den Querschnitt entworfen wurde.

199 Vgl. Abschn. 3.2. 200 Im Bereich der Fotografien äußern sich diese Änderungen beispielsweise in der Zunahme von Porträtabbildungen und Bildern von Kindern und Tieren, die lediglich aufgrund ihres Motivs, ohne weitere Einordnung in einen höheren Zusammenhang abgedruckt wurden. 201 Hering, Querschnitt, S. 251.

7.4 Profil und Entwicklung des Querschnitts 

Abb. 51: Titelblatt von Ernst Aufseeser, Querschnitt 6 (1926), Heft 5

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366  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

Abb. 52: Titelblatt von Kurt Werth, Querschnitt 12 (1932), Heft 1

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt

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Die modernere Titelgestaltung, vor allem aber das flachere inhaltliche Niveau des Querschnitts, seine Abkehr von einer gewissen Exklusivität und Hinwendung zu populäreren Themen, die ein breiteres Publikum ansprachen, schlugen sich im Absatz der Hefte positiv nieder. Das April-Heft des Jahres 1932 beispielsweise, erschienen unter dem Motto Junge Mädchen heute, war „bereits vor seinem Erscheinen durch Vorausbestellungen restlos vergriffen“.202 Insgesamt konnte die von Wedderkop erzielte Auflage in Höhe von maximal 18 200 Exemplaren203 ab 1929 unter Wittner kontinuierlich auf bis über 27 000 Exemplare im Jahr 1933 gesteigert werden.204 Trotz dieses Erfolgs musste der Querschnitt sein Erscheinen im Propyläen-Verlag schließlich aufgrund der politischen Situation zum 13. April 1933 einstellen.205 Er wurde in anderer Form von Kurt Wolff weitergeführt und 1936 von den Nationalsozialisten verboten.206

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt Die Übernahme des Querschnitts bot dem Propyläen-Verlag eine neue und geradezu ideale Möglichkeit, sich „mit Proben in Wort und Bild und Nachrichten über seine Veröffentlichungen und Pläne an das interessierte Publikum zu wenden“.207 Sowohl die ursprünglich dafür ins Leben gerufenen Blätter des Propyläen-Verlages als auch das in den Jahren 1922 und 1923 erschienene Jahrbuch Der Spiegel wurden zugunsten des Querschnitts eingestellt. Der Verlag informierte fortan ausführlich in der zwischen 1924 bis 1927 unregelmäßig erscheinenden Rubrik Aus dem Propyläen-Verlag über aktuelle Neuerscheinungen. Der Querschnitt eignete sich besonders aufgrund seiner Zielgruppe für die Präsentation des Propyläen-Programms. Diese hatte ursprünglich vor allem aus Kunstsammlern und Bibliophilen208 und aus den Künstlern und Schriftstellern selbst bestanden. Interessant war hier der über den Querschnitt mögliche Zugang zum Kunden- und Bekanntenkreis Alfred Flechtheims, der für Propyläen ein vielversprechendes, an Kunst, Literatur und hochwertigen Büchern interessiertes Publikum darstellte. Nach der Übernahme durch Ullstein wollte man darüber hinaus verstärkt die zahlungskräftige, aber ebenso „geistig gerichtete Oberschicht“ ansprechen, „die an den schönen und großen Dingen des Lebens Freude hat und das Kleinliche und

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Propyläen an Herbert Ihering am 29.4.32 (Berlin, Archiv der AkdK, Signatur 3241). Vgl. Ullstein-Berichte, Oktober 1928. Vgl. Ullstein-Berichte, April 1933. Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). Vgl. Felber, Querschnitt, S. 9. Blätter des Propyläen-Verlags Berlin, 2. Jg., Heft 5/6, Dezember 1924, S. 1. Vgl. Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 146.

368  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

Unechte ablehnt.“209 Der Querschnitt sollte dem Ullstein-Konzern auf diese Weise auch Einnahmen durch den entsprechenden Anzeigenverkauf sichern. Der im Vergleich zu den auflagenstärkeren Zeitschriften Dame und Uhu weitaus geringere Preis für eine Anzeigenseite im Querschnitt lag im Jahr 1925 bei 230 Reichsmark und wurde im April 1929 auf 260 Reichsmark erhöht.210 Man betonte, dass die Querschnitt-Leser „mehr als andere durch geschmackvolle Inserate zum Kauf angeregt werden können“.211 Die Firmen, die im Querschnitt Anzeigen schalteten, spiegeln die Zielgruppe der Zeitschrift wider, handelte es sich doch dabei um Buchhandlungen, Verlage, Geschäfte, die Künstlermaterial vertrieben, Geigen- und Klavierbauwerkstätten, Galerien und Tanzlokale, Antiquitätenhändler, Druckereien für künstlerische Graphik und Buchbindereien. Deutliche Hinweise auf die gewünschte Ansprache der vermögenderen gesellschaftlichen Kreise geben die hochpreisigen Markenprodukte, wie z. B. Lange & Söhne Uhren, Montblanc Füllfederhalter, verschiedene Autofirmen oder auch VOX Schallplatten und die entsprechenden Grammophon-Hersteller. Über die Zielgruppe hinaus bot das reich mit Abbildungen bestückte Layout des Querschnitts günstigste Voraussetzungen zur umfangreichen Präsentation der illustrierten Werke des Propyläen-Verlags. Die entsprechenden Bilder wurden oft im direkten Zusammenhang mit den Verlagsinformationen oder einem entsprechenden Textauszug gezeigt. Illustrationen aus Propyläen-Büchern finden sich aber auch eingestreut in den redaktionellen Teil der Hefte, innerhalb des Fototeils (s. u.) oder gar als Titelbild, wie z. B. die Radierung von Hans Meid aus dem Buch Leben des Lazarillo von Thormes212, die für das Spanien-Heft im April 1926 verwendet wurde. Neben der Rubrik Aus dem Propyläen-Verlag waren es insbesondere die Anzeigen, die auf die Werke des Propyläen-Verlags aufmerksam machten. Ganz- oder doppelseitig auf den ersten Seiten der Hefte platziert, dienten sie in den ersten Jahren nach der Übernahme des Querschnitts vor allem dazu, einen Überblick über das gesamte Programm zu liefern und auf diese Weise das Profil des Verlags vorzustellen (vgl. Abb. 53). Erst ab 1928 ging man dann zu einer verstärkten Werbung für Einzeltitel über (vgl. Abb. 54). Neben den zeitgenössischen Autoren, die seit 1925 Einzug in das Programm gehalten hatten, stand Ende der zwanziger Jahre die Propylä-

209 Dascher, Es ist was Wahnsinniges, S. 169. 210 Vgl. Ullstein-Chronik (Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer, o. Z.). 1926 betrug der Preis für eine Seite in der Dame 2000 Reichsmark, im Uhu 1200 Reichsmark. Vgl. Hans-Peter Scherrer: Von der Annonce zur Kommunikationsstrategie. In: Hundert Jahre Ullstein 1977–1977. Hrsg. von W. Joachim Freyburg und Hans Wallenberg. Bd. 3. Berlin: Ullstein 1977, S. 75–117, hier S. 109. 211 Ullstein Verlag (1929), o. S., zitiert nach Bettina Feininger/Ulrike Felger: „Der Stoff liegt auf der Straße“ – der Querschnitt. In: Moderne Illustrierte – illustrierte Moderne. Zeitschriftenkonzepte im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Patrick Rössler. Stuttgart: Württembergische Landesbibliothek 1998, S. 26–37. 212 Mendoza, D. Diego Hurtado de: Leben des Lazarillo von Thormes. Deutsch von J. G. Keil (1923).

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt 

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en-Kunstgeschichte im Mittelpunkt der Anzeigenkampagnen (vgl. Abb. 55 und Abb. 56). Nachdem auch diese zunächst als gesamte Reihe präsentiert worden war, wurden gegen Ende der zwanziger Jahre ganzseitige Anzeigen jeweils auf der ersten Seite der Querschnitt-Hefte geschaltet, die einzelne neue Bände in einem auf das Themengebiet abgestimmten Layout bekannt machten. Für die Propyläen-Kunstgeschichte bot der Querschnitt nicht nur im Hinblick auf die Anzeigenwerbung die ideale Präsentationsfläche. In zahlreichen Heften war der letzte oder vorletzte Fototeil vollständig dem Abdruck einiger Auszüge aus jeweils einem Band der Propyläen-Kunstgeschichte vorbehalten. Besonders beworben wurde beispielsweise Otto Fischers Band Die Kunst Indiens, Chinas und Japans. Mit Erscheinen des Buches veröffentlichte man im Juni-Heft des Jahres 1928 einen Textauszug und belegte zwei Kunstdrucksektionen, die zweite und die siebte innerhalb des Heftes, mit acht ganzseitigen Abbildungen. Im Monat darauf wurden erneut zwei vollständige Kunstdruckeinheiten dem neuen Band der Propyläen-Kunstgeschichte gewidmet und im Oktober folgte eine ganzseitige Anzeige. Diese umfangreiche Vorstellung einzelner erfolgversprechender Bände der Kunstgeschichte lässt sich z. B. auch bei dem Band Die Baukunst der neuesten Zeit (Gustav Adolf Platz), der in Zusammenarbeit mit dem Fachverlag Die Bauwelt entstanden war,213 oder bei Adolf Feulners Band über die Kunstgeschichte des Möbels beobachten. Für Carl Einsteins Werk über Die Kunst des 20. Jahrhunderts verfasste der Herausgeber Wedderkop persönlich eine Rezension im Querschnitt, war der Autor doch mit Flechtheim befreundet und im Querschnitt von Beginn an mit zahlreichen Beiträgen vertreten.214

213 Mehr hierzu: Roland Jaeger: Die Baukunst der neuesten Zeit. Gustav Adolf Platz und sein Beitrag zur Architekturhistoriographie der Moderne. Gebr. Mann: Berlin 2000. 214 Flechtheim hatte den Autor zudem mit Bildvorlagen und Bildrechten unterstützt. Der Kontakt zwischen Einstein und dem Propyläen-Verlag war jedoch nicht erst nach Übernahme des Querschnittszustande gekommen, der Verlagsvertrag für den Band der Propyläen-Kunstgeschichte wurde jedenfalls bereits 1922 unterzeichnet. Vgl. Abschn. 4.2.4.

370  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

Abb. 53: Anzeige Programm Propyläen-Verlag, Querschnitt 4 (1924), Heft 5

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt

Abb. 54: Anzeige Arnold Ulitz, Aufruhr der Kinder, Querschnitt 9 (1919), Heft 8



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372  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

Abb. 55: Anzeige Die Kunst des frühen Mittelalters, Querschnitt 9 (1929), Heft 11

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt

Abb. 56: Anzeige Die Kunst des Rokoko. Querschnitt 9 (1929), Heft 5

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374  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

Der Querschnitt veröffentlichte keine Roman- oder Novellenvorabdrucke. Um einen erfolgversprechenden Roman, der anschließend als Buch im Ullstein- oder Propyläen-Verlag erscheinen sollte, einem großen Publikum bekannt zu machen, war die Auflage des Querschnitts zu gering und die Zielgruppe zu stark eingegrenzt. Mit zahlreichen anderen Publikationen, wie der BIZ, der Vossischen Zeitung und der Dame, standen dem Verlag in dieser Hinsicht „potentere“ Organe zur Verfügung. Doch nicht nur aus der Propyläen-Kunstgeschichte, sondern auch aus zahlreichen anderen Werken des Propyläen-Verlags platzierte man Auszüge zwischen den Beiträgen der Zeitschrift. Der Leser wurde meist lediglich durch einen kleinen Hinweis in einer Fußnote auf die entsprechende Quelle des Textes aufmerksam gemacht, sodass die Werbung für Propyläen-Bücher auf diese Weise recht unauffällig in die Zeitschrift integriert werden konnte.215 Während andere Verlage mit ihren (Literatur-)Zeitschriften wichtige Publikationsorgane für die eigenen Autoren bereithielten, die der Entdeckung neuer und der Bindung bereits etablierter Autoren dienten und deren Position sowie die durch den Verlag geförderten literarischen Bewegungen oder Gruppen innerhalb des literarischen Feldes stärken half,216 spiegelte sich im Querschnitt die marktstrategischen Aspekten unterworfene Programmgestaltung des Propyläen-Verlags wieder. Von den Propyläen-Autoren ist lediglich Zuckmayer mit wenigen einzelnen Beiträgen im Querschnitt vertreten. Nachdem im Juli 1925 zwei seiner Gedichte erschienen waren, veröffentlichte man im Januar-Heft des Jahres 1930 einen Auszug aus seinem im Dezember 1928 uraufgeführten und Ende 1929 bei Propyläen als Buch erschienenen Stück Katharina Knie. Der Auszug wurde um eine Genealogie der Familie Knie und einen Aufsatz von Karl Wolfskehl über die Gegenspieler zur Metaphysik des Clowns ergänzt. Im Februar folgten dann Bilder aus der Berliner Aufführung im Lessingtheater. Zur Uraufführung des Hauptmanns von Köpenick zeigte der Querschnitt im April 1931 lediglich die Fotografie eines Szenenbildes. Ansonsten findet sich noch die kurze Besprechung eines „Carl Zuckmayer-Abends“ mit den Literaturangaben der bei Propyläen erschienen Zuckmayer-Werke217 und verschiedene Anzeigenwerbungen für die Werke Zuckmayers. Ein eigens für den Querschnitt verfasster Beitrag

215 Vgl. beispielsweise Otto Fischer: Alonso de Contreras. Leben, Taten und Abenteuer. In: Der Querschnitt 11 (1924), S. 295–300. (Das entsprechende Buch erschien 1924 im Propyläen-Verlag.) Hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass diese Vorgehensweise auch für den Abdruck aus Publikationen anderer Verlage üblich war und sich keineswegs nur auf den Propyläen- oder den Ullstein Verlag beschränkte. 216 Vgl. beispielsweise die Untersuchung von Monika Dimpfl: Die Zeitschriften Der Kunstwart, Freie Bühne/Neue Deutsche Rundschau und Blätter für die Kunst: Organisation literarischer Öffentlichkeit um 1900. In: Zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur im 19. Jahrhundert. Einzelstudien. Teil II. Hrsg. im Auftrag der Münchner Forschergruppe „Sozialgeschichte der deutschen Literatur 1770– 1900“ von Monika Dimpfl und Georg Jäger (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. 28). Tübingen: Niemeyer 1990, S. 116–197. 217 Carl Zuckmayer-Abend. In: Der Querschnitt 2 (1927), S. 880.

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt



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lässt sich nur in einem Fall nachweisen: Zuckmayer hatte für das Film-Heft von 1931 eine Kritik an der zeitgenössischen Verfilmungspraxis von Theaterstücken beigesteuert. Brechts Werke sind bis auf einen Textauszug aus Die heilige Johanna der Schlachthöfe im Dezember 1931 nur in Abbildungen aus den jeweiligen Verfilmungen oder Aufführungen vertreten.218 Im Rahmen der Berichterstattung über die Berliner Aufführung der Dreigroschenoper im November 1928 brachte der Querschnitt mehr zu den Aufführungen der Beggar’s Opera in London, die Brecht als Vorlage gedient hatte, als über sein Stück. Auch Hasenclever ist im Querschnitt kaum vertreten. Neben einem Textauszug aus Ehen werden im Himmel geschlossen im November 1928 veröffentlicht der Querschnitt nur noch ein Bild aus der entsprechenden Uraufführung in den Kammerspielen in Berlin und zwei Bilder aus seinem Stück Napoleon greift ein. Insgesamt kann man festhalten, dass die literarischen Autoren des Propyläen-Verlags im Querschnitt keine Rolle spielen. Sie sind nur selten durch vereinzelte Textauszüge aus den Propyläen-Büchern, nicht jedoch mit eigenständig für die Zeitschrift geschriebenen Beiträgen im Querschnitt vertreten. Dies bestätigt noch einmal, dass das Profil der Zeitschrift, jedenfalls bis zur Trennung von Wedderkop, auch was die Auswahl der literarischen Autoren betraf, ausschließlich durch den Herausgeber und nicht durch den Verlag bestimmt wurde. Wie bei der Übernahme der Klassikerausgaben von Georg Müller gelang Ullstein auch im Fall des Querschnitts der Zugriff auf ein vielversprechendes, bereits etabliertes Produkt. Dadurch reduzierte sich das Risiko der Markterprobung einer eigenen Neuentwicklung und – das war der entscheidende Vorteil – seine Provenienz zeichnete den Querschnitt zusätzlich aus. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die Kosten für die Herausgabe der Zeitschrift stets höher waren als deren Einnahmen219 und der Querschnitt durch andere, auflagenstärkere Ullstein-Publikationen querfinanziert werden musste, spielte er doch für die Positionierung des Propyläen-Verlags eine nicht unbedeutende Rolle. Durch den Querschnitt wurde das Bild des anspruchsvollen Kunst- und Literaturverlags komplettiert, das man für Propyläen fern von Ullsteins populären Massentendenzen erfolgreich zu zeichnen suchte. Wie seine unmittelbaren Konkurrenten Paul Cassirer, Samuel Fischer oder Anton Kippenberg verfügte der Verlag nun ebenfalls über eine eigene Zeitschrift, die ihm durch ihr kulturelles Kapital zunächst eine zusätzliche Legitimation als ernstzunehmender Verlag im Feld der Literatur und Kunstverlage verschaffte. Aufgrund seiner fehlenden programmatisch-ideologischen Anbindung an den Propyläen-Verlag unterschied sich der Querschnitt hingegen grundlegend von Zeitschriften wie Kunst

218 Bilder von Schauspielern aus der Verfilmung der Dreigroschenoper im Januar- und Februar-Heft 1931, Bilder aus Brechts Kuhle Wampe, ein Bild aus der Aufführung Mann ist Mann, Bilder aus der Uraufführung der Dreigroschenoper (November 1928, Aufführung August 1928). 219 Vgl. Felber, Querschnitt, S. 9.

376  7 Der Querschnitt – „Das Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“1

und Künstler, die Neue Deutschen Rundschau oder die Insel. Seine Nutzbarmachung durch und für Propyläen beschränkte sich vor allem auf die Funktion des im Hinblick auf Zielgruppe und inhaltlicher Ausrichtung besonders geeigneten Werbemittels.

8 Positionsveränderung und Machterweiterung Ullsteins durch Entwicklung der Marke Propyläen Mit dem Propyläen-Verlag war es dem Ullstein-Konzern gelungen, neue Marktsegmente zunächst im Bereich der Klassikerausgaben und der Kunstliteratur und später vor allem auf dem Gebiet der Bühnenstücke zu erschließen. Durch die Übernahme und Fortsetzung der bereits auf dem Markt eingeführten Klassikerausgaben und Reihen des Georg Müller Verlags und die daran anschließenden eigenen literarischen und künstlerischen Produktionen wurde in den ersten Jahren eine wirkungsvolle Profilierung des Propyläen-Verlags erreicht. Es ist deutlich geworden, wie sehr die gültigen Wertvorstellungen und damit insgesamt die Regeln des literarischen Feldes bis Mitte der zwanziger Jahre durch die Kulturverleger bestimmt wurden. Um neue Marktsegmente im Bereich der gehobenen Literatur zu erschließen, die insgesamt eine Steigerung des Renommees des Verlags mit sich bringen sollten,1 musste sich Ullstein zunächst den von Georg Müller und den anderen Kulturverlegern vorgegebenen Standards und Usancen anpassen. Auf diese Weise konnte sich Propyläen tatsächlich schnell „einen Ruf fundierter Zuständigkeit für die Bewahrung und produktive Weitergabe der kulturellen Errungenschaften“2 verschaffen. Entscheidend hierfür war, dass man an die Qualität der eigenen Produktionen höchste Ansprüche stellte. Nur auf diese Weise konnten Publikum und Kritiker dauerhaft davon überzeugt werden, dass im Hause Ullstein nicht nur preiswerte Bücher und Presseerzeugnisse, sondern auch echte bibliophile Werte entstehen konnten. Die Analyse des Propyläen-Programms hat gezeigt, dass der Verlag in den ersten Jahren eine sehr hochwertige Produktion vorweisen konnte, die es in jeder Hinsicht mit dem Programm der Kulturverleger aufnehmen konnte. Nach 1925 erlangte die aus dem Propyläen-Verlag, der Vossischen Zeitung und dem Arcadia-Verlag bestehende „exklusive Zone“3 innerhalb des Ullstein-Konzerns eine erhöhte Bedeutung. Diese prestigeträchtigeren Unternehmensteile wurden innerhalb der Mehrfachverwertungsstrategie eng aufeinander abgestimmt und somit von den populären Massenproduktionen, wie der BIZ und den Buchreihen desUllstein Buchverlags, abgegrenzt. Damit gelang Ullstein die Etablierung einer an den Werten und dem Bildungsgedanken des ehemaligen Bildungsbürgertums ausgerichteten Einheit innerhalb des Konzerns, in der anspruchsvolle Themen, Werke und Autoren platziert werden konnten. Auch in den bisher nicht besetzten Segmenten des Buchmarktes entwickelte sich Ullstein somit zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für die dort bereits

1 Vgl. Herz, Denk ich an Deutschland, S. 242 f., der von einer „Erhöhung der bisherigen Tätigkeit“ spricht. 2 Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 104. 3 Ebd., S. 102. https://doi.org/10.1515/9783110683561-008

378  8 Positionsveränderung und Machterweiterung Ullsteins

etablierten Verlage. Während jene jedoch vor allem die Vermittlung zwischen Kunst/Literatur und Markt, bzw. die Etablierung von Autoren durch Schaffung eines potenziellen Marktes für ihre Werke und somit die Förderung von Literatur und Kunst, als Ziele ihres verlegerischen Handelns ansahen,4 war das Propyläen-Programm insgesamt nicht auf die Entdeckung und Einführung neuer Werke und Autoren ausgerichtet.5 Das unternehmerische Risiko wurde weitgehend gering gehalten. Man setzte auf marktfähige Produktionen, mit denen florierende Absatzmärkte vollständig ausgeschöpft werden sollten.6 Anschließend wandte man sich neuen Projekten zu. Die hohe Innovationsbereitschaft des Ullstein-Konzerns als Medienunternehmen schlägt sich im Programm des Propyläen-Verlags hauptsächlich in der bildmächtigen, populären Gestaltung der großen Prestigeprojekte, wie der Propyläen-Kunstgeschichte und der Propyläen-Weltgeschichte, der Entwicklung des Querschnitts zu einem Magazin und für die Autoren in den vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten ihrer Texte nieder. Während Inhalt, Aufmachung und Autoren bzw. Künstler des Propyläen-Programms in den ersten Jahren in hohem Maße dem Programm der Kulturverleger glichen, unterschied sich die Strategie, die hinter der Programmentwicklung steckte, maßgeblich. Den Grundstein der Verlagsarbeit legten nicht die Präferenzen des Verlegers und seine Zusammenarbeit mit bestimmten Autoren;7 das Programm des Propyläen-Verlags war vielmehr von Beginn an der strikten Kosten-Nutzen-Beurteilung des Konzerns unterworfen. Der bereits in den Anfängen desUllstein Buchverlags mit einzelnen Produktionen verfolgte höherwertige Programmbereich wurde mit dem Propyläen-Verlag erst systematisch ausgebaut, als es betriebswirtschaftlich rentabel erschien. Den passenden Rahmen hatte der Konzern allerdings bereits geschaffen und damit in gewissem Sinne den Weg des neuen Unternehmens „vorgezeichnet“8, denn Ullsteins Investitionen, sei es in den Maschinenpark oder die Mitarbeiter, waren stets auf Innovation und Expansion ausgerichtet. Durch das beständige Bestreben, die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal zu nutzen, wurde die Weiterentwicklung des Unternehmens vorangetrieben. So hatte man sowohl die Druckerei als auch den literarisch-künstlerischen und wissenschaftlichen Redaktionsbereich mit erheblichem Potenzial ausgestattet und bereits Erfahrung mit entsprechenden

4 Vgl. hierzu vor allem Kuhbandner, Unternehmer zwischen Markt und Moderne, S. 9 f., deren Arbeit von dieser These ihren Ausgang nimmt. 5 Vgl. Schneider, Der unsichtbare Zweite, S. 119–134, die den Wertungsprozess der Kulturverleger bei der Auswahl von Werken und Autoren dem des Ullstein-Konzerns gegenüberstellt. 6 Vgl. Johannes Ludwig: Medienunternehmer zwischen Kunst und Kommerz. In: Geschäft mit Wort und Meinung. Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert. Hrsg. von Günther Schulz. München: Boldt im Oldenbourg-Verlag 1999, S. 23–56, hier S. 46, der diese Strategie auch am Beispiel des Bertelsmann Verlags aufzeigt. 7 Vgl. die Kulturverleger bei Kuhbandner, Unternehmer zwischen Markt und Moderne, S. 9. 8 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 198.

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt



379

Ullstein-Produktionen gesammelt, um das Propyläen-Programm von Anfang an professionell betreuen zu können. Mit fortschreitender Etablierung des Propyläen-Verlags konnte Ullstein seine marktbeherrschende Position ausbauen und als Großunternehmen einen verstärkten Einfluss auf die Regeln und Strukturen des literarischen Feldes gewinnen.9 Der von Schwab-Felisch betonte „Ehrgeiz“10 des Verlags zielte eindeutig auf die Erreichung einer Vormachtstellung im literarischen Feld ab.11 Die nach außen hin postulierte Erfüllung einer kulturellen Verantwortung war dabei allerdings zunächst wichtiges Mittel zum Zweck. Ullstein gelang es, sich mit dem Propyläen-Verlag verstärkt kulturelles und symbolisches Kapital einzuverleiben. Es lässt sich indes beobachten, dass der Konzern mit zunehmender Macht innerhalb des Feldes und nach erfolgreicher Positionierung des Propyläen-Verlags die jeweiligen Projekte immer stärker den eigenen Unternehmens-Grundsätzen unterwarf und damit auch allgemein die Spielregeln innerhalb des Feldes modifizierte. Im Vordergrund stand dabei vor allem die Fokussierung auf optimierte, an Marktgegebenheiten und Zielgruppen ausgerichtete Absatzmöglichkeiten der Werke, die durch eine entschiedene Steuerung des Verlags kontrolliert wurden. Diese Vorgehensweise Ullsteins zeigte sich bereits 1923 in der mit dem Georg Müller Verlag gemeinsam veranstalteten Herausgabe der noch fehlenden E. T. A. Hoffmann-Bände und wird besonders deutlich an der Entwicklung des Querschnitts und der Herausgabe der Propyläen-Weltgeschichte. Der Veränderungsprozess des Querschnitts spiegelt die Entwicklung des Propyläen-Verlags bis zu Beginn der 30er Jahre wider und zeigt auf, wie stark letztlich der Einfluss der „Ullstein-Kultur“ mit ihren systematischen Modernisierungs- und Popularisierungstendenzen auf Verlag und Zeitschrift wurde. Am Beispiel der PropyläenWeltgeschichte, aber auch des Vorabdrucks von Im Westen nichts Neues konnte herausgearbeitet werden, in welchem Maße der Verlag nicht nur auf die Präsentation, sondern auch auf die gesamte Gestaltung und inhaltliche Konzeption der Werke Einfluss genommen hat. Eine aussagekräftige Analyse dieser Werke – auch in ihrem unmittelbaren fachlichen Kontext – kann deshalb nicht ohne die Berücksichtigung der Verlagsarbeit erfolgen. Die Vormachtstellung Ullsteins innerhalb des Feldes offenbarte sich ebenfalls in der Autorengewinnung für den Propyläen-Verlag. Neben den hohen Honoraren, die für viele Autoren zunächst den wichtigsten Grundanreiz bildeten, zu Ullstein zu

9 So kann nach Bourdieu ein Großunternehmen „den ganzen ökonomischen Raum“ verändern und „ihm eine bestimmte Struktur“ verleihen. „Die Chancen eines einzelnen Akteurs, sich die Kräfte des Feldes nach seinen Wünschen gefügig zu machen“ hängen nämlich „von seiner Macht über das Feld“ ab und „von seiner Stellung in der Struktur der Kapitalverteilung.“ Vgl. Bourdieu, Gebrauch der Wissenschaft, S. 20, 22. 10 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 198. 11 Vgl. Kuhbandner, Unternehmer zwischen Markt und Moderne, S. 81, die auf die „Tendenz zur Größe“ im sich herausbildenden industriellen Massenmarkt hingewiesen hat.

380  8 Positionsveränderung und Machterweiterung Ullsteins

wechseln, lassen sich weitere von Ullstein nach außen hin propagierte „Vorteile“ des Verlags anführen. Der Konzern bot den Autoren die Sicherheit eines potenten Großbetriebes, auf den auch in Krisenzeiten (Erster Weltkrieg, Inflation, Wirtschaftskrise) Verlass war, ihre Werke wurden bestmöglich verwertet, Fachleute entwarfen erfolgreiche Marketingstrategien und sorgten für einen reibungslosen Vertrieb. Die Autoren konnten ihren Bekanntheitsgrad durch zusätzliche Veröffentlichungen in den Zeitungen und Zeitschriften des Hauses und durch die hohen Auflagen desUllstein Buchverlags steigern und die Qualität ihres Werkes mit einer Propyläen-Buchausgabe unterstreichen. Als Berater standen den Autoren zudem mit Julius Elias und den Lektoren des Verlags einflussreiche und entsprechend ausgebildete Persönlichkeiten zur Seite, die aufgrund ihres umfangreichen Beziehungsnetzwerkes auch insgesamt auf die Karriere der Autoren maßgeblichen Einfluss nehmen konnten.12 Auch wenn es nicht der grundsätzlichen Strategie des Buchverlags entsprach, „Autoren zu machen“ und diese mit ihrem Gesamtwerk an den Verlag zu binden,13 so lassen sich im Bereich der Bühnenautoren deutliche Tendenzen in diese Richtung feststellen. Doch obwohl Ullstein mit dem Propyläen- und dem Arcadia-Verlag als äußerst potenter Konkurrent auftrat, gelang es mit Ausnahme Zuckmayers nicht, anspruchsvolle Autoren aus dem Umfeld der Kulturverlage auf längere Zeit zu halten.14 Als Grund hierfür muss vor allem der Mangel an verlegerischer Aufmerksamkeit für die Buchausgaben des Propyläen-Verlags nach 1925 angeführt werden. Mit der Stabilisierung der Wirtschaft und dem Abebben der Sonderkonjunktur für bibliophile Bücher hattte sich das verlegerische Interesse wieder deutlich den auflagenstarken populären Ullstein-Büchern zugewandt. Im Bereich der anspruchsvolleren Literatur konzentrierte man sich vor allem auf den Vorabdruck in der Vossischen Zeitung und die Gewinnung von Autoren und Stücken für den Arcadia-Theaterverlag. Somit stellte wie imUllstein Buchverlag auch bei Propyläen nach 1925 die „Buchausgabe eines Werkes die eigentliche Zweitverwertung“15 dar. Bei Ullstein ging es allerdings tatsächlich vor allem um die Beschaffung erfolgreicher Fortsetzungsromane für den Abdruck in den Zeitungen und Zeitschriften, also um eine reine „Werkaquisition“16, die der „Novitätensucht“17 der Leser entgegenkam. Wohingegen die Strategie des Propyläen-Verlags stärker darauf abzielte, mit dem symbolischen Kapital renommierter Autoren das eigene Image aufzuwerten. Diesen allerdings war daran gelegen, dass ihre Buchausgaben in ihrem Sinne betreut, beworben und in den

12 Vgl. zum Beispiel die durch Elias veranlasste Annahme von Zuckmayers Fröhlichem Weinberg am Theater am Schiffbauerdamm, Abschn. 5.3. 13 Vgl. Schneider, Der unsichtbare Zweite, S. 128 f. 14 Siehe hierzu auch die Äußerung von Carl Zuckmayer, Abschn. 5.3. 15 Schneider, Romanabteilung, S. 110. 16 Ebd., S. 101. 17 Vgl. Kap. 2.

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt 

381

Buchläden präsentiert wurden. Während sich die Verlagsarbeit der Kulturverleger vor allem auch durch eine intensive Autorenpflege ausgezeichnet hatte, wandten sich Autoren wie Schnitzler und Horváth – diesbezüglich in ihren Erwartungen enttäuscht – schließlich wieder von Propyläen ab. Hier machte sich in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre besonders auch das Fehlen von Julius Elias bemerkbar, dem die Autoren und Künstler Vertrauen und eine hohe Wertschätzung entgegengebracht hatten. In seinem Sozialprofil und seinem sozialen Netzwerk den Kulturverlegern sehr ähnlich,18 hatte er innerhalb des Propyläen-Verlags vor allem im Hinblick auf die Autorengewinnung und -bindung eine vergleichbare Rolle eingenommen. An der Geschichte des Propyläen-Verlags wird deutlich, wie sich Autoren und Verlage zwischen den von Bourdieu beschriebenen Polen des literarischen Feldes bewegen. Sosehr die Autoren aufgrund der hohen Honorare nach einer Zusammenarbeit mit Ullstein bzw. Propyläen strebten, so behielten sie i. d. R. das kulturelle Kapital ihres Stammverlags und den Einfluss auf ihr eigenes Ansehen im Blick. Bei Ullstein hatte man mit der Gründung des Propyläen-Verlags eine systematische Erhöhung des kulturellen Kapitals erreicht, sich dabei aber stets innerhalb der Grenzen der ökonomischen Grundsätze und des Gewinnstrebens des Verlags bewegt. Die mit der Etablierung des Propyläen-Verlags erfolgte Neupositionierung Ullsteins innerhalb des literarischen Feldes zeigt, dass die von Bourdieu intendierte Unvereinbarkeit eines hohen Maßes an ökonomischem und gleichzeitig symbolischem Kapital nicht der Realität entspricht.19 Denn der Propyläen-Verlag wurde nicht als querfinanziertes Zuschuss-Prestigeprojekt geführt, bei dem lediglich ökonomisches in kulturelles bzw. symbolisches Kapital umgewandelt wurde. Vielmehr fiel ihm ein großer Anteil an der erfolgreichen Entwicklung des Ullstein-Konzerns nach dem Krieg zu.20 Die teuren Propyläen-Werke erzielten einen guten Absatz und Bernhard bestätigte, dass „mit der wachsenden Inflation die buchverlegerische Tätigkeit fast vollkommen auf den Propyläen-Verlag übergegangen war“ 21. Die Geschichte des Propyläen-Verlags zeigt die Abhängigkeit der Vormachtstellung eines Akteurs von einer feldspezifisch-optimalen (aber beständig veränderba-

18 Vgl. zum Sozialprofil und den Sozialbeziehungen der Kulturverleger umfassend: Kuhbandner, Unternehmer zwischen Markt und Moderne, S. 89–116. 19 Vgl. die diesbezügliche Feststellung von Trinckauf, Nicht nur Festschrift, S. 21, die am Beispiel der Geschichte des Propyläen-Verlags verifiziert werden kann. 20 Vgl. Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 107. Dieser argumentierte, dass „jene weiten Volksschichten, denen der Ullsteinsche Buchverlag mit seiner billigen, populären Literatur dienen wollte“, aufgrund der Geldentwertung bald nicht mehr über ausreichende finanzielle Mittel verfügten und damit der Verkauf stockte. Vgl. ebd., S. 106. An dieser Stelle fehlen leider aussagekräftigere Unterlagen, wie Bilanzen o. ä., die ein genaues Bild über die Finanzierung und anschließende Rentabilität des Propyläen-Verlags liefern könnten. 21 Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 111; vgl. auch Schütz, Ullstein Buchabteilung, S. 98, der von Propyläen als dem „Kristallisationskern der so erfolgreichen Nachkriegsentwicklung“ spricht.

382  8 Positionsveränderung und Machterweiterung Ullsteins

ren) Kapitalstruktur. Durch die Erhöhung des kulturellen und symbolischen Kapitals konnte Ullstein in den literarischen Markt der Kulturverleger eindringen. Während zuvor die optimale Kapitalstruktur, die zu einer einflussreichen Position im Feld geführt hatte, vom kulturellen und symbolischen Kapital der Kulturverleger dominiert worden war, erreichte Ullstein nun aufgrund seines gleichzeitig sehr hohen ökonomischen Kapitals eine Veränderung dieser Kapitalstruktur. Die Macht innerhalb des Feldes verschob sich zugunsten des ökonomischen Kapitals, denn jetzt sahen sich auch die Kulturverleger gezwungen, höhere Investitionen z. B. in Honorare oder die Herstellung der Bücher zu tätigen, um ihre Autoren nicht an den mächtigen Konkurrenten zu verlieren.22 Insgesamt folgte Ullstein in der Entwicklung des Propyläen-Verlags konsequent der von Bourdieu beschriebenen „ökonomischen Logik der literarisch-künstlerischen Industrien“, die durch eine wirtschaftliche Marktorientierung, kurzfristige Erfolge, eine Minimierung des unternehmerischen Risikos und die Zusammenarbeit mit bereits etablierten Autoren charakterisiert ist.23 Auch wenn Ullstein bereits vor 1919 anspruchsvollere Buchprojekte realisiert hatte, konnte eine maßgebliche und nach außen hin deutlich sichtbare Steigerung des Ansehens und das Reüssieren auf dem anspruchsvollen literarisch-künstlerischen Buchmarkt nur durch die Gründung eines Imprints realisiert werden. Denn um dem neuen Programmbereich einen möglichst hohen kulturellen Wert zu verschaffen und das daraus gewonnene symbolische Kapital zu voller Wirkung zu führen, war es notwendig, die ökonomische Grundlage der Unternehmung und generell die unmittelbare Verbindung mit Ullstein zu verschleiern.24 Die Gründung eines Imprintverlags, der unter eigenem Namen auftrat und von einem Verlagsleiter wie Julius Elias nach außen hin repräsentiert wurde, kann als äußerst wirksame Verschleierungstaktik gewertet werden. Hinzu kam eine entsprechende Rhetorik, wie sie traditionell bei den Kulturverlegern anzutreffen war, die sich mit ihrem Programm unter Betonung ihrer kulturellen Mission von den kommerziellen Bedingtheiten des Marktes zu distanzieren suchten. In den Verlagsgeschichten Ullsteins wird, wie eingangs dargelegt, mehrfach auf die „kulturelle Verpflichtung“25 hingewiesen, die man mit den Werken aus dem Georg Müller Verlag übernommen habe. So war man sowohl 1927 als auch 1977 noch darauf bedacht, den Vorwurf zu entkräften, dass es sich bei der Fortführung der Georg Müller-Werke „um eine reine Geldangelegenheit“26 handele, die nur durch das Streben nach Gewinn motiviert sei.

22 Hinzu kam, dass auch die Autoren in der Entwicklung zum Berufsschriftsteller immer selbstbewusster auftraten und die Notwendigkeit eines mit dem Schreiben erzielten Einkommens sich auch auf die Forderungen an die Verleger auswirkte. 23 Vgl. Bourdieu, Die Regeln der Kunst, S. 228 f. 24 Vgl. hierzu Bourdieu, Ökonomisches Kapital, S. 196. 25 Bernhard, Geschichte des Hauses, S. 107. 26 Schwab-Felisch, Bücher bei Ullstein, S. 198.

7.5 Der Propyläen-Verlag im Querschnitt

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Geht man mit Bourdieu davon aus, dass es für jede Publikation einen „natürliche[n] Ort“ im literarischen Feld gibt und Veröffentlichungen an einer „ungünstigen Feldposition“ nicht zum Erfolg führen, dann ging es bei der Gründung des Propyläen-Verlags zudem vor allem um die Schaffung eines geeigneten Publikationsortes für das neu entstehende Kunst- und Literaturprogramm. Die anfängliche inhaltliche Geschlossenheit des Programms löste sich zwar Mitte der zwanziger Jahre auf, doch auch danach benötigte man für hochwertige Produktionen einen Ort im literarischen Feld, der näher am Pol der „Ökonomie der reinen Kunst“27 lag als das Programm des Ullstein Verlags. Die Differenzierung erfolgte nun ausschließlich über Anspruch und Zielgruppe der einzelnen Bücher. Ullstein hatte mit dem PropyläenVerlag eine Marke mit hohem symbolischem Wert geschaffen, an deren Erhalt den neuen Inhabern auch nach der Übernahme des Ullstein Verlags im Jahr 1934 gelegen war. Als Rahmen, der über die Jahrzehnte jeweils mit neuem Inhalt gefüllt wurde, besteht Propyläen bis heute als Verlag, in dem „renommierte Autorinnen und Autoren für eine anspruchsvolle und wissbegierige Leserschaft“28 schreiben.

27 Vgl. Bourdieu, Die Regeln der Kunst, S. 228 f. 28 Vgl. die aktuelle Charakterisierung des Propyläen-Verlags auf der Website der ullsteinbuchverlage: https://www.ullstein-buchverlage.de/verlage/propylaeen.html [1.3.2020].

9 Quellen- und Literaturverzeichnis 9.1 Quellen 9.1.1 Ungedruckte Quellen Archivmaterialien Berlin, Archiv der Akademie der Künste (AkdK) – Nachlass Ferdinand Bruckner – Nachlass Herbert Ihering – Nachlass Paul Wiegler Berlin, Staatsbibliothek (StaBi) – Nachlass Julius Elias Berlin, Unternehmensarchiv Axel Springer – Ullstein-Chronik Berlin, Vertragsarchiv des Ullstein Buchverlags – Vertragsakten der Propyläen-Autoren Cambridge, University Library – Nachlass Arthur Schnitzler Frankfurt am Main, Archiv des Börsenvereins des deutschen Buchhandels (AdB) – Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags von 1929 – Verlagsprospekte des Propyläen-Verlags Koblenz, Bundesarchiv – Nachlass Walter Goetz Marbach am Neckar, Deutsches Literaturarchiv (DLA) – A: Hasenclever Neuzugang – A: Langen-Müller/E. T. A. Hoffmann-Ausgabe – A: Krell (Konvolut Korrespondenzen, Verträge, Rechtsauseinandersetzungen mit Verlagen, darunter Ullstein) – A: Oppeln-Bronikowski – A: Schnitzler – A: Steiner-Prag/Schlegel, Irene



Verlagsprospekte des Propyläen-Verlags

Speyer, Pfälzische Landesbibliothek – Nachlass Max Slevogt

https://doi.org/10.1515/9783110683561-009

9.1 Quellen 

385

Internetquellen Auktionskatalog von Max Perl vom 24.11.1927. URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/de/sammlungen/artsales.html [1.12.2018]. Der Propyläen-Verlag. URL: https://www.ullstein-buchverlage.de/verlage/propylaeen.html [26.9.2018]. Hans Goltz: Ein Wegbereiter der Moderne. URL: http://www.bad-bad.de/hansgoltz/h_goltz_5.htm [20.6.2018] Pigenot, Ludwig von: Friedrich Seebaß zum Gedächtnis. In: Hölderlin-Jahrbuch 13 (1963–1964). URL: https://www.hoelderlin-gesellschaft.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Jahrbuch_196364/196364_151.pdf [2.9.2018]. Uhde, Fritz von: Bavarian Drummers [Bayrische Trommler] (1883). In: German History in Documents and Images. URL: http://www.germanhistorydocs.ghi-dc.org/print_document.cfm? document_id=1316 [24.2.2018]. Ullrich, Wolfgang: Der Kunstschriftsteller. Ehrenrettung einer Spezies. SWR2 Essay, Redaktion Stephan Krass, Sendung 14.05.2012, 22.03–23.00 Uhr. URL: https://docplayer.org/19516353Der-kunstschriftsteller-ehrenrettung-einer-spezies-von-wolfgang-ullrich.html [10.5.2018].

9.1.2 Gedruckte Quellen „…diese der edlen Kunst gewidmeten Hallen“. Zur Geschichte der Hamburger Kunsthalle. Hrsg. von Ulrich Luckhardt. Hamburger Kunsthalle 1994. 25 Jahre Georg Müller Verlag. München: Georg Müller 1928. 50 Jahre Ullstein 1877–1927. Hrsg. von Max Osborn. Berlin: Ullstein 1927. Arthur Schnitzler. Briefe. 1913–1931. Hrsg. von Peter M. Braunwarth u. a. Frankfurt/M.: Fischer 1984. Aus dem Propyläen-Verlag. In: Der Querschnitt 4 (1924), Heft 5, S. 320. Bachmair, Heinrich F. S.: Georg Müller. Ein Beitrag zur Geschichte der Münchner Buchkunst. In: Imprimatur 9 (1940), S. 34 f. Becker, C. H.: Der Wandel im geschichtlichen Bewusstsein. In: Die neue Rundschau 38,1 (1927), S. 113–121. Bernhard, Georg: Die Geschichte des Hauses. In: 50 Jahre Ullstein 1877–1927. Hrsg. von Max Osborn. Berlin: Ullstein 1927, S. 1–146. Bode, Wilhelm von: Die deutsche Kunstwissenschaft und ihre Jünger. In: Wieland. Zeitschrift für Kunst und Dichtung 49–52 (1916), S. 6. Briefe an Paul Wiegler. In: Sinn und Form 5 (1949), S. 5–17. Brieger, Lothar: Vom Buchgewand. In: Hugo Steiner-Prag zum fünfzigsten Geburtstag. Leipzig: Drugulin 1930, S. 23–26. Buchkunst und Graphik im Verlag Georg Müller. München: Georg Müller 1918. Carl Einstein, Daniel-Henry Kahnweiler. Correspondance 1921–1939. Marseille: Dimanche 1993. Carl Zuckmayer 1896–1977. „Ich wollte nur Theater machen“. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs in Verbindung mit der Stadt Mainz und dem Land Rheinland-Pfalz im Schiller-Nationalmuseum Marbach und im Rathaus der Stadt Mainz. Ausstellung und Katalog: Gunther Nickel und Ulrike Weiß. (Marbacher Katalog. 49). Hrsg. von Ulrich Ott und Friedrich Pfäfflin. Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 1996. Carl Zuckmayer-Abend. In: Der Querschnitt 2 (1927), S. 880. Carl Zuckmayer. Albrecht Joseph. Briefwechsel 1922–1972. Hrsg. von Gunther Nickel. Göttingen: Wallstein 2007.

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 405

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9.2 Forschungsliteratur



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Anhang Die Reihen des Propyläen-Verlags Klassiker des Altertums1

1

2

Aischylos: Tragödien. Deutsch von Hans Bogner (1926). Aristophanes: Komödien. Deutsch von Ludwig Seeger. Neu hrsg., eingel. und mit Anmerkungen versehen von Thassilo von Scheffler. 2 Bände (1920). Catull: Gedichte. Deutsch von Max Brod, mit teilweiser Benutzung der Übertragung von K. W. Ramler (Georg Müller-Ausgabe). Cicero: Briefe. Deutsch von C. M. Wieland. 4 Bände (Georg Müller-Ausgabe). Herodot: Neun Bücher der Geschichte. Nach der Übersetzung von Goldhagen neu hrsg., eingel. und mit Anmerkungen versehen von Hanns Floerke. 2 Bände (1922). Homer: Ilias und Odyssee. Deutsch von Thassilo von Scheffer. 2 Bände (Georg Müller-Ausgabe). Horaz: Satiren und Episteln. Deutsch von C. M. Wieland. 2 Bände (1920). Horaz: Oden und Epoden. Deutsch von Paul Lewinsohn (1925). Lukian: Sämtliche Werke. Nach Wielands Übersetzung bearbeitet und ergänzt von Hanns Floerke. 5 Bände (1922). Martial: Epigramme. Deutsch von Hermann Sternbach (1926). Meleagros von Gadara: Der Kranz des Meleagros. Auswahl und Übertragung von August Oehler. Mit gegenüberstelltem Urtext (1920). Petronius: Satiren. Deutsch von Ludwig Gurlitt (1924).3 Pindar: Siegesgesänge. Übersetzt von Adolf Mittler und Hans Bogner (1923). Platon: Ausgewählte Werke. Deutsch von Friedrich Schleiermacher. 5 Bände (Georg Müller-Ausgabe). Plautus: Die Komödien. Deutsch von Friedrich Gurlitt. Mit zahlreichen Abbildungen. 4 Bände (1920– 1922). Plutarch: Lebensbeschreibungen. Nach der Übersetzung von Kaltwasser bearb. von Hanns Floerke. 6 Bände (Georg Müller-Ausgabe). Plutarch: Vermischte Schriften. Deutsch von Kaltwasser. 3 Bände (Georg Müller-Ausgabe). Properz: Elegien. Deutsch von Hermann Sternbach (1920). Seneca: Philosophische Schriften. Nach den Übersetzungen von J. M. Moser, August Pauly und A. Haakh neu hrsg. von Thassilo von Scheffler. 2 Bände (1927). Sueton: Die zwölf Cäsaren. Deutsch von Adolf Stahr. Bearbeitet von Heinrich Conrad (1922). Tacitus: Historien und Annalen. Nach der Übersetzung von Carl Friedrich Bahrdt neu hrsg. von Heinrich Conrad. 2 Bände (Georg Müller-Ausgabe). Thucydides: Geschichte des Peleponnesischen Krieges. Deutsch von Heilmann. 2 Bände (Georg Müller-Ausgabe).

1 Bis auf die entsprechend markierten „Georg Müller-Ausgaben“ handelt es sich hier um eine Zusammenstellung aller in der Ullstein-Chronik verzeichneten Bände der einzelnen Reihen. 2 Die mit „Georg Müller-Ausgabe“ gekennzeichneten Bände sind nicht in der Ullstein-Chronik angeführt und gehörten damit wohl zu den übernommenen Bänden, die bei Propyläen weiterhin erschienen. 3 Siehe auch Werke der Weltliteratur. https://doi.org/10.1515/9783110683561-010

Anhang

 409

Tibull: Elegien. Deutsch von Hermann Sternbach (1920). Vergil: Äneis. Deutsch von Ludwig Hertel (1925). Xenophon: Schriften über Sokrates. Nach Wielands Übersetzung hrsg. von Heinrich Conrad (Georg Müller-Ausgabe).

Werke der Weltliteratur Andersen, Hans Christian: Nur ein Spielmann. Roman. Deutsch von Thyra Jackstein-Dohrenburg (1924). Apuleius: Der goldene Esel. Deutsch von August Rhode (1920). Cellini, Benvenuto: Lebensgeschichte von ihm selbst erzählt. Deutsch von Alfred Semerau (1925). Cervantes de Saavedra, Miguel: Der sinnreiche Junker. Don Quijote von der Mancha. Deutsch von Ludwig Braunfels (1923). Chamisso, Adalbert von: Peter Schlemihls wundersame Geschichte. Mit den Holzschnitten von Adolph Menzel (1921). Contreras, Alonso de: Leben, Taten und Abenteuer, von ihm selbst erzählt. Deutsch von Otto Fischer. Mit Zeichnungen von Max Unold (1924). Coster, Charles de: Die Hochzeitsreise. Toulets Heirat. Zwei Erzählungen. Deutsch von Friedrich von Oppeln-Bronikowski (1920). Dostojevski, Fedor M.: Das tote Haus. Übertragen und eingel. von August Scholz (1921). Flaubert, Gustave: Jules und Henry oder die Schule des Herzens. Übertragen von Eduard Wilhelm Fischer (1921). Gobinau, Arthur de: Die Renaissance. Deutsch von Otto Flake. Mit 40 Bildtafeln nach Werken zeitgenössischer Künstler. Goldsmith, Oliver: Der Landprediger von Wakefield. Eine Erzählung. Deutsch von Ernst Susemihl. Mit Holzschnitten von Ludwig Richter (1921). Gontscharow, Iwan A.: Oblomow. Deutsch von H. W. Röhl (1923). Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Der abenteuerliche Simplicissimus. Hrsg. von Käte Friedemann (1922). Heinse, Wilhelm: Ardinghello und die glückseligen Inseln. Mit Abbildungen italienischer Kunstwerke (1922). Hoffmann, E. T. A.: Die Elixiere des Teufels. Mit einer Titellithographie von Hugo Steiner-Prag (1920). Hoffmann, E. T. A.: Lebensansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Kreisler in zufälligen Makulaturblättern (1923). Hölderlin, Friedrich: Hyperion oder Der Eremit in Griechenland (1920). Jacobson, Jens Peter: Niels Lyhne. Deutsch von Julia Koppel (1924). Jean Paul: Siebenkäs. Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten J. St. Siebenkäs (1923). Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla (1921). Kleist, Heinrich von: Michael Kohlhaas (1923). Le Sage: Geschichte des Gild Blas von Santillana. Deutsch von D. Barrasch. Mit Holzschnitten nach Jean Gigoux (1923). Manzoni, Alessandro: Die Brautleute. Eine Mailändische Geschichte aus dem 17. Jahrhundert. Deutsch von Albert Wesselski.4 Mendoza, D. Diego Hurtado de: Leben des Lazarillo von Thormes. Deutsch von J. G. Keil (1923). Mörike, Eduard: Maler Nolten. Roman. Berlin (1923). Murger, Henry: Bohème. Deutsch von Ilse Linden. Mit Abbildungen nach Lithographien von Gavarni (1923).

410  Anhang

Petronius: Satiren. Deutsch von Ludwig Gurlitt (1924).5 Prévost, Abbé: Geschichte der Manon Lescaut und des Chevalier des Grieux. Deutsch von Franz Leppmann. Mit den Holzschnitten von Tony Johannot (1920). Rabelais, Francois: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände. Verdeutscht von Gottlob Regis. Neu hrsg. von Wilhelm Weigand (1924). Rousseau, Jean Jacques: Bekenntnisse. Nach dem Text der Genfer Handschrift übertragen von Alfred Semerau (1920). Stendhal: Rot und Schwarz. Deutsch von Friedrich von Oppeln-Bronikowski (1921). Sterne, Laurence: Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien (1920). Tolstoi, Leo N.: Auferstehung. Deutsch von H. W. Röhl. 2 Bände (1924). Turgenjew, Iwan: Väter und Söhne. Deutsch von Fega Frisch (1923). Vischer, Friedrich Theodor: Auch Einer (1923). Voltaire: Romane. (Candide, Zadig, Die Prinzession von Babylon, Der Harmlose, Jenni). Übertragen und eingel. von Ilse Linden (1920). Wieland, Christoph Martin: Geschichte der Abderiten (1923).

Das kleine Propyläen-Buch Baring, Maurice: Miniaturdramen (1925). Beethoven, Ludwig van: Briefe, Gespräche, Erinnerungen. Ausgew. u. eingel. von Paul Wiegler (1925). Cazotte, Jacques: Biondetta, der verliebte Teufel (1924). Cervantes Saavedra, Miguel de: Der eifersüchtige Estremadurer und andere Novellen. Deutsch von Hieronymus Müller (1924). Diderot, Denis: Der Neffe des Rameau. Deutsch von Otto von Gemmingen (1925). Dostojevski, Fedor M.: Drei Meisternovellen. (Ein schwaches Herz. Der ehrliche Dieb. Die Frau eines andern u. d. Ehemann unterm Bett). Deutsch von Ida Orloff (1925). Eichendorff, Josef Freiherr von: Aus dem Leben eines Taugenichts (1925). Erzählungen aus dem Heptaméron der Königin Marguerite von Navarra. Deutsch von Käte Rosenberg (1925). Feuerbach, Anselm: Ein Vermächtnis. Hrsg. Von Henriette Feuerbach. Mit einer Einleitung von Wilhelm Weigand (1924). Frank, Leonhard: Karl und Anna. Roman (1927). Gebhardt, Hertha von: Das singende Knöchlein. Zwei Novellen (1927). Gide, André: Die Pastoral-Symphonie. Deutsch von Bernhard Guillemin (1925). Gogol, Nikolaus: Phantastische Geschichten (1924). Großmann, Stefan: Lenchen Demuth und andere Novellen (1925). Heine, Heinrich: Ein Liebesspiegel (1924). Heine, Heinrich: Die Bäder von Lucca und die Stadt Lucca (1925). Hollander, Walther von: Der Eine und der Andere. Zwei kleine Romane (1925). Huysmans, Joris Karl: Stromabwärts. Drei Novellen. Deutsch von Else Otten (1925).

4 Erscheinungsdatum nicht bekannt. Keine Exemplare in Bibliotheken oder im Antiquariatsbuchhandel auffindbar. Keine Angabe in der Ullstein-Chronik. Titelinformation wurde dem Gesamtverzeichnis des Jahres 1929 entnommen. 5 Siehe auch Klassiker des Altertums.

Anhang



411

Kolb, Annette: Wera Njedin. Erzählungen und Skizzen (1925). Lukian: Aus den Götter-, Toten- und Hetären-Gesprächen. Nach der Übersestzung von C. M. Wieland (1925). Märchen und Geschichten der alten Ägypter. Deutsch von Ulrich Steindorff (1925). Mann, Heinrich: Abrechnungen. Sieben Novellen (1924). Meredith, George: Chloes Geschichte. Novelle. Deutsch von Franz Blei (1925). Ottilie von Goethe. Ein Porträt. Aus Dok. ausgew. u. eingel. v. Ilse Linden (1924). Rosso di San Secondo: Staubregen. Novellen. Deutsch von Lucie Ceconi (1925). Schaffner, Jakob: Der Kreiselspieler. Berliner Gestalten und Schicksale (1925). Schnitzler, Arthur: Die Frau des Richters. Novelle (1925). Seidel, Willy: Die ewige Wiederkunft. Sieben Novellen (1925). Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Zwei Novellen (1927). Verse der Lebenden. Deutsche Lyrik seit 1910. Hrsg. und eingel. von Heinrich Eduard Jacob (1924). Zuckmayer, Carl: Ein Bauer aus dem Taunus und andere Geschichten (1927).

Propyläen-Kunstgeschichte Band 1)

Sydow, Eckart von: Die Kunst der Naturvölker und der Vorzeit (1923).

Band 2)

Schäfer, Heinrich und Walter Andrae: Die Kunst des alten Orients (1925).

Band 3)

Rodenwaldt, Gerhart: Die Kunst der Antike (Hellas und Rom) (1927).

Band 4)

Fischer, Otto: Die Kunst Indiens, Chinas und Japans (1928).

Band 5)

Glück, Heinrich und Ernst Diez: Die Kunst des Islam (1925).

Band 6)

Hauttmann, Max/Karlinger, Hans/Halm, Peter: Die Kunst des frühen Mittelalters (1929).

Band 7)

Karlinger, Hans: Die Kunst der Gotik (1927).

Band 8)

Bode, Wilhelm von: Die Kunst der Frührenaissance in Italien (1923).

Band 9)

Schubring, Paul: Die Kunst der Hochrenaissance in Italien (1926).

Band 10)

Glück, Gustav: Die Kunst der Renaissance in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich etc. (1928).

Band 11)

Weisbach, Werner: Die Kunst des Barock in Italien, Frankreich, Deutschland und Spanien (1924).

Band 12)

Friedländer, Max J.: Die niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts (1923).

Band 13)

Osborn, Max: Die Kunst des Rokoko (1929).

Band 14)

Pauli, Gustav: Die Kunst des Klassizismus und der Romantik (1925).

Band 15)

Waldmann, Emil: Die Kunst des Realismus und des Impressionismus im 19. Jahrhundert (1927).

Band 16)

Einstein, Carl: Die Kunst des 20. Jahrhunderts (1926).

412  Anhang

Ergänzungsbände der Propyläen-Kunstgeschichte5

6

Erg.-Band 1)

Platz, Gustav Adolf: Die Baukunst der neuesten Zeit (1927).

Erg.-Band 2)

Feulner, Adolf: Kunstgeschichte des Möbels seit dem Altertum (1927).

Erg.-Band 3)

Horst, Carl: Die Architektur der deutschen Renaissance (1928).

Erg.-Band 4)

Bock, Elfried: Geschichte der graphischen Kunst von ihren Anfängen bis zur Gegenwart (1930).

Erg.-Band 5)

Hofmann, Friedrich H.: Das Porzellan europäischer Manufakturen im 18. Jahrhundert. Eine Kunst- und Kulturgeschichte (1932).

Die führenden Meister Friedländer, Max J.: Pieter Bruegel (1921). Waldmann, Emil: Tizian (1922). Bode, Wilhelm von: Sandro Botticelli (1923). Hausenstein, Wilhelm: Giotto (1923). Mayer, August Liebmann: Diego Velazquez (1925). Christoffel, Ulrich: Hans Holbein d. J. (1926).

Skizzenbücher Adolph Menzel. Ausgewählte Handzeichnungen. Mit einer Einl. von Elfried Bock (1926). Albrecht Altdorfer. Ausgewählte Handzeichnungen. Mit einer Einl. von M. J. (1926). Jean Honoré Fragonard. Ausgewählte Handzeichnungen. Mit einer Einl. von C. F. Foerster (1924). Francisco Goya. Ausgewählte Handzeichnungen. Mit einer Einl. von August L. Mayer (1924). Leonardo da Vinci. Ausgewählte Handzeichnungen. Mit einer Einl. von Wilhelm von Bode (1924). Raffael Santi. Ausgewählte Handzeichnungen. Mit einer Einl. von Oskar Fischel (1924).

Propyläen-Weltgeschichte Band 1)

Das Erwachen der Menschheit. Die Kulturen der Urzeit, Ostasiens und des vorderen Orients (1931).

Band 2)

Hellas und Rom. Die Entstehung des Christentums (1931).

Band 3)

Das Mittelalter bis zum Ausgang der Staufer 400–1250 (1932).

Band 4)

Das Zeitalter der Gotik und Renaissance 1250–1500 (1932).

Band 5)

Das Zeitalter der religiösen Umwälzung. Reformation und Gegenreformation 1500–1600 (1930).

6 Weitere Ergänzungsbände, die außerhalb des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit entstanden, sind werden nicht angeführt.

Anhang

Band 6)



Das Zeitalter des Absolutismus 1660–1789 (1931).

Band 7)

Die Französische Revolution, Napoleon und die Restauration 1789–1848 (1929).

Band 8)

Liberalismus und Nationalismus 1848–1890 (1930).

Band 9)

Die Entstehung des Weltstaatensystems (1933).

Band 10)

Das Zeitalter des Imperialismus 1890–1933 (1933)

413

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:

Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Einband – 123

Abb. 2:

Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Rückenansicht – 123

Abb. 3:

Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Portraits – 124

Abb. 4:

Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Band 2, Brieffaksimile – 125

Abb. 5:

Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Band 4, Notendruck – 126

Abb. 6:

Edgar Allan Poe. Gesamtausgabe der Dichtungen und Erzählungen – 127

Abb. 7:

Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe) – 128

Abb. 8:

Goethes Sämtliche Werke (Propyläen-Ausgabe), Titelblatt – 128

Abb. 9:

Stendhal, Reise in Italien, gerahmter Doppeltitel – 129

Abb. 10:

Gottfried Keller, Der grüne Heinrich, gerahmter Doppeltitel mit Vignette – 129

Abb. 11:

Ludovico Ariosto, Der rasende Roland, Frontispiz und Titelblatt – 130

Abb. 12:

Bettina von Arnims Sämtliche Werke, Beispielseite mit Sternchen – 130

Abb. 13:

Werke der Weltliteratur, Buchrücken einzelner Bände – 136

Abb. 14:

Werke der Weltliteratur, Kopfschnitte einzelner Bände – 137

Abb. 15:

Ivan Sergejewitsch Turgenjew, Väter und Söhne, Einband – 137

Abb. 16:

Adelbert von Chamisso, Peter Schlemihls wundersame Geschichte, Titelblatt mit Holzschnitt von Adolph Menzel – 138

Abb. 17:

Ivan Sergejewitsch Turgenjew, Väter und Söhne, Titelblatt mit Signet des Propyläen-Verlags – 139

Abb. 18:

Anselm Feuerbach, Ein Vermächtnis, grüner Leineneinband – 144

Abb. 19:

Willy Seidel, Die ewige Wiederkunft, gelber Leineneinband – 145

Abb. 20:

Das kleine Propyläen-Buch, Vorsatzpapiere – 146

Abb. 21:

Propyläen-Kunstgeschichte, Rückenansicht – 190

Abb. 22:

Propyläen-Kunstgeschichte, Signet – 191

Abb. 23:

Gentile Bellini, Selbstbildnis, Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 8 – 196

Abb. 24:

Andrea Mantegna, Madonna, Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 8 – 197

Abb. 25:

Lorenzo Vecchietta, Madonna, Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 8 – 198

Abb. 26:

Luca Signorelli, Männerbildnis, Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 8 – 199

Abb. 27:

Carl Zuckmayer, Affenhochzeit, Einband – 245

Abb. 28:

Carl Zuckmayer, Affenhochzeit, Vorsatz – 246

Abb. 29:

Carl Zuckmayer, Affenhochzeit, Titelblatt – 247

Abb. 30:

Bildnis des japanischen Kaisers Do-Gai-go, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 1 – 305

Abb. 31:

Die Mäuse begraben den Kater, Volkstümlicher russischer Holzschnitt-Bilderbogen, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 9 – 306

Abb. 32:

Anfangszeilen des Johannes-Evangeliums, Nordenglische Buchmalerei, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 3 – 307

Abb. 33:

Eisenbahnfahrplan New York – Harlem 1848, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 9 – 308

Abb. 34:

Anmerkungen zur Arbeiterfrage, Aufzeichnungen Kaiser Wilhelms II., Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 10 – 309

Abb. 35:

Europa um das Jahr 1200, Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 3 – 312

Abb. 36:

Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 5, Schutzumschlag, Vorderseite – 313

https://doi.org/10.1515/9783110683561-011

Anhang

Abb. 37:

 415

Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 5, Schutzumschlag, Rückseite mit der von Otto Dix entworfenen Eule auf dem Rad der Weltgeschichte – 314

Abb. 38:

Erste Ausgabe des Querschnitts im Januar 1921 – 333

Abb. 39:

Der Querschnitt im Querschnitt-Verlag, Sommer 1924 – 334

Abb. 40:

Der Querschnitt im Propyläen-Verlag, erstes Heft, November 1924 – 336

Abb. 41:

Künstler bei der Arbeit, Querschnitt 5 (1925), Heft 8, Kunstdruck-Teil 6 – 340

Abb. 42:

Hafendarstellungen, Querschnitt 7 (1927), Heft 1, Kunstdruck-Teil 7 – 342

Abb. 43:

Oskar Kokoschka – Fotografie und Selbstbildnis, Querschnitt 5 (1925), Heft 12, Kunstdruck-Teil 1 – 344

Abb. 44:

Vlaminck: Alte Häuser/Beamtensiedlung in Berlin, Querschnitt 9 (1929) Heft 11, Kunstdruck-Teil 3 – 345

Abb. 45:

Dirigent und Fischer, Querschnitt 9 (1929), Heft 9, Kunstdruck-Teil 2 – 345

Abb. 46:

Venus im Bade und Sportlehrer Sturm im Lehmbad, Querschnitt 8 (1928), Heft 6, Kunstdruck-Teil 4 – 348

Abb. 47:

Erich Brandl, Querschnitt 5 (1925), Heft 9, Kunstdruck-Teil 7 – 350

Abb. 48:

Soldat im Sprung, Querschnitt 8 (1928), Heft 8, Kunstdruck-Teil 5 – 352

Abb. 49:

Leichtathleten, Querschnitt 11 (1931), Heft 11, Kunstdruck-Teil 2 – 352

Abb. 50:

Lily d’Alvarez, Querschnitt 8 (1928), Heft 8, Kunstdruck-Teil 5 – 356

Abb. 51:

Titelblatt von Ernst Aufseeser, Querschnitt 6 (1926), Heft 5 – 365

Abb. 52:

Titelblatt von Kurt Werth, Querschnitt 12 (1932), Heft 1 – 366

Abb. 53:

Anzeige Programm Propyläen-Verlag, Querschnitt 4 (1924), Heft 5 – 370

Abb. 54:

Anzeige Arnold Ulitz, Aufruhr der Kinder, Querschnitt 9 (1919), Heft 8 – 371

Abb. 55:

Anzeige Die Kunst des frühen Mittelalters, Querschnitt 9 (1929), Heft 11 – 372

Abb. 56:

Anzeige Die Kunst des Rokoko. Querschnitt 9 (1929), Heft 5 – 373

Anmerkung zu den Abbildungen allgemein: Die Abbildungen dienen nicht der Illustration sondern sind als Bildzitate angelegt. Aus organisatorischen und finanziellen Gründen musste auf Abbildungen vor allem der teuren und in niedrigen Auflagen erschienenen Kunstpublikationen verzichtet werden.

Abkürzungsverzeichnis AdB

Archiv des Börsenvereins des deutschen Buchhandels

AkdK

Akademie der Künste

BIZ

Berliner Illustrirte Zeitung

DDP

Deutsche Demokratische Partei

DLA

Deutsches Literaturarchiv

KVK

Karlsruher Virtueller Katalog

NDB

Neue Deutsche Biographie

o. Z.

ohne Zugangsnummer

StaBi

Staatsbibliothek zu Berlin

ZVAB

Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher

https://doi.org/10.1515/9783110683561-012

Dank Ich bedanke mich herzlich bei Prof. Dr. Ute Schneider, der Betreuerin dieser Arbeit – für ihre Unterstützung, ihren konstruktiven Rat und dafür, dass sie stets ansprechbar ist. Univ.-Prof. Dr. Stephan Füssel danke ich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens. Danke an die Herausgeberinnen Prof. Dr. Ursula Rautenberg und Prof. Dr. Ute Schneider und den Herausgeber Prof. Dr. Heinz Bonfadelli für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Schriftmedien. Ohne umfangreiche Recherchen in verschiedenen Archiven und Bibliotheken hätte die Geschichte des Propyläen-Verlags nicht in dieser Form rekonstruiert werden können. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Archivs der Akademie der Künste in Berlin, der Bibliothek des Gutenberg-Museums Mainz, des Bundesarchivs Koblenz, des Deutschen Literaturarchivs Marbach, der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover, der Staatsbibliothek zu Berlin und der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Mainz für die Bereitstellung der Dokumente und Bücher. Ich danke der Ullstein Buchverlage GmbH, dem Verlag Langen Müller, dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, dem Archiv der Akademie der Künste Berlin, dem Bundesarchiv Koblenz und Dr. Armin Schlechter von der Pfälzischen Landesbibliothek Speyer für die freundliche Genehmigung des Abdrucks von Auszügen aus Verlagskorrespondenzen. Mein Dank geht an Frau Walitza, die mir Zugang zu den Vertragsakten des Propyläen-Verlags ermöglichte. An Rainer Laabs, der Einsicht in die im Unternehmensarchivs Axel Springer Berlin aufbewahrten Unterlagen gewährte. An Hermann Staub, den ehemaligen Leiter des Historischen Archivs des Börsenvereins in Frankfurt. Ich danke Dr. David Oels für den Einblick in seine Unterlagen, Dr. Elke Flatau für den fruchtbaren telefonischen Austausch und Dr. Angelika Schulz für die Endkorrektur. Sabine Zasa danke ich sehr fürs Zuhören, Korrekturlesen und Kinderhüten und dafür, dass sie am Tag der Prüfung nach Mainz gekommen ist. Ich danke Edelgard Gastell und Dr. Friedrich Gastell für ihr Interesse und die freudige Übernahme der Kinderbetreuung. Ganz besonders möchte ich auch meinem Ehemann Rüdiger Gastell für seine ausdauernde Unterstützung und Geduld danken. Mainz, Juni 2020

https://doi.org/10.1515/9783110683561-013

Daniela Gastell

Personen- und Firmenregister Adalbert, Max 251 Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion 327 Albers, Hans 234 Albert Langen Verlag 91, 133 Albrecht Altdorfer 187 Altdorfer, Albrecht 186 Amelung, Heinz 103 Amsler & Ruthardt 153 Andrea, Walter 192, 194 Andreas, Fred 254 Andreas, Willy 37, 290, 319 Arcadia-Verlag 25, 32, 70, 77, 86, 148, 207, 209, 233, 235–237, 241, 243–244, 249–250, 253, 259, 262–263, 377, 380, 406 Aristophanes 133 Arnim, Bettina von 112–113, 123 Aufricht, Ernst Josef 234 Aufseeser, Ernst 364 Aulard, Alphonse 288 Avenarius, Ferdinand 322 Bab, Julius 241 Balzac, Honoré de 66 Baring, Maurice 141 Barlach, Ernst 155–156, 339 Baudelaire, Charles 108 Bauer, Felice 64 Baum, Vicky 226, 253, 360 Baumeister, Willi 338, 347, 364 Beckmann, Max 155–156, 339 Behmer, Marcus 155 Behrens, Peter 88, 90, 323 Belling, Rudolf 329, 338–339, 348–349 Beloch, Karl Julius 271, 289–290 Below, Georg von 276, 290 Benjamin, Walter 343, 357, 359 Benn, Gottfried 347, 363 Berend, Eduard 27, 98, 115–117, 398 Berger, Ludwig 243 Bernhard, Georg 38, 67, 74 Bertelsmann Verlag 212, 378, 403 Bibliographisches Institut 132, 273 Bie, Oscar 80 Birkhäuser Verlag 114 Blei, Franz 41, 63, 87, 108–111, 120–121, 133, 411 Bloch, Marc 287 https://doi.org/10.1515/9783110683561-014

Bock, Elfried 184, 186 Bode, Wilhelm von 28, 149, 152, 154–155, 163, 185–190, 192–195, 204, 326, 395, 411–412 Boeck, Edith 351 Böhlau Verlag 102, 117 Botticelli, Sandro 186 Brahm, Otto 76 Brandenburg, Erich 269, 271, 318 Brandi, Karl 271, 290, 298, 303 Brandl, Erich 349 Braque, Georges 203–204, 339, 348 Brecht, Bertolt 32, 70, 77, 240, 242–243, 255– 258, 359, 363, 375 Breitensträter, Hans 349 Brieger, Lothar 185 Brockhaus Verlag 173 Brod, Max 63, 359, 408 Bruckmann Verlag 132, 323 Bruckmann, Friedrich 323 Bruckner, Ferdinand 359, 362 Bruno Cassirer Verlag 28, 60, 153–154 Buchwald, Reinhard 60 Bueck, Otto 104 Bürgel, Bruno 52 Callwey Verlag 322 Carl Duncker Verlag 214 Casanova, Giacomo 133 Cassirer, Bruno 28, 43, 151, 153–155, 160, 168, 170, 173–179, 193, 323–324, 390 Cassirer, Paul 28, 30, 80, 82–85, 151, 153–155, 168, 170–171, 177–178, 193, 258, 337, 375, 390, 392, 394 Catull 133 Cézanne, Paul 80–81, 155 Chagall, Marc 364 Chamisso, Adelbert von 135 Christoffel, Ulrich 185–186 Cicero 133–134 Cobden-Sanderson, Thomas 90 Conrad, Heinrich (Hugo Storm) 132–133 Corinth, Lovis 29, 82, 149, 151, 153–156, 159, 165–166, 168, 178–182, 207 Corot, Jean-Baptiste Camille 347 Cotta Verlag 114, 148 da Vinci, Leonardo 186 Dante Alighieri 186 Däubler, Theodor 57

420  Personen- und Firmenregister

de Alvarez, Lily 354–355 de Coster, Charles 135 de Fiori, Ernesto 202, 339, 349 de Sanctis, Gaetano 289–290, 296, 300 Dehmel, Richard 243 Deja, Bruno 156 Dempsey, Jack 349 Deris, Max 155 Dernburg, Friedrich 81 Didererot, Denis 140 Diederichs, Eugen 88, 97, 118–119, 212 Diez, Ernst 193–194 Dix, Otto 311 Döblin, Alfred 326, 347 Doren, Alfred 286 Dostojewski, Fjodor 135, 140, 148 Drei Masken-Verlag 240 Dreyfus, Albert 335 Druckhaus Tempelhof 132 Duhamel, Georges 214 Durand-Ruel, Paul 80, 82 Durieux, Tilla 82, 234 E.A. Seemann Verlag 72, 324 Eckmann, Otto 90, 323 Ehmcke, Hellmuth 88 Ehrenberg, Victor 289, 306 Ehrenstein, Albert 57 Eichendorff, Joseph von 140, 148 Einstein, Albert 360 Einstein, Carl 30, 149, 165, 193, 201–205, 328– 329, 338–339, 341, 369, 386, 411 Eitner, Wilhelm Heinrich Ernst 80 Elias, Carl Ludwig 81 Elias, Julie 83 Elias, Julius 25–26, 40, 42–43, 62, 74–88, 148– 149, 153, 157–158, 161, 166, 168–169, 171– 174, 176–178, 182–184, 204, 207, 233, 235– 236, 240, 362, 380–382, 387, 406 Ellinger, Georg 121 Eloesser, Arthur 234, 237 Engels, Friedrich 271 Ermatinger, Emil 114 Etzel, Theodor 121 Eugen Diederichs Verlag 72, 88, 91, 100, 118, 128–129, 268, 405 Fahr, Lotte 258 Fallada, Hans 363 Febvre, Lucien 287 Fechter, Paul 234

Ferry, Gabriel 172 Feuchtwanger, Lion 38, 70, 208–209, 240, 244, 363, 405 Feuerbach, Anselm 147 Feulner, Adolf 201, 369 Fischer, Grete 40, 80, 84, 88 Fischer, Hedwig 42, 77, 83, 86, 389 Fischer, Otto 193, 201, 369 Fischer, Samuel 26, 42, 47–48, 75–77, 83, 86, 97, 148, 157–158, 211, 214, 218, 222–223, 235, 375, 389 Flaubert, Gustave 135 Flechtheim, Alfred 28, 34–35, 80, 151, 153, 329–332, 335, 337–339, 341, 346, 348–349, 353, 363, 367, 369 Fleißer, Marieluise 241 Floerke, Hanns 91, 132–134, 408 Fontane, Theodor 168, 221, 225–226, 392 Forster, Georg 331 Fragonard, Jean-Honoré 186 France, Anatole 66 Frank, Leonhard 143, 212 Fränkel, Jonas 114 Frankfurter Verlagsanstalt 103, 386 Franz Eher Nachf. 212 Freye, Karl 115 Freyer, Hans 281, 286, 293 Freytag, Gustav 268 Friedländer, Max J. 149, 154–155, 184–186, 190, 192–195, 204, 411–412 Frischmann, Christoff 224 Fulda, Ludwig 147–148 Furche Verlag 193 G. Grote Verlag 71 Gailit, August 214, 227 Galerie Flechtheim 34, 331–332, 338, 340 Galerie Thannhauser 337 Gebhardt, Hertha von 143 Gebrüder Mann 180 Georg Müller Verlag 40–42, 56–58, 86–87, 91– 94, 97, 102–108, 110–111, 114, 116–118, 120– 121, 132–135, 147, 212, 375, 377, 379, 382, 385–386 Gide, André 141 Giesberts, Johannes 84 Giraudoux, Jean 347 Glaser, Kurt 184 Glück, Gustav 189, 193 Glück, Heinrich 193

Personen- und Firmenregister 

Goebbels, Joseph 205, 238 Goethe, Johann Wolfgang von 48, 59, 98, 107, 115, 168 Goetz, Walter 33, 43, 269, 274–305, 307, 309, 311, 313, 315–319, 395 Gogol, Nicolai 148 Goltz, Hans 329 Gooch, George Peabody 288 Gothein, Eberhard 268 Gotthelf, Jeremias 141 Goya, Francisco de 186 Graf Kessler, Harry 131 Graf Kielmansegg, Wilhelm 332 Granowski, Alexis 249 Graupe, Paul 151, 176 Grautoff, Otto 200–201 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel 135 Gris, Juan 203–204 Gronle, Wilhelm 105–106, 148, 204, 233, 236, 253–255, 260–263, 289 Großmann, Rudolf 349 Großmann, Stefan 66, 234 Grosz, George 182, 344, 349, 364, 392 Gurlitt, Fritz 150, 153, 178 Gustav Kiepenheuer Verlag 142, 228, 240, 242, 260–261, 327–329 Haas, Willy 64, 67 Hadwiger, Viktor 71 Haeckel, Ernst 271 Haller, Johannes 285 Halm, Peter von 91 Hampe, Karl 290, 296–301 Hans Goltz Verlag 329 Harden, Maximilian 64–65, 76 Hartkopp, Helmut 349 Hartmann, Georg 97 Hasenclever, Walter 33, 42, 217–218, 236, 239– 240, 242–243, 249, 251–255, 258–264, 375 Hauptmann, Gerhart 42, 76–77, 84, 157–158, 168, 177, 182–183, 221, 251, 257, 363 Hausenstein, Wilhelm 165, 186, 271 Hearn, Lafcadio 214 Heimann, Moritz 54, 60 Heine, Heinrich 70, 140, 147, 167–169 Heisenberg, August 304 Hellingrath, Norbert von 103 Helmolt, Hans 33, 268–274, 280, 283, 289 Hemingway, Ernest 335, 347, 361 Hermann Birkholz 180

421

Herodot 133 Herrmann, Max 78 Herz, Emil 25, 39, 41, 52, 60–61, 67–70, 73–75, 87, 105–106, 110–111, 147, 157, 172, 177–178, 181, 192, 209, 211, 220, 233, 239, 253, 256– 257, 261, 264, 271, 274, 276–277, 280–283, 285–286, 288–290, 292–294, 296–302, 304, 312, 315–316 Hesse, Hermann 158 Hettner, Otto 157 Heuss, Theodor 275, 386 Heymel, Alfred Walter 131 Heyse, Paul 215 Hildebrandt, Edmund 186 Hirth, Friedrich 27, 147 Hitler, Adolf 205, 319 Höfer, Conrad 109–112 Hoffmann, E.T.A. 71, 104, 107, 135, 168, 184, 379 Hofmannsthal, Hugo von 215, 221, 251 Hollaender, Felix 234 Hollander, Walther von 38, 141, 208, 210, 224, 226 Höllering, Franz 264 Homer 133 Homeyer, Fritz 78 Horaz 133 Horváth, Ödön von 32, 70, 241–242, 248–249, 253, 257–259, 261, 264, 381 Hübner, Ulrich 182 Huizinga, Johan 287–288 Ibsen, Henrik 75, 77, 148 Ihering, Herbert 234, 241, 362, 367, 387 Immermann, Karl 113, 115 Insel-Verlag 53, 57, 60, 72, 88, 91, 97, 120–121, 128–129, 131, 135, 156, 193 J. C. Bruns Verlag 53 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 299 J.S. Spaeth Verlag 327 Jacobs, Monty 225, 228, 234 Jacobsohn, Siegfried 234 Jakob Hegner Druckerei 170 Jannings, Emil 234, 251 Japikse, Nicolaas 287 Jean Paul 115–117, 135 Joachimsen, Paul 285, 296, 298 Jödicke, Carl 229–230 Joseph, Albrecht 264 Justi, Ludwig 152–153

422  Personen- und Firmenregister

Kafka, Franz 63, 387, 390, 405–406 Kahnweiler, Daniel Henry 158, 202–204, 332 Kaiser Wilhelm II. 275, 310, 321 Kaiser, Georg 240, 260 Kaléko, Mascha 363 Kaltwasser, Johann Friedrich Salomon 134 Kandinsky, Wassily 181, 183 Karlinger, Hans 193 Kasack, Hermann 242 Kästner, Erich 227, 363 Kaus, Gina 244 Kayser, Rudolf 240 Keller, Gottfried 27, 113–114, 141, 392 Kerr, Alfred 234, 236, 241 Kiepenheuer, Gustav 242, 255, 328 Kippenberg, Anton 56, 88, 97, 131, 156, 375 Kisch, Egon Erwin 63–64, 222 Kissner, Alfons 104 Klee, Paul 203, 339 Kleinschmidt, Paul 338 Kleist, Heinrich von 70, 115, 135, 148, 168, 243 Kleukens, Friedrich Wilhelm 72 Klinger, Max 179 Klinkhardt & Biermann Verlag 201 Knorr & Hirth 214 Koch, Rudolf 88 Koenig, Friedrich 96 Koetschau, Karl 187 Kokoschka, Oskar 339 Kolb, Annette 141, 405, 411 Kolbe, Georg 347 Kollwitz, Käthe 26, 42, 155, 179, 183, 387 Korff, Kurt 218 Körmendi, Franz 214, 227 Kortner, Fritz 234 Kracauer, Siegfried 354 Krauß, Werner 234 Krause, Friedrich Ernst August 295–296 Krell, Max 25, 39, 42, 67–70, 87–88, 142, 208, 217–218, 224, 229, 258–259, 262, 360 Kubin, Alfred 92, 147, 156 Kuhn, Alfred 184 Kümpel, Gottfried 104 Kunstsalon Fritz Gurlitt 80 Küntzel, Georg 285, 290 Kurt Wolff Verlag 156, 193, 326–327 Lachmann, Karl 115 Laforgue, Jules 63, 66 Lahm, Karl 223, 232–233

Lamprecht, Karl 266–271, 273, 275–276, 302 Lang, Fritz 362 Langewiesche Verlag 53 Lasker-Schüler, Else 141, 363 Léger, Fernand 203, 338–339, 364 Lehmbruck, Wilhelm 339 Lehrs, Max 185 Leibl, Wilhelm 151 Leip, Hans 210, 224 Leistikow, Walter 150, 178 Lenglen, Suzanne 354 Lenz, Jakob Michael Reinhold 108 Leppin, Paul 71 Leppmann, Franz 106, 110–112, 410 Lessing, Gotthold Ephraim 98, 225 Lessing, Karl 225 Lichtenberg, Georg Christoph 331 Lichtwark, Alfred 80–81, 154, 205, 323, 387 Liebermann, Martha 83 Liebermann, Max 28–29, 42, 80–84, 149–151, 153–156, 165–166, 168–170, 177, 182, 207, 324, 387–388, 396, 400, 404 Loubier, Hans 93 Ludwig, Emil 209 Lukian 133–134 Luschan, Felix von 271 M. W. Lassally 170 Maassen, Carl Georg von 98, 105–107 Mackowsky, Hans 185 Maeterlinck, Maurice 118 Malchow, Busso 311 Malik Verlag 327 Malraux, Anrdré 343 Manet, Édouard 81 Mänicke & Jahn 105 Mann, Golo 37 Mann, Heinrich 31, 67–68, 140–143, 182, 208, 216, 221, 226, 248, 363, 388, 396, 405–406 Mann, Thomas 158, 209 Marcks, Erich 299–300, 319 Marcus, Elli 356 Mardersteig, Hans (Giovanni) 326 Markovits, Rodion 70, 214 Martin Moerike Verlag 53 Marton-Verlag 263 Marx, Karl 271 Masur, Gerhard 278 Matisse, Henri 339 Maupassant, Guy de 66

Personen- und Firmenregister

Mayer, August L. 186 Mayer, Theodor 290 Maync, Harry 27, 113–114 Mehring, Walter 249 Meid, Hans 80, 154, 158, 182, 368 Meidner, Ludwig 155 Meier-Graefe, Julius 82, 156, 164–165, 205, 323, 338 Menzel, Adolph 136, 186 Meyrink, Gustav 63 Molière 148 Mommsen, Wilhelm 290, 298 Monet, Claude 80–81 Montherlant, Henry de 347 Morand, Paul 361 Morgenstern, Christian 60 Mörike, Eduard 113, 135 Morris, William 323 Mosaik-Verlag 142 Mosse, Rudolf 62 Müller, Georg 41, 56–59, 90–93, 97, 104, 107– 112, 116–118, 132–133, 385, 388–389, 408– 409 Müller, Josef 115 Munch, Edvard 81, 150, 155 Muncker, Franz 115 Munkacsi, Martin 356 Murger, Henri 135 Musarion Verlag 142 Musil, Robert 54, 354 Mussolini, Benito 338 Nauen, Heinrich 339 Naumann, Friedrich 275–276 Naumburg, Berta 323 Neresheimer, Eugen 104 Neumann, Alfred 38, 208, 210, 224 Nichols, Beverley 354 Nierendorf, Karl 153 Nikitin, Nikolaj 214 Nissen, Heinrich 299 Noch, Curt 112 Nowack, Heinrich 347 Oehlke, Waldemar 27, 112–113, 388, 401 Offizin Drugulin 91 Oldenbourg, Rudolf 185 Oppeln-Bronikowski, Friedrich von 41, 87, 100, 118–121, 409–410 Orlik, Emil 71, 166, 182, 244

 423

Osborn, Max 37, 40, 80, 149, 165–166, 184– 185, 187–188, 193–194, 226, 234, 385, 388, 390, 411 Ossietzky, Carl von 222, 264 Otto von Holten Druckerei 91 Palitzsch, Otto Alfred 210, 224, 227 Pan-Presse 28, 155, 159, 170–171 Paul Cassirer Verlag 28, 82, 153 Paul Steegemann Verlag 327 Pauli, Gustav 192–194, 205, 411 Pechstein, Max 155, 167, 182–183, 185 Pecht, Friedrich 36, 323 Penzoldt, Ernst 38, 70, 208–209, 244, 389, 398–399 Perl, Max 95, 151 Perthes, Andreas 275 Perutz, Leo 31, 219, 222, 400 Petersen, Julius 116–117 Pezold, Gustav 133 Pflugk-Harttung, Julius 271–274, 278 Picasso, Pablo 203, 339 Pick, Otto 64 Pigenot, Ludwig von 103–104 Piper Verlag 156 Piper, Reinhard 156 Pirenne, Henri 286–288 Piscator, Erwin 234 Pissarro, Camille 80–81 Platon 133–134 Platz, Gustav Adolf 369 Platzhoff, Walter 290 Plischke, Hans 293 Plutarch 133 Poe, Edgar Allan 121 Poeschel & Trepte 91, 132 Poeschel, Carl Ernst 91, 97 Polgar, Alfred 241, 359 Pound, Ezra 361 Preetorius, Emil 91 Proust, Marcel 213, 361 Querschnitt-Verlag 335 Rabelais, François 135 Raffael 186 Ranke, Johannes 270 Ranke, Leopold von 266, 278 Rascher-Verlag 142 Ratzel, Friedrich 271 Reber, Gottlieb Friedrich 203, 341–342, 399 Reclam Verlag 331

424  Personen- und Firmenregister

Reichsdruckerei 80, 84, 91, 132, 172–173, 175 Reimer, Georg Andreas 17 Reinhardt, Max 234 Reinhold, Carl Ferdinand 43, 70, 169, 172–177, 188, 195, 276–277, 291, 294–295, 297, 300– 301, 304, 317–319 Remarque, Erich Maria 32, 70, 208, 210–213, 228–232, 250 Renger-Patzsch, Albert 356 Renn, Ludwig 228–229 Renner, Paul 91–93, 120, 160, 389 Reuter, Gabriele 226 Riebicke, Gerhard 351 Riehl, Wilhelm Heinrich 268 Riess, Frieda 349, 356 Rilke, Rainer Maria 63, 71 Ringelnatz, Joachim 359, 363 Rinn, Hermann 323 Ritter, Gerhard 290 Rodenwaldt, Gerhard 149, 193 Roeseler, Hans 60 Roethe, Gustav 116 Rogall, A. 181 Romains, Jules 213 Rosenhagen, Hans Victor 81 Rösl & Cie 121 Ross, Harold 331 Roth, Joseph 226 Rothacker, Erich 290, 300 Rothfels, Hans 285 Rouault, George 80, 338 Rousseau, Jean-Jacques 135 Rowohlt Verlag 64, 259 Rowohlt, Ernst 53, 69 Ruckenbrod, Alfred 179 S. Fischer Verlag 26, 53–54, 60, 72, 75, 77, 86, 90–91, 98, 128, 148, 157–158, 221–222, 235, 240, 258 Salten, Felix 86 Saltenburg, Heinz 236 Sauer, August 78 Schaeder, Hans Heinrich 300–301 Schäfer, Dietrich 268 Schäfer, Heinrich 192, 194 Schaffner, Jakob 141, 411 Scheffler, Karl 37, 82, 153, 160, 164, 324, 328, 389 Scherl Verlag 214 Schickele, René 226

Schiller, Friedrich 98, 107–109, 115 Schinkel, Karl Friedrich 185 Schlegel, Irene 40 Schleiermacher, Friedrich 134 Schlenther, Paul 75 Schlesinger, Paul 244 Schmeidler, Bernhard 296 Schmeling, Max 349 Schmidt, Erich 79, 395 Schmoller, Gustav 287 Schnabel, Franz 290 Schneidler, Ernst 88 Schnitzler, Arthur 31, 42, 66–67, 77, 86, 141– 142, 148, 158, 208, 214–215, 217–219, 221– 224, 226, 229, 232–233, 251, 359–360, 363, 381 Schnitzler, Heinrich 215 Schnitzler, Olga 233 Schramm, Percy Ernst 303 Schubring, Paul 189, 193 Schüddekopf, Carl 94, 109–110 Schultze-Naumburg, Paul 323 Schumann, Wolfgang 322 Schurig, Arthur 120 Seebaß, Friedrich 103–104, 385 Seidel, Willy 38, 141, 143, 147 Seidenstücker, Friedrich 356 Seurat, Georges 344 Shakespeare 58, 98 Silesius, Angelus 121 Sintenis, Renée 339, 349 Sisley, Alfred 81 Slevogt, Max 28–30, 43, 74–75, 80, 84–86, 149, 151, 153–155, 159, 161, 165–166, 168, 170–178, 180, 182–183, 207, 390, 397 Soden, Hans Freiherr von 301 Söderström, Carl-Axel 355 Sohn-Rethel, Alfred 349 Soschka, Cyrill 228, 300 Spamersche Buchdruckerei 106, 132 Starke, Ottomar 332 Steglitzer Werkstatt 91 Stein, Gertrude 361 Steinberg, Sigfrid 43, 277, 279, 281–291, 293– 297, 300–304, 311 Steindorff, Georg 293 Steiner, Gustav 114 Steiner-Prag, Hugo 21, 25, 40–41, 48–49, 70– 74, 86, 88, 129, 134, 136, 147, 165, 167–168,

Personen- und Firmenregister 

172, 183, 186, 192, 311, 385, 387, 398, 403, 409 Steinhausen, Georg 268, 275 Stendhal 41, 100, 108, 118–121, 396, 410 Stern, Alfred 289 Stern, Julius 151 Sternheim, Carl 363 Stinnes, Clärenore 355 Stokowski, Leopold 348 Stone, Sasha 356 Strauß, Richard 344 Struck, Hermann 179 Stuck, Franz 71 Suhrkamp, Peter 256 Suren, Hans 351 Sydow, Eckart von 190, 194, 201 Szamatólski, Siegfried 78 Tacitus 133 Tauchnitz Verlag 72 Tempel-Verlag 26, 97 Thomas, Adrienne (Hertha Lesser) 213 Tieck, Ludwig 115, 147 Tiedemann, Heinz 335 Tiemann, Walter 88, 120, 142 Tille, Armin 273–274 Tizian 155 Toller, Ernst 249 Tolstoi, Lev Nikolajewitsch 135 Treitschke, Heinrich von 299 Troost, Paul Ludwig 205 Trübner, Wilhelm 167, 183 Tschudi, Hugo von 82, 152, 205, 323 Tucholsky, Kurt 161, 222, 360, 363 Uhde, Fritz von 81, 151 Uhde-Bernays, Hermann 185 Ulitz, Arnold 39, 208, 210, 223 Ullstein, Franz 65, 68, 165 Ullstein, Hermann 166, 220, 275 Ullstein, Karl 87 Ullstein, Leopold 49–51 Ullstein, Louis 61 Ullstein, Rudolf 166 Unold, Max 207 Ury, Lesser 167, 182 van der Velde, Henry 323 van Gogh, Vincent 155 Velhagen & Klasing Verlag 193 Verlag das Graphische Kabinett 328 Verlag Die Dachstube 69

425

Verlag Die Schmiede 239, 259 Verlag Espasa-Calpe 289 Verlag Hepner & Co. 219 Verlag Neue Kunsthandlung 85 Vietor, Karl 103 Vlaminck, Maurice de 344 Vogel, Walter 286 Vogler, Heinrich 129 Voll, Karl 171 Vollard, Ambroise 158 Voltaire 135 Voss, Christian Friedrich 225 Walden, Herwarth 153, 322, 325, 392 Waldmann, Emil 186, 188, 192–193, 411–412 Walser, Karl 154 Walser, Robert 359 Walter de Gruyter Verlag 44 Walter, Hartmut 183 Walzel, Oscar 301 Wassermann, Jakob 215, 221, 226 Wätjen, Hermann 286 Weber, Eduard 151 Weber, Hans von 53–54, 57, 97, 159 Wedderkop, Hermann von 34, 324, 330–331, 335, 338–339, 346, 349–350, 357–358, 360– 361, 363–364, 367, 369, 375 Wedekind, Frank 65 Wegener, Paul 251 Weigand, Wilhelm 120 Weiß, Emil Rudolf 88, 90–91, 98, 128–129, 323 Weiß, Ernst 38, 70, 208, 214 Weisbach, Werner 149, 193–195, 200 Werfel, Franz 63, 363 Werkbund Verlag 327 Werner, Anton von 82, 149–150 Werth, Kurth 364 Westheim, Paul 37, 165, 322, 327–329, 340, 407 Wiegler, Paul 25, 42, 60–69, 87, 112, 215, 217, 219, 221–223, 232–234, 385, 391, 410 Wieland, Christoph Martin 115, 134–135 Wiener, Oskar 71 Wildhagen, Kurt 104 Wilhelm Hertz Verlag 114 Witkop, Philipp 158 Witkowski, Georg 94, 97–101, 112, 131, 160, 390 Witt, Karl 170 Wittner, Victor 359–360, 362, 364, 367 Wolff, Kurt 47, 238, 259, 367, 395

426  Personen- und Firmenregister

Wolff, Theodor 62, 76 Wölfflin, Heinrich 328, 342 Wolfskehl, Karl 374 Wundt, Wilhelm 267 Zahn, Leopold 329 Zapp, Arthur 215 Zar Nikolaus II. 275 Zeitler, Julius 97

Ziemssen, Ludwig 50 Zobeltitz, Fedor von 94, 160, 390 Zsolnay Verlag 222 Zuckmayer, Carl 32, 42, 74, 77, 86, 141–143, 233, 236–239, 242, 244, 251–258, 260–261, 264–265, 359, 374–375, 380 Zweig, Arnold 226, 228, 338, 359

Titelregister 

427

Titelregister 3-Mark-Romane 52 50 Handzeichnungen 184 50 Jahre Ullstein 74 Abrechnungen 140, 142–143 Abschied und Tod 183 Adolph Menzel 187 Adreßbuch des deutschen Buchhandels 44 Alarm im Jenseits 143 Alice und andere Novellen 183 Alle gegen Einen 228 Alte Märchen mit der Feder erzählt 75, 172 Angewandte Kunst 323 Antigone 239 Antoine Watteau 186 Archiv für Kulturgeschichte 275 Ariost. Gesamtausgabe 104 Ariost. Sämtliche poetischen Werke 104 Aufruhr der Kinder 210 Auktionsquerschnitt 339 Aus Ägypten 182 Aus dem Propyläen-Verlag 367–368 Ausland-Bücher 55 B.Z. am Mittag 51, 62, 68, 263–264 Barock als Stilphänomen 201 Baudelaire. Ausgewählte Werke 108 Bauwelt 51, 369 Beggar's Opera 375 Bekenntnisse 140 Bekenntnisse eines Egoisten 120 Bel-Ami 66 Beobachter 66 Berliner Abendpost 49 Berliner Börsen-Courier 80 Berliner Illustrirte Zeitung (BIZ) 38, 50, 132, 183, 214, 219–222, 224, 226–228, 374, 377 Berliner Morgenpost 51, 214, 389 Berliner Tageblatt 49, 62, 81, 234 Berliner Zeitung 49, 219, 257 Bettina von Arnims Sämtliche Werke 112, 123, 131 Biberpelz 168 Bibliothek der Romane (Insel-Verlag) 135 Blätter des Propyläen-Verlages 367 Blei. Vermischte Schriften 108 Boden und Geschichte 286 Bohème 140 Bohemia 63–66 https://doi.org/10.1515/9783110683561-015

Bongs goldene Klassiker-Bibliothek 115 Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 231 Boule de Suif 66 Boxer 349 Brentano. Sämtliche Werke 103 Brentano. Werke 103 Buch Ruth 170 Bücher-Querschnitt 339 Buonaventura Genelli. Aus dem Leben eines Künstlers 185 Carmen 167 Chroniken aus der italienischen Renaissance und nachgelassene Novellen 118 Cicerone 330 Damenringkampf 347 Das 40. Jahr 77 Das Ausland 361 Das Blatt der Hausfrau 51 Das Buch der Epigramme 147 Das europäische Mittelalter von 900 bis 1250 296 Das Exemplar 141 Das Freibad 351 Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe 76 Das Haus an der Moldau 64 Das Hochmittelalter. Geschichte des Abendlandes von 900–1250 298 Das kleine Propyläen-Buch 73, 132, 140–143, 148, 208, 212, 232, 248 Das Kunstblatt 36, 327–329 Das Lager am Ussuri 70 Das literarische Echo 66 Das Märchenbuch 170 Das singende Knöchlein 143 Das Tage-Buch 66 Das Urteil 63 Das Zeitalter der religiösen Umwälzung 302 Degas. Plastiken 338 Der Ararat 37, 329–330 Der Baum 242 Der Die Das 69 Der dreimal tote Peter 244 Der ewige Spießer 241–242 Der Flug 214 Der fröhliche Weinberg 236–238, 242 Der grüne Heinrich 114

428  Titelregister

Der Hauptmann von Köpenick 237–238, 251, 253, 256, 374 Der Hellenismus und Rom 289 Der Idiot 148 Der jüdische Krieg 209 Der Jüngling 242 Der Knabe Karl 209 Der König Drosselbart 178 Der Kreuzweg 238 Der Kunstwanderer 330 Der Kunstwart 36, 322–323, 398 Der Mann ohne Eigenschaften 354 Der Marstall 327 Der Querschnitt 34–37, 43, 66, 132, 252, 284, 321, 323–325, 328–332, 335, 337–344, 346– 351, 353–365, 367–369, 374–375, 378–379, 386–390, 395, 404, 407 Der Querschnitt durch den Okkultismus 364 Der Querschnitt durch die Ehe 364 Der Schelm von Bergen 238 Der Schinderhannes 237–238 Der Sohn 239 Der Spiegel 367 Der Streit um den Sergeanten Grischa 228 Der Teufel 210 Der Waldläufer 43, 154, 172–174, 176 Der Weg zurück 213 Der Zauberberg 209 Der Zwiebelfisch 53, 57, 91, 140, 386, 389 Deutsche Geschichte 266, 268 Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer 296, 298 Die Affenhochzeit 242, 244 Die Baukunst der neuesten Zeit 369 Die Blondjäger 210 Die Briefe Jean Pauls 117 Die Dame 51, 66, 164, 183, 219, 221–222, 359– 360, 368, 374 Die Dreigroschenoper 375 Die Elixiere des Teufels 71 Die Entscheidung 239 Die Entwicklung des menschlichen Bildnisses 303 Die Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst 205 Die ewige Wiederkunft 147 Die Frau des Richters 142, 232–233 Die führenden Meister 155, 184–185 Die Fünfzig Bücher 55

Die geistige Entwicklung um die Jahrhundertwende 316 Die gepuderte Muse 147 Die Gesammelten Werke Edgar Allan Poes 121 Die große Welt 69 Die Hilfe 275 Die Horen 108 Die Inseln Wak Wak 178 Die Johanna der Schlachthöfe 375 Die Karthause von Parma 120 Die Kathrin wird Soldat 213 Die Klassiker des Altertums 91 Die Kunst der Frührenaissance 189, 195 Die Kunst der Hochrenaissance 189 Die Kunst der Naturvölker und der Vorzeit 190, 201 Die Kunst der Renaissance in Deutschland 189 Die Kunst des 20. Jahrhunderts 201–202, 204– 205, 329, 369 Die Kunst des Barock 195 Die Kunst des Radierens 179 Die Kunst für Alle 36, 164, 322–323 Die Kunst Indiens, Chinas und Japans 201, 369 Die literarische Welt 209 Die Marie 210, 227 Die neue deutsche Buchkunst 93 Die neue Rundschau 66, 76, 280 Die niederländische Malerei im 17. Jahrhundert 190, 195 Die Pleite 327 Die Portugalesische Schlacht 209, 244 Die Powenzbande 208–209 Die praktische Berlinerin 51 Die Schönheit 351 Die tapferen Zehntausend 170 Die toten Seelen 148 Die Traumnovelle 222–223 Die Zauberflöte 177 Die Zukunft 66 Dies Blatt gehört der Hausfrau 51 Drei angelsächsische Stücke 209, 244 Drugulin-Drucke 53 E.T.A. Hoffmann. Sämtliche Werke 104–105, 107 Edgar Allan Poe. Gesamtausgabe der Dichtungen und Erzählungen 121, 126 Ehen werden im Himmel geschlossen 239, 259, 375 Eichendorff. Gesammelte Werke 102 Ein Bauer aus dem Taunus 143

Titelregister 

Ein besserer Herr 239, 253–254, 259–260 Ein Vermächtnis 147 Einsiedelei 142 Elegien 134 ER und SIE 364 Erinnerungen der Malerin Louise Seidler 185 Etienne und Luise 209, 244 Euphorion 116 Europa-Almanach 329 Europäische Bibliothek 142 Faust 171 Francisco de Goya 186 Frankfurter Zeitung 31, 134, 210, 214, 218, 226, 228, 234 Freie Bühne für modernes Leben 76 Freie Kunst 323 Frühe japanische Holzschnitte 184 Gartenlaube 215 Gegenspieler zur Metaphysik des Clowns 374 Genealogie der Familie Knie 374 Genie und Gesundheit 347 Genius 326–327 Gesamtverzeichnis des Propyläen-Verlags für das Jahr 1929 103 Geschichte der deutschen Literatur 66 Geschichte der Kunst 166 Geschichte der Malerei 120 Geschichte der Manon Lescaut und des Chévalier des Grieux 135 Geschichte der Weltliteratur 65 Geschichten aus dem Wienerwald 241, 253 Gespenstische Balladen 168 Giotto 186 Glaube, Liebe, Hoffnung 253 Gobseck 239 Goethes Briefwechsel mit einem Kinde 148 Goethes Sämtliche Werke (PropyläenAusgabe) 58–59, 91–92, 106, 108–112, 122, 127, 131 Goethes sämtliche Werke in 20 Bänden 112 Goethes Werke (Weimarer Sophienausgabe) 101–102, 113 Gogol. Sämtliche Werke 104 Gotische Holzschnitte 184 Gottfried Kellers Werke 113 Gottfried Kellers Werke in acht Bänden 114 Gotthold Ephraim Lessings Sämtliche Schriften 115 Göttliche Komödie 186

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Graphiker der Gegenwart 85 Grundsätze für die Weimarische Ausgabe von Goethes Werken 102 Gullivers Reise ins Land der Riesen 180 Günderrode 123 Handzeichnungen 183 Handzeichnungen deutscher Impressionisten 184 Handzeichnungen deutscher Meister des 15. und 16. Jahrhunderts 184 Hans Holbein d. J. 186 Hauspostille 242 Hebbel. Sämtliche Werke 104 Heine und Campe 93 Hempel's National-Bibliothek sämtlicher Deutscher Classiker 96 Herrschergestalten des deutschen Mittelalters 296, 298 Historische Bildkunde 303 Historische Zeitschrift 299, 306 Hochzeitsreise 135, 140 Hölderlins Sämtliche Werke 103 Holländische, spanische und portugiesische Ausdehnungsbewegung 286 Holzwelt 51 Ich kann… 52 Ideale Nacktheit 351 Im Dickicht der Städte 240 Im Westen nichts Neues 32, 208, 210–213, 224, 227–232, 250, 379 Imprimatur 387–389, 395, 398 Insel-Bücherei 53, 142 Internationalismus und Nationalismus 316–317 Irrungen, Wirrungen 226 Italienische Nacht 241, 253 Italienische Novellen und Chroniken 120 Jahrbuch des praktischen Lebens 50 Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte 78–80 Japanische Geistergeschichten 214 Jean Paul. Werke 115, 117 Jean Pauls Persönlichkeit. Zeitgenössische Berichte gesammelt und herausgegeben von Eduard Berend 116 Jean Pauls Werke. Auswahl in acht Teilen 115 Jean-Honoré Fragonard 186 Jedermann sein eigener Fußball 327 Jenseits 239 Johannes. Buch der Kindheit 141

430  Titelregister

Jud Süß 209 Jugend 325 Junge Kunst 201 Junge Mädchen heute 367 Kaiser Wilhelm I. 299 Kakadu Kakada 238 Karl Friedrich Schinkel. Briefe, Tagebücher, Gedanken 185 Karl und Anna 143, 212 Kasimir und Karoline 253 Katharina Knie. Ein Seiltänzerstück in vier Akten 237, 253, 374 Keller. Gesammelte Werke 114 Keller. Jubiläumsausgabe 114 Keller. Nachgelassene Schriften und Dichtungen 114 Klassiker des Altertums 59, 132–134 Kleine Welten 181, 183 Kobes 182, 221 Kölnische Zeitung 200 Komödien 134 Komödien des Plautus 134 Kompositionen 179–180 Königin Luise 243 Königlich Privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen 225 Kranz des Meleagraos 134 Krieg 228–229 Kronprinzessin Luise 243 Kunst 323–324 Kunst und Künstler 36, 80, 154, 193, 323–324, 328, 376 Kunstgeschichte des Möbels 201, 369 Künstlerbekenntnisse 329 Leben des Lazarillo von Thormes 368 Lebens-Ansichten des Katers Murr 105–106 Lebensansichten des Katers Murr 106 Lebensbeschreibungen Plutarchs 134 Lebenserinnerungen eines deutschen Malers. Ludwig Richter 185 Lederstrumpf 170 Leipziger Tageblatt 66 Lenz. Gesammelte Schriften 102, 108 Leonardo da Vinci 186 Liebhaberbibliothek 142 Literarische Umschau 226–227 Lovis Corinth 184 Lucienne 213 Lukian. Sämtliche Werke 134

Majorat 168 Malerei und Zeichnung 179 Mann ist Mann 240 Männer der Nacht 70 Männer und Völker 55 Märchen und Geschichten 147 Marginalien 329, 361 Marquise von O. 148 März 66 Max Liebermann 184 Max Liebermann zu Hause 82 Max Pechstein 184 Meisterbuch der Kunst 166 Meisterlustspiele der Spanier 148 Menschen in Selbstzeugnissen und zeitgenössischen Berichten 70 Meyers Klassiker-Ausgaben 113 Michael Kohlhaas 148 Michel de Montaignes gesammelte Schriften 102 Mitteilungen der Galerie Flechtheim 331 Mittel- und Südamerika im 19. Jh. 286 Modenwelt 51 Molières Sämtliche Werke 104 Monatsschrift für moderne Körperkultur 351 Monographien zur deutschen Kulturgeschichte 268 Mosaik-Bücher 142 Musik für Alle 52 Nabob 217 Nachtwachen des Bonaventura 180 Napoleon greift ein 239, 375 Narrenspiegel 210 Nationalzeitung 81 Neue Propyläen-Weltgeschichte 319 Neues Wiener Journal 224 Neun Bücher der Geschichte 134 New Yorker 331 Nippernaht und die Jahreszeiten 214, 227 Orbis Pictus-Weltkunstbücherei 329 Otto von Bismarck. Ein Lebensbild 299 PAN 324 Pankraz erwacht oder Die Hinterwäldler 236 Pantheon 330 Peter Schlemihls wundersame Geschichte 136 Phantasien im Bremer Ratskeller 147 Phantastische Landschaften 71 Phantom 257 Philosophische Schriften 134

Titelregister 

Pieter Brueghel 155, 186 Plauderei 338 Prager Tageblatt 66 Professor Unrat 142 Propyläen 108 Propyläen-Kunstgeschichte 28, 45, 60, 70, 73, 132, 151, 155, 163, 165–166, 187–190, 192– 195, 200, 204, 277, 304, 311, 329, 369, 374, 378 Propyläen-Mappe 182 Propyläen-Weltgeschichte 33, 43, 70, 73, 188, 248, 269, 271, 273–289, 291–297, 299–307, 309, 311, 313, 315, 317–320, 378–379, 386– 389, 395, 412 Prosper Mérimée 172 Rabbi von Bacharach 168–170 Raffael 186 Randzeichnungen zu Mozarts Zauberflöte 171 Reclams Universalbibliothek 53, 95 Reise in Italien 120 Renoirs Alter 338 Romanbibliothek (J. C. Bruns) 53 Romanbibliothek (S. Fischer) 53 Römische Spaziergänge 120 Rot und Schwarz 119 Rote Ullstein-Bücher 52 Rübezahl 170 Rund um den Kongress 241 Sammel-Querschnitt 339 Sandro Botticelli 155, 185–186 Satiren und Episteln 134 Saul und David. Die beiden Brüder Samuels 180 Schillers Sämtliche Werke (Horen-Ausgabe) 91, 108–112, 122, 127 Schwarze Szenen 178 Serapions-Brüder 105 Sexualität als Sport 347 Sibirische Garnison 70, 214 Silesius. Sämtliche poetische Werke 121 Sinnenglück und Seelenfrieden 261 Skizzenbücher 74 Sozialistische Monatshefte 164 Spanische Romanzen 167 Spätes Mittelalter 287 Spiel um Liebe 354 Spontini-Heft 113 Sport und Bild 351, 354 Stafettenläufer 347 Stendhal. Ausgewählte Werke 120

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Stendhal. Ausgewählte Werke in Einzelbänden 118–119 Stendhal. Gesammelte Werke 108, 120 Stendhal. Gesammelte Werke (Georg Müller) 120 Stierkampf (The Undefeated) 347 Sturm 325 Stuttgart und die Schwaben 338 Süddeutsche Monatshefte 116 Systeme der weltgeschichtlichen Betrachtung 281 Tage der Freuden 213 Tausch im Ring 244 Tempel-Klassiker 53, 97–98 Textkritik und Editionstechnik neuerer Schriftwerke 100 Thackeray. Gesammelte Werke 103 Therese 217, 359 Tizian 186 Tod und Auferstehung 242 Toni 244 Tragikomödien 179 Tragödien 134 Trenck 222 Trommeln in der Nacht 240 Tulifäntchen 177 Turgenjew. Sämtliche Werke 104 Ueber die Liebe 120 Uhu 34, 38, 66, 161, 351, 357, 359–360, 362, 368 Ullstein's Sammlung praktischer Hausbücher 50 Ullstein, Ramsch & Co. 53 Ullstein-Chronik 38, 61, 135, 206, 214 Ullstein-Jugendbücher 55 Ullstein-Kriegsbücher 55 Ullstein-Weltgeschichte 52, 55, 269, 271–274, 277–280, 283–286, 302, 311, 320 Umsturz und Aufbau 242 Universales Hausdoktorbuch 50 Unterhaltungsblatt 225–227, 232 Vater unser 183 Velazquez 186 Verkehrstechnik 51 Versuchung in Budapest 214 Vision 180 Völkischer Beobachter 212 Volksmärchen der Deutschen 147

432  Titelregister

Vossische Zeitung 51, 66, 70, 74, 80, 142, 166, 207, 209–211, 214, 219, 221, 224–232, 252, 374, 377, 380, 388 Wege zum Wissen 60 Weltbühne 80, 264 Weltgeschichte 268–274, 289 Weltgeschichte (Neubearbeitung) 274 Werke der Weltliteratur 132, 135–136, 140, 148 Wilhelm II. 209 Wilhelm Meisters theatralische Sendung 113

Wilhelm Tischbein. Aus meinem Leben 185 Wohin rollst Du, Äpfelchen 222 Worbs 210 Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien 135 Zehn Jahre Kunsthändler 335 Zeitschrift für bildende Kunst 324 Zeitschrift für Bücherfreunde 94, 98, 116, 389– 390 Zwei Freunde 214