Das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO im Lichte des europäischen Eigenverwaltungsrechts [1 ed.] 9783428544486, 9783428144488

Florian Ammerich analysiert das Zusammenspiel der REACH-Verordnung (VO 1907/2006/EG) als wichtigstes Instrument des euro

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Das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO im Lichte des europäischen Eigenverwaltungsrechts [1 ed.]
 9783428544486, 9783428144488

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Schriften zum Europäischen Recht Band 165

Das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO im Lichte des europäischen Eigenverwaltungsrechts

Von Florian Ammerich

Duncker & Humblot · Berlin

FLORIAN AMMERICH

Das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO im Lichte des europäischen Eigenverwaltungsrechts

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 165

Das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO im Lichte des europäischen Eigenverwaltungsrechts

Von Florian Ammerich

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim hat diese Arbeit im Herbstsemester 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-14448-8 (Print) ISBN 978-3-428-54448-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84448-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Herbstsemester 2013 von der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim als Dissertation angenommen. Das Promotionsverfahren wurde am 8.  April 2014 mit dem Rigorosum abgeschlossen. Literatur und Rechtsprechung konnten noch bis zum 1. Mai 2014 berücksichtigt werden, allerdings wurde aus Praktikabilitätsgründen darauf verzichtet, die gesamte Zitation der europäischen Rechtsprechung sowie der Schlussanträge der Generalanwälte auf eine Zitierweise mit Angabe des ECLI (http://curia.europa.eu/ jcms/jcms/P_125997/) umzustellen. Mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Kristian Fischer, gab nicht nur die Anregung zu diesem Thema, sondern betreute mich unbürokratisch und mit großem Einsatz und war stets zu einer fachlichen Diskussion bereit und meinen Denkansätzen gegenüber offen. Dabei gab er mir einerseits wertvolle Anregungen und Hinweise und ermöglichte mir andererseits völlige Freiheit beim Abfassen dieser Arbeit. Schließlich erstellte er das Erstgutachten ebenso wohlwollend wie zügig. Ihm gilt mein tiefempfundener Dank! Weiterhin bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Hans-Joachim Cremer für seine Bereitschaft, das Zweitgutachten zu erstellen, sowie bei Herrn Prof. Dr. Thomas Fetzer, der den Prüfungsvorsitz übernommen hat. Daneben schulde ich auch Herrn Dr. Jürgen Fluck und Frau Dr. Anja von Hahn von der BASF für einen wertvollen Einblick in die Praxis des Vollzugs von REACH meinen Dank. Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera, Herrn Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, Herrn Prof. Dr. Matthias Niedobitek und Herrn Prof. Dr. Karl-Peter Sommermann danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Schriften zum Europäischen Recht. Die Arbeit entstand zu großen Teilen während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Mario Martini an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er gab mir Gelegenheit, mich mit einer Fülle von Problemen des öffentlichen Rechts auf wissenschaftlicher Basis zu beschäftigen. Sein ständiges Bemühen nach Klarheit und Präzision in der Sprache sind mir ebenso Vorbild wie Ansporn. Dafür und für seine ständige fachliche und menschliche Unterstützung bedanke ich mich herzlich. Die Zeit als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl wird mir in bester Erinnerung bleiben.

6

Vorwort

Dazu haben auch die Kolleginnen und Kollegen beigetragen, die nicht nur wertvolle Anregungen gaben, sondern mich auch bei der Korrektur der Endfassung des Manuskriptes unterstützt haben, zuvorderst Frau Yvonne Schmid und Frau Beate Bukowski sowie Herr Dr. Matthias Damm und Herr Benjamin Kühl. Sie sind mir weit mehr als lediglich Arbeitskollegen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsbibliothek in Speyer, insbesondere Frau Ursula Ohliger und Frau Elke Haase, haben dankenswerterweise fortwährend dafür gesorgt, dass mir binnen kürzester Zeit auch die entlegenste Literatur in aktueller Auflage zur Verfügung stand. Für ihre Unterstützung danke ich außerdem ganz besonders Frau Dr. Katrin Schoppa und Herrn Dr. Christian Bauer sowie Frau Dr. Anne-Sophie Ritter. Meine Großmutter, Frau Maria Altmayer, meine Mutter, Frau Christiane Am­ merich, die das Manuskript immer wieder Korrektur gelesen hat, und mein Vater, Herr Dr. Hans Ammerich, haben die Drucklegung dieser Arbeit mit einem großzügigen Zuschuss unterstützt. Nicht nur dafür bin ich ihnen dankbar. Meine Partnerin, Frau Elena Dahlem, begleitet mich mit unserem gemeinsamen Sohn Benjamin Johannes bereits ein großes Stück meines Weges. Ohne sie würde nicht nur dieser Arbeit jeglicher Sinn fehlen. Bei ihr bedanke ich mich für ihren Rückhalt und für ihre Motivation, für Verständnis und für stetigen ermutigenden Zuspruch. Ihnen gebührt weit mehr als mein Dank! Florian Ammerich

Inhaltsverzeichnis Einleitung

23

A. Einführung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Kapitel 1 Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt



30

A. Das (europäische) Chemikalienrecht vor Erlass der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Die getrennte Behandlung von Neu- und Altstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

II.

Defizite im System der Altstoffregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

III. Mangelnde Datenqualität bei der Neustoffanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 IV. Wenig effektives Beschränkungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Die Entstehung der REACH-VO als Reaktion auf die festgestellten Defizite . . . . . . 34 I.

Das Weißbuch der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

II.

Das Normgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

C. Die Ziele der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I.

Hohes Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

II.

Wahrung und Verbesserung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der chemischen Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

III. Sicherstellung des freien Verkehrs von chemischen Stoffen im Binnenmarkt . . 41 D. Die REACH-VO im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I.

Anwendungsbereich der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich der REACH-VO . . . . . . . . . 43 2. Von der REACH-VO betroffener Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

II.

Überblick über die wesentlichen Instrumente der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . 45 1. Die Registrierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Weitere Pflichten in der Lieferkette nach der Registrierung . . . . . . . . . . . . 47 3. Die Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Die inhaltliche Bewertung der Registrierungsdossiers . . . . . . . . . . . . . . 49

8

Inhaltsverzeichnis b) Die Stoffbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Das Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5. Das Beschränkungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 6. Informationen und Datenschutz im Rahmen der REACH-VO . . . . . . . . . . 54 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

E. Die Rolle der ECHA als zentrale Stelle auf Unionsebene im Rahmen des Vollzugs der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I.

Die Rolle der ECHA im REACH-Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

II.

Der direkte und der indirekte Vollzug von Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

III. Die REACH-VO als Ausprägung des europäischen Verwaltungsverbundes . . . 64

Kapitel 2

Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO

67

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 B. Registrierungsdossier und Stoffsicherheitsbericht: Inhalte und Anforderungen . . . . . 70 I.

Das technische Dossier nach Art. 10 lit. a) REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

II.

Der Stoffsicherheitsbericht nach Art. 10 lit. b) REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . 72

C. Die eigentliche Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I.

Beginn der Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Einleitung durch Einreichen des Registrierungsdossiers durch den Registranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Einleitung des Registrierungsverfahrens von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . 76

II.

Inhaltliche Anforderungen an ein zur Einleitung des Registrierungsverfahrens taugliches Registrierungsdossier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

III. Zuweisung der Eingangsnummer und des Antragsdatums . . . . . . . . . . . . . . . . 79 IV. Der completeness check nach Art. 20 Abs. 2 REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Bei Unvollständigkeit: Nachforderung nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 S.  1 ­ REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Auch nach erneuter Prüfung keine Vollständigkeit: Ablehnung der Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Bei Vollständigkeit: Zuweisung der Registrierungsnummer . . . . . . . . . . . . 81 4. Keine Rückmeldung der ECHA: Vermarktungseröffnung durch Zeitablauf nach Art. 21 REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 V.

Registrierung bei einer Mehrheit von Registranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Informationsaustausch bei Phase-in-Stoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Informationsaustausch bei Nicht-Phase-in-Stoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Inhaltsverzeichnis

9

3. Gemeinsames Einreichen von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 D. Das Verhältnis von completeness check und compliance check . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 I.

Der compliance check nach Art. 41 REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Prüfungsumfang des compliance checks in qualitativer Hinsicht . . . . . . . 89 2. Prüfungsumfang des compliance checks in quantitativer Hinsicht . . . . . . . 90

II.

Die Abgrenzung von completeness check und compliance check . . . . . . . . . . . 91 1. Abgrenzung nach Prüfungsinhalt und innerhalb der Prüfung zu beantwortenden Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Abgrenzung nach Durchführungsmechanismus und Häufigkeit der Tests . 94

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren  – die Registrierungsentscheidung als Beschluss im Sinne von Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV? . . . . . . . . . . . . . 95 I.

Die Rechtsverbindlichkeit der Beschlüsse im Rahmen des Registrierungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Rechtswirkungen der annehmenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Blick ins deutsche Recht: Abgrenzung und Systematisierung von Anzeige- und Erlaubnisvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Analyse des Normenzusammenwirkens im Rahmen der Registrierung nach Titel II der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Vorliegen von Kennzeichen eines Erlaubnisvorbehaltes . . . . . . . . . 101 bb) Vorliegen von Kennzeichen eines Anzeigevorbehaltes . . . . . . . . . . 102 cc) Tiefer gehende Analyse im Rahmen einer Fallgruppenbetrachtung 103 (1) Fristgerechte Prüfung durch die ECHA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (2) Nichtfristgerechte Prüfung durch die ECHA . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Rechtswirkung der ablehnenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Rechtswirkung der Informationsnachforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Rechtswirkung einer aufhebenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

II.

Organexklusivität des Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Kapitel 3

Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung nach der REACH-VO

114

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 B. Bestandsaufnahme verfahrensrechtlicher Bestimmungen in der REACH-VO . . . . . . 115

10

Inhaltsverzeichnis

C. Die Guidances der ECHA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 D. Der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I.

Vergleich mit dem Musterkodex des Europäischen Bürgerbeauftragten . . . . . . 119

II.

Rechtsnatur und Bindungswirkung der Vorschriften des Kodex . . . . . . . . . . . . 121

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I.

Verwaltungsrechtsquellen im Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Das Recht auf gute Verwaltung nach Art. 41 EU-GRCharta . . . . . . . . . . . . 128 2. Die weiteren primärrechtlichen Rechtsgrundsätze für das europäische Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Entwicklung und Facetten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . 130 bb) Materieller Prüfungsmaßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 131 b) Die Prinzipien von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz . . . . . . . . . . 134 c) Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns . . . . . . . 139 d) Das Gebot der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Verwaltungsrecht im sonstigen geschriebenen Primärrecht . . . . . . . . . . . . 142

II.

Positivierte sekundärrechtliche Bestimmungen mit allgemeiner Geltung für das Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

III. Ungeschriebene Rechtsgrundsätze des europäischen Verwaltungsrechts . . . . . 144 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Kapitel 4 Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts für das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO



150

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelungim europäischen Verwaltungsrecht 152 I.

Die Wirksamkeit eines Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

II.

Die rechtliche Inexistenz eines Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Besondere Schwere des Fehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Fehler im formellen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Zuständigkeitsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) Einzelne Verfahrens- oder Formfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Kumulierung mehrerer formeller Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Fehler im materiellen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Offenkundigkeit des Fehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

Inhaltsverzeichnis

11

3. Rechtliche Inexistenz durch unrichtige Angaben im Registrierungsdossier 164 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Die Bestandskraft eines Registrierungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IV. Die Unbeachtlichkeitsregelungen bei der Verletzung wesentlicher Formschriften im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Unbeachtlichkeit im Fall der rechtlichen Alternativlosigkeit bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Unbeachtlichkeit im Fall der tatsächlichen Alternativlosigkeit bei der Verletzung von Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Folgen für die Möglichkeit der Nichtigkeitserklärung eines Registrierungsbeschlusses aufgrund eines Verfahrens- bzw. Formfehlers . . . . . . . . . . . . . 172 V.

Bilanz im Hinblick auf das grundlegende Verwaltungsrechtssystem des Eigenverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

B. Anspruch auf rechtliches Gehör – Durchführung einer Anhörung im Registrierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I.

Die Notwendigkeit einer Anhörung im Rahmen des Registrierungsverfahrens der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Das Recht auf Anhörung als allgemeiner Grundsatz des Eigenverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Tatbestandliche Einschränkung des Anwendungsbereichs für eine Anhörung 182 a) Einschränkung bei unwesentlicher Belastung des Betroffenen . . . . . . . 182 b) Einschränkung bei einem Antrag des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Einschränkung bei gebundenen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

II.

Anforderungen an die Ausgestaltung der Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

III. Rechtsfolgen bei einer nicht oder fehlerhaft durchgeführten Anhörung . . . . . . 189 1. Grundsätzlich: Fehlerhaftigkeit des Rechtsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Möglichkeit der Heilung des Registrierungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Heilung durch Nachholung innerhalb des Verwaltungsverfahrens möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Heilung innerhalb des Widerspruchsverfahrens möglich . . . . . . . . . . . 190 c) Keine Möglichkeit der Heilung durch Nachholung im gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 d) Zusammenfassung der Heilungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 IV. Ergebnis zum Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen der Registrierung nach der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 C. Das Recht auf Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I.

Notwendigkeit des verfahrensakzessorischen Rechts auf Akteneinsicht . . . . . . 196

12

Inhaltsverzeichnis II.

Ausgestaltung des verfahrensakzessorischen Akteneinsichtsrechts im Rahmen der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Bezugspunkt des Akteneinsichtsrechts im Rahmen der REACH-VO: Die Registrierungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Ermittlung der Konturen des allgemeinen Akteneinsichtsrechts aus dem besonderen Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Zeitliche Grenzen des Akteneinsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Grundsätzlicher Umfang des Akteneinsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Beschränkung des Akteneinsichtsrechts auf verwendete Unterlagen 201 bb) Vollumfängliches Akteneinsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Fazit und Folgerungen für das Einsichtsrecht in die Registrierungsakte 204 c) Grenzen der Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 d) Verletzung des Akteneinsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Die Rechtslage im Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Die Rechtslage im Fusionskontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Die Rechtslage im Antidumpingrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 dd) Die Rechtslage im Beamtenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 ee) Folgerungen für eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts im Rahmen des Registrierungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3. Möglichkeiten einer Heilung durch die ECHA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

III. Bilanz zum Recht auf Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 D. Die Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I.

Anforderungen an Inhalt und Umfang der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

II.

Möglichkeit der nachträglichen Änderung der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . 223

III. Möglichkeit der Heilung einer fehlerhaften Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Abgrenzung zwischen einer gänzlich fehlenden und einer unvollständigen Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Die Heilung einer gänzlich fehlenden Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Die Heilung einer unzureichenden Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4. Rechtsfolgen der Nachholung einer Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 IV. Ergebnis zur Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 E. Wahl der richtigen Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 I.

Anforderungen für das Handeln der ECHA im Registrierungsverfahren . . . . . 229

II.

Die derzeitige Praxis im Registrierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

III. Rechtsfolgen bei der Wahl einer falschen Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Im Hinblick auf den Zugang des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Inhaltsverzeichnis

13

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA: Möglichkeiten, Rechtsgrundlage und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. II.

Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses . . . . . . . . 240 1. Rechtsgrundlage aus der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Aufhebung von Registrierungen durch Art.  20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 ­ REACH-VO im Rahmen des completeness checks durch die ECHA . . 240 b) Aufhebung von Registrierungen im Rahmen des compliance checks durch die ECHA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Aufhebung der Registrierung durch analoge Anwendung des Art.  20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO seitens der ECHA . . . . . . . . . . . . . . . 242 d) Aufhebung von Registrierungen durch nationale Behörden . . . . . . . . . 245 aa) § 27b Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ChemG als Rechtsgrundlage . . . . . . . 246 bb) Art. 129 REACH-VO bzw. § 23 Abs. 1, 1a ChemG als Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 cc) Schlussfolgerungen und Einordnung in das Rechtssystem . . . . . . . 247 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Rechtsgrundlage aus den ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Eigenverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Herleitung und Ursprung der Rechtsgrundsätze zur Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundsätze neben den Regelungen der ­ REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Keine bewusste Nichtregelung in der REACH-VO zur Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Die Rechtsansicht der Europäischen Kommission und der ECHA in einer Mitteilung an CARACAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 cc) Der effet utile als Argument für die Möglichkeit der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (1) Regelungsabsicht der Registrierung im Rahmen der REACH-VO 258 (2) Die Anreizsituation für die Zurverfügungstellung von vollständigen und richtigen Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (3) Anreizwirkung bei der Möglichkeit der Aufhebung von Registrierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 3. Ergebnis: Rechtsgrundlage aus ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Eigenverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

III. Ausgestaltung der Regelungen zur Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen 266

14

Inhaltsverzeichnis 1. Identifizierung der im Rahmen der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen typischen Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Fallgruppe 1: Rücknahme von rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen, Rechtswidrigkeit aufgrund defizitärer Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Ermittlung der möglichen Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Herleitung und Reichweite des ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes für diese Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 aa) Herleitung des Grundsatzes: Die Rechtsprechung des EuGH als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (1) Ursprung in der Entscheidung im zweiten S. N. U. P. A. T.-Urteil 271 (2) Anwendbarkeit der Rechtsprechung im Rahmen der REACH-VO 272 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 bb) Tatbestandliche Reichweite des Grundsatzes: Keine Beschränkung der Rücknahmebefugnis auf bestimmte Angaben im Registrierungsdossier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 cc) Tatbestandliche Reichweite des Grundsatzes: Rücknahme unabhängig vom Verschulden der defizitären Angaben beim Betroffenen möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (1) Ausgangspunkt: Die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . 276 (2) Im Vergleich: Das geschriebene Sekundärrecht

. . . . . . . . . . . 277

(3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Rechtsfolge: Ermessen oder Pflicht der ECHA zur Rücknahme einer Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 aa) Die Entscheidung in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II . . . . . . . . . 280 bb) Folgerungen für die Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen . . 282 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 d) Die zeitliche Dimension der Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 aa) Die Entscheidung in der Rechtssache Hoogovens . . . . . . . . . . . . . . 287 bb) Zweck der Aufhebung der Registrierung lediglich durch Aufhebung ex tunc erreichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (1) Tatsächliche Folgen der Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (2) Strafrechtliche Folgen der Aberkennung der Registrierung . . . 289 (a) Sanktionierung nach § 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG . . . . . . . . 289 (b) Sanktionierung nach § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG . . . . . . . . 290 (aa) Genehmigungswirkung einer erschlichenen Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (bb) Möglichkeit der Aufhebung einer Registrierung ex tunc mit anschließender Sanktionierung nach § 27b Abs. 1 Nr.1 ChemG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Inhaltsverzeichnis

15

(3) Zivilrechtliche Folgen der Aberkennung der Registrierung . . . 298 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 e) Mögliche in die Ermessensentscheidung einzustellende Gesichtspunkte 300 f) Einzuhaltendes Verfahren bei der Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 g) Ergebnis für Fallgruppe 1: Rücknahme einer rechtswidrigen Registrierung – Registrierungsdossier defizitär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3. Fallgruppe 2: Rücknahme von rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen, Rechtswidrigkeit aufgrund (anderer) formeller oder materieller Fehler . . 308 a) Herleitung des ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes aus der Entscheidung in der Rechtssache Algera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Tatbestandliche Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen Registrierungsbeschlusses ex nunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 aa) Bestimmungen der Voraussetzungen der Rücknahme ex nunc aus der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (1) Die Rechtsprechung des EuGH zur Rücknahme von Beschlüssen, die nicht aufgrund defizitärer Angaben rechtswidrig sind . 313 (a) Phase 1: Die Entscheidung in der Rechtssache Algera . . . 313 (b) Phase 2: Differenzierung des EuGH zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen . . . . . . . 315 (c) Phase 3: Aufhebung dieser Differenzierung in der Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (d) Zwischenergebnis und Schlussfolgerungen für die Rücknahme ex nunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (2) Entwicklung einer eigenen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (a) Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (b) Lösung 1: Beibehaltung der Differenzierung nach Art des Beschlusses für die Rücknahme ex nunc . . . . . . . . . . . . . . 323 (c) Lösung 2: Anwendung der Alpha-Steel-Formel sowohl im Fall der Rücknahme ex tunc als auch der Rücknahme ex nunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (d) Lösung 3: Zusammenführung der Voraussetzungen für die Rücknahme ex nunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 bb) Versuch einer Fristbestimmung im konkreten Vollzug der REACH-VO 333 (1) Beginn der Frist für die Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (2) Dauer der Frist für die Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 (3) Keine abstrakte Bestimmung durch den EuGH . . . . . . . . . . . . 334 (4) Eingrenzung durch bisherige Rechtsprechung

. . . . . . . . . . . . . 336

(5) Bestimmung einer angemessenen Frist im Rahmen der Rücknahme von Registrierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

16

Inhaltsverzeichnis c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 d) Mögliche in die Ermessensentscheidung einzustellende Gesichtspunkte

340

e) Einzuhaltendes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 f) Ergebnis für Fallgruppe 2: Rücknahme einer rechtswidrigen Registrierung – Rücknahme aufgrund sonstiger Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 4. Fallgruppe 3: Widerruf von rechtmäßigen Registrierungsbeschlüssen . . . . 343 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 b) Besondere Widerrufsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 aa) Vorliegen eines ausdrücklichen Widerrufsvorbehalts . . . . . . . . . . . 346 bb) Widerruf aufgrund nachträglicher Änderung der Rechtslage . . . . . 348 (1) Änderung von Art. 10 REACH-VO durch den Normgeber . . . 348 (2) Nichtigkeitserklärung der Norm aus Art. 264 Abs. 1 AEUV . . 351 cc) Widerruf aufgrund nachträglicher Änderung der Sachlage . . . . . . . 353 c) Ergebnisse und Schlussfolgerungen für den Widerruf einer rechtmäßigen Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Zusammenfassung und Ausblick auf eine mögliche Kodifizierung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Informationsanforderungen nach der REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Abbildung 2:

Schematische Darstellung des Registrierungsverfahrens . . . . . . . . . . . . 75

Abbildung 3:

Darstellung der Rechtsbeziehungen bei der Registrierung bei Registrantenmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Abbildung 4: Schematische Darstellung von Nachbesserungs- und Rücknahmeverfahren für die Rücknahme von Beschlüssen auf Basis dauerhaft defizitärer Registrierungsdossiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Abbildung 5: Lösung 1: Alpha Steel hat lediglich Einfluss auf die Rücknahme ex tunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Abbildung 6:

Lösung 2: Alpha Steel findet sowohl auf Fälle der Rücknahme ex tunc als auch der Rücknahme ex nunc Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Abbildung 7:

Lösung 3: Mechanismus von Alpha Steel wird auch auf die Rücknahme ex nunc angewendet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Abbildung 8:

Fristbestimmung für die Rücknahme im ungeschriebenen allgemeinen Eigenverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Abbildung 9: Schematische Darstellung des Rücknahmeverfahrens für die Rücknahme von Beschlüssen, die aufgrund von (sonstigen) formellen oder materiellen Fehlern rechtswidrig sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

Abkürzungsverzeichnis a. A./A. A. AbfallR ABl.

anderer Ansicht Zeitschrift für das Recht der Abfallwirtschaft Amtsblatt der Europäischen Union (seit dem 1.2.2003; davor: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften; bis 1958: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl) Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis am Ende a. E. AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung a. F. amtl. amtlich AöR Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel Aufl. Auflage BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter Bd. Band BDI Bundesverband der deutschen Industrie e. V. Begr. Begründer(in) Bundesinstitut für Risikobewertung BfR (dt.) Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BLAC Bund-/Länderausschuss für Chemikaliensicherheit Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherBMU heit Bsp. Beispiel BT-Drs. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BVerfG Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVSE Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung bzw. beziehungsweise ca. circa CEFIC European Chemical Industry Council CMR Carcinogenic, Mutagenic and Reprotoxic DEKRA Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein d. h. das heißt DNEL Derived No-Effect Level Deutscher Naturschutzring DNR DÖV Die Öffentliche Verwaltung

Abkürzungsverzeichnis

19

dt. deutsch DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt E Entscheidung ECHA Europäische Chemikalienagentur EEA European Environment Agency EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für EGKSV Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Inventory of Existing Commercial Substances EINECS elni Review Review of the Environmental Law Network International Europäische Menschenrechtskonvention EMRK endg. endgültig et cetera etc. EU Europäische Union EuG Gericht der Europäischen Union EuGH Europäischer Gerichtshof EU-GRCharta Charta der Grundrechte der Europäischen Union EuR Europarecht Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht EurUP EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWGV EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende(r) (Artikel, Paragraph, Seite) f. F. I. D. E. Fédération Internationale pour le Droit Européen ff. folgende (Artikel, Paragraphen, Seiten) Fn. Fußnote GA Generalanwalt gem. gemäß GewArch Gewerbearchiv Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GG ggf. gegebenenfalls herrschende Meinung h. M. HPVC High Production Volume Chemicals Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz IUCLID International Uniform Chemical Information Database i. V. m. in Verbindung mit JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts Jura Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung KMU Kleine und mittlere Unternehmen KOM Dokumente der Kommission der Europäischen Union LG (dt.) Landgericht

20

Abkürzungsverzeichnis

lit. Buchstabe m. w. N. mit weiteren Nachweisen NABU Naturschutzbund Deutschland e. V. NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht Natur und Recht NuR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ Organization for Economic Cooperation und Development OECD (dt.) Oberlandesgericht OLG One Substance – One Registration OSOR PBT Persistent, Bioaccumulating and Toxic Phi Produkthaftpflicht international Predicted No-Effect Concentration PNEC Revue trimestrielle de droit européen R. D. T. P. REACH Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals RIP REACH Implementation Project RL Richtlinie Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Seite, Satz S. SIEF Substance Information Exchange Forum Slg. Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz Sachverständigenrat für Umweltfragen SRU StoffR Zeitschrift für Stoffrecht Tonne pro Jahr t/a UAbs. Unterabsatz Umweltmed Forsch Prax Umweltmedizin in Forschung und Praxis UPR Umwelt- und Planungsrecht Urt. Urteil uwf Umweltwirtschaftsforum UWSF Umweltwissenschaften und Schadstoffforschung – Zeitschrift für Umweltchemie und Ökotoxikologie v. von/vom Verband der chemischen Industrie VCI verb. verbundene VerwArch Verwaltungsarchiv vgl. vergleiche VO Verordnung vPvB Very persistent and very bioaccumulating VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer Wirtschaft und Verwaltung WiVerw WM Wertpapier-Mitteilungen wwf World Wide Fund For Nature Zeitschrift für angewandte Umweltforschung ZAU ZeuS Zeitschrift für Europarechtliche Studien ZfE Zeitschrift für Energiewirtschaft

Abkürzungsverzeichnis ZStW ZUR

21

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Umweltrecht * * *

Ergänzend wird auf Kirchner (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Aufl., Berlin 2013, verwiesen.

Einleitung A. Einführung und Problemstellung „Die Chemie spielt in fast jedem Bereich unseres Lebens eine wichtige Rolle“, so lautet der Klappentext eines Werbeflyers des Verbandes der chemischen Industrie (VCI). Unter dem Titel „Kennen Sie Chemie?“ werden die vielfältigen Einsatzfelder von Chemikalien im Alltag heute und in Zukunft dargestellt.1 Deren mannigfaltige Nutzungsmöglichkeiten sind in der Tat beeindruckend: Die chemische Industrie in Europa vermarktet aktuell mehr als 100 000 chemische Stoffe,2 ca. 30 000 davon begegnen jedem Menschen in Alltagsprodukten.3 Allerdings bleibt es nicht nur bei einer (flüchtigen) Begegnung: Im Zuge der Debatte um die Einführung der REACH-VO4 ließen sich die EU-Umweltkommissarin Margot Wallström, 14 Minister und 50 Mitglieder des Europäischen Parlaments Blut abnehmen und auf darin enthaltene Chemikalien untersuchen. Dabei konnten pro Blutprobe bis zu 76  verschiedene potenziell schädliche chemische Stoffe festgestellt werden.5 So vielfältig der Einsatz von Chemikalien erfolgt, so gering ist das Wissen über ihre Auswirkungen für Umwelt und Menschen: 1984 stellte der National Research Council in den USA fest, dass für 78 Prozent der dort auf dem Markt vorhandenen High Production Volume Chemicals (HPVC)6 keine toxikologischen Daten vorlagen. Nachhaltige Folgen hatte dies nicht:7 1997 wiederholte der 1

VCI, Kennen Sie Chemie?, Deckblatt Rückseite. Jedes Jahr kommen 1000 Substancen hinzu, Winter, Dangerous Chemicals: A Global Problem on Its Way to Global Governance, in: Führ/Wahl/von Wilmowsky (Hrsg.), Umweltrecht und Umweltwissenschaft, 2007, S. 819 (820). 3 Ingerowski, Die REACh-Verordnung, 2010, S. 52. 4 Verordnung (EG) Nr.  1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr.  793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr.  1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. EG Nr. L 396 S. 1, ber. ABl. EG Nr. L 136 S. 3, fortan: REACH-VO. 5 Eikmann/Herr, Sind die Human-Biomonitoring-Werte unserer Politiker und Abgeordneten ein wichtiges und richtiges politisches Instrument?, Umweltmed Forsch Prax 9 (6) 2004, 329 (329). 6 Es handelt sich damit um Chemikalien, die in Mengen von mehr als 1000 Tonnen pro Hersteller pro Jahr produziert werden. 7 Environmental Defense Fund, Toxic Ignorance – The Absence of Basic Health Testing for Top-Selling Chemicals in the United States, S. 7; Ingerowski (Fn. 3), S. 52. 2

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Einleitung

Environmental Defense Fund die Untersuchung  – 75  Prozent der Stoffe waren ohne Minimaldaten.8 Dabei handelt es sich um kein rein amerikanisches Phänomen: Eine Untersuchung der 2465 im Jahre 1999 in der EU als HPVC eingestuften Stoffe ermittelte, inwiefern für diese die geforderten Basis-Risikobewer­ tungen nach dem Regime der damaligen EG-Gefahrstoffe-HarmonisierungsRL9 vorlagen – mit bedrückendem Ergebnis. Bei lediglich 14 Prozent waren entsprechende Daten vollständig, bei 65 Prozent unvollständig, keinerlei Informationen existierten sogar bei 21 Prozent dieser Stoffe.10 Legt man den Maßstab eines Profils an, das eine differenzierte human- und ökotoxikologische Bewertung möglich macht, waren lediglich drei Prozent dieser Stoffe mit vollständigen Informationen versehen.11 Dabei handelt es sich aber lediglich um die Spitze des Eisbergs: Die Studie fragte nach dem Vorhandensein von Daten in der internationalen Chemiedatenbank IUCLID12, nutzte also nur die Kriterien „vorhanden“ oder „nicht vorhanden“ als Qualitätsmaßstab. Eine qualifizierte Bewertung, ob die Daten richtig oder auch nur für eine Risikobewertung13 sinnvollerweise verwendbar waren, fand nicht statt.14 Eine 2002 durchgeführte Untersuchung wertete die damals vorhandenen 41  Altstoffchemikalienbewertungsdokumente aus und bestätigte dieses Bild: 50  Prozent der Dossiers waren so unvollständig, dass die Stoffbewertung nicht zum Abschluss gebracht werden konnte, bei weiteren 20 Prozent waren zusätzliche Daten zur Bewertung der Gefährlichkeit für Umwelt oder Menschen nötig, bei zwölf Prozent fehlten sogar Daten für beide Bewertungsgruppen.15 Insofern konnte der damalige Zustand denn auch treffend als „ein in-vivo-Experiment zur Auswirkung von zehntausenden Chemikalien auf Mensch und Umwelt“ kritisiert werden.16 Diesem Missstand Abhilfe zu schaffen, diese Wissenslücken als ersten Schritt zu einem verbesserten Schutz für Umwelt und Menschen zu schließen, war der Hauptantrieb für den Erlass der neuen europäischen Verordnung über Chemika 8

Environmental Defense Fund (Fn. 7), S. 15. Richtlinie EWG Nr. 67/548 des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung chemischer Stoffe, ABl. EG Nr. L 196, S. 1, fortan: EG-Gefahrstoffe-HarmonisierungsRL. 10 Allanou/Hansen/van der Bilt, Public Availability of Data on EU High Production Volume Chemicals, S. 18. 11 Allanou/Hansen/van der Bilt (Fn.  10), S.  14; vgl. auch European Environment Agency (EEA), Europe’s environment: the third assessment, S. 144, insbesondere S. 268, wo darauf verwiesen wird, dass die Datenlage bei 84  Prozent der HPVC nicht für eine Basis-Risikobewertung, die von der OECD verlangt wird, ausreicht. 12 International Uniform Chemical Information Database; siehe www.iuclid.eu. 13 Zu diesem Begriff Rehbinder, in: Hansmann/Sellner (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl., 2012, 11. Stoffrecht Rn. 22 f. 14 Ingerowski (Fn. 3), S. 52. 15 Bodar/Berthault/Brujin u. a., Evaluation of EU risk assessments existing chemicals (EC Regulation 793/93), Chemosphere 53 (2003), 1039 ff. 16 Stark, Out of REACH, oekobiotikum 2004, 7 (7). 9

A. Einführung und Problemstellung

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lien, der REACH-VO, im Jahre 2006. Das neue Registrierungssystem – das „R“ im Akronym „REACH“ – sperrt den Markt für alle chemischen Stoffe mit Ausnahme derer, die nach den Vorschriften der Verordnung registriert wurden. Diese Registrierungspflicht stellt somit das zentrale Element im neuen Rechtsregime dar: Die Registrierungsdossiers sollen alle wesentlichen Informationen über die Chemikalien enthalten und damit in einem zweiten Schritt eine Risikobewertung möglich machen und die Chance bieten, gegebenenfalls rasch Risikomanagementmaßnahmen zu treffen.17 Während im alten Chemikalienrecht überspitzt der Satz „keine Daten, keine Probleme“18 galt, prangt nun über Art. 5 REACH-VO die Überschrift „ohne Daten kein Markt“. Insofern verwundert es nicht, dass ein weiteres Informationsblatt des VCI von „einer der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte“19 spricht. Andernorts verzeichnet man einen „Paradigmenwechsel“20. Beziehen sich aber diese Äußerungen auf die Herausforderungen, die sich für alle beteiligten Akteure aus den Anforderungen der REACH-VO an sich ergeben, bleibt dabei weithin außer Acht, dass die REACH-VO in gleicher Weise „eine der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte“ an das ihr zugrunde liegende Rechtssystem darstellt, gleichsam einen „Paradigmenwechsel“ für das Europäische Verwaltungsrecht bedeutet. So wird die Registrierung der chemischen Stoffe durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA), eine im Rahmen des Erlasses der REACH-VO neu geschaffene Agentur, im Wege des direkten Vollzugs durchgeführt. Die REACHVO hält aber für das der Registrierung zugrunde liegende Verwaltungsverfahren keine eigenen Regelungen vor – im Gegensatz zu anderen Rechtsakten in Rechtsgebieten, in denen EU-Einrichtungen Unionsrecht direkt vollziehen. Vielmehr nutzt sie als Grundlage allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsätze. Das Europäische Eigenverwaltungsrecht gleicht sich in dieser Konstellation dem deutschen Verwaltungsrechtssystem21 an: Eine Norm des besonderen Verwaltungsrechts 17 Kuhn, REACH  – das neue europäische Regulierungssystem für Chemikalien, 2010, S. 243. 18 „no data, no problems“, so formuliert von Au/Rühl, REACH-Verordnung, 2007, Erläuterungen zu Titel II Rn. 1. Ähnlich auch Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), REACH: Die neue Chemikalienpolitik in Europa, S. 24: „Keine Daten, keine Sorgen“. 19 VCI, REACH umsetzen. 2. Etappe, S. 1. 20 So etwa die Bezeichnung bei Führ, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 1: Einführung in die REACH-Mechanismen Rn. 4; Führ/Bizer, REACh as a paradigm shift in chemical policy – responsive regulation and behavioural models, Journal of Cleaner Production 2007, 327 (327 f.); von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Hrsg.), REACH + Stoffrecht, 17.  Ergänzungslieferung, 2014, Einführung zu Titel VI REACH-VO  – Bewertung Rn. 1; Nover, Der Paradigmen-Wechsel zur Selbstverantwortung der Industrie unter der REACH Verordnung  – Folgerungen für Entscheidungsfindungen in Experten-Communities, uwf 15 (2007), 255 (255); so auch von Holleben/Scheidmann, REACH  – Prüfung von Versuchsvorschlägen, StoffR 2009, 176 (176), die diesen Begriff als Abschnittsüberschrift zur Charakterisierung des neuen Chemikalienrechts wählen. 21 Die Unterscheidung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht findet sich in z. B. Deutschland, Österreich (dort wird nochmals zwischen allgemeinem Verwaltungsrecht

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Einleitung

muss grundsätzlich lediglich das materielle Recht enthalten und wird dann durch ein System allgemeiner, mithin Rechtsgebiete übergreifender Regelungen – zuvorderst im (L)VwVfG kodifiziert  – ergänzt.22 So lässt sich denn auch die Bedeutung des allgemeinen Verwaltungsrechts als Grundlage für das besondere Verwaltungsrecht mit dem Anton Bruckner zugeschriebenen Satz vergleichen: „Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.“ Im System des Europäischen Eigenverwaltungsrechts erfolgte eine Kodifikation dieser Regelungen in allgemeiner Form allerdings bislang nur spärlich. So existiert ein großer Teil der Rechtsinstitute in geschriebener Form lediglich in bereichsspezifischer Ausprägung, sodass zunächst deren allgemeiner Kern ermittelt werden muss. Bei einem weiteren Teil der Rechtsinstitute handelt es sich um vollständig ungeschriebene Rechtsgrundsätze. Eine zusammengefasste, für Verwaltungs- und Gerichtspraxis leicht zugängliche Kodifikation fehlt.23 Das bedeutet aber denk­ notwendig, dass, bevor jeweils ein solches Rechtsinstitut Anwendung finden kann, zunächst ein Bewusstsein für seine Existenz und allgemeine Ausgestaltung be­ stehen muss. Damit ist die Schwierigkeit für die ECHA – als die für die Registrierung verantwortliche europäische Behörde – wie für die Registranten skizziert: Die „Zersplitterung des gegenwärtigen Rechtszustandes“24 erschwert das Registrierungsverfahund Verwaltungsverfahrensrecht differenziert), Polen, Schweden und der Schweiz, jeweils Zacharias, in: von Bogdandy/Cassese/Huber (Hrsg.), Handbuch ius publicum Europaeum, Bd. IV: Verwaltungsrecht in Europa: Wissenschaft, 2011, § 72: Der Begriff des Verwaltungsrechts in Europa Rn. 110 m.w.N, sowie in Ungarn, Küpper, in: von Bogdandy/Cassese/Huber (Hrsg.), Handbuch ius publicum Europaeum, Bd. 3: Verwaltungsrecht in Europa: Grundlagen, 2010, § 51: Ungarn Rn. 34. In anderen Ländern wird z. B. nur das nach deutschem Verständnis „allgemeine Verwaltungsrecht“ als „Verwaltungsrecht“ bezeichnet, das „besondere Verwaltungsrecht“ bildet jeweils ein eigenes und eigenständiges Rechtsgebiet, von Bogdandy/Huber, in: von Bogdandy/Cassese/Huber (Hrsg.), Handbuch ius publicum Europaeum, Bd. 3: Verwaltungsrecht in Europa: Grundlagen, 2010, § 42: Deutschland Rn. 100. 22 Diese Unterscheidung geht zurück auf Lorenz von Stein, der darstellte, dass der Allgemeine Teil  des Verwaltungsrechts dies umfasse, „was in allen besonderen Gebieten der wirklichen Staatsarbeit das Gemeinsame und Gleiche sein“ müsse, während ein besonderer Teil dort normieren müsse, wo „jene elementaren Kategorien durch die Natur der besonderen Lebensverhältnisse zwischen dem Staate und dem Einzelnen diejenigen Modificationen empfangen, welche nicht mehr durch den Begriff der Verwaltung, sondern durch die Besonderheit des zu Verwaltenden ihre besondere Gestalt empfangen“, von Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, Bd. 1: Der Begriff der Verwaltung und das System der positiven Staatswissenschaften, 3. Aufl., 1887, S. 35. 23 Dies identifiziert auch Weidemann als Problem für den Vollzug der REACH-VO durch die ECHA, Weidemann, REACH: Grundfragen des Vollzugs, insbesondere durch die ECHA, sowie des Rechtsschutzes, StoffR 2007, 232 (232); ebenso Weidemann, Grundfragen des Vollzugs, insbesondere durch die Europäische Agentur für chemische Stoffe, sowie des Rechtsschutzes, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Hrsg.), Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 2008, S. 203 (204). 24 So die Charakterisierung des allgemeinen Verfahrensrechts der Eigenverwaltung durch von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 466.

A. Einführung und Problemstellung

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ren, da dort in Anwendung zu bringende allgemeine Rechtsgrundsätze zunächst gefunden und gegebenenfalls auf ihren allgemeinen Regelungsgehalt „geschält“ werden müssen, bevor sie, eventuell durch eine weitere Transformation, nutzbar gemacht werden können. Die REACH-VO zeichnet damit auch eine Herausforderung für das allgemeine Eigenverwaltungsrecht. Dieses muss gestrafft und geordnet werden, es müssen allgemeine Linien und Vorgaben aufgezeigt werden, kurz: Es muss „vollzugstauglich“ sein. So ergibt sich ein Referenzgebiet für den aktuellen Stand des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts:25 Es kann vor der Folie der REACH-VO zeigen, ob es in der Lage ist, die bei ihrem Vollzug auftretenden Probleme zu meistern und dogmatisch wie praktisch tragfähige Lösungen anzubieten. Dabei handelt es sich um keine rein theoretische Fragestellung: Bis zum Abschluss der ersten Registrierungsphase am 30.11.2010 wurden für 4300 Stoffe 25 616  Registrierungsdossiers eingereicht, 23 754 positive Registrierungsentschei­ dungen ergingen.26 In der zweiten Registrierungsphase erhielt die ECHA 9030 Registrierungsdossiers.27 Die Zahl der Registrierungsverfahren wird weiter ansteigen. Im Zeitraum von 2012 bis 2014 werden nach Erwartung der ECHA weitere 25 000 Registrierungsentscheidungen über neue oder aktualisierte Registrierungsdossiers zu treffen sein, für die letzte Registrierungsfrist, welche am 31.5.2018 endet, erwartet die ECHA 75 000 neue Registrierungsdossiers.28 Doch nicht allein aus der großen Zahl der Registrierungsverfahren ergibt sich die hohe Relevanz dieses Problems: Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer nicht oder nicht ordnungsgemäßen Registrierung sind immens. Im Hintergrund steht Art. 5 REACHVO, der das Herstellen oder Inverkehrbringen nicht registrierter Stoffe sperrt. Insofern haben die Registranten wie die ECHA ein großes Interesse daran, dass das Verwaltungsverfahren reibungslos und ohne rechtliche Probleme ab­laufen kann. Damit muss geklärt werden, inwieweit das allgemeine Eigenverwaltungsrecht eine sachgerechte Grundlage zum Vollzug der REACH-VO bildet, ob dessen Normdichte mittlerweile einen Stand erreicht hat, der es ermöglicht, auf Basis allgemeiner Regelungen  – die gegebenenfalls von besonderen Rechtssätzen modifiziert oder ergänzt werden  – einen sachgerechten Normvollzug auch im europäischen Eigenverwaltungsrecht sicherzustellen. Es stellt sich die Frage, ob das allgemeine Eigenverwaltungsrecht entsprechende Rechtsinstitute vorweisen kann. Um dies positiv bestätigen zu können, werden im Rahmen dieser Arbeit die Anforderungen, welche das allgemeine Eigenverwaltungsrecht an den Erlass einer 25

Vgl. auch Hansmann, Organisation und Zuständigkeiten beim Verwaltungsvollzug im europäischen Stoffrecht, 2007, S. 3; Weidemann (Fn. 23), 232 (232); ebenso Weidemann, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 23), S. 203 (204). Dieser stellt dabei auf den europäischen Verwaltungsverbund an sich ab. Der Europäische Verwaltungsverbund kann aber nur dann funktionieren, wenn der europäischen Verwaltung feste vollzugsrechtliche Grundlagen zur Verfügung stehen. 26 ECHA, Tätigkeitsbericht 2010, S. 12. 27 ECHA, Registration numbers granted to 9 030 REACH 2013 registrations. 28 ECHA, Mehrjähriges Arbeitsprogramm 2012–2014, S. 8.

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Einleitung

Registrierung nach der REACH-VO, aber auch an deren Aufhebung, stellt, herausgearbeitet. Dabei kann es nicht genügen, lediglich allgemein die entsprechenden Rechtssätze darzustellen, vielmehr müssen sie in Zusammenhang mit der REACHVO in concreto angewendet werden. Denn nur durch diese Probe lässt sich feststellen, ob das Eigenverwaltungsrecht nicht nur hinreichende, sondern auch sachgerechte Rechtsinstitute vorhält. Bildlich gesprochen stellt also die REACH-VO keine bequeme Brücke bereit, sondern es muss zunächst eine Furt gefunden werden, die dann auf Gangbarkeit zu überprüfen ist, bevor sie für den (Rechts-)Verkehr freigegeben werden kann. Dieser „Erkundung“ stellt sich die vorliegende Untersuchung: Zum einen werden die sich nicht unmittelbar aus dem Normtext der REACH-VO ergebenden Anforderungen herausgearbeitet, welchen die Registranten wie die ECHA im Rahmen des Registrierungsverfahrens unterliegen. Zum anderen steht damit das allgemeine Eigenverwaltungsrecht selbst auf dem Prüfstand, ob es eine Normendichte aufweist, die eine dem deutschen Vorbild folgende systematische Trennung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht ermöglicht, somit ob es ohne zusätzliche im besonderen Verwaltungsrecht kodifizierte Verfahrensregeln tragfähig ist.

B. Gang der Arbeit Einführend sollen zunächst die Defizite des Chemikalienrechts der Vergangenheit vorgestellt werden (Kapitel 1 A.)29, auf die mit dem Erlass der REACH-VO reagiert wurde (Kapitel 1 B.)30. Die Ziele (Kapitel 1 C.)31 sowie das Instrumentarium (Kapitel 1 D.)32 dieser Verordnung sowie auch die Rolle der ECHA als zentralem Akteur (Kapitel 1 E.)33 werden im Folgenden kurz dargestellt. Damit wird der Rahmen, in dem sich das Registrierungsverfahren bewegt, abgesteckt. Vor dem Hintergrund, dass im Zentrum dieser Arbeit das Registrierungsverfahren nach dem zweiten Titel der REACH-VO, insbesondere nach Art. 20 f. REACHVO steht, wird dieses im Hinblick auf Inhalt und Anforderungen (Kapitel 2 B.)34 und Durchführung (Kapitel  2 C.)35 im Folgenden genauer erörtert. Dabei findet auch eine Abgrenzung zum compliance check nach Art. 41 REACH-VO statt (Kapitel  2 D.)36. Schließlich wird die Registrierungsentscheidung in den Handlungsformkatalog des europäischen Rechts eingefügt (Kapitel 2 E.)37. 29

Siehe S. 30 ff. Siehe S. 34 ff. 31 Siehe S. 38 ff. 32 Siehe S. 42 ff. 33 Siehe S. 57 ff. 34 Siehe S. 70 ff. 35 Siehe S. 74 ff. 36 Siehe S. 91 ff. 37 Siehe S. 95 ff. 30

B. Gang der Arbeit

29

In einem nächsten Schritt werden die Rechtsquellen dargestellt, die (neben der REACH-VO) für den Vollzug des Registrierungsverfahrens relevant sind. Dabei wird die These bestätigt, dass die REACH-VO kaum allgemeine Regelungen für den Ablauf des Registrierungsverfahrens wie für die Form des Registrierungsbeschlusses vorhält (Kapitel 3 B.)38, Regelungen, die nach deutschem Verständnis im (L)VwVfG verankert sind. Damit stellt die REACH-VO insofern eine Besonderheit dar, weil die europäische Rechtsordnung in der Vergangenheit regelmäßig den geschaffenen Rechtsakten eigene Vollzugsregelungen zur Seite stellte. Diese fehlen der REACH-VO. Allerdings ist das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO – neben den Guidances (Kapitel 3 C.)39 und dem Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA (Kapitel  3 D.)40, welche beide ebenfalls Anwendung finden – eingebunden in ein Geflecht von Rechtsquellen, welche zusammengenommen das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU bilden (Kapitel 3 E.)41 und damit ergänzende Regelungen liefern. Ob dieses ungeschriebene allgemeine Eigenverwaltungsrecht den Vollzug des Registrierungsverfahrens sachgerecht bewältigen kann, wird im vierten Kapitel42 untersucht: In einem ersten Schritt soll – bevor das Bauwerk auf den Prüfstand gestellt wird  – das Fundament des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts betrachtet werden. Die Verwaltungsrechtsordnung des Eigenverwaltungsrechts an sich in Bezug auf Fragen der Rechtswidrigkeit, der rechtlichen Inexistenz und der Wirksamkeit von Registrierungsbeschlüssen wird zunächst untersucht (Kapitel 4 A.)43. Denn fehlt es bereits hier an einer tragfähigen Grundlage, baut der Turm des Eigenverwaltungsrechts auf Sand. Daneben werden verschiedene Themenkomplexe betrachtet, welche im Rahmen des Registrierungsverfahrens – aber auch im Bereich des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts  – von besonderer Bedeutung sind. Dabei handelt es sich um den Anspruch auf rechtliches Gehör (Kapitel 4 B.)44, das Recht auf Akteneinsicht (Kapitel 4 C.)45, die Begründungspflicht (Kapitel 4 D.)46, die Wahl der richtigen Sprache (Kapitel 4 E.)47 sowie die Problematik der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen (Kapitel  4 F.)48. Im Rahmen einer Zusammenfassung werden außerdem Möglichkeiten zur Behebung der festgestellten Defizite erörtert.49

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Siehe S. 115 ff. Siehe S. 117 ff. 40 Siehe S. 118 ff. 41 Siehe S. 125 ff. 42 Siehe S. 150 ff. 43 Siehe S. 150 ff. 44 Siehe S. 175 ff. 45 Siehe S. 195 ff. 46 Siehe S. 213 ff. 47 Siehe S. 229 ff. 48 Siehe S. 238 ff. 49 Siehe S. 356 ff. 39

Kapitel 1

Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt Die Registrierung bildet nur einen – wenn auch einen tragenden – Baustein im System der REACH-VO. Daher muss zunächst ein Überblick über diese ge­wonnen werden. Es werden zunächst die Defizite des vor der REACH-VO geltenden Chemikalienrechts (A.)50 skizziert, um so die Herausforderungen darzustellen, vor denen der Verordnungsgeber stand. Vor diesem Hintergrund wird ein Blick auf den Entstehungsprozess (B.)51 und auf die Ziele der REACH-VO (C.)52 geworfen. In einem nächsten Schritt wird kurz der Anwendungsbereich (D. I.)53 und werden die weiteren Instrumente der REACH-VO (D. II.)54 dargestellt. Es wird sich dabei zeigen, dass die neu geschaffene ECHA im Mittelpunkt des REACH-Systems steht. Deren Bedeutung, insbesondere beim Vollzug der Regelungen der Registrierung nach der REACH-VO im Wege des direkten Vollzugs, aber auch als Akteur im Europäischen Verwaltungsverbund, wird ebenfalls erörtert (E.)55.

A. Das (europäische) Chemikalienrecht vor Erlass der REACH-VO Das EG-Chemikalienrecht vor Erlass der REACH-VO bestand aus knapp 40 Regelwerken, die vorwiegend in Form von Richtlinien erlassen wurden.56 Der Spielraum für national abweichende Regelungen war vor dem Hintergrund sehr 50

Siehe S. 30 ff. Siehe S. 34 ff. 52 Siehe S. 38 ff. 53 Siehe S. 42 ff. 54 Siehe S. 45 ff. 55 Siehe S. 57 ff. 56 Ingerowski (Fn.  3), S.  66 f. Ausführlich Rengeling, Europäisches Stoffrecht, 2009, § 3. Einen historischen Überblick bieten ebenfalls Bolt, Europäische Chemikaliengesetzgebung, Bundesgesundheitsblatt 2008, 1381 ff.; Rehbinder, in: Hansmann/Sellner (Fn. 13), 11. Rn. 3 ff. Verordnungen fanden sich bei der Regulierung von Altstoffen, Verordnung (EWG) Nr. 793/1993 des Rates vom 23. März 1993 zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken chemischer Altstoffe, ABl. EG Nr. L 84, S. 1, fortan: Altstoffverordnung. Daneben in Bezug auf das FCKWAnwendungsverbot zum Schutz der Ozonschicht, Verordnung (EG) Nr. 2037/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, ABl. EG Nr. L 244, S. 1; aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 1005/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Stoffe, die zum Abbau 51

A. Das (europäische) Chemikalienrecht vor Erlass der REACH-VO

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detaillierter Regelungen gering.57 Große Bedeutung hatte die EG-GefahrstoffeHarmonisierungsRL mit Regelungen zur Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung chemischer Stoffe sowie einem Anmelde- und Prüfverfahren für Neustoffe, das Hersteller und Importeure verpflichtete, gefährliche Eigenschaften zu ermitteln und die Ergebnisse den zuständigen Behörden mitzuteilen. Flankiert wurde sie von der EG-Zubereitungsrichtlinie58, die Parallelvorschriften für Zubereitungen gefährlicher Stoffe enthielt. Die Altstoffverordnung normierte ein Verfahren zur Erarbeitung von Wissen über Altstoffe. Die Beschränkungsrichtlinie59 verankerte für Neu- und für Altstoffe Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung.60 Dabei lassen sich die Defizite des damaligen Chemikalienrechts in vier Problembereichen zusammenfassen,61 der getrennten Behandlung von Neu- und Altstoffen (A. I.)62, wobei sowohl das System der Altstoff- (A. II.)63 als auch das der Neustoffregulierung (A. III.)64 ineffektiv ausgestaltet waren, sowie des zu schwachen Beschränkungsregimes (A. IV.)65.

I. Die getrennte Behandlung von Neu- und Altstoffen Vor dem Hintergrund, dass für Neustoffe aufwendige Testverfahren gefordert wurden, während Altstoffe weiterhin ungetestet verwendet werden konnten, sahen chemische Unternehmen davon ab, neue Stoffe zu entwickeln.66 Stattdesder Ozonschicht führen, ABl. EG Nr. L 286, S. 1. Außerdem wurde ebenfalls die Verordnungsform gewählt bei der Regulierung der grenzüberschreitenden Verbringung von Stoffen, Verordnung (EG) Nr. 304/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Schadstoffe, ABl. EG Nr. L 63, S. 1. 57 Ingerowski (Fn. 3), S. 67; Mahlmann, Chemikalienrecht, 2000, S. 7. 58 Richtlinie (EG) Nr.  1999/45 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.  Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen, ABl. EG Nr. L 200, S. 1, fortan: EG-Zubereitungsrichtlinie. 59 Richtlinie (EWG) Nr. 76/769 des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen, ABl. EG Nr.  L  262, S. 201, fortan: Beschränkungsrichtlinie. 60 Einen Überblick über das Rechtsregime vor REACH bietet Köller, Die Reform des europäischen Chemikalienrechts REACH im Lichte des gemeinschaftsrechtlichen Vorsorgeprinzips, 2006, S. 65 ff.; Mahlmann (Fn. 57), S. 7 ff. 61 Für vertiefte Darstellungen in der deutschsprachigen Literatur z. B. Ingerowski (Fn.  3), S. 83 ff.; Kuhn (Fn. 17), S. 58 ff. 62 Siehe S. 31 f. 63 Siehe S. 32 f. 64 Siehe S. 33. 65 Siehe S. 33 f. 66 Bizer/Führ, Innovationen entlang der Wertschöpfungskette: Impulse aus der REACH-Verordnung, in: Eifert/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovationsfördernde Regulierung, 2009, S. 273

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

sen fanden Innovationen in diesem Bereich lediglich durch eine neue Kombination bzw. die Erforschung neuer Verwendungen für Altstoffe statt.67 Daher wurde die getrennte Behandlung von Neu- und Altstoffen als innovationshemmend kritisiert.68

II. Defizite im System der Altstoffregulierung Das damalige Chemikalienregime war nicht in der Lage, die Risiken, die von Altstoffen ausgingen, einzudämmen. Es fehlte an einer entsprechenden Anreizstruktur, damit die Unternehmen Daten über die von ihnen hergestellten oder in Verkehr gebrachten chemischen Stoffe erstellten und an die Behörden über­ mittelten.69 Die Beweispflicht für die stoffliche Gefährlichkeit als Voraussetzung für eingreifende Maßnahmen lag vielmehr auf Behördenseite. Dadurch wurden die Unternehmen davon abgehalten, sich normgetreu zu verhalten und Informationen weiterzugeben, da durch ihre Handlungen eine staatliche Risikoprüfung erst möglich wurde. Übermittelten sie aber keine Informationen, blieben sie einfach un­ tätig, fehlten den Behörden Handlungsmöglichkeiten und konnten die Altstoffe ohne Gefahr weiter vermarktet werden.70 Außerdem krankte es am Verfahren selbst.71 Von etwa 4000 als problematisch eingestuften Altstoffen wurde nur ein Bruchteil beurteilt. Lediglich für 140 Stoffe, die auf Prioritätslisten der EG verzeichnet waren, wurden grundlegende Daten von (277 ff.); Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 7; Schulte-Braucks, Das neue europäische Chemikalienrecht, in: Rengeling (Hrsg.), Umgestaltung des deutschen Chemikalienrechts durch europäische Chemikalienpolitik, 2003, S.  1 (2); Selin/Van Deveerm Stacy D., Raising Global Standards  – Hazardous Substances and E-Waste Management in the European Union, Environ­ment 2006, S. 6 (10); besonders pointiert Theuer, Neuere Entwicklungen im Chemikalienrecht, NVwZ 1995, 127 (132): „gravierend(e) Benachteiligung von Neustoffen gegenüber Altstoffen“. 67 Bizer/Führ, in: Eifert/Hoffmann-Riem (Fn. 66), S. 273 (277); Ingerowski (Fn. 3), S. 83; Nordbeck, Europäische Chemikalienregulierung – Hemmnis oder Anreiz für Innovationen zum nachhaltigen Wirtschaften?, in: Hansjürgens/Nordbeck (Hrsg.), Chemikalienregulierung und Innovationen zum nachhaltigen Wirtschaften, 2005, S. 123 (124, 136). 68 So etwa Ingerowski (Fn. 3), S. 83; kritisch zu dieser Schlussfolgerung allerdings Nordbeck, in: Hansjürgens/Nordbeck (Fn. 67), S. 123 (136): Dieser charakterisiert die Forschungsverlagerung nicht nur als regulierungsbedingt, sondern sieht auch den Anreiz der leichteren Verfügbarkeit und geringeren Kostenstruktur der Altstoffe. 69 Calliess, Einordnung des Weißbuches zur Chemikalienpolitik in die bisherige europäische Chemie- und Umweltpolitik, in: Hendler/Marburger/Reinhardt u. a. (Hrsg.), Das Europäische Weißbuch zur Chemikalienpolitik, 2003, S. 11 (39). 70 Calliess, in: Hendler/Marburger/Reinhardt u. a. (Fn. 69), S. 11 (40); Ingerowski (Fn. 3), S. 83; Lahl/Tickner, Defizite im amerikanischen und europäischen Chemikalienrecht, StoffR 2004, 156 (163). 71 Ingerowski (Fn. 3), S. 84; Köck, Zur Diskussion um die Reform des Chemikalienrechts in Europa – Das Weissbuch der EG-Kommission zur zukünftigen Chemikalienpolitik, ZUR 2001, 303 (304).

A. Das (europäische) Chemikalienrecht vor Erlass der REACH-VO

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den betroffenen Unternehmen eingefordert, nur 30 Fälle wurden zu einem endgültigen Abschluss gebracht.72 Das Datensammlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsverfahren war derart schwerfällig, dass bei gleichbleibendem Prüftempo die letzte Risikobewertung nach der Altstoffverordnung erst in mehreren 100 Jahren erfolgt wäre.73

III. Mangelnde Datenqualität bei der Neustoffanmeldung „Bedenkliche Kontrolldefizite“74 lagen in Bezug auf das Anmelderegime für Neustoffe vor: Dieses war so ausgestaltet, dass die Hersteller die Stoffinformationen in Eigenverantwortung beibringen mussten. Die Prüfung der Unterlagen bei den Anmeldebehörden bestand im Wesentlichen aus einer Plausibilitätskontrolle. Eine inhaltliche Kontrolle fand hingegen nicht statt.75 Die eingereichten Daten waren daher vielfach von ungenügender Qualität.76 Damit konnte das Ziel der Neustoffanmeldung – eine seriöse Risikoabschätzung77 – nicht im vollen Umfang gewährleistet werden.78

IV. Wenig effektives Beschränkungsregime Das Beschränkungsregime wurde als schwach empfunden.79 In der Praxis wurde nur dann eine Beschränkungsentscheidung ausgesprochen, wenn eine konkrete Gefahr oder zumindest ein hohes Risiko vorlag – dessen Nachweis jeweils

72

Bundesumweltministerium (BMU), Neues EU-Chemikalienrecht  – Die politische Entscheidungsfindung in Deutschland, S. 2; Lahl/Tickner (Fn. 70), 156 (163); Raupach, Der sachliche Anwendungsbereich der REACH-Verordnung, 2011, S. 30. 73 Köck (Fn. 71), 303 (304); Köller (Fn. 60), S. 121 ff.; Lißner, Analyse staatlicher Anreizsysteme zur Substitution von gefährlichen Industriechemikalien am Beispiel von Deutschland, den Niederlanden und Schweden, S. 5. Zur Stoffbewertung der Altstoffe im damaligen Rechtsregime auch ausführlich Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), Die Registrierung von Chemikalien unter dem REACH-Regime, Rn. 22 ff. sowie zu dessen Defiziten Rn. 29 ff. 74 So Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), Umweltgutachten 2004, 2004, Rn. 976. 75 Ginzky, Vermarktungs- oder Verwendungsbeschränkungen von Chemikalien – Verfahren, materielle Anforderungen und Reformüberlegungen, ZUR 2000, 129 (130); Ingerowski (Fn. 3), S. 85. 76 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Fn. 74), Rn. 976, wo auf ein entsprechendes Fachgespräch im Umweltbundesamt verwiesen wird. 77 Zu diesem Begriff etwa Rehbinder, in: Hansmann/Sellner (Fn. 13), 11. Rn. 22 f. 78 Ingerowski (Fn.  3), S.  84 f. A. A. Nordbeck, in: Hansjürgens/Nordbeck (Fn.  67), S.  123 (126 m. w. N.), der von einem „relativ guten Ruf“ der Neustoffanmeldung spricht. 79 Nach Köck der „zweifellos … ungeschliffenste Baustein im System der Chemikalienkontrolle“, Köck (Fn. 71), 303 (304); so auch Köck, Risikobewertung und Risikomanagement im deutschen und europäischen Chemikalienrecht  – Problemanalyse und Reformperspektiven, ZAU Sonderheft 10/1999, 76 (84).

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

die staatlichen Stellen erbringen mussten. Diese konnten aber mangels ausreichender Datengrundlage nur in offensichtlichen Fällen handeln.80 Weiterhin fehlten für die Verbots- und Beschränkungsentscheidung klare Maßstäbe und Bestimmungen zu den Rechtsfolgen.81 Das Entscheidungsverfahren war durch die auseinanderdriftende Zuständigkeit zwischen der Generaldirektion Umwelt, welche die Kompetenz für die Risikobewertung innehatte, und der Generaldirektion Binnenmarkt, die für Beschränkungsmaßnahmen zuständig war, zusätzlich schwerfällig ausgestaltet.82 Die Beschränkungsmaßnahme selbst musste über den Weg der Rechtssetzung, mithin unter Beteiligung aller EG-Organe, getroffen werden; zeitliche Verzögerungen waren die Folge.83

B. Die Entstehung der REACH-VO als Reaktion auf die festgestellten Defizite Vor dem Hintergrund der dortigen Defizitanalyse kamen die Umweltminister auf ihren informellen Ratstagungen in Chester 1998 und Weimar 1999 zum Ergebnis, dass eine Reform des europäischen Chemikalienrechts geboten sei: Der Rat der EG-Umweltminister forderte in seiner Entschließung vom 25.6.1999 die Europäische Kommission auf, bis Ende 2000 einen Vorschlag für eine europäische­ Chemikalienpolitik vorzulegen.84 So schuf die Kommission das Weißbuch „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“, das sie am 27.2.2001 vorstellte.85

80

Calliess, in: Hendler/Marburger/Reinhardt u. a. (Fn. 69), S. 11 (41); Ginzky (Fn. 75), 129 (134); Ingerowski (Fn. 3), S. 85. 81 Ingerowski (Fn. 3), S. 86; Köck (Fn. 79), 76 (84). 82 Ingerowski (Fn. 3), S. 86; Köck (Fn. 71), 303 (304). 83 Ingerowski (Fn. 3), S. 86, spricht außerdem im Hinblick auf die Einbeziehung auch von wirtschaftspolitischen Erwägungen von einem regelrechten „Tauziehen“. So auch Nordbeck/ Faust, Chemikalienregulierung und Innovationen – REACH im Lichte theoretischer Ansätze und empirischer Wirkungsanalysen, in: Hansjürgens/Nordbeck (Hrsg.), Chemikalienregulierung und Innovationen zum nachhaltigen Wirtschaften, 2005, S. 169 (190). 84 Europäische Kommission, Chemikalienpolitik der Europäischen Gemeinschaft – Schlussfolgerungen des Rates vom 24.  Juni 1999 (Kurzzusammenfassung), Bulletin der EG, 1999, S. 79; vgl. Kuhn (Fn. 17), S. 67. 85 Europäische Kommission, Weißbuch: „Strategie für eine zukünftige Chemikalien­politik“, KOM (2001) 88 endg, 2001, fortan: Weißbuch. Dieses wird im Folgenden im Überblick vorgestellt. Ausführlichere Darstellungen finden sich etwa bei Calliess, in: Hendler/Marburger/Reinhardt u. a. (Fn. 69), S. 11 (47 ff.); Ingerowski (Fn. 3), S. 87; die gesamte Genese der REACH-VO bereits mit der Schaffung des Weißbuches stellen Hey/Volkery, REACH als Beispiel für hybride Formen von Steuerung und Governance, in: Schuppert/Zürn (Hrsg.), Gov­ ernance in einer sich wandelnden Welt, 2008, S. 430 (439), im Lichte von kooperativen Gov­ ernanceformen dar.

B. Entstehung der REACH-VO als Reaktion auf die festgestellten Defizite

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I. Das Weißbuch der Europäischen Kommission Mit dem Weißbuch als Herzstück des neuen Chemikalienrechts soll das sogenannte REACH-System, benannt nach seinen regulativen Hauptelementen, der Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien, geschaffen werden. Bei der Konzeption dieses neuen Verfahrens lässt sich die Europäische Kommission von dem Gedanken leiten, den Schutz der menschlichen Gesundheit und der natürlichen Umwelt vor chemischen Risiken und die Wahrung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in Einklang zu bringen. Weitere wesentliche Anliegen des Weißbuches bilden die Verhinderung der Aufsplitterung des Binnenmarktes, die erhöhte Transparenz durch Verbraucherinformationen, die Förderung von Prüfmethoden, die ohne Tierversuche auskommen, aber auch die Verpflichtungen zum freien Warenverkehr.86 Insofern soll das im Weißbuch vorgestellte System auf Neu- wie auf Altstoffe angewendet werden und damit diese bisherige Trennung überwinden. Weiterhin soll das Vorsorgegebot Platz in der Systematik des Anmelde- und Bewertungssystems finden, und Regulierungsentscheidungen sollen durch das vergleichsweise flexiblere und weniger langwierige Komitologieverfahren getroffen werden.87 Das Registrierungsverfahren soll nach der Konzeption des Weißbuches in Anknüpfung an das Anmeldeverfahren der EG-Gefahrstoffe-HarmonisierungsRL weiterhin von einem Mengenschwellenkonzept ausgehen. Allerdings soll nicht mehr lediglich die Stoffmenge die Prüftiefe bestimmen, sondern es soll ein allgemein flexibleres Prüfregime geschaffen werden, bei dem auch die abgeschätzte Exposition eine wesentliche Rolle spielt. Die Verantwortlichkeit wechselt von Behörden- auf die Hersteller- bzw. Importeurseite über; diese müssen nun nicht nur die Stoffeigenschaften prüfen, sondern selbst eine Risikobewertung für den Stoff und seine Verwendungen einreichen.88 Staatliche Stellen sollen lediglich Stoffe mit einer Jahresmenge von 100 t oder besonders bedenkliche Stoffe genauer beurteilen müssen und damit Kapazitäten für eigene Risikobewertungen und ggf. Risikomaßnahmen zur Verfügung haben.89 Die nachgeschalteten industriellen und gewerblichen Stoffnutzer – die „downstream user“ – sollen Teil des Systems werden, damit auch diese ihr Wissen zum Zwecke der Chemikalienregulierung nutzbar machen können.90 Flankiert werden soll das Registrierungssystem durch ein Zulassungsverfahren für diejenigen Stoffe, die in einem besonderen Maße Risiken aufweisen. Solche Stoffe sollten nach der Konzeption des Weißbuches nur dann verwendungs­ 86

Europäische Kommission (Fn. 85), S. 7 f. Europäische Kommission (Fn. 85), S. 22, 26 f. Zur grundsätzlichen Einbettung des Vorsorgeprinzips in die REACH-VO Raupach (Fn. 72), S. 53 ff. Zum Vorsorgeprinzip als Leitmotiv des europäischen Chemikalienrechts Funke, Grundprobleme der Zulassung besonders gefährlicher Stoffe in der REACH-Verordnung, 2008, S. 105 ff.; Köller (Fn. 60), S. 21 ff. 88 Europäische Kommission (Fn. 85), S. 14. 89 Europäische Kommission (Fn. 85), S. 21 f. 90 Europäische Kommission (Fn. 85), S. 22. 87

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

bezogen zugelassen werden, wenn diese „ein zu vernachlässigendes Risiko“ in sich tragen.91 Eine zentrale Stelle auf Unionsebene soll die einzelnen Verfahren koordinieren, vereinheitlichen und technische wie wissenschaftliche Unterstützung leisten.92 Die eigentliche Verantwortung für chemische Stoffe soll aber von einem hoheitlichen Prüfungsregime in die Hände der beteiligten Akteure gelegt werden.93

II. Das Normgebungsverfahren Die Reaktionen auf das Weißbuch waren vielfältig, und es begann eine breite öffentliche Debatte. Zwar stand der grundlegende Wunsch einer Reformierung des Chemikalienrechts angesichts der zutage tretenden Defizite nicht zur Diskussion, allerdings waren Details der neuen Regelungen, insbesondere die Kostenbelastung für die chemische Industrie,94 jeweils aus dem Blickwinkel der Wissenschaft, der Umweltverbände und der Industrie stark umstritten.95 Zielrichtung wie grundlegende Elemente des Weißbuches blieben auch im Gesetzgebungsverfahren unangetastet, im Detail fanden jedoch zahlreiche Änderungen statt. Der erste Regulierungsentwurf der Europäischen Kommission wurde am 16.5.2003 im Rahmen einer Internetkonsultation der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – es folgten rund 6300 Kommentare. Am 29.10.2003 veröffentlichte die Euro­päische Kommission den offiziellen Verordnungsentwurf, der im Wesentlichen auf das im 91

Europäische Kommission (Fn. 85), S. 20. Europäische Kommission (Fn. 85), S. 27 f. 93 Becker/Tiedemann, Chemikalienrecht, 2011, Rn. 86; Führ, Registrierung und Bewertung von Stoffen: Risiko-Management entlang der Wertschöpfungskette, in: Hendler/Marburger/ Reiff u. a. (Hrsg.), Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 2008, S. 87 (89, 90 f.). 94 Ingerowski (Fn.  3), S.  88; Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Fn.  74), Rn.  985 ff. Aus Sicht der Industrie etwa Romanowski, Die neue EU-Chemikalienpolitik  – Bewertung der Vorschläge der EU-Kommission aus Sicht der chemischen Industrie, in: Rengeling (Hrsg.), Umgestaltung des deutschen Chemikalienrechts durch europäische Chemikalienpolitik, 2003, S. 23 ff.; zur Diskussion unter Nennung der dort jeweils veröffentlichten Studien zu den Kosten und den Folgen der REACH-VO für die chemische Industrie Heiß, Rückblick auf die Diskussion zu den Kosten von REACH aus Sicht einer Umweltbehörde, in: Hensel/ Bizer/Führ u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung in der Anwendung, 2010, S. 197 (198 f.). Einen Überblick über die Studien der Kommission und der Industrie bietet auch Schulze-Rickmann, Das Recht auf Zugang zu Informationen und auf ihre Verwertung nach der europäischen REACH-Verordnung, 2010, S. 44 ff. Nach Nationaler Normenkontrollrat/Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit/Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin u. a., Schwachstellenanalyse der Registrierungspflichten durch die europäische Chemikalienverordnung REACH, 2012, S. 8, ergab eine Umfrage, dass die tatsächlichen Kosten bei den befragten Unternehmen bei 62 Prozent bis zu 100 000 Euro betragen. Damit scheinen sie zwar im oberen Bereich, allerdings noch im Rahmen der Prognosen zu liegen, S. 20. Die BASF, BASF, BASF schließt zweite REACH-Phase erfolgreich ab, etwa rechnet nach eigenen Angaben mit Kosten zwischen 500 und 550 Millionen Euro zur Umsetzung ihrer Pflichten aus der REACH-VO. 95 Zu den aufeinanderprallenden Aussagen der Gegner und Befürworter einer neuen euro­ päischen Chemikalienpolitik Au/Rühl (Fn. 18), Teil A: Allgemeine Einführung Rn. 3 f. 92

B. Entstehung der REACH-VO als Reaktion auf die festgestellten Defizite

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Weißbuch vorgestellte Konzept zurückgriff.96 Die erste Lesung im Europäischen Parlament fand am 17.11.2005 statt, dabei musste über mehr als 1000 Änderungsanträge abgestimmt werden.97 In einer Sondersitzung des Wettbewerbsfähigkeitsrats wurde dann unter Berücksichtigung der wesentlichen Änderungswünsche des Europäischen Parlaments eine politische Einigung der Mitgliedstaaten auf Basis eines Kompromissentwurfs der Ratspräsidentschaft des Vereinigten Königreichs erreicht.98 Am 27.6.2006 verabschiedete der Rat seinen gemeinsamen Standpunkt,99 die dazugehörige Stellungnahme der Europäischen Kommission100 wurde am 12.7.2006 angenommen. Weitere Differenzen101 konnten unter der finnischen 96 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und der Verordnung (EG) {über persistente organische Schadstoffe}, KOM (2003) 644 endg., 2003; detailliert zu diesem Verordnungsvorschlag Calliess/ Lais, REACH revisted  – Der Verordnungsvorschlag zur Reform des Chemikalienrechts als Beispiel einer neuen europäischen Vorsorgestrategie, NuR 2005, 290 (292 f.); von Holleben/ Scheidmann, Das europäische Chemikalienrecht im Umbruch, StoffR 2004, 16 ff.; Rengeling, Europäisches Chemikalien- und Stoffrecht – Entwicklungen zur Umgestaltung des deutschen Rechts, DVBl. 2005, 395 (395 ff.); zur Kritik, die während der Internetkonsultation auftrat: Schulte-Braucks, Die REACH-Verordnung der Europäischen Kommission, EurUP 2004, 62 (65); eine Bewertung aus Sicht des VCI liefert Romanowski, Das REACH-System muss kosten­ effizienter und praktikabler werden, EurUP 2004, 72 ff. 97 Knopp/Grandjot, REACH  – Aktuelle Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren, in: Knopp/Boc/Nowacki (Hrsg.), Aktuelle Entwicklung europäischer Chemikalienpolitik (REACH) und ihre Auswirkungen auf deutsches und polnisches Umweltrecht, 2006, S.  1 (2 ff.); Kuhn (Fn. 17), S. 71. 98 Rat der Europäischen Union, Außerordentliche Tagung des Rates Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt, Industrie und Forschung), Brüssel, den 13. Dezember 2005, Pressemit­teilung Nr. 15168/05 vom 13.12.2005. Zu Inhalt des Beschlusses sowie zu dessen Bewertung in der Öffentlichkeit Knopp/Grandjot, in: Knopp/Boc/Nowacki (Fn.  97), S.  1 (5 f.). Siehe zu den wesentlichen Inhalten auch Lahl, Gemeinsamer Standpunkt im EU-Ministerrat – REACH auf der Zielgeraden, StoffR 2004, 32 ff. 99 Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt zur Annahme der REACH-VO, Dokumente Nr. 7524/06 sowie Nr. 7525/06 vom 12.6.2006. 100 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG-Vertrag betreffend den vom Rat angenommenen gemeinsamen Standpunkt im Hinblick auf den Erlaß einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates im Hinblick auf ihre Anpassung an die Verordnung (EG) Nr. …/2006 (REACH) {SEK (2006) 924}, KOM (2006) 375 endg, 2006. 101 Gestritten wurde zu diesem Zeitpunkt noch über die Forderung des Europäischen Parlaments, die Mengenschwelle von 1  t/a als Einstiegsmenge aufzuheben und sämtliche Chemikalien unabhängig von ihrem Produktionsvolumen der Registrierungspflicht zu unterwerfen. Zu den strittigen Positionen auch Blainey, REACH  –  a Reality and the Future, Journal for European Environmental & Planning Law 2007, 149 (150 ff.); Jacob/Volkery, Europäische Rechtsetzung: Die Auseinandersetzungen zur Europäischen Chemikalienpolitik REACH und die Rolle nationaler Regierungen und Akteure im Policy-Prozess, Technikfolgenabschätzung –

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

Ratspräsidentschaft mit inoffiziellen „Trilog-Verhandlungen“102 zwischen Rat, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission ausgeräumt werden. Am 13.12.2006 wurde der neue Kompromissvorschlag103 formal angenommen, am 18.12.2006 verabschiedete der Umweltministerrat die REACH-VO. Sie trat am 1.6.2007 – gestützt auf Art. 95 EGV104 – in Kraft.

C. Die Ziele der REACH-VO Die REACH-VO steht unter dem übergeordneten Ziel der „Förderung einer nachhaltigen Entwicklung“105. Dazu soll sie zum einen ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sicherstellen (C. I.)106. Zum anderen soll aber auch der freie Verkehr von Stoffen im Binnenmarkt gewährleistet (C. III.)107 und die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie verbessert werden (C. II.)108. Insbesondere sollen Innovationen in der chemischen Industrie gefördert werden, um so Wettbewerbsvorteile für die chemische Industrie in Europa zu generieren.109 Diese Grundsätze in einem Normkonzept zu verwirklichen gleicht einer „Quadratur des Kreises“.110 Generell muss – bei der Entstehung der REACH-VO wie Theorie und Praxis 2005, 69 (71 ff.); Lahl/Haxxwell, REACH – The New European Chemicals Law, Environmental Science and Technology 2006, 7115 (7116); zum Ergebnis auch Lahl, REACH – Bewertung der politischen Einigung, StoffR 2006, 238 ff. 102 So die Benennung von Ingerowski (Fn. 3), S. 90. 103 Siehe Ingerowski (Fn. 3), S. 90. Zur Bewertung Lahl (Fn. 101), 238 ff. Vgl. auch der Vorsitzende des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments, der die Trilog-Verhandlung leitete, Florenz, REACh nach der zweiten Lesung, UWSF 2007, 4 (4 f.). 104 Zur Frage nach der Rechtsgrundlage für die REACH-VO, insbesondere zur Abgrenzung von Art. 95 EGV zu Art. 175 Abs. 1 EGV i. V. m. Art. 174 EGV Fischer/Fetzer, Zulässigkeit einer europäischen Chemikalienagentur mit Entscheidungsbefugnissen, EurUP 2003, 50 (56); Kuhn (Fn.  17), S.  96; Rehbinder, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  1 REACH-VO Rn. 10; Schulte-Braucks, in: Rengeling (Fn. 66), S. 1 (4 f.), welche Art. 95 EGV für einschlägig halten. Köck hingegen sieht Art. 175 EGV auf dem Posten, da der Schwerpunkt im Bereich des Umweltschutzes liegt, Köck, Das System „Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals“ (REACH) – Rechtliche Bewertung am Maßstab des Gemeinschaftsrechts, in: Rengeling (Hrsg.), Umgestaltung des deutschen Chemikalienrechts durch europäische Chemikalienpolitik, 2003, S. 37 (52 ff.); ebenso Köller (Fn. 60), S. 135 ff. Vgl. auch die Nachweise im Hinblick auf die Kompetenz zur Gründung der ECHA in Fn. 217. 105 Erwägungsgrund (3) S. 1 der REACH-VO. 106 Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund (3) S. 1 der REACH-VO. Siehe S. 39 f. 107 Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund (1) S. 1 der REACH-VO. Siehe S. 41. 108 Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund (1) S. 1 der REACH-VO. Siehe S. 40. 109 Europäische Kommission (Fn. 85), S. 9. Vgl. auch Wallström, Vortrag: „Beyond REACH“. 110 Kuhn (Fn. 17), S. 76. Zur Schwierigkeit, das richtige Gleichgewicht zwischen Regulierung und hohem Schutzniveau zu finden, Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV, AEUV, 4. Aufl., 2011, Art. 114 AEUV Rn. 35; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 52. Ergänzungslieferung, Januar 2014, Art. 114 AEUV Rn. 132 ff. Vgl. auch Adamek/Otto, Der gekaufte Staat, 2. Aufl., 2008, S. 161 ff., welche in der Genese der REACHVO ein „Tauziehen“ zwischen Umweltschutz und Interessen der Chemielobby sehen.

C. Die Ziele der REACH-VO

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beim Vollzug der Normen und deren Auslegung – ständig eine Abwägung statt­ finden, inwiefern die Ziele der REACH-VO realisiert werden können.111 Daher wird die Umsetzung der Ziele im Normkonzept kurz erläutert.112

I. Hohes Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt Vor dem Hintergrund der Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für Gesundheit und Umwelt113 wurde das bisherige System der Trennung von Neu- und Altstoffen zugunsten einer generellen Registrierungspflicht aufgegeben. Die rund 30 000 in Gebrauch befindlichen Chemikalien müssen tonnageabhängig im Verlauf von elf Jahren seit dem 1.6.2007 registriert werden. So sollen die bestehenden Informationslücken über die Gefährlichkeit von Stoffen geschlossen werden, damit geeignete Risikomanagementmaßnahmen festgesetzt werden können. Die Hersteller, Importeure und nachgeschalteten Anwender stellen die Stoffinformationen bereit und ermitteln mögliche Risikomanagementmaßnahmen.114 Das neue Regulierungskonzept lässt sich somit maßgeblich als eine Implementierung von Eigenverantwortung charakterisieren.115 Schließlich soll darauf hingewirkt 111 Diese geben als Bestandteil des Rechtsaktes Aufschluss über die mit diesem verfolgten Ziele und Zwecke. Sie rücken somit bei der teleologischen Auslegung der REACH-VO in den Mittelpunkt. Dazu etwa Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 19; Rehbinder, in: Fluck/Fischer/ von Hahn (Fn. 20), Art. 1 REACH-VO Rn. 4; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2. Aufl., 2010, § 11: Die Auslegung Rn. 33 ff.; Wegener, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 19 EUV Rn. 15. 112 Ausführlich z. B. bei Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 15 ff. m. w. N.; Kuhn (Fn. 17), S. 72 ff.; Rehbinder, Die REACH-Verordnung – Entstehungsgeschichte, Zielsetzung, Anwendungsbereich, Hauptinhalte, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Hrsg.), Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 2008, S.  35 (40 ff.); Rehbinder, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 1 REACH-VO Rn. 3 ff. 113 In der REACH-VO findet es sich in Art. 1 Abs. 1 sowie in Erwägungsgrund (3) S. 1 der REACH-VO. Zu diesem Ziel und seiner Verankerung im Normkonzept auch Kuhn (Fn. 17), S. 73 f. 114 Dies beruht zum einen auf dem Verursacherprinzip: Derjenige, der chemische Stoffe nutzt, muss auch mit dessen Risiken vertraut sein. Zum anderen determiniert dies aber auch die Einführung eines selbstregulativen Elements: Dem Registranten soll deutlich werden, welche Folgen, welche Belastungen für Mensch und Umwelt die Herstellung oder der Import, bzw. primär die Verwendung des chemischen Stoffes, bedeuten. 115 Führ, Analyse der Anreize und Hemmnisse am Beispiel der europäischen ChemikalienRegulierung REACH, in: Hensel/Bizer/Führ u. a. (Hrsg.), Gesetzesfolgenabschätzung in der Anwendung, 2010, S. 177 (178); Raupach (Fn. 72), S. 61 f.; Rehbinder, in: Hansmann/Sellner (Fn.  13), 11.  Rn.  19 f.; Salzborn, Das umweltrechtliche Kooperationsprinzip auf unionaler Ebene, 2011, S.  183; dies bedeutet als zentrales Element ein Zusammenspiel aller REACH-Akteure, insbesondere für die Übermittlung von Stoffinformationen, Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 50. Dies als Prinzip der „geteilten Verantwortung“ bezeichnend Bunke/ Reuter/Ebinger u. a., Die Umsetzung des EU Weißbuches zur Chemikalienpolitik, UWSF 2003, 208 (208). Sie konstatieren, dass eine Risikobeurteilung über die gesamte Produktkette für die Registranten durchaus realisierbar ist.

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

werden, dass hochgefährliche Stoffe durch weniger gefährliche Alternativen ersetzt werden, wenn diese zur Verfügung stehen.116 Es sollen daher alle Antragsteller, die ein Zulassungsverfahren für einen besonders besorgniserregenden Stoff durchführen müssen, eine Alternativenprüfung vornehmen, insbesondere mit Blick auf die Substituierbarkeit des Stoffes.117 Im Ergebnis soll so ein verantwortungsbewusster Umgang mit chemischen Stoffen in Bezug auf ihre Herstellung, Einfuhr, Verwendung oder das Inverkehrbringen erreicht werden.118 Diese Informationsgewinnung verlangt aber nach einer Fülle neuer Untersuchungen. Insofern nennt Art.  1 Abs.  1 REACH-VO auch als Ziel die Förderung alternativer Beurteilungsmethoden. Der Sache nach sollen Tierversuche auf ein Minimum beschränkt und wenn möglich Alternativverfahren genutzt werden. Dem dienen etwa die Regelungen des Art.  13 Abs.  1, Abs.  2 S.  1 und des Anhangs XI REACH-VO. In dieselbe Richtung gehen auch die Regelungen zur Nutzung von Versuchsdaten durch mehrere Registranten, etwa Art. 11, 27, 30, 53 REACH-VO, damit unbedingt notwendige Tierversuche nicht mehrfach durchgeführt werden müssen.

II. Wahrung und Verbesserung der Wettbewerbsund Innovationsfähigkeit der chemischen Industrie Als zweite Zweckbestimmung formuliert die REACH-VO die Wahrung und Verbesserung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der chemischen Industrie.119 Zuvorderst wurde die innovationshemmende Trennung von Neu- und Altstoffen aufgegeben, diese unterliegen nun unterschiedslos der Registrierungspflicht des Titels II der REACH-VO. Einen Anreiz an die chemische Industrie, Neuerforschungen in Angriff zu nehmen, soll auch Art.  9 REACH-VO liefern, nach dem Stoffe der Forschung und Entwicklung Privilegien in Bezug auf die Registrierung genießen. Im Vorfeld der Einführung der REACH-VO wurden von Seiten der chemischen Industrie massive Bedenken dahin gehend geäußert, dass die neu auferlegten Prüfpflichten sie übermäßig belasten und es zu Wettbewerbsnachteilen kommt.120 Vor diesem Hintergrund sollten die Kosten zur Informationsgewinnung möglichst gering gehalten werden, etwa durch Maßnahmen zur Erhöhung der Prüf-Schwel 116

Erwägungsgrund (12) der REACH-VO. Erwägungsgrund (74) sowie Art. 55 REACH-VO. 118 Erwägungsgründe (16) und (17) der REACH-VO. Zur Entstehung dieser Ziele innerhalb des Normsetzungsverfahrens Rehbinder, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 1 REACH-VO Rn. 2. 119 Zu diesem Ziel und seiner Verankerung ausführlich auch Kuhn (Fn. 17), S. 74 f. Eine Analyse der Innovationswirkung der REACH-VO unternehmen Hansjürgens/Nordbeck, REACH und Innovationen, uwf 2007, 205 ff. 120 Dazu auch die Nachweise in Fn. 94. 117

C. Die Ziele der REACH-VO

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lenwerte und flexiblere Prüfdaten.121 Dem dienen ebenfalls die Vorkehrungen zur gemeinsamen Nutzung von Daten durch die Registranten in Titel III der REACHVO. Auch in die sozioökonomische Analyse122 bei einem Zulassungsantrag nach Art. 62 Abs. 5 lit. a) REACH-VO oder bei einer Beschränkung nach Art. 69 Abs. 6 lit. b) REACH-VO können die wirtschaftlichen Folgen einer Erteilung oder Verweigerung einer Zulassung bzw. einer Beschränkung einfließen.

III. Sicherstellung des freien Verkehrs von chemischen Stoffen im Binnenmarkt Schließlich soll der freie Verkehr von chemischen Stoffen im Binnenmarkt der EU sichergestellt werden.123 Damit bringt die EU ihre kompetentielle Legitimation zum Erlass der REACH-VO zum Ausdruck. Denn dieser ungehinderte Warenfluss ist nur dann möglich, wenn die Rechtslage in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweicht. Vor diesem Hintergrund ist das REACHRegime in Form einer Verordnung erlassen worden, um so den Bereich der Chemikalienregulierung im gesamten Unionsraum zu vereinheitlichen.124 Registrierte Stoffe können  – unter dem Vorbehalt des Art.  128 Abs.  2 REACH-VO  – nach Art. 128 Abs. 1 REACH-VO im Binnenmarkt frei verkehren. ECHA und Europäische Kommission sollen als zentrale Einrichtungen der Wissenssammlung und der Gewährleistung eines einheitlichen Vollzugs auf Unionsebene dienen.

121 Dennoch kritisch mit der Prognose, dass 5 bis 10 Prozent der chemischen Stoffe in Europa vom Markt verschwinden werden, Lahl (Fn.  101), 238 (240). Zu diesem Prozess mit einer Bewertung aus Sicht des VCI Lulei/Fink/Hanschmidt, Bewertung der REACH-Verordnung, StoffR 2007, 21 (22). Die BASF etwa rechnet nach eigenen Angaben mit Kosten zwischen 500 und 550 Millionen Euro zur Umsetzung ihrer Pflichten aus der REACH-VO, BASF (Fn. 94). Nach Nationaler Normenkontrollrat/Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Re­ aktorsicherheit/Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin u. a. (Fn. 94), S. 25, ergab eine Umfrage, dass lediglich 37 Prozent der Unternehmen die Preise ihrer Produkte angehoben haben, um so die Zusatzkosten von REACH einpreisen zu können. 122 Vgl. hierzu ECHA, Leitlinien zur Erstellung sozioökonomischer Analysen für Zulassungsanträge. 123 Zu diesem Ziel ausführlich Kuhn (Fn. 17), S. 75. 124 Kuhn (Fn. 17), S. 75; Lulei/Fink/Hanschmidt (Fn. 121), 21 (23). Dabei sollte aber auch (so Führ, in: Führ [Fn. 20], Kapitel 1 Rn. 9) vermieden werden, dass eine neue Chemikalienrichtlinie wegen Nichtumsetzung folgenlos bleibt: 2002 wurden 44 neue Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung von Richtlinien im Bereich der chemischen Stoffe eingeleitet, Europäische Kommission, 20. Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts, KOM/2003/0669 endg., S. 13; eher kritisch von Holleben/Scheidmann (Fn. 96), 16 (17) die als Kehrseite die Ablösung nationaler Regelwerke konstatieren. Winter (Winter, Rechtliche Probleme der Umsetzung einer neuen Chemikalienpolitik, in: Hendler/Marburger/ Reinhardt u. a. [Hrsg.], Das Europäische Weißbuch zur Chemikalienpolitik, 2003, S. 77 [77 f.]), hingegen hält die Verordnungsform für vorzugswürdig.

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

D. Die REACH-VO im Überblick In einem nächsten Schritt werden zunächst Anwendungsbereich (D. I.)125 und Instrumente der REACH-VO (D. II.)126 im Überblick dargestellt. Die REACH-VO ist nach Titeln und Kapiteln systematisiert. Dabei stellt Titel I den allgemeinen Teil  dar, der „vor die Klammer gezogen“ für alle nachfolgenden Titel wichtige Bestimmungen enthält. Die Titel III (Gemeinsame Nutzung von Daten und Vermeidung unnötiger Versuche)  und IV (Informationen in der Lieferkette)  sowie V REACH-VO (Nachgeschaltete Anwender) beschreiben besondere Situationen und Pflichten im System von REACH. Die eigentlichen Regulierungsinstrumente, die Registrierung, die Evaluierung, die Zulassung und die Beschränkung, sind in den Titeln II, VI, VII und VIII REACH-VO enthalten.

I. Anwendungsbereich der REACH-VO Die Regelungen für den Anwendungsbereich der REACH-VO lassen sich in mehrere „Anwendungskreise“ unterteilen. Der äußere Kreis bestimmt die generelle Anwendbarkeit der REACH-VO. Dahinter existieren mehrere „innere Kreise“, die innerhalb der Verordnung die Anwendbarkeit der spezifischen Instrumente normieren.127 125

Siehe S. 42 ff. Siehe S. 45 ff. 127 So das Bild bei Fischer, Verbraucherschutz im Chemikalienrecht, 2005, S.  32; Ingerowski (Fn. 3), S. 97 f.; Mestel/Montfort, REACH – Der Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlag, StoffR 2004, 124 (125). Kritisch zu dieser Regelungstechnik Ingerowski (Fn.  3), S. 119 f.; Knopp, REACH contra „Bessere Rechtsetzung“ und Harmonisierung, UPR 2005, 415 (417); Kuhn (Fn. 17), S. 93; Mestel/Montfort, REACH – Der Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlag, StoffR 2004, 124 (128): Der Ansatz, zunächst einen möglichst breiten Anwendungsbereich zu finden, kann zwar überzeugen, umgekehrt bedeutet dies aber auch eine Normierung zahlreicher Ausnahmen und Rückausnahmen. Diese finden sich noch nicht einmal an einer Stelle im Rahmen der REACH-VO, sondern sind breit gestreut an den unterschiedlichsten Stellen in der Verordnung normiert und dabei außerdem kompliziert formuliert. Kuhn etwa kapituliert vor dem Hintergrund der verstreuten Einzelbestimmungen vor einer systematischen Einordnung, welcher Akteur welchen genauen Pflichten unterworfen ist, Kuhn (Fn. 17), S. 93. Für die chemische Praxis – dabei wird es sich in den seltensten Fällen um einen geschulten Juristen handeln  – entstehen auf diese Weise zahlreiche Unklarheiten und die Möglichkeit für viele Missverständnisse, insbesondere in Bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich der REACH-VO, wenn bestimmten Gruppen überhaupt nicht bekannt ist, dass sie von der REACH-VO betroffen sind. Siehe das Beispiel bei Kuhn (Fn. 17), S. 95: So muss ein nachgeschalteter Anwender, je nachdem, ob er für seine Produktion chemische Stoffe aus dem Inland oder dem nichteuropäischen Ausland bezieht, entweder der Rolle des „nachgeschalteten Anwenders“ oder des „Importeurs“ genügen und vereint damit unterschiedlich weit gehende Pflichten auf sich. Dieses Problem im Rahmen der REACH-VO konstatiert auch der Bund/ Länderausschuss für Chemikaliensicherheit (BLAC), Neue Europäische Chemikalienpolitik, Bericht der 33. Umweltminister-Amtschefkonferenz (ACK), S. 11. Auch von Holleben/Scheidmann (Fn. 96), 16 (18), stellen, bezogen auf den Verordnungsentwurf, dar, dass es sich bei den 126

D. Die REACH-VO im Überblick

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1. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich der REACH-VO Generell gilt die REACH-VO zunächst nur für chemische Stoffe128 sowie für aus mehreren Stoffen bestehende Gemische – eine Definition dieser erfolgt in Art. 3 Nr. 1 bzw. Art. 3 Nr. 2 REACH-VO129 – in Bezug auf deren Herstellung, Produktion oder Extraktion gemäß Art.  3 Nr.  8 REACH-VO, für das Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Nr. 12 REACH-VO, und für jede Form der Verwendung gemäß Art. 3 Nr. 24 REACH-VO.130 In allgemeiner Hinsicht wird ansonsten in Art. 2 Abs. 1 bis 3 REACH-VO deren Anwendungsbereich in negativer Hinsicht im Hinblick auf Stoffe definiert, die unabhängig in welcher Menge sie hergestellt, verarbeitet bzw. importiert werden, von der REACH-VO nicht erfasst sind: Ausgenommen sind etwa radioaktive Stoffe gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. a) REACHVO und gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. b) REACH-VO Stoffe, die der zollamtlichen Überwachung unterliegen und nicht behandelt oder verarbeitet werden; Letztere werden nach Art. 3 Nr. 24 REACH-VO nicht „verwendet“131 und sind außerdem nicht für den Import in die Union vorgesehen.132 Ausgenommen sind des Weiteren nach Art.  2 Abs.  1 lit.  c)  REACH-VO nicht isolierte Zwischenprodukte. Dabei handelt es sich um Stoffe, die für die chemische Weiterverarbeitung hergestellt und dabei verbraucht oder verwendet werden, um in einen anderen Stoff umgewandelt zu werden gemäß Art. 3 Nr. 15 REACH-VO133, und dabei nicht aus dem Reaktionsgemisch isoliert werden.134 Isolierte Zwischenprodukte unterliegen hingegen Regelungen für den Anwendungsbereich um die „kompliziertesten Regelungen“ handelt. So auch Funke (Fn. 87), S. 37: „kompliziert und unübersichtlich“. 128 Denn lediglich dieser ist unmittelbares Regulierungsobjekt der REACH-VO. Gemischen und Erzeugnissen kommt nur insofern eine Bedeutung zu, als dass dort der Stoff enthalten ist, Merenyi, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 3: Stoff, Gemisch, Erzeugnis – Die Grundbegriffe des allgemeinen Chemikalienrechts Rn. 3 mit ausführlicher Definition und Abgrenzung ab Rn. 5 ff.; Raupach (Fn. 72), S. 69 ff.; Raupach, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 3 Nr. 1 REACH-VO Rn. 8 ff. 129 Zu den Schwierigkeiten der Definition des Gemischs Raupach (Fn. 72), S. 81 ff. m. w. N. 130 Kuhn (Fn. 17), S. 81. 131 Erwägungsgrund (10) der REACH-VO. 132 Dennoch sind sie zunächst in die Union eingeführt  – Freizone und Freilager gehören rechtlich zum Zollgebiet nach Art. 155 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft, ABl. EU Nr. L 145, S. 1, fortan: Modernisierter Zollkodex. Insofern muss eine Ausnahme im Rahmen der REACH-VO normiert sein. 133 Zur Definition von Zwischenprodukten näher Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  3 Nr.  15 REACH-VO Rn.  7 ff.; Merenyi, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 5: Zwischenprodukte Rn. 16 ff. Zur Problematik im Hinblick auf die Auslegung des Art.  3 Nr.  15 REACH-VO, Fischer, Vortrag: Auslegung von REACH durch die ECHA – Definition von Zwischenprodukten und Umfang der Expositionsbeurteilung, in:­ Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2011 – REACH und CLP, Tagungsunterlagen, 2011, S. 77 ff. Vgl. auch ECHA, Leitfaden zu Zwischenprodukten, zur Registrierung von Zwischenprodukten. 134 Zum Hintergrund dieser Ausnahme Ingerowski (Fn. 3), S. 99.

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

nach Art. 3 Nr. 15 lit. a) REACH-VO bzw. Art. 3 Nr. 15 lit. b) REACH-VO in Verbindung mit Art. 17 bis 19 REACH-VO der Registrierungspflicht, allerdings mit geringeren Informationsanforderungen.135 Nicht erfasst sind nach Art. 2 Abs. 2 REACH-VO auch Abfälle. Gemäß Art. 3 Nr. 1 Abfallrichtlinie136 sind dies Stoffe und Gegenstände, derer sich der Besitzer ent­ ledigt, entledigen will oder entledigen muss.137 Nach Art. 2 Abs. 3 REACH-VO können die Mitgliedstaaten in besonderen Fällen auch dann Ausnahmen zulassen, wenn dies für Zwecke der Landesverteidigung erforderlich ist gemäß Art. 346 AEUV.138 Weitere Ausnahmen für spezifische Abschnitte oder einzelne Instrumente im Rahmen der REACH-VO finden sich in Art. 2 Abs. 5 bis 9 REACH-VO, daneben etwa normiert Art. 9 REACH-VO eine Sonderregel für Stoffe im Bereich der Forschung und Entwicklung.139 Rechtstechnisch ähnlich sind die Regelungen zum zeitlichen Anwendungsbereich der REACH-VO ausgestaltet. Auch hier existiert zunächst eine allgemeine Norm, die durch spezifische Regelungen ergänzt wird: Nach Art.  141 Abs.  1 REACH-VO tritt die gesamte Verordnung am 1.6.2007 in Kraft. Art. 141 Abs. 2 bis 4 REACH-VO normieren Sonderregelungen für einzelne Titel und Instrumente der REACH-VO mit späterer Geltung. Die Vorschriften über die Registrierung etwa finden ab dem 1.12.2008 Anwendung. Daneben finden sich Übergangsfristen auch im Rahmen der einzelnen Instrumente. So sind z. B. in Art. 9 Abs. 1 REACHVO Übergangsfristen für die Registrierungsregelung im Rahmen der Forschung und Entwicklung normiert. Eine Sonderbehandlung im Rahmen der Registrierung genießen außerdem Phase-in-Stoffe.140

135

Näher dazu auch Kuhn (Fn. 17), S. 104 f. Richtlinie (EG) Nr. 2008/98 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, ABl. EU Nr. L 312, S. 3, fortan: Abfallrichtlinie. 137 Siehe zu dieser Ausnahme näher Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 2 Abs. 1 REACH-VO Rn. 1 ff.; Ingerowski (Fn. 3), S. 100; Kuhn (Fn. 17), S. 83 f.; Raupach (Fn. 72), S.  100 ff. Vor diesem Hintergrund stellt sich als Problem die Anwendbarkeit der REACHVO auf Abwässer und Emmissionen, die vom Charakter her Abfällen ähneln, dar. Der Abfallbegriff umfasst nämlich lediglich Feststoffe und eine explizite Ausnahme dieser Stoffe von der REACH-VO fehlt. Zu diesem Problemkreis EuGH, Urteil vom 7.3.2013 – C-358/11 – BeckRS 2013, 80482, noch nicht in amtl. Sammlung; in der Literatur Fluck, REACH und Abfall, AbfallR 2007, 14 ff.; Fluck, REACH, Emissionen und Abwasser, StoffR 2008, 28 ff. 138 Siehe Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 2 Abs. 3 REACH-VO Rn. 2 ff.; näher zur besonderen Problematik der Anwendung der REACH-VO im Bereich der militärischen Nutzung Ingerowski (Fn. 3), S. 100 ff.; Raupach (Fn. 72), S. 144 ff. 139 Zu weiteren Ausnahmen anderer Titel vgl. Kuhn (Fn. 17), S. 86 ff. Dabei detailliert und kritisch zu den weiteren Ausnahmen von der Registrierungspflicht, etwa bei Bioziden, Becker/ Tiedemann (Fn. 93), Rn. 99 ff.; Ingerowski (Fn. 3), S. 120; Kuhn (Fn. 17), S. 94 f.; sowie insbesondere Raupach (Fn. 72), S. 149 ff. 140 Zum Begriff der Phase-in-Stoffe und zu deren Sonderstellung im Rahmen der Registrierung siehe S. 70 ff. und S. 84 f. 136

D. Die REACH-VO im Überblick

45

2. Von der REACH-VO betroffener Personenkreis Aus dem sachlichen Anwendungsbereich ergibt sich auch der grundsätzliche141 Adressatenkreis der REACH-VO.142 Sie gilt nach Art. 1 Abs. 2 S. 2 REACH-VO für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung chemischer Stoffe als solche, in Gemischen und Erzeugnissen sowie für das Inverkehrbringen von Gemischen. Dabei ist der Begriff des Herstellers in Art. 3 Nr. 9 REACH-VO definiert. Die Normadressaten für die Handlung des Inverkehrbringens ergeben sich aus der Definition des Art. 3 Nr. 12 REACH-VO. Der Begriff der Verwendung wiederum ist in Art. 3 Nr. 24 REACH-VO definiert. Dieser umfasst einen umfangreichen Katalog von Tätigkeiten.143 Es handelt sich somit um einen sehr weiten Begriff, der wiederum auch die oben genannten Hersteller, Importeure und andere Händler einschließt. Gleichzeitig wird damit eine neue Adressatengruppe erschlossen, die nachgeschalteten Anwender, die „downstream user“. Diese sind in Art. 3 Nr. 15 REACH-VO legaldefiniert. Im Wesentlichen sind damit Formulierer144 oder gewerbliche Betriebe, in denen chemische Stoffe zum Einsatz kommen, erfasst.

II. Überblick über die wesentlichen Instrumente der REACH-VO In einem nächsten Schritt werden im Überblick die wesentlichen Instrumente der REACH-VO kurz dargestellt; dadurch wird ein Eindruck von diesem System und der Rolle der ECHA darin gewonnen werden, um das Registrierungsverfahren entsprechend in den Kontext der REACH-VO einordnen zu können. Den Hauptgedanken dieses neuen Rechtsregimes für Chemikalien bildet die Einführung einer einheitlichen Regelung für Neu- und Altstoffe; die bisherige Differenzierung wurde zumindest im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen an Stoffinfor 141

Neben diesen allgemeinen Regeln existieren im Rahmen der einzelnen Titel und Instrumente der REACH-VO weitere spezielle Zuständigkeitsbestimmungen. 142 Zu diesem auch Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 78 ff.; Kuhn (Fn. 17), S. 81 ff. 143 Vor diesem Hintergrund der Aufzählung der Tätigkeiten in Art.  3 Nr.  24 REACH-VO ergibt sich, dass die reine Beförderung chemischer Stoffe nicht unter REACH fällt, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. d) REACH-VO. So auch Ingerowski (Fn. 3), S. 99. Dies wird jedoch nur dann möglich sein, wenn der Begriff des „Lagerns“ lediglich stationäre Lager meint. Dies mag im Rahmen der „Just-in-Time“-Produktion insofern kritisch sein, als dass dabei das Lager praktisch „auf die Straße“ verlegt wird. Allerdings greift in diesen Fällen gegebenenfalls das Gefahrguttransportrecht, Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  2 Abs.  1 REACH-VO Rn. 23 ff. 144 Bei den so genannten „Formulierern“ handelt es sich um Unternehmen, die Gemische aus einzelnen Stoffen bzw. anderen Gemischen herstellen. Ein Formulierer kann damit zugleich in bestimmten Situationen auch Hersteller oder Importeur sein, dies ist im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen, Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 81 Fn. 87; zu deren besonderer Rolle im Rahmen des Risikomanagements Führ, in: Hensel/Bizer/Führ u. a. (Fn. 94), S. 177 (180, 186).

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

mationen145 aufgegeben. Ausgestaltet wird dieses System durch vier Verfahrensstufen, die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung. Nicht jeder Stoff muss alle Verfahrensstufen durchlaufen, dies ist abhängig von der geplanten Vermarktungsmenge, der vermuteten oder tatsächlichen Gefährlichkeit, Verwendungszwecken und der Exposition gegenüber Menschen und Umwelt.146 Damit lässt sich der Mechanismus der REACH-VO dergestalt beschreiben, dass zunächst Informationen über chemische Stoffe gewonnen werden müssen. In dieser Verfahrensstufe normiert die ECHA das Erfordernis von Prüfungen, Untersuchungen und die Vorlage von Nachweisen durch die Stoffverantwortlichen. Die Verantwortung für die Stofferfassung und Informationsgewinnung geht damit von den Behörden auf die Industrie über. Sie hat nach Art. 1 Abs. 3 REACH-VO die Verantwortung, dass ihre Stoffe die menschliche Gesundheit und Umwelt nicht nachteilig beeinträchtigen. Dies führt auch zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast – mussten früher die Behörden die Gefahren eines chemischen Stoffes und damit die Notwendigkeit für Risikomaßnahmen nachweisen, wird nun grundsätzlich jeder Stoff als (potenziell) gefährlich eingestuft.147 Die Stoffverantwortung wird dabei auf die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich der nachgeschalteten Anwender148 verteilt.149 Auf Basis dieser Informationen werden dann in einem zweiten Schritt Risikomanagementmaßnahmen für den betroffenen Stoff festgelegt.150 Die wesentlichen Instrumente der REACH-VO, die Registrierungspflicht (D.  II.  1.)151 sowie die folgenden Pflichten in der Lieferkette (D.  II.  2.)152, das Bewertungs- (D. II. 3.)153 und das Zulassungsverfahren (D. II. 4.)154, das Beschränkungsregime (D. II. 5.)155, aber auch die Mechanismen zur Informationsverteilung (D. II. 6.)156 werden im Folgenden vorgestellt.

145

Unterschiede im Verfahren hingegen existieren an verschiedenen Stellen, etwa für die Übergangsfristen oder im Hinblick auf die gemeinsame Nutzung von Daten, siehe dazu S. 82 ff. 146 Kuhn (Fn. 17), S. 97. 147 von Holleben/Schmidt, Beweislastumkehr im Chemikalienrecht  – Das Leitmotiv der Reformdiskussion auf dem Prüfstand, NVwZ 2002, 532 (534); Kuhn (Fn. 17), S. 97. 148 Zu deren Pflichten auch Art.  37 und 38 REACH-VO; Becker/Tiedemann (Fn.  93), Rn. 156 ff.; Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 37 REACH-VO Rn. 6 ff.; Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 38 REACH-VO Rn. 5 ff. 149 Kuhn (Fn. 17), S. 97. 150 Bizer/Führ, in: Eifert/Hoffmann-Riem (Fn. 66), S. 273 (280); Kuhn (Fn. 17), S. 97. 151 Siehe S. 47. 152 Siehe S. 47 ff. 153 Siehe S. 49 ff. 154 Siehe S. 51 ff. 155 Siehe S. 54 f. 156 Siehe S. 54 ff.

D. Die REACH-VO im Überblick

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1. Die Registrierungspflicht Die REACH-VO normiert zur Gewinnung von Stoffinformationen ein zentrales Registrierungssystem, dem grundsätzlich unterschiedslos alle unterliegen, die Neu- und Altstoffe in Mengen von mehr als 1 t/a herstellen oder in Verkehr bringen. Diese Stoffe müssen, damit sich die Sperre des Art. 5 REACH-VO öffnet, nach den Vorschriften des II. Titels der REACH-VO bei der ECHA registriert werden.157 2. Weitere Pflichten in der Lieferkette nach der Registrierung Die REACH-VO soll ein umfangreiches Risikomanagement im gesamten Produktzyklus von Chemikalien etablieren.158 Daher enden die Pflichten, die von der REACH-VO ausgehen, nicht mit der Registrierung der chemischen Stoffe durch den Registranten.159 Zwar bilden die Informationen der Registrierungsdossiers die Grundlage der Gewinnung von Stoffinformationen, allerdings wird die gesamte Absatzkette mit eingebunden.160 Dabei steht das Sicherheitsdatenblatt im Zentrum,161 ein formalisierter Informationsträger, mit dem innerhalb der Lieferkette über die wesentlichen Eigenschaften des chemischen Stoffes und ggf. zu treffende Risikomanagementmaßnahmen162 informiert wird.163

157 Das Registrierungsverfahren als Zentrum der Arbeit wird ausführlich in Kapitel  2 ab S. 67 ff. dargestellt. 158 Erwägungsgrund (70) der REACH-VO; dazu etwa Kuhn (Fn. 17), S. 122, S. 125 ff. Bunke/ Reuter/Ebinger u. a. (Fn.  115), 208 ff., stellen dar, dass dies den chemischen Unternehmen durchaus möglich ist. 159 Zu den vorgelagerten Pflichten Becker/Tiedemann (Fn. 93), Rn. 120 ff. 160 Dazu etwa Föller, Vortrag: Kommunikations- und Informationspflichten in der Lieferkette, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2010 – REACH aktuell, Tagungsunterlagen, 2010, S. 119 ff. 161 Kuhn (Fn. 17), S. 123 m. w. N., S. 125 ff. 162 Der Begriff des Risikomanagements wie der Risikomanagementmaßnahme wird in Art. 3 REACH-VO nicht normiert, findet sich jedoch in Punkt 5.1.1. des Anhang I REACH-VO. Näher zu Definition und Inhalt Albrecht, Risikomanagement nach REACH, StoffR 2008, 64 (65 ff.). 163 Ein solches Sicherheitsdatenblatt muss jeder zur Verfügung stellen, der einen Stoff oder ein Gemisch vermarktet, wenn die Gefährlichkeitskriterien des Art.  31 Abs.  1 REACH-VO erfüllt sind oder der Abnehmer in den Fällen des Art. 31 Abs. 3 lit. a) bis c) REACH-VO ein solches verlangt – eine Mengenschwelle, ab der diese Vorschrift gilt, ist im Gegensatz zur Registrierung nicht gegeben. Ist kein Sicherheitsdatenblatt erforderlich, müssen jedenfalls schriftlich oder elektronisch, so Art. 32 Abs. 2 REACH-VO, Informationen im durch Art. 32 Abs. 1 REACH-VO normierten Umfang auf andere Weise zur Verfügung gestellt werden, siehe Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 32 REACH-VO Rn. 11 ff.; von Holleben/Scheidmann (Fn.  96), 16 (21); Kuhn (Fn.  17), S.  123 m. w. N. Zur Erstellung des Sicherheitsdatenblatts siehe Anhang II REACH-VO sowie ECHA, Leitlinien zur Erstellung von Sicherheitsdaten-

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

Doch nicht nur von oben nach unten – „downstream“ – sollen Informationen in der Lieferkette weitergegeben werden. Auch in entgegengesetzter Richtung – „upstream“ – soll jeder Handelnde seinem unmittelbar vorgeschalteten Akteur neu erlangte Informationen über chemische Stoffe weitergeben, dies normieren Art. 34 lit a) und b) REACH-VO.164 Diese neuen Regelungen ermöglichen es der ECHA und den nationalen Behörden, einen Überblick über den gesamten Produktzyklus eines chemischen Stoffes selbst und über die Expositionsszenarien und Verwendungen zu erhalten. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass Informationen über chemische Stoffe und deren korrekten Umgang entlang der Lieferkette kommuniziert und so deren Gefahren für Mensch und Umwelt begrenzt werden können.

blättern. Zum Inhalt auch Au/Rühl (Fn. 18), Erläuterungen zu Titel IV Rn. 6 ff.; Becker/Tiedemann (Fn. 93), Rn. 145 ff.; Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 31 ­REACH-VO Rn. 78 ff.; Merkl, Vortrag: Das neue Sicherheitsdatenblatt, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2011 – REACH und CLP, Tagungsunterlagen, 2011, S. 87 ff., auch im Hinblick auf Änderungen, die als Reaktion auf die CLP-Verordnung enthalten sein müssen; sehr ausführlich Bunke/Rühl, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel  20: Das Sicherheitsdatenblatt. Diese Pflicht gilt im Übrigen nicht nur für Registranten, sondern grundsätzlich auch für nachgeschaltete Anwender. Auch diese sind Handlungsträger der Pflicht des Art. 31 REACH-VO, müssen also auch ggf. ein Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung stellen, jedenfalls prüfen, ob ihre spezifischen Verwendungen von den Expositionsszenarien des Sicherheitsdatenblatts des Vorlieferanten abgedeckt sind gemäß Art. 37 Abs. 1, 5, Art. 38 REACHVO. Dazu näher Fluck, REACH: Stoffinformationen in der Lieferkette, StoffR 2007, 62 (67 f.); Kuhn (Fn.  17), S.  129 ff.; ausführlich zu den Anforderungen an die Sicherheitsdatenblätter Becker/Tiedemann (Fn. 93), Rn. 147 ff.; Fluck (Fn. 163), 62 (62 ff.). Diesen Vorgaben scheinen die Sicherheitsdatenblätter in der Praxis oft nicht gerecht zu werden: Mayer-Figge, Qualität von Sicherheitsdatenblättern – Anspruch und Wirklichkeit, StoffR 2013, 52 ff., führt eine Analyse von 111 Sicherheitsdatenblättern durch, die „hohe Mängelquoten“ aufweisen. Bei einer Prüfung der Sicherheitsdatenblätter in Baden-Württemberg 2011 wiesen über 80 Prozent erhebliche Mängel auf, Gall, Vortrag: Enforcement – REACH aus Sicht der Behörden, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2013 – REACH, Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis, Tagungsunterlagen, 2013, S. 27 (34). 164 Dazu auch Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  34 REACH-VO Rn.  5 ff. Damit treten aber auch Fragen der Vertraulichkeit in den Blick. Eine uneingeschränkte Pflicht, etwa bei einem Gemisch die Registrierungsnummern aller enthaltenen Stoffe anzugeben, würde einer Preisgabe der Rezeptur gleichkommen. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung des Art. 31 Abs. 2 REACH-VO zu lesen. Ausführlich dazu von Hahn, Vertrauliche Informationen unter REACH – Hinreichender Schutz von Herstellern, Importeuren und nachgeschalteten Anwendern?, in: Knopp/Boc/Nowacki (Hrsg.), Aktuelle Entwicklung europäischer Chemikalienpolitik (REACH) und ihre Auswirkungen auf deutsches und polnisches Umweltrecht, 2006, S. 66 (70 f.).

D. Die REACH-VO im Überblick

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3. Die Bewertung Die Risikobewertung für chemische Stoffe ist in Titel VI der REACH-VO normiert. Dabei findet eine Bewertung in zweierlei Hinsicht statt – es ist sowohl eine Dossierbewertung gemäß Art. 40 bis 43 REACH-VO [D. II 3. a)]165, als auch eine Stoffbewertung nach Art. 44 bis 49 REACH-VO [D. II. 3. b)]166 vorgesehen.167 Das Bewertungssystem der REACH-VO sieht im Gegensatz zum Vorgängerregime eine Neuverteilung der Verantwortung vor. Die Verantwortung für die Risikobewertung liegt nun grundsätzlich auf Seiten der Industrie:168 Diese muss, dies verlangen Art. 10, 12 REACH-VO, in ihrem Registrierungsdossier im Rahmen des Stoffsicherheitsberichts eine vorläufige Risikobewertung vornehmen. Dazu gehört auch, dass der Registrant, wenn er zum Ergebnis kommt, dass der Stoff gefährliche Eigenschaften aufweist bzw. als gefährlich gilt, nach Art.  14 Abs. 4 REACH-VO eine Expositionsbeurteilung und eine Risikobeurteilung bei­ legen sowie Risikominderungsmaßnahmen empfehlen muss.169 Die ECHA und die nationalen Behörden werden damit von dieser – im Fall der nationalen Behörden: ihrer bisherigen – Aufgabe entlastet und können auf Grundlage der Daten des Registrierungsdossiers eine Priorisierung der Stoffe im Hinblick auf die Einleitung von (weiteren170) Risikomanagementmaßnahmen treffen.171 a) Die inhaltliche Bewertung der Registrierungsdossiers Damit haben die Daten und Angaben in den Registrierungsdossiers, ihre Vollständigkeit und ihre Richtigkeit, hohe Wichtigkeit. Sie genießen besondere Bedeutung, da auf ihnen alle weiteren Maßnahmen aufbauen. Auf der anderen Seite kann 165

Siehe S. 49 f. Siehe S. 51. 167 Daneben existiert außerdem eine Möglichkeit zur Bewertung von standortinternen isolierten Zwischenprodukten nach Art.  49 REACH-VO. In besonderen Ausnahmefällen kann hier die zuständige nationale Behörde, nicht die ECHA, Handlungen nach Art. 49 lit. a) und b) REACH-VO einleiten. Grundsätzlich aber unterliegen sie weder der Dossier- noch der Stoffbewertung. Man geht davon aus, dass diese lediglich unter internen Bedingungen verwendet und dabei entsprechend kontrolliert werden. Transportierte isolierte Zwischenprodukte hingegen unterliegen der Dossier- und Stoffbewertung, da diese nicht standortintern verwendet werden und somit besondere Risiken entstehen können. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Art. 49 S. 1 REACH-VO, der ausdrücklich „standortintern“ attributiert und damit „nicht standortinterne“ Zwischenprodukte ausnimmt, dazu Kuhn (Fn. 17), S. 161. 168 Kuhn (Fn. 17), S. 155. 169 Fischer, The Scope of the Exposure Assessment within the Chemical Safety Assessment under REACH, StoffR 2010, 162 ff. 170 Die EU-Kommission schätzt, dass dies in ca. 80 Prozent der Fälle nicht mehr erforderlich sein wird, Europäische Kommission (Fn. 85), S. 21. 171 Kuhn (Fn. 17), S. 155; dazu auch Calliess/Lais (Fn. 96), 290 (292 f.; 296); Kern, Chemikalienrecht im Aufbruch, ZUR 2005, 68 (71); Köller (Fn. 60), S. 150. 166

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

es leicht zu inhaltlichen Fehlern in den Registrierungsdossiers kommen, sei es, weil die Anforderungen der REACH-VO kompliziert und insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen nicht leicht zu erfüllen sind, oder weil es auf Seiten der Unternehmen an einer Motivation fehlt, qualitativ ausreichende Angaben zu tätigen.172 Im Rahmen der Eingangskontrolle des Registrierungsdossiers nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 REACH-VO wird aber lediglich automatisiert173 die Vollständigkeit des Registrierungsdossiers geprüft – die Qualität der getätigten Angaben gehört ausdrücklich, so Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 REACH-VO, nicht zum Prüfungsprogramm. Geraten aber unvollständige oder unrichtige Daten in den Bestand der ECHA, kann dies zu Fehleinschätzungen im Rahmen der Risikomanagementmaßnahmen führen und damit den Erfolg des REACH-Systems, den Schutz des Menschen und der Umwelt vor den Gefahren chemischer Stoffe, nachhaltig infrage stellen. Vor diesem Hintergrund kann die ECHA174 nach Art. 40 bis 43 REACH-VO eine Dossierbewertung175 durchführen. Dabei werden sowohl Versuchsvorschläge gemäß Art. 40 REACH-VO getestet176 als auch das Registrierungsdossier daraufhin überprüft, ob die dort enthaltenen Daten den inhaltlichen Anforderungen der REACHVO entsprechen – der so genannte compliance check nach Art. 41 REACH-VO. Die ECHA prüft, ob die Registrierungsdossiers den Anforderungen der Art.  10, 12 REACH-VO sowie den Anhängen III und VI bis X REACH-VO genügen, ob eventuelle Abweichungen von den Standardanforderungen den Anhängen VII bis XI REACH-VO sowie der Stoffsicherheitsbericht und die Stoffsicherheitsbeurteilung den Anforderungen des Anhangs I REACH-VO entsprechen und ob die vorgeschlagenen Risikomanagementmaßnahmen angemessen sind. In Fällen der gemeinsamen Datenteilung wird geprüft, ob eventuelle Opt-out-Erklärungen auf nachvollziehbaren Gründen beruhen. Geprüft werden mindestens fünf Prozent der Registrierungsdossiers, die nach den nicht abschließenden Kriterien des Art.  41 Abs. 5 REACH-VO ausgewählt werden. Im anschließenden Verfahren werden ggf. Nachforderungsbescheide nach Art. 41 Abs. 3, Art. 50, 51 REACH-VO erlassen.177

172 Zur Motivationslage im Rahmen der Registrierungspflicht im Hinblick auf das Einreichen von qualitativ und quantitativ ausreichenden Registrierungsdossiers siehe S. 259 ff. 173 Zum Ablauf der Registrierung siehe S. 79 ff. 174 Im Rahmen der ursprünglichen Konzeption der REACH-VO, Europäische Kommission (Fn. 96), S. 30 f., sollten nach Art. 38 Abs. 1 REACH-VO die Behörden der Mitgliedstaaten die Dossierbewertung übernehmen. Vor dem Hintergrund der Befürchtung eines unterschiedlichen Vollzugs des Bewertungsverfahrens wurde in den weiteren Beratungen die Zuständigkeit der ECHA für die Dossierbewertung begründet. 175 Ausführlich dazu siehe S. 88 ff. 176 Dazu, inbesondere im Hinblick auf Ablauf und Prüfprogramm, von Holleben/Scheidmann (Fn. 20), 176 ff.; von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 40 REACH-VO Rn. 7 ff. 177 Zum Vorgehen der ECHA im Detail Kuhn (Fn. 17), S. 158; von Holleben, Die Aktualisierung der Registrierung wähend und nach Abschluss des Evaluierungsverfahrens nach REACH, StoffR 2013, 188 ff.

D. Die REACH-VO im Überblick

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Daneben prüft die ECHA nach Art.  40 REACH-VO alle Versuchsvorschläge von Registrierungsdossiers für Stoffe, die in einem Umfang von mehr als 100 t/a hergestellt oder importiert werden sollen,178 insbesondere um gemäß Art. 40 Abs. 2 REACH-VO unnötige Wirbeltierversuche zu vermeiden. Auf dieser Grundlage erstellt sie dann nach Art.  40 Abs.  3 REACH-VO einen Beschlussentwurf, der dann ebenfalls nach dem Verfahren der Art. 50, 51 REACH-VO erlassen wird.179 b) Die Stoffbewertung Die Stoffbewertung180 gemäß Art. 44 bis 49 REACH-VO liegt in den Händen der mitgliedstaatlichen Behörden. Diese sollen klären, ob ein Stoff in concreto eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt. Durch die besondere Verfahrensausgestaltung soll dabei ein einheitlicher Vollzug sichergestellt werden.181 4. Das Zulassungsverfahren Die durch die vorangegangenen Elemente gewonnenen Informationen werden unter anderem dazu verwendet, besonders besorgniserregende Stoffe zu identifizieren. Diese bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Die Situation vor Erlass der REACH-VO war dergestalt, dass ein großer Teil der chemischen Stoffe, die der Zulassungspflicht unterliegen könnten, bereits hergestellt und verwendet wurde.182 Das Zulassungssystem des Titels VII der REACH-VO muss somit einen Ausgleich zwischen zwei Polen finden: Prima facie der einfachste Weg wäre es, die Herstel 178 Dabei ist die REACH-VO nicht ganz eindeutig: Bei flüchtigem Blick auf Art. 40 Abs. 1 S. 2 REACH-VO ließe sich aus dieser Vorschrift herauslesen, dass die Versuchsvorschläge aller Registrierungsdossiers geprüft werden, vorrangig aber jene, deren Stoffe besondere Eigenschaften enthalten und in einer Menge von mindestens 100 t/a hergestellt werden, so Art. 40 Abs. 1 S. 2 REACH-VO: „Vorrang ist Registrierungen von Stoffen zu geben […] in Mengen von mehr als 100 t/a […] .“ Da aber die Anhänge IX und X REACH-VO, auf die Art. 40 Abs. 1 S. 1 REACH-VO Bezug nimmt, lediglich für Stoffe im Mengenband ab 100 t/a (Anhang IX REACH-VO) bzw. ab 1000 t/a (Anhang X REACH-VO) gelten, bedeutet dies, dass lediglich die Versuchsvorschläge in Registrierungsdossiers ab 100 t/a zu prüfen sind. Satz 2 ist in Verbindung mit dem nachfolgenden Nebensatz „mit breit gestreuter […] Exposition“ zu lesen und bildet damit nicht eine die Möglichkeiten des Satz 2 zusammenhaltende Klammer, sondern normiert eine weitere Ausprägung besonders risikoreicher und damit prioritär zu prüfender Stoffe. 179 Zu einer Konstellation, in der dann eine Mehrheit von Registranten denselben Versuchsvorschlag vorlegen nach Art. 40 Abs. 3 lit e) REACH-VO, Fischer, Die gemeinsame Nutzung von Prüfdaten, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Hrsg.), Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 2008, S. 165 (182), auch im Hinblick auf die Kostenteilung. 180 Näher zu diesem Regelungskomplex Becker/Tiedemann (Fn.  93), Rn.  174 ff.; Kuhn (Fn. 17), S. 159 f. 181 Siehe näher zum Verfahren Becker/Tiedemann (Fn. 93), Rn. 175 ff.; Kuhn (Fn. 17), S. 159 f. 182 Kuhn (Fn. 17), S. 163.

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

lung und Nutzung eines solchen Stoffes einfach zu verbieten. Damit könnte die Gefahr, die von diesem Stoff ausgeht, eliminiert werden und die chemische Industrie würde ihn durch (im Idealfall) ungefährlichere Substanzen ersetzen. Andererseits soll die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts nicht infrage gestellt werden und es muss geklärt werden, ob denn überhaupt Substitutionen existieren oder entwickelt werden können, die technisch oder wirtschaftlich tragfähig sind.183 Daher ist ein zweistufiges Verfahren normiert worden:184 –– Der erste Schritt ist stoffbezogen ausgestaltet: Die ECHA erstellt durch das Verfahren des Art. 59 REACH-VO eine Liste von Stoffen, die unter Beachtung des Kriterienkatalogs des Art. 57 REACH-VO185 für die Aufnahme in Anhang XIV der REACH-VO in Betracht kommen. Diese „Kandidatenliste“186 wird öffentlich zugänglich gemacht, und nach dem Verfahren des Art. 58 REACH-VO werden die dort enthaltenen Stoffe187 nebst Übergangsfristen nach Art. 58 Abs. 1 lit. c) REACH-VO188 sowie eventuellen Rückausnahmen für Verwendungen, für die keine Zulassung erforderlich ist nach Art. 56 Abs. 1 lit. b) REACH-VO in Verbindung mit Art. 58 Abs. 2 REACH-VO, in Anhang XIV REACH-VO aufgenommen.189 183

So auch die Problemdarstellung bei Kuhn (Fn. 17), S. 163. Europäische Kommission (Fn. 85), S. 27; umfassend Funke (Fn. 87), S. 149 ff. 185 Zu diesen Kriterien Hermann/Ingerowski, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel  15: Zulassung Rn.  11 ff.; Köck, Zulassung und Substitution von Stoffen, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Hrsg.), Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 2008, S. 133 (139 f.); Köller (Fn. 60), S. 154 ff.; Kuhn (Fn. 17), S. 164 f.; allgemein zur Risikobewertung durch die Exekutive Appel, Präventionsstrategien im europäischen Chemikalienrecht und Welthandelsrecht, ZUR Sonderheft 2003, 167 (169 f.); Wahl, Risikobewertung der Exekutive und richterliche Kontrolldichte – Auswirkungen auf das Verwaltungs- und das gerichtliche Verfahren, NVwZ 1991, 409 (409 ff.). 186 Sie kann abgerufen werden unter http://echa.europa.eu/de/candidate-list-table (1.5.2014). 187 Experten gehen dabei von rund 1500 Stoffen aus, Lahl, REACH – Assessment of the political agreement, Environmental Law Network International (elni review) 2007, 34 (36). 188 Diese werden notwendig sein, da die Stoffe zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt sind und vielfach verwendet werden. Damit müssen Übergangsmaßnahmen getroffen werden. Schließlich erfordert insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angemessenen Bestandsschutz, Calliess/Lais (Fn.  96), 290 (292 f.); Hermann/Ingerowski, in: Führ (Fn.  185), Kapitel  15 Rn.  36; von Holleben/Scheidmann (Fn.  96), 16 (22); von Holleben/Schmidt (Fn.  147), 532 (534 ff.); Nordbeck, in: Hansjürgens/Nordbeck (Fn. 67), S. 123 (148); vor diesem Hintergrund ist auch Art. 56 Abs. 1 lit. d) i.Vm. Art. 58 Abs. 1 lit. c) Ziffer ii) REACH-VO zu lesen: Diese Regelung ermöglicht, die Verwendung eines chemischen Stoffes auch dann noch fortzusetzen, wenn er auf der Liste des Anhang XIV REACH-VO geführt wird, bis zur endgültigen Entscheidung über die Zulassung – wenn bis mindestens 18 Monate vor dem festgesetzten Ablau­ftermin nach Art. 58 Abs. 1 lit. c) Ziffer i) REACH-VO, ein entsprechender Antrag gestellt wurde, Hermann/Ingerowski, in: Führ (Fn. 185), Kapitel 15 Rn. 36 ff. 189 Näher zum Verfahren Becker/Tiedemann (Fn. 93), Rn. 209 ff.; Hermann/Ingerowski, in: Führ (Fn. 185), Kapitel 15 Rn. 17 ff.; Köck, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 185), S. 133 (139). Die Liste der zulassungspflichtigen Stoffe kann abgerufen werden unter http://echa. europa.eu/de/addressing-chemicals-of-concern/authorisation/recommendation-for-inclusionin-the-authorisation-list/authorisation-list (1.5.2014). 184

D. Die REACH-VO im Überblick

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–– Der zweite Schritt ist als verwendungsbezogene Zulassung ausgestaltet.190 Ist ein Stoff in den Anhang XIV der REACH-VO aufgenommen, können die Betroffenen191 die eigentliche Zulassung beantragen. Dabei gilt, dass generell kein Stoff mehr vermarktet werden darf, der in Anhang XIV REACH-VO aufgeführt ist, außer, seine konkrete Verwendung ist nach den Art. 60 bis 64 REACH-VO zugelassen oder einer der Ausnahmetatbestände des Art.  56 REACH-VO ist gegeben. Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Verwendung des Stoffes abstrakt, sondern konkret auf ein bestimmtes Endprodukt hin steuern, dies stellt den Hintergrund von Art.  62 Abs.  4 S.  4 lit.  c)  REACH-VO dar.192 Eine derartige verwendungsbezogene Zulassung kann unter Beachtung der Vorgaben des Art.  62 REACH-VO bei der Agentur beantragt193 werden, diese wird dann nach Einholung von Stellungnahmen nach Art. 64 REACH-VO gemäß Art. 60 Abs. 1 REACH-VO durch die Europäische Kommission erteilt. Als Maßstab für einen positiven Zu­ lassungsbescheid dient, nach Art. 60 Abs. 2 REACH-VO, ob im Rahmen der konkreten Verwendung eine angemessene Beherrschung der Risiken für die menschliche Gesundheit und Umwelt sichergestellt ist, oder ob es, so Art.  60 Abs.  4 REACH-VO, keine Alternativmöglichkeiten zur Substitution194 gibt.195 Eine solche Zulassung kann nach Art. 61 REACH-VO auch überprüft und gegebenenfalls wider­rufen werden.

190 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 62. Näher zum Verfahren Becker/Tiedemann (Fn. 93), Rn. 216 ff., zu den Fristen insbesondere Rn. 225; Köck, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 185), S. 133 (143). 191 Siehe Art. 62 REACH-VO zur Konstellation eines Zulassungsverfahrens für mehrere Personen; zur Möglichkeit der Datenteilung im Zulassungsverfahren Fischer, in: Fluck/Fischer/ von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 66. 192 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Einführung zu REACH Rn.  62 Fn.  79; Becker/Tiedemann (Fn.  93), Rn.  216, stellen dar, dass es „ein hochkomplexer Vorgang sein wird“. 193 Zum Zulassungsantrag Hermann/Ingerowski, in: Führ (Fn. 185), Kapitel 15 Rn. 76 ff. 194 Näher zur Verankerung des Substitionsprinzips im Zulassungsverfahren Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 67; zum Instrument der Substitution im Rahmen der Zulassung Fischer, REACH – das neue europäische Chemikalienrecht, DVBl. 2007, 853 (860); Köck, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 185), S. 133 (148). 195 Erstere Zulassungsmöglichkeit wird als „adequate control route“ bezeichnet, Letztere als „socio economic route“, Hermann/Ingerowski, in: Führ (Fn. 185), Kapitel 15 Rn. 40 ff. mit der Darstellung beider Zulassungswege.

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

5. Das Beschränkungsregime Der Titel VIII der REACH-VO enthält Regelungen für den Erlass von Beschränkungen für bestimmte Stoffe.196 Er bildet damit ein „Sicherheitsnetz“197 insofern, als dass damit eine Regulierung von Stoffen möglich ist, die nicht dem Zulassungsverfahren unterliegen, deren Herstellung oder Verwendung oder Inverkehrbringen dennoch ein „unannehmbares Risiko“198 nach Art. 68 Abs. 1 REACH-VO darstellt. Möglich sind damit sowohl Vermarktungs- und Verwendungsbeschränkungen, Herstellungsbeschränkungen oder Verbote.199 Um solche Stoffe zu identifizieren, greifen die zuständigen Behörden auf eine Vielzahl von Informationen zurück  – zuvorderst auf die Informationen, die im Registrierungsverfahren ge­ wonnen wurden. Im Unterschied zum Zulassungsverfahren liegt die Beweislast beim Beschränkungsverfahren bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder der ECHA  – diese müssen bei der Ausarbeitung eines entsprechenden Vorschlages200 den Nachweis für das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen erbringen.201 6. Informationen und Datenschutz im Rahmen der REACH-VO Durch die Schaffung der REACH-VO sollen in systematischer Weise Informationen gewonnen werden  – REACH soll ein „lernendes System“ sein.202 Diese müssen aber auch in einem nächsten Schritt den jeweils handelnden Stellen zur Kenntnis gebracht werden.203 Vor diesem Hintergrund enthält die REACH-VO in 196 Er löst damit die Beschränkungsrichtlinie ab, die nahezu vollständig in den Anhang XVII REACH-VO überführt wurde, Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Einführung zu REACH Rn.  68; ausführlicher Aubel-Pump, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  67 REACH-VO Rn. 8 ff. 197 So bezeichnet bei Calliess/Lais (Fn.  96), 292 (298); Kuhn (Fn.  17), S.  179; Pache/ Rucireto, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 16: Beschränkungen Rn. 54. 198 Dies ist dann der Fall, wenn es nicht angemessen beherrscht werden kann und daher unionsweit beschränkt werden muss, Aubel-Pump, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 68 REACH-VO Rn. 8; Pache/Rucireto, in: Führ (Fn. 197), Kapitel 16 Rn. 25 f. 199 Pache/Rucireto, in: Führ (Fn. 197), Kapitel 16 Rn. 9, nennen eine Vielzahl von Möglichkeiten. Zum Zusammenspiel zwischen dem Titel VIII der REACH-VO und der deutschen Chemikalienverbotsverordnung Fischer, Beschränkungen nach REACH und die deutsche Chemikalien-Verbotsverordnung, StoffR 2010, 108 ff. 200 Zum Verfahren ausführlich Aubel-Pump, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 69–73 REACH-VO Rn. 7 ff.; Becker/Tiedemann (Fn. 93), Rn. 248 ff.; Kuhn (Fn. 17), S. 181 ff.; Pache/ Rucireto, in: Führ (Fn. 197), Kapitel 16 Rn. 31 ff. Zur verfahrensrechtlichen Erleichterung des Art. 68 Abs. 2 REACH-VO für CMR-Stoffe Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 71. 201 Kuhn (Fn. 17), S. 180. 202 So Schulze-Rickmann (Fn. 94), S. 41. 203 So die Beschreibung des Mechanismus der REACH-VO etwa auch bei Breier/Hendrix, Die Europäische Agentur für chemische Stoffe, StoffR 2004, 50 (53); Fischer (Fn. 194), 853 (861).

D. Die REACH-VO im Überblick

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Titel XII Regelungen für den Informationsfluss. Geregelt ist dort etwa in Art. 117 REACH-VO eine Berichterstattungspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber der Europäischen Kommission. Art.  124 REACH-VO normiert hingegen die Informationsweitergabe von nationalen Behörden an die ECHA. Weitere Regelungen finden sich in Titel IV der REACH-VO im Hinblick auf Informationen in der Lieferkette, insbesondere mit Blick auf das Sicherheitsdatenblatt.204 Schließlich wird auch in Art.  124 Abs.  2 REACH-VO die Einrichtung von nationalen Helpdesks normiert, um den Wirtschaftsakteuren Informationen zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre aus der REACH-VO erwachsenden Pflichten erfüllen können. Geregelt sind aber auch Informationspflichten aus dem REACH-System heraus, also an Akteure, die nicht unmittelbar von der REACH-VO betroffen sind. Hintergrund dieser Regelungen ist, dass die Informationen über chemische Stoffe der „Öffentlichkeit“, insbesondere Verbrauchern,205 zugänglich sein sollen, damit auch auf diesem Weg eine Information über und eine Sensibilisierung für die Gefahren chemischer Stoffe stattfindet. Zur Öffentlichkeit gehören aber auch – um das Spannungsfeld zu skizzieren, in dem sich die REACH-VO hier bewegt – die jeweiligen Wettbewerber in der chemischen Industrie.206 Art. 118 REACH-VO enthält ein Informationszugangsrecht nach Maßgabe der Transparenzverordnung207 für die Öffentlichkeit208; diese kann nach Maßgabe die-

204

Dazu oben S. 47. Vgl. Fischer (Fn. 127), S. 79 ff. 206 Zu diesem Spannungsfeld zwischen öffentlichem Zugang und privaten (geschäftlichen) Interessen in Bezug auf Registrierungsdaten von Holleben/Scheidmann, Öffentlicher Zugang zu Registrierdaten nach REACH, StoffR 2008, 159 ff.; von Holleben/Scheidmann, Öffentlicher Zugang zu Stoffinformationen nach REACH im Licht der Aarhus-Konvention, StoffR 2011, 237 ff.; von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  118 REACH-VO Rn. 15; Schulze-Rickmann (Fn. 94), S. 50 ff.; Zühlsdorff, Vortrag: Artikel 118 und Artikel 119 REACH – öffentlicher Zugang zu Registrierungsdaten versus geschäftliche Interessen, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2011  – REACH und CLP, Tagungsunterlagen, 2011, S.  53 ff. Zum Rechtsschutz für den von der Informationsoffenlegung betroffenen Registranten von Holleben/Scheidmann, Öffentlicher Zugang zu Registrierdaten nach REACH, StoffR 2008, 159 (162). Zur Frage der Vereinbarkeit der Regelungen mit den europäischen Grundrechten Schulze-Rickmann (Fn. 94), S. 79 ff. 207 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. EG Nr. L 145, S. 43, fortan: Transparenzverordnung. Siehe Jäger, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 23: Zugang zu Informationen Rn.  21 ff.; siehe auch von Holleben/Scheidmann (Fn.  206), 159 (164 f.), mit weiteren Aus­ führungen zum Rechtsschutz. 208 Einer verbesserten Akzeptanz der REACH-VO im Sinne einer erhöhten Transparenz und Partizipation ist auch Art. 108 REACH-VO geschuldet, nach dem die ECHA Kontakte zu Interessenverbänden, etwa im Bereich des Verbraucher- oder Umweltschutzes knüpfen soll, Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 76. 205

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

ser Verordnung bei der ECHA209 vorliegende210 Informationen einsehen.211 Die ausdrückliche Normierung der Anwendbarkeit der Transparenzverordnung war notwendig, weil die ECHA nicht im damaligen Art.  255 EGV212 erwähnt war. Nicht im Normtext genannt  – da sie bereits vom Wortlaut her auf die ECHA Anwendung findet  – ist die Aarhus-Verordnung213, die aber lex specialis gegenüber der Transparenzverordnung bildet.214 Art. 119 REACH-VO normiert, welche Informationen über die nach Art.  77 Abs.  2 REACH-VO einzurichtende Datenbank über das Internet der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich gemacht werden;215 korrespondierend kann für bestimmte Informationen ein Antrag auf Geheimhaltung gestellt werden.216

209

Auskunftspflichten der nationalen Behörden normieren die Informationsfreiheitsgesetze, insbesondere die Umweltinformationsfreiheitsgesetze der Mitgliedstaaten. Auch dabei müssen die Vorgaben der REACH-VO Beachtung finden, Kuhn (Fn. 17), S. 203; dazu auch Fluck, REACH – Vertraulichkeit von Informationen versus Transparenz und Wirbeltierschutz, StoffR 2004, 59 (60, 65 f.). 210 Zu dieser Regelung „im Besitz der Agentur“ von Holleben/Scheidmann (Fn.  206), 159 (160); von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 118 REACH-VO Rn. 19 ff. Insgesamt sind nach ECHA, Newsletter Nr. 4 von August 2011, S. 3, etwa 800 000 Studienzusammenfassungen im Besitz der Agentur. 211 Zum Ablauf dieses Verfahrens bzw. zur Bereitstellung der Daten Kuhn (Fn. 17), S. 200. Insbesondere zur unterschiedlichen Behandlung von „vertraulichen“ und „nicht vertraulichen“ Daten Kuhn (Fn. 17), S. 201; die einzelnen Tatbestände des Art. 118 Abs. 2 REACH-VO kommentieren von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 118 REACH-VO Rn. 44 ff.; Jäger, in: Führ (Fn. 207), Kapitel 23 Rn. 124 ff.; Schulze-Rickmann (Fn. 94), S. 71 ff. Zu Divergenzen in Bezug auf die Rechtslage vor REACH Fluck (Fn.  209), 59 (62 f.); von Holleben/ Scheidmann, Vertraulichkeit von Informationen vs. Datentransparenz im REACH-Entwurf (Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 27. Juni 2006), StoffR 2006, 154 (156); zur Klage­ befugnis von Holleben/Scheidmann, Rechtsschutz im Europäischen Chemikalienrecht  – Ein Beitrag zur geplanten Chemikalienverordnung der EU, EuZW 2004, 262 (262). 212 Erst später wurde durch die Einbeziehung von „Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union“ in Art. 15 EUV ein entsprechender Primärrechtsrahmen angelegt. 213 Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, ABl. EU Nr. L 264, S. 13, fortan: Aarhus-Verordnung. Deren Einsatzmöglichkeiten im Rahmen von REACH beschreibt Jäger, in: Führ (Fn. 207), Kapitel 23 Rn. 21 ff. 214 von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 118 REACH-VO Rn. 17; Jäger, in: Führ (Fn. 207), Kapitel 23 Rn. 21. 215 Diese ist unter http://echa.europa.eu/de/information-on-chemicals/registered-substances (1.5.2014) zu erreichen. 216 Näher dazu Jäger, in: Führ (Fn. 207), Kapitel 23 Rn. 54 ff.; Kuhn (Fn. 17), S. 201; zu den einzelnen Tatbeständen des Art. 119 REACH-VO mit Blick auf den Schutz von Stoffinformationen von Holleben, Rechtsfragen des Know-how-Schutzes bei der Publizierung von Stoffinformationen durch die ECHA, StoffR 2010, 150 (150 ff.); von Holleben, in: Fluck/Fischer/ von Hahn (Fn. 20), Art. 119 REACH-VO Rn. 17 ff.; kritisch zu Art. 119 Abs. 2 lit. c) REACHVO von Holleben, REACH und Schutz von Unternehmensdaten, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Hrsg.), Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 2008, S. 187 (192).

E. Die Rolle der ECHA als zentrale Stelle auf Unionsebene 

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7. Zusammenfassung Die REACH-VO normiert unter einem Dach ein zusammenhängendes neues System zur Regulierung von Chemikalien. Eine Schlüsselrolle in diesem System nimmt die Gewinnung von Informationen über Chemikalien ein. Denn nur auf Basis vollständiger und richtiger Informationen – die dann auch an den richtigen Stellen bekannt sind – kann die ergänzende Stoffprüfung und können Instrumente der Zulassung oder der Beschränkung sachgerecht zum Einsatz kommen.

E. Die Rolle der ECHA als zentrale Stelle auf Unionsebene im Rahmen des Vollzugs der REACH-VO I. Die Rolle der ECHA im REACH-Verbund Als zentrale Stelle zum Vollzug der REACH-VO wurde die European ­Chemicals Agency (ECHA) mit Sitz in Helsinki geschaffen. Gegründet wurde die ECHA auf Basis der Annexkompetenz zu Art. 95 EGV217. Als Agentur218 mit eigener Rechtspersönlichkeit, so Art.  100 REACH-VO, bildet sie eine inhaltlich wie finanziell von der Europäischen Kommission unabhängige219 Verwaltungseinheit. Sie

217

Heute Art.  114 AEUV. Zustimmend zum Rückgriff auf diese Rechtsgrundlage Breier/ Hendrix (Fn.  203), 50 (56 ff.); Fischer/Fetzer (Fn.  104), 50 (56 ff.); Hansmann (Fn.  25), S.  241 ff.; Riedel, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  75 REACH-VO Rn.  17 ff.; allgemein kritisch in Bezug auf diese Norm zur Kompetenz von Agenturgründungen Vetter, Die Kompetenzen der Gemeinschaft zur Gründung von unabhängigen europäischen Agenturen, DÖV 2005, 721 (728 f.). Ablehnend Weidemann (Fn. 23), 232 (234 f.); ebenso Weidemann, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 23), S. 203 (208 ff.). Auch Winter, in: Hendler/Marburger/ Reinhardt u. a. (Fn. 69), S. 77 (80), hielt im Vorfeld Art. 175 EGV für vorzugswürdig. Vgl. auch die Nachweise in Fn. 104 in Bezug auf die Rechtsgrundlage zur Schaffung der REACH-VO selbst. Allgemein zur Zulässigkeit der Schaffung von Europäischen Agenturen nach Lissabon etwa Craig, EU administrative law, 2. Aufl., 2012, S. 154 ff.; Görisch, Die Agenturen der Europäischen Union, Jura 2012, 42 ff.; vor dem Maßstab des Demokratieprinzips Ruffert, Die neue Unabhängigkeit: Zur demokratischen Legitimation von Agenturen im europäischen Verwaltungsrecht, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), Europäisches Recht zwischen Bewährung und Wandel, 2011, S.  399 (399 ff.); grundlegend Fischer-Appelt, Agenturen der Euro­ päischen Gemeinschaft, 1999, S. 78 (78 ff.). 218 Einen knappen Überblick über die Entstehung von Agenturen bieten Craig (Fn.  217), S.  144 ff.; Görisch (Fn.  217), 42 (43 f.); zu den Gründen für die Entstehung von Agenturen Craig (Fn.  217), S.  142 ff.; eine Beschreibung der Charakteristik und Grundstruktur europäischer Agenturen liefern Fischer-Appelt (Fn.  217), S.  46 ff.; Riedel, in: Fluck/Fischer/ von Hahn (Fn.  20), Art.  75 REACH-VO Rn.  4 ff.; Pawlik, Das REACH-System und die Meroni-Doktrin. Ein imperfekter Quantensprung im Europäischen Verwaltungsverbund, 2013, S. 57 ff. 219 Zu Befürchtungen, dass gerade unabängige Agenturen demokratische Legitimation vermissen lassen und einer Expertokratie Vorschub leisten, Ruffert, in: Müller-Graff/Schmahl/ Skouris (Fn. 217), S. 399 (399 ff.).

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

handelt somit als Regulierungsagentur.220 Um die einheitliche Anwendung der REACH-VO in allen Mitgliedstaaten zu garantieren, werden die wesentlichen Koordinierungsaufgaben zentral vorgenommen. Die ECHA soll sicherstellen, dass die Herausforderungen, welche die REACH-VO in technischer, wissenschaftlicher und administrativer Hinsicht stellt, von allen weiteren Akteuren gleichermaßen angenommen und gemeistert werden. Damit steht die ECHA im Zentrum zweier Kreise  – organisatorisch gesehen bildet sie das Zentrum des REACH-Verbundes, sieht man funktional die Informationsgewinnung als Basis für alle weiteren Schritte, mithin als Zentrum der REACH-VO, dann liegt dieses ebenfalls bei der ECHA. Zu den Aufgaben, bei denen der ECHA eine eigene Entscheidungskompetenz zugestanden wird, gehört die inhaltliche Bewertung der Registrierungsdossiers nach Art.  40 bis 43 REACH-VO, die Koordinierung der Stoffbewertung nach Art. 44 bis 49 REACH-VO sowie die anschließende Initiierung eines Zulassungsverfahrens nach Art. 55 bis 64 REACH-VO, bei dem sie die Federführung innehat.221 Als Hauptaufgabe mit Entscheidungskompetenz steht ihr aber die Durchführung des Registrierungsverfahrens nach Art. 20 f. REACH-VO zu. Sie fungiert als „Informationssammelstelle“, indem sie zunächst dafür sorgt, dass durch den Mechanismus der Registrierung Informationen über chemische Stoffe generiert werden, und gibt diese Informationen dann an die nationalen Behörden weiter, damit der REACH-Verbund weitere geeignete Schritte einleiten kann. Diese Aufgaben erfüllt die ECHA nach Art. 76 REACH-VO durch einen Verwaltungsrat, einen Direktor und ein diesem unterstelltes Sekretariat, mit verschie 220

So auch die Einstufung von Fischer/Fetzer (Fn.  104), 50 (52). Zur Definition Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6: Institutionen und Politiken, 2011, Rn. 496 ff. Exekutivagenturen hingegen werden nur für einen begrenzten Zeitraum zur Durchführung einzelner Projekte am Dienstsitz der Kommission eingesetzt, wobei sie ohne größeren Entscheidungs- bzw. Ermessensspielraum handeln. Siehe zur Kategorisierung der europäischen Agenturen in Exekutivund Regulierungsagenturen auch Europäische Kommission, Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2002) 718 endg., 2002 und Europäische Kommission, Entwurf für eine Interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen vom 11.2.2005, KOM (2005) 59 endg, 2005. Kritisch zur Einteilung der Kommission Craig (Fn. 217), S. 148 f. Er schlägt eine Einteilung „Regulatory Agencies“, „Decision-Making Agencys“, „Quasi-Regulatory Agencies“ und „Information and Co-Ordination Agencies“ vor, ohne die ECHA hier ausdrücklich einzuordnen, Craig (Fn.  217), S.  149 ff. Ebenfalls kritisch, „unnötig kompliziert“, Gundel, in: Schulze/Zuleeg/ Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 2. Aufl., 2010, § 3: Verwaltung Rn. 40 ff. 221 Die einzelnen Zuständigkeiten und Aufgaben benennen auch: Foth, Aufgaben der Europäischen Agentur für chemische Stoffe unter REACH, Bundesgesundheitsblatt 2008, 1398 (1403 f.); Hansmann (Fn. 25), S. 71 ff.; Weidemann (Fn. 23), 232 (233); ebenso Weidemann, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 23), S. 203 (207 f.). Siehe auch Schmolke, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel  27: Zuständigkeiten im behördlichen Vollzug auf­ EU-Ebene und in Deutschland Rn. 59 ff., dort aufgeschlüsselt nach Elementen der REACH-VO und nicht nach Vollzugsbehörden. Ebenfalls ausführlich im Lichte des Verwaltungsverbundes, Pawlik (Fn. 218), S. 92 ff.

E. Die Rolle der ECHA als zentrale Stelle auf Unionsebene 

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denen Ausschüssen und einem Forum – die Ausschüsse und das Forum können weitere Arbeitsgruppen einsetzen – sowie einer Widerspruchskammer. Dabei werden die materiellen Aufgaben nach der REACH-VO von den Ausschüssen, dem Sekretariat sowie dem Forum wahrgenommen. Der Verwaltungsrat sowie der Direktor leiten die ECHA.222 Die beiden fachspezifischen Ausschüsse, der Ausschuss für Risikobewertung nach Art. 76 Abs. 1 lit. c) REACH-VO in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 REACHVO und der Ausschuss für sozioökonomische Fragen gemäß Art.  76 Abs.  1 lit. d) REACH-VO in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 REACH-VO, erarbeiten im Rahmen ihrer jeweiligen Fachgebiete insbesondere Stellungnahmen der ECHA bei Zulassungsanträgen und Vorschläge für Beschränkungen. Neben diesen fachspezifischen Ausschüssen wurde als neues Element im Sinne eines integriert tätigen Verwaltungsverbundes der Ausschuss der Mitgliedstaaten durch Art. 76 Abs. 1 lit. e) REACH-VO geschaffen, in dem nach Art. 85 Abs. 3 REACH-VO jeder Mitgliedstaat einen Sitz hat. Dieser ist u. a. für die Klärung von Meinungsverschiedenheiten der Mitgliedstaaten im Rahmen von Stoffbewertungen sowie bei der Erstellung und Erweiterung des Aktionsplans zur Stoffbewertung gemäß Art. 44 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 45 Abs. 3 UAbs. 2, Abs. 5 REACH-VO und bei der Erstellung der Liste mit zulassungspflichtigen Stoffen nach Art. 58 Abs. 3 REACH-VO gefordert. Er soll in seiner Rolle als „Innenorgan“ bereits im Vorfeld von Regulierungsentscheidungen die Mitgliedstaaten beteiligen und somit das zeitaufwendige Komitologieverfahren entbehrlich machen, Erwägungsgrund (67) der REACH-VO, und so eine höhere Effizienz des REACH-Verbundes generieren. Dabei ist die Delegation von Aufgaben auf die ECHA von der Meroni-Doktrin223 grundsätzlich gedeckt: Diese Rechtsprechung des EuGH beschäftigt sich mit der Zulässigkeit der Übertragung von Befugnissen auf eine vertragsfremde Einrichtung. Geschieht eine solche Übertragung, muss dies durch eine ausdrückliche Entscheidung des übertragenden Organs geschehen, das im übrigen keine weiterreichenden Befugnisse übertragen kann, als es selbst besitzt,224 und es dürfen lediglich Ausführungsbefugnisse übertragen werden, die genau umgrenzt sein müssen225. Schließlich muss das übertragende Organ die Ausübung in vollem Unfang beaufsichtigen,226 und eine Entscheidung der vertragsfremden Einrich 222 Näher zum Aufbau der ECHA Becker/Tiedemann (Fn.  93), Rn.  267 ff. Ausführlich zur Zusammensetzung und den Aufgaben der einzelnen Einheiten Breier/Hendrix (Fn.  203), 50 (54 ff.); Foth (Fn.  221), 1398 (1402 f.); Hansmann (Fn.  25), S.  71 ff.; Schmolke, in: Führ (Fn. 221), Kapitel 27 Rn. 11 ff. 223 EuGH, Urteil vom 13.6.1958 – Rs. 9/56 – Slg. 1958, 16 (29) – Meroni & Co., Industrie Metallurgiche/Hohe Behörde. 224 EuGH, Urteil vom 13.6.1958 – Rs. 9/56 – Slg. 1958, 16 (40) – Meroni & Co., Industrie Metallurgiche/Hohe Behörde. 225 EuGH, Urteil vom 13.6.1958 – Rs. 9/56 – Slg. 1958, 16 (44) – Meroni & Co., Industrie Metallurgiche/Hohe Behörde. 226 EuGH, Urteil vom 13.6.1958 – Rs. 9/56 – Slg. 1958, 16 (44) – Meroni & Co., Industrie Metallurgiche/Hohe Behörde.

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

tung muss nach den gleichen Maßstäben wie eine Entscheidung des übertragenden Organs durch die Rechtsprechung überprüft werden können227. Dabei steht aber in Frage, ob diese Anforderungen heute noch Gültigkeit besitzen228 und diese Theorie im Falle der ECHA überhaupt Anwendung finden kann229. Bejaht man dies, nimmt die Literatur an, dass eine Meroni-konforme Aufsicht und Kontrolle der ECHA jedenfalls vorliegt.230 Auch für die Aufgabenübertragung im Bereich der Registrierung231 ist Meroni gewahrt, da es sich hierbei um eine Tätigkeit handelt, die nicht mit der Ausübung eines politischen oder freien Ermessens verbunden ist. Eine Ermessensentscheidung trifft die ECHA zwar im Bereich der Aufhebung von Registrierungen. Diese Entscheidung wird aber durch ein Verfahren durchgeführt, welches das gestufte Entscheidungsverfahren nach Art. 51 REACH-VO gegebenenfalls mit einem Komitologieverfahren verbindet. Daher aber steht der ECHA nur eine Entscheidungskompetenz unter Vorbehalt zu, da der Ausschuss der Mitgliedstaaten und zuletzt die Kommission letztlich die Ermessensentscheidung treffen. Damit bewegt sich die ECHA in Bezug auf Erlass und Ablehnung wie auch der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen in einem Kontrollrahmen, den der Ausschuss der Mitgliedstaaten und die Kommission ziehen.232 227 EuGH, Urteil vom 13.6.1958 – Rs. 9/56 – Slg. 1958, 16 (40) – Meroni & Co., Industrie Metallurgiche/Hohe Behörde. 228 Kritsch etwa Fischer/Fetzer (Fn. 104), 50 (53): Die Meroni-Doktrin entstand zu Beginn der Europäischen Gemeinschaften, deren institutionelles Gleichgewicht noch nicht austariert war, sodass dieses durch die Gründung unabhängiger Einrichtungen leicht in Schieflage hätte geraten können. Diese Gefahr bestehe durch eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen, jedenfalls für den Bereich des Chemikalienrechts, nicht mehr. Die Fortgeltung der Doktrin aus der Rechtsprechung des EuGH folgert hingegen Pawlik (Fn. 218), S. 150 f. Daneben hat sich das Aufgabenfeld der Europäischen Union seitdem stark erweitert, sodass die Vorstellung einer zentralen Verwaltungsbehörde, die alle Sachbereiche bearbeitet, verwaltungsökonomisch weniger sinnvoll erscheint als die Schaffung von Agenturen, die sich nur mit einem bestimmten Themenfeld beschäftigen und spezifisches Wissen ansammeln können; dies gibt auch P ­ awlik (Fn. 218), S. 154 ff., zu bedenken. 229 Fischer/Fetzer (Fn. 104), 50 (54) stellen dar, dass in der Rechtssache Meroni Entscheidungsbefugnisse auf eine vertragsfremde Einrichtung des Privatrechts übertragen werden sollten. Eine Agentur aber sei im Gegensatz in den Verwaltungsaufbau des Unionsorgans ein­ gegliedert. 230 Pawlik (Fn. 218), S. 192, 204 ff. 231 Lediglich diese sollen vor dem thematischen Hintergrund der Arbeit in den Blick genommen werden. Umfassend hierzu Pawlik (Fn. 218). Während in Bezug auf die rechtliche Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren keine Bedenken bestehen, steht aber die Ausgestaltung des Rechtsschutzes in der Kritik: Gegen bestimmte Entscheidungen der ECHA ist ein Widerspruch nach Art. 91 REACH-VO möglich, gegen alle nicht widerspruchsfähigen Entscheidungen gewähren unmitelbar die Unionsgerichte Rechtsschutz, gegen Entscheidungen, die von der Kommission im Wege des Komitologieverfahrens getroffen werden, gewähren ebenfalls die Unionsgerichte Rechtsschutz, vgl. auch Fn. 1355. Kritisch dazu vor dem Hintergrund von Meroni Pawlik (Fn. 218), S. 123 ff. 232 So auch allgemein in Bezug auf die verfahrensrechtliche Ausgestaltung Breier/Hendrix (Fn. 203), 50 (57); Bronckers/van Gerven, Legal Remedies Under the EC’s New Chemicals Legislation REACH: Testing a New Model of European Governance, Common Market Law Review 2009, 1823 (1857); Fischer/Fetzer (Fn. 104), 50 (55); Pawlik (Fn. 218), S. 177.

E. Die Rolle der ECHA als zentrale Stelle auf Unionsebene 

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II. Der direkte und der indirekte Vollzug von Unionsrecht Funktionsbedingung jeder rechtsstaatlichen Ordnung bildet die Durchsetzung von Rechtsnormen. Dies gilt im besonderen Maße die Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft. Insofern steht für den Vollzug von materiellem EU-Recht das Europäische Verwaltungsrecht als Gesamtheit der europäischen Normen im Bereich des Verwaltungsrechts233 auf dem Posten. Dabei wird grundlegend zwischen dem Unionsverwaltungsrecht und dem Eigenverwaltungsrecht der Union unterschieden.234 Das Unionsverwaltungsrecht kommt im indirekten Vollzug zur Anwendung, wenn die Mitgliedstaaten materielles Unionsrecht vollziehen, das Eigenverwaltungsrecht der Union regelt den direkten Vollzug von materiellem Verwaltungsrecht durch EU-Organe. Aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 EUV in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 AEUV, dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, ergibt sich, dass eine Befugnis der Unionsorgane zur administrativen Tätigkeit nur dann vorliegt, wenn dies ausdrücklich im Vertragsrecht bestimmt ist.235 Daher stellt der direkte Vollzug von Unions 233 So auch die Definition bei Gassner, Rechtsgrundlagen und Verfahrensgrundsätze des Europäischen Verwaltungsverfahrensrechts, DVBl. 1995, 16 (16); Schnapauff, Deutsche Verwaltung und europäische Integration, in: Magiera/Sommermann (Hrsg.), Verwaltung in der Europäischen Union, 2001, S. 13 (20 f.); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 2005, S. 5 f.; Streinz, Der Einfluß des Europäischen Verwaltungsrechts auf das Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten  – dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, in: Schweitzer (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht, 1991, S. 241 (241); a. A. Weber, Das Verwaltungsverfahren, in: Schweitzer (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht, 1991, S. 55 (55), der diesen Begriff im Sinne des hier als Unionsverwaltungsrecht benannten Rechtsgebiets beschränken möchte. 234 Vor dem Vertrag von Lissabon: „Gemeinschaftsverwaltungsrecht“ und „Eigenverwaltungsrecht der Gemeinschaft“. Erstmals von Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1977, S.  9 ff., in Übernahme der „Trennung […] wie sie in der französischsprachigen Literatur geläufig ist“. Mittlerweile ist diese Unterscheidung „üblich geworden“, so Pernice/Kadelbach, Verfahren und Sanktionen im Wirtschaftsverwaltungsrecht, DVBl. 1996, 1100 (1102 m. w. N.). So etwa bei Blattner, Europäisches Produktzulassungsverfahren, 2003, S.  27 ff.; von Danwitz (Fn.  24), S.  313 Fn.  949 m.w.N; Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformlehre, 2013, S.  12 ff.; Gundel, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Fn.  220), § 3 Rn. 91 ff.; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, 2001, S.  34 f. m. w. N. Die Terminologie ist aber hierbei nicht ganz eindeutig: Für direkten Vollzug werden auch die Synoyme des „zentralen“, „unions/gemeinschaftsinternen“ oder „unions/gemeinschaftsunmittelbaren“ Vollzugs verwendet, für den indirekten Vollzug finden sich auch die Wendungen „dezentraler“ oder „mitgliedstaatlicher“ Vollzug, Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 73 Fn. 173 m. w. N. zur unterschiedlichen Terminologie; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 4 EUV Rn. 51 m. w. N. Zu den Begriffen in der französischen und englischen Terminologie Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 21 Fn. 25. 235 Derartige Bestimmungen finden sich zuvorderst im Wettbewerbs- und Beihilfenaufsichtsrecht, etwa Art.  105, 108 Abs.  3 AEUV, für den Europäischen Auswärtigen Dienst, Art.  27 Abs. 3 EUV und für Europol, Art. 88 AEUV. Allerdings sind auch die meisten Vorschriften des Primärrechts weniger organisatonsspezifisch als aufgabenbezogen formuliert. Sie schließen mit

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

recht durch unionseigene Einrichtungen eine Ausnahme dar, im Regelfall findet ein Vollzug durch Mitgliedstaaten statt.236 Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis von mitgliedstaatlichem und unionseigenem Vollzug wurde durch Art. 291 Abs. 1 AEUV ausdrücklich festgeschrieben237 und erklärt auch die ausführliche Beschäftigung von Rechtsprechung und Literatur mit dem Unionsverwaltungsrecht,238 prominent etwa zur unionsrechtlichen Modifikation der §§ 48 ff. VwVfG im Fall der Rückforderung europarechtswidriger Subventionen.239 Auch das europäische Cheanderen Worten die Zuweisung von Verwaltungstätigkeit an die Union nicht aus, sondern überlassen die konkrete Zuweisung dem Sekundärrecht, Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd.  1: Methoden  – Maßstäbe – Aufgaben – Organisation, 2. Aufl., 2012, § 5: Verfassungsprinzipien für den Europäischen Verwaltungsverbund Rn. 20 f. Dieser benennt als einschränkende Regelungen zuvorderst das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EUV i. V. m. dem neuen Subsidiaritätsprotokoll nach Art. 51 EUV und das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Art. 5 Abs. 4 EUV, daneben aber auch die Verpflichtung der EU zur bürgernahen Entscheidung gemäß Art. 1 Abs. 2 EUV, und zur Achtung der regionalen und lokalen Selbstentscheidung nach Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV. 236 Arndt/Fischer/Fetzer, Europarecht, 10. Aufl., 2010, Rn. 236 ff.; Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, 10. Aufl., 2013, § 8 Rn.  2; Efstratiou, Richterrechtliche Vorgaben zum Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten beim indirekten Vollzug des Unionsrechts, in: Karakostans/Riesenhuber (Hrsg.), Methoden- und Verfassungsfragen der euro­ päischen Rechtsangleichung, 2011, S. 99 (101); Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5: Wirkungen und Rechtsschutz, 2010, Rn.  1747 ff.; Gundel, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Fn.  220), § 3 Rn. 101 f.; Pühs (Fn. 234), S. 74 m. w. N.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Fn.  235), § 5  Rn.  19; Schnapauff, in: Magiera/Sommermann (Fn.  233), S.  13 (21); Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, 2009, S.  9; Vedder, in:­ Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2012, Art.  291 AEUV Rn. 7. 237 Etwa Gärditz, Die Verwaltungsdimension des Lissabon-Vertrages, DÖV 2010, 453 (462); Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 291 AEUV Rn. 2; Schwarze, Die Neuerungen auf dem Gebiet des Europäischen Verwaltungsrechts durch den Vertrag von Lissabon, in: Appel/ Hermes/Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat, 2011, S.  837 (838 f.);­ Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Fn. 236), Art. 291 AEUV Rn. 4, 6 f. 238 Es handelt sich dabei um kein rein deutsches Phänomen, so Woehrling, Wechselwirkung zwischen nationalem Verwaltungsrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht – aus französischer Perspektive, in: Magiera/Sommermann (Hrsg.), Verwaltung in der Europäischen Union, 2001, S.  45 (45): „Die Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das französische Recht haben eine Flut von Literatur ausgelöst, die so vielfältige Aspekte anspricht, dass man glauben könnte, das französische öffentliche Recht sei schon vollständig durch die EG geprägt.“ Ähnliches gilt auch für den englischen Rechtskreis, Sommermann, Europäisches Verwaltungsrecht oder Europäisierung des Verwaltungsrechts?  – Inkonsistenzen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, DVBl. 1996, 889 (889). Für das Stadium der juristischen Ausbildung bemerkt dies Kment, Das Eigenverwaltungsrecht der Europäischen Union, JuS 2011, 211 (211). 239 Siehe nur Berninghausen, Die Europäisierung des Vertrauensschutzes, 1998; Michels, Vertrauensschutz beim Vollzug von Gemeinschaftsrecht und bei der Rückforderung rechtswidriger Beihilfen, 1997; Müller, Die Aufhebung von Verwaltungsakten unter dem Einfluß des Europarechts, 2000, S.  206 ff.; Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1: Methoden – Maßstäbe – Aufgaben – Organisation, 2.  Aufl., 2012, § 17: Rechtsquellen und Rechtsschichten des Verwaltungsrechts Rn.  8 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Fn.  235), § 5

E. Die Rolle der ECHA als zentrale Stelle auf Unionsebene 

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mikalienrecht wurde vor Erlass der REACH-VO im Wege des mittelbaren Vollzugs durch die mitgliedstaatlichen Behörden vollzogen.240 Demgegenüber sind die Vollzugskompetenzen der EU im Bereich des Eigen­ verwaltungsrechts nur beschränkt. Unstrittig hat sie die Kompetenz im unionsinternen Bereich, da dort eigene Verwaltungsbelange, „ihr eigenes Haus“241, in Rede steht. Dazu gehören etwa Personalangelegenheiten, der Haushaltsvollzug oder die interne Organisation.242 Von größerem Interesse ist der direkte Vollzug im „klassischen“ verwaltungsrechtlichen Außenrechtsverhältnis. In diesen Fällen wird die EU durch eigene Organe unmittelbar gegenüber dem Unionsbürger tätig – es handelt sich somit um ein eigenes „Handlungsrecht“243, etwa im Beihilfeaufsichtsrecht, im Kartell- und Monopolrecht, im Antidumpingrecht, in der Handelsund Sozialpolitik sowie partiell im Markenschutzrecht.244 Auch die REACH-VO enthält Elemente des direkten Vollzugs, so etwa für das im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende Registrierungsverfahren, aber auch etwa im Bereich der Stoffzulassung.

Rn.  30 ff.; Triantafyllou, Zur „Europäisierung“ des Vertrauensschutzes (insbesondere § 48 VwVfG)  – am Beispiel der Rückforderung staatlicher Beihilfen, NVwZ 1992, 436 ff. Einen systematischen Überblick geben z. B. Jans/Lange/Precha/Widdershoven, Europeanisation of public law, 2007, und Sommermann, Veränderungen des nationalen Verwaltungsrechts unter europäischem Einfluss – Analyse aus deutscher Sicht, in: Schwarze (Hrsg.), Bestand und Perspektiven des Europäischen Verwaltungsrechts, 2008, S. 181 (181 ff.). Nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien sowie Mittel- und Osteuropa nimmt Schwarze, Zukunftsaussichten für das europäische öffentliche Recht, 2010, in den Blick. In jüngerer Zeit stehen insbesondere im Mittelpunkt Fragen der Bestandskraft belastender Verwaltungsakte, der Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens und die Rücknahmepflichten der Verwaltung, siehe etwa Ruffert, Europäisiertes allgemeines Verwaltungsrecht im Verwaltungsverbund, Die Verwaltung 41 (2008), 543 ff. Die Europäisierung des nationalen Rechts im Hinblick auf den Zeitraum 2009 bis 2011 stellt Nowak, Europarecht und Europäisierung in den Jahren 2009–2011 (Teil 2), DVBl. 2012, 861 ff., dar. Die Vehemenz, mit der der Einfluss des europäischen Verwaltungsrechts auf das nationale Verwaltungsrecht kritisiert wurde, lässt sich etwa im Beitrag von Schoch, Die Europäisierung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, JZ 1995, 109 ff., ablesen. 240 Weidemann (Fn.  23), 232 (232); ebenso Weidemann, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 23), S. 203 (205 f.). 241 Rengeling (Fn. 234), S. 9 f. 242 Hegels (Fn. 234), S. 29; Kment (Fn. 238), 211 (212); Schwarze (Fn. 233), S. 25 ff.; siehe auch die Benennung einzelner Gebiete des Organisationsrechts bei Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Fn. 235), § 5 Rn. 35; siehe auch Augsberg, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, 2011, § 6 Europäisches Verwaltungsorganisationsrecht und Vollzugsformen Rn.  31 ff. Hatje, Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, 1998, S.  43 f., differenziert zusätzlich zwischen dem internen und dem externen Vollzug. 243 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Fn. 235), § 5 Rn. 35, mit Beispielen in Rn. 36. 244 Etwa die beispielhafte Aufzählung bei Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., 2014, § 12 Rn. 9.

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Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

III. Die REACH-VO als Ausprägung des europäischen Verwaltungsverbundes In jüngerer Zeit hat sich dieser Direktvollzug ausgeweitet und diversifiziert. Es lässt sich eine verstärkte Anreicherung des Vollzugs von Unionsrecht durch Elemente des Direktvollzugs beobachten.245 Vor diesem Hintergrund stehen die beiden Vollzugskategorien nicht mehr getrennt nebeneinander, sondern werden als jeweils wechselseitige Ergänzung verstanden.246 Im direkten Vollzug wurde das „Vollzugsmonopol“ der Europäischen Kommission in den letzten Jahren zunehmend aufgegeben. Wenngleich sie nach wie vor das zentrale Organ darstellt, sind insbesondere den europäischen Agenturen weitere Aufgaben übertragen worden. Existierten zunächst lediglich der Europäischen Kommission nachgeordnete Exekutivagenturen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die aber unter der Kontrolle der Europäischen Kommission stehen und von dieser Aufgaben übertragen erhalten, entstanden in der nächsten Stufe Unionsagenturen, die nicht nur rechtlich selbstständig, sondern auch von allen anderen Organen der Union, also auch von der Europäischen Kommission, inhaltlich unabhängig sind. Eine weitere Ausdiversifizierung wie auch Vernetzung fand durch die Gründung von Ausschüssen innerhalb der Agenturen statt sowie durch die Schaffung des Komitologieverfahrens als verschränktem Verwaltungsverfahren auf europäischer Ebene.247 Mittlerweile wird das Gefüge von nationalen und unionellen Stellen und Behörden, die das Unionsrecht vollziehen, als „Europäischer Verwaltungsverbund“248 bezeichnet. Er besteht sowohl aus Elementen horizontaler Vernetzung zwischen den Mitgliedstaaten als auch vertikaler Vernetzung zwischen den Organen der Union und den Mitglied-

245

Siegel (Fn. 236), S. 9. Pache, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, VVDStRL 66 (2007), 104 (110); Pawlik (Fn. 218), S. 22 ff.; Schaller, Die Intensivierung des Europäischen Verwaltungsverbundes in der Regulierung des Telekommunikations- und Energiesektors, in: MüllerGraff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), Europäisches Recht zwischen Bewährung und Wandel, 2011, S. 415 (415); Schwarze, in: Appel/Wahl (Fn. 237), S. 837 (839); Siegel (Fn. 236), S. 9; Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, 2010, S. 15. 247 So die Entwicklung darstellend Majcherek, Die Haftung der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland beim Vollzug des europäischen Chemikalienrechts (REACH), 2011, S. 13 ff.; Siegel (Fn. 236), S. 10; Weiß (Fn. 246), S. 51 ff., 85 ff. 248 Bereits relativ früh Kahl, Hat die EG die Kompetenz zur Regelung des Allgemeinen Verwaltungsrechts?, NVwZ 1996, 865; prägend von Bogdandy, Supranationaler Förderalismus als Wirklichkeit und Idee einer neuen Herrschaftsform, 1999, S. 11 ff.; Schmidt-Aßmann, Europäische Verwaltung zwischen Kooperation und Hierarchie, in: Cremer/Giegerich/Richter u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Recht, 2002, S. 1375 (1375 ff.); Weiß (Fn. 246), S.  17 ff. m. w. N. Siehe auch Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Fn.  235), § 5 Rn.  16 Fn.  58 m. w. N. aus der aktuellen Literatur. Daraus folgend ist auch der Begriff des Verwaltungskooperations- oder Verbundverwaltungsrechts entstanden, siehe etwa Efstratiou, in: Karakostans/Riesenhuber (Fn.  236), S.  99 (104). Einen Überblick über die aktuell verwendeten Begrifflichkeiten bzw. Synonyme liefert von Danwitz (Fn. 24), S. 610 f. 246

E. Die Rolle der ECHA als zentrale Stelle auf Unionsebene 

65

staaten249 und zeigt sich funktional als Informations-, Entscheidungs- und Kontrollverbund.250 Die Verbundverwaltung bildet mittlerweile die Normallage einer Zusammenarbeit der europäischen Verwaltung.251 Sie soll durch die Kooperation der verschiedenen Verwaltungsebenen gewährleisten, dass das Unionsrecht in den Mitgliedstaaten ebenso wirksam wie gleichförmig Anwendung findet.252 Daneben kann sie als Mischform im Idealfall die Vorteile des Vollzugs auf europäischer Ebene, die erhöhte Einheitlichkeit der Anwendung des Unionsrechts, wie des Vollzugs auf nationaler Ebene, die stärkere Bürgernähe und die im Regelfall höhere Kapazität der nationalen Verwaltung auf sich vereinigen.253 Schließlich kann sie durch die Einbindung von Behörden anderer Mitgliedstaaten oder der EU, etwa im Fall von transnationalen Verwaltungsakten254 oder gestuften Entscheidungsverfahren255, für eine erhöhte Akzeptanz sorgen.256 Dabei stellt der Europäische Verwaltungsverbund als Verbundverwaltung erhöhte Anforderungen an alle Beteiligten, namentlich eine entsprechende personelle und technische Ausstattung, um einen wirksamen Informationsaustausch257 und effizientes Handeln sicherzustellen.258

249 Kahl, Der europäische Verwaltungsverbund: Strukturen – Typen – Phänomene, Der Staat 2011, 353 (355 f.); Siegel (Fn. 236), S. 11; Weiß (Fn. 246), S. 43 ff., 49 ff., 70 ff. Dieses hierarchische Element wird teilweise als konstitutiv angesehen, Calliess, Europäischer Binnenmarkt und europäische Demokratie: Von der Dienstleistungsfreiheit zur Dienstleistungsrichtlinie  – und wieder Retour?, DVBl. 2007, 336 (343 Fn.  69); Schmidt-Aßmann, Einleitung: Der Europäische Verwaltungsverbund und die Rolle des Europäischen Verwaltungsrechts, in: Schmidt-Aßmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 1 (7). 250 Pache (Fn.  246), 110 (111); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Fn. 235), § 5 Rn. 16; Siegel (Fn. 236), S. 12. Kahl systematisiert nach den Kriterien Vollzugsverbund, Lenkungsverbund und Aufsichtsverbund und nennt als Sonderkategorien den Regulierungs- und den Planungsverbund sowie den vorgelagerten Informationsverbund, Kahl (Fn. 249), 353 (360). 251 Guckelberger/Geber, Allgemeines Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht vor seiner unionsrechtlichen Kodifizierung?, 2013, S. 53; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Fn. 235), § 5 Rn. 28a. Zum europäischen Verwaltungsverbund im Bereich der Telekommunikations- und Energieregulierung Schaller, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Fn. 246), S. 415 (415 ff.); Weiß (Fn. 246), S. 18 f., 115 ff. 252 von Danwitz (Fn. 24), S. 609 f.; Pache (Fn. 246), 110 (117); Schaller, in: Müller-Graff/ Schmahl/Skouris (Fn. 246), S. 415 (415); Sydow, Die Vereinheitlichung des mitgliedstaatlichen Vollzugs des Europarechts in mehrstufigen Verwaltungsverfahren, Die Verwaltung 34 (2001), 517 (519). 253 von Danwitz (Fn. 24), S. 610; Kahl (Fn. 249), 353 (354); Weiß (Fn. 246), S. 28 ff. 254 Kahl (Fn. 249), 353 (366 f.); Neßler, Der transnationale Verwaltungsakt – Zur Dogmatik eines neuen Rechtsinstituts, NVwZ 1995, 863 (864). 255 Kahl (Fn. 249), 353 (367 ff.); Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2004, S. 152. 256 von Danwitz (Fn. 24), S. 610; Kahl (Fn. 249), 353 (356 f., 366 f.); Weiß (Fn. 246), S. 33 ff. 257 Gerade die EU-weite Generierung von Informationen und der Ausgleich von Informationsasymetrien stellt hohe Anforderungen, Weiß (Fn. 246), S. 32 f., 65 ff. 258 von Danwitz (Fn. 24), S. 614; Weiß (Fn. 246), S. 28 ff. mit der Darstellung von weiteren Zielen des europäischen Verwaltungsverbundes.

66

Kap. 1: Die REACH-VO – Herausforderung, Entstehung und Inhalt 

Die durch die REACH-VO geschaffene Struktur eines europäischen Verwaltungsverbundes259 im Bereich des Chemikalienrechts bildet dabei ein leuchtendes Beispiel für eine Verbundverwaltung im Sinne einer europäischen Verwaltung zur Lösung von Problemen, die sinnvoll nur auf europäischer, jedenfalls nicht auf nationaler, Ebene angegangen werden können. Die ECHA bildet im Rahmen des dabei geschaffenen Informationsverbundes eine zentrale Rolle, sie dient als „Informationslotse“260, welcher die erforderlichen Informationen mit dem Instrument der Registrierung sammelt und dann den nationalen Behörden zur Verfügung stellt.261 Gleichzeitig nehmen im Rahmen der Dossier- und Stoffbewertung der Ausschuss der Mitgliedstaaten und im Rahmen der Zulassung die Ausschüsse für Risikobeurteilung und für die sozio-ökonomische Analyse zentrale Aufgaben wahr.262 Ebenfalls findet im Rahmen der REACH-VO das Instrument des Komitologiebeschlusses263 mit den bereichsübergreifend handelnden Komitologieausschüssen Verwendung, um so eine entsprechende Vernetzung sicherzustellen.

259 Siehe dazu ausführlich Majcherek (Fn. 247), S. 13 ff.; Siegel, Das neue Kontrollsystem für Chemikalien nach der REACH-Verordnung, EurUP 2007, 106 (117). 260 Einige Stimmen in der Literatur benennen ihre Rolle als „Moderator“: Siegel (Fn. 236), S. 12 f.; Weidemann (Fn. 23), 232 (233); ebenso Weidemann, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 23), S. 203 (207). Allerdings ist die ECHA nicht nur moderierend, mithin begleitend, tätig, sondern übt auch eigene Entscheidungsbefugnisse aus. 261 Zur Rolle der ECHA im REACH-Verbund insbesondere Majcherek (Fn. 247), S. 179 ff. 262 Zur Aufgabe der Ausschüsse im REACH-Verbund siehe S. 57 ff. 263 Vgl. Beschluss des Rates vom 28.  Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. EG Nr. L 184, S.  23 ff. Nach Lissabon wurde diese durch die Verordnung (EU) Nr.  182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. EU Nr. L 55, S. 13, ersetzt. Eine Darstellung der Entwicklung dieses Komitologieverfahrens erfolgt bei Craig (Fn. 217), S. 111 ff. Zu dieser Neuregelung insbesondere Daiber, EU-Durchführungsrechtsetzung nach Inkrafttreten der neuen Komitologie-Verordnung, EuR 2012, 240 (243 ff.); Pilniok/Westermann, Strukturwandel im Verwaltungsverbund? Eine Analyse des neuen Rechtsrahmens der unionalen Komitologieausschüsse, VerwArch 2012, 379 ff.; Solle, „Komitologie“ nach dem Vertrag von Lissabon, StoffR 2011, 256 (256 ff.). Kritisch zum Komitologieverfahren in Bezug auf den Erlass individueller Beschlüsse, Riedel, Die Durchführungsrechtsetzung nach Art. 211, 4 Sp. EG – zwei Arten tertiärer Kommissionsakte und ihre dogmatischen Fragestellungen, EuR 2006, 512 (538), da es im Grunde auf die Konfliktlösung von EU-Organen eingerichtet ist und nicht auf den Erlass individueller Beschlüsse, bleibt der Rechtsschutz für Betroffene vielfach gering; ebenfalls kritisch Sydow, Europäische exekutive Rechtsetzung zwischen Kommission, Komitologieausschüssen, Parlament und Rat, JZ 2012, 157 (157 ff.). Eine Handlungsformlehre in Bezug auf durch Komitologie erlassene Beschlüsse entfaltet Glaser (Fn. 234), S. 563 ff. Spezifisch zur Anwendung im Rahmen von REACH Martel, REACH – Komitologie und Rechtsschutz, ZEuS 2008, 601 (610 ff., insbesondere 623 ff.); Schmolke, in: Führ (Fn. 221), Kapitel 27 Rn. 32 ff.; zur Entstehung der Regelungen der Art. 131 bis 133 REACH-VO Fetzer, in: Fluck/ Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 131–133 REACH-VO Rn. 11 ff., zum Ablauf Rn. 33 ff.

Kapitel 2

Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO Den Ausgangspunkt der Informationsgewinnung durch die REACH-VO bildet das Registrierungsverfahren. Der zentrale Akteur in diesem Verfahren auf be­ hördlicher Seite ist die ECHA. Jeder chemische Stoff, der in einer Menge von mehr als 1 t/a hergestellt oder in Verkehr gebracht werden soll, muss durch Einreichung eines technischen Dossiers (verbunden mit der Zahlung einer Registrierungsgebühr nach Art.  74 REACH-VO in Verbindung mit der REACHGebührenverordnung264) registriert werden.265 Dabei staffelt sich der Inhalt des Registrierungsdossiers nach der Stoffmenge. Es enthält nach Art. 10 REACHVO Informationen über physikalisch-chemische, toxische und ökotoxische Eigenschaften, ge­gebenenfalls einen Stoffsicherheitsbericht sowie einen Einstufungs- und Kennzeichnungsbericht. Da alle weiteren Schritte im Rahmen des REACH-Regimes von dem Vorhandensein von Informationen abhängen  – von quantitativ und qualitativ ausreichenden Informationen – und die Registrierung dies sicherstellen soll, rechtfertigt sich deren Bezeichnung als „Kernelement“266 der REACH-VO. Das Handeln der ECHA im Registrierungsverfahren bildet das Zentrum dieser Arbeit. Daher soll dieses Verfahren en detail dargestellt werden – dabei wird sowohl der geforderte Inhalt eines Registrierungsdossiers (B.)267 als auch der Ablauf des Verwaltungsverfahrens (C.)268 in den Blick genommen. Außerdem wird der completeness check inhaltlich vom compliance check nach Art. 41 REACHVO abgegrenzt (D.)269, denn wiewohl zwischen beiden Verfahren in vielfältiger Weise Berührungspunkte vorliegen, „es gibt keine Dossierbewertung ohne Regis-

264 Verordnung (EG) Nr.  340/2008 der Kommission vom 16.  April 2008 über die an die Europäische Chemikalienagentur zu entrichtenden Gebühren und Entgelte gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), ABl. EU Nr. L 107/6, S. 1. 265 Zu Ausnahmen und Sonderregelungen zur Registrierungspflicht Fischer, in: Fluck/ Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 31. 266 So auch die Bezeichnung bei Lulei/Fink/Hanschmidt (Fn. 121), 21 (21): „Kernelement“. 267 Siehe S. 70 ff. 268 Siehe S. 74 ff. 269 Siehe S. 87 ff.

68

Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

trierung“270, bestehen inhaltlich wie in Bezug auf den Ablauf in vielerlei Weise Unterschiede. Daneben wird der Registrierungsbeschluss als Handlungsform in das europäische Recht eingeordnet (E.)271.

A. Einführung Zentral für die Darstellung des Registrierungs- und Dossierbewertungs­systems der REACH-VO ist Art.  5 REACH-VO. Dieser legt, prägnant mit „ohne Daten kein Markt“ überschrieben, fest, dass Stoffe, die in der Union hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, vorher registriert werden müssen. Gemäß Art.  6 Abs.  1 REACH-VO bzw. Art.  7 Abs.  1 REACH-VO gilt dies grundsätzlich für alle chemischen Stoffe272, die in einer Menge von mindestens 1 t/a273 hergestellt oder importiert274 werden sollen.275 Dieser mengenbasierte Ansatz beruht auf der

270 So prägnant von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu Titel VI REACH-VO  – Bewertung Rn.  7. Während man den completeness check des Art.  20 Abs.  2 REACH-VO im Deutschen noch als Vollständigkeitsprüfung bezeichnen kann, wird im Allgemeinen die Dossierbewertung des Art.  41 REACH-VO als compliance check bezeichnet, der entsprechende Ausdruck im Deutschen „Prüfung des Registrierungsdossiers auf inhaltliche Erfüllung der Anforderungen“ erscheint umständlich. Da sich die Bezeichnung „compliance check“ eingebürgert hat, wird sie auch im Folgenden verwendet. Siehe zum compliance check unten S. 87 ff. 271 Siehe S. 95 ff. 272 Siehe S. 42 ff. für die allgemeinen Ausnahmen vom Geltungsbereich der REACH-VO; zu den besonderen Ausnahmen für die Registrierung etwa von Holleben/Scheidmann (Fn. 96), 16 (20). 273 Krisitiert wird die Mengenschwelle von 1 t/a an sich: So fallen eine ganze Reihe niedrigvolumiger Stoffe aus dem Anwendungsbereich der Verordnung heraus. Außerdem bedeutet das eine Heraufsetzung der Mengenschwelle für Neustoffe, die vor REACH bei 10 kg/a lag. Siehe dazu Bernstorff, REACH: Die neue EU-Chemiepolitik droht zu scheitern – Konzerne legen sich quer, EurUP 2004, 68 (70); Ingerowski (Fn. 3), S. 120; Kern (Fn. 171), 68 (69); Kuhn (Fn. 17), S. 120. 274 Zum abweichenden Wortlaut von Art.  5 REACH-VO „in Verkehr gebracht“ und Art.  6 REACH-VO „importiert“, von Hahn, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 5 REACH-VO Rn. 11 ff. 275 Das wirft auch das wohl im Bereich der Anwendbarkeit der REACH-VO gegenwärtig am stärksten diskutierte Thema auf: Die Anwendbarkeit der REACH-VO auf Nanomaterialien. Dabei handelt es sich um Strukturen, die kleiner als 100 Nanometer sind und damit besondere Anwendungsfelder finden. Allerdings haben weder die geringe Größe und Maße noch deren besondere Eigenschaften Niederschlag in die Verordnung, die Guidances oder das sonstige Material der ECHA gefunden. Insbesondere fallen sie vor dem Hintergrund ihrer geringen Größe und Maße nur in den seltensten Fällen in die Mengenbänder ab 1 t/a. Gleichzeitig ist gerade im Bereich dieser Zukunftstechnologie das Wissen sehr gering, sodass sich eine Anwendung der REACH-VO zur Generierung von Stoffinformationen rechtfertigen würde. Näher zu diesem Problemfeld Rucireto, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 7:

A. Einführung

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Annahme, dass das Stoffrisiko einer Chemikalie höher ist, je größer die Menge dieser Chemikalie ist, die sich im Umlauf befindet.276 Eine Registrierung findet durch das Einreichen eines technischen Dossiers nach Art.  10 REACH-VO sowie nach Art.  14 REACH-VO ab einer Stoffmenge von 10 t/a, eines Stoffsicherheitsberichts277 bei der ECHA statt. Damit sollen Stoffinformationen generiert werden und sich so das Wissen über Risiko-Managementmaßnahmen zur Begrenzung der Exposition verbessern.278 Dieses Registrierungsdossier wird von der ECHA nach dem Verfahren des Art. 20 f. REACH-VO überprüft. Am Ende des Vorgangs steht die Registrierung und damit die Aufhebung des absoluten Verbots des Art. 5 REACH-VO.

Nanomaterialien; Herrmann/Groß, Rechtsfragen zur Anwendung des Stoffbegriffs auf Nanomaterialien im Rahmen der REACH-Verordnung; Raupach (Fn.  72), S.  389 ff. Einen Überblick über den Meinungsstand und Aktivitäten der EU-Kommission gibt http://ec.europa.eu/ enterprise/sectors/chemicals/reach/nanomaterials/ (1.5.2014). 276 Die REACH-VO stellt insofern ein „primär stoffbezogenes Regelwerk“ dar, in dem die Stoffmenge das maßgebliche Kriterium bildet, Fischer (Fn. 127), S. 8. Sie betrachtet die jeweilige Stoffmenge als „Annährungsgröße für potentielle Gefahren“ (so Heitmann/Tschochohei, Die Zukunft der europäischen Chemikalienpolitik, uwf 2007, 40 [41]) oder als „erstes Indiz“ (so Appel [Fn. 185], 167 [168]). Ingerowski (Fn. 3), S. 251 ff., akzeptiert diesen mengenbasierten Ansatz zwar aus vollzugspragmatischen Gründen, weist aber darauf hin, dass die Gleichung „große Stoffmenge = große Gefahr“ so wissenschaftlich nicht haltbar sei; etwa könnten einzelnen Personengruppen auch bei kleinvolumigen Stoffen einer starken Exposition ausgesetzt sein, zum Beispiel, wenn diese Stoffe an ihrem Arbeitsplatz auftreten; so etwa auch Calliess/Lais (Fn. 96), S. 290 (295); Fischer (Fn. 127), S. 61; Friege/Nover, Was ist erreicht worden mit REACH?, UWSF 2006, 271 (272); Hansson/Rudén, Priority-Setting in the REACH System, Toxicological Sciences 2006, 304 (305). Im Übrigen kommen Cunningham/Rosenkranz, Estimating the Extent of the Health Hazard Posed by High-Production Volume Chemicals, Environmental Health Perspectives 2001, 953 (955), zum Ergebnis, dass die Stoffe in den oberen Mengenbändern in den meisten Fällen nur eine geringe Toxizität aufweisen. Der Alternativvorschlag des VCI sah eine Abkehr vom mengenbasierten und eine Hinwendung zu einem Prüfungssystem, das sich am Verwendungszweck des Stoffes und der daraus resultierenden Expositionswahrscheinlichkeit orientiert, vor; zum Vorschlag im Einzelnen Romanowski, Das REACH-System muss kosteneffizienter und praktikabler werden, Mitteilungen der Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie 2004 Nr. 3, 9 ff.; Romanowski (Fn. 96), 72 (73); sowie Müller/Seidl, REACH aus bayerischer Sicht der Politik und Wirtschaft, WiVerw 2005, 202 (207 ff.). Ein solcher mengenbasierter Ansatz wird etwa auch in Kanada verwendet, ein System der risikoabhängigen Testanforderungen existiert zum Beispiel in den USA und Japan, Fleischer, Regulierungswettbewerb und Innovation in der chemischen Industrie, 2001; Kuhn (Fn.  17), S.  101; zur Ausgestaltung dieser anderen Herangehensweise an die Chemikalien­ regulierung auch Kuhn (Fn. 17), S. 246. 277 Nicht erforderlich ist dieser Stoffsicherungsbericht allerdings bei Stoffen in Gemischen, deren Konzentration unter den Konzentrationsgrenzen liegt, die in der EG-Zubereitungsrichtlinie festgelegt wurden. 278 Erwägungsgrund (19) der REACH-VO. So auch in der Literatur Fischer (Fn. 194), 853 (855, 861); Führ, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 93), S. 87 (97); Führ/Bizer, RisikoManagement entlang der Wertschöpfungskette, uwf 2007, 217 (220); Siegel (Fn. 259), S. 106 (109).

70

Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

Wenngleich die Differenzierung zwischen Neu- und Altstoffen des alten Chemikalienregimes im Rahmen dieses Mechanismus wegfällt, wird eine Unterscheidung dennoch gezogen, sie ist allerdings weniger inhaltlicher als organisatorischer Natur: Während Neustoffe, die sogenannten „Nicht-Phase-in-Stoffe“ ab dem 1.6.2008 der Registrierungspflicht unterliegen, werden Altstoffe gestaffelt nach Produktionsvolumen von der Registrierungspflicht erfasst. Diese Regelung soll zum einen den angemessenen Übergang für die Industrie sicherstellen, zum anderen verhindern, dass die ECHA und die nationalen Behörden im Normvollzug in der Übergangsphase überlastet werden.279 Bei diesen „Phase-in-Stoffen“ handelt es sich zum einen um die etwa 30 000 Stoffe, die im europäischen Altstoffverzeichnis EINECS geführt werden, zum zweiten um Stoffe, die in den letzten 15 Jahren vor Inkrafttreten der REACH-VO mindestens einmal nachweislich in Verkehr gebracht wurden,280 und zuletzt um Stoffe, die bereits nach Art. 8 Abs. 1 1.  Spiegelstrich EG-Gefahrstoffe-HarmonisierungsRL nachweislich angemeldet wurden, bei denen es sich aber nicht um Polymere im Sinne der REACH-VO handelt.281 Sind diese Phase-in-Stoffe nach Art. 28 REACH-VO vorregistriert, gelten abweichende Registrierungspflichten nach Art. 23 REACH-VO.282

B. Registrierungsdossier und Stoffsicherheitsbericht: Inhalte und Anforderungen Der Inhalt des Registrierungsdossiers staffelt sich nach der Jahrestonnage gemäß Art. 12 REACH-VO. Die nötigen Informationen sind in Art. 10 REACHVO niedergelegt; das Registrierungsdossier besteht je nach Mengenband aus einem technischen Dossier (B. I.)283 sowie gegebenenfalls aus einem Stoffsicherheitsbericht (B. II.)284.

279

Ingerowski (Fn. 3), S. 122 f. Es handelt sich somit um Stoffe, die nicht in EINECS aufgelistet sind, dennoch aber in Europa hergestellt wurden, ohne dass sie vermarktet wurden. Dabei wird es sich in erster Linie um Stoffe handeln, die von Unternehmen lediglich intern verwendet werden, etwa als Prozessstoffe, Kuhn (Fn. 17), S. 80 Fn. 434. 281 Siehe auch die Definition in Art. 3 Nr. 20 REACH-VO; dazu in der Literatur Ingerowski (Fn. 3), S. 122 f.; Kuhn (Fn. 17), S. 80 f. 282 Siehe dazu auch Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Einführung zu REACH Rn.  33 ff.; ausführlich Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  23 REACH-VO Rn. 7 ff. 283 Siehe S. 71 ff. 284 Siehe S. 72 f. 280

B. Registrierungsdossier und Stoffsicherheitsbericht

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I. Das technische Dossier nach Art. 10 lit. a) REACH-VO Bestandteil jeder Registrierung ist ein technisches Dossier nach Art.  10 lit. a) REACH-VO. Dabei richtet sich die Menge und Detailliertheit der Angaben nach der Menge des Stoffes; je größer die Menge, desto mehr Informationen müssen vorgelegt werden; maßgeblich ist insofern Art. 12 REACH-VO.285

Abbildung 1: Informationsanforderungen nach der REACH-VO

Art.  10 lit.  a)  REACH-VO nennt die Bestandteile des technischen Dossiers: Dies sind die Identität des Herstellers oder Importeurs, die Identität des Stoffes, Angaben zu seiner Herstellung und Verwendung, eine Einstufung und Kennzeichnung des Stoffes sowie Anweisungen für seine sichere Verwendung und einfache oder qualifizierte Studienzusammenfassungen der Angaben zu den inhärenten Eigenschaften, die sich aus Anwendung der Anhänge VII bis XI REACH-VO ergeben. Dazu gehören auch Angaben, ob die Informationen zur Herstellung und Verwendung, zur Einstufung und Kennzeichnung, die einfachen bzw. qualifizierten

285 Dieser mengenbasierte Ansatz kann aber auch in Einzelfällen eine Absenkung des vor REACH bestehenden Schutzstandards zur Folge haben, siehe das Beispiel bei Fischer (Fn. 127), S. 22.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

Studienzusammenfassungen286 und der gegebenenfalls erforderliche Stoffsicherheitsbericht von einem Sachverständigen geprüft wurden.287 Weiterhin umfasst das Dossier Vorschläge für weitere Versuche und für Stoffe, die in einer Größenordnung zwischen 1 bis 10 t/a registriert werden, expositionsbezogene Angaben, etwa über die wichtigsten Verwendungskategorien, Verwendungsarten sowie signifikante Expositionspfade. Gemäß Art. 111 REACH-VO ist für das technische Dossier das IUCLID-Format zu verwenden; die Verordnung schreibt dabei allerdings nicht das dafür zu nutzende IT-Tool vor.288

II. Der Stoffsicherheitsbericht nach Art. 10 lit. b) REACH-VO Der Stoffsicherheitsbericht nach Art.  10 lit.  b)  REACH-VO dokumentiert die vom Registranten vorgenommene Sicherheitsbeurteilung seines Stoffes und ist ab einem Mengenband von 10 t/a zusätzlich einzureichen.289 Dabei enthält Anhang I REACH-VO allgemeine Bestimmungen für die Stoffsicherheitsbeurteilung und die Erstellung von Stoffsicherheitsberichten. Notwendiger Bestandteil ist eine detaillierte Zusammenfassung der Angaben zu den schädlichen Wirkungen des Stoffes auf die Umwelt und menschliche Gesundheit sowie gegebenenfalls290 eine Expositions- und Risikobewertung. Ziel des vom Registranten zu erstellenden291 Stoffsicherheitsberichts ist es zu beschreiben, wie 286

Diese Studienzusammenfassungen müssen nach Art. 13 Abs. 3 und 4 REACH-VO den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr.  440/2008 der Kommission vom 30.  Mai 2008 zur Festlegung von Prüfmethoden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), ABl. EU Nr. L 142, S. 1, genügen. 287 Näher zum Inhalt des technischen Dossiers Fink/von Hahn, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  10 REACH-VO Rn.  5 ff., sowie Hahn, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art. 12 REACH-VO Rn. 29 ff. 288 Durch ECHA, Guidance on registration, S. 58, wird allerdings das Tool IUCLID 5 empfohlen. 289 Ursprünglich sollte für alle registrierungspflichtigen Stoffe eine Stoffsicherheitsbeurteilung durchgeführt und damit auch ein Stoffsicherheitsbericht erstellt werden. Diese Vorgabe wurde jedoch im Rahmen der Genese der REACH-VO abgeschwächt, Ingerowski (Fn.  3), S. 175. 290 Dies muss dann geschehen, wenn der Registrant zum Ergebnis kommt, dass der Stoff die Einstufung als „gefährlich“ gemäß der EG-Gefahrstoffe-HarmonisierungsRL erfüllt oder es sich um einen PBT- oder vPvB-Stoff handelt. 291 Dies kennzeichnet einmal mehr den Paradigmenwechsel im Rahmen von REACH. Früher war es lediglich Aufgabe der Hersteller, Stoffrisiken zu ermitteln und diese offen zu legen. Die daraus notwendigerweise folgende Ableitung und Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen war dagegen nicht mehr ihre Aufgabe. Nun gehört auch die Identifizierung und Dokumen-

B. Registrierungsdossier und Stoffsicherheitsbericht

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ein Stoff über seinen gesamten „Lebensweg“ sicher gehandhabt werden kann.292 Dabei muss der Registrant ermitteln, ob der Stoff für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gefährliche Eigenschaften hat, er muss den DNEL-Wert293 sowie den PNEC-Wert294 des Stoffes bestimmen.295 Weiterhin wird ein Test verlangt, ob der Stoff gefährliche physikalisch-chemische Eigenschaften aufweist; Prüfungsmaßstab ist hier die EG-Gefahrstoffe-HarmonisierungsRL sowie gegebenenfalls die EG-Zubereitungsrichtlinie. In einem letzten Test muss der Registrant prüfen, ob der Stoff die Kriterien eines persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Stoffes (PBT296) oder eines sehr persistenten, sehr bioakkumulierbaren Stoffes (vPvB297) nach Anhang XIII REACH-VO erfüllt. Wird der Stoff als „gefährlich“ nach der EG-Gefahrstoffe-HarmonisierungsRL oder der EG-Zubereitungsrichtlinie oder als PBT- oder vPvB-Stoff nach Anhang XIII REACH-VO eingestuft, ist zusätzlich eine Expositionsbeurteilung298 und eine Risikobeschrei-

tation sicherer Verwendungsweisen für chemische Stoffe zu den Aufgaben der Hersteller und Importeure; Calliess/Lais (Fn. 96), 290 (293); Ingerowski (Fn. 3), S. 176; Warhurst, REACH, a New Approach to Chemicals Regulation in Europe: a Brief History, Key Features, and Expected Outcomes, Journal for European Environmental & Planning Law 2005, 164 (169). 292 Vgl. Anhang I, Ziffer 0.3 REACH-VO. Näher zur Erstellung des Stoffsicherheitsberichts Au/Rühl (Fn. 18), Erläuterungen zu Titel II Rn. 14 ff.; Kleibauer, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 11: Vorgehen in der Stoffsicherheitsbeurteilung. 293 „Derived No Effect Level“, abgeleitete Expositionshöhe ohne Beeinträchtigung. Dabei wird die Schwellenkonzentration für einen Stoff bestimmt, bei der eine schädliche Wirkung des Stoffes auf die menschliche Gesundheit nicht mehr feststellbar ist, so die Definition bei Au/ Rühl (Fn. 18), S. 16. 294 „Predicted No-Effect Concentration“, abgeschätzte Nicht-Effekt-Konzentration. Der Wert bezeichnet eine errechnete Stoffkonzentration in einem Umweltmedium, oberhalb derer schädliche Wirkungen für die Umwelt nicht ausgeschlossen werden können, so die Definition bei Au/ Rühl (Fn. 18), S. 16. 295 Zur naturwissenschaftlichen Kritik an diesem Beurteilungskonzept anhand DNEL- und PNEC-Werten, die im Wesentlichen darauf beruht, dass dieses Beurteilungskonzept zwar ein wichtiges, allerdings kein alleine hinreichendes Instrument zur Bewertung der Gefährlichkeit von chemischen Stoffen darstellt, zusammenfassend Au/Rühl (Fn. 18), Erläuterungen zu Titel II Rn. 54 ff.; Ingerowski (Fn. 3), S. 179. 296 Ein Stoff ist persistent, wenn er in der Umwelt stabil ist, also nicht oder nur sehr langsam abgebaut wird und sich deshalb in der Umwelt anreichern kann. Bioakkumulierend bedeutet, dass sich ein Stoff in Lebewesen anreichern kann und dadurch Konzentrationen in einem Gewebe erreicht werden, die wiederum toxische, also schädliche Effekte auslösen können – so die Definition bei Au/Rühl (Fn.  18), S.  16. Dazu auch Merenyi, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 4: „Gefährliche“ und besonders besorgniserregende Stoffe Rn. 28 ff. 297 vPvB-Stoffe sind zwar nicht als toxisch bekannt (möglicherweise auch noch nicht daraufhin untersucht), allerdings sind sie auf jeden Fall sehr persistent und sehr bioakkumulierend – so die Definition bei Au/Rühl (Fn. 18), S. 16. 298 Sie umfasst nach Art. 14 Abs. 4 lit. a) REACH-VO die Entwicklung eines oder mehrerer Expositionsszenarien und darauf aufbauend, eine Expositionsabschätzung. Ein Exposi­ tionsszenario umfasst dabei eine Zusammenstellung von Bedingungen, die darstellen, wie ein Stoff hergestellt und/oder verwendet wird. Näher dazu Bunke, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 9: Expositionsszenarien: Aufgabe, Struktur, Entwicklung. Dazu gehört

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

bung299 vorzunehmen, sodass erkennbar ist, dass die Risiken dieses Stoffes hinreichend kontrolliert werden können.

C. Die eigentliche Registrierung Der Paradigmenwechsel durch die Einführung der REACH-VO  – weg von einem stark behördenzentrierten Zulassungsverfahren hin zur Verantwortlichkeit und Verantwortung von Herstellern und Importeuren für die von ihnen hergestellten oder in Verkehr gebrachten Stoffe300  – zeigt sich prägnant bei der Rollenverteilung im Registrierungsverfahren. Die ECHA sowie staatliche Stellen nehmen lediglich eine Nebenrolle bei der Informationsgewinnung chemischer Stoffe ein.301 Im Wesentlichen beschränkt sich die Aufgabe der ECHA im Rahmen der Registrierung auf die Dokumentation der Daten, die für die Registrierung nötig sind, sowie auf die Prüfung des Registrierungsdossiers auf Vollständigkeit – die Beschaffung der Stoffinformationen sowie deren Aufbereitung in Form des Registrierungsdossiers liegen hingegen in den Händen der Registranten. Prüfungsumfang ist, so der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 REACHVO, lediglich die Vollständigkeit, nicht aber die „Qualität oder Angemessenheit“ der Daten oder Begründungen.302 Somit darf auch bei inhaltlicher Unrichtigkeit oder sonstigen Qualitätsmängeln des Registrierungsdossiers der Stoff zunächst hergestellt oder in Verkehr gebracht werden.303

eine Beschreibung der Risikomanagementmaßnahmen, die ein Hersteller oder Importeur eingeführt hat oder nachgeschalteten Anwendern empfiehlt, siehe die Legaldefinition des Art. 3 Nr. 37 REACH-VO sowie Anhang I Ziffer 0.7. REACH-VO. Für alle identifizierten Verwendungen hat der Registrant dann risikomindernde Maßnahmen anzugeben oder, falls dies nicht möglich ist, von der Verwendung des Stoffes abzuraten. 299 Dabei handelt es sich um einen Vergleich der ermittelten Wirkschwellen der für Mensch und Umwelt mit der bei der Expositionsabschätzung berechneten Stoffkonzentration und damit eine Darstellung, ob die Risiken aus Herstellung oder Import des Stoffes bzw. dessen Verwendung angemessen beherrscht werden, Anhang I Ziffer 6.2. iVm Ziffer 6.4. REACH-VO. 300 Dazu auch die Nachweise in Fn. 147. 301 Führ, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn.  93), S.  87 (89); Heitmann/Tschochohei (Fn. 276), 40 (42). Rehbinder, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 112), S. 35 (59), spricht den Behörden eine „Absicherungsfunktion“ zu. Heiß, in: Hensel/Bizer/Führ u. a. (Fn.  94), S.  197 (197), bezeichnet dies mit der Wendung: „Dementsprechend sollen alle rechtlichen Instrumente und die Behörden das Funktionieren des Systems gewährleisten, aber möglichst wenig direkt eingreifen.“ 302 Diese Beschränkung wurde im Vorfeld von Umweltverbänden stark kritisiert, etwa BUND/ DNR/Greenpeace u. a., EU-Entwurf für ein neues Chemikalienrecht (REACH): Eine Einschätzung der Umweltverbände, S. 3. Siehe dazu auch Kuhn (Fn. 17), S. 118. 303 Rehbinder, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 112), S. 35 (58).

C. Die eigentliche Registrierung

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Abbildung 2: Schematische Darstellung des Registrierungsverfahrens

I. Beginn der Registrierung Fraglich ist zunächst, auf welche Weise das Registrierungsverfahren eingeleitet wird. Art. 20 REACH-VO schweigt dazu. Dort sind lediglich Handlungspflichten normiert, wenn das Registrierungsverfahren eingeleitet worden ist. 1. Einleitung durch Einreichen des Registrierungsdossiers durch den Registranten Auf welche Weise ein Registrierungsverfahren eingeleitet wird, ergibt sich aber aus der Zusammenschau von Art. 6 Abs. 1, Abs. 3, Art. 7 Abs. 1, Abs. 5, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 REACH-VO, die jeweils normieren, dass ein Registrierungsdossier eingereicht wird, und Art. 20 REACH-VO. Denn mit dem Einreichen des ­ EACH-VO gegeRegistrierungsdossiers ist der Anknüpfungspunkt für Art. 20 R ben. Durch dieses Einreichen bei der ECHA304 beginnt der Mechanismus der Registrierung. 304 Während im ursprünglichen Entwurf die nationalen Behörden in erheblichem Maße in das Verfahren mit eingebunden waren, wird die Registrierung nun in Art.  20 REACH-VO weit-

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

2. Einleitung des Registrierungsverfahrens von Amts wegen Fraglich ist allerdings, ob die ECHA auch von sich aus ein Registrierungs­ verfahren eröffnen und entsprechende Informationen beim potenziellen Registranten anfordern kann. Auf diese Weise könnte die ECHA, wenn ihr ein Hersteller oder Importeur chemischer Stoffe bekannt wird, der diese Tätigkeiten ohne Registrierung ausübt, diesen so zu einer Registrierung führen. Dies liegt dann auch im Interesse des Betroffenen, dem im Zweifel nicht bewusst ist, dass er einer Registrierungspflicht unterliegt, und der auf diesem Weg einer Sanktion durch die nationalen Behörden entgeht und auf den „rechtmäßigen Weg“ zurückgeführt wird. So könnte die ECHA nach dem Opportunitätsprinzip305 auch die Möglichkeit haben, ein Registrierungsverfahren selbst einzuleiten oder aber nach dem Legalitätsprinzip dazu gezwungen sein – denn sie unterliegt der Pflicht, rechtmäßige Zustände zu erzeugen und zu erhalten. Somit könnte sie, um diese herzustellen, auch gezwungen sein, ein Registrierungsverfahren einzuleiten; gegebenenfalls auch ohne oder gegen den Willen des Betroffenen. Dagegen spricht jedoch der Dispositionsgrundsatz. Der Betroffene hat das Recht, selbst zu entscheiden, ob er einen Antrag auf Registrierung stellt: Das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO gewährt dem Betroffenen das Recht zur Herstellung oder zum Import von Chemikalien. Wenn der Betroffene aber dieses Recht nicht zugewiesen haben möchte, kann ihn die ECHA nicht zur Annahme dieses Rechts zwingen. Der Betroffene kann und muss selbst entscheiden dürfen, wie er sich verhält. Ansonsten würde er de facto zum Objekt des Verwaltungshandelns werden.306 gehend auf die ECHA verlagert – Hintergrund ist die Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis, Fischer/Fetzer (Fn. 104), 50 (51); Kuhn (Fn. 17), S. 116. Die nationalen Behörden sind nach Art. 20 Abs. 4 REACH-VO lediglich informatorisch beteiligt, die ECHA ist die zentrale Stelle für Registrierungen, Ingerowski (Fn. 3), S. 348; Kuhn (Fn. 17), S. 116. Zur Rolle der ECHA auch oben S. 57 ff. 305 Zum Opportunitätsprinzip im europäischen Recht von Danwitz (Fn. 24), S. 414 f. Siehe zum Ermessen über die Eröffnung eines Verfahrens etwa die Entscheidung des EuG, Urteil vom 16.12.1999 – Rs. T-198/98 – Slg. 1999, II-3989 (Rn. 27) – Micro Leader/Kommission. 306 Vgl. für das deutsche Recht OVG Münster, Urteil vom 28.10.1986 – 11 A 1814/84 – DÖV 1987, 601 (601 f.); VG Köln, Urteil vom 8.12.2000 – 11 K 7734/00 – NVwZ 2002, 369 (371); Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, 5. Aufl., 2013, Rn. 185; Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., 2014, § 22 VwVfG Rn. 26, jeweils m. w. N. aus der Literatur. Anderes lässt sich auch nicht aus BVwerG, Entscheidung vom 15.6.1960 – VIII C 20.60 – BVerwGE 11, 18 (21), entnehmen: Die bloße Herstellung einer erlaubnispflichtigen Sachlage führt grundsätzlich nicht zu einem konkludenten Antrag des Betroffenen, das Urteil betraf eine Einzelfallkonstellation im Rahmen des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes, OVG Koblenz, Urteil vom 16.10.1985 – 11 A 16/84 – NVwZ 1986, 576 (577); Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., 2014, § 22 VwVfG Rn. 26. Zum zugrunde liegenden Interessenansatz auch Berger, Der Antrag als verfahrens- und materiellrechtliches Institut, DVBl. 2009, 401 (404 m. w. N.). Diese sieht im Antrag zuvorderst die Übermittlung von Informationen an die Behörde. Sie differenziert dabei zwischen einem geplanten und einem bereits verwirklichten Sachverhalt: Ist die Herbeiführung

C. Die eigentliche Registrierung

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So ergibt eine Durchsicht des geschriebenen Sekundärrechts auch, dass ein Tätigwerden im Rahmen der Geltendmachung eines Anspruchs auf Erhalt einer Begünstigung, etwa der Erteilung der Genehmigung oder einer Freistellung, der Eintragung eines Rechts oder der Bewilligung einer Subvention, regelmäßig eines Antrags bedarf.307 Die Behörde darf das Verwaltungsverfahren nicht selbst einleiten. Diese Beobachtung findet sich auch im System der Registrierung nach der REACH-VO: Art. 7 Abs. 5 REACH-VO betrifft eine Konstellation, in welcher die ECHA entscheidet, ob ein Registrierungsdossier eingereicht werden muss. Dabei steht der ECHA aber lediglich die Handhabe zu, über das Erfordernis der Einreichung eines Registrierungsdossiers zu entscheiden. Sie hat keine weiter gehende Handlungsmöglichkeit dergestalt, dass sie das Registrierungsverfahren an sich einleiten darf. Vielmehr wird dieses erst dadurch gestartet, dass der Registrant das Registrierungsdossier einreicht. Dieser Schritt ist konstitutiv für die Eröffnung des Verfahrens – geschieht dies nicht, ist die ECHA daran gehindert, es von sich aus zu starten. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die ECHA in einem solchen Fall ohne Handlungsmöglichkeit bleibt. Sie kann etwa durch einen Hinweis an den Betroffenen zur Registrierung auffordern und parallel dazu die nationalen Behörden über den Sachverhalt informieren. Diese können dann ebenfalls den Betroffenen zur Registrierung auffordern bzw. Sanktionen nach dem ChemG verhängen, wenn eine Registrierung nicht erfolgt.

einer genehmigungsbedürftigen Situation durch den Betroffenen nur geplant, mithin ein Herstellen oder das Inverkehrbringen von chemischen Stoffen, ist ein Handeln der Behörde ohne Antrag verfahrensfehlerhaft. Liegt die genehmigungsbedürftige Situation bereits vor, ist ein Antrag dann konstitutiv, wenn der Behörde alle notwendigen Informationen auch ohne Antrag vorliegen, S. 406 ff. Diese Situation wird sich allerdings im Rahmen der REACH-VO kaum ergeben, da die ECHA nach dem Zuschnitt der REACH-VO gerade weitere Informationen über den chemischen Stoff benötigt, um die Handlung zu legalisieren. 307 Etwa im Bereich der gewerblichen Schutzrechte z. B. Art.  17 Abs.  5, Art.  26, Art.  30, Art. 47, Art. 51 Abs. 1, Art. 52 f., Art. 56, Art. 88 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26.  Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. EG Nr.  L  78, S.  1, fortan: EG-Gemeinschaftsmarkenverordnung; Art. 13, Art. 36, Art. 50, Art. 52, Art. 54, Art. 78 Abs.  5 Verordnung (EG) Nr.  6/2002 des Rates vom 12.  Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, ABl. EG Nr.  L  3, S.  1, ber. ABl. EG Nr.  L  179, S.  31, fortan: EG-Geschmacksmusterverordnung; Art.  49 Verordnung (EG) Nr.  2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, ABl. EG Nr. L 227 S. 1, fortan: EGSortenschutzverordnung. Für den Bereich des Produktzulassungsrechts z. B. Art.  6 Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Humanund Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur, ABl. EG Nr. L 136, S. 1. Für den Bereich des Fusions- und Kartellrechts z. B. Art. 7 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr.  139/2004 des Rates vom 20.  Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EG Nr.  L  24, S.  1, fortan: EG-Fusionskontrollverordnung. Siehe auch von Danwitz (Fn. 24), S. 416 m. w. N. aus dem Sekundärrecht.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

II. Inhaltliche Anforderungen an ein zur Einleitung des Registrierungsverfahrens taugliches Registrierungsdossier In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche inhaltlichen Anforderungen an ein Registrierungsdossier zu stellen sind, damit das Registrierungsverfahren in Gang gesetzt wird. Jedenfalls bei Einreichung eines vollständigen308 Registrierungsdossiers wird dies regelmäßig der Fall sein. Unvollständige oder im eigentlichen Sinne unrichtige Angaben hindern hingegen den Start des Registrierungsverfahrens an sich nicht notwendigerweise, auch ein quantitativ oder im eigentlichen Sinne qualitativ defizitäres Registrierungsdossier kann das Registrierungsverfahren in Gang setzen. Denn gerade für diese Fälle sieht die REACH-VO Korrekturmechanismen vor, nämlich Art.  20 Abs. 2 UAbs. 3, Art. 41 REACH-VO. Allerdings kann man nicht bei jedem unzureichenden Registrierungsdossier die Möglichkeit einer Heilung durch Nachbesserungen annehmen, es könnte auch Situationen geben, in denen das Registrierungsdossier derart unbestimmt ist, dass auch die Korrekturmechanismen der REACH-VO nicht greifen können und man damit von der Unbestimmtheit des Registrierungsdossiers dergestalt ausgehen muss, dass es keinen tauglichen Antrag zur Einleitung eines Registrierungsverfahrens nach Art. 20 REACH-VO darstellt. Ein solcher Fall, ein solches Registrierungsdossier, könnte etwa dann vorliegen, wenn Name des Registranten, Namen und Menge des zu registrierenden Stoffes fehlen, also grundlegende formale Angaben.309 Die Grenze ist dann zu ziehen, wenn die Möglichkeit zur Vervollständigung unmöglich wird: Fehlt zum Beispiel zwar der Name des Registranten, sind aber sonstige Anschrift- und Kontaktdaten angegeben, handelt es sich um einen Fehler, der im Rahmen des completeness checks beseitigt werden kann, gegebenenfalls ist die Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO abzulehnen. Das Registrierungsverfahren ist aber grundsätzlich einzuleiten. Denn letztlich soll der Nachbesserungsmechanismus des completeness checks gerade unvollständige Dossiers durch Vervollständigung der Angaben berichtigen. Das bedeutet aber auch, dass es sehr lange dauern muss, die Grenze zwischen einem unbestimmten Dossier, das im Rahmen des completeness checks „bestimmt“ werden kann, und einem so unbestimmten Dossier, durch welches das Registrierungsver 308

Zu den Anforderungen an ein solches Registrierungdossier siehe S. 70 ff. Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 25 sieht bereits das Fehlen von Angaben, welcher Stoff registriert werden soll, als Mangel an, der zur Unbestimmtheit des Registrierungsdossiers führt. Sollten lediglich die Angaben des Anhang VI, Nr. 2.1. REACH-VO nicht ausgefüllt sein, der Name und andere Bezeichnungen des Stoffes fehlen, allerdings die sonstigen Angaben, etwa die Summen- und Strukturformel nach Nr. 2.2.1. und 2.2.2. Anhang VI REACH-VO angegeben sein, lässt sich der Name des Stoffes ohne Weiteres über eine Nachforderung der ECHA erfragen. 309

C. Die eigentliche Registrierung

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fahren noch nicht einmal begonnen wird, zu erreichen. Das Registrierungsverfahren wird auch und gerade durch unvollständige Dossiers in Gang gesetzt. So können etwa Namen und Menge des zu registrierenden Stoffes im Rahmen einer Vervollständigung des Dossiers beim Registranten erfragt werden.310 Problematisch wird es dann, wenn Daten fehlen, die eine Vervollständigung des Dossiers unmöglich machen, wenn es zum Beispiel überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gibt, wer der Registrant ist und somit die ECHA keine Möglichkeit hat, diesem zu übermitteln, welche Informationen fehlen, um das Dossier zu vervollständigen. Fehlen also sämtliche Angaben nach Art. 10 lit. a) Ziffer i) REACH-VO in Verbindung mit Anhang I Abschnitt 1 REACH-VO, die dazu dienen, den Kontakt zwischen ECHA und Registranten herzustellen und damit die Möglichkeit von Nachforderungen zu eröffnen, wird man von einem zu unbestimmten Dossier ausgehen müssen, mit der Folge, dass trotz dessen Einreichung der Registrierungsprozess nicht begonnen wurde. In einem solchen Fall liegt kein wirksamer Antrag vor, und das Registrierungsverfahren kann und wird nicht eingeleitet werden.311

III. Zuweisung der Eingangsnummer und des Antragsdatums Das Verfahren selbst im Machtbereich der ECHA beginnt mit der Zuweisung einer Eingangsnummer sowie eines Antragsdatums. Dieses entspricht nach Art. 20 Abs. 1 REACH-VO dem Eingangsdatum der Registrierung. Im Anschluss daran hat die ECHA nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1, 2 REACH-VO in einem Zeitraum von drei Wochen bzw. drei Monaten bei Phase-in-Stoffen eine Vollständigkeitsprüfung durchzuführen. 310 Dieses Prinzip einer Aufforderung zum Nachtrag ist allgemein im Sekundärrecht anerkannt: Erfüllt ein Antrag nicht die an ihn gestellten Grundanforderungen in Bezug auf Inhalt und Form, fordert die Behörde zur Ausräumung der Mängel auf, geschieht dies nicht, gilt der Antrag als nicht gestellt, z. B. Art.  46 EG-Geschmacksmusterverordnung; Art.  11 f., Art.  15 Abs. 2, 3, 4, Art. 16, und Art. 30 Abs. 1, 2 Verordnung (EG) Nr. 2245/2002 der Kommission vom 21. Oktober 2002 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, ABl. EG Nr. L 341, S. 28, fortan: EG-GeschmacksmusterDVO. Vgl. auch von Danwitz (Fn. 24), S. 394 Fn. 505. Insofern lassen sich auch die „business rules“, dabei handelt es sich um die „Grundvoraussetzungen, welche für ein Dossier erfüllt sein müssen, damit es von dem IT-System richtig prozessiert und in der Datenbank korrekt gespeichert werden kann“, (so Hirmann, Vortrag: Anforderungen der ECHA an ein Registrierungsdossier – Completeness Check, Business Rules, Folie 8. Siehe auch ECHA (Fn. 288), S. 97 ff. und ECHA, Data Submission Manual 4: How to Pass Business Rule Verification [„Enforce Rules“]), als Grundanforderungen in Bezug auf Inhalt und Form verstehen, die formal vorliegen müssen, damit der Antrag bearbeitet werden kann. Zur Festlegung derartiger Anforderungen ist die ECHA auch nach Art. 111 REACH-VO befugt: Wenn sie die Pflicht hat, Formate bzw. Softwarepakete zur Übermittlung von Informationen zugänglich zu machen, korrespondiert damit auch die Pflicht der Registranten, diese zu verwenden, bzw. die Möglichkeit der ECHA, andere – nicht kompatible – Lösungen abzulehnen. 311 So auch Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 22 VwVfG Rn. 45; Schnell, Der Antrag im Verwaltungsverfahren, 1986, S. 58 f., die in einer solchen Konstellation auch keinen tauglichen Antrag zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nach § 22 VwVfG sehen.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

IV. Der completeness check nach Art. 20 Abs. 2 REACH-VO Diese Vollständigkeitsprüfung, der so genannte „completeness check“312, be­ steht aus zwei Teilen: Zum einen wird überprüft, ob nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 2. Alt. REACHVO die vollständige Registrierungsgebühr bezahlt wurde. Es wird also ein „financial completeness check“ durchgeführt. Zweitens wird die Vollständigkeit der Unterlagen im Rahmen des „technical completeness check“ geprüft.313 Dabei soll sichergestellt werden, dass alle in der Verordnung, insbesondere in den Art. 10, 12 REACH-VO und den Anhängen der REACH-VO geforderten Angaben für den jeweiligen Mengenbereich enthalten sind. Dies wird verfahrenstechnisch durch einen spezifischen computergestützten Algorithmus überprüft, der feststellt, ob alle vorgeschriebenen Felder ausgefüllt sind und alle sonstigen Anlagen, wie etwa Versuchsvorschläge, Ausnahme- und Verzichtserklärungen vorliegen.314 Kommt dieser Algorithmus dabei zum Ergebnis der incompleteness, überprüft ein Mitarbeiter der Agentur das Dossier erneut.315 Die ECHA sieht damit eine zweistufige Vorgehensweise vor, zunächst eine automatische Prüfung mittels eines Computerprogramms, und nur, falls dieses zum Ergebnis kommt, dass eine incompleteness vorliegt, eine Prüfung durch einen Mitarbeiter der ECHA. 1. Bei Unvollständigkeit: Nachforderung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO Ergibt die Vollständigkeitsprüfung, dass das Registrierungsdossier unvollständig ist, so teilt die ECHA gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO dem Registranten dies mit der Angabe, welche Informationen nachgereicht werden müssen, sowie einer angemessenen Fristsetzung mit.316 Vervollständigt der Registrant innerhalb der von der ECHA gesetzten Frist sein Dossier, bestätigt die Agentur den Eingang der Informationen gemäß Art. 20 312 So auch bezeichnet in der englischen Fassung der REACH-VO, Art.  20 Abs.  2 S.  2 REACH-VO sowie ECHA (Fn. 288), S. 97. Die deutsche Fassung spricht von einer Vollständigkeitsprüfung. 313 Beide Begrifflichkeiten so verwendet in ECHA (Fn. 288), S. 97. Die deutsche Fassung spricht auf S. 107 ff. von einer finanziellen und einer technischen Vollständigkeitsprüfung. 314 Kritisch, wohl vor dem Hintergrund der damit geringen Prüfungstiefe, European Environmental Bureau/Client Earth, Identifying the bottlenecks in REACH implementation, S. 11. 315 So die Vorgehensweise bei der ECHA nach ECHA (Fn. 288), S. 97. 316 Vgl. die Vorlage der Registrierungsentscheidung der ECHA „Further Information required on your registration under regulation (EC) NO 1907/2006“.

C. Die eigentliche Registrierung

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Abs. 2 UAbs. 3 S. 3 REACH-VO, und berücksichtigt diese nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 4 REACH-VO bei der erneuten Vollständigkeitsprüfung. Gleiches gilt, wenn sich herausstellt, dass die Registrierungsgebühr nicht beglichen wurde  – auch hier mahnt die ECHA einmal, setzt eine Frist und prüft dann erneut. 2. Auch nach erneuter Prüfung keine Vollständigkeit: Ablehnung der Registrierung Erfolgt eine angeforderte Vervollständigung bzw. die Zahlung der Registrierungsgebühr nicht oder nicht fristgerecht, wird die Registrierung des Stoffes nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 REACH-VO von der ECHA abgelehnt. Das registrierende Unternehmen darf diesen Stoff dann in der EU weder herstellen noch in Verkehr bringen; Art.  5 REACH-VO kommt damit wieder zur Anwendung und sperrt die Herstellung oder das Inverkehrbringen dieses Stoffes durch diesen Registranten.317 3. Bei Vollständigkeit: Zuweisung der Registrierungsnummer Stellt die ECHA fest, dass das Dossier vollständig und die Registrierungsgebühr beglichen ist, weist sie dem Stoff nach Art. 20 Abs. 3 S. 1 REACH-VO eine Registrierungsnummer und ein Registrierungsdatum zu und teilt diese dem Registranten mit. Sie benachrichtigt außerdem gemäß Art. 20 Abs. 4 REACH-VO den Mitgliedstaat, in dem die Herstellung erfolgt oder der Importeur seinen Sitz hat, innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingangsdatum, dass die in Art. 20 Abs. 4 REACH-VO festgelegten Informationen in der zentralen Datenbank der ECHA zur Verfügung stehen. 4. Keine Rückmeldung der ECHA: Vermarktungseröffnung durch Zeitablauf nach Art. 21 REACH-VO Meldet sich die ECHA nicht nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 S.  1 und UAbs.  4 S. 1 REACH-VO in einem Zeitraum von drei Wochen bzw. drei Monaten darf der Registrant gemäß Art. 21 Abs. 1 REACH-VO dennoch mit der Herstellung oder Einfuhr eines Stoffes beginnen. Damit ist sie gezwungen, den completeness check innerhalb dieses Zeitraums durchzuführen, will sie verhindern, dass der Registrant ohne Registrierungsdossier mit der Herstellung oder Einfuhr seines Stoffes 317 Vgl. die Vorlage der Registrierungsentscheidung der ECHA „Decision on your Registration under Regulation (EC) NO 1907/2006“.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

beginnt. Die Vermarktungssperre des Art. 5 REACH-VO fällt somit nicht mit dem Einreichen des Registrierungsdossiers selbst, sondern entweder durch eine Mitteilung der ECHA, dass das Registrierungsdossier vollständig ist, oder nach dem Ablauf von drei Wochen bzw. drei Monaten.318

V. Registrierung bei einer Mehrheit von Registranten Zwar gilt grundsätzlich der Leitsatz „ein Stoff  – eine Registrierung“319. Wird aber ein Stoff parallel oder konsekutiv von mehreren Herstellern oder Importeuren registriert, stellt sich die Frage, ob eine gemeinsame Registrierung möglich ist.320 Insbesondere können Informationen über Tierversuche geteilt werden, um so dem Tierschutz genüge zu tun. Die REACH-VO lässt die Durchführung von Tierversuchen nur als allerletztes Mittel zu, so Art. 25 Abs. 1 S. 1 REACH-VO, und verlangt gleichzeitig gemäß Art. 25 Abs. 1 S. 2 REACH-VO Maßnahmen, um Doppelprüfungen zu vermeiden. Auch bei sonstigen Informationen ließe sich über eine Datenteilung eine Kostenersparnis erreichen und Labor- und Forschungskapazitäten freihalten.321 So wird der Schutz von einfachen oder qualifizierten Studienzusammenfassungen per se bereits auf lediglich zwölf Jahre beschränkt322 – nach diesem Zeitraum können sie bei der ECHA von anderen Registranten angefordert werden. Gleichzeitig darf aber auch nicht außer acht gelassen werden, dass die Prüfdaten Eigentum der Unternehmen darstellen und dass diese in die Erlangung der Daten Zeit und Geld investiert haben und so den damit verbundenen Wettbewerbsvorteil verlieren.323 318

Dazu Ammerich, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 21 REACH-VO Rn. 5 ff. „one substance – one Registration“ – insofern auch das Kürzel: OSOR. 320 Fischer (Fn. 194), 853 (856). 321 Dazu auch Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 36 ff.; Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 25 REACH-VO Rn. 3 ff.; zur Rechtslage vor Erlass der REACH-VO, Fischer, Die Zweit- und Parallelanmeldung im Chemikalienrecht, 2003. 322 Ähnliche Regelungen existieren auch im Biozid- und Pflanzenschutzrecht, Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 38. 323 So Fischer, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 179), S. 165 (166); Fischer (Fn. 194), 853 (856); Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 37; zu diesen Fragen des Verwertungsschutzes von Prüfnachweisen näher Fischer, Die Zwangsverwertung von Unternehmensdaten im Chemikalienrecht – Zugleich eine Replik zu G. Winter/ N. Wagenknecht, DVBl. 2003, 10 ff., DVBl. 2003, 777 (777 ff.); von Holleben, Gesetzliche und vertragliche Datenteilung nach REACH, in: Führ/Wahl/von Wilmowsky (Hrsg.), Umweltrecht und Umweltwissenschaft, 2007, S. 353 (357); Schulze-Rickmann (Fn. 94), S. 134 ff.; Winter/ Wagenknecht, Gemeinschaftsverfassungsrechtliche Probleme bei der Neugestaltung der Vorlage von Prüfnachweisen im EG-Chemikalienrecht, DVBl. 2003, 10 (10, 14 ff.); kritisch zur Ausgestaltung Fluck, Transparenz, Schutz von Unternehmensdaten und Zwangskonsortien im geplanten REACH-System, in: Rengeling (Hrsg.), Umgestaltung des deutschen Chemikalienrechts durch europäische Chemikalienpolitik, 2003, S. 121 (132 ff.); zur Diskussion im alten Chemikalienrecht auch Fischer (Fn. 321), S. 43 ff. von Holleben, in: Führ/Wahl/von Wilmow 319

C. Die eigentliche Registrierung

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Vor diesem Hintergrund normiert die REACH-VO Kooperationspflichten im erheblichen Umfang, muss aber auch gleichzeitig Sicherheitsnetze einziehen, um den Interessen der Unternehmen gerecht zu werden. Kooperationspflichten sind nicht nur im Bereich von Wirbeltierstudien in Art. 25 REACH-VO normiert, sondern auch in anderen Bereichen, etwa im Bereich der Nutzung von vorhandenen Stoff- oder sonstigen Versuchsdaten, nach Art. 27 Abs. 1 lit. b) REACH-VO und Art. 30 Abs. 1 UAbs. 1 S. 3 REACH-VO324. Dabei handelt es sich um ein System regulierter Selbstregulierung325: Der Informationsaustausch findet grundsätzlich zwischen den privaten Unternehmen statt; zwar hat die REACH-VO durch regulatorische Maßnahmen den Rahmen dazu geschaffen, im konkreten Einzelfall soll die Abwicklung von Informationsanforderungen ohne Eingriff der ECHA stattfinden.326 Die ECHA führt die Registranten zusammen327 und tritt lediglich insofern als Informationen vorhaltende Stelle in Erscheinung, als dass die einfachen oder qualifizierten Studienzusammenfassungen nach Ablauf von zwölf Jahren gemäß Art. 25 Abs. 3 REACH-VO direkt bei der ECHA angefordert werden können. Wird also eine Registrierung typischerweise als Verwaltungsverfahren, mithin mit den beteiligten Akteuren des Registranten und der ECHA, durchgeführt, findet die Informationssammlung im Vorfeld auf privatrechtlicher Basis, im Regelfall in Form eines Vertrages,328 zwischen den Unternehmen statt. Hier ist zwischen verschiedenen Konstellationen zu differenzieren.

sky (Hrsg.), Umweltrecht und Umweltwissenschaft, 2007, S. 353 (356), sieht in dem Umstand, dass grundsätzlich jeder Registrant alle Unterlagen selbst vorlegen muss, eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgebots. Auch Winter, in: Hendler/Marburger/Reinhardt u. a. (Fn. 69), S.  77 (85), hält weniger die Eigentumsgarantie als den Gleichheitssatz betroffen, allerdings nicht für verletzt, vgl. Winter/Wagenknecht, 10 (18 ff.). Schulze-Rickmann (Fn.  94), S.  178 bejaht einen Verstoß gegen das unionelle Eigentumsrecht, S. 178 ff., sowie gegen die Berufsfreiheit, S. 221 ff., und lehnt einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ab, S. 225 ff. 324 Dabei handelt es sich jeweils um Ausprägungen des Art.  25 Abs.  1 S.  2 REACH-VO. Kritisch zu dieser Vorschrift von Holleben, in: Führ/Wahl/von Wilmowsky (Fn. 323), S. 353 (362 ff.). Zum früheren ChemG Fischer (Fn. 323), 777 (781). 325 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 40. Zum Urheberrecht in Bezug auf die Studienzusammenfassungen Aubel-Pump, Vortrag: Registrierung und Urheberrecht, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2010 – REACH aktuell, Tagungsunterlagen, 2010, S. 53 (53). 326 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 40. 327 Alleine 2010 erhielt die ECHA 1600 entsprechende Anfragen, ECHA (Fn. 26), S. 10. Ausführlich zum Ablauf ECHA, Leitlinien für die gemeinsame Nutzung von Daten. 328 So die Empfehlung bei Fischer, der gleichzeitig wesentliche Vertragsinhalte nennt, Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 40, dazu auch dort Fn. 42.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

1. Informationsaustausch bei Phase-in-Stoffen Bei Phase-in-Stoffen hat, damit der Registrant das Privileg der Übergangsfristen nach Art.  23 REACH-VO in Anspruch nehmen kann, eine Vorregistrierung nach Art. 28 REACH-VO zu erfolgen.329 In einem ersten Schritt werden alle potenziellen Registranten desselben Stoffes in einem Forum zum Austausch von Stoff­informationen (SIEF – Substance Information Exchange Forum) zusammengeführt.330 Die ECHA stellt nach Art. 28 Abs. 4 REACH-VO Listen der angemeldeten Stoffe zur Verfügung. In der Folge greift der oben dargestellte Mechanismus: Das Normdesign gemäß Art.  29 Abs.  1 REACH-VO geht von der Bildung eines SIEFs aus. Eine Beteiligung der ECHA bei Gründung und Verfahren erfolgt dabei nicht.331 In der Folge tauschen die Beteiligten selbstständig nach Art.  30 REACH-VO Daten aus.332 Lediglich, wenn es zu keiner Einigung über den Austausch existenter oder über die Kostentragung333 bei der Erstellung neuer Daten kommt, schaltet sich die ECHA in das Verfahren wieder ein, trifft Entscheidungen oder verhängt – in Zusammen-

329 Näher zu diesem Instrument Fink/Hanschmidt/Lulei, REACH: Die Bedeutung der Vorregistrierung, StoffR 2007, 152 ff.; Fischer, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 179), S. 165 (167); Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 28 REACH-VO Rn. 5 ff.; Ziegler, Das Rechtsinstitut der Vorregistrierung unter der REACH-Verordnung, StoffR 2008, 319 ff. Zur rechtlichen Wirkung der Übergangsfristen im Hinblick auf die Nutzung und das Inverkehrbringen nicht vorregistrierter Stoffe, Fluck, REACH-Übergangsprobleme – Keine Verkehrsfähigkeit nicht (vor-)registrierter Stoffe?, StoffR 2008, 253 (253 ff.). 330 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 40, dazu auch dort Fn. 43. 331 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 44. Siehe dazu eingehend Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 29 REACH-VO Rn. 6 ff.; von Holleben, in: Führ/Wahl/von Wilmowsky (Fn. 323), S. 353 (372 ff.). 332 Zu den Mechanismen und Problemen des SIEF ausführlich Fischer, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 179), S. 165 (168); Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 44 ff.; Fluck, REACH: Die Foren zum Austausch von Stoffinformationen (SIEF) und die Zusammenarbeit mehrerer Verpflichteter bei (Vor-)Registrierung und Bewertung, StoffR 2007, 104 ff.; Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 29 REACH-VO Rn.  3 ff.; von Holleben, in: Führ/Wahl/von Wilmowsky (Fn.  323), S.  353 (372 ff.); Merenyi, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel  12: Datenteilung im SIEF; Navez, Vortrag: CEFIC Model Agreements in the SIEF, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2010 – REACH aktuell, Tagungsunterlagen, 2010, S. 105 ff. Kritisch vor dem Hintergrund des hohen Koordinierungsbedarfs und Zeitaufwands in der ersten Registrierungsphase, von Hahn, Vortrag: Erfahrungsbericht und Ausblick bis 2013, Chemierechtstag 2011  – REACH und CLP. Rechtsfragen nach Ablauf der ersten Registrierungsfrist, Folie 3, die auch einen Überblick über die verschiedenen zur Koordination genutzten Vertragsmuster liefert. In der Praxis besonders wichtige Problemfelder der Konsortialverträge stellt von Holleben, in: Führ/Wahl/von Wilmowsky (Fn. 323), S. 353 (372 ff.), dar. 333 Zur Kostentragung Art. 30 Abs. 2, Art. 30 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 REACH-VO. Siehe dazu auch Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 46; von Holleben, in: Führ/Wahl/von Wilmowsky (Fn. 323), S. 353 (375 ff.).

C. Die eigentliche Registrierung

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arbeit mit den nationalen Behörden  – Sanktionen nach Art.  30 Abs.  3, Art.  30 Abs. 6 REACH-VO in Verbindung mit Art. 126 REACH-VO.334 2. Informationsaustausch bei Nicht-Phase-in-Stoffen Ergehen bei Phase-in-Stoffen gleichzeitige Registrierungen, handelt es sich bei den Fallkonstellationen der Datenteilung typischerweise um Zweitanmelderkonstellationen: Der Zweitanmelder, der neue Registrant, nimmt auf Daten, die vom Erstanmelder, dem ersten Registranten, vorgelegt werden, Bezug.335 Auch hier bildet die ECHA den organisatorischen Rahmen und führt die entsprechenden Registranten zusammen: Stellt sie bei Phase-in-Stoffen Listen nach Art.  28 Abs.  4 REACH-VO auf Basis der Vorregistrierung zusammen, teilt sie bei Nicht-Phase-in-Stoffen auf Anfrage des Registranten nach Art.  26 Abs.  1­ REACH-VO, mit, ob es bereits eine Registrierung für diesen Stoff gibt. Ist dies der Fall, unterrichtet sie gemäß Art. 26 Abs. 3 REACH-VO den früheren und den potenziellen sowie ggf. weitere potenzielle Registranten davon. Im weiteren Verlauf schließen sich dann – erneut grundsätzlich ohne Beteiligung der ECHA, auch hier schaltet sie sich lediglich im Konfliktfall ein – diese im Rahmen des Mechanismus des Art. 27 REACH-VO zusammen.336 3. Gemeinsames Einreichen von Daten Ebenfalls eine Mehrheit von Registranten liegt bei der Fallkonstellation der gemeinsamen Dateneinreichung – der „joint submission“ vor.337 Handelt es sich bei den beiden oben genannten Konstellationen um Fallgestaltungen einer gemeinsamen Datennutzung, steht hier das gemeinsame Einreichen von Daten bei der ECHA im Mittelpunkt. Bei Stoffidentität weicht die REACH-VO vom Grundsatz ab, dass jeder Registrant gesondert ein Registrierungsdossier einreichen muss. Sie sieht das gemeinsame Einreichen von Daten nach Art. 11, 19 REACH-VO vor – die „joint submission“. Ausnahmen338 existieren lediglich für bestimmte Informationen, etwa Studienzusammenfassungen nach Art. 10 lit. a) Ziffer vi und vii 334 Zu diesem Komplex der REACH-VO von Holleben, (Zwangs-)Datenteilung für Phase-inStoffe nach Ablauf der ersten Registrierungsfrist, StoffR 2011, 13 ff. 335 Dazu Fischer (Fn.  321), S.  10 ff.; Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Einführung zu REACH Rn.  47. Insofern ergeben sich Parallelen zur alten Regelung des § 20 f. ChemG, Fischer, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 179), S. 165 (176). 336 Ausführlich zu dieser Regelung Fischer, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn.  179), S. 165 (176); Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 49 f. 337 Zu den Problemen in dieser Konstellation Fischer, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 179), S. 165 (179 ff.). 338 Ausführlicher zu den Ausnahmen Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 53.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

REACH-VO, oder für den Stoffsicherheitsbericht gemäß Art. 10 lit. b) REACHVO; dabei ist ein Wahlrecht normiert. Keine joint submission findet weiterhin statt, wenn es sich zwar um die jeweilige Substanz handelt, allerdings die einzelnen Registranten verschiedene Mengenbänder belegen339, und im Rahmen eines Opt-out nach Art. 11 Abs. 3 REACH-VO – ein solcher Alleingang kann angetreten werden, wenn die Kosten für die Datenteilung unverhältnismäßig hoch sind, wenn es zum Schutz von geschäftlich sensiblen Informationen erforderlich ist oder wenn es Divergenzen bei den ausgewählten Informationen gibt. Zunächst bestimmen die Registranten einen „federführenden Registranten“. Dieser tritt dann im Außenverhältnis zur ECHA auf und reicht dort die Daten ein. Eine Ausgestaltung des Binnenverhältnisses zwischen den Registranten ist nicht normiert – es wird privatautonom gestaltet werden müssen. Insbesondere problematisch ist dies dann, wenn keine Einigung darüber stattfindet, welcher Registrant die Rolle des „federführenden Registranten“ übernimmt. Ein Automatismus, dass dieser dann von der ECHA bestimmt wird, um die Funktionsfähigkeit dieses Systems zu sichern, fehlt.340 4. Zusammenfassung Zusammengefasst lässt sich der Mechanismus bei einer Mehrheit von Registranten, unabhängig davon, ob es sich um die Datenteilung bei Phase-in-Stoffen oder Nicht-Phase-in-Stoffen oder um die gemeinsame Dateneinreichung handelt, wie folgt skizzieren:

Abbildung 3: Darstellung der Rechtsbeziehungen bei der Registrierung bei Registrantenmehrheit

Die ECHA agiert somit grundsätzlich nur mit dem (federführenden) Registranten. Die Registranten treten nicht selbstständig als Registrantenmehrheit gegenüber der ECHA auf, ebensowenig greift diese nicht in die Rechtsbeziehungen 339 Fischer, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 179), S. 165 (180); dazu auch von Holleben, in: Führ/Wahl/von Wilmowsky (Fn. 323), S. 353 (367 Fn. 40), der auf die Konstellation unterschiedlicher Registrierfristen bei verschiedenen Mengenbändern verweist. 340 So aber etwa beim SIEF nach Art. 30 Abs. 2 REACH-VO. Kritisch insofern Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Einführung zu REACH Rn. 51 ff.; von Holleben, in: Führ/ Wahl/von Wilmowsky (Fn. 323), S. 353 (366).

D. Das Verhältnis von completeness check und compliance check

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zwischen den Registranten ein: Im Verhältnis zwischen den Registranten hat die ECHA grundsätzlich keine Handlungsrolle, ihr stehen lediglich „Auffangkompetenzen“ zu. Mehrheitlich wird dieses Verhältnis privatrechtlich organisiert sein.341 Allerdings existiert insofern keine „gemeinschaftliche“ Registrierung, als dass es sich hierbei entweder um einen Datenaustausch im Vorfeld des eigentlichen Registrierungsverfahrens handelt oder um eine gemeinsame Dateneinreichung, die dann jeweils durch eigene  – einzelne  – Registrierungsdossiers jedes Registranten unterstützt wird, über welche die ECHA dann auch einzeln entscheiden kann. Das „eigentliche“ Registrierungsverfahren führt die ECHA jeweils mit einem einzelnen Registranten als Verwaltungsverfahren durch.

D. Das Verhältnis von completeness check und compliance check Die ECHA prüft im Rahmen des completeness checks des Art.  20 Abs.  2 UAbs. 1, 2 REACH-VO lediglich die Vollständigkeit des Registrierungsdossiers. Ausdrücklich angeordnet ist in Art.  20 Abs.  2 UAbs.  1 S.  2 REACH-VO, dass hierbei keine Prüfung der Qualität oder Angemessenheit stattfindet. Dies erfolgt im Rahmen der Dossierbewertung.342 Sie besteht neben einer Prüfung der Versuchsvorschläge, die in einem Registrierungsdossier enthalten sind,343 aus dem compliance check. Dabei handelt es sich um eine inhaltliche Bewertung der Daten des Registrierungsdossiers. Er wird – wie auch der completeness check – von der ECHA durchgeführt, um ein einheitliches Bewertungsverfahren europaweit sicherstellen zu können. Die nationalen Behörden sind nach Art. 42 Abs. 2 REACH-VO erneut lediglich informatorisch beteiligt.344 Die Abgrenzung zwischen completeness check und compliance check hat Folgen für die Prüfungstiefe beider, ebenso für die Frage der Rechtsfolge eines Registrierungsdossiers, das incomplete bzw. non-compliant ist. So ist eine Aufhebung 341

Fischer, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 179), S. 165 (184 f.). Kritisch zu diesem Begriff von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  41 REACH-VO Rn. 9, vor dem Hintergrund, dass eine „Bewertung“ im alten Chemikalienregime eine staatlich organisierte Risikobewertung darstellt – diese aber erst in Form der „Stoffbewertung“ im Anschluss erfolgt. 343 Diese Prüfung soll hier nur am Rande betrachtet werden, da sie nicht eigentlicher Teil der Registrierungsdossierbewertung ist und somit keine Auswirkungen auf die Registrierung hat. Sie richtet sich nach Art.  40 REACH-VO. Die ECHA prüft, ob die Versuchsvorschläge, die in einem Registrierungsdossier enthalten sind, den Anforderungen der Anhänge  IX und X REACH-VO gerecht werden. Damit sollen Untersuchungsprogramme genau auf den zu prüfenden Stoff abgestimmt und gleichzeitig überflüssige Tierversuche vermieden werden. Die Prüfung von Versuchsvorschlägen bei Stoffen, die als PBT-Stoffe, vPvB-Stoffe oder in sonstiger Weise als gefährlich eingeordnet werden, wird dabei priorisiert. Zur Thematik der Prüfung der Versuchsvorschläge und den damit verbundenen Rechtsfragen von Holleben/Scheidmann (Fn. 20), 176 ff.; Kuhn (Fn. 17), S. 157. 344 Vgl. Art. 38 Abs. 1 REACH-VO. 342

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

der Registrierung de lege lata lediglich als Ablehnung im Rahmen des completeness checks nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO vorgesehen, nicht aber bei der Durchführung des compliance checks nach Art. 41 REACH-VO. Daher sollen nun im Folgenden die Regelungen des compliance checks dargestellt werden (D. I.)345, um dann zwischen completeness und compliance check abgrenzen zu können (D. II.)346.

I. Der compliance check nach Art. 41 REACH-VO Die ECHA kann nach Art.  41 REACH-VO überprüfen, ob und inwiefern die eingereichten Dossiers den Anforderungen der REACH-VO genügen. Prinzipiell ist zwar der Begriff der compliance im Rahmen des REACH-Systems sehr viel weiter gefasst und umfasst die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen nach der REACH-VO,347 etwa die Verpflichtungen von nachgeschalteten Anwendern oder die Registrierungspflicht selbst – die Einhaltung dieser wird im compliance check nicht überprüft, da er die Abgabe eines Registrierungsdossiers voraussetzt. Dennoch soll „compliance“ im Rahmen dieser Arbeit lediglich die compliance von Registrierungsdossiers bezeichnen. Bei dieser Dossierbewertung handelt es sich jedoch nicht um eine behördengesteuerte Risikobewertung – es ist ein Vorbereitungsschritt dafür. Die gewonnenen Informationen werden nach Art.  42 Abs.  2 REACH-VO für die eigentliche Risikobewertung genutzt.348 Allerdings ist es der ECHA gemäß Art. 41 Abs. 3 REACH-VO lediglich möglich, Tests und Informationen aus dem einschlägigen Mengenband anzufordern.349 345

Siehe S. 88 ff. Siehe S. 91 ff. 347 Die Überprüfung der compliance von REACH im weitesten Sinn erfolgt durch die Behörden der Mitgliedstaaten nach Art.  125, 126 REACH-VO, nicht aber durch die ECHA, und ist daher hier nur von nachrangigem Interesse. So bezieht sich der Bericht über das Projekt REACH-EN-FORCE-1 vom Mai 2010, ECHA, Results of the Forum coordinated REACH enforcement project on registration, pre-registration and safety data sheets, in dem eine noncompliance im erheblichen Umfang festgestellt wurde, lediglich auf die Registrierungspflicht und das Sicherheitsdatenblatt, nicht aber auf festgestellte Mängel von Registrierungsdossiers selbst, von Holleben/Scheidmann, Das Registrierungsdossier im Compliance Check, StoffR 2010, 116 (117). 348 Calliess/Lais (Fn.  96), S.  290 (293). Damit erscheint der Begriff der „Bewertung“ im Rahmen der Dossier- und Stoffbewertung unglücklich gewählt; die Dossiers werden weniger „bewertet“ denn „überprüft“. Auch nach dem Verständnis der Rechtslage vor REACH handelt es sich bei der „Bewertung“ um die staatlich organisierte Risikobewertung, von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 9. 349 Zur Kritik an dieser Beschränkung, die letztlich auf der Wahl eines rein mengenbasierten Prüfungs- und Informationssystems beruht, Ingerowski (Fn. 3), S. 210 f., der insbesondere auf das Problem eines Stoffes hinweist, der nach den vorliegenden Angaben besorgniserregend sein könnte; diese Annahme ließe sich nur durch weitere Tests verifizieren, die allerdings nicht möglich sind, weil die Tests bzw. die dort erbrachten Informationen nicht zu den in diesem Mengenband vorgesehenen Informationen gehören. 346

D. Das Verhältnis von completeness check und compliance check

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1. Prüfungsumfang des compliance checks in qualitativer Hinsicht Art. 41 Abs. 1 REACH-VO normiert dabei das Prüfungsprogramm der Agentur:350 Nach Art. 41 Abs. 1 lit. a) REACH-VO prüft die ECHA die Registrierungsdossiers auf Übereinstimmung mit den Anforderungen der Art. 10, 12 und 13 und den Anhängen III und VI bis X REACH-VO. Art.  41 Abs.  1 lit.  b)  REACH-VO soll individuelle Abweichungen des technischen Dossiers hinterfragen: Gemäß Spalte 2 der Anhänge IX und X ­REACH-VO kann unter bestimmten Bedingungen das Standardprüfprogramm der jeweiligen Spalte 1 variiert werden. Daneben bestimmt Art. 13 Abs. 1 REACH-VO, dass Wirbeltierversuche soweit wie möglich zu vermeiden sind. Der Registrant muss im Dossier ausdrücklich auf diese Abweichungen hinweisen und angeben, auf welche Bestimmungen in Spalte 2 Anhang IX und X REACH-VO oder in Anhang XI REACH-VO er sich beruft. Weicht der Registrant vom Standardprüfprogramm der Anhänge IX und X REACH-VO ab oder hält er die dort vorgesehenen Prüfungen gemäß Anhang XI REACH-VO für entbehrlich,351 braucht er keine Studienzusammenfassungen vorzulegen – bei Datenlücken kommt es zu keinen Prüfvorschlägen. Diese Abweichung kann nach Art.  41 Abs.  1 lit.  b)  REACH-VO überprüft werden.352 Durch Art.  41 Abs.  1 lit.  c)  REACH-VO stellt die ECHA sicher, dass die Stoffsicherheitsbeurteilungen und Stoffsicherheitsberichte Anhang I R ­ EACH-VO entsprechen und angemessene Risikomanagementmaßnahmen vorgeschlagen werden.353 Art. 41 Abs. 1 lit. d) REACH-VO soll eines der zentralen Elemente des REACHSystems, die möglichst gemeinsame Registrierung eines Stoffes, um so etwa Wirbeltierversuche zu vermeiden, sichern: Das Registrierungsdossier kann darauf überprüft werden, ob für Opt-out-Erklärungen nach Art. 11 Abs. 3 REACH-VO oder 19 Abs. 2 REACH-VO eine objektive Grundlage354 besteht. Die überragende 350 Ausführlich dazu von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 45 ff. 351 Der umgekehrte Fall dagegen – die Agentur hält einen vorgeschlagenen Test nach Art. 10 lit a)  Ziffer ix) REACH-VO nach Anhang XI REACH-VO nicht für erforderlich  – ist nicht Teil des eigentlichen compliance checks, sondern wird nach Art. 40 REACH-VO geprüft, von Holleben/Scheidmann (Fn. 347), 116 (118 f.). 352 Dazu von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 46 f. 353 Besonders geprüft wird dabei die Konsistenz des technischen Dossiers mit dem Stoffsicherheitsbericht. So kann die fehlerhafte Auswahl der key study, bezogen auf einen bestimmten Endpunkt, dazu führen, dass sich falsche DNEL/PNEC-Werte oder falsche PBT- und vPvBEigenschaften ergeben, ECHA (Fn.  288), S.  50; von Holleben/Scheidmann (Fn.  347), 116 (119); von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 56. 354 Die Folge einer Opt-out-Erklärung ohne objektive Grundlage ist allerdings fraglich: Der Guidance on Evaluation verlangt in einem solchen Fall „to submit the respective information jointly“, ECHA (Fn. 353), S. 53. Jedoch kann die ECHA nach Art. 41 Abs. 3 REACH-VO

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

Wichtigkeit des Grundsatzes „one substance  – one registration (OSOR)“ wird hier auch dadurch offengelegt, dass in Art. 41 Abs. 5 S. 2 lit. a) REACH-VO die Abgabe von Opt-out-Erklärungen als besonderes Auswahlkriterium für die Überprüfung eines Dossiers festgelegt wird. 2. Prüfungsumfang des compliance checks in quantitativer Hinsicht Quantitativ wird aufgrund der begrenzten Ressourcen der Agentur nicht jedes Dossier umfassend bewertet, sondern es werden jeweils mindestens fünf  Prozent aus der Gesamtzahl der für jeden Mengenbereich eingegangenen Dossiers ausgewertet nach Art. 41 Abs. 5 REACH-VO.355 Die Auswahl erfolgt dabei nach den Kriterien des Art.  41 Abs.  5 REACH-VO. Allerdings signalisiert der Wortlaut „vorrangig, jedoch nicht ausschließlich“, dass diese Kriterien nicht abschließend sind. Es können somit noch weitere Kriterien, wie etwa unstimmige Angaben bei Einstufung und Kennzeichnung, Berücksichtigung finden;356 gegebenenfalls kann sogar die Dossierauswahl nach dem Zufallsprinzip erfolgen.357 Durch dieses Zufallsprinzip soll dafür gesorgt werden, dass prinzipiell jeder Registrant mit der Überprüfung seines Registrierungsdossiers rechnen muss.358 Daneben hat die Europäische Kommission nach Art. 41 Abs. 7 REACH-VO die Befugnis, den Prozentsatz der zu prüfenden Registrierungsdossiers zu variieren, die bereits formulierten Kriterien zu ändern oder zu erweitern.

lediglich fehlende Informationen anfordern. Eine einfache Zurückweisung von Informationen ist aber nicht vorgesehen. Daher muss sich der Beschlussentwurf nach Art. 41 Abs. 3 REACHVO darauf richten, dass Informationen, die nicht ausreichend sind, nachgefordert werden. Sind sie inhaltlich dagegen korrekt und entsprechen den Anforderungen des Art. 41 Abs. 1 lit. a) bis c) REACH-VO, könnte die ECHA zwar monieren, dass die Pflicht zur gemeinsamen Übermittlung verletzt wurde, kann aber keine weiteren Forderungen stellen; von Holleben/Scheidmann (Fn. 347), 116 (120); von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn.  61. Auch den nationalen Behörden fehlt eine Sanktionsmöglichkeit, weder das ChemG noch die ChemSanktionsV sieht einen entsprechenden Tatbestand vor. 355 Die ECHA rechnet aktuell mit ca. 600 Dossierbewertungen pro Jahr. Bis 2013 sollen fünf  Prozent der bis Ende 2010 entsprechend eingegangenen Dossiers geprüft werden, so ECHA (Fn. 28), S. 12; ebenso Iber, Vortrag: Aktuelle Entwicklungen aus Sicht der ECHA, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2013 – REACH, Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis, Tagungsunterlagen, 2013, S. 15 (16). Dies scheint auch gelungen zu sein, so ECHA, Target met for 5 % compliance checks of the 2010 registration dossiers. 356 Kuhn (Fn.  17), S.  158; weitere Kriterien benennt Iber, Vortrag: Aktuelle Probleme und Entwicklungen aus Sicht der ECHA, Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2011 – REACH und CLP, Tagungsunterlagen, 2011, S. 15 (22). 357 ECHA (Fn. 353), S. 70; von Holleben/Scheidmann (Fn. 347), 116 (117); Iber, in: Lexxion (Fn. 356), S. 15 (22). Nach Schliessner, Vortrag: Aktuelle ECHA-Entscheidungen – insbesondere Dossier-Evaluierung, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2013  – REACH, Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis, Tagungsunterlagen, 2013, S. 71 (72), sollen 15 Prozent der Registrierungsdossiers auf diese Art und Weise ausgewählt werden. 358 von Holleben/Scheidmann (Fn. 347), 116 (117).

D. Das Verhältnis von completeness check und compliance check

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Die nach Art.  40 und 41 REACH-VO erstellten Beschlussentwürfe werden nach dem Verfahren des Art. 50 Abs. 1 REACH-VO behandelt.359 Innerhalb dieses Verfahrens kann der Hersteller oder Registrant nach Art. 50 Abs. 3 REACH-VO bereits vor dem Erlass einer Entscheidung das Verfahren mit seiner Entschluss, die Produktion oder die Einfuhr des Stoffes einzustellen, beenden. Dann verlieren die eingereichten Unterlagen ihre Gültigkeit und die Sperre des Art. 5 REACH-VO tritt wieder ein. Außerdem können dann keine weiteren Informationen über diesen Stoff im Rahmen dieses Registrierungsverfahrens mehr angefordert werden.360

II. Die Abgrenzung von completeness check und compliance check Ist ein Registrierungsdossier eingereicht und so das Registrierungsverfahren des Art. 20 REACH-VO begonnen, kann die ECHA unzureichende Registrierungsdossiers nach einem Nachbesserungsversuch nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 REACH-VO gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO ablehnen und damit den Registrierungsvorgang beenden. Jedoch kann die ECHA nur Registrierungsdossiers abweisen, die unvollständig sind. Gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 REACH-VO werden nicht die Qualität und die Angemessenheit der Daten und Begründungen überprüft. Eine solche Überprüfung findet lediglich im compliance check statt.361 359

Dazu von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 50 REACH-VO Rn. 58 ff. Allgemein zum Ablauf der Dossierevaluation die Handreichung der ECHA ECHA, Procedure on Dossier Evalution. Daneben setzt die ECHA das Instrument des „Quality Observation ­Letter“ ein, ein informelles Schreiben des Inhalts, dass die ECHA Verbesserungspotenzial in den Registrierungsdossiers sieht. Zwar hat es keine rechtliche Qualität, kann aber als informelles Handlungsinstrument schnell und flexibel eingesetzt werden, vgl. ECHA, Tätigkeitsbericht 2011, S.  50. In der Zeit zwischen dem 1.6.2008 und dem 31.12.2011 fand dieses Instrument in 59 Fällen Anwendung, Iber, Vortrag: Aktuelle Probleme und Entwicklungen aus Sicht der ECHA, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2012 – Aktuelle Rechtsfragen zur REACH-Verordnung, Tagungsunterlagen, 2012, S. 15 (17). Beseitigt das update des Registranten die non-compliance der Registrierung nicht, ergeht ein „Statement of Non-Compliance“, ECHA, Follow-up nach Dossierbewertungsentscheidungen. Dazu und zu Frage eines updates während eines Evaluierungsverfahrens von Holleben (Fn. 177), 188 ff., auch im Hinblick auf die Thor-Entscheidung, ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 1.18.2013 – A-003–2012, sowie von Holleben, Vortrag: Dossierbewertung – Statement of Non-Compliance (SoNC), in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2014 – REACH – Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis, Tagungsunterlagen, 2014, S. 65 ff. 360 Dies führt zu einer extremen Schutzlücke im Rahmen der REACH-VO. Denn diese Regelung eröffnet Unternehmen dann die Möglichkeit, ggf. nach einem kurzen Produktions- oder Importstopp, erneut ein qualitativ unzureichendes Dossier einzureichen. Da nicht jedes Dossier im Rahmen des compliance checks geprüft wird, besteht eine reelle Chance, dass dieses Mal ein qualitativ unzureichendes Dossier nicht erkannt, nicht geprüft wird und keine Daten­ nachforderung erfolgt. 361 Führ, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 93), S. 87 (102); von Holleben/Scheidmann (Fn. 347), 116 (117); von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 14.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

Damit ist die Abgrenzung von completeness check nach Art. 20 REACH-VO und compliance check nach Art. 41 REACH-VO nicht nur von rein theoretischem Interesse. Denn gerade in Bezug auf die Rechtsfolgen zeigen sich deutliche Unterschiede. So ist bei einem Dossier, das im completeness check als incomplete identifiziert wird, eine Verweigerung der Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO möglich. Dagegen sieht die REACH-VO de lege lata als Entscheidung für ein Dossier, das non-compliant ist, lediglich einen Beschlussentwurf vor, der eine Nachforderung von Informationen enthält. Eine Aufhebung der Registrierung ist damit nach dem Mechanismus der REACH-VO jedoch nicht verbunden; der Hersteller oder Importeur gilt weiterhin als „Registrant“ und die Sperre des Art.  5 REACH-VO greift nicht.362 Dies ergibt sich in einem Rückschluss aus Art. 50 Abs. 3 S. 1 REACH-VO, nach dem der Registrant die Herstellung oder den Import des Stoffes einstellen kann und erst dann, also durch diese eigene Entscheidung, seine Registrierung verliert, nicht aber durch ein Nachforderungsbegehren der ECHA.363 Für die Frage, ob eine Ablehnung eines (fehlerhaften) Dossiers nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 REACH-VO möglich ist, muss folglich zunächst geklärt werden, ob dieser Fehler bereits durch das im completeness check vorgesehene Prüfungs­programm identifiziert werden kann. Die Abgrenzung von completeness check nach Art. 20 REACH-VO und compliance check nach Art. 41 REACH-VO erscheint auf den ersten Blick trennscharf; in einem Fall wird die Vollständigkeit der Unterlagen geprüft, im anderen Fall wird untersucht, ob die Unterlagen den inhaltlichen Anforderungen der R ­ EACH-VO entsprechen, im einen Fall handelt es sich um eine quantitative, in der zweiten Konstellation um eine qualitative Prüfung. Diese einfache Unterteilung stellt sich allerdings, insbesondere im Hinblick auf die Testtiefe, komplexer dar. 1. Abgrenzung nach Prüfungsinhalt und innerhalb der Prüfung zu beantwortenden Fragen Art.  20 Abs.  2 UAbs.  1 S.  2 REACH-VO präzisiert den Prüfungsumfang in­ sofern, als dass die Vollständigkeitsprüfung keine Beurteilung von Qualität oder Angemessenheit der Daten oder Begründungen umfasst. Denn dies ist Aufgabe des compliance checks nach Art. 41 REACH-VO. Im Rahmen des completeness checks wird damit lediglich geprüft, ob das Registrierungsdossier inhaltlich vollständig ist, alle nötigen Informationen vorliegen. Im compliance check hingegen wird geprüft, ob die Anforderungen der REACH-VO im Einzelnen erfüllt sind und Inhalt und Qualität der Informationen 362

Ingerowski (Fn. 3), S. 356. Dazu von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 50 REACH-VO Rn. 87 ff.

363

D. Das Verhältnis von completeness check und compliance check

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den Anforderungen entsprechen. Im completeness check geht es somit um das „Ob“, im compliance check um das „Wie“.364 Sobald die rein formale Ebene des „Ob“ verlassen und eine inhaltliche Bewertung der Angaben vorgenommen wird, befindet man sich im Rahmen des compliance checks.365 Eine solche Inhaltsprüfung überprüft die Qualität und Angemessenheit der Informationen und wird daher regelmäßig fachlich-naturwissenschaftlich geprägt sein, kann aber ebenso rechtliche Fragen betreffen, etwa wenn im Rahmen der Expositionsbeurteilung aus rechtlichen Erwägungen eine bestimmte Exposition nicht untersucht wird.366 Bleiben in einem Dossier nämlich die Angaben des Registranten hinter den von der REACH-VO geforderten Angaben zurück, ist es ein Trugschluss, dass nun das Dossier incomplete wäre. Vielmehr ist es complete, aber non-com­pliant. Würde man von einer incompleteness ausgehen, übersieht man, dass sich die Vollständigkeit nur auf die in Art.  10 REACH-VO und den dazugehörigen Anlagen der REACH-VO genannten Kategorien beziehen kann; die Vollständigkeit kann nicht auf die Angaben innerhalb der einzelnen Punkte bezogen werden:367 So muss nach Art. 14 REACH-VO ein Stoffsicherheitsbericht ab einem Mengenband von 10 t/a beigefügt werden. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass Art.  20 Abs.  2 UAbs. 1 S. 1 REACH-VO nicht direkt auf Art. 14 REACH-VO und den dazugehörigen Anhang I REACH-VO verweist, denn durch die Bezugnahme in Art. 10 lit. b) REACH-VO wird deutlich, dass die Frage, ob ein Stoffsicherheitsbericht beigefügt ist, im Rahmen des completeness checks überprüft werden kann und muss. Das bedeutet damit, dass das formale Vorliegen eines Stoffsicherheitsberichts im completeness check geprüft wird; ob sich dieser auch auf Einzelangaben innerhalb des Berichts bezieht oder ob dann damit nicht schon der completeness check in einen compliance check umschlägt, ist ein Problem der Differenzierung zwischen Vollständigkeitsprüfung und Inhaltskontrolle:368 Wird ein leeres Dokument als Stoffsicherheitsbericht vorgelegt, ist das Registrierungsdossier unvollständig. Gleiches muss gelten, wenn Angaben fehlen, die durch das in Anhang I Abschnitt 7 REACH-VO vorgegebene Format vorgesehen sind. Wird aber der Stoff nicht als „gefährlich“ eingestuft und daher keine Exposi­ tionsbeurteilung und folglich keine Dokumentation im Stoffsicherheitsbericht 364 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 18; Fischer, Registration under REACH: The scope of the completeness check, StoffR 2010, 58 (59); Kuhn (Fn. 17), S. 118. 365 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  20 REACH-VO Rn.  19; Fischer (Fn. 364), 58 (59); von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 14. 366 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  20 REACH-VO Rn.  19; Fischer (Fn. 364), 58 (59). 367 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  20 REACH-VO Rn.  20; Fischer (Fn. 364), 58 (59). 368 Führ, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 93), S. 102 Fn. 36.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

vorgenommen, begründet dies keine Unvollständigkeit, selbst wenn diese Einstufung später fehlerhaft sein sollte. Daher bezieht sich die geforderte Vollständigkeit jeweils nur auf die von Art. 10 REACH-VO und den Anhängen vorgesehenen Gliederungsebenen, nicht aber auf die einzelnen Punkte innerhalb der Gliederung. 2. Abgrenzung nach Durchführungsmechanismus und Häufigkeit der Tests Auch der Durchführungsmechanismus und die Anzahl der Dossiers, die ge­ testet werden, geben Hinweise für die Abgrenzung von completeness und com­ pliance check. Bei der Vollständigkeitsprüfung nach Art.  20 Abs.  2 REACH-VO handelt es sich um einen automatisierten Prozess, der lediglich die Vollständigkeit der nach Art.  10, 12, 17, 18 REACH-VO erforderlichen Angaben und die Zahlung der Registrierungsgebühr prüft. Vor dem Hintergrund, dass im completeness check jedes Dossier geprüft wird, wird ein zweistufiges Verfahren eingesetzt, dessen Hauptteil aus dem Einsatz eines Computerprogramms besteht.369 Das bedeutet, dass diese Vollständigkeitsprüfung letztlich nur an formalen Kriterien ausgerichtet wird, die von einem solchen Programm überprüft werden können.370 Dagegen findet der compliance check lediglich bei einer begrenzten Zahl von Dossiers statt, dies ergibt sich aus Art. 41 Abs. 5 S. 1 REACH-VO. Hintergrund ist, dass im compliance check zwar Computerprogramme unterstützend eingesetzt werden können, die Hauptarbeit bei einem compliance check wird aber ein Mitarbeiter der ECHA leisten müssen. Dies bedeutet einen entsprechend hohen Einsatz an finanziellen und zeitlichen Ressourcen. Die Grenze zwischen completeness und compliance check ist somit dann erreicht, wenn Angaben fachlich-naturwissenschaftlich oder rechtlich bewertet werden müssen, wenn also inhaltliche Wertungen eine Rolle spielen. Denn diese Anforderungen kann ein Computerprogramm im Regelfall nicht erfüllen. Daraus ergibt sich, dass die Linie zwischen completeness check und compliance check entsprechend zu der Fähigkeit eines Computerprogramms, die Angemessenheit von Angaben zu beurteilen, verläuft.371 Erläutern lässt sich dies bei Studienzusammenfassungen, die nach Art. 10 lit. a) Ziffer vi), vii) REACH-VO vorgelegt werden müssen. Im Mengenband von über 10 t/a sind nach Art. 12 Abs. 1 lit. a) REACH-VO die Anforderungen des Anhangs 369

ECHA (Fn. 288), S. 97. Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  20 REACH-VO Rn.  18; Fischer (Fn. 364), 58 (59). 371 Genau dies kritisierend European Environmental Bureau/Client Earth (Fn. 314), S. 11. 370

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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VIII REACH-VO zu beachten. Dieser fordert unter Ziffer 8.4.2. Spalte 1 grundsätzlich die Prüfung der Mutagenität. Sie soll durch eine in-vitro-zytogenetische Untersuchung an Säugetierzellen oder durch einen in-vitro-Mikronukleus­test ermittelt werden.372 Liegen die Voraussetzungen von Ziffer 8.4.2. Spalte 2 Anhang VIII REACH-VO vor, kann üblicherweise auf eine Prüfung der Mutagenität nach Ziffer 8.4.2. Spalte 1 Anhang VIII REACH-VO verzichtet werden. Dies setzt aber nach der Einführung zu Anhang VIII REACH-VO einen ausdrücklichen Hinweis und eine Begründung voraus. Ebenso erlaubt Anhang XI REACH-VO Abweichungen von Anhang VIII REACH-VO, auch dies erfordert einen ausdrücklichen Hinweis und eine Begründung. Liegen sowohl Hinweis als auch Begründung vor, besteht in beiden Fällen Vollständigkeit. Der completeness check wird bestanden werden. Ob die Voraussetzungen für die Abweichung in fachlicher Hinsicht vorliegen, kann ein Computerprogramm regelmäßig nicht prüfen. Insofern fällt dies in den Bereich des compliance checks nach Art. 41 REACH-VO. 

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren – die Registrierungsentscheidung als Beschluss im Sinne von Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV? In einem nächsten Schritt soll die Registrierungsentscheidung als Handlungsinstrument der ECHA im Registrierungsverfahren näher untersucht werden. Als „Entscheidung“ bezeichnet die ECHA selbst die Mitteilung über die Vollständigkeit der Registrierung in Verbindung mit der Zuweisung von Registrierungsnummer und Registrierungsdatum  – die Betreffzeile des Schriftstücks lautet „DECISION ON YOUR REGISTRATION UNDER REGULATION (EC) NO 1907/2006“. Dies entspricht dem Normtext der REACH-VO, die in Art. 20 Abs. 5 REACH-VO die Handlungen der ECHA im Registrierungsverfahren ebenfalls als „Entscheidung“ bezeichnet und überdies als widerspruchsfähig einstuft. Prima facie deckt sich dies mit dem Normtyp der „Entscheidung“ nach Art. 249 Abs. 4 EGV,373 der mit dem Erlass des Lissabon-Vertrages durch den Normtyp des

372 Ähnliches Beispiel, ebenfalls erläutert mit Studienzusammenfassungen, bei Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 20; Fischer (Fn. 364), 58 (59 f.). 373 Diese Ähnlichkeit der Begriffe lässt sich allerdings insofern nicht verallgemeinern, als dass etwa bei der dänischen und niederländischen Fassung des EGV andere Begriffe als im Rahmen der REACH-VO verwendet werden, Hofmann, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 91 REACH-VO Rn. 6, insbesondere Fn. 5; Stelkens, Die „Europäische Entscheidung“ als Handlungsform des direkten Unionsrechtsvollzugs nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, ZEuS 2005, 61 (63 ff.).

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV ersetzt374 wurde.375 Allerdings findet sich der Begriff der „Entscheidung“ auch in Bezug auf Handlungen von mitgliedstaatlichen Behörden, denen der Handlungskatalog des Art. 249 EGV nicht offen steht, etwa in Art. 46 Abs. 1 REACH-VO.376 Daher bedarf die Frage, inwiefern die Registrierungsentscheidungen nach Art. 20 REACH-VO als (adressatengerichtete) Beschlüsse im Sinne des Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV eingeordnet werden können, genauerer Prüfung. Denn ist dies der Fall, kann auch auf die in der Handlungsform des Beschlusses nach Art. 288 Abs.  4 S.  2 AEUV vereinten Problemlösungskonzepte zurückgegriffen werden: Handelt es sich um Beschlüsse nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV, ist diesen auch ein rechtlicher Rahmen gegeben, der Rechtmäßigkeitsanforderungen bereit hält und für bestimmte Probleme vorgefertigte Lösungen vorhält.377 Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV bezeichnet als ein Merkmal für das Vorliegen eines Beschlusses, dass sich dieser an einen (konkreten) Adressaten richtet.378 Jedenfalls die Hinwendung an einen konkreten Adressaten steht im Rahmen der Einstufung der Registrierungsentscheidungen nicht infrage – diese richten sich unzweideutig an den jeweiligen Registranten. Probleme ergeben sich aber an zwei Fronten: Zum einen muss eine rechtsverbindliche Regelung vorliegen (E. I.)379. Zum anderen normiert Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV die „Organe“ der EU als Absender dieser Regelungen (E. II.)380. Ob insofern die Anforderungen an einen Beschluss nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV erfüllt sind, soll im Folgenden untersucht werden.

374

Siehe nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 288 AEUV Rn. 86; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 288 AEUV Rn. 172 jeweils m. w. N. 375 Die Begriffe „Entscheidung“ und „Beschluss“ wurden im Übrigen nur in den dänischen, deutschen, niederländischen und slowenischen Sprachfassungen unterschieden, Frenz (Fn. 236), Rn. 1206. 376 Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  130 REACH-VO Rn.  9; Hofmann, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 91 REACH-VO Rn. 7. 377 Zur Speicherfunktion einer Handlungsform grundlegend Schmidt-Aßmann, Das allge­ meine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl., 2004, Kap. 6 Rn. 34 ff.; zur Speicherfunktion im Europarecht in Bezug auf die Entscheidung nach Art. 249 Abs. 1 AEUV Vogt, Die Entscheidung als Handlungsform des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 2005, S.  209 ff. Zur Abgrenzung der Begriffe „Handlungsform“ und „Rechtsform“: Glaser (Fn. 234), S. 53 ff. 378 Jedenfalls liegt eine Parallele zum deutschen Verwaltungsakt nach § 35 (L)VwVfG nahe, etwa Arndt/Fischer/Fetzer (Fn. 236), Rn. 205; Däubler, Der Widerruf von Verwaltungsakten im Recht der Europäischen Gemeinschaften, NJW 1965, 1646 (1646); Streinz, Europarecht, 9. Aufl., 2010, Rn. 511. Kritisch Stelkens (Fn. 373), 61 (68) lediglich „didaktische Funktion“ sowie Schroeder, in: Streinz (Fn. 234), Art. 288 AEUV Rn. 137. Einen umfassenden Vergleich unternimmt Schroeder, Bindungswirkungen von Entscheidungen nach Art.  249 EG im Vergleich zu denen von Verwaltungsakten nach deutschem Recht, 2006. 379 Siehe S. 97 ff. 380 Siehe S. 112 f.

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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I. Die Rechtsverbindlichkeit der Beschlüsse im Rahmen des Registrierungsverfahrens Damit eine Registrierungsentscheidung als Beschluss im Sinne des Art.  288 Abs. 4 S. 2 AEUV einzuordnen ist, muss sie rechtsverbindlich sein. Dies bedeutet, sie muss regelnd tätig werden, mithin Rechtswirkungen hervorrufen.381 Die ECHA kann im Rahmen des Registrierungsverfahrens vier mögliche Entscheidungen treffen: Sie kann eine Registrierung annehmen (E. I. 1.)382, sie (endgültig) ablehnen (E. I. 2.)383 oder Informationen nachfordern (E. I. 3.)384. Schließlich kann sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Registrierungsentscheidung aufheben (E. I. 4.)385. Die Rechtswirkung dieser vier möglichen Entscheidungen gilt es nun zu untersuchen. 1. Rechtswirkungen der annehmenden Entscheidung Die annehmende Registrierungsentscheidung nach Art. 20 Abs. 3 S. 1 REACHVO teilt dem Registranten Registrierungsnummer und Registrierungsdatum zu. Dabei handelt es sich um eine reine Übermittlung von Informationen, von denen keine Rechtswirkung ausgeht. Daneben kann als zweite Folge die Registrierungsentscheidung auch direkt und alleine kausal dafür sein, dass sich die Schranke des Art.  5 REACH-VO öffnet. In diesem Fall geht von der Registrierungsentscheidung eine Rechtswirkung aus. Diese Öffnung der Schranke des Art. 5 REACHVO könnte allerdings auch bereits durch das Einreichen des Registrierungsdossiers an sich erfolgt sein, dann würde es in dieser Hinsicht an der Rechtswirkung der Registrierungsentscheidung fehlen. Überträgt man diesen Problemkomplex in Kategorien des deutschen (Wirtschafts-)Aufsichtsrechts, spiegelt es die Frage, ob der Regelungskomplex der Registrierung in Titel II der REACH-VO ein präventives Verbot mit Anzeige- oder ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darstellt.386 Damit verknüpft ist auch, ob der ECHA eine grundsätzliche Handhabe 381 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn.  110), Art.  288 AEUV Rn.  88; Vogt (Fn.  377), S.  20, jeweils auch m. w. N. aus Schrifttum und Rechtsprechung. 382 Siehe S. 97 ff. 383 Siehe S. 109. 384 Siehe S. 110 ff. 385 Siehe S. 111. 386 Generell findet seit einiger Zeit eine Konturierung im Recht der Eröffnungskontrollen auf europäischer Ebene statt, die es durchaus ermöglicht, zumindest die im deutschen Recht grundlegende übliche Differenzierung zwischen Anzeige- und Erlaubnisvorbehalt zu nutzen, Siegel (Fn. 236), S. 311 ff. Die Definition einer Genehmigung im Recht der EU findet sich in der Richtlinie (EG) Nr. 2006/123 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EG Nr. L 376, S. 36, fortan: EG-Dienstleistungsrichtlinie. Das europäische Recht versteht unter einer Genehmigungsregelung jedes Ver-

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

zur Aufhebung einer Registrierung zusteht.387 Denn dafür ist die Herkunft des Rechts, mit dem die Sperre des Art. 5 REACH-VO überwunden wird, entscheidend: Geschieht dies durch eine Erlaubnis der ECHA, entsteht das Recht durch die Handlung, welche die ECHA erlassen hat. Um den status quo ante wiederherzustellen, ist damit lediglich die Aufhebung des Ausgangsverwaltungsakts bzw. Beschlusses erforderlich. Diese erfolgt im deutschen Recht auf Grundlage spezialgesetzlicher Normen388 oder der allgemeinen §§ 48 ff. (L)VwVfG, im europäischen Recht ebenso auf Grundlage positivierter sekundärrechtlicher Vorschriften oder aufgrund der ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts zur Aufhebung von Beschlüssen.389 Entsteht hingegen  – wie im Fall eines Anzeigevorbehalts – das Recht unmittelbar durch das Gesetz, ausgelöst durch die (Aufnahme)Anzeige des Betroffenen, muss das Gesetz selbst eine Möglichkeit vorsehen, den status quo ante wiederherzustellen.390

fahren, das einen Dienstleistungserbringer (oder einen Dienstleistungsempfänger) verpflichtet, bei einer zuständigen Behörde eine förmliche oder eine stillschweigende Entscheidung über die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit zu erwirken, so Art. 4 Nr. 6 EG-Dienstleistungsrichtlinie. Erwägungsgrund (39) präzisiert insoweit, dass alle Regelungen erfasst sind, deren Tätigkeit an ein Tun oder Unterlassen der Behörde geknüpft ist. Dagegen wird ein Anzeigevorbehalt nochmals in Art. 19 lit. a) EG-Dienstleistungsrichtlinie gesondert definiert als Pflicht, der Behörde gegenüber eine Erklärung abzugeben. So auch Korte, Abschied von der Aufnahmeüberwachung?, DVBl. 2009, 489 (491); Ziekow, Die Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie auf das deutsche Genehmigungsverfahrensrecht, GewArch 2007, 179 (180). In Art.  1 Abs.  1 lit.  a)  der Verordnung (EG) Nr.  689/2008 des Euro­ päischen Parlaments und des Rates vom 17.  Juni 2008 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien, ABl. EG Nr. L 204, S. 1, wird auch von der „vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung“ gesprochen, um nach deutscher Terminologie einen Erlaubnisvorbehalt zu beschreiben. 387 Eine Einstufung als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bedeutet auch eine Um­ verteilung der Beweislast. Während im alten Chemikalienrecht die Behörde im Rahmen einer Untersagungsverfügung nachweisen musste, dass die Anmeldung die Anforderungen nicht oder nicht fristgerecht erfüllt hat, liegt die Beweislast bei Vorliegen eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt beim Registranten, Siegel (Fn. 259), 106 (110); Wahl, Die EG-REACHVerordnung – neue Wege in der europäischen Chemikalienpolitik, PHi 2006, 126 (129). 388 Siehe nur § 18 WHG; § 21 BImSchG; § 17 Abs. 2 – Abs. 5 AtG; § 15 GastG, der allerdings lediglich die Voraussetzungen für die Rücknahme enthält, §§ 48 ff. VwVfG finden ergänzende Anwendung, Kastner, in: Fehling/Kastner (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 2012, § 48 VwVfG Rn. 78. 389 Siehe S. 238 ff. 390 In diese Richtung auch Kloepfer, Umweltschutzrecht, 2. Aufl., 2011, § 4 Rn. 55. Siehe im deutschen Umweltrecht etwa die §§ 26 f. GenTG, die der Behörde die Möglichkeit bieten, gegen eine Anlage, die nach § 8 Abs. 2 GenTG anzeigepflichtig ist, vorzugehen.

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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a) Blick ins deutsche Recht: Abgrenzung und Systematisierung von Anzeigeund Erlaubnisvorbehalten Im deutschen Recht existieren sowohl präventive Verbote mit Anzeige- als auch mit Erlaubnisvorbehalt. Der Hintergrund liegt in der unterschiedlichen Eingriffsintensität beider Maßnahmen in die Grundrechte der Betroffenen, regelmäßig in Art. 12 Abs. 1 GG. Ein präventives Prüfverfahren muss vor diesem Hintergrund der Gefahr angepasst sein, der es begegnen soll.391 Am wenigsten belastend für das Rechtssubjekt ist die Pflicht, die Aufnahme einer Tätigkeit bei der Aufsichtsbehörde anzuzeigen.392 Damit hat die Verwaltung eine Informationsgrundlage, um gegebenenfalls gegen die Aufnahme der Tätigkeit einschreiten zu können.393 Die Handlungsfreiheit des Bürgers hingegen bleibt auch formal unberührt.394 Um die Eingriffsintensität der verschiedenen Instrumente aufzuzeigen, wird dieses präventive Verbot mit Anzeigevorbehalt auch zwischen einer grundsätzlichen Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt und einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingeordnet.395 Innerhalb der Anzeigeverpflichtungen sind diverse weitere Differenzierungen durch die Literatur entstanden, um dieses Instrument, das in den vielfältigsten Erscheinungsformen auftritt, besser fassbar zu machen.396 Neben dem Begriff der Anzeige nutzt der Gesetzgeber den Begriff der Anmeldung. Auch in diesem Fall handelt es sich der Sache nach um eine Anzeige im weiteren Sinne, die sich von einer Anzeige im engeren Sinne durch den einer Anmeldung regelmäßig inne­ 391

BVerfG, Urteil vom 5.8.1966 – 1 BvF 1/61 – BVerfGE 20, 150 (155) – Sammlungsgesetz. Fluck, Anzeige statt Genehmigung, in: Trute/von Danwitz/Wagner u. a. (Hrsg.), Rückzug des Ordnungsrechtes im Umweltschutz, 1999, S. 165 (170); Kloepfer (Fn. 390), § 4 Rn. 40. Besonders häufig findet sich dieses Instrument – die Sicht dieses Rechtsgebiets als Informationsrecht bestätigend – im Umweltrecht, Kloepfer, Umweltrecht als Informationsrecht, UPR 2005, 41 (42 ff.). 393 Siegel (Fn. 236), S. 91; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., 2013, § 5 Rn. 11. 394 Schick, Das Verbot mit Anzeigevorbehalt, BayVBl. 1967, 341 (341). 395 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, § 9 Rn. 54. 396 So lässt sich nochmals differenzieren zwischen einem „echten“ Verbot mit Anzeigevorbehalt, mit dem die Aufnahme der Tätigkeit unmittelbar im Zusammenhang mit der Anzeige steht, etwa § 14 Abs. 1 VersG, sowie Anzeigepflichten, die zwar im Zusammenhang mit der Aufnahme der Tätigkeit stehen, aber nicht mit einem formellen Verbot der Tätigkeit bis zur Anzeige verbunden sind, § 14 GewO. Als dritte Gruppe von Anzeigeverpflichtungen ist nach dieser Differenzierung die Verpflichtung zur Mitteilung anderer Tatsachen zu nennen, die ge­ legentlich bei einer Tätigkeit auftreten, etwa § 11 StörfallV, Schick (Fn.  394), 341 (341). Im Umweltrecht wird teilweise auch eine Differenzierung zwischen genehmigungsersetzender und genehmigungsergänzender Anzeige getroffen, Kloepfer (Fn.  390), § 4 Rn.  39. Teilweise wird auch zwischen Anfangs-, Änderungs- und Endanzeigen getrennt, Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, 1992, S. 246 ff., oder zwischen tätigkeitseröffnenden Voranzeigen, tätigkeitseröffnenden Nachanzeigen, tätigkeitsbegleitenden Nachanzeigen, tätigkeitsbeendenden Anzeigen und Ereignis- und Kenntnisanzeigen, Fluck, in: Trute/von Danwitz/Wagner u. a. (Fn. 392), S. 165 (168). 392

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

wohnenden höheren Verfahrensaufwand sowie einer damit zusammenhängenden Frist, nach deren Ablauf der Anmelder erst tätig werden darf, unterscheidet.397 Doch auch diese Unterscheidung ist lediglich idealtypisch – so spricht der Gesetzgeber bei der Anmeldung nach § 15 BImSchG von einer Anzeige – und zeigt damit auf, dass bereits im deutschen Recht eine übergreifende Regelungssystematik durch den Gesetzgeber fehlt und eine Ordnung lediglich in grober Form erfolgen kann, ohne dabei die Einheitlichkeit des Ordnungssystems zu verlieren. Liegt ein präventives Verbot mit Anzeigevorbehalt vor, entsteht das die Verbotsschranke öffnende Recht durch Anzeige und gegebenenfalls Zeitablauf, somit durch das Gesetz selbst, ohne dass es eines Mitwirkungsakts der Behörde bedarf. Um in diesem Fall für den Betroffenen die Verbotsschranke wieder zu senken, bedarf es regelmäßig einer sich ebenfalls aus dem Gesetz ergebenden Maßnahme.398 Ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt399 liegt dann vor, wenn ein bestimmtes Verhalten von vorneherein nicht einem vollständigen Verbot unterliegt, sondern bei Vorliegen bestimmter Kriterien von der Zulassungsbehörde erlaubt werden kann.400 Dabei öffnet ein behördlicher Akt, eine vorherige Erlaubnis die Verbotsschranke. Bei Vorliegen eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt401 muss die Behörde prüfen, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind und bei Vorliegen die Erlaubnis erteilen.402 Das präventive Verbot mit ­(Kontroll-) Erlaubnisvorbehalt betrifft grundsätzlich zulässige Verhaltensweisen, die jedoch 397 So die Differenzierung von Fluck, in: Trute/von Danwitz/Wagner u. a. (Fn. 392), S. 165 (168 m. w. N.). Im Umweltrecht etwa in § 4 Abs. 1 ChemG a. F.; § 8 GenTG. 398 Etwa im deutschen Gentechnikrecht §§ 26 f. GenTG. 399 Teilweise wird es auch als „Präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt“ benannt, Karageorgou, Das Umweltordnungsrecht, 2003, S. 16 ff.; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober u. a. (Hrsg.), Verwaltungsrecht I, 12. Aufl., 2007, § 46: Arten der Verwaltungsakte Rn. 32, der außerdem den Begriff der „Zulassung“ ins Feld führt. 400 Kloepfer (Fn. 390), § 4 Rn. 40. Karageorgou (Fn. 399), S. 17 f., nimmt dabei eine Charakterisierung nach verschiedenen Kriterien vor. 401 Grundlegend lässt sich weiterhin zwischen einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt differenzieren: So betrifft das repressive Verbot die Unterdrückung eines grundsätzlich nicht gewollten Verhaltens und eine ausnahmsweise mögliche Erlaubnis – teilweise werden auch die Begriffe Befreiung oder Ausnahmebewilligung verwendet, Kloepfer (Fn.  390), § 4 Rn.  41  – und ergeht regelmäßig als Ermessensentscheidung, Erbguth/Schlacke, Umweltrecht, 5. Aufl., 2014, § 5 Rn. 33; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober u. a. (Fn. 399), § 46 Rn. 40. Im deutschen Recht ist dieses Instrument etwa im GastG normiert: Bei den nach § 18 Abs. 1 S. 1 GastG erlassenen Rechtsvorschriften handelt es sich um repressive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. Doch auch bei dieser scheinbar trennscharfen Unterscheidung existieren Mischformen, wie etwa der atomrechtliche Anlagengenehmigungsbestand des § 7 Abs.  2 AtomG, welcher der Behörde ein Versagungsermessen einräumt, von dem sie aber nur in atypischen Fällen Gebrauch machen darf, Kloepfer (Fn. 390), § 4 Rn. 44. Das Versagungsermessen ergibt sich aus gesetzgeberischen Erwägungen und wurde vom BVerfG als Ausdruck besonderer Vorsicht anerkannt, BVerfG, Urteil vom 8.8.1978  – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89 (146 f.). 402 Schick (Fn. 394), 341 (341).

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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vor ihrer Aufnahme einer behördlichen Kontrolle unterzogen werden sollen.403 Bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht jedoch regelmäßig kein Ermessen, sondern es liegt eine gebundene Entscheidung auf Erlass der Erlaubnis vor.404 Erteilt die Behörde eine Erlaubnis, entsteht das die Verbotsschranke öffnende Recht durch eine Rechtshandlung der Behörde. Hebt die Behörde diese Rechtshandlung wieder auf, ist der status quo ante wieder hergestellt. b) Analyse des Normenzusammenwirkens im Rahmen der Registrierung nach Titel II der REACH-VO Ausgehen muss eine Einstufung der Registrierung im Rahmen der REACHVO in eine der beiden oben skizzierten Kategorien von einer detaillierten Analyse des Zusammenwirkens der an der Registrierung beteiligten Normen. So lässt sich im System der Registrierung bestimmen, auf welchem Weg das die Schranke des Art. 5 REACH-VO öffnende Recht entsteht. Grundsätzlich ist die Registrierung nach Titel II der REACH-VO als ein Verwaltungsverfahren auf europäischer Ebene einzustufen. Akteur auf Behördenseite ist die ECHA, mithin handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren, das unter Anwendung des Europäischen Eigenverwaltungsrechts abgewickelt wird.405 Ziel ist die Aufhebung der Sperre des Art. 5 REACH-VO. Diese verbietet die Herstellung oder das Inverkehrbringen von chemischen Stoffen, die nicht registriert sind – vorbehaltlich der in den Art. 6, 7, 21, 23 REACH-VO genannten Ausnahmen. aa) Vorliegen von Kennzeichen eines Erlaubnisvorbehaltes Betrachtet man nun lediglich Art. 5, 20 REACH-VO, liegt es nahe, die Regelungskonstruktion ähnlich dem deutschen präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einzuordnen. Der ECHA steht im Hinblick auf die Vollständigkeit der Registrierungsdossiers nach Art. 20 Abs. 2 REACH-VO eine Prüfungspflicht zu. Dabei muss sie die Registrierung bei Unvollständigkeit ablehnen gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO, bei Vollständigkeit diese nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO durch Zuweisung von Registrierungsnummer und Registrierungsdatum bestätigen und so die Sperre des Art. 5 REACH-VO heben. Auch wenn die Prüfungstiefe eingeschränkt ist – es wird lediglich die Vollständigkeit des Registrierungsdossiers geprüft nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 REACH-VO, – ändert sich dennoch die Situation im Registrierungsverfahren nach der REACH-VO im 403 So die herrschende Meinung, Erbguth/Schlacke (Fn.  401), § 5 Rn.  32; Karageorgou (Fn. 399), S. 18; Maurer (Fn. 395), § 9 Rn. 51 ff. 404 Erbguth/Schlacke (Fn.  401), § 5 Rn.  32; Kloepfer (Fn.  390), § 4 Rn.  42. Im deutschen Umweltrecht findet sich dieses Instrument etwa in §§ 4 ff. BImSchG; § 49 KrWG; § 8 ff., § 16 Abs. 1, Abs. 2 GenTG. 405 Führ, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 93), S. 87 (115 f.).

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

Vergleich zum Anmeldeverfahren gemäß §§ 4 ff. ChemG deutlich406: Aus einer (negativen) Untersagungsverfügung nach Anmeldevorbehalt wird eine positive Registrierungsverfügung nach der REACH-VO.407 Die ECHA hat Befugnis wie Pflicht408, bei einem unvollständigen Registrierungsdossier zu intervenieren und die Herstellung und das Einführen des Stoffes zu untersagen. Vor diesem Hintergrund wird die Registrierung im Rahmen der REACH-VO teilweise als präven­ tives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingestuft.409 Damit käme der Registrierungsentscheidung auch Rechtswirkung zu. bb) Vorliegen von Kennzeichen eines Anzeigevorbehaltes Prima vista im Gegensatz dazu scheint Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO zu stehen. Diese Vorschrift erlaubt die Herstellung oder Einfuhr eines Stoffes, wenn die ECHA innerhalb von drei Wochen – bzw. innerhalb von drei Monaten bei Phase-in-Stoffen nach Maßgabe des Art. 23 REACH-VO – nach Antragsdatum keine gegenteilige Mitteilung nach Art.  20 Abs.  2 REACH-VO macht. Mit der Einreichung des Dossiers und Zeitablauf öffne sich die Verbotsschranke des Art. 5 REACH-VO, ohne dass es hierzu einer weiteren behördlichen Maßnahme bedarf.410 Es kommt damit gerade nicht auf eine behördliche Maßnahme an, der Betroffene erlangt die Möglichkeit, einen chemischen Stoff herzustellen oder einzuführen, rein durch Zeitablauf aufgrund Art.  21 Abs.  1 UAbs.  1, UAbs.  2, Abs.  2 REACH-VO.411 Der Registrant muss durch Einreichung seines Registrierungsdossiers seine Absichten anzeigen, die ECHA informieren, und darf dann nach Ablauf der jeweiligen Frist des Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO den 406 Auch dort lag ein Verbot mit Anzeigevorbehalt vor, Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  20 REACH-VO Rn.  27; Fluck, in: Trute/von Danwitz/Wagner u. a. (Fn.  392), S. 165 (179); Ingerowski (Fn. 3), S. 75; Köller (Fn. 60), S. 86. Uppenbrink, in: Uppenbrink/ Broecker/Schottelius u. a. (Hrsg.), Chemikaliengesetz – Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen, 1987, § 8 ChemG Rn. 1, stuft es als „Zwischenstufe ein“ weil die Anmeldestelle die Befugnis hatte, die Anmeldeunterlagen auf offensichtliche Fehler zu überprüfen, § 8 Abs. 2 S. 1 ChemG a. F. Zum Hintergrund dieser Regelung auch Spiecker genannt Döhmann, Informationsgewinnung im Umweltrecht durch materielles Recht, DVBl. 2006, 278 (281). 407 Siegel (Fn. 259), 106 (110). 408 Eine Prüfungspflicht ist auch im deutschen Recht ein deutliches Kennzeichen für das Vorliegen eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt, Schick (Fn. 394), 341 (341). 409 So Funke (Fn. 87), S. 41; von Hahn, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 5 REACHVO Rn. 7; Siegel (Fn. 259), 106 (107 f.); Siegel (Fn. 236), S. 313; Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, 2012, Rn. 278 f. 410 Damit würde die REACH-VO in diesem Punkt den Regelungen für Neustoffanmeldungen in den alten §§ 4 ff. Chemikaliengesetz entsprechen. Auch dort lag ein Verbot mit Anzeige­ vorbehalt vor, vgl. oben Fn. 406. 411 So auch Becker/Tiedemann (Fn.  93), Rn.  140; Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 27; Ingerowski (Fn. 3), S. 75.

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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Stoff oder das Erzeugnis herstellen oder einführen. Auf eine Handlung der ECHA kommt es dabei nicht an. Zwar lässt sich einwenden, dass der ECHA eine Prüfungs- wie auch eine Ablehnungskompetenz zusteht.412 Diese Prüfungskompetenz ist nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 REACH-VO lediglich eine formale Prüfung auf Vollständigkeit ohne weiteren inhaltlichen Tiefgang.413 Es ist zuzugeben, dass sie sich möglicherweise in quantitativer Hinsicht von der Prüfung anderer Anmeldungen abhebt, qualitativ allerdings handelt es sich um dieselbe Prüfungstiefe. Eine formale Prüfung auf Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen ist aber untrennbarer Teil eines Anzeigevorbehalts; vor dem Hintergrund, dass eine wirksame Anzeige Vollständigkeit voraussetzt, steht der Verwaltung regelmäßig eine dahin gehende Prüfungspflicht zu.414 Damit korrespondierend kann die Verwaltung auch eine unvollständige Anzeige ablehnen, wird es sogar regelmäßig tun, um so klarzustellen, dass die Anmeldung unvollständig ist und damit keine Rechtswirkung entfaltet. Art. 20 Abs. 3 REACH-VO dient nach dieser Lesart lediglich als Verdeutlichung und zur Rechtssicherheit. Eine Prüfungs- und Ablehnungskompetenz der ECHA ist also nicht maßgebliches Indiz für das Vorliegen eines Erlaubnisvorbehalts, sondern kann ebenso in die Regelungsstruktur eines Anzeigevorbehalts eingeordnet werden. Aus diesem Grund wird vertreten, die Registrierung im Rahmen der REACH-VO als präventives Verbot mit Anzeigevorbehalt einzustufen.415 Damit aber würde es in dieser Hinsicht an einer Rechtswirkung der Registrierungsentscheidung fehlen. cc) Tiefer gehende Analyse im Rahmen einer Fallgruppenbetrachtung Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass eine schlagwortartige Einordnung der Registrierung als präventives Verbot mit Anzeige- oder mit Erlaubnisvorbehalt prima facie nicht eindeutig möglich scheint. Daher muss untersucht werden, auf welchem Weg das Recht, das die Öffnung der Schranke des Art. 5 REACH-VO bewirkt, entsteht. Es müssen Normzusammenhang und Anwendungsbereich von Art.  21 Abs.  1 UAbs.  1, UAbs.  2, Abs.  2 REACH-VO im Verhältnis zu Art.  20 Abs.  3 REACH-VO jeweils bestimmt werden. Dabei sollen die Entscheidungsstrukturen der Registrierung für jede der nach Art. 20, 21 REACH-VO möglichen Fallkonstellationen bei einer (erstmaligen) Registrierung eines Stoffes durch einen

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So die Begründung von Siegel (Fn. 259), 106 (110); Siegel (Fn. 236), S. 313. Vor diesem Hintergrund kann sie auch ohne größere Probleme vorwiegend computergestützt erfolgen – zum Ablauf des Registrierungsverfahrens durch die ECHA siehe S. 80 ff. 414 Vgl. auch im alten Chemikalienrecht § 8 Abs. 2 ChemG a. F. 415 So von Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 27; von Holleben/Scheidmann (Fn. 96), 16 (19); Kuhn (Fn. 17), S. 101; Martel (Fn. 263), 601 (608); Rengeling (Fn.  56), § 28 Rn.  9; wohl auch Rehbinder, in: Hansmann/Sellner (Fn.  13), § 11 Rn. 39. 413

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

Registranten nachgezeichnet werden. Die erste entscheidende Weichenstellung innerhalb des Ablaufs einer Registrierung liegt in der Hand der ECHA: Diese muss gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO das Registrierungsdossier innerhalb von drei Wochen bzw. drei Monaten bei Phase-in-Stoffen nach dessen Eingang auf Vollständigkeit prüfen. Innerhalb dieser Zeit, dies ergibt sich als argumentum e contrario aus Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 2 REACH-VO, darf eine Herstellung oder Einfuhr des Stoffes grundsätzlich nicht erfolgen  – lediglich bei Vorliegen eines Ausnahmefalls des Art. 23 REACH-VO. Die Schranke des Art. 5 REACHVO hebt sich damit im Regelfall nicht durch reines Einreichen eines Registrierungsdossiers bei der ECHA. (1) Fristgerechte Prüfung durch die ECHA Die REACH-VO sieht den Fall der fristgerechten Vollständigkeitsprüfung durch die ECHA als Regelfall an, legt der Behörde in Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACHVO eine entsprechende Pflicht auf.416 Findet der completeness check des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1, UAbs. 2 R ­ EACH-VO fristgerecht erfolgreich statt, weist die ECHA Registrierungsnummer und ein Registrierungsdatum zu. Damit wird gleichzeitig die Vollständigkeit bescheinigt.417 Die Registrierung wird durch diesen Rechtsakt der ECHA abgeschlossen. Erst damit darf der Registrant einen chemischen Stoff herstellen oder einführen. Damit beruht dieses Recht, die Aufhebung der Sperre des Art. 5 REACH-VO, unmittelbar auf einem Handeln der ECHA nach Art.  20 Abs.  3 REACH-VO. Diese führt in ihrer „Decision on your Registration under Regulation (EC) NO 1907/2006“ aus: „this registration entitles you to manufacture/import this substance“. Damit öffnet die ECHA unmittelbar durch behördlichen Bescheid die Sperre des Art. 5 REACH-VO. Fraglich ist, ob in dieser Konstellation Raum für Art.  21 Abs.  1 UAbs.  1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO bleibt. Theoretisch könnte man dem Normtext entnehmen, dass, wenn die ECHA vor Ablauf der Prüfungsfrist des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO die Vollständigkeit bescheinigt, dennoch nach Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2 REACH-VO erst mit der Herstellung oder dem Import des che-

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Dieser Pflicht scheint die ECHA in der Praxis – auch durch die Durchführung von computergestützten Tests im Rahmen des completeness checks – nachzukommen. Registrierungen werden im Regelfall noch am Tag ihres Eingangs auf Vollständigkeit geprüft – Antrags- und Registrierungsdatum sind zumindest in den dem Autor vorliegenden Registrierungsdossiers identisch. Somit scheint die ECHA für die Arbeitslast gerüstet zu sein; anders noch Ende 2009, Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE), REACH-Umsetzung gerät zum Desaster. 417 Die ECHA bescheinigt zum einen die Vollständigkeit „The registration was considered complete“ und nennt zum anderen Registrierungsnummer und Registrierungsdatum.

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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mischen Stoffes begonnen werden darf, wenn diese Frist abgelaufen ist.418 Denn Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2 REACH-VO gebietet die Einhaltung dieser Frist, innerhalb derer die ECHA eine abschlägige Registrierungsentscheidung treffen kann. Würde man nun bei dieser Ansicht bleiben, ist zuzustimmen, dass dann Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2 REACH-VO die für die Bestimmung der Registrierung einschlägige und wesentliche Norm sei. Das Recht würde dann erst durch den Zeitablauf entstehen, die Mitteilung der ECHA hätte rein deklaratorische Wirkung, eine Rechtswirkung würde fehlen, somit würde das Fehlen dieses Merkmals auch das Vorliegen eines Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV ausschließen. Diese Ansicht, diese Auslegung der Norm, würde allerdings zur Situation führen, dass die Registranten trotz einer erfolgten erfolgreichen Registrierungsmeldung durch die ECHA noch den Rest der Frist abwarten müssten, um ge­ gebenenfalls auf eine negative Meldung der ECHA nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1, UAbs. 4 S. 1 REACH-VO zu warten. Diese wird aber nicht eintreffen, denn die ECHA hat das Registrierungsverfahren mit der Feststellung der Vollständigkeit beendet und die Sperre des Art. 5 REACH-VO gehoben. Dann aber dennoch eine Wartezeit zu verlangen, um der ECHA die Möglichkeit einer Mitteilung zu geben, die sie nie versenden wird, erscheint als bloße Förmelei. Entscheidend ist mithin die Mitteilung der ECHA nach Art. 20 Abs. 3 REACHVO, die Bescheinigung der Vollständigkeit und die Mitteilung, dass die Registrierung damit die Herstellung und den Import des Stoffes ermöglicht. Die ECHA öffnet durch den Registrierungsbeschluss die Schranke des Art.  5 REACH-VO. Sie erteilt dem Registranten die Erlaubnis, den Stoff herzustellen oder in Verkehr zu bringen. Für eine Anwendung des Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO ist in diesem Zusammenhang kein Raum. Stellt – so eine andere mögliche Konstellation – im Rahmen eines innerhalb der Frist stattfindenden completeness checks nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 REACHVO die ECHA fest, dass das Registrierungsdossier unvollständig ist, kann sie nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 REACH-VO Informationen nachfordern. Gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 4 REACH-VO führt die ECHA nach Eingang der Infor­ mationen eine erneute Prüfung durch. Art. 21 Abs. 2 REACH-VO stellt in dieser Konstellation das Spiegelbild zu Art.  21 Abs.  1 UAbs.  1, UAbs.  2 REACH-VO dar. Ist die Registrierung nun vollständig, liegt die erste angesprochene Fallkonstellation erneut vor. Wie für Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2 REACH-VO fehlt es nun auch Art. 21 Abs. 2 REACH-VO an einem eigenständigen Norminhalt für 418 So von Hahn, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 5 REACH-VO Rn. 8; wohl auch „Die Zulässigkeit der Herstellung oder des Imports ist an die Einhaltung einer Wartefrist […] geknüpft“, Rehbinder, in: Hansmann/Sellner (Fn. 13), § 11 Rn. 39. Im Anmeldeverfahren des alten Chemikalienrechts hingegen, § 8 Abs. 3 ChemG a. F., bestand eine Wartefrist von 60 Tagen. Diese rührte aber daher, dass es sich hierbei um einen Anzeigevorbehalt handelte und durch diese Wartefrist die Behörde eine entsprechende Zeit zur Prüfung der Unter­lagen und gegebenenfalls zum Aussprechen einer Verbotsverfügung zur Verfügung stand, Theuer (Fn. 66), 127 (129).

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

die Bestätigung der Registrierung. Ist die Registrierung unvollständig, wird sie von der ECHA nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO abgelehnt. Die Sperre des Art. 5 REACH-VO bleibt geschlossen. Einer Anwendung von Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO bedarf es nicht. (2) Nichtfristgerechte Prüfung durch die ECHA Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO wächst im Rahmen der Registrierung dann Bedeutung zu, wenn die ECHA im Ausnahmefall die Vollständigkeitsprüfung nicht innerhalb der in Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO positivierten Fristen durchführt. Dann kann – je nach Konstellation – Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2 oder Art. 21 Abs. 2 REACH-VO eigene Bedeutung gewinnen. Gelingt der ECHA die Vollständigkeitsprüfung innerhalb der Fristen des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO nicht, sendet sie keine Mitteilung; sie meldet weder Vollständigkeit nach Art.  20 Abs.  3 REACH-VO noch erfolgt gemäß Art.  21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2 REACH-VO eine „gegenteilige Mitteilung nach Artikel 20 Absatz 2“. Nun darf der Registrant mit der Herstellung oder Einfuhr des Stoffes beginnen. Die Sperre des Art.  5 REACH-VO ist durchbrochen. Diese sieht vor, dass im Fall des Art. 21 REACH-VO eine Ausnahme von der Registrierungspflicht erfolgt. Damit ergibt sich folgendes Bild: Im Regelfall  – sowohl nach dem Norm­ design der REACH-VO als auch in der Praxis –, nämlich dann, wenn die ECHA selbst normkonform handelt und die Registrierung innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO durchführt, erhält Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs.  2 REACH-VO keinen eigenen Anwendungsraum. Die Fristen des Art.  21 Abs. 1 UAbs. 1 und UAbs. 2 REACH-VO sind parallel zu den Fristen des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO angelegt.419 Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO finden lediglich im Spezialfall Anwendung, dann nämlich, wenn der ECHA die Prüfung der Registrierungsdossiers nicht fristgerecht gelingt. Dann will die REACH-VO den Registranten entsprechend unterstützen. (Organisations) Mängel auf Seiten der ECHA dürfen nicht zu seinen Lasten gehen. Dies ist Sinn und Zweck dieser Regelung. Die Erlaubnis der ECHA, die Feststellung der Vollständigkeit des Registrierungs­ dossiers in Verbindung mit der Zuweisung von Registrierungsnummer und Regis 419 Aus diesem Gleichklang der Fristen lässt sich noch eine weitere Erkenntnis zum Normzusammenhang zwischen Art.  20 und Art.  21 REACH-VO gewinnen: Beide Artikel regeln dasselbe Verfahren, stellen dasselbe Bild dar, das aber aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet wird. Während Art. 20 REACH-VO die Registrierung aus der Sicht der ECHA regelt  – in diesem Zusammenhang auch die Überschrift: „Pflichten der Agentur“  –, stellt Art. 21 REACH-VO das Registrierungsverfahren aus Sicht des Registranten dar. Dieser, mit seinem Wunsch, den Stoff herstellen oder importieren zu dürfen, steht im Mittelpunkt von Art. 21 REACH-VO.

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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trierungsdatum, stellt die Eintrittskarte des Registranten nach Art. 5 REACH-VO dar. Diese dominierende Rolle des Art. 20 REACH-VO wird auch durch folgende Überlegungen gestützt: Hält die ECHA die Prüfungsfrist des Art.  20 Abs.  2 UAbs.  2 REACH-VO  – spiegelbildlich niedergelegt in Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACHVO – nicht ein, darf der Registrant entsprechend Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs.  2 REACH-VO den Stoff herstellen oder einführen. Dies geschieht jedoch, ohne dass eine Registrierung stattgefunden hat. Der Zustand des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 REACH-VO unterscheidet sich insofern vom Zustand des Art. 21 Abs. 1 UAbs.  1, UAbs.  2, Abs.  2 REACH-VO. Während der Registrant in einem Fall Registrierungsnummer und Registrierungsdatum erhalten hat – und damit auch die Vollständigkeit des Registrierungsdossiers bestätigt wurde – fehlen diese Informationen in den Fällen des Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO.420 Damit befindet sich der Registrant, der nun nach Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO seinen chemischen Stoff herstellt oder einführt, in einer deutlich schwächeren Position als der Registrant, der das Registrierungsverfahren erfolgreich beendet hat: Denn zum einen darf er zwar den chemischen Stoff herstellen oder einführen, ihm fehlt aber die Registrierungsnummer. Diese wiederum ist nach Art. 31 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1 REACH-VO in Verbindung mit Anhang II Abschnitt 1.1. REACHVO Bestandteil des Sicherheitsdatenblattes, das in den Fällen des Art. 31 Abs. 1, Abs. 3 REACH-VO an alle weiteren Akteure der Lieferkette des Stoffes weiterzugeben ist. Fehlende Angaben dort können die weitere Vermarktung des Stoffes erschweren, insbesondere wenn das Fehlen der Registrierungsnummer im Rahmen von Kontrollen durch die Vollzugsbehörden glaubhaft gemacht werden muss.421

420 Damit handelt es sich bei den Bestimmungen des Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO auch nicht um eine Genehmigungsfiktion, Ammerich, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  21 REACH-VO Rn.  27. A. A. wohl Funke (Fn.  87), S.  39, auf Basis des Verordnungsentwurfs. Eine solche würde lediglich dann vorliegen, wenn der fingierte Rechtsakt in seiner gesamten rechtlichen Wirkung dem im Regelfall durch die Behörde erlassenen Rechtsakt entspricht. Eine Bescheinigung der Vollständigkeit des Registrierungsdossiers aber fehlt ebenso wie die Zuweisung von Registrierungsnummer und Registrierungsdatum. Die Annahme, dass es sich hierbei um zwei getrennte Beschlüsse handle, geht fehl. Zum einen sind beide maßgeblich voneinander abhängig, gehören zusammen und bauen aufeinander auf. Zum anderen zeigt ein Blick auf das äußere Erscheinungsbild des Registrierungsbescheides der ECHA, dass die Bescheinigung der Vollständigkeit und die Zuteilung von Registrierungsnummer und Registrierungsdatum unmittelbar hintereinander erfolgen und eine erkennbare Trennung der ECHA zwischen beiden Maßnahmen fehlt. 421 In diesem Zusammenhang wird § 25a Nr. 1 ChemG jedenfalls nicht anwendbar sein. Dieser sanktioniert die nicht vollständige Zurverfügungstellung eines Sicherheitsdatenblattes. Das Sicherheitsdatenblatt ist aufgrund des Fehlens der Registrierungsnummer nicht vollständig, allerdings nicht aufgrund Verschuldens des Registranten. Siehe auch Mayer-Figge (Fn. 163), 52 ff. zur hohen Mängelquote bei Sicherheitsdatenblättern.

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

Zum anderen genießt der Betroffene nicht denselben Schutz wie ein erfolgreicher Registrant nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO. Denn dieser kann sich darauf berufen, dass zu seinen Gunsten nun eine Registrierungsentscheidung der ECHA gefällt wurde, er mithin darauf bauen darf, dass eine wirksame Registrierung vorliegt und er – jedenfalls grundsätzlich – darauf wie insbesondere auch auf die Vollständigkeit der Registrierung vertrauen darf. Dieser Schutz fehlt in den jeweiligen Fällen der Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACH-VO. Denn der Registrant darf den Stoff zwar herstellen oder einführen, genießt aber mangels behördlichen Willensakt kein entsprechendes Vertrauen auf die Vollständigkeit seiner Registrierung. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die ECHA auch im Nachhinein für dieses Registrierungsdossier einen completeness check durchführen kann  – und mit welchen Folgen. Einerseits hat die ECHA die Vollständigkeits­ prüfung innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO durchzuführen. Allerdings dient diese Frist dazu, dem Registranten die Möglichkeit zu geben, in überschaubarer Zeit den Stoff herzustellen oder einführen zu können, seine Verfahrensposition soll gestärkt werden. Soll nun eine Sanktionierung der ECHA dadurch erfolgen, dass eine Prüfung nun nicht mehr möglich ist? Die Registrierungsdossiers, die darin enthaltenen Informationen, bilden das Fundament für alle weiteren Schritte zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt gegen die Gefahren, die von chemischen Stoffen ausgehen. Um diesen Zweck zu er­ reichen, muss sichergestellt sein, dass die Informationen in den Registrierungsdossiers vollständig und richtig sind. Der ECHA muss daher die Befugnis zustehen, diese Registrierungsdossiers auch nach Ablauf der Frist noch auf Vollständigkeit prüfen zu können.422 Denn zum einen fehlt eine Bestimmung für die ECHA, die eine Vollständigkeitsprüfung nach Ablauf der Fristen des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO sperrt, zum anderen kann die ECHA jederzeit auch einen compliance check nach Art. 41 REACH-VO beginnen. Wenn die ECHA aber jederzeit Registrierungsdossiers auf compliance prüfen kann  – argumentum  a maiore ad minus –, muss sie diese auch jederzeit auf Vollständigkeit prüfen dürfen. Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO verlangt zwar eine Vollständigkeitsprüfung innerhalb der relevanten Fristen, allerdings fehlt jede Einschränkung, dass sie lediglich nur und innerhalb dieser stattfinden darf. Vielmehr sieht die REACH-VO auch in anderen Fällen außerhalb der Fristen des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO, etwa im Rahmen der Aktualisierung eines Registrierungsdossiers nach Art. 22 Abs. 3 REACH-VO die Durchführung eines completeness checks vor. Insofern bilden die maßgeblichen Fristen keine Befugnisbegrenzung für die ECHA zur Durchführung des completeness checks. Im Übrigen wird die Nachholung der Prüfung des Registrierungsdossiers auf Vollständigkeit auch regelmäßig im Interesse des Registranten sein. Denn nur auf 422 So auch Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 27; a. A. Rehbinder, in: Hansmann/Sellner (Fn. 13), § 11 Rn. 48.

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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diesem Weg können Registrierungsnummer und Registrierungsdatum erlangt werden und nur auf diesem Weg kann der Registrant eine gesicherte Rechtsposition erhalten; eine Position, die ihm ermöglicht, im Vertrauen auf die von der ECHA bestätigte Vollständigkeit des Registrierungsdossiers einen Stoff rechtssicher herstellen oder einführen zu können. Der Registrant kann also nach Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs. 2 REACHVO den Stoff herstellen oder einführen. Insofern ist die Sperre des Art. 5 REACHVO durchbrochen. Allerdings hat die ECHA die Befugnis, jederzeit das Registrierungsdossier auf Vollständigkeit zu prüfen und bei Unvollständigkeit nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 REACH-VO die Registrierung abzulehnen. Damit stellt sie den Status vor Einreichung des Registrierungsdossiers wieder her, sie senkt die Sperre des Art.  5 REACH-VO erneut  – für dieses Registrierungsverfahren endgültig. Damit stellt auch in dieser Konstellation der Beschluss der ECHA nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO den Endpunkt der Registrierung dar. c) Zusammenfassung In jeder möglichen Fallkonstellation wird die Sperre des Art.  5 REACH-VO endgültig durch die Feststellung der Vollständigkeit, die Mitteilung von Registrierungsnummer und Registrierungsdatum an den Registranten durch die ECHA nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO gehoben, mithin durch einen Beschluss der ECHA. Das Recht, das für den Registranten die Schranke des Art. 5 REACH-VO nach oben zieht, entsteht also durch einen Rechtsakt der Behörde. Umgekehrt wird damit auch die Aufhebung dieses Rechtsakts den Registranten wieder auf den status quo ante zurückführen, wird die Rechtswirkungen der Registrierung beseitigen und Art. 5 REACH-VO gegen den Registranten in Geltung bringen. Damit gleicht die Registrierung nach der REACH-VO in der praktischen Ausgestaltung wie den rechtlichen Auswirkungen in Ansätzen (nach deutscher Einordnung) einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Registrierungsentscheidung entfaltet somit insofern Rechtswirkung, als dass sie die Schranke des Art. 5 REACH-VO für den Registranten öffnet.423 2. Rechtswirkung der ablehnenden Entscheidung Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 REACH-VO normiert für die ECHA die Möglichkeit, eine Registrierung abzulehnen, wenn das Registrierungsdossier auch nach der Informationsnachforderung unvollständig ist. Diese Entscheidung bedeutet die 423 So im Ergebnis auch die Einschätzung von Führ, zitiert im Diskussionsbericht von Schleiden/Raupach, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Hrsg.), Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 2008, S. 152 (155).

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

endgültige Ablehnung der Registrierung als Abschluss des Registrierungsverfahrens unter Einbehaltung der Registrierungsgebühr und entfaltet daher rechtliche Wirkung. 3. Rechtswirkung der Informationsnachforderung Problematischer ist die Konstellation, wenn eine Entscheidung der ECHA, Informationen nachzufordern, vorliegt. Dabei könnte es sich um eine rein vorbereitende Maßnahme handeln: Die ECHA fordert lediglich weitere Informationen nach, sie möchte zu diesem Zeitpunkt keine das Verfahren beendende Entscheidung mit Rechtswirkung treffen. Es handele sich insofern bei der Nachforderung von Informationen nur um eine vorbereitende Handlung der ECHA, bis es zur endgültigen Entscheidung und zum endgültigen Beschluss über die Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 bzw. Art. 20 Abs. 3 REACH-VO kommt. Für diese Deutung spricht auch, dass die ECHA hier – anders als bei der Annahme oder der Ablehnung einer Registrierung  – nicht von einer „Decision on your Registration under Regulation (EC) NO 1907/2006“ spricht, sondern die Informationsnachforderung unter der Betreffzeile „Further information required on your registration under regulation (EC) NO 1907/2006)“ versendet. Dies legt nahe, dass es sich um keinen Beschluss handelt. Diese Lage ist allerdings dann anders zu beurteilen, wenn die Handlungen im Rahmen dieses vorbereitenden Verfahrens nicht als reiner Zwischenakt gelten müssen, sondern selbst ein besonderes Verfahren darstellen, das sich von dem unterscheidet, welches dem EU-Organ die endgültige Sachentscheidung ermöglicht.424 Dies ist hier der Fall: Die endgültig ablehnende Entscheidung nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 REACH-VO enthält die Feststellung der endgültigen Ablehnung und bildet den Rechtsgrund für das Einbehalten der Registrierungsgebühr durch die ECHA gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 2 REACH-VO. Die endgültig positive Entscheidung nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO bescheinigt Vollständigkeit, hebt die Sperre des Art. 5 REACH-VO und teilt Registrierungsnummer und Registrierungsdatum mit. Die Entscheidung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO hingegen enthält zunächst die vorläufige – nicht aber die endgültige – Feststellung der Unvollständigkeit. Diese bildet allerdings nur den rechtlichen Grundstock zum eigentlichen Inhalt: die Anforderung fehlender Informationen und die Bestimmung einer Frist, innerhalb derer diese vorliegen müssen.425 Damit enthält diese Entscheidung 424 So etwa EuGH, Urteil vom 11.11.1981 – Rs. 60/81 – Slg. 1981, 2639 (Rn. 11) – International Business Machines Corporation (IBM)/Kommission. 425 In der Praxis wird die Frist dabei vier Monate betragen, Führ, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 8: Pflichten in der Registrierung und Anwendungsbereich Rn. 149.

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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einen vollkommen anderen Inhalt als die endgültige Entscheidung. Es handelt sich bei dem Verwaltungsverfahren, innerhalb dessen die Entscheidung erstellt wird, ebenfalls – wie für die endgültige Entscheidung – um die Vollständigkeitsprüfung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 REACH-VO. Jedoch mag zwar dasselbe Verfahren vorliegen, allerdings ein anderer Verfahrensabschnitt und damit korrespondierend ein anderer Ergebnisinhalt der abschließenden Entscheidung. Sie bedeutet somit nicht lediglich eine vorbereitende Handlung zum Erlass der endgültigen Entscheidung mit ähnlichem Inhalt im Registrierungsverfahren, sondern eine eigenständige Verfahrenshandlung mit einer selbstständigen Entscheidung am Ende. Im Übrigen verhindert sie, dass die Fristenregelung des Art. 21 Abs. 1 REACH-VO in Kraft tritt und der Registrant seine Tätigkeit beginnen bzw. damit fortfahren kann.426 Sie ist außerdem nach Art. 20 Abs. 5 REACH-VO durch einen Widerspruch anfechtbar.427 In dieser Konstellation wird sich dann der Widerspruch – auch dies illustriert die Unterschiedlichkeit beider Entscheidungen  – gegen die Informationsnachforderung oder gegen die Fristsetzung richten, im anderen Fall gegen die Ablehnung der Registrierung. Daher hat auch eine Entscheidung der ECHA nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO eine eigene Rechtswirkung inne. 4. Rechtswirkung einer aufhebenden Entscheidung Auch eine die ursprüngliche Registrierungsentscheidung aufhebende Entscheidung weist eine eigene Rechtswirkung auf – sie beseitigt die ursprüngliche Registrierungsentscheidung und bringt gegen den Registranten das Verbot des Art.  5 REACH-VO wieder in Anwendung. 5. Zwischenergebnis Sowohl die drei im Registrierungsverfahren möglichen Entscheidungen als auch die eine Registrierungsentscheidung aufhebende Entscheidung weisen jeweils selbstständige Rechtswirkung auf und erfüllen somit in dieser Hinsicht das Kriterium für das Vorliegen eines Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV.

426 So die Argumentation von Hofmann, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  91 REACH-VO Rn. 18 f. Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 11.11.1981 – Rs. 60/81 – Slg. 1981, 2639 (Rn. 11) – International Business Machines Corporation (IBM)/Kommission. 427 Zu den „Entscheidungen der Agentur nach Abs. 2“ des vorliegenden Titels gehört auch der Beschluss der Informationsnachforderung, dieser findet sich in Art. 20 REACH-VO Abs. 2 UAbs. 3 S. 1; in diese Richtung auch von Holleben/Scheidmann (Fn. 96), 262 (263).

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Kap. 2: Das Registrierungsverfahren als Kernelement der REACH-VO 

II. Organexklusivität des Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV Problematisch in dieser Hinsicht ist ebenfalls die Frage nach der Organexklusivität der in Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 288 Abs. 1 AEUV genannten Rechtsakte. Diese erlassen ausweislich des Wortlauts von Abs. 1 lediglich „die Organe“ der EU. Der Begriff der Organe wiederum ist in Art. 13 EUV definiert  – Agenturen werden im Rahmen dieser Aufzählung nicht genannt. So kann Art. 288 Abs. 1 AEUV derart gelesen werden, dass lediglich den Organen im Sinne von Art. 13 EUV das Recht zugestanden wird, diese Handlungsformen in Einsatz zu bringen.428 Dies würde bedeuten, dass der ECHA nicht das Recht zukommt, den Typ des Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV zu wählen. Diese reine Auslegung nach dem Wortlaut berücksichtigt aber nicht den Sinn und Zweck von Art.  288 AEUV. Dieser soll nicht Befugnisse begründen oder begrenzen, sondern lediglich typisieren und einen Handlungskatalog zur Verfügung stellen.429 Da auch die dort aufgezählten Handlungsformen nicht abschließend sind,430 kann ähnliches für die aufgezählten Handlungsträger gelten.431 Ein Blick auf Art. 249 EGV stützt diese These, auch dort war die entsprechende Aufzählung nicht abschließend.432 Die Frage, ob eine Agentur einen Rechtsakt in der in Art.  288 AEUV aufgezählten Handlungsformen erlassen kann, ist weniger ein Problem der Katalogvorschrift des Art. 288 AEUV als der Delegationskompetenz. Diese Kompetenz aber ist der ECHA durch die REACH-VO zugewiesen.433 Insofern kann auch die ECHA im Registrierungsfahren Beschlüsse nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV erlassen – der Registrierungsbeschluss ist ein Beschluss im Sinne des Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV.

428 Dies vertreten z. B. Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, 2006, S.  50; Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, 2009, S. 254; Görisch (Fn. 217), 42 (47); Vogt (Fn. 377), S. 21. Wohl auch Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Fn. 236), Art. 288 AEUV Rn. 41. Anders Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 288 AEUV Rn. 71, welcher den Begriff der Organe weit auslegt und nicht auf die in Art. 13 EUV genannten Organe begrenzt. 429 So z. B. Bast (Fn. 428), S. 11; Bockey, Die Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft, 1998, S.  33; Fischer-Appelt (Fn.  217), S.  117 ff.; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV, AEUV, 5. Aufl., 2010, Art. 288 AEUV Rn. 3; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 288 AEUV Rn. 71; Schroeder, in: Streinz (Fn. 234), Art. 288 AEUV Rn. 10. 430 Siehe nur Bast (Fn.  428), S.  43 ff.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn.  110), Art. 288 AEUV Rn. 75. Dies ergibt sich auch aus der Formulierung des Art. 296 Abs. 3 AEUV, Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 35 m. w. N. 431 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 288 AEUV Rn. 71 f. 432 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 288 AEUV Rn. 71. 433 Zur Diskussion um die Kompetenznorm zur Gründung der ECHA Fn. 217 m. w. N., zur Frage der Meroni-Konformität oben S. 57 f.

E. Rechtsinstrumente der ECHA im Registrierungsverfahren 

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III. Ergebnis Die Registrierungsentscheidungen der ECHA erfüllen alle Kriterien eines Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV, auch ist die ECHA zum Erlass derartiger Beschlüsse befugt. Insofern sind die Entscheidungen der ECHA, die im Zusammenhang mit dem Registrierungsverfahren stehen, als Beschlüsse nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV einzuordnen. Daraus ergeben sich Anforderungen an die ECHA im Verwaltungsverfahren, welche sie einhalten muss.434

434

Siehe S. 150 ff.

Kapitel 3

Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung nach der REACH-VO A. Einführung Fand bislang eine Darstellung des Registrierungsverfahrens dergestalt statt, dass auf die besonderen, dort normierten Regelungen und Probleme eingegangen wurde, bedeutet dies auch, dass es sich nach deutschem Verständnis hierbei um die Regelungen des besonderen Verwaltungsrechts handelt, welche eine Behörde beim Vollzug speziell dieses Rechtsgebiets bzw. dieses Verwaltungsverfahrens beachten muss. In erster Linie handelt es sich bei den im Registrierungsverfahren normierten Regelungen des Art. 20 f. REACH-VO um Normen, welche die materielle Rechtmäßigkeit des Beschlusses betreffen, etwa besondere Fristen oder Tatbestandsmerkmale festlegen, mithin primär für die ECHA als Regelungsadressat gelten. Damit ist der rechtliche Rahmen, in dem sich die ECHA beim Vollzug der REACH-VO bewegt, noch nicht vollständig abgesteckt. Die weiteren wesentlichen Rechtsquellen, aus denen sich relevante Normen für die ECHA zum Vollzug des Registrierungsverfahrens ergeben, sollen im Folgenden vorgestellt werden. In den Blick wird dabei zunächst die REACH-VO selbst genommen. Dabei stellt sich heraus, dass die REACH-VO auch außerhalb des Registrierungsverfahrens kaum weitere Normvorgaben für das Verwaltungshandeln der ECHA trifft (B.)435. Im Bereich des soft law436 existieren Guidances der ECHA, welche jedoch aus sich selbst heraus keine eigene Rechtswirkung entfalten (C.)437, sowie der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA, dessen Justiziabilität allerdings genauer Prüfung unterworfen werden muss (D.)438. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Behörde damit beim Vollzug der Registrierung nach der REACH-VO weitgehend in einem rechtlichen Vakuum bewegt. So muss die ECHA weiterhin den Erfor-

435

Siehe S. 115 ff. Zum Begriff insbesondere Knauff, Der Regelungsverbund, 2010, S.  213 ff. m. w. N.: Es handelt sich um von Hoheitsträgern geschaffene verhaltensbezogene Regelungen, welche über keine oder nur über eine auf die Innensphäre des Hoheitsträgers bezogene Rechtsverbindlichkeit verfügen und zur Erzielung ihrer Steuerungswirkung grundsätzlich außerrechtliche Wege nutzen. 437 Siehe S. 117 f. 438 Siehe S. 117 ff. 436

B. Bestandsaufnahme verfahrensrechtlicher Bestimmungen in der REACH-VO

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dernissen des geschriebenen wie ungeschriebenen Primärrechts (E. I.)439 wie auch Sekundärrechtsakten mit allgemeiner Geltung (E. II.)440 und ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verwaltungsrechts (E. III.)441 genügen.

B. Bestandsaufnahme verfahrensrechtlicher Bestimmungen in der REACH-VO Das Registrierungsverfahren selbst weist kaum Bestimmungen auf, die nach deutschem Verständnis dem allgemeinen Verwaltungsrecht, mithin primär der Sicherstellung der formellen Rechtmäßigkeit des Registrierungsbeschlusses, entsprechen. Ausdrückliche Regelungen im Bereich des Registrierungsverfahrens finden sich nicht. So normiert die REACH-VO neben den Tatbestandsmerkmalen für die materielle Rechtmäßigkeit des Registrierungsbeschlusses lediglich Vorschriften für den Ablauf des Registrierungsverfahrens an sich, etwa in Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2, Abs. 4, Art. 21 Abs. 1, Abs. 2 REACH-VO eine Reihe von Fristen, welche die ECHA im Rahmen des Registrierungsverfahrens einhalten muss. Art. 91 bis 93 REACH-VO kodifizieren Verfahrensrecht für den Ablauf des Widerspruchsverfahrens.442 Art. 104 Abs. 1 REACH-VO verweist auf die Sprachenverordnung443, die damit als Sekundärrecht mit gebietsübergreifender Geltung auch hier Anwendung findet. Schließlich normiert Art. 130 REACH-VO eine Begründungspflicht für Beschlüsse der ECHA.

439

Siehe S. 127 ff. Siehe S. 143. 441 Siehe S. 144 ff. 442 Die ausgestaltenden Regelungen des Sekundärrechts schafft die Verordnung (EG) Nr.  771/2008 der Kommission vom 1. August 2008 zur Festlegung der Vorschriften für die Organisation und die Verfahren der Widerspruchskammer der Europäischen Chemikalienagentur, ABl. EG Nr. L 206, S. 5, fortan: Widerspruchsverordnung. Zur Schaffung dieses Widerspruchsverfahrens Hofmann, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Vor Art. 89 REACH-VO – Entstehungsgeschichte des Widerspruchsverfahrens. Einen grundlegenden Überblick über den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der ECHA geben Tiedemann, Unionsrechtlicher Rechtsschutz gegen Eingriffe im Rahmen der Chemikalienregulierung nach der REACH-VO (EG), DVBl. 2011, 993 (993 ff.) und Waggershauser, Rechtsschutzmöglichkeiten unter REACH, StoffR 2009, 112 ff. Das Widerspruchsverfahren in das System des europäischen Verwaltungsrechtsschutzes ordnet Siegel, Die Widerspruchskammer im System des europäischen Verwaltungsrechtsschutzes  – Wesen und Funktionsweise der Widerspruchskammer nach der neuen REACH-Verordnung für Chemikalien, EuZW 2008, 141 (141 ff.), ein. Kritisch vor dem Hintergrund von Rechtschutzlücken Bronckers/van Gerven (Fn. 232), 1823 (1852 ff.). Die Probleme des Rechtsschutzes unter Vorschlag zu einer Neuregelung arbeitet auch Pawlik (Fn.  218), S. 129 ff., heraus. Zur Frage der abschließenden Wirkung des in Art. 91 Abs. 1 REACH-VO benannten Widerspruchskatalogs auch unten Fn. 1355. 443 Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. Nr. 17, S. 385, fortan: Sprachenverordnung 440

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

Diese „Normenarmut“ ist nicht ganz untypisch für die REACH-VO: So sind zwar an verschiedenen Stellen Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren normiert, etwa institutionelle Beteiligungsrechte in Art. 41 Abs. 3 REACH-VO und Art.  51 REACH-VO. Das Recht auf Durchführung einer Anhörung findet sich etwa in Art.  50 Abs.  1 REACH-VO. Diese Beteiligungsrechte bleiben aber ein Einzelfall, bezogen auf den gesamten Bestand von in der REACH-VO normierten Verwaltungsverfahren. Sie werden im Übrigen zwar grundsätzlich normiert, allerdings wird die genaue Art und Weise der Beteiligung bzw. werden die Folgen, wenn diese Beteiligung unterbleibt, nicht weiter ausgeformt.444 Hier müssen weitere Rechtsquellen ergänzend herangezogen werden. So lässt sich konstatieren, dass die REACH-VO kaum Regelungen für das Verwaltungsverfahren enthält. Innerhalb dieser Leere scheint sich das Registrierungsverfahren gleichsam in einem Vakuum zu befinden. Dieser Befund steht im Gegensatz zu anderen EU-Verordnungen, die ganz oder teilweise direkt vollzogen werden. Dort oder in dazugehörigen Durchführungsverordnungen finden sich vielfach Regelungen zur rechtlichen Inexistenz445 und zur Aufhebung von Beschlüssen446, zu Anhörungspflichten447 und Akteneinsichtsrechten448, zur Begründungs 444 Vgl. auch von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 50 REACH-VO Rn. 49, der ebenfalls ergänzend Eigenverwaltungsrecht für das Verwaltungsverfahren im Rahmen der Stoff- und Dossierbewertung im Verfahren der Art. 50 bis 54 REACH-VO anwenden will. 445 Z. B. Art. 8 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern, ABl. EG Nr. L 343, S. 51, fortan: Antidumpinggrundverordnung. Siehe auch Art. 9 EG-Geschmacksmusterverordnung – ein Geschmacksmuster besteht dann nicht, wenn es gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt. 446 Z. B. Art. 8 Abs. 9 Antidumpinggrundverordnung; Art. 7 Abs. 4, Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 88 des EG-Vertrags, ABl.  EG Nr.  L  83, S.  1, fortan: EU-Beihilfenverfahrens­ verordnung; Art.  6 Abs.  3, Art.  8 Abs.  6 EG-Fusionskontrollverordnung; Art.  41 ff. EGGemeinschaftsmarkenverordnung; Art. 24 ff. EG-Geschmacksmusterverordnung; Art. 29 Verordnung (EG) Nr.  1/2003 des Rates vom 16.  Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. EG Nr.  L 1, S.  1, fortan: Kartellverordnung; Art.  18 Abs.  1, Abs.  3, Art.  19 Abs.  1 Modernisierter Zollkodex; Art. 20, 21 EG-Sortenschutzverordnung. 447 Z. B. Art. 16, 23 i.Vm. Anhang IX, Art. 26, 43 Abs. 2, Art. 49 Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind, ABl.  EG Nr.  L  45, S.  1385, fortan: Beamtenstatut; Art. 15 Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl.  EG Nr.  L  133,  S.  1, ber. ABl.  EG Nr.  L  172,  S.  9, fortan: Fusionskontroll-DVO; Art.  37 Abs.  3 EG-Gemeinschaftsmarkenverordnung; Art.  27 Abs. 1 Kartellverordnung; Art. 77 Abs. 2, 3 EG-Sortenschutzverordnung. 448 Z. B. Art. 6 Abs. 7 Antidumpinggrundverordnung; Art. 26 Abs. 6 und Art. 51 Abs. 3 Beamtenstatut; Art. 18 Abs. 3 EG-Fusionskontrollverordnung; Art. 17 Fusionskontroll-DVO; Art. 27 Abs. 2 S. 2 Kartellverordnung.

C. Die Guidances der ECHA

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pflicht449 oder zur Sprachenwahl450, die im Registrierungsverfahren grundsätzlich fehlen. Es ist somit im Vollzug im besonderen Maße vom allgemeinen Verwaltungsrecht der Union abhängig.

C. Die Guidances der ECHA Die Umsetzung der REACH-VO stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Um insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen die Umsetzung zu vereinfachen, sind die Guidances451 der ECHA entstanden. Diese finden ihren normativen Niederschlag insbesondere452 in Art. 77 Abs. 2 lit. g) REACH-VO, nach dem es zu den Aufgaben der ECHA gehört, gegebenenfalls technische und wissenschaftliche Guidances für die Anwendung der REACH-VO zur Verfügung zu stellen.453 Sollte einem Unternehmen also unklar sein, wie eine bestimmte Vorgabe aus der REACH-VO umzusetzen ist, sollen die Guidances Hilfestellung leisten. Die Guidances sind unverbindliche Leitlinien, die prinzipiell selbst keinerlei Rechtswirkung hervorrufen.454 Sie sind nicht Teil des Normkataloges des Art. 288 449 Neben der allgemeinen Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV existieren weitere Vorschriften im geschriebenen Sekundärrecht, etwa Art. 8 Abs. 3 Antidumpinggrundverordnung; Art. 22 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2 und Art. 49 Beamtenstatut; Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 3 EU-Beihilfenverfahrensverordnung; Art. 21 Abs. 2 Kartellverordnung; Art. 75 EG-Gemeinschaftsmarkenverordnung; Art. 62 EG-Geschmacksmusterverordnung; Art. 75 EG-Sortenschutzverordnung. 450 Neben der Sprachenverordnung existieren bereichsspezifisch teilweise identische, teilweise modifizierende bis entgegenstehende Normen, z. B. Art. 3 Abs. 4 Fusionskontroll-DVO; Art. 152 EG-Gemeinschaftsmarkenverordnung; Art. 98 EG-Geschmacksmusterverordnung. 451 In der deutschen Übersetzung: „Leitlinien“. Da aber viele Guidances in den aktuellsten Versionen nur in englischer Sprache vorliegen – zu den damit verbundenen Implikationen siehe S. 233 ff. – wird fortan der Begriff „Guidance“ als Benennung der ECHA-Leitlinien zur Vereinheitlichung verwendet. 452 Daneben auch z. B. in den Erwägungsgründen (18), (24) und (39) der REACH-VO. 453 Sie werden durch die REACH Implementation Projects (RIP) erstellt. Dazu ECHA, Consultation Procedure on Guidance, sowie Heitmann/Tschochohei (Fn. 276), 40 (44). 454 Lulei, REACH: Zu den Leitlinien der Europäischen Agentur für chemische Stoffe (ECHA), Bundesgesundheitsblatt 2008, 1444 (1444 f.); diese sollen lediglich die Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Pflichten nach der REACH-VO unterstützen. So auch Knopp, REACH – ungeklärte Rechtsfragen und aktuelle Entwicklung, UPR 2008, 248 (248): rechtlich unverbindlich, faktisch bedeutsam; ebenso allgemein in Bezug auf derartige Leitlinien EuGH, Urteil vom 6.9.2012 – C-308/11 – BeckRS 2012, 81818, noch nicht in amtl. Sammlung; dazu Berichtigungsbeschluss vom 5.10.2012 – BeckRS 2012, 82210 – Chemische Fabrik Kreussler & Co./Sunstar Deutschland; Schwarze, Soft Law im Recht der Europäischen Union, EuR 2011, 3 (5). Entsprechend auch der Hinweis z. B. in ECHA (Fn. 288), S. 4: „This document contains guidance on REACH explaining the REACH obligations and how to fulfil them. How­ ever, users are reminded that the text of the REACH Regulation is the only authentic legal ref­ erence and that the information in this document does not constitute legal advice. The European Chemicals Agency does not accept any liability with regard to the contents of this document.“ Dieser Hinweis findet sich auch in den anderen Guidances. Vgl. auch ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 10.10.2010 – A-001–2010 – Rn. 57 ff.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

AEUV und können nicht selbständig als Rechtsnorm dem Registranten vorgehalten werden.455 Eine Rechtswirkung kann sich allerdings durch die Selbstbindung der ECHA an diese Guidances ergeben:456 Ähnlich wie im deutschen Verwaltungsrecht in Bezug auf Verwaltungsvorschriften können auch die Leitlinien der ECHA unter dem Gesichtspunkt von Vertrauensschutz und Gleichbehandlung Rechtswirkung entfalten, jedenfalls insoweit, wie die ECHA sich in ihren Handlungen an sie bindet.457 Umgekehrt wird aber auch betont, dass die Guidances als ergänzende Schriftstücke zum Normtext der REACH-VO nur einen möglichen Weg darstellen, die Anforderungen der REACH-VO zu erfüllen. Dieser dort dargestellte Weg muss weder zwangsläufig selbst rechtmäßig sein, noch den einzigen rechtmäßigen Weg zur Erfüllung der Anforderungen nach der REACH-VO darstellen.458 Insbesondere ist die dort vorgenommene Normauslegung nicht rechtlich bindend und abschließend, da lediglich die europäischen Gerichte zu einer bindenden Normauslegung berufen sind.459 Damit kann die dort vorgenommene Normauslegung zwar als Anhaltspunkt dienen, sie unterliegt aber dennoch den Anforderungen des europäischen Rechts.460

D. Der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA Weitere Regelungen, die das Verhalten im Registrierungsverfahren für die ECHA determinieren, können sich aus dem Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA ergeben. Der erste Kodex für gute Verwaltungspraxis geht auf den Europäischen Bürgerbeauftragten zurück. Dieser startete 1998 eine Untersuchung, inwieweit in den Gemeinschaftsorganen und -einrichtungen Maßstäbe für gutes Verwaltungshan-

455 EuGH, Urteil vom 6.9.2012 – C-308/11 – BeckRS 2012, 81818 (Rn. 23), noch nicht in amtl. Sammlung; dazu Berichtigungsbeschluss vom 5.10.2012 – BeckRS 2012, 82210 – Chemische Fabrik Kreussler & Co./Sunstar Deutschland. 456 Dasselbe gilt für die FAQ der ECHA, ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 10.10.2010 – A-001–2010 – Rn. 57 ff. 457 Vgl. EuGH, Urteil vom 28.6.2005 – C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P – Slg. 2005, I-5425 (Rn. 211) – Dansk Rørindustri A/S u. a./Kommission. Speziell für die Guidances der ECHA Raupach (Fn. 72), S. 39 f.; Scheidmann, Vortrag: Zum Vollzug von REACH, Verwaltungs-, Straf- und Zivilrecht, Netzwerk REACH@Baden-Württemberg, Folie 19 ff. 458 Lulei (Fn. 454), 1444 (1446); Scheidmann (Fn. 457), Folie 18. 459 EuGH, Urteil vom 6.9.2012  – C-308/11  – BeckRS 2012, 81818 (Rn.  24), noch nicht in amtl. Sammlung; dazu Berichtigungsbeschluss vom 5.10.2012  – BeckRS 2012, 82210  – Chemische Fabrik Kreussler & Co./Sunstar Deutschland. 460 EuGH, Urteil vom 6.9.2012  – C-308/11  – BeckRS 2012, 81818 (Rn.  26), noch nicht in amtl. Sammlung; dazu Berichtigungsbeschluss vom 5.10.2012  – BeckRS 2012, 82210  – Chemische Fabrik Kreussler & Co./Sunstar Deutschland.

D. Der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA 

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deln461 existieren. Gemeinsame Regelungen fehlten – als Reaktion darauf formulierte er einen Musterkodex462 und forderte die jeweiligen Behörden auf, entsprechende Kodizes zu erlassen.463 Die ECHA kam dem am 14.2.2008 nach und erließ den „Code of good administrative behavior for the staff of the European Chem­ icals Agency in their Relations with the public“464. Zunächst wird der Inhalt des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA im Vergleich mit dem Musterkodex des Europäischen Bürgerbeauftragen dargestellt werden (D. I.)465, um ihn dann in Bezug auf Rechtsnatur und Bindungswirkung zu charakterisieren (D. II.)466.

I. Vergleich mit dem Musterkodex des Europäischen Bürgerbeauftragten Wenngleich sich die ECHA in ihrer Präambel ausdrücklich auf den Kodex für gute Verwaltung des Europäischen Bürgerbeauftragten beruft, weist der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA dennoch einige Unterschiede in den einzelnen Pflichten auf.467 So normiert Art. 18 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA, der sich mit der Pflicht zur Begründung eines Beschlusses beschäftigt, nahezu wortgleich mit Art.  18 des Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten die Pflicht, Beschlüsse, die möglicherweise nachteilig sind, zu begründen, jeweils Abs.  1.468 Sollte es sich um eine große Zahl von Betroffenen handeln 461

Zum Versuch einer Begriffsbestimmung von „guter“ Verwaltung Soria, Die Kodizes für gute Verwaltungspraxis, EuR 2001, 682 (684 ff.). 462 http://www.ombudsman.europa.eu/showResource?resourceId=1370851427974_code_ 2013_DE.pdf&type=pdf&download=true&lang=de (1.5.2014). 463 Zur Genese Cadeddu, The proceedings of the European Ombudsman, Law and contemporary problems 68 (2004), 161 (177 ff.); Classen, Gute Verwaltung im Recht der Europäischen Union, 2008, S. 387 ff.; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4: Europäische Grundrechte, 2009, Rn. 4522. 464 http://www.echa.europa.eu/documents/10162/13559/code_of_good_administrative_beha viour_en.pdf (1.5.2014). 465 Siehe S.  119  f. Dies geschieht auch und gerade vor dem Hintergrund, dass dieser eine maßgebliche Grundlage für aktuelle Kodifikationsbemühungen im Rahmen des europäischen Eigenverwaltungsrechts bildet, Guckelberger/Geber (Fn.  251), S.  181. Dazu näher unten Fn. 1579. 466 Siehe S. 121 ff. 467 Dabei sollen lediglich einige im Rahmen dieser Untersuchung besonders wichtige Artikel herausgegriffen werden. 468 Art. 18 des Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten – Verpflichtung zur Begründung von Entscheidungen: 1. Für jede Entscheidung des Organs, die sich nachteilig auf die Rechte oder Interessen einer Einzelperson auswirken kann, sind die Gründe zu nennen, auf die sie sich stützt; dazu sind die relevanten Tatsachen und die Rechtsgrundlage der Entscheidung ein­deutig anzugeben. 2. Der Beamte sieht von Entscheidungen ab, die sich auf nicht ausreichende oder vage Gründe stützen und die keine individuelle Argumentation enthalten. 3. Ist es wegen der großen Anzahl von Personen, die von ähnlichen Entscheidungen betroffen sind, nicht möglich, die Gründe für die Entscheidung im Detail mitzuteilen, und werden deshalb Standardantworten erteilt, stellt der Beamte sicher, dass er anschließend dem Bürger, der ausdrücklich darum

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

und daher standardisierte Antworten gegeben werden, soll sichergestellt werden, dass auf Nachfrage eine individualisierte Antwort ergehen kann, dies ergibt sich aus Art.  18 Abs.  2 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA wie auch aus Art.  18 Abs.  3 des Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten. Allerdings fehlt die in Art. 18 Abs. 2 des Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten dargestellte Pflicht, eine nicht (individuell) begründbare Entscheidung zu unterlassen. Außerdem stellt der Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten eine generelle Pflicht zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung auf  – Art.  19.469 Eine solche Pflicht existierte bislang bereichsübergreifend im europäischen Recht nicht; die Rechtsprechung lehnte bislang eine allgemeine Verpflichtung zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung durch die Verwaltung ausdrücklich ab.470 Wohl vor diesem Hintergrund enthält Art. 19 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA keine generelle Pflicht zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung, sondern lediglich „dort, wo es das Unionsrecht vorsieht.“471

bittet, eine individuelle Argumentation liefert. Art. 18 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – Duty to state the grounds of decisions: Every decision of the Agency which may adversely affect the rights of a natural or legal person shall state the grounds on which it is based by indicating clearly the relevant facts and the legal basis of the decision. If it is not possible, because of the large number of persons concerned by similar decisions, to communicate in detail the grounds of the decision and where standard replies are therefore made, the staff shall guarantee that they subsequently provide the member of the public who expressly requests it with an individual reasoning. 469 Art.  19 des Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragen  – Angabe der Berufungsmöglichkeiten: 1. Eine Entscheidung des Organs, die sich nachteilig auf die Rechte oder Interessen einer Einzelperson auswirken kann, enthält eine Angabe der Möglichkeiten, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Angegeben werden insbesondere die Art der Rechtsmittel, die Institutionen, vor denen sie in Anspruch genommen werden können, sowie die Fristen für ihre Inanspruchnahme. 2. In den Entscheidungen ist insbesondere auf die Möglichkeit hinzuweisen, Gerichtsverfahren einzuleiten und Beschwerden an den Bürgerbeauftragten zu richten, gemäß der in den Artikeln 230 und 195 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgelegten Bedingungen. 470 EuGH, Beschluss vom 5.3.1999 – Rs. C-153/98 P – Slg. 1999, I-1441 (Rn. 13 ff.) – ­Guérin automobiles/Kommission; EuG, Urteil vom 22.12.2005 – Rs. T-146/04 – Slg. 2005, II-5989 (Rn. 131) – Koldo Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament; die Rechtsprechung beruft sich darauf, dass es an einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung fehlt. Kritisch bereits Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, § 24 Rn. 24. 471 So auch die Einschätzung von Soria (Fn. 461), 682 (693 f.). Vgl. Art. 19 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – Indication of the possibilities of appeal: Where Community law so provides, a decision of the Agency which may adversely affect the rights of a natural or legal person shall contain an indication of the appeal possibilities available for challenging the decision. It shall in particular indicate the nature of the remedies, the bodies before which they can be exercised, as well as the time-limits for exercising them.

D. Der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA 

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II. Rechtsnatur und Bindungswirkung der Vorschriften des Kodex Im Jahresbericht 1998 verwendete der Europäische Bürgerbeauftragte drei Kriterien zur Systematisierung des Inhalts eines solchen Kodex, nämlich inhaltliche Grundsätze, wie die Prinzipien von Rechtmäßigkeit und Gleichbehandlung, sodann Verfahrensgrundsätze, wie die Durchführung einer Anhörung, die Begründung, aber auch die Empfangsbestätigung und das Weiterleiten von Unterlagen, und zuletzt Verpflichtungen für den direkten Umgang mit dem Bürger, etwa die Pflicht zur Höflichkeit oder der korrekte Umgang mit telefonischen Anfragen.472 Zwar wurde diese Gliederung nicht formal in den Kodex übernommen – weder für den Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten, noch für den Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – allerdings lässt sich dennoch materiell zwischen zwei Elementgruppen in beiden Kodizes unterscheiden: Es finden sich sowohl Elemente, die formelle oder materielle Grundsätze, Prinzipien oder Rechte des Verwaltungsverfahrens aufgreifen, als auch Inhalte, die bereits vor Erlass des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA bzw. des Europäischen Bürgerbeauftragten positiviert wurden oder in der Rechtsprechung der europäischen Gerichte allgemein anerkannt wurden. Dazu gehört etwa die allgemeine Verpflichtung zur Rechtmäßigkeit und zur Beachtung des Rechts der Europäischen Union, verankert in Art. 4 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA,473 mithin der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der in Art. 6 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA normierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,474 sowie die Pflicht zur Begründung einer Entscheidung gemäß Art. 18 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA.475 Alle diese Grundsätze sind somit unabhängig von der Normierung in einem Kodex auf Basis der bestehenden Rechtsordnung justiziabel.476 Gleichzeitig finden sich im Kodex Vorschriften, die bislang nicht oder nicht in dieser Allgemeinheit durch andere Rechtsquellen als rechtsverbindlich garantiert wurden. Unter anderem gehört dazu Art. 12 Abs. 1 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA, der von den Beamten ein höfliches, dienstleistungsori 472

Europäischer Bürgerbeauftragter, Jahresbericht 1998, S. 20 ff. Art. 4 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – Lawfulness: The staff of the Agency shall act according to law and apply the rules and procedures laid down in Community legislation. They shall in particular ensure that decisions which affect the rights of natural or legal persons have a basis in law and that their content complies with the law. 474 Art. 6 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – Proportionality: When taking decisions, the staff of the Agency shall ensure that the measures taken are proportional to the aim pursued. When taking decisions, the staff of the Agency shall strike a fair balance between the interests of private persons and the general public interest. 475 Art. 16 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA begründet hingegen kein An­ hörungsrecht, sondern knüpft an dessen Bestehen im europäischen Recht an. 476 Classen (Fn. 463), S. 391; Guckelberger, Der Europäische Bürgerbeauftragte und die Petitionen zum Europäischen Parlament, 2004, S. 113. 473

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

entiertes, korrektes und zugängliches Verhalten fordert.477 Art. 14 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA fordert für jedes an sie gerichtete Schreiben eine Empfangsbestätigung mit Namen und Telefonnummer bzw. E-Mailadresse.478 Zwar hat sich die Rechtsprechung mit der Frage der mangelnden Reaktion der Europäischen Kommission auf Schreiben bereits beschäftigt und in einigen Fällen diese gerügt.479 Allerdings sah der EuGH nie einen Verfahrensfehler als gegeben an – wenngleich in der Rechtssache Lucchini Siderurgica eine Herabsetzung einer Geldbuße erfolgte.480 Art.  14 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA geht über diese Rechtsprechung noch hinaus.481 Fraglich ist, inwiefern diese Neuerungen, die bislang nicht oder jedenfalls nicht allgemein als rechtsverbindlich garantiert wurden, nun justiziabel werden. Zum einen lässt sich konstatieren, dass es schwierig sein mag, abstrakt eine Definition, etwa für ein angemessenes Verhalten nach Art. 12 Abs. 1 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA zu finden. Dies mag allerdings eher damit zusammenhängen, dass eine solche Vorschrift im Verwaltungsverfahren dem deutschen Rechtsdenken grundsätzlich fremd ist.482 So lassen sich jedenfalls Fallgruppen oder abstrakte Grundlinien aufstellen, die dann kasuistisch zu einem Netz 477 Art.  12 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA  – Courtesy: The staff of the Agency shall be service-minded, correct, courteous and accessible in relations with the public. When answering correspondence, telephone calls and e-mails, the staff shall try as much as possible to be helpful while respecting the Agency’s rules governing external communication. 478 Art. 14 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – Acknowledgement of receipt and indication of the competent staff member: An acknowledgement of receipt to  a letter addressed to the Agency shall be sent within fifteen working days from the date of receipt of the letter by the responsible Agency directorate, except if a substantive reply can be sent within that period. The reply or acknowledgement of receipt shall indicate the name and the telephone number and/or e-mail address of the staff member or Agency service who is dealing with the matter, as well as the service to which he or she belongs. No acknowledgement of receipt and no reply need be sent in cases where letters or complaints are abusive because of their excessive number or because of their repetitive or pointless character. 479 Als „bedauerlich“ benennt der EuGH diese Praxis, EuGH, Urteil vom 10.12.1980  – Rs.  23/80  – Slg. 1980, 3709 (Rn.  19)  – Giuseppe Grasselli/Kommission; EuGH, Urteil vom 19.10.1983  – Rs.  179/82  – Slg. 1983, 3083 (Rn.  27)  – Lucchini Siderurgica/Kommission; EuGH, Urteil vom 8.11.1983 – verb. Rs. 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82  – Slg. 1983, 3369 (Rn.  12)  – IAZ International Belgium u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 16.2.1984 – Rs. 76/93 – Slg. 1984, 859 (Rn. 10 f.) – Usines Gustave Boël u. a./Kommission. 480 EuGH, Urteil vom 19.10.1983 – Rs. 179/82 – Slg. 1983, 3083 (Rn. 27) – Lucchini Siderurgica/Kommission. 481 So Classen (Fn. 463), S. 395, zum insofern übereinstimmenden Art. 14 des Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten. 482 Kritisch im Hinblick auf Inhalt und Beweisbarkeit Classen (Fn.  463), S.  400. Diese Fremdheit lässt auch Lübbig, Die Aufhebung (Rücknahme und Widerruf)  von Verwaltungsakten der Gemeinschaftsorgane, EuZW 2003, 233 (234), durchblicken, der Art. 12 Abs. 3 des Kodex für gute Verwaltung im Gemeinschaftlichen Sortenamt, ABlEG 2000 Nr. C 371, S. 14, der u. a. von Beamten bei einem Fehler, der Rechte beeinträchtigt, eine Entschuldigung fordert, als „Kuriosität“ empfindet.

D. Der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA 

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verknüpft werden können. Dies mag umso leichter für schriftliche Kommunikation sein, etwa im Hinblick auf eine Begrüßungs- und Grußformel. Darauf lassen sich dann in einem nächsten Schritt aufbauend auch Vorgaben – wenngleich mit Schwierigkeiten – für den Bereich der telefonischen und persönlichen Kommunikation implementieren.483 Das Hauptproblem stellt sich an anderer Stelle: Grundsätzlich enthält der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA mit der Möglichkeit, sich nach Art.  26 Abs.  1 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA484 an den Exekutiv­ direktor der ECHA oder nach Art.  26 Abs.  3 des Kodex für gute Verwaltungs­ praxis der ECHA485 direkt an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden, eine nach außen wirkende subjektive Dimension.486 Daraus könnte dem Kodex selbst eine direkte Justiziabilität zukommen. Dennoch spricht viel dafür, primär eine rein innerdienstliche Verpflichtung anzunehmen. Zunächst wurde bewusst der Erlass eines Kodexes gewählt – für Kodizes aber ist es typisch, dass ihre Inhalte gerade nicht gerichtlich durchsetzbar sind, sondern sie ihre Wirkung über justizielle Beschwerdeeinrichtungen und den Druck der öffentlich erklärten Selbstverpflichtung entfalten.487 Nicht umsonst besteht nach Art. 25 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA488 die Pflicht, diesen möglichst weit bekannt zu machen, sodass die Öffentlichkeit weiß, was sie berechtigterweise von der ECHA erwarten und gegebenenfalls rügen kann und soll.489 Die Außenwirkung kann dann über die Selbstverpflichtung des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA und eine dauerhafte Praxis eintreten.490 Denn dieser Grundsatz der Selbst 483 Den Prozess einer Verrechtlichung von gesellschaftlichen Konventionen im Verwaltungshandeln beschreibt Hill, Verwaltungskommunikation und Verwaltungsverfahren, in: Hill/Pitschas (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, 2004, S. 273 (296). 484 Art. 26 Abs. 1 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – Right to complain to the Agency and to the European Ombudsman: Members of the public may lodge complaints concerning a possible breach of the principles set out in this Code directly with the Executive Director of the Agency, who will forward it to the relevant Directorate. 485 Art. 26 Abs. 3 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – Right to complain to the Agency and to the European Ombudsman: Members of the public are also entitled to lodge complaints with the European Ombudsman in accordance with Article 195 of the Treaty establishing the European Community and the Statute of the European Ombudsman. 486 Classen (Fn. 463), S. 395, zum Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten. 487 Classen (Fn. 463), S. 397; Guckelberger (Fn. 476), S. 112 m. w. N. 488 Article 25 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA – Public access to the Code: The Agency shall take the necessary measures in order to ensure that this Code enjoys the widest possible publicity amongst the public. It shall, in particular, make it available on its Internet site and shall provide a copy of this Code to any member of the public who requests it. 489 Classen (Fn. 463), S. 396. 490 So für den Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten Soria (Fn.  461), 682 (700 f.); vorsichtiger EuG, Beschluss vom 31.3.2003 – Rs. T-218/01 – Slg. 2002, II-2139 (Rn. 25) – Laboratoire Monique Rémy SAS/Kommission; Grzesick, Das Grundrecht auf eine gute Verwaltung  – Strukturen und Perspektiven des Charta-Grundrechts auf eine gute Verwaltung, EuR 2006, 161 (178); Guckelberger (Fn. 476), S. 113. Ablehnend hingegen Classen (Fn. 463), S. 398 ff.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

bindung der Verwaltung ist nicht nur im deutschen Recht, sondern auch im Unions­ recht anerkannt.491 Zwar ist die Herleitung von Verhaltenspflichten, die bislang nur als Eigen­ erklärung von Organen existierten, in der europäischen Rechtsordnung492 unbestritten.493 Allerdings normiert der Kodex insgesamt wesentliche Elemente des Verwaltungsverfahrens, die dann auf dem Wege der Selbstbindung Rechtsgeltung erlangen können. Vor dem Hintergrund, dass sich jedes Organ und jede Institution der EU einen solchen Kodex gibt und jeder dieser Kodizes letztlich auf dem Musterkodex des Europäischen Bürgerbeauftragten – mit einigen Änderungen – beruht, entsteht auf diesem Wege ein allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht. Dabei wird jedoch die Funktion des Rechtssetzungsverfahrens ausgehöhlt, die Beteiligung der dort vorgesehenen Organe bleibt auf der Strecke.494 Schließlich kennt das nordische Recht sowohl einen rechtsverbindlichen, als auch einen nichtrechtsverbindlichen Normenbestand. Ebenso wie das abstrakte Konzept eines Bürgerbeauftragten495 ist auch der Bürgerbeauftragte selbst, Jacob Södermann, in diesem Rechtskreis verwurzelt. Damit liegt es nahe, sich diese Rechts­ ordnung(en) als Vorbild zu nehmen und in dieser Differenzierung zu folgen.496 Für eine Justiziabilität aller Vorschriften der Kodizes lässt sich auch nicht ins Feld führen, dass durch den Kodex nicht weniger als ein Bewusstseins- und Strukturwandel in der europäischen Verwaltung, hin zu mehr Serviceorientiertheit und Bürgernähe, geschaffen werden soll497 und damit auch entsprechende Sanktionsinstrumente zur Verfügung stehen müssen: Ist diese Transformation im Bereich der öffentlichen Verwaltung tief in der nordischen Verwaltungstradition verwurzelt498 491 Siehe S. 140 ff. EuGH, Urteil vom 30.1.1974 – Rs. 148/73 – Slg. 1974, 81 (Rn. 11/18) – Raymond Louwage und Marie-Thérèse Moriame, verheiratete Louwage/Kommission; EuG, Urteil vom 30.4.1998  – Rs.  T-214/95  – Slg. 1998, II-717 (Rn.  79)  – Het Vlaamse Gewest/ Kommission. 492 EuGH, Urteil vom 11.1.2000 – Rs. C-174/98 P – Slg. 2000, I-63 (Rn. 24) – Königreich der Niederlande u. a./Kommission. Vgl. auch EuG, Urteil vom 17.12.1991 – Rs. T-7/89 – Slg. 1991, II-1711 (Rn. 53) – SA Hercules Chemicals/Kommission. 493 Dies muss auch Classen (Fn. 463), S. 399, im Rahmen seiner Kritik konstatieren. 494 So auch Classen (Fn. 463), S. 398 ff. Vgl. auch EuG, Urteil vom 11.5.2010 – T-121/08 – Slg. 2010 II-1541 (Rn. 90) – PC-Ware Information Technologies/Kommission: Der Kodex des Europäischen Bürgerbeauftragten stellt eine Entschließung des Parlaments dar. Da dieses aber nicht die Verwaltungspraxis eines anderen Organs oder einer anderen Stelle der EU bestimmen kann, bindet der die Kommission nicht. 495 Im Einzelnen bei Classen (Fn. 463), S. 100 ff.; im Überblick dort S. 400 f. 496 Kritisch jedoch zu dieser Vorgehensweise Schmidt-Aßmann, Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht, DVBl. 1993, 924 (928), der konstatiert, dass die Frage nach dem Ursprung – im Sinne eines Herkunftslandes – eines bestimmten verwaltungsrechtlichen Instituts kaum hilfreich sei, um dessen Ausprägungen in einem anderen Rechtskreis (er bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Überformung des nationalen Verwaltungsrechts) zu erfassen. 497 Classen (Fn. 463), S. 396; Guckelberger (Fn. 476), S. 110 f. 498 Classen (Fn.  463), S.  100, stellt dahingehend die Verwaltungstradition der nordischen Staaten dar.

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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und bedarf es vor diesem Hintergrund weniger einem Bewusstseinswandel als einer Kontrolle, genügt auch die vergleichsweise schwächere Sanktionsmöglichkeit durch den europäischen Bürgerbeauftragten. Im Rahmen der Europäischen Verwaltung ist hingegen mehr als eine Verfestigung bestehender Zustände er­ forderlich – hier geht es de facto um eine vollständige und tief greifende Bewusstseinsänderung. Eine erhöhte Rechtsverbindlichkeit der Vorschriften, die eine Sanktionierung durch Unionsgerichte erlauben, könnte damit auch zu einer erhöhten Wirksamkeit der Vorschriften des Kodex führen.499 Ob dies aber auch zugleich bedeutet, dass dazu alle Vorschriften des Kodex justiziabel sein müssen, sei dahingestellt: Die Aufhebung eines (ansonsten) rechtmäßigen Beschlusses, nur weil ein Beamte unhöflich war, dient im Zweifel dem Parteiinteresse nicht.500 Schließlich steht der Verwaltung eine Vielzahl von weiteren Instrumenten zur Verfügung, dem Kodex zur Geltung zu verhelfen; sie kann etwa disziplinarisch gegen den Beamten vorgehen. Dies hätte den Vorteil, dass sie einerseits intern wirksame Sanktionen aussprechen kann, andererseits aber das Rechtshandeln nach außen nicht grundsätzlich infrage gestellt wird. Schließlich ist nicht außer Acht zu lassen, dass das europäische Rechtssystem neben der Aufhebung eines Beschlusses weitere Sanktionen bei Verletzungen von Verfahrensvorschriften vorsieht: So kommt bei überlanger Verfahrensdauer Schadensersatz in Betracht, bei weiteren Verstößen gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung wurden Geldbußen herabgesetzt oder die Prozesskosten in besonderer Weise verteilt.501 Insofern ist der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA in den Bereichen, in denen er neue Regelungen schafft, durch europäische Gerichte nicht selbstständig justiziabel.

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU Eine Fülle von für das Verwaltungshandeln der ECHA relevanten Rechts­quellen bzw. Rechtsnormen ergibt sich aber, wenn man, vor dem Hintergrund, dass die ECHA im Bereich der Registrierung im direkten Vollzug, mithin auf dem Boden des Eigenverwaltungsrechts handelt, diese europäische Rechtsordnung in den Blick nimmt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass sich einige Rechtsfiguren des Eigenverwaltungsrechts nicht im Eigenverwaltungsrecht selbst, sondern im Wege des Unionsverwaltungsrechts, etwa durch Vorlagefragen an den EuGH, entwickelt oder ausdifferenziert haben und so ihren Weg in das Eigenverwaltungsrecht gefunden haben. In den Blick zu nehmen ist somit das europäische Verwaltungsrecht insgesamt. 499

Kritisch Classen (Fn. 463), S. 400, der dieses Argument als „rein formal“ abwertet. Classen (Fn. 463), S. 400. 501 Classen (Fn. 463), S. 339 ff., 376 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung. 500

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

Dieses bildet aber keine geordnete Materie, sondern erscheint als „Rechtsquellenwirrwarr“, als eine Vielzahl von Rechtsquellen, die sich vielfach unterscheiden, etwa im Hinblick auf Erzeugung, Geltung, Bindungswirkung oder Rechtsschutzmöglichkeiten.502 Es existiert nicht nur das Vertragsrecht, bestehend aus den Gründungsverträgen, den Beitrittsverträgen und Protokollen, den von den Gemeinschaften bzw. der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen, sondern auch ungeschriebene Rechtsgrundsätze und Gewohnheitsrecht. Daneben spielt das von den Organen von Union und Gemeinschaft erlassene Recht eine tragende Rolle.503 Der Zugriff erscheint daher nicht leicht. Eine Einschränkung wiederum kann mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand der Arbeit erfolgen: Im Mittelpunkt steht das Handeln der ECHA im Registrierungsverfahren. Dieses erfolgt durch die Handlungsform des Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV.504 Vor dem Hintergrund, dass die primäre Systemfunktion von Handlungsformen in der Bewirkung standardisierter Rechtsfolgen, welche ein Verwaltungsrechtsverhältnis prägen und uniformisieren, liegt,505 ergibt sich damit eine Leitschnur, anhand derer die maßgeblichen Rechtmäßigkeitsanforderungen herausgearbeitet werden können.506 Damit muss die ECHA im Registrierungsverfahren den Rechtmäßigkeitsanforderungen für das Handeln durch einen Beschluss genügen. Es ist also zu fragen, welchen Rechtmäßigkeitsanforderungen sowohl das zum Beschluss führende Verwaltungsverfahren selbst, als auch der dieses abschließende Beschluss, der Registrierungsbeschluss, genügen muss. Im Folgenden sollen daher die insofern maßgeblichen wesentlichen Pfeiler dieses europäischen Verwaltungsrechtssystems kurz dargestellt werden. Dabei orientiert sich die Darstellung zunächst mehr an der formalen Fundstelle als am Inhalt des Rechts, um zunächst einen Überblick über die relevanten Rechtsnormen zu schaffen. Letztlich werden damit die Umrisse eines teils allgemeinen, teils REACH-spezifischen Verwaltungsverfahrensrechts skizziert, das die ECHA beim Vollzug der REACH-VO zu beachten hat.

502 von Danwitz (Fn. 24), S. 158. Pointiert: Craig (Fn. 217), S. 246: „The sources of EU administrative law are eclectic.“ Ebenso dort S. 320. Vgl. auch die Darstellung europäischer Verwaltungsrechtsquellen bei Guckelberger/Geber (Fn. 251), S. 65 ff., die auf S. 75 ff. zu einem änhlichen Ergebnis kommen. 503 So auch die überblicksartige Darstellung bei von Danwitz (Fn. 24), S. 158. 504 Zur Einordnung der Registrierungsentscheidung(en) der ECHA als Beschluss siehe S. 95 ff. 505 von Danwitz (Fn. 24), S. 258; Schmidt-Aßmann, Die Lehre von den Rechtsformen des Verwaltungshandelns, DVBl. 1989, 533 (534); Schmidt-Aßmann (Fn. 377), Kap. 6 Rn. 34. 506 von Danwitz (Fn. 24), S. 258; Di Fabio, System der Handlungsformen und Fehlerfolgenlehre, in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka u. a. (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im öffentlichen Recht, 1991, S. 47 (47 f.).

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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I. Verwaltungsrechtsquellen im Primärrecht Ist Verwaltungsrecht konkretisiertes Verfassungsrecht,507 bedeutet dies aber auch, dass ein Blick auf das Verwaltungsrecht das darunter liegende Verfassungsrecht nicht außer Acht lassen darf. Ändert man nämlich die Perspektive, lässt sich Verwaltungsrecht als eine Plattform beschreiben, auf der sich Bürger und Verwaltung bewegen und die durch die Säulen des Verfassungsrechts gehalten wird. Steht also im Rahmen dieser Arbeit zwar das Handeln der ECHA im Eigenverwaltungsrecht im Mittelpunkt, sollen doch zunächst einige der wichtigsten primärrechtlichen Säulen für das Eigenverwaltungsrecht auf europäischer Ebene betrachtet werden. Dazu gehören neben dem Recht auf gute Verwaltung aus Art.  41 Abs. 1 EU-GRCharta (E. I. 1.)508 vor allem die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit [E. I. 2. a)]509, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes [E. I. 2. b)]510 sowie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der europäischen Verwaltung [E. I.  2.  c)]511. Dabei handelt es sich um Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips. Dieses bildet, zunächst in Gestalt der ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze, später als Verfassungsprinzip512 normiert im Primärrecht in Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV, die Grundlage des Eigenverwaltungsrechts.513 Einzubeziehen sind ebenfalls das Gebot der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung [E. I. 2. d)]514. Schließlich finden sich im AEUV noch weitere Bestimmungen, die das Eigenverwaltungsrecht prägen (E. I. 3.)515.

507 Zuerst: Werner, „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht“, DVBl. 1959, 527 (527 ff.). 508 Siehe S. 128 f. 509 Siehe S. 129 ff. 510 Siehe S. 134 ff. 511 Siehe S. 138 f. 512 Vgl. EuG, Urteil vom 12.12.1996 – verb. Rs. T-177/94 und T-377/94 – Slg. 1996, II-2041 (Rn.  124)  – Altmann u. Casson/Kommission; EuG, Urteil vom 30.1.2002  – Rs.  T-54/99  – Slg. 2002, II-313 (Rn. 48) – max.mobil/Kommission; von Danwitz (Fn. 24), S. 344; Grabitz, Europäisches Verwaltungsrecht – Gemeinschaftsrechtliche Grundsätze des Verwaltungsverfahrens, NJW 1989, 1776 (1778); Iglesias, Gedanken zum Entstehen einer Europäischen Rechtsordnung, NJW 1999, 1 (2); Schwarze, Rechtsstaatliche Grundsätze für das Verwaltungshandeln in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Hrsg.), Une communauté de droit, 2003, S. 147 (147). Zur Rolle als Verfassungsprinzip von Bogdandy, Grundprinzipien, in: von Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., 2009, S. 13 (38 ff.); Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 6 EUV Rn. 1; Schwarze (Fn. 233), S. LIII. 513 von Danwitz (Fn. 24), S. 214, 344; Iglesias (Fn. 512), 1 (2, 4 f.); Schwarze, in: Colneric/ Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (148); vgl. auch Gornig/Trüe, Die Rechtsprechung des EuGH zum europäischen allgemeinen Verwaltungsrecht – Teil 1, JZ 1993, 884 (890 f.). 514 Siehe S. 140 ff. 515 Siehe S. 142 f.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

1. Das Recht auf gute Verwaltung nach Art. 41 EU-GRCharta Im Zentrum des Verwaltungsverfassungsrechts steht das Recht auf gute Verwaltung nach Art. 41 EU-GRCharta,516 die erste explizite Verbürgung des Rechts auf gute Verwaltung in einer internationalen Menschenrechtserklärung.517 Es fasst als administratives Grundrecht eine Reihe von elementaren Verfahrensrechten zusammen.518 So gewähren die Absätze 1 und 2 ein allgemeines Recht auf eine gute Ver­waltung, mithin das Recht einer jeden Person, dass ihre An­gelegenheiten unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist von den Organen, Einrichtungen und anderen Stellen der EU behandelt werden. Dabei nennt Art. 41 Abs. 2 EU-GRCharta in nicht abschließender Weise Anwendungsbeispiele. Art. 41 Abs.  3 EU-GRCharta beinhaltet einen Haftungsanspruch, Art.  41 Abs.  4 EUGRCharta eine Sprachengarantie. Neu sind die dort verankerten Rechtsgrundsätze größtenteils – mit Ausnahme der Garantie des Art. 41 Abs. 1 EU-GRCharta, die jedem Bürger ein Recht auf gerechte Behandlung seiner Angelegenheiten gewährt519 – nicht.520 Dennoch nimmt die Rechtspraxis mittlerweile vielfach521 auf Art. 41 EU-GRCharta Bezug.522 Er gilt insofern als „entwicklungsoffenes“ Grundrecht, dessen Aufzählung nicht abschließend ist, sondern einen „Mindest­standard

516

Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 41 EU-GRCharta Rn. 1. Galetta, Inhalt und Bedeutung des europäischen Rechts auf eine gute Verwaltung, EuR 2007, 57 (57); Lais, Das Recht auf eine gute Verwaltung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, ZEuS 2002, 447 (448 f.). 518 Grzesick (Fn. 490), 161 (164); Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl., 2013, Art. 41 EU-GRCharta Rn. 2 f. 519 Vgl. dazu Frenz (Fn. 463), Rn. 4520; Grzesick (Fn. 490), 161 (166): „Weder die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte noch der Grundrechte-Konvent oder andere positive internationale Rechtsgewährungen kennen ein allgemeines Recht des Bürgers auf gerechte Behandlung seiner Angelegenheiten.“ Siehe auch dort S. 176 ff. mit dem Versuch einer Bestimmung dieses Rechts. Siehe auch Lais (Fn. 517), 447 (462), die herausarbeitet, dass in keiner Entscheidung der Europäischen Gerichte, auf die der Grundrechte-Konvent zur Interpretation des Art.  41 EU-GRCharta zurückgreift, der Begriff der gerechten Entscheidung verwendet wird. 520 Frenz (Fn.  463), Rn.  4520; Grzesick (Fn.  490), 161 (164); Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 41 EU-GRCharta Rn. 3 f.; Sydow (Fn. 255), S. 253 ff. m. w. N. 521 Zuerst EuG, Urteil vom 30.1.2002  – Rs.  T-54/99  – Slg. 2002, II-313 (Rn.  48)  – max. mobil/Kommission. Dazu auch die Rechtsmittelentscheidung EuGH, Urteil vom 22.2.2005 – Rs.  C-141/02 P  – Slg. 2005, I-1283 (Rn.  72)  – Kommission/T-Mobile Austria; sowie auch EuGH, Beschluss vom 18.10.2002 – Rs. C-232/02 P (R) – Slg. 2002, I-8977 (Rn. 85) – Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau; EuG, Urteil vom 8.7.2008 – Rs. T-48/05 – Slg. 2008, II-1585 (Rn.  257, 273)  – Franchet und Byk/Kommisson; GA Trstenjak, Schlussantrag vom 11.11.2008 zu EuGH – Rs. C-308/07 P – Slg. 2009, I-1059 (Rn. 91 ff.) – Atxalandabaso/Parlament; GA Kokott, Schlussanträge vom 22.1.2009 zu EuGH – Rs. C-75/08 – Slg. 2009, I-3799 (Rn. 25) – Mellor/Secretary of State for Communities and Local Government. 522 Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 41 EU-GRCharta Rn. 4. 517

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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des modernen Verwaltungsrechts“523 umfasst.524 Insofern verwundert es auch nicht, dass die ECHA in ihrem Verwaltungshandeln immer wieder Bezug darauf nimmt.525 2. Die weiteren primärrechtlichen Rechtsgrundsätze für das europäische Verwaltungsrecht Daneben existieren weitere Rechtsgrundsätze auf Ebene des Primärrechts, welche das Handeln der europäischen Verwaltung determinieren. Dazu zählt namentlich das Prinzip der Verhältnismäßigkeit [E. I. 2. a)]526, die Prinzipien von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz [E. I. 2. b)]527, der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns [E. I. 2. c)]528 sowie das Gebot der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung [E. I. 2. d)]529. a) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt ganz allgemein, dass die Rechtmäßigkeit jeder Verwaltungshandlung nicht absolut betrachtet werden kann, sondern sie auch im richtigen Verhältnis zum zu erzielenden Zweck stehen muss. War zu Beginn der Rechtsentwicklung der ungeschriebenen allgemeinen Grundsätze, welche die Grundlage für das Europäische Eigenverwaltungsrecht bilden, zunächst das französische Rechtsdenken dominierend – dies zeigt sich vor allem dadurch, dass Rechtsstaatlichkeit und Rechtsschutz nicht primär über den Schutz individueller Rechtspositionen, sondern über objektive Verfahrensgrundsätze gewährleistet werden sollten530 – nimmt mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit die deutsche Rechtstradition Einfluss, dieser entstammt der Grundsatz ursprünglich531. 523 Hilf, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Sonderbeilage zu NJW, EuZW, NVwZ und JuS 2000, 6. Schliesky benennt als (weitere) Maßstäbe für eine gute Verwaltung die Richtigkeit und Schnelligkeit, die Europatauglichkeit und Wirtschaftlichkeit von Verwaltungshandeln, das Bemühen um Akzeptanz und Bürgernähe sowie den Schutz öffentlicher Güter und der Interessen Dritter, Schliesky, Das Recht auf gute Verwaltung, 2006, S. 11 ff. 524 Galetta (Fn. 517), 57 (58). 525 So etwa innerhalb von ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 10.10.2011 – A-001–2010 – Rn. 42 sowie insbesondere Rn. 88 ff. 526 Siehe S. 129 ff. 527 Siehe S. 134 ff. 528 Siehe S. 139 f. 529 Siehe S. 140 ff. 530 Dingemann, Vertrauensschutz im europäischen Verwaltungsverfahren, S.  8; Schwarze (Fn.  233), S.  690 m. w. N.; Woehrling, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vergleich mit der deutschen, NVwZ 1985, 21 (23). 531 Craig (Fn. 217), S. 591; von Danwitz (Fn. 24), S. 348; Jannasch, Nationales und Europäisches Recht aus deutscher Perspektive, in: Magiera/Sommermann (Hrsg.), Verwaltung in der Europäischen Union, 2001, S. 27 (28); Schwarze (Fn. 233), S. LXXIV, S. 690.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

von Danwitz benennt ihn als „Metarechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts“,532 Schwarze erkennt ihn „somit zu Recht als übergreifendes Prinzip zur Begrenzung der Wirtschaftsgesetzgebung und -verwaltung in der Gemeinschaft“ an.533 Seinen normativen Niederschlag hat es – als kompetenzbezogener Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – in Art. 5 EUV gefunden. Es hat – vom deutschen nationalen Verwaltungsrecht ausgehend  – über das Unionsrecht wiederum im nationalen Verwaltungsrecht anderer Mitgliedstaaten eine Heimat gefunden, denen eine Kontrolle staatlichen Handelns durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip bislang fremd war.534 aa) Entwicklung und Facetten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Die erste Entscheidung, in der der EuGH den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder zumindest einzelne Bestandteile dieses Grundsatzes als Maßstab für die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union heranzieht, ist das Urteil Fédéchar aus dem Jahr 1956.535 Der EuGH wies in seinem Urteil darauf hin, dass ein „indirektes Vorgehen der Hohen Behörde gegen ein unerlaubtes Verhalten der Unternehmen zu dem Ausmaß des Letzteren in einem gewissen Verhältnis stehen“536 muss. Damit lassen sich die Anfänge der Rechtssprechung des EuGH zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zeitlich bis weit vor die Anerkennung von Unionsgrundrechten datieren; diese wurden erst dreizehn Jahre später im Urteil in der Rechtssache Stauder537 anerkannt.538 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bot eine Ersatzfunktion für den ansonsten in der damaligen Gemeinschaftsrechtsordnung nicht vorgesehenen Schutz individueller Interessen.539 Mit der Entwicklung 532 von Danwitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Gemeinschaftsrecht, EWS 2003, 393 (393). 533 Schwarze (Fn.  233), S.  830 f. Ähnlich auch Schwarze, Der Schutz des Gemeinschafts­ bürgers durch allgemeine Verwaltungsgrundsätze im EG-Recht, NJW 1986, 1067 (1069), der dort die Einschätzung, es sei der wichtigste allgemeine Rechtsgrundsatz, unterstützt. 534 Dies gilt vor allem für Belgien, Zuleeg, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht – wechselseitige Einwirkungen, VVDStRL 53 (1994), 154 (174), mit Nachweisen zur Rezeption im belgischen Recht; außerdem für Italien, Galetta, Nationales und Europäisches Recht aus italienischer Perspektive, in: Magiera/Sommermann (Hrsg.), Verwaltung in der Europäischen Union, 2001, S. 63 (80 f.), mit Nachweisen zur Rezeption in der italienischen Rechtsprechung. 535 Pache, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Gemeinschaften, NVwZ 1999, 1030 (1034). 536 EuGH, Urteil vom 29.11.1956 – Rs. 8/55 – Slg. 1955/56, 297 (311) – Fédération Charbonnière de Belgique/Hohe Behörde; weitere frühe Entscheidungen nennt Rüber, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und die Konkretisierung allgemeiner Rechtsgrundsätze, 1970, S. 160 ff. 537 EuGH, Urteil vom 12.11.1969 – Rs. 29/69 – Slg. 1969, 419 (Rn. 4) – Erich Stauder/Stadt Ulm, Sozialamt. 538 Pache (Fn. 535), 1030 (1034). 539 Schwarze (Fn. 233), S. 701, mit Nachweisen zur Rechtsprechung in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. So auch Pache (Fn. 535), 1030 (1034); Pollak, Verhältnismäßigkeitsprinzip und Grundrechtsschutz in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs und des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, 1991, S. 41.

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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der Unionsgrundrechte kam dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überragende Bedeutung als Rechtsmaßstab für die Rechtfertigung von Grundrechtsbeschränkungen zu, da die Gemeinschaftsgrundrechte keine ausdrücklichen Schranken enthielten.540 Damit dient das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Richtschnur für die Abwägung beim Ausgleich kollidierender Rechtsgüter.541 Jenseits des Verfassungsrechts spielt das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch für die Verwaltung der EU eine wesentliche Rolle. Als objektiver Grundsatz des Unionsrechts ist es als allgemeine Leitlinie für deren Handeln anerkannt.542 In dieser Funktion dient der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Prüfung der Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit einer Maßnahme; er gibt damit gleichsam ein „Prüf­ raster“543 zur Gestaltung der Entscheidungen im Hinblick auf den Gegenstand einer Entscheidung, deren Alternativen und Auswirkungen im REACH-Verbund an die Hand.544 bb) Materieller Prüfungsmaßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Wenngleich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus dem deutschen Rechtskreis übernommen wurde, ist eine inhaltliche Deckungsgleichheit nicht vollständig gegeben.545 Lediglich vereinzelt, etwa in der Rechtssache Schräder546, findet sich 540 von Danwitz (Fn.  532), 393 (394). Im Rahmen dieser Entwicklung betonte der EuGH immer wieder, dass Grundrechte keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen würden und somit Beschränkungen unterworfen werden könnten, wenn diese „tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte ihrem Wesensgehalt nach antastet.“ So von Danwitz (Fn.  532), 393 (394) mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 13.7.1989 – Rs. 5/88 – Slg. 1989, 2609 (Rn. 18) – Hubert Wachauf/Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft; EuGH, Urteil vom 8.4.1992 – Rs. C-62/90 – Slg. 1992, I-2575 (Rn. 23) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland; EuGH, Urteil vom 5.10.1994 – Rs. C-404/92 P – Slg. 1994, I-4737 (Rn. 18) – X/Kommission; EuGH, Urteil vom 5.10.1994 – Rs.  C-280/93  – Slg. 1994, I-4973 (Rn.  58)  – Bundesrepublik Deutschland/Rat der Europäischen Union. 541 von Danwitz (Fn. 532), 393 (394); Stieglitz, Allgemeine Lehren im Grundrechtsverständnis nach der EMRK und der Grundrechtsjudikatur des EuGH, 2002, S. 138 ff. 542 Craig (Fn.  217), S.  591; von Danwitz (Fn.  532), 393 (394); Mayer, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim (Fn.  110), Grundrechtsschutz und rechtsstaatliche Grundsätze Rn.  403 f.; Pache (Fn. 535), 1030 (1036); Schwarze (Fn. 233), S. 838. 543 von Danwitz (Fn. 24), S. 217. 544 von Danwitz (Fn. 24), S. 217; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 2003, S. 517. 545 von Danwitz (Fn. 532), 393 (395); Koch, Arbeitsebenen der Europäischen Union, 2003, S. 198 ff. Grundsätzlich wohl auch Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Grundrechtsschutz und rechtsstaatliche Grundsätze Rn. 404. 546 EuGH, Urteil vom 11.7.1989 – Rs. 265/87 – Slg. 1989, 2237 (Rn. 21) – Hermann Schräder HS Kraftfutter/Hauptzollamt Gronau.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

die nach klassischem deutschen Rechtsverständnis formale Dreiteilung in die Elemente Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit. Vor allem im Rahmen von in jüngerer Zeit erlassenen Entscheidungen wenden sich der EuGH und das EuG von diesem Prüfungsaufbau ab und reduzieren häufig auf eine zweistufige Prüfung der Eignung und der Erforderlichkeit einer Maßnahme.547 Im Rahmen der Prüfung wird oft die Formulierung gebraucht, „ob die gewählten Mittel zur Er­ reichung des angestrebten Ziels geeignet sind und ob sie das Maß des hierzu Erforderlichen nicht übersteigen.“548 Bei mehreren geeigneten Maßnahmen ist „die am wenigsten belastende zu wählen“ und im Übrigen dürfen „die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“.549 Teilweise 547 So etwa EuGH, Urteil vom 13.7.1997 – Rs. 233/94 – Slg. 1997, I-2405 (Rn. 54) – Bundesrepublik Deutschland/Parlament und Rat der Europäischen Union; EuGH, Urteil vom 22.10.1998 – verb. Rs. C-36/97 und C-37/97 – Slg. 1998, I-6337 (Rn. 33) – Hilmar Kellinghusen u. a./Amt für Land- und Wasserwirtschaft Kiel u. a.; EuGH, Urteil vom 11.7.2002  – Rs. C-210/00 – Slg. 2002, I-6453 (Rn. 59) – Käserei Champignon Hofmeister/Hauptzollamt Hamburg-Jonas; EuGH, Urteil vom 14.12.2004 – Rs. C-434/02 – Slg. 2004, I-11825 (Rn. 45) – Arnold André/Landrat des Kreises Herford; EuGH, Urteil vom 14.12.2004 – Rs. C-210/03 – Slg. 2004, I-11893 (Rn. 47) – Swedish Match u. a./Secretary of State for Health; EuGH, Urteil vom 6.12.2005 – verb. Rs. C-453/03, C-11/04, C-12/04 und C-194/04 – Slg. 2005, I-10423 (Rn. 68) – ABNA u. a./Ministero delle Politiche Agricole e Forestali u. a.; EuGH, Urteil vom 15.6.2006 – Rs. C-28/05 – Slg. 2006, I-5431 (Rn. 72) – G. J. Dokter u. a./Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit; EuG, Urteil vom 19.6.1997  – Rs. T-260/94  – Slg. 1997, II-1000 (Rn. 144) – Air Inter/Kommission. Dies konstatiert auch GA Trstenjak, Schlussanträge vom 21.1.2010 zu Rs. C-365/08 – Slg. 2010, I-4344 (Rn. 59 f.) – Agrana Zucker/Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. 548 So von Danwitz (Fn. 532), 393 (395). Diese Formulierung findet sich etwa in EuGH, Urteil vom 22.10.1998 – verb. Rs. C-36/97 und C-37/97 – Slg. 1998, I-6337 (Rn. 33) – Hilmar Kellinghusen u. a./Amt für Land- und Wasserwirtschaft Kiel u. a.; EuGH, Urteil vom 20.5.2010 – Rs.  C-365/08  – Slg. 2010, I-4378 (Rn.  29)  – Agrana Zucker/Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; EuGH, Urteil vom 8.6.2010 – Rs. C-58/08 – Slg. 2010, I-4999 (Rn.  51)  – Vodafone u. a./Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform. So auch EuG, Urteil vom 3.9.2009 – Rs. T-326/07 – Slg. 2009, II-2693 (Rn.  194)  – Cheminova u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 9.9.2010  – Rs. T-119/06  – Slg. 2010, II-4335 (Rn.  449)  – USHA Martin/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 19.11.2009 – Rs. T-334/07 – Slg. 2009, II-4211 (Rn. 127) – Denka International/Kommission. Ähnlich die Formulierung bei GA Kokott, Schlussanträge vom 17.9.2009 zu Rs C-441/07 P – Slg. 2010, I-5953 (Rn. 46) – Kommission/Alrosa Company. 549 So etwa jeweils EuGH, Urteil vom 11.3.1987  – verb. Rs.  279/84, 280/84, 285/84 und 286/84 – Slg. 1987, 1069 (Rn. 34) – Walter Rau Lebensmittelwerke u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 11.3.1987 – Rs. 265/85 – Slg. 1987, 1155 (Rn. 31) – van den Bergh en Jürgens u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 5.10.1994 – verb. Rs. C-133/93, C-300/93 und C-362/93, Slg. 1994, I-4863 (Rn. 41) – Antonio Crispoltoni u. a./Fattoria autonoma Tabacchi u. a.; EuGH, Urteil vom 12.7.2001  – Rs.  C-189/01  – Slg. 2001, I-5689 (Rn.  81)  – H.  Jippes u. a./Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij; EuGH, Urteil vom 20.5.2010 – Rs. C-365/08 – Slg. 2010, I-4378 (Rn.  29)  – Agrana Zucker/Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; vgl. auch EuG, Urteil vom 3.9.2009 – Rs. T-326/07 – Slg. 2009, II-2693 (Rn. 194) – Cheminova u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 9.9.2010 – Rs. T-119/06 – Slg. 2010, II-4335 (Rn. 449) – USHA Martin/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 19.11.2009 – Rs. T-334/07 – Slg. 2009, II-4211 (Rn. 138) – Denka International/Kommission.

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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finden sich auch Urteile mit einer zweistufigen Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, reduziert auf Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Maßnahme550 sowie eine Einschränkung insofern, als „dass eine Maßnahme nur dann rechtswidrig sei, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist.“551 Das sei lediglich dann der Fall, wenn die Beurteilung des Gesetzgebers „offensichtlich irrig“552 erscheine. Damit nähert sich dieser Grundsatz  – jedenfalls im Rahmen einer Grundrechtsbeschränkung  – einer reinen Ermessenskontrolle.553 Dennoch muss bei aller Uneinheitlichkeit sowohl nach den Vorgaben der Rechtsprechung als auch des Sekundärrechts der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders streng beachtet werden, wenn eine Maßnahme schwere Grundrechtseingriffe bewirkt, zum Beispiel eine Sanktion auferlegt.554 In anderen Gebieten gilt hingegen eine beträchtliche Großzügigkeit.555 Etwa wenn Unionsorgane politische, wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen treffen, z. B. bei der Beurteilung komplexer technischer Sachverhalte oder bei Personalentscheidungen, wird lediglich geprüft, ob die Maßnahme bereits auf Grund einer ex-ante-Betrachtung offensichtlich unverhältnismäßig gewesen wäre; es findet also eine reine Evidenz­ kontrolle statt.556 Ob und inwiefern aber tatsächlich die Voraussetzungen einer Entscheidungsprärogative vorliegen, gehört im Regelfall nicht zum Prüfungsumfang. Schließlich verzichtet der Gerichtshof vielfach auf eine Angemessenheits­ 550

EuGH, Urteil vom 17.5.1984 – Rs. 15/83 – Slg. 1984, 2171 (Rn. 25) – Denkavit Nederland/Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten. 551 EuGH, Urteil vom 7.2.1973  – Rs.  40/72  – Slg. 1973, 124 (Rn.  14)  – I. Schröder/Bundesrepublik Deutschland; EuGH, Urteil vom 5.10.1994  – Rs.  C-280/93  – Slg. 1994, I-4973 (Rn. 90 f.) – Bundesrepublik Deutschland/Rat der Europäischen Union. 552 EuGH, Urteil vom 5.10.1994 – Rs. C-280/93 – Slg. 1994, I-4973 (Rn. 90 f.) – Bundes­ republik Deutschland/Rat der Europäischen Union. 553 von Danwitz (Fn. 532), 393 (396); von Danwitz (Fn. 24), S. 217; Mayer, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim (Fn.  110), Grundrechtsschutz und rechtsstaatliche Grundsätze Rn.  404. Kritisch Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, 2010, S. 303. 554 von Danwitz (Fn. 24), S. 349, verweist auf EuGH, Urteil vom 11.7.1989 – Rs. 265/87 – Slg. 1989, 2237 (Rn. 21) – Hermann Schräder HS Kraftfutter/Hauptzollamt Gronau; EuGH, Urteil vom 5.10.1994 – Rs. C-280/93 – Slg. 1994, I-4973 (Rn. 78) – Bundesrepublik Deutschland/Rat der Europäischen Union. Siehe zur Rechtsprechung ausführlich auch von Danwitz (Fn. 532), 393 (395); Koch (Fn. 544), S. 290 ff., 494 ff.; in der REACH-VO dazu Erwägungsgrund (122). 555 So die Kritik von von Danwitz (Fn. 532), 393 (396 ff.); von Danwitz (Fn. 24), S. 350. 556 EuGH, Urteil vom 5.7.1977 – Rs. 114/76 – Slg. 1977, 1211 (Rn. 7) – Bela-Mühle Josef Bergmann/Grows-Farm; EuGH, Urteil vom 29.10.1980  – Rs.  139/79  – Slg. 1980, 3393 (Rn. 26) – Maizena/Rat der Europäischen Gemeinschaften; „offensichtlicher Fehler“: EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – Rs. C-301/96 – Slg. 2003, I-9919 (Rn. 129) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission; „offensichtlich unverhältnismäßig“: EuGH, Urteil vom 6.12.2005  – verb. Rs. C-453/03, C-11/04, C-12/04 und C-194/04 – Slg. 2005, I-10423 (Rn. 69) – ABNA u. a./ Ministero delle Politiche Agricole e Forestali u. a.; „offensichtlich ungeeignet“: EuGH, Urteil vom 7.9.2006 – Rs. C-310/04 – Slg. 2006, I-7285 (Rn. 98 f.) – Spanien/Rat der Europäischen Union. Vgl. auch Koch (Fn. 544), S. 527.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

prüfung.557 Damit steht die Gefahr einer Verringerung des Schutzes von Individualrechtsgütern im Raum und so eine Abkehr von der individuellen Schutzfunktion des Übermaßverbotes.558 b) Die Prinzipien von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz Unternehmen können nur in einem beständigen und sicheren Umfeld lang­ fristig planen. Das bedingt auch die Verlässlichkeit der Handlungen der europäischen Behörden, die Unternehmen müssen rechtssicher planen und der ECHA vertrauen können; dies stellen die Prinzipien von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz sicher.559 Der Gedanke des Vertrauensschutzes560 wird aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit abgeleitet,561 der erfordert, dass die rechtlichen Regelungen ein­deutig und präzise sind und es ermöglichen, Rechtsfolgen grundsätzlich vorher­zusehen.562 Er hat im Eigenverwaltungsrecht grundlegende Bedeutung,563 muss etwa beachtet 557 Siehe etwa EuGH, Urteil vom 13.5.1997 – Rs. C-233/94 – Slg. 1997, I-2405 (Rn. 54) – Bundesrepublik Deutschland/Parlament und Rat der Europäischen Union. 558 So die Befürchtung und Kritik von von Danwitz (Fn.  532), 393 (396 f.); von Danwitz (Fn. 24), S. 350. 559 Borchardt, Der Grundsatz des Vertrauensschutzes im europäischen Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 3, beschreibt dieses Spannungsfeld (mit Blick auf den Vertrauensschutz) als „Regulativ zweier sich gegenüberstehender Interessenlagen, dem Individualinteresse des Einzelnen auf Fortbestand des rechtlichen Bezugsrahmens, auf den er vertraut und sich in seinen Dispositionen eingerichtet hat, einerseits und der Notwendigkeit der Erhaltung politischer Flexibilität und Mobilität der handelnden Organe andererseits.“ 560 Zu den Schwierigkeiten einer Definition dieses Begriffs Dingemann (Fn. 530), S. 2. 561 EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893 (911)  – Lemmerz-Werke/ Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 3.5.1978 – Rs. 112/77 – Slg. 1978, 1019 (Rn. 19) – August Töpfer & Co./Kommission; EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 30) – Alpha Steel/Kommission; EuGH, Urteil vom 11.3.1987  – Rs.  265/85  – Slg. 1987, 1155 (Rn. 44) – van den Bergh en Jürgens u. a./Kommission; von Danwitz (Fn. 24), S. 351; Gornig/ Trüe (Fn. 513), 884 (891); Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (155 f.). Besonders deutlich EuGH, Urteil vom 5.7.1973  – Slg. 1973, 723 (Rn. 5 f.)  – Westzucker/Einfuhr- und Vorratsstelle für Zucker, dazu auch Frenz (Fn. 463), Rn. 3012 f. Die Rechtsprechung des EuGH in dieser Frage fasst zusammen GA Bot, Schlussanträge vom 23.4.2009 zu Rs. C-519/07 P – Slg. 2009, I-8495 (Rn. 74 ff.) – Kommission/Koninklijke Friesland Campina. Kritisch zu dieser Herleitung Borchardt (Fn. 559), S. 4 ff. Vgl. auch Mayer, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Grundrechtsschutz und rechtsstaatliche Grundsätze Rn. 395. 562 von Danwitz (Fn.  24), S.  351; Gornig/Trüe (Fn.  513), 884 (893); Haibach, Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, NVwZ 1998, 456 (459); Schwarze (Fn.  233), S.  921 ff. Zum Prinzip des Vertrauensschutz auf europäischer Ebene grundlegend Borchardt (Fn. 559). Vgl. auch EuG, Urteil vom 27.9.2006 – T-43/02 – Slg. 2006 II-3435 (Rn. 71) – Jungbunzlauer/Kommission. 563 So die Einschätzung von Berninghausen (Fn. 239), S. 45 f.; von Danwitz (Fn. 24), S. 351. Vgl. EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957 83 (118) – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (172) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du ­Temple

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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werden bei der Aufhebung von Beschlüssen564 oder im Hinblick auf die Zulässig­ keit von Rückwirkungen565.566 Eine weitere Ausprägung findet er im Merkmal der „Offenkundigkeit“ des zur rechtlichen Inexistenz führenden Fehlers eines Beschlusses.567 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes muss als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts von allen Unionsorganen beachtet werden.568 Das Recht, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, steht nach ständiger Rechtssprechung jedem immer dann zu, wenn eine Maßnahme stattgefunden hat, die Vertrauen begründet, also eine Selbstbindung der Union vorliegt; die Verwaltung muss eine Situation geschaffen haben, die berechtigtes Interesse wecken kann.569 Es muss mithin ein objektiver Vertrauenstatbestand vorliegen.570 Eine solche Maßnahme, die als Ausgangspunkt zur Begründung schutzwürdigen Vertrauens die(S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 12.7.1961  – Rs.  14/61  – Slg. 1962, 511 (549 f.)  – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 13.7.1965 – Rs. 111/63 – Slg. 1965, 893 (911) – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-104/97 P – Slg. 1999, I-6983 (Rn. 52) – Atlanta u. a./Kommission u. a. 564 Siehe S. 266 ff. 565 Etwa in EuGH, Urteil vom 5.7.1973 – Slg. 1973, 723 (Rn. 5 f.) – Westzucker/Einfuhr- und Vorratsstelle für Zucker; siehe S. 348 ff. 566 Weitere Konstellationen nennt Craig (Fn. 217), S. 326, 553 ff. Calliess (Fn. 553), S. 304 ff.; Schlockermann, Rechtssicherheit als Vertrauensschutz in der Rechtsprechung des EuGH, 1984, S. 5 ff., sehen ebenfalls diese beiden Fälle als Hauptanwendungsbereich. 567 Siehe dazu S. 164 ff. 568 EuGH, Urteil vom 1.4.1993 – verb. Rs. C-31/91 bis C-44/91 – Slg. 1993 I-1780 (Rn. 33) – Alois Lageder u. a./Amministrazione delle finanze dello Stato; Haibach (Fn. 562), 456 (459); Kokott, Der Grundrechtsschutz im europäischen Gemeinschaftsrecht, AöR 1996, 599 (626). Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge vom 23.4.2009 zu Rs.  C-519/07 P  – Slg. 2009, I-8495 (Rn. 74) – Kommission/Koninklijke Friesland Campina. 569 EuGH, Urteil vom 6.3.2003  – Rs.  C-14/01  – Slg. 2003, I-2279 (Rn.  56)  – Molkerei Wagenfeld Karl Niemann/Bezirksregierung Hannover; EuGH, Urteil vom 15.7.2004  – verb. Rs. C-37/02 und C-38/02 – Slg. 2004, I-6911 (Rn. 70) – Di Lenardo u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 17.9.2009 – Rs. C-519/07 P – Slg. 2009, I-8526 (Rn. 84) – Kommission/ Koninklijke Friesland Campina; EuGH, Urteil vom 24.3.2011 – Rs. C-369/09 P – Slg. 2011, I-2011 (Rn. 123) – ISD Polska u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 3.9.2009 – Rs. T-326/07 – Slg. 2009, II-2693 (Rn.  179)  – Cheminova u. a./Kommission; GA Bot, Schlussanträge vom 23.4.2009 zu Rs. C-519/07 P – Slg. 2009, I-8495 (Rn. 77 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung des EuGH) – Kommission/Koninklijke Friesland Campina. GA Cosmas, Schlussanträge vom 8.6.1995 zu Rs. C-63/93 – Slg. 1996, I-569 (Rn. 32) – Duff u. a./Minister for Agriculture and Food. Aus der Literatur Altmeyer, Vertrauensschutz im Recht der Europäischen Union und im deutschen Recht, 2003, S. 43; Calliess (Fn. 553), S. 305; von Danwitz (Fn. 24), S. 351; Haibach (Fn. 562), 456 (459); vgl. auch EuG, Urteil vom 19.11.2009 – Rs. T-334/07 – Slg. 2009, II-4211 (Rn. 148) – Denka International/Kommission. 570 EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; EuGH, Urteil vom 11.3.1987 – Rs. 265/85 – Slg. 1987, S. 1155 (Rn.  44)  – van den Bergh en Jürgens u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 14.10.1999  – Rs.  C-104/97 P  – Slg. 1999, I-6983 (Rn.  52)  – Atlanta u. a./Kommission u. a.; von Danwitz (Fn. 24), S. 351; Dingemann (Fn. 530), S. 15; Kokott (Fn. 568), 600 (626 f.); Müller (Fn. 239), S. 143 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 48 VwVfG Rn. 141 f.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

nen kann, kann in Form einer Zusage oder anderer Maßnahmen mit Bindungs­ wirkung571 erfolgen oder aber durch Untätigigbleiben der Union über einen längeren Zeitraum entstehen.572 Das Verhalten der EU-Organe stellt allerdings nur den formalen Bezugspunkt dar, dazu muss außerdem kommen, dass sich das Vertrauen, das der Betroffene hat, nach außen manifestiert und damit objektivierbar ist.573 Im Regelfall wird dies durch Vornahme einer Disposition geschehen.574 Kausalität muss schließlich in doppelter Hinsicht im Sinne einer Kette bestehen: Das Handeln der EU-Organe muss kausal für die Begründung des Vertrauens und dieses wiederum kausal für die getroffene Disposition sein.575 Dieses Vertrauen muss weiterhin auch schutzwürdig sein.576 Die Schutzwürdigkeit hängt dabei vom Einzelfall ab. Dabei muss in erster Linie der Kenntnisstand des Betroffenen über die Rechtswidrigkeit der Maßnahme,577 insbesondere im Hinblick auf die Frage, inwiefern er diese beeinflusst hat,578 sowie die Offenkundigkeit der Fehlerhaftigkeit579 berücksichtigt werden. Regelmäßig ist das Schutzinteresse des Betroffenen mit dem Unionsinteresse abzuwägen.580 So stellte die 571

Dies kann nicht nur durch individuelle Entscheidungen geschehen, sondern auch durch eine Verordnung, EuGH, Urteil vom 5.6.1973 – Rs. 81/72 – Slg. 1973, 575 (Rn. 8) – Kommission/Rat der Europäischen Gemeinschaften; EuGH, Urteil vom 5.4.1979 – Rs. 148/78 – Slg. 1979, 1629 (Rn. 39 f.) – Strafverfahren gegen Tullio Ratti; siehe dazu auch Altmeyer (Fn. 569), S. 43 f.; Frenz (Fn. 463), Rn. 3088 ff. m. w. N. zu Konstellationen, in denen der EuGH aufgrund eines Einzelakts oder einer Norm, aber auch aufgrund von Zusagen oder Auskünften eine Vertrauensbasis angenommen hat. Dazu in jüngerer Zeit z. B. EuG, Urteil vom 30.11.2009 – verb. Rs. T-427/04 und T-17/05 – Slg. 2009, II-4315 (Rn. 259 ff) – Frankreich u. a./Kommission. 572 Dingemann (Fn. 530), S. 16. Einen Überblick über vertrauensbildende Maßnahmen der EU gibt Borchardt (Fn. 559), S. 79 ff. 573 Dingemann (Fn. 530), S. 17; Schwarze (Fn. 233), S. 924. 574 Borchardt (Fn. 559), S. 96 f.; Dingemann (Fn. 530), S. 17. 575 Altmeyer (Fn. 569), S. 46; Borchardt (Fn. 559), S. 97 f.; Dingemann (Fn. 530), S. 17. 576 Dies benennt Frenz als „subjektiven Vertrauenstatbestand“, Frenz (Fn.  463), Rn.  3112. „Subjektives Tatbestandsmerkmal“ bei Altmeyer (Fn. 569), S. 45. „subjektives Merkmal“ bei Crones, Selbstbindungen der Verwaltung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1996, S. 112. Kritisch zu diesen Begrifflichkeiten bereits Borchardt (Fn.  559), S.  99, der darauf hinweist, dass es auf die objektive Schutzwürdigkeit des Vertrauens ankommt. 577 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 11) – Alpha Steel/Kommission; EuGH, Urteil vom 26.2.1985  – Rs.  15/85  – Slg. 1987, 1005 (Rn.  14)  – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.7.2005 – verb. Rs. C-65/02 P und C-73/02 P – Slg. 2005, I-6773 (Rn. 41) – ThyssenKrupp Stainless u. a./Kommission. 578 EuGH, Urteil vom 22.3.1961  – verb. Rs.  42/59 und 49/59  – Slg. 1961, 109 (173)  – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 17.4.1997 – Rs. C-90/95 P – Slg. 1997, I-1999 (Rn. 37) – Henri de Compte/ Parlament; EuG, Urteil vom 13.3.1990  – verb. Rs.  T-34/89 und T-67/89  – Slg. 1990, II-93 (Rn. 47) – Mario Costacurta/Kommission. 579 EuG, Urteil vom 20.11.2002 – Rs. T-251/00 – Slg. 2002, II-4825 (Rn. 149) – Lagardère SCA u. a./Kommission. 580 EuGH, Urteil vom 18.4.1997  – Rs.  C-90/95 P  – Slg. 1997, I-1999 (Rn.  39)  – Henri de Compte/Parlament; EuG, Urteil vom 26.9.2002  – Rs.  T-199/99  – Slg. 2002, II-3731 (Rn. 111 ff.) – Sgaravatti Mediterranea/Kommission; GA Bot, Schlussanträge vom 23.4.2009 zu Rs.  C-519/07 P  – Slg. 2009, I-8495 (Rn.  77, 111)  – Kommission/Koninklijke Friesland

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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Rechtsprechung bereits mehrfach fest, dass Wirtschaftsteilnehmer nicht ohne Weiteres auf den Erhalt einer bestehenden Rechtslage, die nach Ermessen von Unionsorganen geändert werden kann, vertrauen durften; bei der Vorhersehbarkeit der Änderung für einen besonnenen und umsichtigen Wirtschaftsteilnehmer kann sich dieser nicht auf Vertrauensschutz581 berufen.582 In einem solchen Fall ist lediglich gegebenenfalls auf die gesicherten Rechtspositionen der Betroffenen Rücksicht zu nehmen.583 Die Berufung auf Vertrauensschutz ist ebenfalls dann missbräuchlich, Campina; Crones (Fn. 576), S. 113; von Danwitz (Fn. 24), S. 352; Frenz (Fn. 463), Rn. 3132; Schwarze (Fn. 233), S. LXXVII f.; Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (156). Im Regelfall geht dabei das Unionsinteresse vor, Altmeyer (Fn. 569), S. 46 f.; Borchardt (Fn. 559), S. 127; Crones (Fn. 576), S. 114. Beispiele für Unionsinteressen, die eine Rücknahme legitimieren, nennt Frenz (Fn. 463), Rn. 3138. 581 Vor allem im Beamtenrecht findet sich auch die Formulierung „wohlerworbene Rechte“ anstelle des „schutzwürdigen Vertrauens“, so bereits in EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; dieser Begriff ist nicht mit dem des schutzwürdigen Vertrauens gleichzusetzen, da er lediglich in der Vergangenheit rechtmäßig erlangte Rechte schützt, während der Grundsatz des Vertrauenschutzes grundsätzlich auch bei rechtswidrig erlangten Positionen geltend gemacht werden kann, so Altmeyer (Fn. 569), S. 61 f.; so auch, insbesondere mit weiteren Abgrenzungsversuchen aus dem Schrifttum Heukels, Intertemporales Gemeinschaftsrecht, 1990, S. 148 ff. m. w. N. Zu diesem Begriff im Dienstrecht auch Lindemann, Allgemeine Rechtsgrundsätze und europäischer öffentlicher Dienst, 1986, S. 136 ff. 582 EuGH, Urteil vom 10.12.1975 – verb. Rs. 95/74 bis 98/74, 15/75 und 100/75 – Slg. 1975, 1615 (Rn. 35/37, 42/46) – Union nationale des coopératives agricoles de céréales u. a./Kommission u. a.; EuGH, Urteil vom 16.2.1982 – Rs. 276/80 – Slg. 1982, 517 ( Rn. 20) – Ferriera Padana/Kommission; EuGH, Urteil vom 11.3.1987 – Rs. 265/85 – Slg. 1987, 1155 (Rn. 44) – van den Bergh en Jürgens u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 2.10.2003 – verb. Rs. C-172/01 P, C-175/01 P, C-176/01 P und C-180/01 P  – Slg. 2003, I-11421 (Rn.  177)  – International Power u. a./National Association of Licensed Opencast Operators (NALOO); EuGH, Urteil vom 7.9.2006 – Rs. C-310/04 – Slg. 2006, I-7285 (Rn. 83) – Spanien/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 13.12.1995 – verb. Rs. T-481/93 und T-484/93 – Slg. 1995, II-2944 (Rn. 148) – Vereniging van Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 18.9.1996 – Rs. T-155/94 – Slg. 1996, II-873 (Rn. 110) – Climax Paper Converters/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 9.9.2009 – verb. Rs. T-30/01 bis T-32/01 und T-86/02 bis T-88/02 – Slg. 2009, II-2929 (Rn. 310) – Territorio Histórico de Álava u. a./Kommission; GA Bot, Schlussanträge vom 23.4.2009 zu Rs. C-519/07 P – Slg. 2009, I-8495 (Rn. 111) – Kommission/Koninklijke Friesland Campina; Altmeyer (Fn.  569), S.  45; Gornig/Trüe (Fn.  513), 884 (892); Kokott (Fn.  568), 599 (626); Müller (Fn.  239), S.  145. Möglicherweise könnte aber gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung verstoßen worden sein, dazu von­ Danwitz (Fn. 24), S. 354 ff. m. w. N.; Michels (Fn. 239), S. 15 f. 583 Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (156 f.). Hat aber ein Unionsorgan Vertrauen auf den Fortbestand der Regel veranlasst, dann stellt dies einen Anknüpfungspunkt für schutzwürdiges Vertrauen dar, EuGH, Urteil vom 28.4.1988 – Rs. 120/86 – Slg. 1988, 2321 (Rn. 24) – J. Mulder/Minister van Landbouw en Visserij; von Danwitz (Fn. 24), S.  352; Schwarze (Fn.  233), S.  LXXIX  f.; Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (157). Für Auskünfte EuG, Urteil vom 21.7.1998 – verb. Rs. T-66/96 und T-221/97 – Slg. ÖD 1998, I-A-449 und II-1305 (Rn. 104, 107) – John Mellet/Gerichtshof; EuG, Urteil vom 19.3.2003 – Rs. T-273/01 – Slg. 2003, II-1093 (Rn. 26) – Innova Privat-Akademie/ Kommission; EuG, Urteil vom 23.10.2003  – Rs.  T-65/98  – Slg. 2003, II-4653 (Rn.  192)  – van den Bergh Foods/Kommission; EuG, Urteil vom 14.2.2006  – verb. Rs.  T-376/05 und

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

wenn dieser in Bezug auf eine Maßnahme geltend gemacht wird, die unberechtigterweise mit Kenntnis des Betroffenen so ergangen ist.584 So kann zwar eine längere Untätigkeit der Union Vertrauensschutz entstehen lassen, dies ist allerdings dann nicht möglich, wenn auf Seiten der Klägerin, die sich auf Vertrauensschutz beruft, ebenfalls ein Verstoß vorliegt.585 Denn dann fehlt es bereits am berechtigen Vertrauen im Rechtssinne.586 Der mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes korrespondierende Grundsatz der Rechtssicherheit ist zwar ebenfalls im Unionsrecht verankert, allerdings haben sich EuGH und EuG bislang nicht zu dessen dogmatischen Grundlagen geäußert.587 Der Grundsatz der Rechtssicherheit soll insofern für Beständigkeit sorgen, als dass ein bestimmter Rechtszustand erhalten wird, um so den Rechtsfrieden und die Stabilität der Rechtsordnung zu sichern.588 Dies bedeutet primär die Verlässlichkeit bestehender Normen und die Vorhersehbarkeit von Änderungen.589 Dazu gehört aber auch die Klarheit und Genauigkeit der Rechtsnormen, die Beteiligten müssen ihre Rechte und Pflichten kennen (können).590

T-383/05  – Slg. 2006, II-205 (Rn.  88)  – TEA-CEGOS u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 23.2.2006 – Rs. T-282/02 – Slg. 2006, I-319 (Rn. 77) – Cementbouw Handel & Industrie/Kommission; EuG, Urteil vom 16.11.2006 – Rs. T-333/03 – Slg. 2006 II-4377 (Rn. 119) – Masdar (UK)/Kommission. 584 Kokott (Fn. 568), 599 (626). 585 EuG, Urteil vom 24.4.1996 – verb. Rs. T-551/93, T-231/94 bis T-233/94 und T-234/94 – Slg. II-1996, 247 (Rn. 76) – Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 19.3.1997 – Rs. T-73/95 – Slg. 1997, II-381 (Rn. 42) – Estabelecimentos Isidoro M. Oliveira/ Kommission. 586 Frenz beurteilt denn auch die Konzeption als „streng“; liegen keine gesicherten Rechtspositionen vor, sei die Schutzwürdigkeit des Vertrauens im Regelfall zu verneinen, Frenz (Fn. 463), Rn. 3119. 587 Hatje, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz  – Wechselseitige Einwirkungen zwischen Europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungs- und Verwaltungsrecht, in: Schwarze (Hrsg.), Bestand und Perspektiven des Europäischen Verwaltungsrechts, 2008, S.  223 (224); nach Schlockermann (Fn.  566), S.  21, hält der EuGH die Verankerung dieses Grundsatzes im Unionsrecht für „selbstverständlich“. 588 Hatje, in: Schwarze (Fn. 587), S. 223 (224). Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 18.11.2008 – Rs. C-158/07 – Slg. 2008, I-8568 (Rn. 67) – Förster. 589 Etwa EuGH, Urteil vom 13.2.1996 – Rs. C-143/93 – Slg. 1996, I-431 (Rn. 27) – Van Es Douane Agenten/Kommission; EuGH, Urteil vom 23.9.2003 – Rs. C-78/01 – Slg. 2003, I-9543 (Rn.  71)  – Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik (BGL)/Bundesrepublik Deutschland; Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur (Fn. 429), Art. 6 EUV Rn. 37. 590 Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur (Fn. 429), Art. 6 EUV Rn. 38; Haibach (Fn. 562), 456 (459), rechnen dies dem eigenen Prinzip der Bestimmtheit zu. Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 18.11.2008 – Rs. C-158/07 – Slg. 2008, I-8568 (Rn. 67) – Förster; EuG, Urteil vom 13.9.2010 – Rs. T-40/06 – Slg. 2010, II-4957 (Rn. 162) – Trioplast Industrier/Kommission; ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 10.10.2011 – A-001–2010 – Rn. 88 ff.

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

139

c) Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns lässt sich auch im Eigenverwaltungsrecht in die Einzelgewährleistungen des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes unterteilen.591 Der Vorrang des Gesetzes umfasst im Eigenverwaltungsrecht sowohl den Grundsatz der Normenhierarchie592 wie das Verbot des Verstoßes gegen höherrangiges Unionsrecht593. Die Rechtsakte der ECHA müssen damit den Vorgaben des sekundären Unionsrechts wie dem primären Unionsrecht entsprechen. Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes wird im Unionsrecht in erster Linie als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, primärrechtlich in der Präambel des EUV sowie in Art. 2 EUV normiert, gesehen594 und maßgeblich auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gestützt,595 es handelt sich der Sache nach also um einen „Vertragsvorbehalt“596. Doch auch im Rahmen dieses Vertragsvorbehalts verlangt der EuGH im Sinne eines „eigentlichen“ Gesetzesvorbehalts nach deutschem Verständnis597 für Eingriffe in die Rechte der Bürger durch die EU-Verwaltung stets eine Rechtsgrundlage im Primär- oder Sekundärrecht.598 591

von Danwitz (Fn. 24), S. 346. EuG, Urteil vom 8.6.1995  – Rs.  T-9/93  – Slg. 1995, II-1611 (Rn.  162)  – Schöller Lebensmittel/Kommission; EuG, Urteil vom 14.12.1995 – Rs. T-285/94 – Slg. 1995, II-3029 (Rn.  51)  – Fred Pfloeschner/Kommission; Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (148); umfassend Hofmann, Normenhierarchien im europäischen Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 23 ff. 593 EuGH, Urteil vom 21.12.1954 – Rs. 1/54 – Slg. 1954/55, 7 (23, 29) – Frankreich/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 21.12.1954 – Rs. 2/54 – Slg. 1954/55, 79 (97, 103) – Italien/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 29.9.1979 – Rs. 113/77 – Slg. 1979, 1185 (Rn. 20) – NTN Toyo Bearing u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaften; EuGH, Urteil vom 21.9.1989 – verb. Rs. 46/87 und 227/88 – Slg. 1989, 2859 (Rn. 12) – Hoechst/Kommission; von Danwitz (Fn. 24), S. 347; Gornig/Trüe (Fn. 513), 884 (890); Schwarze (Fn. 233), S. LVI. 594 Dazu näher Röder, Der Gesetzesvorbehalt der Charta der Grundrechte der Union im Lichte einer europäischen Wesentlichkeitstheorie, 2007, S. 154 ff.; anders in Deutschland, wo er sich nicht nur aus dem Rechtsstaats-, sondern auch aus dem Demokratieprinzip, dem Grundsatz der Gewaltenteilung und den Grundrechten speist, dazu etwa Ossenbühl, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V: Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, 3. Aufl., 2007, § 101: Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes Rn. 21 ff. m. w. N. 595 von Danwitz (Fn.  24), S.  347; Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6.12.2005  – C-66/04 – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/Parlament und Rat der Europäischen Union, JZ 2006, 359 (360); Schwarze (Fn. 233), S. 238; Triantafyllou, Vom Vertragszum Gesetzesvorbehalt, 1996, S. 19 f., 23. 596 Siehe Bühler, Einschränkung von Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtecharta, 2005, S. 78 ff.; von Danwitz (Fn. 24), S. 347; Hegels (Fn. 234), S. 73 ff.; Triantafyllou (Fn. 595), S. 42 ff. 597 Siehe auch die Differenzierung bei Schwarze (Fn. 233), S. 238. 598 EuGH, Urteil vom 21.9.1989 – verb. Rs. 46/87 und 227/88 – Slg. 1989, 2859 (Rn. 19) – Hoechst/Kommission; von Danwitz (Fn.  24), S.  347; Gornig/Trüe (Fn.  513), 884 (890); Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (148). Eine Darstellung der frühen Judikatur findet sich bei Rüber (Fn. 536), S. 108 ff. 592

140

Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

Die konkreten Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage der Verwaltung sind noch ungeklärt.599 Der Gerichtshof scheint sich dabei an der deutschen Wesentlichkeitslehre zu orientieren600 und verlangt jedenfalls für den Fall einer in mehreren Schritten erfolgenden Harmonisierung im Rahmen komplexer Fragestellungen, dass der Unionsgesetzgeber zumindest in einem Basisrechtsakt die wesentlichen Elemente der Harmonisierung regelt und für ein im Rahmen des Harmonisierungsprozesses eingeführtes Zulassungsverfahren die Modalitäten für jeden Abschnitt festlegt und die Durchführungsbefugnisse der Europäischen Kommission genau zu bestimmen und einzugrenzen hat.601 Seinen Hauptanwendungsbereich findet der Grundsatz insbesondere bei der Aufhebung von Rechtsakten.602 d) Das Gebot der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Der Gerichtshof hat im Laufe seiner Rechtsprechung einen allgemeinen Gleichheitssatz entwickelt und in das Unionsrecht eingeführt.603 Einen primärrechtlichen Niederschlag hat er in Art. 2 EUV erfahren. Dieser untersagt primär die Behandlung vergleichbarer Sachverhalte in unterschiedlicher Weise: Der EuGH prüft

599

So von Danwitz (Fn. 24), S. 348. Allerdings konnte – jedenfalls vor Lissabon – eine rechtswirksame Ermächtigungsgrundlage auch ohne Beteiligung des Parlaments erlassen werden, von Danwitz (Fn.  24), S.  348; Ohler (Fn. 595), 359 (361). 601 EuGH, Urteil vom 6.12.2005 – Rs. C-66/04 – Slg. 2005, I-10553 (Rn. 47 ff.) – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/Parlament u. a.; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, 1996, S. 167 f.; von Danwitz (Fn. 24), S. 348. 602 Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn.  110), Grundrechtsschutz und rechtsstaatliche Grundsätze Rn. 389. Siehe unten S. 238 ff. 603 EuGH, Urteil vom 13.7.1962  – verb. Rs.  17/61 und 20/61  – Slg. 1962, 653 (692 f.)  – Klöckner-Werke u. a./Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 19.10.1976  – verb. Rs.  117/76 und 16/77  – Slg. 1977, 1753 (Rn.  7)  – Albert Ruckdeschel u. a./Hauptzollamt Hamburg-St. Annen u. a.; EuGH, Urteil vom 19.10.1976 – verb. Rs. 124/76 und 20/77 – Slg. 1977, 1795 (Rn.  14/17)  – Moulins & Huileries de Pont-à-Mousson u. a./Office national interprofessionnel des céréales; EuGH, Urteil vom 25.10.1978 – Rs. 125/77 – Slg. 1978, 1991 (Rn. 28/32) – Koninklijke Scholten-Honig/Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten; EuGH, Urteil vom 25.10.1978 – verb. Rs. 103/77 und 145/77 – Slg. 1978, 2037 (Rn. 25/27) – Royal Scholten-Honig u. a./Intervention Board for Agricultural Produce; EuGH, Urteil vom 15.7.1982  – Rs. 245/81 – Slg. 1982, 2745 (Rn. 11) – Edeka Zentrale/Bundesrepublik Deutschland; EuGH, Urteil vom 11.3.1987  – verb. Rs.  279/84, 280/84, 285/84 und 286/84  – Slg. 1987, 1069 (Rn. 28) – Walter Rau Lebensmittelwerke u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 11.3.1987 – Rs. 265/85 – Slg. 1987, 1155 (Rn. 25) – van den Bergh en Jürgens u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 19.11.1998 – Rs. C-85/97 – Slg. 1998, I-7447 (Rn. 30) – Société financière d’investissements/Belgischer Staat; EuGH, Urteil vom 11.9.2007 – Rs. C-227/04 P – Slg. 2007, I-6767 (Rn. 63 f.) – Maria-Luise Lindorfer/Rat der Europäischen Union; von Danwitz (Fn. 24), S. 353; Gornig/Trüe (Fn. 513), 884 (888); Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (150). 600

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

141

dabei zunächst die Vergleichbarkeit der Sachverhalte,604 liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor, der ungleich behandelt wird, muss zur Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes die gerügte Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt sein.605 Parallel dazu rechtfertigungsbedürftig ist die Behandlung unterschiedlicher Sachverhalte in gleicher Weise.606 Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit dem Vertrauensschutzprinzip hat der EuGH den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung abgeleitet.607 Dieser fand zunächst im Bereich des unionsinternen Dienstrechts Anwendung608 und wurde dann auf das unionsexterne Kartellrecht, das Recht der Beihilfeaufsicht und der Subventionsgewährung ausgedehnt.609 Heute ist der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung als allgemeines Prinzip des Unionsrechts anerkannt:610 Durch eine gleichmäßige Verwaltungspraxis oder die Nutzung von Verwaltungsrichtlinien kann sich die unionale Verwaltung in ihrer

604 EuGH, Urteil vom 11.3.1987  – Rs.  265/85  – Slg. 1987, 1155 (Rn.  26 ff.)  – van den Bergh en Jürgens u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 7.7.1993 – Rs. C-217/91 – Slg. 1993, I-3923 (Rn.  37)  – Königreich Spanien/Kommission; EuGH, Urteil vom 22.6.2006  – verb. Rs. C-182/03 und C-217/03 – Slg. 2006, I-5479 (Rn. 168 ff.) – Königreich Belgien u. a./Kommission. 605 EuGH, Urteil vom 19.10.1976 – verb. Rs. 117/76 und 16/77 – Slg. 1977, 1753 (Rn. 7) – Albert Ruckdeschel u. a./Hauptzollamt Hamburg-St. Annen u. a.; EuGH, Urteil vom 19.10.1976 – verb. Rs. 124/76 und 20/77 – Slg. 1977, 1795 (Rn. 14/17) – Moulins & Huileries de Pont-àMousson u. a./Office national interprofessionnel des céréales; EuGH, Urteil vom 11.3.1987 – verb. Rs. 279/84, 280/84, 285/84 und 286/84 – Slg. 1987, 1069 (Rn. 34) – Walter Rau Lebensmittelwerke u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 11.3.1987 – Rs. 265/85 – Slg. 1987, 1155 (Rn.  29)  – van den Bergh en Jürgens u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 12.5.2011  – Rs. C-176/09 – Slg. 2011, I-3727 (Rn. 31) – Großherzogtum Luxemburg/Parlament und Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 5.4.2006  – Rs.  T-351/02  – Slg. 2006, II-1047 (Rn. 138) – Deutsche Bahn/Kommission; EuG, Urteil vom 23.11.2006 – Rs. T-217/02 – Slg. 2006, II-4483 (Rn. 211) – Ter Lembeek International/Kommission; Gornig/Trüe (Fn. 513), 884 (889); Weber, in: Schweitzer (Fn. 233), S. 55 (76). 606 EuGH, Urteil vom 7.7.1993  – Rs.  C-217/91  – Slg. 1993, I-3923 (Rn.  37)  – Königreich Spanien/Kommission; EuGH, Urteil vom 13.12.1994  – Rs.  C-306/93  – Slg. 1994, I-5555 (Rn.  30)  – SMW Winzersekt/Land Rheinland-Pfalz; EuGH, Urteil vom 13.4.2000  – Rs. C-292/97 – Slg. 2000, I-2737 (Rn. 39) – Kjell Karlsson u. a.; EuGH, Urteil vom 14.4.2005 – Rs. C-110/03 – Slg. 2005, I-2801 (Rn. 71 f.) – Königreich Belgien/Kommission. 607 So von Danwitz (Fn. 24), S. 354; Gornig/Trüe (Fn. 513), 884 (889); Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (151 ff.); Weber, in: Schweitzer (Fn. 233), S. 55 (77). 608 EuGH, Urteil vom 30.1.1974 – Rs. 148/73 – Slg. 1974, 81 (Rn. 11/18) – Raymond Louwage und Marie-Thérèse Moriame, verheiratete Louwage/Kommission; EuGH, Urteil vom 29.3.1984 – Rs. 25/83 – Slg. 1984, 1773 (Rn. 15) – Adam Buick/Kommission; EuGH, Urteil vom 15.1.2002 – Rs. C-171/00 P – Slg. 2002, I-451 (Rn. 35) – Alain Libéros/Kommission; Crones (Fn. 576), S. 85. 609 Hierzu von Danwitz (Fn. 24), S. 354 m. w. N. aus den jeweiligen Rechtsgebieten; ebenfalls Crones (Fn. 576), S. 97 ff.; Schwarze, in: Colneric/Edward/Puissochet u. a. (Fn. 512), S. 147 (151 ff.). 610 von Danwitz (Fn. 24), S. 354 f.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

Ermessensausübung binden.611 Abweichen kann sie wiederum zum einen bei atypischen Fällen,612 zum anderen steht ihr die Möglichkeit zu, ihre generelle Entscheidungspraxis zu ändern;613 müssen die Betroffenen mit einer Änderung der Verwaltungspraxis rechnen, entsteht kein schutzwürdiges Vertrauen auf deren Beibehaltung.614 3. Verwaltungsrecht im sonstigen geschriebenen Primärrecht Weitere wesentliche Normen für die ECHA, wenn sie durch Beschlüsse nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV im Registrierungsverfahren handelt, finden sich zuvorderst im AEUV.615 Dabei steht die Ausgestaltung des Beschlusses im Mittelpunkt: Definiert Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV den Typ des Beschlusses als eine verbindliche Regelung des Einzelfalls, normiert Art. 297 AEUV Anforderungen für dessen Wirksamkeit. Dieser differenziert zwischen Beschlüssen, die an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind, und adressatenlosen Beschlüssen. Die Registrierungsbeschlüsse der ECHA ergehen gegenüber einem bestimmten Registranten und werden nach Art. 297 Abs. 2 S. 3 AEUV durch Bekanntgabe wirksam. Dadurch beginnt die Frist nach Art.  263 Abs.  6 AEUV. Daraus ergibt sich eine weitere Charakteristik des Beschlusses – die Differenzierung zwischen Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit. Denn kann ein Beschluss, der nicht rechtlich inexistent ist, nach Ablauf der Frist nicht mehr angefochten werden, erlangt er unabhängig davon, ob er rechtmäßig ist, Geltung und muss beachtet werden. Vor dem Hintergrund dieser besonderen Wirkung des Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV müssen auch Anforderungen eingehalten werden, die dem Betroffenen eine wirksame Möglichkeit geben, vor Gericht gegen diesen vorzugehen. Dazu gehört, dass dieser die Erfolgsaussichten einer Klage im Vorfeld prüfen kann. Betroffener wie

611

Crones (Fn. 576), S. 85; von Danwitz (Fn. 24), S. 356. EuGH, Urteil vom 5.6.1973 – Rs. 81/72 – Slg. 1973, 575 (Rn. 11) – Kommission/Rat der Europäischen Gemeinschaften; EuGH, Urteil vom 7.6.1983 – verb. Rs. 100/80 bis 103/80 – Slg. 1983, 1825 (Rn. 109) – Musique Diffussion/Kommission; EuGH, Urteil vom 28.6.2005 – C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P  – Slg. 2005, I-5425 (Rn. 209) – Dansk Rørindustri A/S u. a./Kommission; von Danwitz (Fn. 24), S. 356; Schwarze (Fn. 233), S. 66. 613 EuGH, Urteil vom 15.7.1982 – Rs. 245/81 – Slg. 1982, 2745 (Rn. 27) – Edeka Zentrale/ Bundesrepublik Deutschland; EuGH, Urteil vom 7.6.1983  – verb. Rs.  100/80 bis 103/80  – Slg. 1983, 1825 (Rn. 109) – Musique Diffussion/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.2.1990 – Rs. C-350/88 – Slg. 1990, I-395 (Rn. 16) – Société française des Biscuits Delacre u. a./Kommission. 614 EuGH, Urteil vom 14.10.1999 – Rs. C-104/97 P – Slg. 1999, I-6983 (Rn. 52) – Atlanta u. a./Kommission u. a.; EuGH, Urteil vom 15.7.2004  – verb. Rs. C-37/02 und C-38/02  – Slg. 2004, I-6911 (Rn. 70 f.) – Di Lenardo u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 7.9.2006 – Rs. C-310/04 – Slg. 2006, I-7285 (Rn. 81) – Spanien/Rat der Europäischen Union. 615 Weitere Regelungen nennt Hegels (Fn. 234), S. 35 f. 612

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

143

Gericht müssen in der Lage sein, die Beweggründe der Verwaltung für den Erlass und Inhalt des Beschlusses nachzuvollziehen. So normiert Art.  296 S.  2 AEUV eine Begründungspflicht für Beschlüsse. Regelungen, die für das Verwaltungsverfahren, das zum Erlass des Registrierungsbeschlusses führt, relevant sind,616 finden sich hingegen im AEUV kaum.617 Prima facie kann man dazu zwar das in Art. 15 Abs. 3 S. 1 AEUV genannte Recht auf Akteneinsicht zählen. Allerdings gilt dieses unabhängig von einem konkreten Verwaltungsverfahren, es handelt sich somit um ein generelles Informationsrecht als Ausformung des Transparenzprinzips618 und nicht um ein Akteneinsichtsrecht eines Verfahrensbeteiligten.

II. Positivierte sekundärrechtliche Bestimmungen mit allgemeiner Geltung für das Verwaltungsverfahren Im Sekundärrecht finden sich bereichsspezifische Kodifikationen des Verfahrensrechts zuvorderst im Wettbewerbs- und Antidumpingrecht sowie im Markenrecht und im Beamtenrecht. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass es sich um Vorschriften handelt, die nach deutscher Systematik dem besonderen Verwaltungsrecht zuzuordnen sind. Mithin sind sie durch die Anforderungen des jeweiligen Rechtsbereichs determiniert, folgen unterschiedlichen Zielsetzungen und enthalten daher unterschiedliche verfahrensrechtliche Ausprägungen. Sekundärrecht, das gleichsam als Querschnittsrecht generell beim Erlass von Beschlüssen Anwendung findet, existiert kaum.619 In gewisser Hinsicht ist die Sprachenverordnung damit eine Ausnahme. Gestützt auf die Ermächtigung des Art. 342 AEUV wird dort bestimmt, in welcher Sprache Amtshandlungen der EU-Organe zu erfolgen haben. Nimmt diese Verordnung eine wichtige Rolle sowohl im Verwaltungsverfahren selbst als auch beim Erlass eines Beschlusses ein, ist ihr Anwendungsbereich insofern eingeschränkt, als mit „EU-Organen“ lediglich die in Art.  13 EUV genannten Institutionen erfasst sind. Die ECHA ist dort nicht erwähnt, allerdings findet die Sprachenverordnung über den Verweis des Art. 104 REACH-VO Anwendung.

616 Eine Reihe von sachgebietsübergreifenden allgemein für das Verwaltungsverfahren potenziell relevanten Regelungen identifizieren etwa Bieber/Epiney/Haag (Fn. 236), § 8 Rn. 7. 617 Arndt/Fischer/Fetzer (Fn. 236), Rn. 237. 618 Dazu und mit Nennung weiterer Vorschriften des AEUV, die diesem Prinzip zugehörig sind, Epping, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Fn. 236), Art. 15 AEUV Rn. 3 ff.; Gellermann, in: Streinz (Fn. 234), Art. 15 AEUV Rn. 2 f.; Wegener, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 15 AEUV Rn. 1. 619 Dazu auch Hegels (Fn. 234), S. 36 f.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

III. Ungeschriebene Rechtsgrundsätze des europäischen Verwaltungsrechts Eine zentrale Rolle im System des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts nehmen die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze ein.620 Der Begriff der „allgemeinen Rechtsgrundsätze“ findet sich nicht einheitlich im Eigenverwaltungsrecht. Teilweise ist die Rede von „Prinzipien“, „Grundprinzipien“, von „fundamentalen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts“, von „elementaren Rechtsgrundsätzen“ etc.,621 ohne dass sich daraus ein rechtlicher Unterschied ergibt. Die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze hat der Gerichtshof im Wege wertender Rechtsvergleichung622 aus dem Recht der Mitgliedstaaten623 sowie der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union gewonnen.624 Dabei glich die Situation des Gerichtshofs der Ausgangslage der nationalen Ver­ waltungsrechtsordnungen vor Beginn einer Kodifizierung.625 Die Verwaltungsrechtsordnung bildet – auch noch nach über 50-jähriger Entwicklung – ein lücken 620 Mader, Verteidigungsrechte im europäischen Gemeinschaftsverwaltungsverfahren, 2006, S. 39, geht so weit, dass diese per se das allgemeine Verwaltungsrecht der Union bilden. Als „spektakulär“ bezeichnet Lecheler den Beitrag, den sie zur Entwicklung der Union im Sinne einer Rechtsunion erbracht haben, Lecheler, Der Beitrag der allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Europäischen Integration – Rückblick und Ausblick, ZEuS 2003, 337 (338). 621 Zur Terminologie näher Mader (Fn.  620), S.  41 m. w. N.; eine Definition  – unter Nennung weiterer in der Literatur vertretener Ansichten – versucht Rüber (Fn. 536), S. 25 ff.; eine Katalogisierung der Terminologie des EuGH unternimmt Weiß, Die Verteidigungsrechte im EG-Kartellverfahren, 1996, S. 18 ff. 622 Zu dieser Methode Glaser (Fn. 234), S. 67 ff.; Mader (Fn. 620), S. 76 ff. m. w. N.; Stoye, Die Entwicklung des europäischen Verwaltungsrechts durch das Gericht erster Instanz, 2005, S.  29 f. m. w. N.; grundlegend zum Begriff insbesondere Fuss, Rechtssatz und Einzelakt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, NJW 1964, 945 (946). 623 Zur Situation in einer mittlerweile großen Zahl von Mitgliedstaaten und der Frage, welcher Grad an Übereinstimmung in den Rechtsordnungen heute erforderlich sein muss, Schwarze, Zwischen Tradition und Zukunft: Die Rolle allgemeiner Rechtsgrundsätze im Recht der Europäischen Union, DVBl. 2011, 721 (723). 624 Zu weiteren Quellen, aus denen sich die ungeschriebenen Rechtsgrundsätze ergeben, etwa aus dem Völkerrecht, der EMRK, aus soft law, aus Richterrecht und zur Möglichkeit der Her­leitung aus dem „Rechtsbewusstsein der Marktbürger“ und allgemeinen Erwägungen der Gerechtigkeit, Mader (Fn. 620), S. 62 ff. 625 von Danwitz (Fn. 24), S. 168; Schwarze, Judicial review of european administrative procedure, Law and contemporary problems 68 (2004), 85 (88). Zur Frage, inwiefern diese eine eigenständige Quelle des Unionsrechts darstellen oder sie als „Richterrecht“ einzustufen sind, mithin die Rechtsprechung eine eigenständige Rechtsquelle bildet, Stoye (Fn. 622), S. 26 ff. m. w. N. Vor diesem Hintergrund zur Bedeutung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen im nationalen Verwaltungsrecht Ossenbühl, Allgemeine Rechts- und Verwaltungsgrundsätze – eine verschüttete Rechtsfigur?, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch u. a. (Hrsg.), Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 2003, S.  289 ff., insbesondere S.  304: „Die allgemeinen Rechtsgrundsätze sind Fundament und tragende Pfeiler einer Rechtsordnung. In einem vollständigen und ausgereiften Rechtssystem werden sie durch die Lückenlosigkeit des Baus der Rechts­ ordnung unsichtbar. Sie werden aber nicht ‚verschüttet‘, sondern bleiben stets präsent.“

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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haftes und auf Ergänzungen angewiesenes System.626 Um diese Lücken zu schlie­ßen und ein System zu schaffen, das ebenso praktisch handhabbar wie gerichtlich kontrollierbar ist, entwickelt der EuGH, gestützt auf Art.  19 Abs.  1 S.  2 EUV, allgemeine Rechtsgrundsätze.627 Dies sind zum einen wesentliche – nach deutschem Verständnis verfassungsrechtliche – Prinzipien, wie etwa der Bestimmtheitsgrundsatz628, das Verhältnismäßigkeitsprinzip629, die Grundsätze von Rechtssicherheit630 und Vertrauensschutz631 sowie die Grundrechte,632 aber auch konkrete Grundsätze, 626 Cassese, European administrative proceedings, Law and contemporary problems 68 (2004), 21 (25); von Danwitz (Fn. 24), S. 168 f.; Schwarze (Fn. 625), 85 (88). 627 Grundlegend EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 (118)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; einen Abriss ihrer Entstehungsgeschichte nimmt Lecheler (Fn. 620), 337 (338 ff.) vor. Mader (Fn. 620), S. 69 ff. weist auf entsprechende Kritik im Sinne einer „Justizregierung“ oder von „Richterrecht“, S. 70 mit ent­ sprechenden Nachweisen in Fn. 229 und Fn. 230 hin. Der EuGH habe „de facto eher rechtsschöpferisch als rechtsanwendend“, S. 71, gehandelt. Die Kritik, die sich auf dem Boden einer Kodifikationsidee vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes ergeben kann, wehrt Schlockermann (Fn. 566), S. 16 ff. ab. Als „kühn“ benennt Herdegen, Europarecht, 16. Aufl., 2014, § 7 Rn. 98 diese Rechtsfortbildung. 628 EuGH, Urteil vom 9.7.1981  – Rs.  169/80  – Slg. 1981, 1931 (Rn.  15)  – Administration des douanes/Société anonyme Gondrand Frères u. a.; EuGH, Urteil vom 13.2.1996  – Rs. C-143/93 – Slg. 1996 – I-431 (Rn. 27) – Gebroeders van Es Douane Agenten/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen; EuGH, Urteil vom 14.4.2005 – Rs. C-110/03 – Slg. 2005, I-2801 (Rn. 30) – Königreich Belgien/Kommission. 629 Siehe dazu etwa EuGH, Urteil vom 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Slg. 1970, 1125 (Rn. 12) – Internationale Handelsgesellschaft/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel; EuGH, Urteil vom 29.4.1982 – Rs. 147/81 – Slg. 1982, 1389 (Rn. 9 ff.) – Merkur Fleisch Import/ Hauptzollamt Hamburg-Ericus; EuGH, Urteil vom 10.11.1982 – Rs. 261/81 – Slg. 1982, 3961 (Rn. 17 ff.) – Walter Rau Lebensmittelwerke/De Smedt PVBA; EuGH, Urteil vom 17.5.1984 – Rs. 15/83 – Slg. 1984, 2171 (Rn. 25) – Denkavit Nederland/Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten; EuGH, Urteil vom 11.7.1989 – Rs. 265/87 – Slg. 1989, 2237 (Rn. 21) – Hermann Schräder HS Kraftfutter/Hauptzollamt Gronau; EuGH, Urteil vom 16.10.1991  – Rs. C-24/90 – Slg. 1991, I-4905 (Rn. 12) – Hauptzollamt Hamburg-Jonas/Werner Faust. 630 EuGH, Urteil vom 5.3.1980 – Rs. 265/78 – Slg. 1980, 617 (Rn. 17) – H. Ferwerda/Produktschap voor Vee en Vlees; EuGH, Urteil vom 21.9.1983 – verb. Rs. 205/82 bis 215/82 – Slg. 1983, 2633 (Rn. 30) – Deutsche Milchkontor u. a./Bundesrepublik Deutschland. 631 Siehe bereits EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 (118) – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; ausdrücklich erstmals in EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893 (911)  – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde; aus der jüngeren Rechtsprechung siehe etwa EuGH, Urteil vom 11.7.2002 – Rs. C-62/00 – Slg. 2002, I-6325 (Rn. 43 ff.) – Marks & Spencer/Commissioners of Customs & Excise; EuGH, Urteil vom 24.7.2003  – Rs.  C-280/00  – Slg. 2003, I-7747 (Rn.  59)  – Altmark Trans u. a./Nahverkehrsgesellschaft Altmark; EuGH, Urteil vom 13.1.2004  – Rs.  C-453/00  – Slg. 2004, I-837 (Rn. 24) – Kühne & Heitz/Produktschap voor Pluimvee en Eieren. 632 Diese Entwicklung begann mit der Entscheidung Stauder, EuGH, Urteil vom 12.11.1969 – Rs. 29/69 – Slg. 1969, 419 (Rn. 4) – Erich Stauder/Stadt Ulm, Sozialamt, und fand ihren vorläufigen Höhepunkt in der Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2008, EuGH, Urteil vom 3.9.2008 – verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P – Slg. 2008, I-6351 (Rn. 73 ff.) – Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat der Europäischen Union u. a.; so Schwarze (Fn. 623), 721 (722).

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

die im Verwaltungsverfahren zu beachten sind.633 So findet sich das Recht auf Anhörung634 oder die Verpflichtung, einen Rechtsakt zu begründen,635 bereits vor der Verankerung im geschriebenen Recht als durch den EuGH gewonnenen allgemeinen Rechtsgrundsatz im europäischen Recht.636 Vor dem Hintergrund dieses Mechanismus lässt sich leicht erklären, dass die Bedeutung der allgemeinen Rechtsgrundsätze je höher ist, je lückenhafter das geschriebene Recht ist.637 Insofern überrascht es nicht, dass etwa im Bereich der Aufhebung von Rechtsakten, in einem Gebiet, in dem lediglich in einigen Sekundärrechtsakten bereichsspezifische Regelungen getroffen sind, die Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze begonnen hat und auch noch heute besondere Bedeutung genießt.638 Der Rang der allgemeinen Rechtsgrundsätze in der Normenhierarchie des europäischen Rechts ist bislang nicht vollständig geklärt.639 Jedenfalls dürften sie nicht über dem Primärrecht stehen, wenngleich in der Literatur vertreten wurde, dass sie sich einer Abänderung durch Primärrecht entziehen würden.640 Eine solche Annahme widerspricht aber der institutionellen Gewaltenteilung, da damit der Gerichtshof über den Mitgliedstaaten in ihrer Funktion als Primärrechtsgesetzgeber stünde.641 Eine Einstufung im Rang des Sekundärrechts wiederum würde bedeuten, dass sie ihren „fundamentalen“642 Rang verlieren würden und vollständig zur Disposition des Unionrechtsgebers stünden.643 Eine weitere Lösung besteht darin, den allgemeinen Rechtsgrundsätzen grundsätzlich Primärrechtsrang zu 633 Der Gang der Entwicklung war dabei dergestalt, dass zunächst Grundsätze des Verwaltungsrechts, später des Verfassungsrechts entwickelt wurden, Schwarze (Fn. 623), 721 (721). 634 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (Leitsatz) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 28.5.1980  – verb. Rs.  33/79 und 75/79  – Slg. 1980, 1677 (Rn.  24 ff.)  – Richard Kuhner/Kommission; EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 (Leitsatz) – Hoffmann-La Roche/Kommission. 635 EuGH, Urteil vom 25.10.1978  – Rs.  125/77  – Slg. 1978, 1991 (Rn.  17)  – Koninklijke Scholten-Honig u. a./Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten; EuG, Urteil vom 28.9.1995 – Rs. T-95/94 – Slg. 1995, II-2651 (Leitsätze) – Kommission/Sytraval. 636 Zu dieser Aufzählung von Danwitz (Fn. 24), S. 170 f. Als „prägend“ charakterisiert Mader (Fn. 620), S. 39, die Rolle des EuGH, nennt weitere Rechtsgrundsätze, die teilweise allgemein anerkannt, teilweise umstritten sind, S. 53 ff., und grenzt zu „bloßen Leitgedanken des Verwaltungsverfahrens“ ab, S. 56 f. 637 von Danwitz (Fn. 24), S. 210. Kritisch zu dieser Einschätzung Mader (Fn. 620), S. 60, der darauf verweist, dass im europäischen Verwaltungsrecht deren Aufgabe weniger in der Lückenfüllung als in der Fortentwicklung des Rechts liege. 638 Siehe S. 248 ff. 639 Ausführlich in neuerer Zeit zu dieser Frage mit der Diskussion verschiedenster (weiterer) Ansätze Mader (Fn. 620), S. 91 ff. Vgl. auch Rengeling (Fn. 234), S. 212 ff. 640 Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., 1999, § 6 Rn. 488. In diese Richtung wohl auch Rengeling (Fn. 234), S. 216. 641 Mader (Fn. 620), S. 93. 642 So etwa die Attributierung etwa bei EuGH, Urteil vom 10.7.1986  – Rs.  234/84  – Slg. 1986, 2263 (Rn.  27)  – Königreich Belgien/Kommission; EuG, Urteil vom 10.7.1997  – Rs. T-36/96 – Slg. ÖD 1997, II-595 (Rn. 32) – Giuliana Gaspari/Parlament. 643 Mader (Fn. 620), S. 92.

E. Rückgriff auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht der EU 

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gewähren; da sie aber von ihrer Funktion her Lücken schließen müssen und sollen, sollen sie den Rang der Norm haben, die sie ergänzen sollen.644 Füllen sie eine Lücke im Primärrecht, seien sie als Primärrecht zu attributieren, bei einer Lücke im Sekundärrecht als Sekundärrecht. Dies mag auf den ersten Blick einleuchten, beantwortet aber nicht die Frage, warum ein allgemeiner Primärrechtsgrundsatz seinen Rang bei der Anwendung im Sekundärrecht verlieren soll.645 Dies würde dann auch ermöglichen, ihn durch Sekundärrecht zu verdrängen, eine These, welcher jedenfalls das EuG eine Absage erteilt hat.646 Daher liegt es nahe, diese allgemeinen Rechtsgrundsätze, enthalten sie zwar häufig nach deutschem Verständnis Instrumente des Verwaltungsrechts,647 als Rechtsgrundsätze im Rang des Primärrechts zu begreifen.648 Sind sie aus den Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten abgeleitet, erfahren sie ihre dogmatische Verankerung etwa durch Art.  19 EUV sowie durch Art.  340 Abs.  2 AEUV als „Modellnorm“649; diese primärrechtliche Beauftragung bedeutet auch eine Einstufung der Rechtsgrundsätze selbst als Primärrecht. Sind sie als deduktiver Satz wiederum aus mehreren bereichsspezifischen Rechtssätzen gewonnen, werden auf diese Weise allgemeine Prinzipien ermittelt, die auf den EU-Verträgen beruhen, sodass sie ebenfalls als Primärrecht einzustufen sind.650 Sie dienen daher dem dem gesamten Sekundärrecht als Maßstab für dessen Gültigkeit und Auslegung.651 Dafür spricht auch, dass der EuGH – soweit ersichtlich – noch nie die Rechtswidrigkeit eines Primärrechtssatzes aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ab­geleitet hat.652 644 Diese Möglichkeit erwägt Mader (Fn.  620), S.  91 f.; einen ähnlichen Weg gehen wohl Oppermann/Classen/Nettesheim (Fn. 244), § 9 Rn. 43, die zwischen Rechtsgrundsätzen verfassungsrechtlicher (diese stehen auf Ebene des Primärrechts) und verwaltungsrechtlicher Natur (diese stehen auf Ebene des Sekundärrechts) differenzieren. Dem begegnet allerdings bereits insoweit Bedenken, dass etwa die Begründungspflicht nach deutschem Verständnis verwaltungsrechtlicher Natur ist, allerdings auf Primärrechtsebene in Art. 296 AEUV positiviert ist. 645 So dann auch die Ablehnung von Mader (Fn. 620), S. 92. 646 EuG, Urteil vom 19.6.1997 – Rs. T-260/94 – Slg. 1997, II-1000 (Rn. 144) – Air Inter/ Kommission. 647 Eine Einstufung nach deutschem Verständnis im Sinne des Primärrechts als Verfassungsrecht, des Sekundärrechts als Verwaltungsrechts und einer daraus folgenden rein schematischen Einordnung ist jedenfalls dadurch der Boden entzogen, dass eine Reihe von Rechtsgrundsätzen – spätestens durch ihre Aufnahme in Art. 41 EU-GRCharta, die Begründungspflicht bereits früher durch die Positivierung in Art. 296 AEUV – im Primärrecht normiert sind. 648 So auch z. B. von Danwitz (Fn.  24), S.  169; U.  Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), EUR Rn. 45. 649 So die Bezeichnung bei Schwarze, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., 2012, Art. 19 EUV Rn. 23. Für den Bereich der Grundrechte der Verweis auf die „allgemeinen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten“ in Art. 6 Abs. 3 EUV. 650 So wohl auch die Argumentation bei Mader (Fn. 620), S. 93. 651 Mader (Fn. 620), S. 94; Bleckmann, Die Rechtsquellen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1993, 824 (826). 652 Mader (Fn. 620), S. 97. Daraus folgert Bleckmann (Fn. 651), 824 (826), dass sie in einem „Zwischengeschoss“ zwischen Primär und Sekundärrecht anzusiedeln sind.

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Kap. 3: Die Rechtsquellen betreffend den Vollzug der Registrierung 

F. Zusammenfassung Grundsätzlich normieren die verschiedenen Rechtsquellen des Unionsrechts nicht jeweils unterschiedliche Verfahrens- und Formvorschriften. Vielmehr enthalten eine Reihe von Rechtsquellen Anforderungen an das Verfahren und die Form, die sich ebenso in anderen Rechtsquellen finden lassen. So ist etwa das Erfordernis einer Anhörung vor dem Erlass einer belastenden Entscheidung, das ursprünglich durch die Rechtsprechung des EuGH entstanden war,653 auch Teil des Rechts auf gute Verwaltung nach Art. 41 Abs. 2 lit. a) EU-GRCharta. Die REACH-VO enthält als das Regelungswerk des geschriebenen Sekundärrechts, das der ECHA „am nächsten“ ist, kaum verfahrensbezogene Regelungen. Bemerkenswert ist das Schweigen der REACH-VO insofern, als eine Reihe von Verordnungen sehr detaillierte Vorschriften über das Verwaltungsverfahren aufweisen.654 Diese Lücke schließt zum einen der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA, der Regelungen für das Verhalten der ECHA im Verwaltungsverfahren bereitstellt, auch wenn diese nicht selbstständig gerichtlich justiziabel sind. Ergänzt – mit gerichtlich überprüfbarer Wirkung – wird er durch das Grundrecht auf gute Verwaltung gemäß Art. 41 der EU-GRCharta. Beide Rechtsquellen stellen grundsätzlich Neuentwicklungen dar und führen neue Verfahrensgrundsätze in das europäische Verwaltungshandeln ein. Gleichzeitig enthalten sie aber auch bereits im Primär- oder Sekundärrecht kodifizierte bzw. von der Rechtsprechung erkannte Elemente. Über das Element der Selbstbindung können die Guidances wie der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA für das Handeln der ECHA relevant werden. Damit hat die Rechtsetzung der EU einen neuen Grad erreicht. Offensichtlich besteht beim Erlass der REACH-VO kein Bedarf mehr, allgemeine Verwaltungsgrundsätze jeweils bereichsspezifisch zu regeln. Vielmehr bildet nun das aus anderen Rechtsquellen gewonnene Sekundärrecht die Basis eines allgemeinen Verwaltungsrechts, auf die dann das besondere Verwaltungsrecht aufbauen kann. So erreicht die Rechtssetzung – mithin auch die Rechtsordnung – der EU auf Ebene des Eigenverwaltungsrechts eine mit dem deutschen Verwaltungsrecht vergleichbare Systematik: ein auf Basis eines allgemeinen Verwaltungsrechts aufbauendes, allenfalls dieses ergänzendes, besonderes Verwaltungsrecht. Gleichzeitig erlaubt die Herausdifferenzierung eines allgemeinen Verwaltungsrechts eine Systembildung dergestalt, dass es in Form einer Speicherfunktion für eine Vielzahl von im Vollzug auftretenden Rechtsfragen und Rechtsformen Lösungen bereithält. Es 653 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (Leitsatz) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 28.5.1980  – verb. Rs.  33/79 und 75/79  – Slg. 1980, 1677 (Rn.  24 f.)  – Richard Kuhner/Kommission; EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 (Leitsatz) – Hoffmann-La Roche/Kommission. 654 Siehe zu diesem Befund oben S. 115 ff.

F. Zusammenfassung

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kann dazu dienen, bislang ungeklärte Rechtsfragen im Fachrecht durch Heranziehung allgemeiner Prinzipien zu lösen und gleichzeitig Wertungswidersprüche und Entwicklungsrückstände innerhalb und zwischen einzelnen Rechtsgebieten auf europäischer Ebene zu zeigen.655

655 Vgl. Schmidt-Aßmann (Fn. 377), Kap. 1 Rn. 12 ff., dort bezogen auf das nationale Verwaltungsrecht.

Kapitel 4

Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts für das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO Nachdem nun die REACH-VO insgesamt, das Registrierungsverfahren insbesondere, ebenso wie die grundlegenden in diesem Bereich auf die ECHA einwirkenden Rechtsnormen dargestellt wurden, sollen nun beide Bereiche zusammengeführt werden. Es wird dabei jeweils zunächst herausgearbeitet, welche Anforderungen das europäische Recht an einen Registrierungsbeschluss656 der ECHA stellt, sodann, ob deren Einhaltung durch den Wortlaut der REACH-VO sichergestellt ist. Ist dies nicht der Fall, stellt sich jeweils die Frage, ob das allgemeine Eigenverwaltungsrecht diese Lücke schließen kann und ob es dabei in der Ausgestaltung und konkreten Anwendung auf das Registrierungsverfahren zu sachgerechten wie praxistauglichen Ergebnissen kommt oder ob gegebenenfalls Modifizierungen stattfinden müssen. In diesem Zusammenhang werden zum einen die jeweiligen Anforderungen herausgearbeitet werden, welchen die ECHA unterliegt, zum anderen die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, etwa in Bezug auf eine Heilung des Fehlers. Insgesamt wird die These bestätigt, dass das allgemeine Eigenverwaltungsrecht mittlerweile einen so hohen Normierungsgrad erreicht hat, dass es den sachgerechten Vollzug des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO, eines Verfahrens im direkten Vollzug, gestattet, ohne dass diese ergänzende Regelungen zur Verfügung stellt. Gleichzeitig ergeben sich auf diesem Weg zusätzliche Anforderungen an das Verwaltungshandeln der ECHA, die so nicht aus dem Normtext der REACH-VO hervorgehen und im Rahmen dieser Arbeit dargestellt werden. Untersucht wird dies im Rahmen von sechs Beispielen: In einem ersten Schritt wird die Verwaltungsrechtsordnung des Eigenverwaltungsrechts an sich zunächst mit ihren Grundprinzipien, dem Gültigkeitsregime von Beschlüssen und der Fehlerfolgenlehre analysiert werden (A.)657. Es steht also das Fundament des Eigenverwaltungsrechts auf dem Prüfstand. 656 Dabei handelt es sich um einen Beschluss der ECHA, der innerhalb des Registrierungs­ verfahrens ergeht, mithin die Entscheidung über die Annahme einer Registrierung gemäß Art. 20 Abs. 3 S. 1 REACH-VO, die Nachforderung von Informationen nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO, die endgültige Ablehnung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACHVO und die Aufhebung einer Registrierung; zur Qualifikation als Beschluss siehe S. 95 ff. 657 Siehe S. 150 ff.

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

151

Sodann werden vier Rechtsinstitute betrachtet, welche gleichsam den Mindest­ standard658 eines modernen Verwaltungsrechts darstellen659 und insofern auch zu Recht ihren ausdrücklichen Niederschlag in Art.  41 Abs.  2 und Abs.  4 EUGRCharta erhalten haben. Dabei handelt es sich um den Anspruch auf rechtliches Gehör (B.)660, das Recht auf Akteneinsicht (C.)661, die Begründungspflicht (D.)662 und die Wahl der richtigen Sprache (E.)663. Diese bilden zugleich die wesentlichen Verfahrensrechte664 einer Verwaltungsrechtsordnung, sodass damit der Kern des europäischen Eigenverwaltungsrechts untersucht wird.665 Gerade dem Verfahrensrecht kommt im Unionsrecht ein hoher Stellenwert zu, da die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Verfahrensrecht einen höheren Rang als im deutschen Recht genießt.666 Wird dessen Rolle dort oft mit dem Schlagwort der „dienenden Funktion“667 umschrieben, kommt ihm im Unionsrecht ein Wert an sich zu.668 Einmal erlassene Registrierungsbeschlüsse sind allerdings nicht sakrosankt. Die Frage nach dem rechtlichen Schicksal von Rechtsakten, mithin deren Aufhebung, gehört ebenfalls zum Kernbestand der Verwaltungsrechtslehre.669 Daher wird im 658

von Danwitz (Fn. 24), S. 357: „Kernelemente“. Classen (Fn. 463), S. 265. 660 Siehe S. 175 ff. 661 Siehe S. 195 ff. 662 Siehe S. 213 ff. 663 Siehe S. 229 ff. 664 In Literatur und Rechtsprechung findet sich auch teilweise der Begriff der Verteidigungsrechte als Oberbegriff, der allerdings schwierig zu verwenden ist, weil es an einer anerkannten Definition fehlt, welche Rechte darunter fallen, von Danwitz (Fn.  24), S.  357; Mader (Fn. 620), S. 44. Die Wahrung dieser Verteidigungsrechte stellt nach der Rechtsprechung des EuGH „einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts“ dar, in neuerer Zeit EuGH, Urteil vom 2.4.2009 – verb. Rs. C-322/07 P, C-327/07 P und C-338/07 P – Slg. 2009, I-7250 (Rn. 34) – Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 24.9.2009 – verb. Rs. C-125/07 P, C-133/07 P, C-135/07 P und C-137/07 P – Slg. 2009, I-8821 (Rn. 270 und ähnlich Rn. 327) – Erste Group Bank u. a./Kommisson. So auch das EuG, Urteil vom 13.9.2010 – Rs. T-314/06 – Slg. 2010, II-5005 (Rn. 74) – Whirlpool Europe/Rat der Europäischen Union. Das EuG verwendet auch die Formulierung „elementarer Grundsatz“, EuG, Urteil vom 19.11.2009 – Rs. T-334/07 – Slg. 2009, II-4211 (Rn. 127) – Denka International/Kommission. 665 So enthalten Darstellungen zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens regelmäßig (mindestens) diese vier Themenkomplexe, z. B. von Danwitz (Fn.  24), S.  259 ff.,  412 ff.; Gassner (Fn. 233), 16 ff.; Gornig/Trüe (Fn. 513), 884 ff.; Haibach (Fn. 562), 456 ff.; Hegels (Fn. 234), S. 79 ff.; Kokott (Fn. 568), 599 (616 ff.). 666 Schmidt-Aßmann hat dies mit dem Konzept der „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ pointiert beschrieben, Schmidt-Aßmann, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts: Einleitende Problemskizze, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Euro­ päischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 9 (37). 667 Zu diesem Begriff Ossenbühl, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, NVwZ 1982, 465 (465 f.). 668 Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Fn.  666), S.  9 (37); zum Spannungs­feld zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag im Unionsrecht Stoye (Fn. 622), S. 40 ff. 669 In den Untersuchungen in Fn.  665 etwa von Danwitz (Fn.  24), S.  396 ff.; Gornig/Trüe (Fn. 513), 884 (891); Haibach (Fn. 562), 456 (460); Hegels (Fn. 234), S. 94 ff. 659

152

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Rahmen dieser Untersuchung nicht ausgespart, ob eine Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen durch die ECHA unter Rückgriff auf die allgemeinen Rechtsinstitute möglich ist (F.)670. Auch für diese Konstellation soll herausgearbeitet werden, ob entsprechende Regelungen des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts zur Verfügung stehen (F. II. 2.)671, inwiefern diese Lücken aufweisen und welche Anforderungen für die ECHA sich aus ihnen ergeben (F. III.)672. Auf dieser Basis lässt sich das Eigenverwaltungsrecht der EU umfassend untersuchen und dessen Tauglichkeit für den Vollzug des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO prüfen.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung im europäischen Verwaltungsrecht In einem ersten Schritt soll die grundlegende Rechtsordnung des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts untersucht werden. Dazu gehört die Frage nach der Wirksamkeit (A. I.)673, der rechtlichen Inexistenz (A.  II.)674 und der Bestandskraft (A.  III.)675 von Beschlüssen ebenso wie ein Blick auf das Fehlerfolgenrecht (A. IV.)676 im Eigenverwaltungsrecht. Damit wird gleichsam der Boden des Verwaltungsrechtssystems geprüft, auf dem sich die ECHA bewegt und auf dem die weiteren Anforderungen des Eigenverwaltungsrechts aufbauen.

I. Die Wirksamkeit eines Beschlusses Damit ein Beschluss der ECHA Rechtswirkung entfaltet, muss er zuvorderst existent, mithin wirksam sein.677 Zwar wird der Begriff der Wirksamkeit in der deutschen Fassung des Art. 297 Abs. 2 S. 3 AEUV genannt, dort allerdings nicht definiert. In der Rechtsprechung der Unionsgerichte wird dieser Effekt mit dem 670

Siehe S. 240 ff. Siehe S. 248 ff. 672 Siehe S. 266 ff. 673 Siehe S. 152 ff. 674 Siehe S. 154 ff. 675 Siehe S. 164 ff. 676 Siehe S. 168 ff. 677 Schroeder (Fn. 378), S. 56, sieht beide Begriffe synonym. Die Rechtsprechung nutzt z. B. „rechtswirksam“, so EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 101/78 – Slg. 1979, 623 (Rn. 4 f.) – Granaria/Hoofproduktschap voor Akkerbouwprodukten; „rechtlich existent“, EuGH, Urteil vom 29.6.1999 – Rs. C-135/93 – Slg. 1995, I-1651 (Rn. 32) – Königreich Spanien/Kommission; oder Umschreibungen, EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn.  48)  – Kommission/BASF u. a.; so auch Bockey (Fn.  429), S.  65 ff. In der europarechtlichen Literatur wiederum wird überwiegend der Begriff der „rechtlichen Existenz“ verwendet,­ Schroeder (Fn. 378), S. 56 f. m. w. N. in Fn. 65. 671

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

153

Inkrafttreten eines normativen Rechtsakts gleichgesetzt.678 Ein Beschluss ist wirksam, wenn er seine vorgesehene Rechtswirkung entfaltet.679 Sowohl ein rechtmäßiger als auch ein rechtswidriger Beschluss sind generell existent;680 auch im Unionsrecht gilt die „Vermutung der Gültigkeit“ eines Rechtsaktes.681 Der EuGH682 hat diese zunächst als einen allgemeinen Rechtsgrundsatz bezeichnet683, später unmittelbar den Gemeinschaftsverträgen selbst entnommen.684 Auch ein rechtswidriger Beschluss ist somit generell wirksam, solange er nicht an einem besonders schweren Fehler leidet.685 Insofern differenziert das Eigenverwaltungsrecht – wie auch das deutsche Verwaltungsrecht  – zwischen (tatsächlich oder rechtlich) inexistenten Beschlüssen und wirksamen Beschlüssen, die, wenn sie rechtswidrig sind, vernichtet werden können.686 678

EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 101/78 – Slg. 1979, 623 (Rn. 4 f.) – Granaria/Hoofproduktschap voor Akkerbouwprodukten, spricht von einer Verordnung, die „in Kraft gesetzt“ wird. So auch die Formulierungen in anderen Sprachfassungen „take effect“, „prendre effet“, die ebenfalls vom „in Kraft treten“ sprechen. 679 Schroeder (Fn. 378), S. 57. Vgl. EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 101/78 – Slg. 1979, 623 (Rn.  4 f.)  – Granaria/Hoofproduktschap voor Akkerbouwprodukten; EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 48) – Kommission/BASF u. a.; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-227/92 P – Slg. 1999, I-4443 (Rn. 69) – Hoechst/Kommission; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-235/92 P – Slg. 1999, I-4539 (Rn. 77) – Montecatini/Kommission. 680 Bockey (Fn. 429), S. 66; Schroeder (Fn. 378), S. 58. 681 St. Rspr.: EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (126)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; EuGH, Urteil vom 26.2.1985  – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 10) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 48) – Kommission/BASF u. a.; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-227/92 P – Slg. 1999, I-4443 (Rn. 69) – Hoechst/Kommission; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-235/92 P – Slg. 1999, I-4539 (Rn. 77) – Montecatini/ Kommission; EuGH, Urteil vom 14.12.2000 – Rs. C-344/98 – Slg. 2000, I-11369 (Rn. 53) – Masterfoods/HB Ice Crearn; Bockey (Fn. 429), S. 66; Ehricke, in: Streinz (Fn. 234), Art. 263 AEUV Rn. 1; Schwarze, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 263 AEUV Rn. 23. 682 In der Literatur wird dieser Rechtssatz teilweise außerdem den Gründungsverträgen selbst entnommen, Hartley, The Foundations of European Union Law, 7. Aufl., 2010, S. 437 f., teilweise unmittelbar aus dem deutschen und französischen Recht, dem das europäische Recht in diesem Punkt nachgebildet ist, Annacker, Die Inexistenz als Angriffs- und Verteidigungsmittel vor dem EuGH und dem EuG, EuZW 1995, 755 (755). 683 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (126)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 684 EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 101/78 – Slg. 1979, 623 (Rn. 4 f.) – Granaria/Hoofproduktschap voor Akkerbouwprodukten. 685 Siehe S. 154 ff. 686 EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 101/78 – Slg. 1979, 623 (Rn. 4 f.) – Granaria/Hoofproduktschap voor Akkerbouwprodukten; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-227/92 P – Slg. 1999, I-4443 (Rn. 71) – Hoechst/Kommission; EuG, Urteil vom 27.2.1992 – verb. Rs. T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89  – Slg. 1992, II-315 (Rn.  99)  – BASF u. a./Kommission; GA Carpotorti, Schlussanträge vom 23.1.1979 zu Rs.  101/78  – Slg. 1979, 623 (Rn.  1)  – Granaria BV/Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten; GA van Gerven, Schlussanträge vom 29.6.1993 zu Rs.  C-137/92 P  – Slg. 1994, I-2555 (Rn.  79)  – Kommission/BASF u. a.; Bülow, Die Relativierung von Verfahrensfehlern im europäischen Verwaltungsverfahren und nach §§ 45, 46

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Die rechtliche Existenz eines Beschlusses der ECHA im Registrierungsverfahren als einem an einen bestimmten Adressaten gerichteten Beschluss beginnt gemäß Art. 297 Abs. 2 S. 3 AEUV mit dessen Bekanntgabe, mithin mit dem Zeitpunkt, an dem der Beschluss dem Empfänger zugegangen, also ordnungsgemäß in dessen Machtbereich gelangt ist, und er die Möglichkeit hat, tatsächlich und vollständig von ihm Kenntnis zu nehmen.687 Die Bekanntgabe und der Beginn der Existenz des Beschlusses fallen somit stets zusammen.688

II. Die rechtliche Inexistenz eines Beschlusses Der Gegenbegriff zur (rechtlichen) Wirksamkeit eines Beschlusses stellt die „rechtliche Inexistenz“ eines Beschlusses dar. Mit der Verwendung dieses Begriffs689 lehnt sich der EuGH an die französische Terminologie an.690 Der Beschluss ist VwVfG, 2007, S.  26 f.; Ehricke, in: Streinz (Fn.  234), Art.  264 AEUV Rn.  1; Gornig/Trüe, Die Rechtsprechung des EuGH und des EuG zum Europäischen Verwaltungsrecht  – Teil  2, JZ 2000, 446 (454); Müller (Fn. 239), S. 136; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 44 VwVfG Rn. 203b. 687 Siehe etwa EuGH, Urteil vom 14.7.1972 – Rs. 48/69 – Slg. 1972, 619 (Rn. 36/38, 39/43) – Imperial Chemical Industries/Kommission; EuGH, Urteil vom 21.2.1973  – Rs.  6/72  – Slg. 1973, 215 (Rn.  10)  – Europemballage Corporation u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 26.11.1985 – Rs. 42/85 – Slg. 1985, 3749 (Rn. 10) – Cockerill-Sambre/Kommission; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Fn. 429), Art. 297 AEUV Rn. 7; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art.  297 AEUV Rn.  15; Schoo, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn.  649), Art.  297 AEUV Rn. 12; Schroeder (Fn. 378), S. 63. 688 Allerdings kann der Beginn der Anwendung des Inhalts auf einen anderen Zeitpunkt verweisen, etwa Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl., 2013, Art.  297 AEUV Rn.  5; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Fn.  429), Art.  297 AEUV Rn.  8 f.; Schroeder (Fn. 378), S. 65. Den Zeitabschnitt zwischen Beschluss und Bekanngabe will GA Alber, Schlussanträge vom 21.2.2002 zu Rs. C-398/00 – Slg. 2002, I-5643 (Rn. 62) – Königreich Spanien/Kommission, als „latente Existenz“ bezeichnen. 689 EuGH, Urteil vom 15.6.1994  – Rs.  C-137/92 P  – Slg. 1994, I-2555 (Rn.  49)  – Kommission/BASF u. a.; Vorinstanz EuG, Urteil vom 27.2.1992 – verb. Rs. T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89 – Slg. 1992, II-315 (Rn. 96) – BASF u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-227/92 P  – Slg. 1999, I-4443 (Rn.  70)  – Hoechst/Kommission; EuGH, Urteil vom 8.7.1999  – Rs. C-235/92 P – Slg. 1999, I-4539 (Rn. 77) – Montecatini/Kommission; EuGH, Urteil vom 5.10.2004 – Rs. C-475/01 – Slg. 2004, I-8923 (Rn. 19) – Kommission/Republik Griechenland. Ebenso die Literatur, Jarass/Beljin, Die Bedeutung von Vorrang und Durchführung des EGRechts für die nationale Rechtssetzung und Rechtsanwendung, NVwZ 2004, 1 (3); Pache, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Fn. 236), Art. 263 AEUV Rn. 17; Müller (Fn. 239), S. 136 f.; Schwarze, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 263 AEUV Rn. 23 f. In einigen Fällen wird auch lediglich von „inexistenten“ Beschlüssen gesprochen, etwa EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; EuGH, Urteil vom 27.6.2000 – Rs. C-404/97 – Slg. 2000, I-4897 (Rn. 35) – Kommission/Portugiesische Republik. In der Literatur: Annacker, Der fehlerhafte Rechtsakt im Gemeinschafts- und Unionsrecht, 1998, S. 81 f.; Annacker (Fn. 682), 755 (755); Cremer, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 263 AEUV Rn. 8. 690 Schroeder (Fn. 378), S. 60 m. w. N. in Fn. 76 aus dem französischen Recht.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

155

somit zwar tatsächlich in der Welt, allerdings in rechtlicher Hinsicht nicht existent, er entfaltet keinerlei Rechtswirkungen.691 Dabei handelt es sich nach deutscher692 Terminologie um die Nichtigkeit eines Beschlusses693 nach § 44 (L)VwVfG und nicht um einen „Nichtakt“.694 Vor dem Hintergrund der auch im Eigenverwaltungsrecht geltenden Vermutung der Gültigkeit695 genügt es für die Annahme der rechtlichen Inexistenz eines Beschlusses nicht, wenn dieser lediglich rechtswidrig ist. Stattdessen greift ein Regel-Ausnahmeverhältnis. Generell sind mit Fehlern behaftete Rechtsakte rechtswidrig, allerdings wirksam. Die rechtliche Inexistenz eines Beschlusses bildet – da sie mit „gravierenden Konsequenzen für die Rechtssicherheit“696 behaftet ist: ein 691

St. Rspr., EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – C ­ onsorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; EuGH, Urteil vom 15.6.1994  – Rs.  C-137/92 P  – Slg. 1994, I-2555 (Rn.  50)  – Kommission/BASF u. a.; vgl. auch die Vorinstanz EuG, Urteil vom 27.2.1992 – verb. Rs. T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89 – Slg. 1992, II-315 (Rn. 96) – BASF u. a./Kommission. 692 Zu den Bezeichnungen in Rechtsordnungen anderer Länder GA Colomer, Schlussanträge vom 14.5.1998 zu verb. Rs. C-10/97 bis C-22/97 – Slg. 1998, I-6307 (Rn. 18) – Ministero delle Finanze/IN.CO.GE’ 90 Srl. u. a. 693 Annacker (Fn.  682), 755 (756, 759); Annacker (Fn.  689), S.  81 ff.,  90, 92, 101; von­ Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast (Fn. 512), S. 489 (538); Gornig/Trüe (Fn. 686), 446 (454); Junker, Der Verwaltungsakt im deutschen und französischen Recht und die Entscheidung im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1990, S. 166; Müller (Fn. 239), S. 136; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 44 VwVfG Rn. 203c; Schwarze, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 263 AEUV Rn. 23 f. Als Synonym wird auch der Begriff der „Unwirksamkeit“ verwendet, etwa Annacker (Fn. 689), S. 82; vgl. auch Schroeder (Fn. 378), S. 60 Fn. 77. 694 Schroeder (Fn.  378), S.  61. Diese Bezeichnung findet sich allerdings in der amtlichen deutschen Übersetzung von EuGH, Urteil vom 21.2.1975 – verb. Rs. 15/73 bis 33/73, 52/73, 53/73, 57/73 bis 109/73, 116/73, 117/73, 123/73, 132/73 und 135/73 bis 137/73 – Slg. 1974, 177 (Rn. 33) – Roswitha Kortner, verheiratete Schots u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaft u. a.; in der Literatur z. B. Annacker (Fn. 689), S. 81, 101; Annacker (Fn. 682), 755 (756, 759); Bockey (Fn. 429), S. 118; Cremer, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 263 AEUV Rn. 8 f.; Ehricke, in: Streinz (Fn. 234), Art. 263 AEUV Rn. 12; Jarass/Beljin (Fn. 689), 1 (3); Schärf, Zur Frage der Inexistenz von Rechtsakten im Gemeinschaftsrecht, EuZW 2004, 333 (333); vgl. auch Chiti, Diritto amministrativo europeo, 4. Aufl., 2011, S. 488 f. Deutlich GA Trabucchi, Schlussanträge vom 13.12.1973 zu verb. Rs. 15/73 bis 33/73, 52/73, 53/73, 57/73 bis 109/73, 116/73, 117/73, 123/73, 132/73 und 135/73 bis 137/73  – Slg. 1974, 177 (197)  – Roswitha Kortner, verheiratete Schots u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaft u. a.: „In einem System wie dem des Gemeinschaftsrechts ist kein Grund ersichtlich, von dem in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen befolgten Grundsatz abzuweichen, daß ein Rechtsetzungsakt, der einer Ausführung an sich zugänglich ist und den für sein Zustandekommen und seine Veröffentlichung wesentlichen Verfahrens-, Form- und Zuständigkeitserfordemissen entspricht, jedoch ge­gebenenfalls inhaltlich gegen höherrangige Normen der Prinzipien verstößt, zwar in seiner Gültigkeit angezweifelt, aber nicht als Nichtakt abgestempelt werden kann.“ Unklar hier­ Annacker (Fn.  682), 755 (756), welche unter der Überschrift „Die Abgrenzung von Rechtsakten und Nichtakten im Gemeinschaftsrecht“ von „inexistenten“ Rechtsakten spricht. 695 Siehe S. 152 ff. 696 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 44 VwVfG Rn. 203b.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

inexistenter Beschluss entfaltet keinerlei Rechtswirkung – die Ausnahme.697 Ein Zwischenzustand zwischen der Wirksamkeit und der Inexistenz eines Beschlusses ist nicht möglich.698 Diese Gültigkeitsvermutung greift allerdings lediglich dann, wenn Rechtsakte nicht schon allein deswegen inexistent sind, weil ihnen elementare Wirksamkeitsbedingungen fehlen: So führte der EuGH in der Entscheidung Lemmerz aus, dass ein Beschluss nur dann die Möglichkeit habe, gültig zu sein, wenn er einem Unionsorgan zurechenbar ist, dazu bestimmt ist, Rechtswirkungen hervorzurufen, und das interne Willensbildungsverfahren abschließt und eindeutig für den Adressaten als Unionsrechtsakt erkennbar ist.699 Ist dies nicht der Fall, kommt es auf eine Bestimmung der ausnahmsweisen Fehlerfolge nicht an.700 Allerdings musste sich der EuGH in seiner bisherigen Entscheidungspraxis nie mit einer derartigen Konstellation auseinandersetzen.701 Wann ansonsten die Grenze von der Rechtswidrigkeit zur rechtlichen Inexistenz überschritten ist, ist zumindest im Primärrecht nicht positiviert.702 Auch die REACH-VO enthält keine Normierung, ob und wann ein Beschluss der ECHA rechtlich inexistent ist. In einigen Bereichen des Sekundärrechts finden sich aber Vorschriften, etwa im Bereich des Geschmacksmusterrechts703, die den besonderen Spezifika des jeweiligen Rechtsgebiets Rechnung tragen. Bereits früh, in seinem Urteil in der Rechtssache Algera704, musste sich der EuGH mit der Frage beschäftigen, wann ein Beschluss als rechtlich inexistent anzusehen ist. Er verglich die Rechtslage der Staaten, die zu diesem Zeitpunkt Mitglieder der EG waren; alle sechs Staaten beschränken die rechtliche Inexistenz bzw. die Nichtigkeit von Verwaltungsakten auf Fälle schwerer Fehler. Zwar ergaben sich in den einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen im Detail Differenzen, wann ein „schwerer“ Fehler vorliegt, allerdings gelte überall der Grundsatz, dass die bloße Rechtswidrigkeit allein nicht automatisch die rechtliche

697 Bülow (Fn.  686), S.  27; Pache, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Fn.  236), Art.  263 AEUV Rn. 17; Schwarze, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 19 EUV Rn. 23. 698 EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-227/92 P – Slg. 1999, I-4443 (Rn. 69) – Hoechst/ Kommission. 699 EuGH, Urteil vom 5.12.1963 – verb. Rs. 53/63 und 54/63 – Slg. 1963, 523 (537 f.) – Lemmerz Werke u. a./Hohe Behörde. So auch rezipiert von der Literatur, siehe Annacker (Fn. 689), S. 84; Bülow (Fn. 686), S. 29. 700 Bülow (Fn. 686), S. 29. 701 Bülow (Fn. 686), S. 29. 702 Bülow (Fn. 686), S. 29; von Danwitz (Fn. 24), S. 388. 703 Art. 9 EG-Geschmacksmusterverordnung normiert, dass Gemeinschaftsgeschmacksmuster dann nicht bestehen, wenn sie gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen. 704 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (126)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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Inexistenz des Verwaltungsakts herbeiführt.705 Diese Einschränkung rekurriert aus dem Prinzip der Rechtssicherheit,706 das in einem solchen Fall aber generell hinter dem Prinzip der Wahrung der Gesetzmäßigkeit zurücktreten muss.707 Daraus lässt sich ableiten, dass der Betroffene mit Sicherheit erkennen können muss, ob der Beschluss rechtswidrig, aber bestandskräftig ist und somit Rechtswirkungen entfaltet oder ob er rechtlich inexistent ist.708 Die rechtliche Inexistenz dürfte also lediglich in besonderen Fällen eintreten,709 dafür aber muss der Beschluss an besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehlern leiden.710 1. Besondere Schwere des Fehlers Bislang wurde von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt,711 wann ein solcher offenkundiger und schwerer Fehler vorliegt; es wird sich aber jeweils um Ausnahmefälle handeln müssen.712 Die Rechtsprechung des EuGH 705

EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (126)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. Im Einzelnen wird die damalige Rechtslage in den einzelnen Mitgliedstaaten kurz dargestellt bei Däubler (Fn. 378), 1646 (1647). 706 EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 50) – Kommission/BASF u.a; Müller (Fn. 239), S. 136 f. 707 EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 49) – Kommission/BASF u. a.; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-227/92 P – Slg. 1999, I-4443 (Rn. 71) – Hoechst/Kommission; EuGH, Urteil vom 8.7.1999  – Rs.  C-235/92 P  – Slg. 1999, I-4539 (Rn. 77) – Montecatini/Kommission; EuGH, Urteil vom 5.10.2004 – Rs. C-475/01 – Slg. 2004, I-8923 (Rn. 19) – Kommission/Republik Griechenland. 708 EuG, Urteil vom 22.1.1997 – Rs. T-115/94 – Slg. 1997, II-39 (Rn. 124) – Opel Austria/Rat der Europäischen Union; Müller (Fn. 239), S. 137. 709 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.6.1994  – Rs.  C-137/92 P  – Slg. 1994, I-2555 (Rn.  50)  – Kommission/BASF u. a.; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-245/92 P – Slg. 1999, I-4643 (Rn. 95) – Chemie Linz/Kommission; Arzoz, Die Rechtswidrigkeit von EG-Verordnungen, JöR 49 (2001), 299 (304); Müller (Fn. 239), S. 137. 710 Ständige Rechtsprechung seit EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn.  12)  – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; EuGH, Urteil vom 8.7.1999  – Rs.  C-199/92 P  – Slg. 1999, I-4287 (Rn.  85)  – Hüls/Kommission; EuGH, Urteil vom 22.3.2001  – Rs.  C-261/99  – Slg. 2001, I-2537 (Rn.  19)  – Kommission/Republik Frankreich; EuGH, Urteil vom 26.3.2003 – Rs. C-404/00 – Slg. 2003, I-6695 (Rn. 41) – Kommission/Königreich Spanien; EuGH, Urteil vom 20.9.2007  – Rs.  C-177/06  – Slg. 2007, I-7689 (Rn. 31) – Kommission/Königreich Spanien. 711 Die europäischen Gerichte müssen dann die rechtliche Existenz eines Unionsrechtsakts prüfen, wenn die Parteien dazu hinreichende Anhaltspunkte vortragen, EuG, Urteil vom 10.3.1992 – Rs. T-15/89 – Slg. 1992, II-1275 (Rn. 395) – Chemie Linz/Kommission; A ­ nnacker (Fn. 682), 755 (760). Das EuG vertritt die Ansicht, dass die Pflicht, eine amtswegige Prüfung der rechtlichen Existenz eines Unionsrechtsakts durchzuführen, nicht beinhaltet, in jedem gerichtlichen Verfahren Ermittlungen wegen möglicher rechtlicher Inexistenz durchzuführen; kritisch dazu Annacker (Fn. 689), S. 102. 712 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (126)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; EuGH, Urteil vom

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

ist dabei extrem restriktiv,713 daher spielte die Qualifizierung eines Rechtsakts als rechtlich inexistent bislang kaum eine Rolle in einem Prozess.714 Ein klares dogmatisches Konzept entwickelte der EuGH nicht,715 vielmehr müssen die wenigen Urteile des EuGH, in denen diese Frage eine Rolle spielt, als Leitlinien heran­ gezogen werden. a) Fehler im formellen Bereich Im Rahmen der Beurteilung von formellen Fehlern hat die Rechtsprechung mehrfach erörtert, ob der jeweilige Fehler von besonderer Schwere sei. aa) Zuständigkeitsfehler Grundsätzlich scheinen besonders schwere Fehler nach der Rechtsprechung im Bereich der Zuständigkeit zu suchen sein, wenn ein Unionsorgan Handlungen offensichtlich außerhalb seiner Verbandskompetenz vornimmt.716 Der Gerichtshof stellte fest, dass ein Handeln der Europäischen Kommisson im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, mithin ohne Rechtsgrundlage, die rechtliche In­ existenz des Beschlusses zur Folge gehabt hätte.717 Dahin gehend zustimmend 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 49) – Kommission/BASF u. a.; EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-235/92 P – Slg. 1999, I-4539 (Rn. 98) – Montecatini/Kommission; EuGH, Urteil vom 5.10.2004 – Rs. C-475/01 – Slg. 2004, I-8923 (Rn. 19) – Kommission/Republik Griechenland; EuG, Urteil vom 10.12.2010 – Rs. T-494/08 bis T-500/08 und T-509/08 – Slg. 2010, II-5723 (Rn. 49) – Ryanair/Kommission. 713 So GA Colomer, Schlussanträge vom 28.1.1999 zu Rs. C-310/97 P – Slg. 1999, I-5365 (Rn. 83) – Kommission/AssiDomän Kraft Products AB u. a. Das EuG scheint in seiner Entscheidungspraxis weniger restriktiv die rechtliche Inexistenz eines Rechtsakts bejahen zu wollen, vgl. EuG, Urteil vom 27.2.1992 – verb. Rs. T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89  – Slg. 1992, II-315 (Rn.  96)  – BASF u. a./Kommission; in der Rechtsmittelinstanz wurde diese Entscheidung vom EuGH wieder aufgehoben und der Rechtsakt als lediglich rechtswidrig, nicht aber als rechtlich inexistent klassifiziert, EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 49 f.) – Kommission/BASF u. a. 714 GA van Gerven, Schlussanträge vom 29.6.1993 zu Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn.  71)  – Kommission/BASF u. a.; Cremer, in: Calliess/Ruffert (Fn.  110), Art.  263 AEUV Rn. 9; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 44 VwVfG Rn. 98; Schroeder (Fn. 378), S. 62. 715 Bülow (Fn. 686), S. 29. 716 Vgl. von Danwitz (Fn. 24), S. 390. 717 EuGH, Urteil vom 10.12.1969 – verb. Rs. 6/69 und 11/69 – Slg. 1969, 523 (Rn. 11 ff.) – Kommission/Französische Republik; zu dieser Entscheidung auch Annacker (Fn. 689), S. 89 f.; so auch bereits GA Roemer, Schlussanträge zu verb. Rs. 19/60, 21/60, 2/61 und 3/61 – Slg. 1961, 611 (651, 669 f.)  – Société Fives Lille Cail u. a./Hohe Behörde, mit Verweis auf das französische, deutsche, niederländische Recht. Der Gerichtshof verfolgte dies nicht weiter, vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1961 – verb. Rs. 19/60, 21/60, 2/61 und 3/61 – Slg. 1961, 611 (646 f.) – Société Fives Lille Cail u. a./Hohe Behörde.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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äußert sich auch die Literatur.718 Allerdings scheint der EuGH in der Folgezeit von dieser Rechtsprechung abgekommen sein.719 Dies liegt spätestens nahe, wenn man das kumulative Merkmal der „Offenkundigkeit“ des Fehlers mit in den Blick nimmt; vor dem Hintergrund, dass eine Bestimmung einer vertikalen Kompetenzüberschreitung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, muss diese nicht immer „offenkundig“ sein.720 Daneben lässt sich außerdem aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte ableiten, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Unantastbarkeit und der Beachtung von Beschlüssen durch die Europäische Kommission721 grundsätzlich einen Rechtsfehler darstellt, der zur rechtlichen Inexistenz des Beschlusses führt.722

718 Borchardt, in: Lenz/Borchardt (Fn. 688), Art. 263 AEUV Rn. 9; von Danwitz (Fn. 24), S. 390. 719 Vgl. EuGH, Urteil vom 9.7.1987  – verb. Rs.  281/85, 283/85 bis 285/85 und 287/85  – Slg. 1987, 3203 (Rn. 35) – Bundesrepublik Deutschland u. a./Kommission; so auch Annacker (Fn. 682), 755 (757); Bülow (Fn. 686), S. 30 Fn. 55. 720 Annacker (Fn.  682), 755 (757). Vor diesem Hintergrund verlangt die Kommentar­ literatur auch eine „offenkundige Zuständigkeitsüberschreitung“, Cremer, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 263 AEUV Rn. 9. Insofern stellt auch die fehlende Erkennbarkeit der handelnden Behörde nur bereichsspezifisch (hingegen sah noch Art.  1 der Entscheidung der Hohen Behörde der EGKS Nr.  22/60 vom 7.  September 1960 über die Ausführung des Artikels 15 des Vertrages, ABl. Nr. 61, S. 1248 f., allgemein vor, dass der Aussteller aus einer Erklärung erkennbar war) einen Grund für die rechtliche Inexistenz des Beschlusses dar, etwa im Sortenrecht, so etwa Art. 41 Geschmacksmuster-DVO; Art. 53 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1239/95 der Kommission vom 31.  Mai 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr.  2100/94 des Rates im Hinblick auf das Verfahren vor dem Gemeinschaftlichen Sortenamt, ABl.  EG Nr. L 227, S. 1; Art. 14 Abs. 2 Kodex für gute Verwaltungspraxis im Sortenamt. Sie bildet damit grundsätzlich – im Gegensatz zum deutschen Recht, vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 (L)VwVfG – keinen allgemeinen Grund der rechtlichen Inexistenz, von Danwitz (Fn. 24), S. 390. 721 von Danwitz (Fn. 24), S. 394. Der Grundsatz der Unantastbarkeit soll verhindern, dass Rechtsakte, die von einem Gemeinschaftsorgan erlassen werden, unter Missachtung von Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften abgeändert werden. Er zielt dabei insbesondere auf den Schutz vor Abänderungen, die noch vor Veröffentlichung des Rechtsakts durch einen unzuständigen Amtsträger erfolgen, EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-245/92 P – Slg. 1999, I-4643 (Rn. 68) – Chemie Linz/Kommission; EuG, Urteil vom 27.2.1992 – verb. Rs. T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89  – Slg. 1992, II-315 (Rn.  34 f., 49)  – BASF u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 10.3.1992 – Rs. T-11/89 – Slg. 1992, II-757 (Rn. 374) – Shell International Chemical Company/Kommission; EuG, Urteil vom 28.2.2002 – verb. Rs. T-227/99 und T-134/00 – Slg. 2002, II-1205 (Rn. 92) – Kvaerner Warnow Werft/Kommission. 722 So auch von Danwitz (Fn. 24), S. 390; dieser bezieht sich dabei auf: EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 15, 52) – Kommission/BASF u. a.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

bb) Einzelne Verfahrens- oder Formfehler Im Bereich der Verfahrens- und Formfehler hat der EuGH in der Rechtssache Tubes de la Sarre723 die Stellungnahme der Hohen Behörde nach Art. 54 Abs. 4 EGKSV als rechtlich inexistent betrachtet, weil es an einer Begründung mangele. Diese sei jedoch nicht nur in den Art. 5, 15 und 54 Abs. 4 EGKSV vorgeschrieben, sondern auch wesentliches und notwendiges Tatbestandsmerkmal.724 Deren Fehlen führe somit zur rechtlichen Inexistenz des Rechtsaktes. Dies überrascht zum einen nach deutschem Verwaltungsrechtsverständnis; so führt nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 (L)VwVfG eine fehlende Begründung nur zur Rechtswidrigkeit und damit Heilbarkeit des Fehlers, aber nicht zur rechtlichen Inexistenz des Verwaltungsaktes. Zwar ist die Begründungspflicht ausdrücklich in Art. 296 Abs. 2 AEUV normiert und eine wesentliche Formvorschrift nach Art. 263 Abs. 2 2. Var. AEUV. Allerdings hat der EuGH auch in anderen Fällen Beschlüsse, die gegen das Begründungsverbot verstoßen, nicht für rechtlich inexistent, sondern lediglich für rechtswidrig erklärt.725 Daher liegt die Annahme nahe, dass hier der EuGH vor dem Hintergrund der Besonderheiten von Stellungnahmen die rechtliche Inexistenz der Stellungnahme angenommen hat726 – ein allgemeiner Rechtsgrundsatz lässt sich daraus allerdings nicht bilden.727 Vielmehr ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung der Folgezeit gerade das Gegenteil – das Fehlen einer Begründung führt lediglich zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur rechtlichen In­ existenz des Rechtsaktes.728 Als weiteres Urteil, in dem der EuGH einen Rechtsakt als rechtlich inexistent eingestuft hätte, wird von der Literatur729 die Rechtssache Foyer culturel du SartTilman730 herangezogen: Diese soll als Beleg dienen, dass eine fehlende Konsul 723 EuGH, Urteil vom 10.12.1957 – verb. Rs. 1/57 und 14/57 – Slg. 1957, 213 (223) – Société des usines à tubes de la Sarre/Hohe Behörde. 724 EuGH, Urteil vom 10.12.1957 – verb. Rs. 1/57 und 14/57 – Slg. 1957, 213 (223) – Société des usines à tubes de la Sarre/Hohe Behörde. 725 So etwa in den Fällen EuGH, Urteil vom 20.3.1959 – Rs. 18/57 – Slg. 1959, 89 (114 ff.) – J. Nold, Kohlen- und Baustoffgrosshandlung/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 15.3.1967 – verb. Rs. 8/66 bis 11/66 – Slg. 1967, 99 (125) – Société anonyme Cimenteries C. B. R. Cementsbedrijven u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn.  15, 52)  – Kommission/BASF u. a.; anders aber die angefochtene Entscheidung EuG, Urteil vom 27.2.1992  – verb. Rs.  T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89 – Slg. 1992, II-315 (Rn. 65) – BASF u. a./ Kommission; EuGH, Urteil vom 22.6.2004 – Rs. C-42/01 – Slg. 2004, I-6079 (Rn. 66) – Portugiesische Republik/Kommission; EuGH, Urteil vom 15.12.2005 – Rs. C-66/02 – Slg. 2005, I-10901 (Rn. 26) – Italienische Republik/Kommission. 726 Annacker (Fn. 682), 755 (757). 727 So die Einschätzung von Annacker (Fn. 682), 755 (757); Schwarze (Fn. 233), S. 947. 728 Zum Verstoß gegen die Begründungspflicht siehe S. 213 ff. 729 So Schroeder (Fn. 378), S. 62 m. w. N. 730 EuGH, Urteil vom 25.5.1993 – Rs. C-199/91 – Slg. 1993, 2689 – Foyer Culturel du SartTilman ASBL/Kommission.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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tierung eines Mitgliedstaates, wiewohl vorgeschrieben, als Grund für die rechtliche Inexistenz anzusehen sei. Betrachtet man dieses Urteil aber genauer, handelt es sich um eine Vermischung der deutschen Terminologie der Nichtigkeitsklage des Art.  263 Abs.  2 AEUV und des Begriffs der „Nichtigkeit“ im deutschen Recht.731 Denn der EuGH erkannte den angegriffenen Rechtsakt nicht als rechtlich inexistent an. Vielmehr stellte er (verkürzt) fest, dass die Nichtigkeitsklage wegen eines Verstoßes gegen eine wesentliche Formvorschrift begründet ist, mithin der Beschluss rechtswidrig war.732 Übertragen auf die deutsche Anfechtungsklage nach §§ 42 Abs. 1, 113 Abs. 1 VwGO, handelt es sich somit um eine gerichtliche Aufhebung des Verwaltungsaktes. Eine Beurteilung als „rechtlich inexistent“ erfolgt im Urteil des EuGH nicht. Zu dieser Linie, dass nämlich ein einzelner Fehler grundsätzlich lediglich zur Rechtswidrigkeit (und damit zur Aufhebung im Rahmen der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 2 AEUV) führt, passen die Ausführungen des EuGH, welche dieser – allerdings in Bezug auf eine Rechtsnorm, nämlich Art. 4 Abs. 3 Anhang VII Beamtenstatut – in der Rechtssache Kortner-Schots733 traf. Aus seiner Aussage, dass keine rechtliche Inexistenz vorliege, weil die zuständige Stelle gehandelt und Verfahrens- und Formvorschriften beachtet wurden, lässt sich entnehmen, dass eine einfache und einzelne Missachtung von Zuständigkeits-, Verfahrens- oder Formvorschriften den Rechtsakt nicht zur rechtlichen Inexistenz eines Beschlusses führt.734 cc) Kumulierung mehrerer formeller Fehler Fraglich ist allerdings, ob sich daraus ergibt, dass die Kumulierung meh­rerer formeller Fehler zur rechtlichen Inexistenz eines Beschlusses führen kann. So fehlte es im Fall Tubes de la Sarre nicht nur an der Begründung, sondern die Stellungnahme wurde der französischen Regierung auch nicht bekannt gegeben und nicht im Amtsblatt bekannt gemacht.735 Das EuG erklärte auch in einem weiteren Urteil736 einen Beschluss erst aufgrund der Kumulation von Fehlern für rechtlich inexistent – der Zeitpunkt seines Wirksamwerdens konnte nicht bestimmt werden, die aus ihm folgenden Verpflich 731

Zu dieser Problematik auch Chiti (Fn. 694), S. 488 f. EuGH, Urteil vom 25.5.1993 – Rs. C-199/91 – Slg. 1993, 2689 (Rn. 34) – Foyer Culturel du Sart-Tilman ASBL/Kommission. 733 EuGH, Urteil vom 21.2.1975 – verb. Rs. 15/73 bis 33/73, 52/73, 53/73, 57/73 bis 109/73, 116/73, 117/73, 123/73, 132/73 und 135/73 bis 137/73 – Slg. 1974, 177 (Rn. 33) – Roswitha Kortner, verheiratete Schots u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaft u. a. 734 von Danwitz (Fn. 24), S. 389 Fn. 482; Schwarze (Fn. 233), S. 946 f. 735 EuGH, Urteil vom 10.12.1957 – verb. Rs. 1/57 und 14/57 – Slg. 1957, 213 (223) – Société des usines à tubes de la Sarre/Hohe Behörde. 736 EuG, Urteil vom 27.2.1992 – verb. Rs. T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89  – Slg. 1992, II-315 (Rn.  96)  – BASF u. a./Kommission. 732

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

tungen waren zweideutig, die Begründung war aufgrund einer späteren Änderung nicht nachvollziehbar, die erlassende Behörde war nicht erkennbar, das Ausfertigungsverfahren wurde missachtet und das Vollstreckungsverfahren nach Art. 256 Abs. 2 EGV (heute: Art. 299 AEUV) war nicht durchführbar. Der EuGH wiederum sah diese Fehler – ohne weitere Begründung – „weder für sich allein oder auch insgesamt betrachtet“737 als so schwerwiegend an, dass der Beschluss für inexistent erklärt werden müsse. Umgekehrt ging das Gericht aber auch nicht auf die Argumentation der Europäischen Kommission ein, dass es auch an der Offenkundigkeit der Fehler gefehlt habe. Es sah den Beschluss nicht als rechtlich nicht existent, sondern als rechtswidrig an. Zwar deckt die Vielzahl von Fehlern, mit denen der Beschluss behaftet war, nahezu jeden möglichen Fehler nahezu jeden möglichen Typs ab, dennoch sah der EuGH „auch insgesamt betrachtet“ dies nicht als schwerwiegend genug dafür an, dass der Beschluss rechtlich inexistent sei. Insofern ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Tubes de la Sarre738 auch in dieser Frage vor allem durch die Spezifika der zu beurteilenden Rechtsform – einer Stellungnahme – geprägt ist.739 Folglich scheint also auch eine Vielzahl von formellen Fehlern, die für sich nicht ausreichen, die rechtliche Inexistenz herbeizuführen, kumuliert nicht zu genügen, die rechtliche Inexistenz eines Beschlusses herbeizuführen. b) Fehler im materiellen Bereich Daneben können auch materielle Fehler die rechtliche Inexistenz eines Be­ schlusses zur Folge haben. So berief sich in der Rechtssache Íñgo Valverde Mordt der Kläger darauf, dass das Auswahlverfahren, das im Rahmen seiner Bewerbung durchgeführt wurde, rechtlich nicht normiert gewesen sei. Insofern seien alle darauf gestützten Beschlüsse nichtig. Dies prüfte das EuG und erkannte damit in der Sache die Möglichkeit an, dass auch Fehler im materiellen Recht zur rechtlichen Inexistenz des Beschlusses führen können.740 Ebenso prüfte das EuG vor seiner 737 EuGH, Urteil vom 15.6.1994  – Rs.  C-137/92 P  – Slg. 1994, I-2555 (Rn.  52)  – Kommission/BASF u. a.; so auch in der ähnlich gelagerten Entscheidung EuGH, Urteil vom 15.12.1994 – Rs. C-195/91 P – Slg. 1994, I-5619 (Rn. 13) – Bayer/Kommission, dort ohne weitere Begründung. 738 EuGH, Urteil vom 10.12.1957 – verb. Rs. 1/57 und 14/57 – Slg. 1957, 213 (223) – Société des usines à tubes de la Sarre/Hohe Behörde. 739 So GA Roemer, Schlussanträge vom 15.2.1967 zu Rs. 8/66 bis 11/66 – Slg. 1967, 127 (145)  – Société anonyme Cimenteries C. B. R. Cementsbedrijven u. a./Kommission; Bülow (Fn.  686), S.  31; Scheffler, Die Pflicht zur Begründung von Maßnahmen nach den euro­ päischen Gemeinschaftsverträgen, 1974, S. 210 f.; Schwarze (Fn. 233), S. 947. 740 EuG, Urteil vom 27.6.1991 – Rs. T-156/89 – Slg. II-1991, 407 (Rn. 84) – Íñgo Valverde Mordt/Gerichtshof.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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Feststellung, dass die angefochtenen Beschlüsse gültig seien, ob sie mit höherrangigem Sekundärrecht im Einklang stünden – dies war zwar nicht der Fall, es sei aber weder ein schwerer noch ein offenkundiger Fehler gewesen.741 Auch die Generalanwälte prüften, wenn die rechtliche Inexistenz eines Beschlusses im Raum stand, teilweise die Übereinstimmung von Beschlüssen mit den „Grundsätzen des Unionsrechts.“742 Die Tendenz des EuGH ist allerdings unklar, er legte in seinem Urteil in der Rechtssache Kortner743 eine sehr restriktive Folgenbeurteilung beim Verstoß gegen materielles Recht zugrunde. Allerdings handelte es sich hier um die einzige Entscheidung, in der die Inexistenz eines generellen Rechtsakts zu beurteilen war, dies könnte diese Haltung erklären.744 c) Zusammenfassung Die Rechtsprechung ist bei der Qualifizierung von Fehlern als „besonders schwerwiegend“ sehr zurückhaltend. Solche Fehler lassen sich vorwiegend im Bereich der Zulässigkeit suchen, insbesondere im Rahmen von „ausbrechenden“ Rechtsakten. Dieser Fehlertyp aber wird im Rahmen des Vollzugs des Registrierungsverfahrens durch die ECHA wohl die Ausnahme bleiben. Hingegen ist die Rechtsprechung im Bereich der Qualifizierung von  – im Registrierungsverfahren durchaus möglichen – Verfahrens- und Formfehlern sehr restriktiv, sogar ein mit nahezu jeder denkbaren Fehlervariante in diesem Bereich behafteter Beschluss wurde lediglich als rechtswidrig, nicht aber als rechtlich inexistent eingeordnet. Im Bereich von materiellen Fehlern kann eine rechtliche Inexistenz grundsätzlich in Betracht kommen, insbesondere wenn gegen höherrangiges Recht verstoßen wurde. Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass allgemeingültige Leitlinien in diesem Bereich gerade vor dem Hintergrund einer vergleichsweise geringen Anzahl von Urteilen nur schwierig zu bestimmen sind.

741

EuG, Urteil vom 10.7.1990  – Rs.  T-64/89  – Slg. II-1990, 367 (Rn.  62)  – Automec/ Kommission. 742 GA Mischo, Schlussanträge vom 11.12.1986 zu Rs.  13/85  – Slg. 1988, 1014 (1020)  – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission; GA Mancini, Schlussanträge vom 24.5.1988 zu Rs. 226/87 – Slg. 1988, 3616 (3617) – Kommission/Griechische Republik. 743 EuGH, Urteil vom 21.2.1975 – verb. Rs. 15/73 bis 33/73, 52/73, 53/73, 57/73 bis 109/73, 116/73, 117/73, 123/73, 132/73 und 135/73 bis 137/73 – Slg. 1974, 177 (Rn. 33) – Roswitha Kortner, verheiratete Schots u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaft u. a. 744 Annacker (Fn. 682), 755 (758).

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

2. Offenkundigkeit des Fehlers Hinsichtlich der Offenkundigkeit eines Fehlers existiert  – jenseits der Aussage, dass der Fehler „bei der Lektüre der Entscheidung erkennbar“745 sein muss – keine Spezifizierung des EuGH für dieses Tatbestandsmerkmal. Der EuGH hätte dazu Gelegenheit in der Entscheidung BASF746 gehabt. Dort hatten die Kläger erst während des Vortrags der Europäischen Kommission vor dem EuG von den Fehlern, auf welche sie dann die Rüge der Inexistenz stützten, erfahren. Den Adressaten war die Fehlerhaftigkeit bei der Lektüre des Beschlusses nicht aufgefallen. Dennoch stellte der EuGH lediglich auf die Frage der Schwere der Fehlerhaftigkeit ab.747 Insofern lässt sich in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal nur zusammenfassen, dass der Registrant – dieser dürfte Bezugspunkt sein, nicht aber die Beamten der Einrichtung, welche den Rechtsakt erlassen haben748 – beim Lesen des Registrierungsbeschlusses auf den Fehler aufmerksam werden muss. Dabei dürfte das aufmerksame Lesen des Beschlusses durch einen durchschnittlich rechts- und sachkundigen Betroffenen der REACH-VO ausreichen, der Maßstab eines in der Materie tätigen Experten, welcher den Beschluss einem sorgfältigen Studium unterzieht, dürfte zu streng angesetzt sein. Zu lesen ist dieses Anfordernis vor der Folie des Prinzips von Vertrauensschutz – konnte und durfte der Registrant auf die rechtliche Existenz des Registrierungsbeschlusses vertrauen. Denn vor dem Hintergrund der durchschlagenden Folge einer rechtlichen Inexistenz wird der Fehler von allen Beteiligten ebenso schnell wie eindeutig identifiziert werden müssen, um jeglichen falschen Rechtsschein zu vermeiden. 3. Rechtliche Inexistenz durch unrichtige Angaben im Registrierungsdossier Insofern ergibt sich, dass die Messlatte für das Vorliegen eines rechtlich in­ existenten Registrierungsbeschlusses nach der Rechtsprechung extrem hoch zu legen ist. Allerdings wird in diesem Zusammenhang in der Literatur die Konstellation ins Spiel gebracht, dass eventuell unrichtige – und damit auch unvollständige, denn jede Unvollständigkeit bedeutet zugleich eine Unrichtigkeit – Angaben

745

EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. 746 EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 52) – Kommission/BASF u. a. 747 So auch in der ähnlich gelagerten Entscheidung EuGH, Urteil vom 15.12.1994  – Rs.  C-195/91 P  – Slg. 1994, I-5619 (Rn.  13)  – Bayer/Kommission, dort ohne weitere Be­ gründung. 748 GA van Gerven, Schlussanträge vom 29.6.1993 zu Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 79) – Kommission/BASF u. a.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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im Registrierungsdossier die rechtliche Inexistenz des Registrierungsbeschlusses auslösen könnten.749 Zunächst bleibt fraglich, ob es in diesem Fall gelingt, die Hürde der Anforderungen an einen rechtlich inexistenten Beschluss zu überspringen. Der Fehler muss über den Grad an „normaler“ Rechtswidrigkeit hinausgehen. Allerdings ist im Eigenverwaltungsrecht anerkannt, dass ein Beschluss auf Basis unrichtiger An­gaben lediglich rechtswidrig ist und aufgehoben werden kann – nicht aber rechtlich inexistent ist.750 Auch die ECHA scheint davon auszugehen: Sie nahm eine Reihe von Registrierungsbeschlüssen zurück, die auf Falschangaben seitens der Unternehmen beruhten.751 Die ECHA ging dabei erkennbar von der Gültigkeit, allerdings Rechtswidrigkeit der Beschlüsse aus, indem sie darstellte, dass die betroffenen Registrierungen nicht länger „valid“ seien und somit auch die Unternehmen die – bis zu diesem Zeitpunkt bestehende – Befugnis verlieren, den chemischen Stoff in Mengen von mehr als 1 t/a herzustellen oder zu importieren. Daneben ist zu berücksichtigen, dass das Normkonzept der REACH-VO durchaus vorsieht, dass unzureichende Angaben im Registrierungsdossier auftauchen können und daher entsprechende Korrekturmechanismen enthält, so etwa in Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3, Art. 41 Abs. 3, Abs. 4 REACH-VO. Insofern müssen die Angaben evident unrichtig sein, sodass diese Korrekturmechanismen nicht im ausreichenden Maße greifen können. Gleichzeitig müssen die Angaben wiederum derart bestimmt sein, dass die ECHA in der Lage ist, das Registrierungsverfahren in Gang zu setzen.752 Damit bleibt der Spielraum für einen Fall des „offensichtlichen Missbrauchs“ gering.753 Insofern ist es kaum denkbar, dass eine Konstellation auftritt, in welcher ein Registrierungsdossier aufgrund unrichtiger Angaben die rechtliche Inexistenz des Registrierungsbeschlusses zur Folge hat.

749

So z. B. Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  20 REACH-VO Rn.  26; von Holleben, Vortrag: Das Registrierungsdossier im compliance check, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2011 – REACH und CLP, Tagungsunterlagen, 2011, S. 65 (70); von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 18 ff. 750 Siehe S. 267 ff. 751 Diese hatten angegeben, den KMU-Status innezuhaben, konnten dies aber nicht belegen. In der Folge wurde von ihnen die nicht reduzierte Registrierungsgebühr verlangt. Da keine Zahlung einging, erfolgte die Rücknahme der Registrierung, vgl. ECHA, ECHA protects SME privileges. Dazu auch Iber, in: Lexxion (Fn. 356), S. 15 (18), der die Korrektur von Fehlern bei der Unternehmensgröße als schnell zu behebenden Mangel nach Einreichung des Registrierungsdossiers benennt. Mittlerweile haben erste Unternehmen Widersprüche eingelegt; diese werden unter den Az. A-002–2013 und A-003–2013 geführt. 752 Dass der Antrag inhaltlich zu unbestimmt ist, eine Registrierung auszulösen, wird spätestens im Rahmen der zweiten Prüfung im Rahmen des TCC auffallen. Siehe S. 79 ff. 753 So die bei von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 20 diskutierte Konstellation.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

4. Ergebnis Die Qualifizierung eines Beschlusses der ECHA im Registrierungsverfahren als rechtlich nicht existent muss mit einem hohen Maße an Zurückhaltung erfolgen. Es gilt nach wie vor, dass „keinerlei konkrete Anhaltspunkte vorliegen, unter welchen Bedingungen die Inexistenz eines Rechtsakts vorliegt.“754 Zuvorderst sind die Voraussetzungen nicht abschließend geklärt: Dies rührt daher, dass es kaum Urteile der europäischen Gerichte zu dieser Frage gibt. Die Rüge der rechtlichen Inexistenz eines Beschlusses erfolgt also sparsam von allen Beteiligten auf europäischer Ebene. Auch die europäischen Gerichte befleißigen sich insofern großer Zurückhaltung. Zudem liegt die Anforderung an die rechtliche Inexistenz eines Beschlusses extrem hoch. Handelt jedenfalls die richtige Behörde, mithin also die ECHA, im Registrierungsverfahren, ist der Spielraum dafür, einen Beschluss als rechtlich inexistent zu qualifizieren, sehr gering. Auch unrichtige Angaben im Registrierungsdossier führen nicht zur rechtlichen Inexistenz eines Registrierungsbeschlusses.

III. Die Bestandskraft eines Registrierungsbeschlusses Die formelle Bestandskraft eines Beschlusses meint die „Unangreifbarkeit von Entscheidungen, die Festigkeit erlangt haben“755. Im primären Unionsrecht hat dieses Rechtsinstitut seinen Niederschlag lediglich indirekt, als Ausfluss der Frist des Art. 263 Abs. 6 AEUV, seinen Widerhall gefunden – ein Beschluss ist nur für eine bestimmte Zeit anfechtbar, dann erlangt er, unabhängig davon, ob er rechtmäßig oder rechtswidrig ist, Unangreifbarkeit, mithin Bestandskraft. Eine ausdrückliche Erwähnung des Rechtsinstituts der Bestandskraft, das immerhin Ausfluss des Prinzips der Rechtssicherheit ist,756 findet sich im geschriebenen Recht nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Entwicklung des EuGH, der dieses Institut aus den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hergeleitet hat.757 In den meisten 754

Schärf (Fn. 694), 333 (334). GA Colomer, Schlussanträge vom 28.1.1999 zu Rs.  C-310/97 P  – Slg. 1999, I-5365 (Rn. 55) – Kommission/AssiDomän Kraft Products AB u. a. In der Orginalfassung auf spanisch wird die Formulierung „la firmeza“ verwendet, die amtliche (verkürzte) Übersetzung übersetze dies wörtlich mit „Festigkeit“. 756 EuGH, Urteil vom 30.1.1997  – Rs.  C-178/95  – Slg. 1997, I-585 (Rn.  21)  – Wiljo/­ Belgischer Staat; EuGH, Urteil vom 13.1.2004 – Rs. C-453/00 – Slg. 2004, I-837 (Rn. 24) – Kühne & Heitz/Produktschap voor Pluimvee en Eieren; EuGH, Urteil vom 29.4.2004  – Rs. C-110/02 – Slg. 2004, I-6333 (Rn. 35) – Kommission/Rat der Europäischen Union; Bockey (Fn. 429), S. 67. 757 GA Colomer, Schlussanträge vom 28.1.1999 zu Rs.  C-310/97 P  – Slg. 1999, I-5365 (Rn.  62)  – Kommission/AssiDomän Kraft Products AB u. a. Der Sache nach wird dieses Rechtsinsitut das erste Mal in EuGH, Urteil vom 16.12.1964 – verb. Rs. 109/63 und Rs. 13/64 – Slg. 1964, 1411 (1435 f. ) – Charles Muller/Kommission, anerkannt. Das erste Mal ausdrücklich mit „Bestandskraft“ bezeichnet bei EuGH, Urteil vom 21.2.1975  – verb. Rs. 15/73 bis 755

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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Mitgliedstaaten758 bedeutet die formelle Bestandskraft eines Rechtsaktes, dass er nicht oder nicht mehr mit ordentlichen förmlichen Rechtsbehelfen anfechtbar ist.759 Dieses Rechtsinstitut wurde auch so in das Eigenverwaltungsrecht der Union übernommen.760 Sobald also ein existenter Beschluss unanfechtbar geworden ist, greift ein Aufhebungsverbot. Es spielt dabei keine Rolle, welchen Inhalts der Beschluss ist, der Eintritt von Bestandskraft ist davon unabhängig.761 Das durch den Beschluss geregelte Rechtsverhältnis ist konsolidiert.762 Daraus ergibt sich, dass auch ein rechtswidriger Beschluss bei Eintritt formeller Bestandskraft zu beachten ist und auch ggf. vollzogen werden kann. Neben der Möglichkeit des Eintritts der formellen Bestandskraft wegen Ablauf der Rechtsbehelfsfristen763 kann diese auch durch Erschöpfung des Rechtsweges eintreten.764 Der Beschluss bildet nun einen endgültigen Bestandteil des Unionsrechts.765 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist dann eine Nichtigkeitsklage nach Art.  263 AEUV bzw. ein Widerspruch nach Art.  91 ff. REACH-VO gegen einen Registrierungsbeschluss 33/73, 52/73, 53/73, 57/73 bis 109/73, 116/73, 117/73, 123/73, 132/73 und 135/73 bis 137/73 – Slg. 1974, 177 (Rn.  39)  – Roswitha Kortner, verheiratete Schots u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaft u. a.; vgl. Schroeder (Fn. 378), S. 44. 758 Vgl. GA Colomer, Schlussanträge vom 28.1.1999 zu Rs. C-310/97 P – Slg. 1999, I-5365 (Rn. 62) – Kommission/AssiDomän Kraft Products AB u. a. 759 Ipsen (Fn. 470), § 25 Rn. 2; Lauwaars, Lawfulness and legal Force of Community Deci­ sions, 1973, S. 310; Schroeder (Fn. 378), S. 45. Dort Fn. 12 zur Gleichsetzung der Begriffe „formelle Bestandskraft“ und „Unanfechtbarkeit“. Zumindest das EuG und der EuGH verwenden in der amtlichen Übersetzung beide Begriffe synonym. Dem steht allerdings entgegen, dass im deutschen Zivilprozessrecht teilweise der Begriff der „Unanfechtbarkeit“ weiter als der der „formellen Rechtskraft“ interpretiert wird, dazu Seiler, in: Thomas/Putzo/Reichold u. a. (Hrsg.), Zivilprozessordnung, 34. Aufl., 2013, § 705 ZPO Rn. 1a f. 760 EuGH, Urteil vom 19.10.1983 – Rs. 265/82 – Slg. 1983, 3105 (Rn. 7) – Union sidérurgique du Nord et de l’Est de la France „Usinor“/Kommission; EuGH, Urteil vom 15.2.2001 – Rs. C-239/99 – Slg. 2001, I-1197 (Rn. 29, 37) – Nachi Europe/Hauptzollamt Krefeld; EuG, Urteil vom 17.10.2002 – Rs. T-180/00 – Slg. 2002, II-3985 (Rn. 141) – Astipesca/Kommission. 761 Schroeder (Fn. 378), S. 67 f. 762 GA Cosmas, Schlussanträge vom 16.5.2000 zu Rs.  C-344/98  – Slg. 2000, I-11369 (Rn.  44)  – Masterfoods/HB Ice Cream; GA Gand, Schlussanträge vom 1.7.1965 zu verb. Rs. 50/64, 51/64, 53/64, 54/64 und 57/64 – Slg. 1965, 1080 (1096) – Ralph Loebisch/Räte der EWG, EAG und EGKS; in diese Richtung auch Schmidt-Aßmann, Die Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch u. a. (Hrsg.), Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 2003, S. 487 (490). 763 Etwa Art. 263 Abs. 6 AEUV, Art. 90 Abs. 2 Beamtenstatut. Die amtliche Übersetzung des Urteils EuGH, Urteil vom 13.1.2004 – Rs. C-453/00 – Slg. 2004, I-837 (Rn. 24) – Kühne & Heitz/Produktschap voor Pluimvee en Eieren, verwendet den Begriff „Rechtsmittel“ anstelle von „Rechtsbehelf“. Nach deutschem Verständnis handelt es sich bei einer Klage vor den europäischen Gerichten nicht um ein Rechtsmittel, da diesem der Devolutiveffekt fehlt, ­Schroeder (Fn.  378), S.  68 Fn.  120. Zur Unterscheidung beider Begriffe im deutschen Recht Kopp/ Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 19. Aufl., 2013, § 58 VwGO Rn. 4. 764 Vgl. EuG, Urteil vom 7.2.2001 – Rs. T-186/98 – Slg. 2001, II-557 (Rn 41 ff.) – Compañía Internacional de Pesca y Derivados (Inpesca)/Kommission. 765 GA Colomer, Schlussanträge vom 28.1.1999 zu Rs.  C-310/97 P  – Slg. 1999, I-5365 (Rn. 55) – Kommission/AssiDomän Kraft Products AB u. a.; Schroeder (Fn. 378), S. 77.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

unzulässig.766 Ein Registrierungsbeschluss der ECHA ist also – solange er nicht tatsächlich oder rechtlich inexistent ist – unabhängig davon, ob er als rechtmäßig oder rechtswidrig anzusehen ist, zunächst wirksam und wird, sobald er nicht mehr angegriffen werden kann, formell bestandskräftig.

IV. Die Unbeachtlichkeitsregelungen bei der Verletzung wesentlicher Formschriften im Überblick Im Eigenverwaltungsrecht wie im deutschen Recht führt nicht zwangsweise jeder Fehler zur Rechtswidrigkeit bzw. Rücknehmbarkeit eines Beschlusses. Auch im Eigenverwaltungsrecht bestehen Möglichkeiten zur Heilung von Fehlern767, ebenso existieren Konstellationen, in denen Fehler unbeachtlich sind und eine Klage ausscheidet. Dabei wird grundsätzlich768 dergestalt zweistufig vorgegangen, dass zunächst der Verfahrensfehler festgestellt und danach untersucht wird, ob eine Heilung stattfinden kann oder ob dieser (aus prozessökonomischen Gründen) unbeachtlich ist. Innerhalb dieses Verfahrens kann entweder nach der Identifikation des Verfahrensfehlers eine Heilung durch die Behörde stattfinden, womit sich eine gerichtliche Aufhebung nicht mehr rechtfertigt.769 766 Vgl. EuGH, Urteil vom 12.7.1984  – Rs.  227/83  – Slg. 1984, 3133 (Rn.  13)  – Sophie Moussis/Kommission. 767 Der Begriff der „Heilung“ wird i. V. m. Verfahrensfehlern von den europäischen Gerichten kaum verwendet, konstatiert Bülow (Fn. 686), S. 239, die diesen lediglich in fünf Urteilen des EuG aufgefunden hat: EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-32/91 – Slg. 1995, II-1825 (Rn.  53)  – Solvay/Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995  – Rs.  T-30/91  – Slg. 1995, II-1775 (Rn. 98; 103) – Solvay/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.1996 – Rs. T-16/91 RV – Slg. 1996, II-1827 (Rn.  56)  – Rendo u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 16.10.1996  – Rs. T-37/94 – Slg. ÖD 1996, I-A-461 (I-A-468) – Dimitrios Benecos/Kommission; EuG, Urteil vom 6.11.1997 – Rs. T-71/96 – Slg. ÖD 1997, I-A-339 (I-A-348) – Sonja Edith Berlingieri Vinzek/Kommission. Dennoch ist auch dort das Rechtsinstitut einer nachträglichen Korrektur formeller Mängel verankert. Ungenau Classen, Das nationale Verwaltungsverfahren im Kraftfeld des europäischen Gemeinschaftsrechts, Die Verwaltung 31 (1998), 307 (324 f.), der hier die Konstellation eines „Nachschiebens von Gründen“ bei Ermessensentscheidungen, mithin die Korrektur einer formell ordnungsgemäßen, allerdings inhaltlich rechtsirrigen Begründung in die Diskussion bringt. Diese Konstellation allerdings musste der EuGH im Rahmen der von Classen genannten Rechtsprechung nicht entscheiden, dort ging es jeweils um Beschlüsse, die formell nicht den Mindestanforderungen entsprachen. Ausführlich Bülow (Fn. 686), S. 239 ff. 768 Vereinzelt finden sich auch Urteile des EuG, in denen dieser prüft, ob durch die Nichtübermittlung von Schriftstücken in concreto die Verteidigung des Betroffenen beeinträchtigt wurde, etwa EuG, Urteil vom 15.3.2000 – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 – Slg. 2000, II-491 (Rn. 142) – Cimenteries CBR u. a./Kommission. Kritisch zu dieser Rechtsprechung Bülow (Fn. 686), S. 216 f. 769 Möglichkeiten und Grenzen werden im Rahmen der jeweils untersuchten Rechtsinstitute dargestellt, für den Anspruch auf rechtliches Gehör siehe S. 189 ff., für das Akteneinsichtsrecht siehe S. 212 f. sowie für die Begründungspflicht siehe S. 224 ff.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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Alternativ kann ein Verfahrensfehler vorliegen, welcher nicht geheilt werden kann, aber unbeachtlich ist. Hier hat die europäische Rechtsprechung entsprechende Fallgruppen770 entwickelt, bei denen eine Nichtigkeitserklärung wegen eines formellen Fehlers dann nicht erfolgen muss, wenn die Verwaltung keinen Ermessensspielraum besitzt und die getroffene Entscheidung auch bei ordnungsgemäßem Verfahren genauso hätte treffen müssen. Denn dann würde die Aufhebung des unter dem Formmangel leidenden Beschlusses lediglich zum Erlass eines neuen Beschlusses führen, der aber inhaltlich mit dem ersten Beschluss vollkommen identisch ist. Der Betroffene gewinnt somit durch eine Aufhebung keinen Vorteil.771 Der EuGH entnahm diesen Grundsatz, die „théorie des moyens inopérants en cas de compétence licée“772, dem französischen Recht. Verfahrens- und Begründungsmängel können daher nur dann zu einer Aufhebung führen, wenn ein Einfluss auf den Inhalt des Beschlusses möglich wäre.773 Dieses Vorbringen würde man nach deutscher Terminologie dem Rechtsschutzinteresse zuordnen – es fehlt, weil der Kläger an einer Aufhebungsentscheidung kein rechtliches Interesse hat, da ohnehin die Verwaltung denselben Verwaltungsakt wieder neu erlassen müsste.774 Parallel dazu – allerdings im Rahmen der Begründetheit der Klage –775 argumentieren die EU-Organe: Bringen diese nämlich vor, dass der Betroffene kein rechtliches Interesse an der Aufhebung des Beschlusses habe, weil sie zum Erlass des Beschlusses verpflichtet seien, ihnen kein Ermessensspielraum zustünde und kann das EU-Organ der ihm darauf zukommenden Beweislastpflicht im vollen Umfang genügen, wertet die Rechtsprechung den Klagegrund der Verletzung wesentlicher Formvorschriften als „nicht schlüssig“. 770 Hier werden lediglich zwei – für den Vollzug der REACH-VO relevante – Konstellationen dargestellt. In der Literatur, Bülow (Fn. 686), S. 336, werden noch weitere Fallgruppen iden­ tifiziert. 771 EuGH, Urteil vom 6.7.1983 – Rs. 117/81 – Slg. 1983, 1983 (Rn. 7) – Jean Jaques Geist/ Kommission; Fengler, Die Anhörung im europäischen Gemeinschaftsrecht und deutschen Verwaltungsverfahrensrecht, 2003, S. 95 f. 772 Zu dieser Rechtsfigur im französischen Recht Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen im französischen und im deutschen Verwaltungsrecht, 1999, S. 156, 168 ff. 773 EuGH, Urteil vom 29.9.1976 – Rs. 9/76 – Slg. 1976, 1415 (Rn. 10) – Carmelo Morello/ Kommission; EuGH, Urteil vom 10.7.1980 – Rs. 30/78 – Slg. 1980, 2229 (Rn. 26) – Distillers Company/Kommission; EuGH, Urteil vom 6.7.1983 – Rs. 117/81 – Slg. 1983, 1983 (Rn. 7) – Jean Jaques Geist/Kommission; EuGH, Urteil vom 10.7.1986 – Rs. 234/84 – Slg. 1986, 2263 (Rn. 30) – Königreich Belgien/Kommission; EuGH, Urteil vom 11.11.1987 – Rs. 259/85 – Slg. 1987, 4393 (Rn.  13)  – Französische Republik/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.2.1990  – Rs. C-301/87 – Slg. 1990, I-307 (Rn. 31) – Französische Republik/Kommission; EuGH, Urteil vom 21.3.1990  – Rs.  C-142/87  – Slg. 1990, I-959 (Rn.  48)  – Königreich Belgien/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.1996 – Rs. T-99/95 – Slg. 1996, II-2227 (Rn. 32) – Henk Altmann u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 26.1.2000  – Rs.  T-86/98  – Slg. ÖD 2000, I-A-5, I-A-9 und II-23 (Rn. 77) – Dimitrios Gouloussis/Kommission; von Danwitz (Fn. 24), S. 391; Hegels (Fn. 234), S. 87. 774 Bülow (Fn. 686), S. 304 f. 775 EuG, Urteil vom 23.1.2002  – Rs.  T-237/00  – Slg. 2002, II-163 (Rn.  40)  – Patrick­ Reynolds/Parlament.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Dabei differenziert die Rechtsprechung regelmäßig zwischen gebundenen776 und Ermessensentscheidungen:777 Lediglich bei gebundenen Beschlüssen hält die europäische Rechtsprechung diese Formel für uneingeschränkt einschlägig und versagt regelmäßig die Aufhebung vor dem Hintergrund prozessökonomischer Erwägungen.778 Ein solcher Fall liegt im Rahmen der Registrierung nach Art. 20 REACH-VO vor, die ECHA hat bei Vorliegen eines vollständigen Registrierungsdossiers eine positive Registrierungsentscheidung nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO zu treffen, bei erstmalig festgestellter Unvollständigkeit einen Nachforderungsbeschluss nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO, bei erneut festgestellter Unvollständigkeit einen Ablehnungsbeschluss nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO. Im Rahmen von Ermessensentscheidungen wendet die Rechtsprechung diesen Grundsatz nur sehr zurückhaltend an – sie müsste dann im ermessensrelevanten Bereich die Entscheidungsfindung der Behörde rekonstruieren.779 Solche Ermessensentscheidungen muss die ECHA im Rahmen der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen treffen.780 Die Unbeachtlichkeit eines Fehlers kann dabei im Wesentlichen in zwei Varianten auftreten: Zum einen kann ein Fall der rechtlichen Alternativlosigkeit bestehen. Dabei genügt eine abstrakt-rechtliche Beurteilung: Ein Fehler beeinflusst die Sach­ entscheidung nicht, wenn feststeht, dass das Ergebnis aus Rechtsgründen so hätte ausfallen müssen (A. IV. 1.)781. Daneben kann auch eine tatsächliche Alternativlosigkeit bestehen: Wenn aus tatsächlichen Gründen feststeht, dass das Ergebnis ohne den Formfehler (A. IV. 2.)782 ebenso ausgefallen wäre, liegt ebenfalls die Unbeachtlichkeit des Fehlers vor. 776 Der Begriff der gebundenen Beschlüsse wurde von den europäischen Gerichten bislang nicht ausdrücklich definiert. Jedenfalls beinhaltet dieser – deckungsgleich mit dem deutschen Recht  – Konstellationen, in denen die Behörde bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen die in der Norm vorgegebene Rechtsfolge wählen muss, Bülow (Fn.  686), S. 321. 777 Bülow (Fn. 686), S. 321. 778 Bülow (Fn.  686), S.  321. In den Urteilsbegründungen finden sich regelmäßig Formulierungen wie „das Gericht untersucht die Verfahrensfehler jedoch nur“, EuG, Urteil vom 27.11.1990 – Rs. T-7/90 – Slg. 1990, II-721 (Rn. 30) – Dorothea Kobor/Kommission; EuG, Urteil vom 18.2.1993 – Rs. T-1/92 – Slg. 1993, II-107 (Rn. 47) – Santo Tallarico/Parlament; bzw. „ist es nicht erforderlich, den geltend gemachten Verfahrensfehler zu untersuchen“, EuGH, Urteil vom 10.7.1980 – Rs. 30/78 – Slg. 1980, 2229 (Rn. 26) – Distillers Company/ Kommission. Diese Vorgehensweise dient damit wesentlich der Verfahrensbeschleunigung und umgeht so die Prüfung von Verfahrensfehlern, die sich als im Ergebnis unbeachtlich erweisen werden. Im deutschen Recht wird dabei oft der Grundsatz des „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ angewendet – Bülow (Fn. 686), S. 326 m. w. N. in Fn. 1407. 779 Bülow (Fn. 686), S. 321. 780 Siehe S. 280 ff. und S. 339. 781 Siehe S. 170 f. 782 Siehe S. 171 ff.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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1. Unbeachtlichkeit im Fall der rechtlichen Alternativlosigkeit bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften So stellte der EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Distillers Company783 fest, dass die Europäische Kommission zwar im Verlaufe des Verfahrens zur Freistellung der Preisbedingungen nach Art. 85 Abs. 3 EWGV784 Form­ vorschriften verletzt habe. Das Gericht wies die Klage aber dennoch ab, da ein Ablehnungsbeschluss auch bei einem ohne Mängel durchgeführten Verfahren hätte ergehen müsse, da die Anmeldung der Preisbedingungen nicht den Vorgaben der (damaligen) Kartellverordnung genügt hat. Der EuGH ließ vor diesem Hintergrund offen, ob die Verletzung der Formvorschriften tatsächlich in der Art wesentlich gewesen wäre, dass der Beschluss aufgehoben werden müsste  – jedenfalls müsste er in einem nächsten Schritt in gleicher Weise neu erlassen werden. Damit entschied sich der EuGH, sich jeder Prüfung von gerügten Verfahrensfehlern zu enthalten.785 Der EuGH traf damit eine Grundsatzentscheidung im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage nach Art.  263 Abs.  2 2. Var. AEUV und das Vorliegen rechtlicher Alternativlosigkeit und schränkte dessen Anwendungsbereich dahin gehend ein, dass eine Aufhebung wegen der Verletzung wesentlicher Formvorschriften nicht ergeht, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf die Sachentscheidung haben kann.786 Der EuGH bestätigt somit in technischer Hinsicht lediglich das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens als „richtig“, nimmt aber keine Kausalitätsprüfung vor, da zwingend davon auszugehen ist, dass sich der Fehler nicht auf die Sachentscheidung der Verwaltung ausgewirkt hat.787 Diesen Grundsatz haben EuG und EuGH für Fälle der rechtlichen Alternativlosigkeit in der Folgezeit immer wieder bestätigt.788 783 EuGH, Urteil vom 10.7.1980  – Rs.  30/78  – Slg. 1980, 2229  – Distillers Company/ Kommission. 784 Heute Art. 101 Abs. 3 AEUV. 785 EuGH, Urteil vom 10.7.1980 – Rs. 30/78 – Slg. 1980, 2229 (Rn. 26) – Distillers Company/Kommission. 786 Bülow (Fn. 686), S. 324. Im europäischen Schrifttum etwa Toth, European Community Law – Volume I: Institutional Law, 1990, S. 301. Der Entscheidung lässt sich allerdings nicht weiter gehend entnehmen, dass Verfahrensfehler ein bestimmtes Gewicht haben müssen, um eine Aufhebung zu rechtfertigen. Denn der EuGH nahm in Hinblick auf Verfahrensfehler von generell jeder Prüfung Abstand, Bülow (Fn. 686), S. 325. 787 Bülow (Fn. 686), S. 326. 788 Etwa EuGH, Urteil vom 11.11.1987 – Rs. 259/85 – Slg. 1987, 4393 (Rn. 13) – Franzö­ sische Republik/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.2.1990 – Rs. C-301/87 – Slg. 1990, I-307 (Rn. 31) – Französische Republik/Kommission; EuGH, Urteil vom 21.3.1990 – Rs. C-142/87 – Slg. 1990, I-959 (Rn. 48) – Königreich Belgien/Kommission; EuGH, Urteil vom 24.9.2002 – verb. Rs.  C-74/00 P und C-75/00 P  – Slg. 2002, I-7934 (Rn.  122)  – Falck u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 22.6.1990 – Rs. T-27/89 – Slg. 1990, II-269 (Rn. 28) – Vassilis Sklias/ Gerichtshof; EuG, Urteil vom 12.5.2009  – Rs.  T-410/07  – Slg. 2009, II-1345 (Rn.  30)  –

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

2. Unbeachtlichkeit im Fall der tatsächlichen Alternativlosigkeit bei der Verletzung von Formvorschriften Eine ähnliche Rechtsfigur haben die europäischen Gerichte ebenfalls für den Fall des Verstoßes gegen Formvorschriften entwickelt. Auch in dieser Konstel­ lation kann das beklagte EU-Organ eine Aufhebung wegen eines Verstoßes gegen eine wesentliche Formvorschrift vermeiden, indem es darauf hinweist, dass dem Kläger ein Interesse an der Aufhebung fehlt, weil das Organ zum Erlass des Beschlusses verpflichtet sei.789 Für dieses Vorbringen hat es die Beweislast.790 Das bedeutet, dass bei Beschlüssen, bei denen die Verwaltung durch das Gesetz an eine bestimmte Rechtsfolge gebunden ist, ein Formmangel regelmäßig unbeachtlich ist.791 Bei Ermessensentscheidungen kann dagegen ein Formmangel die Aufhebbarkeit eines Beschlusses begründen, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass eine andere Entscheidung in Frage gekommen wäre. Auch hier ist somit die Vorgehensweise der Gerichte an einer effektiven Verwaltungsarbeit orientiert: Den Beteiligten soll nicht ein zeit- und kostenintensives Verfahren zugemutet werden, das dann zum Erlass desselben Beschlusses führt.792 3. Folgen für die Möglichkeit der Nichtigkeitserklärung eines Registrierungsbeschlusses aufgrund eines Verfahrens- bzw. Formfehlers Daraus ergibt sich, dass die Möglichkeiten, aus einem Verfahrensfehler in einem Registrierungsbeschluss der ECHA eine Nichtigkeitserklärung nach Art.  264 Abs. 1 AEUV zu erzielen, eingeschränkt sind: Kann nämlich das Gericht den angefochtenen Beschluss auf seine Richtigkeit beurteilen und kommt dann zum Ergebnis, dass die Aufhebung des BeschlusJurado Hermanos/Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle); EuG, Urteil vom 3.9.2009 – Rs. T-326/07 – Slg. 2009, II-2685 (Rn. 249) – Cheminova u. a./ Kommission; kritisch, da die Verfahrensvorschriften vielfach gerade den Sachverhalt ermitteln wollen, Mader (Fn. 620), S. 379. 789 Vgl. etwa in EuGH, Urteil vom 29.9.1976 – Rs. 9/76 – Slg. 1976, 1415 (Rn. 11) – Carmelo Morello/Kommission; EuGH, Urteil vom 6.7.1983 – Rs. 117/81 – Slg. 1983, 1983 (Rn. 7) – Jean Jaques Geist/Kommission; EuGH, Urteil vom 20.5.1987 – Rs. 432/85 – Slg. 1987, 2229 (Rn. 20) – Theano Souna/Kommission; EuG, Urteil vom 18.12.1992 – Rs. T-43/90 – Slg. 1992, II-2619 (Rn. 54) – José Miguel Díaz García Parlament; Bülow (Fn. 686), S. 306 ff., analysiert weitere Urteile, in den en EuGH und EuG diesen Rechtssatz anwenden. 790 EuG, Urteil vom 21.3.1996 – Rs. T-230/94 – Slg. 1996, II-195 (Rn. 38) – Frederick Farrugia/Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 305 f. 791 EuGH, Urteil vom 6.7.1983 – Rs. 117/81 – Slg. 1983, 1983 (Rn. 7) – Jean Jaques Geist/ Kommission; Hegels (Fn. 234), S. 87. 792 Bülow (Fn. 686), S. 317; Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, Rn. 174; Schwarze (Fn. 233), S. 1374.

A. Das Gültigkeitsregime und Fehlerfolgenregelung

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ses lediglich den Erlass des inhaltsgleichen Beschlusses zur Folge hätte, wird es die Nichtigkeitsklage abweisen: Steht zweifelsfrei fest, dass der Fehler den Beschluss nicht beeinträchtigt haben kann, wird es der Verletzung wesentlicher Form­vorschriften nach Art. 263 Abs. 2 2. Var AEUV nicht mehr nachgehen und die Klage wegen fehlenden Aufhebungsinteresses793 abweisen.794 Krankt also der Beschluss der ECHA lediglich an einem Verfahrens- oder Formfehler, ist der Beschluss allerdings dennoch materiell rechtmäßig, kommt eine Nichtigkeitserklärung nicht in Betracht. In diesen Fällen würde die Aufhebung des Beschlusses lediglich den erneuten Erlass des inhaltlich selben Beschlusses zur Folge haben. Ist aber ein Beschluss aufgrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften (auch) inhaltlich rechtswidrig, werden die europäischen Gerichte den Registrierungsbeschluss nach Art. 264 AEUV für nichtig erklären. Liegt hingegen eine Konstellation mit Ermessensspielraum vor, wie im Rahmen der Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses, in der das Gericht nur unter Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes seine Entscheidung vor die der Verwaltung stellen kann, findet der Grundsatz des fehlenden Aufhebungsinteresses keine Anwendung.795 Dabei wird das Gericht die gerügte Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift prüfen; ist dies der Fall, findet eine Prüfung der Entscheidungserheblichkeit des Mangels nicht statt. Es genügt vielmehr der Hinweis, dass

793 Jedoch hat die Rechtsprechung es bislang vermieden, ausdrücklich zur Frage Stellung zu nehmen, ob, wie im Rahmen von § 46 (L)VwVfG, lediglich der Aufhebungsanspruch (dieser Begriff findet sich im Unionsrecht nicht, weil die Nichtigkeitsklage gerade keine Ver­ letzung des Klägers in eigenen subjektiven Rechten verlangt, Bülow [Fn. 686], S. 316 f.) ausgeschlossen ist oder auch die Rechtswidrigkeit des Beschlusses selbst verneint wird. So der Befund von Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn.  306), § 45 VwVfG Rn.  161. Beide Lösungen sind denkbar – in einigen Entscheidungen sprechen die europäischen Gerichte dem Kläger das „Aufhebungsinteresse“ ab, EuGH, Urteil vom 29.9.1976  – Rs.  9/76  – Slg. 1976, 1415 (Rn. 11) – Carmelo Morello/Kommission; EuGH, Urteil vom 10.7.1980 – Rs. 30/78 – Slg. 1980, 2229 (Rn. 26) – Distillers Company/Kommission; EuGH, Urteil vom 6.7.1983  – Rs.  117/81  – Slg. 1983, 1983 (Rn.  7)  – Jean Jaques Geist/Kommission; EuGH, Urteil vom 20.5.1987 – Rs. 432/85 – Slg. 1987, 2229 (Rn. 20) – Theano Souna/Kommission; EuG, Urteil vom 18.12.1992 – Rs. T-43/90 – Slg. 1992, II-2619 (Rn. 54) – José Miguel Díaz García Parlament; EuG, Urteil vom 15.7.1993 – Rs. T-27/92 – Slg. 1993, II-873 (Rn. 53) – Maria CameraLampitelli u. a./Kommission; vgl. Fengler (Fn. 771), S. 95 f. In anderen Entscheidungen erfolgt die Aussage, dass der Mangel des Beschlusses „nicht mehr als Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift betrachtet werden kann“, EuGH, Urteil vom 8.3.1988 – verb. Rs. 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86 – Slg. 1988, 1399 (Rn. 53) – Giovanni Sergio/Kommission; EuG, Urteil vom 27.6.1991 – Rs. T-156/89 – Slg. 1991, II-407 (Rn. 133) – Íñigo Valverde Mordt/ Gerichtshof. In weiteren Entscheidungen fehlt eine solche Festlegung vollständig, EuG, Urteil vom 13.12.1990 – verb. Rs. T-160/89 und T-161/89 – Slg. 1990, II-871 (Rn. 74) – Gregoris Evangelos Klavros/Gerichtshof; EuG, Urteil vom 20.3.1991 – Rs. T-1/90 – Slg. 1991, II-143 (Rn. 98) – Gloria Pérez-Mínguez Casariego/Kommission. 794 Bülow (Fn. 686), S. 316. 795 EuGH, Urteil vom 8.7.1965 – Rs. 68/63 – Slg. 1965, 775 (802) – Hartmut Luhleich/Kommission der EAG; EuG, Urteil vom 23.1.2002 – Rs. T-237/00 – Slg. 2002, II-163 (Rn. 83) – Patrick Reynolds/Parlament; Bülow (Fn. 686), S. 318.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

die Möglichkeit besteht, dass der Beschluss inhaltlich ohne Vorliegen der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift anders ausgefallen wäre.

V. Bilanz im Hinblick auf das grundlegende Verwaltungsrechtssystem des Eigenverwaltungsrechts Das System des Eigenverwaltungsrechts scheint im Hinblick auf die grundsätzlichen Rechtsinstitute, die Wirksamkeit, die rechtliche Inexistenz, die Bestandskraft und die Heilungsmöglichkeiten von Beschlüssen wie auch die Regelungen zur Unbeachtlichkeit von Fehlern ausgereift. Diesem liegt eine generell stabile Rechtsprechung zugrunde, die positiv von den Generalanwälten und der Literatur begleitet und vom Normgeber anerkannt wird. Die grundlegenden Eckpunkte des Eigenverwaltungsrechts erscheinen fest und in Bezug auf den Vollzug des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO vollzugstauglich.796 Der Vollzug der REACH-VO kann auf dieser Basis stattfinden. Die Probleme liegen vielmehr im Detail im Bereich der Frage, wann ein Beschluss der ECHA rechtlich inexistent ist. So könnten etwa im Normtext benannte Fallgruppen eine Identifikation solcher Konstellationen leichter machen. An dieser Stelle lässt die REACH-VO eine Lücke, die aber vom Eigenverwaltungsrecht nur in Ansätzen geschlossen werden kann. Abgesehen von einer Prüfungsformel fehlt es an validen Aussagen für den Einzelfall. Dies beruht zum einen auf einer nicht einheitlichen Rechtsprechung des EuGH selbst, aber auch des EuGH gegenüber dem EuG, sowie letztlich auf einer zu geringen Fallzahl, als dass sich aus der Rechtsprechung allgemeintaugliche Aussagen mit hoher Verlässlichkeit herleiten lassen. Hier stehen lediglich Grundlinien zur Verfügung, die eine Beurteilung im Einzelfall erschweren. Dies mag umso schwerer wiegen, als dass die Folgen für den Registrierungsbeschluss und alle Betroffenen erheblich sind. Umgekehrt aber sollen diese Folgen nur in absoluten Ausnahmefällen eintreten – die wiederum erst einmal auftreten müssen. Eine solche Ausnahme kann denk­notwendig nur bei einer hohen Zahl an Beschlüssen vorliegen – hier kann das Registrierungsverfahren nach der REACH-VO dazu beitragen, dass diese Regelzahl erreicht wird und sich die Rechtsprechung in diesem Punkt konkretisiert. Dennoch hängt der Verordnungsgeber als Dionysios ein Schwert über den Kopf der am Registrierungsverfahren beteiligten Akteure  – hier werden ECHA und Registranten in der Rolle des Damokles jeweils im Einzelfall hoffen, dass das Rosshaar nicht gerade jetzt reißt und alle Beteiligten vor der rechtlichen Inexistenz des Registrierungsbeschlusses stehen. Dieses Haar erscheint hier beson 796

Dennoch enthält der Bericht des Europäischen Parlaments dazu keine Regelungen, Europäisches Parlament, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15.  Januar 2013 mit Empfehlungen an die Kommission zu einem Verwaltungsverfahrensrecht der Europäischen Union (2012/2024(INI)). Vgl. auch die Kritik bei Guckelberger/Geber (Fn. 251), S. 212.

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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ders dünn vor dem Hintergrund der Diskussion in der Literatur, inwiefern unrichtige An­gaben im Registrierungsdossier zur rechtlichen Inexistenz des Beschlusses führen. Kann aber die Rechtsprechung diese Lücke nicht schließen, steht (spätestens dann) der europäische Normgeber auf dem Posten. Dieser könnte jedenfalls eine Kodifizierung von besonderen REACH-spezifischen797 Gründen der rechtlichen Inexistenz innerhalb der REACH-VO verankern. Derartige Kataloge sind dem europäischen Sekundärrecht nicht fremd, sie existieren etwa im Rahmen des Geschmacksmusterrechts in Art. 9 EG-Geschmacksmusterverordnung. So könnte gegebenenfalls für die oben diskutierte Fallgruppe einer Registrierung durch unrichtige Angaben, jedenfalls, wenn diese absichtlich erfolgen, die automatische rechtliche Inexistenz propagiert werden. Mindestens würde sich durch einen solchen Katalog diese Frage insofern klären lassen, wenn entweder deren ausdrückliche rechtliche Inexistenz angeordnet wird oder diese Fallkonstellation in einem entsprechenden Katalog ausdrücklich fehlt. Auf diese Weise könnte hier ein Stück Rechtsunsicherheit genommen werden.

B. Anspruch auf rechtliches Gehör – Durchführung einer Anhörung im Registrierungsverfahren Der Anspruch auf rechtliches Gehör bildet das Zentrum der Verfahrensrechte eines von einem Verwaltungsverfahren Betroffenen.798 Ihm steht das Recht zu, seinerseits seine Sicht der Dinge der Behörde darzulegen, dieser Informationen zukommen zu lassen. Er ist nicht reines Objekt des Verwaltungsverfahrens, sondern kann auf diese Weise in das Verfahren hineinwirken. Dies garantiert das Recht auf rechtliches Gehör, mithin die Durchführung einer Anhörung vor Erlass eines belastenden Beschlusses im Rahmen des Registrierungsverfahrens bzw. der Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses.

797 Ein nächster Schritt wäre die Kodifizierung allgemeiner positiver oder negativer Kataloge mit Gründen der rechtlichen Inexistenz nach dem Vorbild des deutschen § 44 Abs. 2 bzw. Abs. 3 (L)VwVfG. Dabei wäre dann gegebenenfalls die Rechtsprechungslinie zu übernehmen, neu zu ordnen oder das Recht der rechtlichen Inexistenz auf eine neue Basis zu stellen. Eine solche Kodifikation im Rahmen der REACH-VO wäre aber systematisch wenig sinnvoll, dazu und auch zur Problematik der Kodifizierung des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts siehe S. 356 ff. 798 Fengler (Fn. 771), S. 25; Kahl, Lücken und Ineffektivitäten im Europäischen Verwaltungsverbund am Beispiel des Rechts auf Anhörung, DVBl. 2012, 602 (602); Schwarze (Fn. 625), 85 (91); Stoye (Fn. 622), S. 76 jeweils m. w. N.; aus der Rechtsprechung relativ früh EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 (Rn. 9) – Hoffmann-La Roche/Kommission: „Die Gewährung rechtlichen Gehörs stellt […] einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der auch in einem Verwaltungsverfahren beachtet werden muss.“

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Daher tun sich zwei Fragen auf: zum einen, ob eine Anhörung799 bei Erlass eines ablehnenden Registrierungsbeschlusses nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 REACH-VO, bei der Aufhebung einer Registrierung und sogar bereits im Rahmen der Nachforderung von Informationen nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACHVO stattfinden muss (B. I.)800 Ist dies aber der Fall, fragt es sich, ob diese durch eine Rechtsgrundlage geboten wird (B. I.  1.)801. Zuzugeben ist, dass die ECHA zwar grundsätzlich auch ohne das Vorliegen einer Rechtsgrundlage eine Anhörung durchführen kann, allerdings bedeutet eine normative Verankerung eine positive Verfestigung einer ansonsten gegebenenfalls wechselbaren und wechselhaften Verwaltungspraxis, bedeutet dass sich Registranten und ECHA darauf einstellen können, regelmäßig angehört zu werden und anhören zu müssen. Zum anderen müssen Inhalt und Durchführung der Anhörung herausgearbeitet werden, mithin, welche Anforderungen dahin gehend an die ECHA zu stellen sind (B. II.)802. Daneben werden die Folgen einer fehlenden oder nicht ordnungsgemäß durchgeführten Anhörung im konkreten Verfahren erörtert (B. III.)803.

799

Der Begriff der „Anhörung“ findet sich auch in der REACH-VO, etwa in Art. 41 Abs. 7 REACH-VO, Art. 93 Abs. 1 REACH-VO, Art. 110 Abs. 2, Abs. 4 REACH-VO (in der englischen Fassung „Consulting“, in der französischen Fassung „Consultation“). Dabei handelt es sich aber nicht um eine Ausprägung des Rechts auf rechtliches Gehör des von einem Beschluss Betroffenen, sondern die REACH-VO normiert unter diesem Begriff die Beteiligung von innerunionalen Organen oder Einrichtungen. Konkrete Beteiligungsrechte privater Betroffener werden hingegen unter Verwendung des Begriffs „Bemerkungen“ (in der englischen Fassung „Comment“, in der französischen Fassung „Observation“) normiert, etwa in Art.  50 Abs.  1 REACH-VO. Allerdings werden auch diese Begrifflichkeiten nicht durchgängig systematisch für eine Anhörung individuell Betroffener verwendet. Unter demselben Begriff wird in Art. 9 Abs. 8 UAbs. 2 REACH-VO das Recht einer Stellungnahme für nationale Behörden normiert, in Art. 59 Abs. 5 REACH-VO das Recht zur Stellungnahme für die Mitgliedstaaten und die ECHA, in Art. 97 Abs. 5 REACH-VO das Recht der Stellungnahme für den Rechnungshof der EU, in Art. 58 Abs. 4 S. 2, Art. 59 Abs. 4 REACH-VO das Recht zur Äußerung nicht für gerade einen von einem Verwaltungsverfahren Betroffenen, sondern für „interessierte Kreise“. Das Recht für Betroffene, Stellung zu nehmen, wird auch unter dem Begriff der „Äußerung“ (in der englischen Fassung erneut „Comment“, in der französischen Fassung erneut „Observation“) in Art. 64 Abs. 5 REACH-VO normiert. Die Nutzung des Begriffs „Anhörung“ als Ausdruck rechtlichen Gehörs individuell Betroffener erfolgt also erkennbar unsystematisch; eine konkrete Leitlinie ist dabei nicht zu erkennen. Dennoch soll dieser Begriff im Rahmen dieser Arbeit im Sinne einer Anhörung eines von einem Verwaltungsverfahren Betroffenen als Ausprägung von rechtlichem Gehör verwendet werden. 800 Siehe S. 176 ff. 801 Siehe S. 177 ff. 802 Siehe S. 185 ff. 803 Siehe S. 188 ff.

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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I. Die Notwendigkeit einer Anhörung im Rahmen des Registrierungsverfahrens der REACH-VO Die REACH-VO normiert für das Registrierungsverfahren keine Anhörung. Art.  20 REACH-VO weist keine entsprechende Regelung auf,804 ebenso wenig enthalten die weiteren Titel der REACH-VO eine derartige Anforderung für das Registrierungsverfahren.805 Umgekehrt ergibt sich aus dem bereits oben dargestellten Normbestand,806 dass der REACH-VO Beteiligungs- und gerade Anhörungsrechte nicht fremd sind. Gleichzeitig steht aber gerade durch die explizite Nutzung dieses Begriffs in Verbindung mit unsystematischen Bezeichnungen und Benennungen nicht in Rede, dass die REACH-VO de lege lata ein allgemeines Prinzip einer Anhörung normiert, das auch für die Registrierung Anwendung finden kann. Fraglich ist aber, ob dieses vor der Rechtsprechung der europäischen Gerichte tragbar ist oder ob sich hier eine Lücke auftut, die den rechtmäßigen Vollzug der REACH-VO gefährdet. 1. Das Recht auf Anhörung als allgemeiner Grundsatz des Eigenverwaltungsrechts Die Gewährung rechtlichen Gehörs, insbesondere durch die Anhörung des Betroffenen, soll zuvorderst seinem Anspruch auf gerechte und angemessene Behandlung Rechnung tragen. Daneben muss dieses Rechtsinstitut auch im Lichte der Entwicklung der EU betrachtet werden: Ursprünglich gegründet als Zweckverband807, weiterentwickelt zu einer Rechtsgemeinschaft, welche die Ziele der europäischen Integration zu realisieren versucht, bedeutet dies ein Verständnis von „Rechtsdurchsetzung zur Zweckdurchsetzung“. Die Durchsetzung der Zweckverfolgung jedoch ist nicht um jeden Preis möglich, sondern lediglich dann, wenn der Einzelne gerecht und angemessen behandelt wird. Vor diesem Hintergrund kommt der Anhörung im Recht der EU eine zentrale Bedeutung zu.808 Denn die Durch 804

So enthält etwa Art.  20 Abs.  2 UAbs. 3 S.  1 REACH-VO lediglich eine „Mitteilungs­ obliegenheit“ der ECHA, dem Betroffenen ist bekanntzugeben, welche Informationen nachzureichen sind. Die Vorfrage des „Obs“ im Hinblick auf die Nachreichung von Informationen wurde zu diesem Zeitpunkt bereits ECHA-intern geklärt, ohne dass der Betroffene zu dieser Frage angehört wurde. Ein (ergebnisoffener) Austausch mit dem Registranten ist nicht vor­ gesehen, eine reine Mitteilung bedeutet bereits begrifflich eine einseitige Kommunikation. 805 Art. 16 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA verlangt eine Anhörung nur, soweit das europäische Recht sie vorsieht, die Norm knüpft somit an das Bestehen eines An­ hörungsrechts an, begründet es aber nicht. 806 Siehe Fn. 799. 807 Schmidt-Aßmann (Fn. 496), 924 (931 m. w. N.). 808 Blattner (Fn. 234), S. 106; Classen (Fn. 767), 307 (319); Craig (Fn. 217), S. 290 ff. sowie S. 321: „Any legal system will determine the applicability of the right to a hearing“; Fengler (Fn. 771), S. 25 f.; Guckelberger/Geber (Fn. 251), S. 195.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

setzung von Unionszielen einerseits und der Schutz der individuellen Rechte sind lediglich dann möglich, wenn die Behörde vollständige Informationen über die entscheidungsrelevanten Fakten erhält.809 Damit handelt es sich bei dem Recht auf Anhörung um einen fundamentalen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts810, und die Vielzahl der Regelungen im geschriebenen Primär- wie Sekundärrecht in diesem Bereich überrascht nicht.811 Hervorzuheben ist dabei Art.  41 Abs.  2 lit. a)  EU-GRCharta in Verbindung mit Art.  41 Abs.  1 EU-GRCharta. Dort wird grundsätzlich ein subjektives Beteiligungsrecht auf Anhörung bei nachteiligen individuellen Maßnahmen normiert. Seine Wurzel findet dieser Rechtsgrundsatz in der Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Alvis812. Dort erkannte er das Recht auf Anhörung – zunächst für den internen Vollzug. In der Folge erkannte er es in ständiger Rechtsprechung als allgemeinen Grundsatz auch für den externen Vollzug des Unionsrechts an,813 das Recht auf Anhörung wurde fester Bestandteil des Unionsrechts und regelmäßig von EuG und EuGH in den unterschiedlichsten Rechtsbereichen geprüft.814 Umfasste dieser Rechtsgrundsatz zum Zeitpunkt seiner Entstehung815 allerdings lediglich Verwaltungsverfahren des Kartellrechts nach Art.  15 oder Art.  16 VO 809

Classen (Fn. 463), S. 266; Fengler (Fn. 771), S. 25 f.; Nöhmer, Das Recht auf Anhörung im europäischen Verwaltungsverfahren, 2013, S. 29 f.; so auch die Funktion für den direkten Vollzug eingestuft von Pernice/Kadelbach (Fn. 234), 1100 (1113 f.); Schoch, Die europäische Perspektive des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 279 (296). 810 Nöhmer (Fn.  809), S.  28; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn.  110), Art.  41 EU-GRCharta Rn. 13; Schwarze (Fn. 233), S. 1201 ff.; Streinz, in: Streinz (Fn. 234), Art. 41 EU-GRCharta Rn. 9; van Vormizeele, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 41 EU-GRCharta Rn. 8. Eine Darstellung und Herleitung des Grundsatzes aus dem Recht der Mitgliedstaaten unternimmt Nöhmer (Fn. 809), S. 79 ff. 811 Überblick bei Fengler (Fn.  771), S.  47 f.; Hofmann/Rowe/Türk, Administrative law and policy of the European Union, 2011, S. 206 ff.; Kahl (Fn. 798), 602 (602). 812 EuGH, Urteil vom 4.7.1963 – Rs. 32/62 – Slg. 1963, 107 (123) – Maurice Alvis/Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. 813 EuGH, Urteil vom 23.10.1974  – Rs.  17/74  – Slg. 1974, 1063 (Rn.  15)  – Transocean Marine Paint/Kommission. 814 So nicht nur im Bereich des Kartellverfahrens, EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 (Rn. 9) – Hoffmann-La Roche/Kommission, sondern auch im Beihilfeverfahren, EuGH, Urteil vom 12.2.1992 – verb. Rs. C-48/90 und C-66/90 – Slg. 1992, I-565 (Rn. 44) – Königreich der Niederlande u. a./Kommission; im Bereich der Kürzungen von Zuschüssen des Europäischen Sozialfonds, EuG, Urteil vom 6.12.1994  – Rs. T-450/93  – Slg. 1994, II-1177 (Rn.  42)  – Lisrestal  – Organização Gestão de Restaurantes Colectivos Ldª/Kommission; im Bereich des Zollverwaltungsverfahrens für den Erlass von Einfuhrabgaben, EuG, Urteil vom 19.2.1998 – Rs. T-42/96 – Slg. 1988, II-401 (Rn. 76) – Eyckeler & Malt/Kommission; in Personalsachen, EuG, Urteil vom 23.1.2002 – Rs. T-237/00 – Slg. 2002, II-163 (Rn. 86) – Patrick Reynolds/Parlament. 815 EuGH, Urteil vom 23.10.1974  – Rs.  17/74  – Slg. 1974, 1063 (Rn.  15)  – Transocean Marine Paint/Kommission; EuGH, Urteil vom 26.6.1980  – Rs.  136/79  – Slg. 1980, 2033

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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Nr. 17/62816, die zur Verhängung von Verwaltungssanktionen der Geldbuße oder zu Zwangsgeldern führen,817 wurde die Reichweite des Grundsatzes in der Folgezeit Schritt für Schritt erweitert. Zum einen wurde der Anwendungsbereich vom Kartellrecht auf die allgemeine Eingriffsverwaltung geöffnet,818 zum anderen kam es dann nicht mehr auf eine formale Sanktion an, sondern es genügte, dass die behördliche Entscheidung die Adressaten in ihren Interessen spürbar beeinträchtigen kann819.820 Dieses grundlegende Prinzip des Unionsrechts kann auch durch Bestimmungen des Sekundärrechts nicht aufgehoben werden.821 Außerdem lässt sich aus unmittelbar benachbarten Bestimmungen, von denen lediglich eine eine Anhörung ausdrücklich normiert, nicht folgern, dass im Umkehrschluss ansonsten keine An­ hörung notwendig sei.822 Das primärrechtliche Anhörungsrecht überstrahlt damit sekundärrechtliche Normierungen deutlich.823

(Rn. 21) – National Panasonic (UK)/Kommission; EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461  – Hoffmann-La Roche/Kommission. Dieser Rechtsgrundsatz beruhte unter anderem auf der Empfehlung des GA Warner, Schlussanträge vom 19.9.1974 zu Rs. 17/74 – Slg. 1974, 1063 (1090 f.) – Transocean Marine Paint/Kommission. 816 Kartellverordnung der Europäischen Gemeinschaft, VO 17/62 vom 6.2.1962, ABl. EG Nr. L 13, S. 204, fortan: EWG-Kartellverordnung. 817 Bülow (Fn. 686), S. 114, 227. 818 EuGH, Urteil vom 9.11.1983 – Rs. 322/81 – Slg. 1983, 3461 (Rn. 7) – Nederlandsche Banden Industrie Michelin/Kommission; EuGH, Urteil vom 21.9.1989 – verb. Rs. 46/87 und 227/88 – Slg. 1989, 2859 (Rn. 14 f.) – Hoechst/Kommission; EuGH, Urteil vom 29.6.1994 – Rs. C-135/92 – Slg. 1994, I-2899 (Rn. 40) – Fiskano AB/Kommission. 819 EuGH, Urteil vom 24.10.1996 – Rs. C-32/95 P – Slg. 1996, I-5373 (Rn. 21) – Kommission/Lisrestal – Organização Gestão de Restaurantes Colectivos Ldª. 820 Eine Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH findet sich gerafft bei Bignami, Three Generations of Participation rights before the European Comission, Law and contemporary problems 68 (2004), 61 (63 ff.); Bülow (Fn. 686), S. 113 ff.; Galetta (Fn. 517), 57 (64); Nöhmer (Fn. 809), S. 56 ff.; ausführlicher bei Nehl, Europäisches Verwaltungsverfahren und Gemeinschaftsverfassung, 2002, S. 275 f. 821 EuGH, Urteil vom 24.10.1996  – Rs.  C-32/95 P  – Slg. 1996, I-5373 (Rn.  21)  – Kommission/Lisrestal  – Organização Gestão de Restaurantes Colectivos Ldª; EuG, Urteil vom 23.1.2002 – Rs. T-237/00 – Slg. 2002, II-163 (Rn. 86) – Patrick Reynolds/Parlament. 822 EuGH, Urteil vom 19.1.2006 – Rs. C-240/03 P – Slg. 2006, I-731 (Rn. 129) – Comunità montana della Valnerina/Kommission; EuG, Urteil vom 23.1.2002 – Rs. T-237/00 – Slg. 2002, II-163 (Rn. 86) – Patrick Reynolds/Parlament; EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 91) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Euro­ päischen Union; EuG, Urteil vom 3.9.2009 – Rs. T-326/07 – Slg. 2009, II-2685 (Rn. 244) – Cheminova u. a./Kommission. Vgl. auch ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 19.6.2013  – A-001–2012  – Rn.  71. Allerdings führe auch nicht per se jede belastende einen Beamten beschwerende Maßnahme unmittelbar dazu, dass dieser angehört werden müsse, zu berücksichtigen seien in erster Linie die Art des Verfahrens und die näheren Umstände, EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – Rs. C-111/02 – Slg. 2004, I-5475 (Rn. 57) – Parlament/Patrick Reynolds. 823 Bülow (Fn. 686), S. 115. Vgl. auch Mader (Fn. 620), S. 229 f.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Der EuGH verlangt, damit ein Anspruch auf Anhörung besteht, eine „normative Betroffenheit“ des Gegenübers.824 Diese ist nach der Rechtsprechung jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene825 individuell und unmittelbar von der erlassenen Verwaltungsmaßnahme betroffen ist. Dabei sind dem Begriff der „Betroffenheit“ bereits die beiden Attribute der Individualisierbarkeit und der Unmittelbarkeit immanent, sodass der EuGH oft lediglich von der „Betroffenheit“ spricht, ohne diesen Begriff entsprechend genauer darzustellen.826 Eine individuelle Betroffenheit liegt jedenfalls dann vor, wenn eine Person von der Maßnahme827 selbst betroffen ist, etwa als Adressat eines Beschlusses.828 Unmittelbar ist eine Maßnahme dann, wenn entweder kein weiterer Umsetzungsakt mehr notwendig ist oder aber sie trotz direktem Vollzug noch keine (unmittel 824

Eine reine faktische Betroffenheit soll dabei nicht genügen, Classen, Der Einzelne als Instrument zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts?, VerwArch 1997, 645 (665 f.), als Schlussfolgerung aus EuGH, Urteil vom 9.3.1978 – Rs. 106/77 – Slg. 1978, 629 (Rn. 14/16) – Staatliche Finanzverwaltung/Simmenthal; EuGH, Urteil vom 13.7.1989  – Rs.  380/87  – Slg. 1989, 2491 (Rn. 23) – Enichem Base u. a./Commune de Ciniselo Balsano; EuGH, Urteil vom 30.4.1996 – Rs. C-194/94 – Slg. 1996, I-2201 (Rn. 49 f.) – CIA Security International/ Signalson u. a. 825 Der EuGH ist in seiner Terminologie ebenso uneinheitlich wie das Primärrecht und das Sekundärrecht – insofern stellt die REACH-VO mit ihrer unsystematischen Bennennung keine Ausnahme dar. Das Gericht spricht in diesem Zusammenhang sowohl von „Betroffenen“, etwa EuGH, Urteil vom 4.12.1974 – Rs. 41/74 – Slg. 1974, 1337 (Rn. 12) – Yvonne van Duyn/Home Office; EuGH, Urteil vom 1.2.1977 – Rs. 51/76 – Slg. 1977, 113 (Rn. 20/29) – Verbond van Nederlandse Ondernemingen/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen; EuGH, Urteil vom 5.4.1979 – Rs. 148/78 – Slg. 1979, 1629 (Rn. 20) – Strafverfahren gegen Tullio Ratti; EuGH, Urteil vom 19.2.1981 – Rs. 8/81 – Slg. 1982, 53 (Rn. 22) – Ursula Becker/Finanzamt MünsterInnenstadt; EuGH, Urteil vom 30.1.1991 – Rs. C-59/89 – Slg. 1991, I-2607 (Rn. 19) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland; EuGH, Urteil vom 28.2.1991  – Rs.  C-131/88  – Slg. 1991, 2567 (Rn.  16)  – Kommission/Bundesrepublik Deutschland; als auch von interessierten Personen, EuGH, Urteil vom 7.10.1970 – Rs. 9/70 – Slg. 1970, 825 (Rn. 5) – Franz Grad/ Finanzamt Traunstein; EuGH, Urteil vom 21.10.1970 – Rs. 20/70 – Slg. 1970, 861 (Rn. 5) – Transports Lesage & Cie/Hauptzollamt Freiburg; EuGH, Urteil vom 21.10.1970 – Rs. 23/70 – Slg. 1970, 881 (Rn.  5)  – Erich Haselhorst/Finanzamt Düsseldorf-Altstadt; „unmittelbarem Interesse“: EuGH, Urteil vom 11.7.1991 – verb. Rs. C-87/90 bis C-89/90 – Slg. 1991, I-3757 (Rn. 23) – A. Verholen u. a./Sociale Verzekeringsbank Amsterdam; „(betroffene) Normadressaten“: EuGH, Urteil vom 15.10.1986 – Rs. 168/85 – Slg. 1986, 2945 (Rn. 11) – Kommission/ Italienische Republik; EuGH, Urteil vom 3.3.1988 – Rs. 116/86 – Slg. 1988, 1323 (Rn. 21) – Kommission/Italienische Republik. 826 Fengler (Fn. 771), S. 55. 827 In Bezug auf die Maßnahme spielt deren Rechtsnatur keine Rolle, ebenso wenig, ob sie als rechtlich unverbindlich bezeichnet wurde oder auf welchem Wege sie erlassen wurde. Entscheidend ist ihr materieller Inhalt, EuGH, Urteil vom 11.11.1981 – Rs. 60/81 – Slg. 1981, 2639 (Rn. 9) – International Business Machines Corporation (IBM)/Kommission; Fengler (Fn. 771), S. 63; Gornig/Trüe (Fn. 513), 884 (885); Gornig/Trüe, Die Rechtsprechung des EuGH und des EuG zum Europäischen Verwaltungsrecht – Teil 1, JZ 2000, 395 (398, 400 ff.). 828 EuGH, Urteil vom 15.7.1963 – Rs. 25/62 – Slg. 1963, 211 (238) – Plaumann/Kommission; EuGH, Urteil vom 10.12.1969 – verb. Rs. 10/68 und 18/68 – Slg. 1969, 459 (Rn. 7) – Società „Eridania“ Zuccherifici Nazionali/Kommission; Fengler (Fn. 771), S. 56. Einen Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung bietet Mader (Fn. 620), S. 230 ff.

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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bare) Rechtswirkung entfaltet, da sie z. B. lediglich die eigentliche Maßnahme vorbereiten soll.829 Die „Nachteiligkeit“ gemäß Art.  41 Abs.  2 lit.  a)  EU-GRCharta kann dabei rechtlicher oder ökonomischer Natur sein.830 In Bezug auf die Ablehnung einer Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO liegen damit ge­nerell alle Anforderungen vor. Der Registrant ist Adressat des ablehnenden Registrierungsbeschlusses, der ohne Umsetzungsakt direkt für ihn gilt. Eine ähnliche Konstellation liegt bei der Aufhebung einer Registrierung vor, welche ihm den rechtlichen Vorteil der ursprünglichen Registrierung entzieht. In Bezug auf die Nachforderung von Informationen nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO wurde bereits oben ausgeführt, dass ein selbstständiger Beschluss vorliegt, der einen anderen Anhörungsinhalt zur Folge hat: Es handelt sich um ein besonderes Verfahren, das sich von dem, welches die endgültige Sachentscheidung ermöglicht, unterscheidet, indem ein anderes Ergebnis als im Fall einer endgültigen Ablehnung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO bzw. der Annahme nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO am Ende steht.831 Doch nicht nur dieser Aspekt rechtfertigt eine selbstständige Anhörung. Der andere Inhalt des Beschlusses spiegelt sich auch bei dem Inhalt der jeweiligen Anhörung wider: Findet bei der endgültigen Ablehnung eine Anhörung zur Frage statt, ob diese rechtmäßig ist, wird im Fall des Nachforderungsbeschlusses im Mittelpunkt stehen, ob die Nachforderung wirklich notwendig und ob die Frist zu kurz ist. Bei einer Ablehnung muss das Unternehmen einen neuen Anlauf zur Registrierung unternehmen und bis dahin gegebenenfalls  – sofern keine Ausnahme nach Art.  21 REACH-VO vorliegt – die Herstellung oder das Einführen des Stoffes oder Erzeugnisses beenden. Im Fall einer Nachbesserung hingegen bleibt der bisherige Status Quo erhalten und das Unternehmen muss neue Informationen beschaffen. Deren Beschaffung aber wird zeitliche und finanzielle Ressourcen kosten, da sie im Zweifel dem Registranten nicht zur Verfügung stehen, denn regelmäßig hätte er sie ansonsten angegeben. Insofern wird auch im Registrierungsverfahren vor dem Erlass eines Nachforderungsbescheids nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 S.  1 REACH-VO eine Anhörung durch die ECHA zu verlangen sein. Daher ist, obwohl die REACH-VO diese nicht im Normtext für das Registrierungsverfahren vorsieht, sowohl bei der Nachforderung von Informationen nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO, der Ablehnung der Registrierung nach 829

EuGH, Urteil vom 13.5.1971 – verb. Rs. 41/70 bis 44/70 – Slg. 1971, 411 (Rn. 23 ff.) – International Fruit Company u. a./Kommission; EuGH, Beschluss vom 7.7.1981  – verb. Rs.  60/81 R und 190/81 R  – Slg. 1981, 1857 (Rn.  9 f.)  – International Business Machines Corporation (IBM)/Kommission; EuGH, Urteil vom 11.11.1981  – Rs.  60/81  – Slg. 1981, 2639 (Rn. 18 ff.) – International Business Machines Corporation (IBM)/Kommission; Fengler (Fn. 771), S. 57 f. 830 Lais (Fn. 517), 447 (464); Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 41 EU-GRCharta Rn. 14. 831 Siehe S. 110 ff.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO, als auch bei der Aufhebung der Registrierung eine Anhörung durch die ECHA grundsätzlich erforderlich. 2. Tatbestandliche Einschränkung des Anwendungsbereichs für eine Anhörung Verteidigungsrechte, auch das Recht auf Anhörung, gewährt die Rechtsordnung der EU allerdings nicht grenzenlos, sondern sie unterliegen Schranken.832 Dabei lassen sich verschiedene Fallgruppen bilden, von denen einige833 im Rahmen der REACH-VO möglicherweise dazu geeignet sind, den Anwendungsbereich der Anhörung im Registrierungsverfahren einzuschränken. a) Einschränkung bei unwesentlicher Belastung des Betroffenen Zunächst schließt der EuGH dann eine Anhörung aus, wenn lediglich eine unwesentliche Belastung des Betroffenen vorliegt.834 Dies deckt sich mit seiner sonstigen Rechtsprechung zu den (anderen) Verteidigungsrechten – bereits mehrfach stellte er klar, dass eine spürbare Beeinträchtigung vorliegen muss, damit Verteidigungsrechte eingreifen.835 Eine spürbare Beeinträchtigung aber bedeutet nichts anderes, als dass die Beeinträchtigung „schwer“ bzw. „nicht unwesentlich“ sein darf. Dabei ist nicht auf einen objektiven Maßstab, sondern auf die Spürbarkeit beim jeweiligen Betroffenen im Einzelfall abzustellen.836 832

Fengler (Fn. 771), S. 65. Einen Überblick über die (weiteren) Fallgruppen, die durch die Rechtsprechung des EuGH entstanden sind, liefern Fengler (Fn. 771), S. 65 ff.; Gassner (Fn. 233), 16 (19); Mader (Fn.  620), S.  238 f. (in Gestalt weiterer Tatbestandsvoraussetzungen); zur Gefährdung des Anhörungsrechts durch „zwingende Gründe der Sicherheit“ der EU und ihrer Mitgliedstaaten auch Kahl (Fn. 798), 602 (607 m. w. N.). Zur Fallgruppe der Zweckgefährdung bei einer Anhörung GA Warner, Schlussanträge vom 30.4.1980 zu Rs. 136/79 – Slg. 1980, 2033 (2068 f.) – National Panasonic (UK)/Kommission. 834 EuGH, Urteil vom 28.5.1980 – verb. Rs. 33/79 und 75/79 – Slg. 1980, 1677 (Rn. 25) – Richard Kuhner/Kommission; Gassner (Fn. 233), 16 (19). A. A. GA Mayras, Schlussanträge vom 28.5.1980 zu verb. Rs. 33/79 und 75/79 – Slg. 1980, 1677 (1698) – Richard Kuhner/Kommission, allerdings lediglich bezogen auf das Vorliegen einer schweren individuellen Beeinträchtigung; die allgemeine Einschränkung des rechtlichen Gehörs bei Unwesentlichkeit stellte er nicht in Abrede. So wohl auch Schwarze (Fn. 233), S. 1283 Fn. 32. 835 EuGH, Urteil vom 24.10.1996 – Rs. C-32/95 P – Slg. 1996, I-5373 (Rn. 21, 33) – Kommission/Lisrestal  – Organização Gestão de Restaurantes Colectivos Ldª. Vgl. auch EuGH, Urteil vom 18.12.2008  – Rs.  C-349/07  – Slg. 2008, I-10369 (Rn.  36)  – Sopropé/Fazenda Pública. Diese Rechtsprechung könnte gemeint sein, wenn das Europäische Parlament (Fn. 796), Anlage, Empfehlung 4.4., von einem Anhörungsrecht bei „bestehender Notwendigkeit“ spricht. Vgl. zu dieser Einschränkung auch Guckelberger/Geber (Fn. 251), S. 200. 836 EuGH, Urteil vom 24.10.1996 – Rs. C-32/95 P – Slg. 1996, I-5373 (Rn. 21, 33) – Kommission/Lisrestal  – Organização Gestão de Restaurantes Colectivos Ldª; Fengler (Fn.  771), S. 73. 833

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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Jedenfalls die endgültige Ablehnung einer Registrierung nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 REACH-VO und die Aufhebung einer Registrierung können diesen Anforderungen genügen, stellen insofern eine spürbare Beeinträchtigung des Registranten dar. Dieser kann daraufhin den chemischen Stoff oder das Erzeugnis nicht herstellen oder einführen, ist damit finanziellen Nachteilen ausgesetzt; er muss gegebenenfalls ein neues Registrierungsverfahren anstrengen, dafür Kosten – für die Erstellung oder Beschaffung von Studien und die erneute Zahlung einer Registrierungsgebühr – und Zeit aufwenden. Differenzierter ist die Sachlage bei der Nachforderung von Informationen zu beurteilen: Müssen die von der ECHA geforderten Informationen zeit- und ressourcenaufwendig beschafft werden, liegt jedenfalls eine spürbare Beeinträchtigung vor, welche die „Wesentlichkeitsschwelle“ überwinden kann. Sind die Informationen vorhanden, müssen diese lediglich eingereicht werden, scheint kein spürbarer Nachteil vorzuliegen. Allerdings verlängert sich durch die Nachforderung von Informationen das Registrierungsverfahren, damit auch gegebenenfalls die Handlungssperre des Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 REACH-VO i.Vm. Art. 21 Abs. 2 REACH-VO bei Neustoffen oder bei Phase-in-Stoffen nach Ablauf der entsprechenden Frist des Art. 23 REACH-VO. Der Registrant muss damit einen längeren Zeitraum in Kauf nehmen, bis er den chemischen Stoff oder das Erzeugnis herstellen oder einführen kann. Eine andere Sichtweise ist lediglich dann möglich, wenn es sich um die Registrierung eines Phase-in-Stoffes innerhalb der Fristen des Art. 23 REACH-VO handelt, denn dann ist es dem Betroffenen möglich, den Stoff während des Registrierungsverfahrens weiterhin herzustellen oder einzuführen gemäß Art. 21 Abs. 1 UAbs. 2 REACH-VO i.Vm. Art. 21 Abs. 2 REACH-VO. Insofern wird ihn dann die längere Dauer des Registrierungsverfahrens nicht unbedingt tangieren. Dann aber ist es möglich, dass die Nachforderung der ECHA für den Registranten im Einzelfall keine spürbare Beeinträchtigung darstellt und in­ sofern eine Anhörung ausnahmsweise unterbleiben kann. b) Einschränkung bei einem Antrag des Betroffenen Als weitere Fallgruppe gilt die Einschränkung des Anhörungsrechts bei einem „Antrag des Betroffenen“,837 dessen Fälle teilweise auch der Einschränkung des Anhörungsrechts bei „unwesentlicher Beeinträchtigung“ des Betroffenen zuge­ EACH-VO schlagen werden.838 Wird die Registrierung positiv nach Art. 20 Abs. 3 R beschieden, könnte man argumentieren, dann sei keine Anhörung nötig, denn es liege keine Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen vor. Wird ein Antrag abgelehnt, stellt sich aber die Frage, ob damit der Betroffene überhaupt beeinträchtigt werde. Denn im Vergleich zur Situation vor Stellung des Antrags habe sich 837 Schwarze (Fn. 233), S. 1285; Warner, Due Process in administrative Procedure, F. I. D. E. Volume 3 1978, 1979, 1.1. (1.7). 838 Fengler (Fn. 771), S. 73; kritisch zu dieser Fallgruppe Gassner (Fn. 233), 16 (20).

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

nichts geändert. Insofern werde der Betroffene auch nicht beeinträchtigt. Allerdings muss nicht auf eine „Rechtsverkürzung“, sondern auf eine „Nachteilhaftigkeit“ oder „Belastung“ abgestellt werden.839 Der EuGH verlangt bei Ablehnung eines Antrags eines Betroffenen eine Anhörung, unabhängig davon, ob ein Vorteil, auf den Anspruch besteht oder eine sonstige Vergünstigung abgelehnt wird.840 Im geschriebenen Primärrecht wird dies durch Art. 41 Abs. 2 lit. a) EU-GRCharta gestützt: Jede Person ist anzuhören, bevor eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird. Damit spielt ein Vergleich der Lage vor und nach der negativen Antragsbescheidung keine Rolle, um die Notwendigkeit einer Anhörung zu begründen. Anknüpfungspunkt ist nicht ein Vergleich der Situationen vor und nach der negativen Antragsbescheidung, sondern ein Vergleich der Situationen bei positiver und negativer Antragsbescheidung. Insofern kann mit Berufung darauf, dass der Registrant einen Antrag auf Erteilung einer Registrierung, mithin einer Begünstigung, gestellt hat, die Anhörung nicht unterbleiben.841 c) Einschränkung bei gebundenen Entscheidungen Schließlich führt GA Warner die Konstellation bei „gebundenen ­Entscheidungen“ an.842 Er geht davon aus, dass bei gebundenen Beschlüssen, bei denen die Behörde lediglich einen gesetzlichen Auftrag durchführt, kein Grund für eine Anhörung bestehe. Es genüge, dass diese später anfechtbar seien und somit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung unterliegen, um die Rechte des Betroffenen zu wahren. Diese Ansicht aber würde eine faktische Entwertung des Anhörungsrechts zur Folge haben, wenn jeder gebundene Beschluss im Eigenverwaltungsrecht auch ohne vorherige Anhörung erfolgen könnte. Vor dem Hintergrund dieses weiten Anwendungsbereichs dieser Fallgruppe, die damit eine Anhörung in großen Teilen im Eigenverwaltungsrecht entbehrlich macht, erscheint es bemerkenswert, dass es

839

Fengler (Fn. 771), S. 74. Fengler (Fn. 771), S. 73; für den Fall der Befreiung von wissenschaftlichen Geräten vom Einfuhrzoll, EuGH, Urteil vom 21.11.1991 – Rs. C-269/90 – Slg. 1991, I-5469 (Rn. 23 ff.) – Technische Universität München/Hauptzollamt München; damit wich er von seiner früheren Rechtsprechung ab, EuGH, Urteil vom 23.10.1974 – Rs. 17/74 – Slg. 1974, 1063 (Rn. 6) – Transocean Marine Paint/Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.1985  – Rs.  185/83  – Slg. 1984, 3623 (Rn.  20 ff.)  – Interfacultair Instituut Electronenmicroscopie der Rijksuniversiteit te Groningen/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen te Groningen; EuGH, Urteil vom 8.3.1988 – Rs. 43/87 – Slg. 1988, 1557 (Rn. 13) – Nicolet Instrument/Hauptzollamt Frankfurt am Main-Flughafen. 841 So auch Mader (Fn. 620), S. 241; Nöhmer (Fn. 809), S. 244. Dieser Ansicht ist auch das Europäische Parlament in seinem Entwurf für ein europäisches Eigenverwaltungsrecht gefolgt, Europäisches Parlament (Fn. 796), Anlage, Empfehlung 4.4. 842 Warner, Due process in the administrative procedure, F. I. D. E. Volume 1 1978, 1979, 31 (40 f.). 840

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

185

keinerlei Rechtsprechung dazu, mithin keine Anerkennung des EuGH für diese Fallgruppe gibt.843 GA Warner selbst benennt als Beispiele Konstellationen aus dem Steuerrecht.844 Gerade im Rahmen des Steuerrechts werden jedoch häufig Streitigkeiten nicht in Bezug auf die gebundene Rechtsfolge, sondern in Bezug auf das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals geführt. Dann aber ist eine Anhörung unentbehrlich, um eine Tatsachenaufklärung sicherzustellen.845 Wenn aber in einem – praktisch kaum vorstellbaren Fall – ein vollkommen klarer und eindeutiger sowie vollständig ermittelter Tatbestand vorliegt, der Rechtssatz eine gebundene Rechtsfolge vorsieht, somit keinerlei Entscheidungsspielraum für die Behörde bietet, eine Anhörung nicht erfolgt, wird der EuGH diese aus anderen Gründen für entbehrlich erklären: Denn dann handelt es sich nicht um eine Einschränkung des Tatbestandes, des Anwendungsspielraums für die Anhörung. Vielmehr wird der EuGH dann grundsätzlich das Fehlen der Anhörung als Verfahrensfehler ohne konkrete Ergebnisrelevanz846 einstufen. Insofern ist bereits – ohne ihre Anwendbarkeit in der REACH-VO auf den Prüfstand zu stellen  – die Existenz dieser tatbestandseinschränkenden Fallgruppe abzulehnen. 3. Zwischenergebnis Daraus ergibt sich, dass, auch wenn die REACH-VO ein solches Recht im Registrierungsverfahren nicht vorsieht, beim Erlass eines Nachforderungs- bzw. eines Ablehnungsbeschlusses, aber auch bei der Aufhebung einer Registrierung, grundsätzlich eine Anhörung stattzufinden hat. Die Lücke, die sich somit im Registrierungsverfahren nach der REACH-VO mit Blick auf den Normtext aufgetan hat, kann durch ergänzende Anwendung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts geschlossen werden.

II. Anforderungen an die Ausgestaltung der Anhörung Nachdem die Existenz eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zum Recht auf Anhörung herausgearbeitet wurde, der auch im Rahmen des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO Anwendung findet, müssen nun dessen Konturen bestimmt werden. Gerade bei einem derart fundamentalen Recht im Rahmen des

843

Fengler (Fn. 771), S. 76. Warner (Fn. 842), 31 (40 f.). 845 Fengler (Fn. 771), S. 76. 846 Siehe S. 170 ff. 844

186

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Registrierungsverfahrens müssen Unschärfen möglichst gering bleiben, um eine entsprechende Vollzugssicherheit zu gewährleisten. Insofern sind entsprechend hohe Anforderungen an diesen Grundsatz im allgemeinen Eigenverwaltungsrecht zu stellen. Allerdings werden auch im Bereich von in der REACH-VO normierten individuellen Anhörungsrechten, etwa in Art.  50 Abs.  1 REACH-VO, keine näher ausgestaltenden Regelungen getroffen. Es würde naheliegen, als ergänzende Dokumente den „Guidance on Dossier and Substance Evaluation“ und den ECHA Practical Guide Nr. 12 „How to communicate with ECHA in dossier evaluation“ heranzuziehen. Doch auch hier finden sich keine entsprechenden Ausgestaltungsregelungen seitens der ECHA, abgesehen davon, dass der Registrant innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Entscheidungsentwurfs über ein Internetformular, via REACH-IT847, Stellung nehmen kann.848 Daneben wird darauf hingewiesen, dass – zur Beschleunigung des Verfahrens der Dossier- und Stoffbewertung – gegebenenfalls informale Kommunikation zwischen der ECHA und dem Registranten hilfreich sein kann.849 Weitere Regelungen fehlen. Daher muss zur Ausgestaltung des Anhörungsrechts im Registrierungsverfahren erneut auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht850 zurückgegriffen werden. Das Recht auf Anhörung steht in enger Beziehung zum Akteneinsichtsrecht des Betroffenen und muss entsprechend konturiert werden:851 Dem Betroffenen ist Akteneinsicht zu gewähren. Denn die Akteneinsicht soll den Registranten auf die Anhörung vorbereiten, soll über den Wissensstand der Behörde wie auch über die gegen ihn bestehenden Vorwürfe – gegebenenfalls auch in gedrängter Form852 – informieren.853 Somit muss die ECHA den Registranten bereits vor Beginn der Anhörung über entdeckte Mängel im Registrierungsverfahren sowie darüber, dass diese Mängel die Vollständigkeit des Registrierungsdossiers beeinträchtigen, unterrichten und ihm Gelegenheit zur Akteneinsicht bieten. Bei der Nachforderung von Informationen muss außerdem eine Unterrichtung erfolgen, welche Informationen die ECHA innerhalb welcher Zeitspanne nachzufordern beabsich-

847

https://reach-it.echa.europa.eu/ (1.5.2014). ECHA, Practical Guide Nr. 12 „How to communicate with ECHA in dossier evaluation“, S. 17. 849 ECHA (Fn. 353), Abschnitt 1.2. 850 Nöhmer (Fn. 809), S. 145 ff., stellt das Anhörungsrecht im Kartellverfahren, der Fusionskontrolle, im Antidumpingverfahren, im Zollverfahren, im Sozialverwaltungsverfahren, dem Luftverkehr, dem Beihilfenaufsichtsverfahren sowie dem Beamtenrecht dar und destilliert so allgemeine Grundsätze. 851 Fengler (Fn. 771), S. 82. In diese Richtung auch die verschiedenen Verfahrensstufen darstellend Nöhmer (Fn. 809), S. 31 f. 852 EuGH, Urteil vom 7.6.1983 – verb. Rs. 100/80 bis 103/80 – Slg. 1983, 1825 (Rn. 14) – Musique Diffussion/Kommission; EuGH, Urteil vom 17.11.1987  – verb. Rs.  142/84 und 156/84 – Slg. 1986, 1899 (Rn. 13) – BAT u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 16.3.2000 – verb. Rs. C-395/96 P und C-396/96 P – Slg. 2000, I-1365, (Rn. 142) – Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission; Schwarze (Fn. 233), S. 1289; Stoye (Fn. 622), S. 79 f. 853 Zur Funktion des Akteneinsichtsrechts ausführlich siehe S. 195 ff. 848

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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tigt.854 Ferner muss ihm eine angemessene Zeitspanne zugestanden werden, um seine Anhörung vorzubereiten.855 Grundsätzlich können lediglich die Beschwerdepunkte, zu denen sich der Registrant äußern durfte, von der ECHA im Rahmen des Registrierungsbeschlusses genutzt werden.856 Ergeben sich im weiteren Verfahrensverlauf neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte, muss neu angehört werden.857 Der Pflicht der ECHA ist allerdings mit dem Angebot einer Anhörung genüge getan. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betroffene diese Möglichkeit in concreto wahrnimmt.858 Wenn er sich nicht oder nicht in angemessener Zeit äußert, wird das Verfahren ohne die Anhörung fortgesetzt.859 In zeitlicher Hinsicht bedeutet dies, dass für den Fall der Informationsnachforderung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO bzw. der endgültigen Ablehnung gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO860 die ECHA zunächst feststellen muss, unter welchen Mängeln das Registrierungsdossier leidet, indem sie das (überarbeitete) Registrierungsdossier auf Vollständigkeit überprüft. Dann muss ein Ausgleich getroffen werden zwischen dem Interesse der ECHA und des Registranten an einem zügigen Ablauf der Registrierung – zu beachten ist auch 854 Allgemein zur Frage, über welche (tatsächlichen oder rechtlichen) Umstände die EUBehörde dabei informieren muss Mader (Fn. 620), S. 242 ff. 855 Vgl. GA Warner, Schlussanträge vom 13.4.1978 zu Rs. 34/77 – Slg. 1978, 1009 (1124) – Oslizok/Kommission; Classen (Fn. 463), S. 287; Gassner (Fn. 233), 16 (19); ausführlich zur Bestimmung dieser Frist Stoye (Fn. 622), S. 80 ff. m. w. N.; dabei kann eine gedrängte Darstellung ausreichen, EuGH, Urteil vom 15.7.1970 – Rs. 45/69 – Slg. 1970, 769 (Rn. 9) – Boehringer Mannheim/Kommission; EuGH, Urteil vom 13.2.1979  – Rs.  85/76  – Slg. 1979, 461 (Rn. 10) – Hoffmann-La Roche/Kommission. 856 Vgl. EuGH, Urteil vom 2.4.2009 – verb. Rs. C-322/07 P, C-327/07 P und C-338/07 P – Slg. 2009, I-7250 (Rn. 35 f.) – Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 10.3.1992 – Rs. T-11/89 – Slg. 1992, II-757 (Rn. 39) – Shell International Chemical Company/ Kommission; EuG; Urteil vom 23.2.1994 – verb. Rs. T-39/92 und T-40/92 – Slg. 1984, II-49 (Rn. 47) – CB und Europay/Kommission; EuG, Urteil vom 14.5.1998 – Rs. T-334/94 – Slg. 1998, II-1439 (Rn. 38) – Sarrió/Kommission; EuG, Urteil vom 1.7.2009 – Rs. T-24/07 – Slg. 2009, II-2309 (Rn. 225) – ThyssenKrupp Stainless/Kommission; Nöhmer (Fn. 809), S. 225; Stoye (Fn. 622), S. 80 m. w. N. So auch ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 19.6.2013 – A-001–2012 – Rn. 78. 857 EuGH, Urteil vom 14.7.1972 – Rs. 51/69 – Slg. 1972, 745 (772) – Bayer/Kommission; EuG, Urteil vom 23.2.1994  – verb. Rs.  T-39/92 und T-40/92  – Slg. 1994, II-49 (Rn.  60)  – Groupe­ment des cartes bancaires „CB“ u. a./Kommission. 858 EuGH, Urteil vom 17.2.1970 – Rs. 31/69 – Slg. 1970, 25 (Rn. 13) – Kommission/Italienische Republik; EuGH, Urteil vom 27.5.1970 – Rs. 12/68 – Slg. 1969, 109 (Rn. 12/17) – X/ Kontrollausschuss; EuGH, Urteil vom 7.7.1977 – Rs. 43/74 – Slg. 1977, 1309 (Rn. 60, 62) – Pierre Guillot/Kommission; EuG, Urteil vom 11.7.2002 – Rs. T-205/99 – Slg. 2002, II-3141 (Rn. 59) – Hyper Srl./Kommission; Fengler (Fn. 771), S. 86; Mader (Fn. 620), S. 243. 859 Im Hinblick auf unterbliebene Mitwirkungshandlungen EuGH, Urteil vom 14.12.1966 – Rs. 3/66 – Slg. 1966, 654 (672) – Cesare Alfieri/Parlament: Weigert sich der Betroffene, einen Arzt seiner Wahl für den Invaliditätsausschuss zu bestellen, wird die Bestellung ohne den Betroffenen vorgenommen. 860 Liegt eine Konstellation dergestalt vor, dass die ECHA einen Beschluss aufheben möchte, besteht ein durch die REACH-VO derart eng gelegter Zeitkorridor nicht.

188

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

die jeweilige Frist des Art.  21 UAbs. 1, UAbs. 2, Abs.  2 REACH-VO, welche die ECHA zu einem zügigen Abschluss des Registrierungsverfahrens veranlassen soll – und dem Interesse ebenfalls der ECHA und des Registranten an einer aussagekräftigen Stellungnahme. Generell wird im Rahmen der Möglichkeiten der Frist des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 bzw. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 bzw. UAbs. 2 REACH-VO, mithin innerhalb dreier Wochen bzw. dreier Monate, durchaus eine Anhörung möglich sein. Diese Zeitspanne geht auch konform mit der Rechtsprechung des EuGH, der eine entsprechende Frist von einem861 bzw. drei Tagen862 regelmäßig für zu kurz, eine Frist von zwei Wochen863 bzw. von zwischen acht und 15 Tagen864 hingegen als ausreichend erachtete. Allerdings muss im Blick bleiben, dass im Vorfeld der Anhörung dem Betroffenen regelmäßig noch das Recht zur Akteneinsicht – mit entsprechendem zeitlichem Aufwand – gestattet werden muss. Insofern tut die ECHA gut daran, vergleichsweise zeitnah den Betroffenen zu benachrichtigen. Die Anhörung selbst kann in schriftlicher Form erfolgen,865 eine mündliche Anhörung wird grundsätzlich nicht vom von der Rechtsprechung geprägten Gewährleistungsgehalt erfasst.866 Generell lässt sich konstatieren, dass das Recht der Anhörung durch die Rechtsprechung eine derart detaillierte Ausgestaltung erhalten hat, sich dieses Rechtsinstitut als derart klar darstellt, dass es im Rahmen seiner Anwendung im Registrierungsverfahren nach der REACH-VO kaum zu Problemen kommen kann. In diesem Fall musste eine eigene verfahrensrechtliche Ausgestaltung auch nicht zwingend erfolgen, da das allgemeine Eigenverwaltungsrecht entsprechende Regelungen mit hoher Eindeutigkeit und hohem Detailgrad vorhält.

861

EuGH, Urteil vom 21.9.2000 – Rs. C-462/98 – Slg. 2000, I-7183 (Rn. 38) – Mediocurso – Estabelecimento de Ensino Particular Ld.ª/Kommission: Die Betroffene sollte zu ihr bislang unbekannten Berichten noch am selben Tag eine Stellungnahme abgeben. 862 EuGH, Urteil vom 17.12.1981 – Rs. 115/80 – Slg. 1981, 3147 (Rn. 3 ff.) – René Demont/ Kommission: Allerdings war die – erfolgreiche – Rüge des Betroffenen letzlich unerheblich, da im weiteren Verfahren eine nachholende Anhörung erfolgt war. 863 EuGH, Urteil vom 14.7.1972  – Rs.  51/69  – Slg. 1972, 745 (Rn.  13 ff.)  – Bayer/­ Kommission. 864 EuGH, Urteil vom 18.12.2008 – Rs. C-349/07 – Slg. 2008, I-10369 (Rn. 39 ff.) – Sopropé/ Fazenda Pública. 865 In der Praxis vermutlich elektronisch via REACH-IT. 866 EuGH, Urteil vom 29.10.1980 – verb. Rs. C-209/78 bis C-215/78 und C-218/78 – Slg. 1980, 3125 (Rn. 29 f.) – Heintz van Landewyck u. a./Kommission; Nöhmer (Fn. 809), S. 240. Anderes gilt lediglich dann, wenn das Sekundärrecht eine weiter gehende Regelung normiert.

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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III. Rechtsfolgen bei einer nicht oder fehlerhaft durchgeführten Anhörung Das Spiegelbild zu Fragen von Notwendigkeit und Ausgestaltung der Anhörung bildet die Konstellation, dass eine Anhörung fälschlicherweise unterlassen oder fehlerhaft durchgeführt wurde oder aber das Ergebnis der Anhörung von der ECHA nicht zur Kenntnis genommen wurde867  – gleichsam folgerichtig fehlen auch für diese Konstellation Regelungen im Rahmen der REACH-VO, auch hier muss auf das allgemeine Eigenverwaltungsrecht zurückgegriffen werden. 1. Grundsätzlich: Fehlerhaftigkeit des Rechtsaktes Die fehlende oder nicht korrekte Anhörung stellt einen Verfahrensfehler dar.868 Dieser führt grundsätzlich zur Nichtigkeitserklärung des Beschlusses durch EuG oder EuGH nach Art. 264 Abs. 1 AEUV. 2. Möglichkeit der Heilung des Registrierungsbeschlusses Wird aber noch vor Erlass des Registrierungsbeschlusses die Fehlerhaftigkeit oder das Fehlen der Anhörung aufgedeckt, stellt sich die Frage, inwiefern das Eigenverwaltungsrecht eine Nachholung der Anhörung erlaubt. a) Heilung durch Nachholung innerhalb des Verwaltungsverfahrens möglich Eine Heilung des Verfahrensfehlers liegt dann vor, wenn die versäumte oder nicht korrekt durchgeführte Verfahrenshandlung in korrekter Weise noch vor Erlass des das Verfahren abschließenden Rechtsakts nachgeholt wird. So ist es nach der Rechtsprechung möglich, dass Verfahrensfehler bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens geheilt werden können, weil das Verfahren eine Einheit bildet und als Gesamtes beurteilt werden muss.869 Insofern kann die ECHA eine 867

Vgl. Classen (Fn. 463), S. 286. EuGH, Urteil vom 15.7.1970 – Rs. 41/69 – Slg. 1970, 661 (Rn. 48/52) – ACF Chemiefarma/Kommission; EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 (Rn. 15) – Hoffmann-La Roche/Kommission. 869 So etwa EuGH, Urteil vom 17.12.1981  – Rs.  115/80  – Slg. 1981, 3147 (Rn.  5)  – René Demont/Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.1983  – Rs.  107/82  – Slg. 1983, 3151 (Rn. 29) – Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft AEG-Telefunken/Kommission; EuGH, Urteil vom 27.3.1985  – Rs.  12/84  – Slg. 1985, 1005 (Rn.  8)  – Ilias Kypreos/Kommission; EuGH, Urteil vom 9.7.1987 – verb. Rs. 44/85, 77/85, 294/85 und 295/85 – Slg. 1987, 3259 (Rn. 10) – Ingfried Hochbaum u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 8.3.1988  – verb. Rs.  64/86, 71/86 868

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Anhörung nachholen und so den Verfahrensfehler heilen, sofern sie noch nicht den das Verfahren abschließenden Registrierungsbeschluss erlassen hat.870 b) Heilung innerhalb des Widerspruchsverfahrens möglich Deutlich problematischer ist die Frage, ob Verfahrensfehler auch nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens geheilt werden können. Mit der Heilung innerhalb eines Widerspruchsverfahrens musste sich die Rechtsprechung bislang kaum beschäftigen, denn die Durchführung eines Vorverfahrens existierte lange Zeit nur im Beamtenrecht.871 Erst seit kurzer Zeit finden sich Normierungen eines Vorverfahrens auch in anderen Rechtsgebieten, wie etwa im Rahmen der REACH-VO. Aus der Rechtsprechung des EuG zum Beamtenrecht lässt sich entnehmen, dass dieses innerhalb des Widerspruchsverfahrens der Behörde die Möglichkeit zubilligt, den Verfahrensfehler durch Nachholung zu heilen.872 Dies dürfte sich auf die REACH-VO übertragen lassen: Nach Art. 91 Abs. 1 REACH-VO, Art. 20 Abs. 5 REACH-VO können sowohl die Nachforderung von Informationen nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO als auch die endgültige Ablehnung der Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO mit einem Widerspruch angefochten werden. Gleiches gilt für die Aufhebung einer Registrierung.873 Dann aber findet die Möglichkeit der Heilung erst mit der Klageerhebung, mithin mit Beginn des gerichtlichen Verfahrens, ihre Grenze.874

bis 73/86 und 78/86, Slg. 1988, 1399 (Rn. 49) – Giovanni Sergio/Kommission; EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 104) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission; so auch Bülow (Fn. 686), S. 245 f.; Fengler (Fn. 771), S. 93 ff.; Hegels (Fn. 234), S. 86 f.; Kokott, Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, Die Verwaltung 31 (1998), 335 (367). 870 So auch Ahlhaus, Vortrag: Verfahrensrecht der ECHA  – Sprachenregelung und andere Verfahrensgrundsätze, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2010 – REACH aktuell, Tagungsunterlagen, 2010, S. 63 (65). 871 Vgl. Art. 91 Abs. 2 i. V. m. Art. 90 Abs. 2 Beamtenstatut. Dort hat die Anstellungsbehörde grundsätzlich während der vier auf den Tag der Beschwerde folgenden Monate die Möglichkeit zur Nachholung von Verfahrenshandlung. Diese Möglichkeit geht erst durch Klageerhebung verloren, EuG, Urteil vom 20.7.2001 – Rs. T-351/99 – Slg. ÖD 2001, II-757 (Rn. 33) – Christian Brumter/Kommission. 872 Etwa EuG, Urteil vom 12.2.1992  – Rs. T-52/90  – Slg. 1992, II-121 (Rn.  40)  – Cornelis Volger/Parlament; EuG, Urteil vom 27.4.1999 – Rs. T-283/97 – Slg. ÖD 1999, I-A-69 und II-353 (Rn. 75) – Germain Thinus/Kommission; EuG, Urteil vom 20.7.2001 – Slg. ÖD 2001, II-757 (Rn. 33) – Christian Brumter/Kommission. 873 Siehe S. 303 ff.; S. 341 ff. 874 Wohl auch grundsätzlich Bülow (Fn. 686), S. 245. Siehe zur Heilung im Gerichtsverfahren auch den folgenden Abschnitt.

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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c) Keine Möglichkeit der Heilung durch Nachholung im gerichtlichen Verfahren Fraglich ist, inwieweit eine Heilungsmöglichkeit nach Klageerhebung möglich ist: In einer Entscheidung aus dem Jahre 1979875 hatte der EuGH über die Korrektur von Verfahrensfehlern zu entscheiden, die einer französischen Behörde unterlaufen waren. Allerdings lässt sich die Argumentation auf das Eigenverwaltungsrecht übertragen, weil sich der EuGH auf die allgemeine Konzeption des Art. 173 EWGV beruft.876 Dabei führt er aus, dass die Rechtmäßigkeit eines Akts im Rahmen einer Aufhebungsklage nach Art. 173 EWGV am Sachverhalt und der Rechtslage zu messen ist, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Akts bestand.877 Nur eine Woche später änderte der EuGH im Urteil Hoffmann-La Roche seine Auffassung.878 Zwar wurde diese Auffassung in einigen Entscheidungen vorher angedeutet,879 allerdings stellte der EuGH erst jetzt fest, dass eine Heilung von Fehlern auch noch während des Verfahrens vor dem EuGH möglich ist.880 Diese enge zeitliche Konstellation zweier entgegengesetzter Urteile eines gleich besetzten Senatsplenums überraschte; die Kritik war dementsprechend scharf:881 So fin 875

EuGH, Urteil vom 7.2.1979 – verb. Rs. 15/76 und 16/76 – Slg. 1979, 321 (Rn. 6 ff.) – Französische Regierung/Kommission. 876 So Schwarze (Fn. 233), S. 1371. 877 EuGH, Urteil vom 7.2.1979 – verb. Rs. 15/76 und 16/76 – Slg. 1979, 321 (Rn. 6 ff.) – Französische Regierung/Kommission. 878 EuGH, Urteil vom 13.2.1979  – Rs.  85/76  – Slg. 1979, 461 (Rn.  14 f.)  – HoffmannLa Roche/Kommission. 879 Tendenzen etwa bei GA Mayras, Schlussanträge vom 8.11.1977 zu Rs. 27/76 – Slg. 1978, 207 (347) – United Brands Company/Kommission, unter Hinweis auf die ICI-Entscheidung. Diese enthält jedoch keine Hinweise auf eine Heilung im Gerichtsverfahren, EuGH, Urteil vom 14.7.1972 – Rs. 48/69 – Slg. 1972, 619 (621) – Imperial Chemical Industries/Kommission. Weiterhin geht die Entschiedung, EuGH, Urteil vom 11.12.1965 – Rs. 16/65 – Slg. 1151 (1167 f.) – G. Schwarze/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, in eine ähnliche Richtung, allerdings mögen dabei auch die besonderen Probleme der Begründung einer Verordnung eine Rolle gespielt haben. 880 EuGH, Urteil vom 13.2.1979  – Rs.  85/76  – Slg. 1979, 461 (Rn.  14 f.)  – HoffmannLa Roche/Kommission. 881 Ipsen (Fn.  470), § 24 Rn.  25; Lenz/Grill, Zum Recht auf Akteneinsicht im EG-Kartellverfahrensrecht, in: Everling/Narjes/Sedemund (Hrsg.), Europarecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, 1993, S. 310 (314 m. w. N.); Sedemund, Allgemeine Prinzipien des Verwaltungsverfahrensrechts  – dargestellt am Beispiel des europäischen Verwaltungsverfahrensrechts in Kartellsachen, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, 1982, S. 45 (45 ff.); pointiert: Bülow (Fn.  686), S.  245 f., das Urteil sei nicht nur schwer mit der sonstigen Rechtsprechung in Einklang zu bringen, sondern die betreffende Urteilspassage sei auch sprachlich „völlig missglückt“, Fn. 1079. Auch die Generalanwälte des EuGH sehen diese Entscheidung kritisch, so etwa GA Warner, der sich dahin gehend äußerte, dass der EuGH damit seine Zuständigkeit überschreitet – dessen Aufgabe liege darin, die Rechtmäßigkeit im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns zu überprüfen. Man biete damit der Kommission die Möglichkeit, ungestraft wesentliche Formvorschriften zu unterlaufen, weil entweder das betroffene Unternehmen den EuGH nicht anrufen würde, oder, falls es dies doch tut, der Fehler im Verlauf des Gerichtsverfahrens geheilt werden könne, GA Warner, Schlussanträge vom 12.3.1980

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

den sich für eine Heilung noch im Gerichtsverfahren in den damaligen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten kaum Anknüpfungspunkte. In Frankreich etwa bildet der Abschluss des Verwaltungsverfahrens eine eindeutige Zäsur.882 In Deutschland hingegen wurde zu diesem Zeitpunkt über diese Frage noch bis 1996 diskutiert.883 In der Folgezeit bezogen sowohl das EuG als auch später der EuGH eine andere Position: Das EuG lehnte in der Rechtssache Marcato884 die Nachholung einer unterbliebenen Anhörung ab. Denn diese würde den Verstoß gegen das Verteidigungsrecht des Betroffenen nicht heilen.885 Eine nachträgliche Heilung komme nämlich nur dann in Betracht, wenn sie geeignet sei, die Verteidigungsrechte des Betroffenen wieder zu stärken. Das bedeutet, die nachgeholte Verfahrenshandlung müsse den Charakter einer wirklichen Anhörung haben, die das Entscheidungsergebnis noch beeinflussen kann. Dies sei aber in der vorliegenden Konstellation nicht gegeben.886 Auch in der Folgezeit beurteilte das EuG die Möglichkeit einer Heilung von Verfahrensfehlern im Gerichtsverfahren negativ. Dies begründete es damit, dass eine Verletzung der Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren nicht durch das folgende Gerichtsverfahren geheilt werden könne. Denn dieses beschränkt sich auf eine gerichtliche Kontrolle der geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmittel und könne gerade nicht eine vollständige Aufklärung des Falles im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ersetzen.887 zu Rs. 30/78 – Slg. 1980, 2267 (2297 f.) – Distillers Company/Kommission; ebenso kritisch in ihrer Auffassung, allerdings vor dem Erlass des Hoffmann-La Roche-Urteils GA Roemer, Schlussanträge vom 28.6.1955 zu Rs. 1/55 – Slg. 1955/56, 9 (48) – Antoine Kergall/Versammlung; GA Roemer, Schlussanträge vom 9.2.1967 zu verb. Rs. 18/65 und 35/65 – Slg. 1966, 153 (192) – Max Gutmann/Kommission der EAG; GA Roemer, Schlussanträge vom 23.10.1968 – Rs.  2/68  – Slg. 1968, 653 (678)  – Ufficio Imposte di Consumo di Ispra/Kommission. Die Gegenansicht vertritt GA Lagrange, verb. Schlussanträge vom 12.3.1959 – Rs. 20/58, 21/58 bis 23/58 – Slg. 1958/59, 165 (215 f.) – Phoenix-Rheinrohr u. a./Hohe Behörde, allerdings nur für die Konstellation der Abgabe einer Begründung außerhalb des Gerichtsverfahrens, aber nach Abschluss des eigentlichen Verwaltungsverfahrensverfahrens. 882 So Schwarze (Fn. 233), S. 1371 m. w. N. aus dem französischem Recht. 883 § 45 Abs. 2 VwVfG beschränkte bis zum Erlass des GenBeschlG vom 12.9.1996, BGBl. I S. 1354, Art. 1 Nr. 3, eine Heilung auf den vorprozessualen Bereich, Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs (Fn. 306), § 45 VwVfG Rn. 101. 884 EuG, Urteil vom 5.12.1990 – Rs. T-82/89 – Slg. 1990, II-735 – Antonio Marcato/Kommission. 885 EuG, Urteil vom 5.12.1990 – Rs. T-82/89 – Slg. 1990, II-735 (Rn. 81) – Antonio Marcato/ Kommission. 886 Die Anhörung des Klägers hatte entgegen Art. 26 und 43 Beamtenstatut zu nachteiligen Äußerungen, die ein Vertreter der Generaldirektion vor dem Beförderungsausschuss traf, nicht stattgefunden. Daraufhin wurde die Aufnahme des Klägers in das Verzeichnis beförderbarer Beamten abgelehnt. Eine nachträgliche Vernehmung des Generaldirektors als Zeugen könne diese unterbliebene Anhörung nicht nachholen, EuG, Urteil vom 5.12.1990  – Rs. T-82/89  – Slg. 1990, II-735 (Rn. 81) – Antonio Marcato/Kommission. 887 EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-30/91 – Slg. 1995, II-1775 (Rn. 98, 103) – Solvay/ Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-36/91 – Slg. 1995 II-1847 (Rn. 108) – Imperial Chemical Industries/Kommission; auch EuG, Urteil vom 9.11.1995 – Rs. T-346/94 – Slg. 1995, II-2841 (Rn. 19 f.) – France-Aviation/Komrnission.

B. Anspruch auf rechtliches Gehör

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Der EuGH wiederum thematisierte erneut die Frage der Heilung von im Verwaltungsverfahren geschehenen Verletzungen von Verteidigungsrechten in seiner Entscheidung in der Rechtssache Hercules Chemicals888 und stellte fest, dass durch eine gerichtlich nachgeholte Anhörung die vor Erlass des Beschlusses eingetretene Verletzung der Verteidigungsrechte nur unzulänglich behoben wird.889 Damit stellt sich der EuGH mit dieser Rechtsprechung  – die er später nochmals bestätigt hat –890 gegen seine Ausführungen im Urteil Hoffmann-La Roche und formuliert durch die Gesamtheit seiner Urteile den Rechtsgrundsatz, dass eine Heilung einer unterbliebenen oder fehlerhaften Anhörung im Gerichtsverfahren nicht möglich ist.891 Rechtssicherheit und die Interessen des Betroffenen stellen der nachträglichen Heilung im europäischen Verwaltungsrecht eine Hürde.892 Dazu kommt der Grundsatz der Einheitlichkeit des Verfahrens, dessen Rechtmäßigkeit insgesamt zu beurteilen893 ist, ebenso wie das Statut, dass der Erlasszeitpunkt des Rechtsakts den primär maßgeblichen Zeitpunkt zur Feststellung seiner Rechtmäßigkeit bildet.894 Diese Hürde bleibt unüberwindbar.895 888

EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-51/92 P – Slg. 1999, I-4235 – Hercules Chemicals/ Kommission. 889 EuGH, Urteil vom 8.7.1999 – Rs. C-51/92 P – Slg. 1999, I-4235 (Rn. 79) – Hercules Chemicals/Kommission. 890 EuGH, Urteil vom 2.10.2003 – Rs. C-199/99 P – Slg. 2003, I-11177 (Rn. 128) – Corus UK/Kommission. Die Klage hatte aber im Ergebnis keinen Erfolg, weil die vorenthaltenen Akten keine entlastenden Dokumente aufwiesen. 891 Bülow (Fn. 686), S. 246; Sedemund, in: Schwarze (Fn. 881), S. 45 (52 ff.); auch ­Fengler (Fn.  771), S.  107, der allerdings kritisiert, dass der EuGH sein Urteil, EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 – Hoffmann-La Roche/Kommission, in dieser Hinsicht nicht ausdrücklich als „überholt“ benennt. 892 In diese Richtung etwa Mader (Fn.  620), S.  368 f., welcher ansonsten eine „Einladung zum Rechtsbruch“ sieht. Der Entscheidung zustimmend ebenfalls Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 43. 893 EuGH, Urteil vom 17.12.1981 – Rs. 115/80 – Slg. 1981, 3147 (Rn. 5) – René Demont/ Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.1983 – Rs. 107/82 – Slg. 1983, 3151 (Rn. 29) – Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft AEG-Telefunken/Kommission; Bockey (Fn.  429), S.  119; Girnau, Die Stellung der Betroffenen im EG-Kartellverfahren, 1993, S. 175; Jarass (Fn. 518), Art. 41 EU-GRCharta Rn. 5; Mader (Fn. 620), S. 369; Nöhmer (Fn. 809), S. 254 ff.; Schwarze (Fn. 233), S. 1369. 894 EuGH, Urteil vom 7.2.1979 – verb. Rs. 15/76 und 16/76 – Slg. 1979, 321 (Rn. 6 ff.) – Französische Regierung/Kommission; GA Warner, Schlussanträge vom 12.3.1980 zu Rs. 30/78 – Slg. 1980, 2267 (2297 f.) – Distillers Company/Kommission; GA Léger, Schlussanträge vom 4.7.1996 zu Rs. 294/95 P – Slg. 1996, I-5867 (Rn. 127) – Girish Ojha/Kommission; Schwarze (Fn. 233), S. 1371. 895 EuGH, Urteil vom 7.2.1979 – verb. Rs. 15/76 und 16/76 – Slg. 1979, 321 (Rn. 8) – Französische Regierung/Kommission; EuGH, Urteil vom 12.11.1985  – Rs.  183/83  – Slg. 1985, 3069 (Rn. 21) – Krupp Stahl/Kommission; EuGH, Urteil vom 24.10.1996 – verb. Rs. C-329/93, C-62/95 und C-63/95 – Slg. 1996, I-5151 (Rn. 48) – Bundesrepublik Deutschland u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 5.12.1990 – Rs. T-82/89 – Slg. 1990, II-735 (Rn. 81) – Antonio Marcato/Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995  – Rs.  T-30/91  – Slg. 1995, II-1775 (Rn.  98, 103)  – Solvay/Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995  – Rs. T-36/91  – Slg. 1995 II-1847 (Rn.  108)  – Imperial Chemical Industries/Kommission; EuG, Urteil vom 20.4.1999  – verb.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

d) Zusammenfassung der Heilungsregelungen Eine Heilung von unterbliebenen Verfahrenshandlungen ist sowohl innerhalb des Registrierungsverfahrens selbst als auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch möglich. Erst dessen Ende stellt eine entscheidende Zäsur da. Heilungen der Verletzung von Verteidigungsrechten – wie etwa dem Anhörungserfordernis – kann die ECHA nach Klageerhebung nicht mehr vornehmen. Eine richterliche Kontrolle kann diese Verletzung nicht mehr korrigieren.

IV. Ergebnis zum Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen der Registrierung nach der REACH-VO Eine Anhörung muss vor dem Erlass der endgültigen Ablehnung der Registrierung nach Art. 20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 REACH-VO, vor dem Erlass der Nach­ forderung von Informationen nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO sowie vor dem Erlass einer Aufhebung einer Registrierung stattfinden. Der Betroffene ist vorher zu informieren, damit er dann wohlvorbereitet Stellung nehmen kann. Seine Grundlage findet dieses Recht zwar nicht in der REACH-VO, aber als ungeschriebener Rechtsgrundsatz im allgemeinen Eigenverwaltungsrecht sowie in Art. 41 Abs. 2 lit. a) EU-GRCharta. Sowohl Existenz als auch Ausgestaltung des Rechts auf Anhörung finden sich in einer Vielzahl von Normen des Sekundärrechts und lassen sich dabei durch eine Vielzahl von Urteilen sowie durch Beiträge aus dem Schrifttum klar ausleuchten, sodass es an dieser Stelle kaum zu Ungewiss­ Rs- T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94 – Slg. 1999, II-931 (Rn. 1022) – Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission; im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch EuGH, Urteil vom 15.10.2002 – verb. Rs. C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P – Slg. 2002, I-8618 (Rn. 327) – Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission; ablehnend auch GA Warner, Schlussanträge vom 12.3.1980 zu Rs. 30/78 – Slg. 1980, 2267 (2297 f.) – Distillers Company/Kommission; GA Léger, Schlussanträge vom 4.7.1996 zu Rs.  294/95 P  – Slg. 1996, I-5867 (Rn. 126) – Girish Ojha/Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 251 f.; Classen (Fn. 767), 307 (323 f.); Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Fn. 809), S. 279 (299); Schwarze (Fn. 233), S. 1370 ff.; Stoye (Fn. 622), S. 71 ff. Siehe für die ebenfalls unzulässige Nachholung der Begründung im mitgliedstaatlichen Gerichtsverfahren EuGH, Urteil vom 25.10.1983  – Rs. 107/82 – Slg. 1983, 3151 (Rn. 29) – Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft AEG-Telefunken/Kommission; EuGH, Urteil vom 27.3.1985 – Rs. 12/84 – Slg. 1985, 1005 (Rn. 8) – Ilias Kypreos/Rat der Europäischen Gemeinschaften; EuGH, Urteil vom 9.7.1987 – verb. Rs. 44/85, 77/85, 294/85 und 295/85 – Slg. 1987, 3259 (Rn. 10) – Ingfried Hochbaum u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 15.10.1987 – Rs. 222/86 – Slg. 1987, 4097 (Rn. 15) – Union nationale des entraîneurs et cadres techniques professionnels du football (Unectef)/Georges Heylens; EuGH, Urteil vom 8.3.1988 – verb. Rs. 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86, Slg. 1988, 1399 (Rn. 49) – Giovanni Sergio/Kommission; EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 104) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission; Hegels (Fn. 234), S. 86 f.; a. A. noch EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 (Rn. 15) – Hoffmann-La Roche/Kommission.

C. Das Recht auf Akteneinsicht

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heiten und Unwägbarkeiten im Registrierungsverfahren kommen kann. Die Anforderungen an die ECHA sind im Eigenverwaltungsrecht klar dargestellt. Auch für den Fall, dass eine derartige Anhörung nicht oder nicht in einer Form stattfindet, in welcher der Betroffene seine Verteidigungsrechte angemessen ausüben kann, lässt sich nach klarer Rechtslage feststellen, dass dann der Registrierungsbeschluss rechtswidrig ist und auch grundsätzlich über den Weg der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 2 2. Var. AEUV für nichtig nach Art. 264 Abs. 1 AEUV erklärt werden kann. Eine Heilung kann lediglich insofern erfolgen, wenn die ECHA eine Anhörung vor Klageerhebung – auch noch innerhalb des Widerspruchsverfahrens – nachholt; ist die Klage erhoben, ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung eine Heilung nicht mehr möglich.

C. Das Recht auf Akteneinsicht Das Recht auf Akteneinsicht ist zugleich ein Schlüsselrecht für das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Der Registrant ist im Registrierungsverfahren nicht Objekt, sondern Subjekt des Handelns der ECHA. Insofern muss und soll er von ihn betreffenden Verwaltungsvorgängen Kenntnis nehmen können. Diese Transparenz bedeutet zugleich eine Kontrolle der europäischen Verwaltung durch die EU-Bürger.896 Im Bereich des Akteneinsichtsrechts wird zwischen verfahrensakzessorischen und verfahrenskonstituierenden Akteneinsichtsrechten unterschieden.897 Das verfahrenskonstitutive Akteneinsichtsrecht ist nicht auf ein bestimmtes Verwaltungsverfahren bezogen. Es sichert jedermann ohne Angabe von Gründen ein Recht auf „Zugang zu Dokumenten“.898 Normiert ist es zum einen primärrechtlich als Art. 42 EU-GRCharta sowie im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 AEUV, zum anderen sekundärrechtlich in der Transparenzverordnung. Vor dem Hintergrund der umfassenden Tatbestandsvoraussetzungen umfasst das verfahrenskonstitutive Akteneinsichtsrecht auch den Anwendungsbereich des verfahrensakzessorischen Akteneinsichtsrechts. Da aber die Transparenzverordnung keine Regelung über das Verhältnis zwischen verfahrenskonstitutiven und verfahrensakzessori-

896

von Danwitz (Fn. 24), S. 428; Gassner (Fn. 233), 16 (22); Hegels (Fn. 234), S. 81. von Danwitz (Fn.  24), S.  428; Gassner (Fn.  233), 16 (20); Nowak, Informations- und Dokumentenzugangsfreiheit in der EU  – Neuere Entwicklungen und Perspektiven, DVBl. 2004, 272 (273); Pfeffer, Das Recht auf eine gute Verwaltung, 2006, S. 151; Nehl (Fn. 820), S. 227 f.; dieselbe Differenzierung auch bei Hegels (Fn. 234), S. 80 f., allerdings mit anderer Bezeichnung. Sie unterscheidet zwischen Akteneinsichtsrechten als Verteidigungsrecht und selbstständigen Akteneinsichtsrechten. 898 Kuntze, Kapitel 4: Allgemeines Verwaltungsrecht, in: Bergmann/Kenntner (Hrsg.), Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 2002, S. 133 (Rn. 37). Ausführlich dazu von Danwitz (Fn. 24), S. 430; Nowak (Fn. 897), 272 ff. 897

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

schen Akteneinsichtsrechten enthält, bestehen beide nebeneinander.899 Insbesondere kommt den spezielleren – verfahrensakzessorischen – Akteneinsichtsrechten keinerlei abschließende Wirkung zu.900 Verfahrensakzessorische Akteneinsichtsrechte beziehen sich auf konkrete Verwaltungsverfahren und können dabei von den jeweils Betroffenen zur Verteidigung ihrer Rechte genutzt werden.901 Dazu gehören die bereichsspezifischen Akteneinsichtsrechte902  – eine allgemeine Normierung findet sich mittlerweile prominent in Art. 41 Abs. 2 lit. b) EU-GRCharta. Während das verfahrenskonstitutive Akteneinsichtsrecht aus der Transparenzverordnung seinen Niederschlag in Art. 118 f. REACH-VO gefunden hat,903 findet sich eine Normierung für ein verfahrensakzessorisches Akteneinsichtsrecht, das im Verfahren der Registrierung nach der REACH-VO Anwendung findet, in der Verordnung nicht.

I. Notwendigkeit des verfahrensakzessorischen Rechts auf Akteneinsicht Eine wirksame Anhörung, eine wirksame Verteidigung kann nur dann erfolgen, wenn der Betroffene in vollem Umfang über die Vorwürfe und den Ermittlungsstand des betreffenden EU-Organs informiert ist. Das Recht auf Akteneinsicht legt gerade die Basis für eine wirksame Ausübung anderer Verteidigungsrechte, etwa dem Recht auf Anhörung, und ist daher von besonderer Wichtigkeit.904 Durch 899 EuG, Urteil vom 7.12.1999 – Rs. T-92/98 – Slg. 1999, II-3521 (Rn. 44) – Interporc Imund Export/Kommission; Kuntze, in: Bergmann/Kenntner (Fn. 898), S. 133 (Rn. 37 m. w. N.); Nehl (Fn. 820), S. 265 f. 900 EuGH, Urteil vom 6.3.2003 – Rs. C-41/00 P – Slg. 2003, I-2125 (Rn. 38 f.) – Interporc Im- und Export/Kommission; EuG, Urteil vom 7.12.1999 – Rs. T-92/98 – Slg. 1999, II-3521 (Rn. 44) – Interporc Im- und Export/Kommission; von Danwitz (Fn. 24), S. 431. 901 von Danwitz (Fn. 24), S. 429; Hegels (Fn. 234), S. 80; Hix, Das Recht auf Akteneinsicht im europäischen Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1992, S. 32. 902 Etwa Art.  6 Abs.  7 VO Antidumpinggrundverordnung; Art.  26 Abs.  7, Art.  51 Abs.  3 Beamtenstatut; Art. 8 Abs. 1, Art. 18 Abs. 3 EG-Fusionskontrollverordnung; Art. 17 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Fusionskontroll-DVO; Art. 27 Abs. 2 S. 2 Kartellverordnung. 903 Siehe oben S. 54 ff. Dazu auch Art. 22 f. des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA. 904 EuGH, Urteil vom 2.10.2003 – Rs. C-199/99 P – Slg. 2003, I-11177 (Rn. 126) – Corus UK/Kommission; EuGH, Urteil vom 18.12.1992 – verb. Rs. T-10/92 bis T-12/92 und T-15/92 – Slg. 1992, II-2667 (Rn. 38) – Cimenteries CBR u.a/Kommission; EuG, Urteil vom 1.4.1993 – Rs. T-65/89 – Slg. 1993, II-389 (Rn. 30) – BPB Industries u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 20.4.1999  – verb. Rs. T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94  – Slg. 1999, II-931 (Rn.  1011)  – Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 20.3.2002  – Rs.  T-23/99  – Slg. 2002, II-1705 (Rn. 169) – LR AF 1998 A/S/Kommission; Bockey (Fn. 429), S. 105; Bülow (Fn. 686), S. 197; Craig (Fn.  217), S.  326; Gassner (Fn.  233), 16 (20); Pfeffer (Fn.  897), S.  145; Schwarze (Fn. 625), 85 (92); Stoye (Fn. 622), S. 51 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung des EuG. Nehl (Fn.  820), S.  227 sieht mittlerweile das Akteneinsichtsrecht emanzipiert neben dem An­ hörungsrecht stehen.

C. Das Recht auf Akteneinsicht

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Kenntnis des Akteninhalts kann der Betroffene die gegen ihn erhobenen Vorwürfe prüfen und eine Stellungnahme vorbereiten.905 Damit stellt die Frage des Umfangs dieser Gewährleistung auch eine „Schlüsselfrage“906 des Unionsrechts dar. Nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens kann das Akteneinsichtsrecht ähnlich wie der Begründungsgrundsatz907 dem Betroffenen dazu dienen, die Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Beschluss, mithin die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, beurteilen zu können.908 Insofern überrascht es nicht, dass die Rechtsprechung dem Betroffenen regelmäßig ein Recht auf Einsichtnahme in seine Verfahrensakte zuspricht.909 Eine Verweigerung dieses Rechts kann dann grundsätzlich eine Aufhebung des Beschlusses aufgrund der Verletzung einer wesentlichen Form­ vorschrift nach Art. 263 Abs. 2 2. Var. AEUV nach sich ziehen.910

II. Ausgestaltung des verfahrensakzessorischen Akteneinsichtsrechts im Rahmen der REACH-VO Betrachtet man die Normierung eines verfahrensakzessorischen Akteneinsichtsrechts im Rahmen der REACH-VO, zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Rahmen des Rechts auf eine Anhörung:911 In der REACH-VO ist ein solches Recht nicht normiert. Art.  22 und Art.  23 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA verweisen der Sache nach auf die Transparenzverordnung, mithin auf ein verfahrenskonstitutives Akteneinsichtsrecht. Eine Regelung für ein verfahrensakzessorisches Akteneinsichtsrecht hingegen fehlt. Jedoch wird vor dem Hintergrund, dass das europäische Recht ein Anhörungsrecht im Verwaltungsverfahren vor jedem Erlass einer belastenden Entscheidung garantiert und das Akteneinsichtsrecht wiederum ein Fundament für eine effektive Nutzung des Anhörungsrechts dar 905

Hix (Fn. 901), S. 32; Nöhmer (Fn. 809), S. 53. So bezeichnet von GA Léger, Schlussanträge vom 13.12.1994 zu Rs.  C-310/93  – Slg. 1995, I-867 (Rn. 91) – BPB Industries u. a./Kommission. 907 Zu dieser Funktion im Rahmen des Begründungsgrundsatzes siehe S. 213 ff. 908 Hix (Fn. 901), S. 33. 909 EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-36/91 – Slg. 1995 II-1847 (Rn. 69) – Imperial Chemical Industries/Kommission; EuG, Urteil vom 20.4.1999 – verb. Rs. T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94  – Slg. 1999, II-931 (Rn.  1011)  – Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 15.3.2000 – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 – Slg. 2000, II-491 (Rn. 142) – Cimenteries CBR u. a./Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 195. 910 EuGH, Urteil vom 12.2.1992  – verb. Rs.  C-48/90 und C-66/90  – Slg. 1992, I-565 (Rn. 54) – Königreich der Niederlande u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 2.10.2003 – Rs. C-199/99 P – Slg. 2003, I-11177 (Rn. 127) – Corus UK/Kommission; so auch GA van ­Gerven, Schlussanträge vom 16.10.1991 zu verb. Rs. C-48/90 und C-66/90 – Slg. 1991, I-589 (Rn. 19) – Königreich der Niederlande u. a./Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 195 f.; Lenz/Grill, in: Everling/Narjes/Sedemund (Fn. 881), S. 310 (323 f.). 911 Siehe S. 177 ff. 906

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

stellt,912 auch das Bestehen eines Rechts auf Akteneinsicht nicht von der Existenz einer entsprechenden Normierung im Rahmen der REACH-VO abhängig sein. Besteht ein Recht auf Anhörung, korrespondiert dies mit dem ebenfalls zu gewährenden Akteneinsichtsrecht.913 Dies bestätigt ein Blick auf die Rechtsprechung der europäischen Gerichte, die ein Akteneinsichtsrecht auch für Verwaltungsverfahren bejahen, in denen ein solches nicht normiert ist.914 Insofern wird sowohl für den Fall der Nachforderung von Informationen nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO als auch für den Fall der Ablehnung einer Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO korrespondierend zur Anhörung auch eine vorherige Akteneinsicht möglich sein. Dabei kann die ECHA in Bezug auf das Recht auf Akteneinsicht im Vorfeld der (möglichen) Ablehnung der Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO auch nicht vorbringen, dass bereits eine Akteneinsicht stattgefunden, diese somit „verwirkt“ sei. Denn gerade die neu hinzugefügten Unterlagen, mithin die Ergebnisse der erneuten Vollständigkeitsprüfung mit im Regelfall neu gesendeten Informationen, dürften für den Registranten im Regelfall von großer Wichtigkeit sein. Auch vor der Aufhebung einer Registrierung muss dem Betroffenen die Möglichkeit zur Akteneinsicht gegeben werden. 1. Bezugspunkt des Akteneinsichtsrechts im Rahmen der REACH-VO: Die Registrierungsakte Ziel des Akteneinsichtsrechts wird dabei die Einsicht in die entsprechende Akte des Registranten915 bei der ECHA, einen oder mehrere seiner registrierten Stoffe betreffend, sein. Ein Großteil des Registrierungsverfahrens findet via REACHIT statt  – über dieses Portal werden sowohl Registrierungsdossiers eingereicht als auch die dossierbezogene Kommunikation zwischen ECHA und Registranten abgewickelt. Die ECHA selbst nutzt zusätzlich ein eigenes Verwaltungsprogramm. Nach Art. 24 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA sind die Mitarbeiter zur Führung von angemessenen Akten verpflichtet. Daraus ergibt sich zweier 912

Vgl. Galetta (Fn. 517), 57 (65); Haibach (Fn. 562), 456 (457), die das Recht auf Akteneinsicht als Sonderfall des Anspruchs auf rechtliches Gehör einstufen. 913 EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 91) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 3.9.2009 – Rs.  T-326/07  – Slg. 2009, II-2685 (Rn.  244)  – Cheminova u. a./Kommission; Schwarze (Fn. 625), 85 (92). 914 So auch Mader (Fn. 620), S. 229 f.; Nehl, Principles of administrative procedure in EC law, 1999, S. 68. Nehl (Fn. 820), S. 256, konzidiert dies etwa für das Zollverfahren, in dem zum Zeitpunkt der Entscheidungen EuG, Urteil vom 19.2.1998  – Rs.  T-42/96  – Slg. 1988, II-401 (Rn. 79 ff.) – Eyckeler & Malt/Kommission; EuG, Urteil vom 17.9.1998 – Rs. T-50/96 – Slg. 1998, II-3773 (Rn.  62 ff.)  – Primex Produkte Import-Export u. a./Kommissison, eine Art. 906a Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 253, S. 1, entsprechende Regelung nicht existierte. 915 Fortan: Registrierungsakte.

C. Das Recht auf Akteneinsicht

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lei: Zum einen existiert grundlegend eine Registrierungsakte, zum anderen muss diese nicht zwingend in Papierform vorliegen. Die Aktenbestandteile, seien sie in elektronischer oder papierner Form, können zunächst durch die Eingangsnummer, die nach Art. 20 Abs. 1 REACH-VO vergeben wird, später durch die Registrierungsnummer, welche die ECHA nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO dem Registranten zuweist, identifiziert werden. Der Registrant wiederum bezeichnet dann seine Korrespondenz an die ECHA mit dieser Nummer. Insofern entsteht hier im Laufe des REACH-Prozesses eine Sammlung von den Registranten bzw. dessen Registrierung betreffenden Schriftstücken. Dazu wird zum einen die Korrespondenz zwischen ECHA und Re­gistranten gehören, insbesondere die dem Registranten zugestellten Registrierungsbeschlüsse, zum anderen aber auch die Dokumentation von ECHA-internen Entscheidungen: So wird dort etwa916 angegeben sein, inwiefern der computergestützte completeness check Lücken im Registrierungsdossier ergeben hat, sowie gegebenenfalls Informationen über Notwendigkeit, Ablauf und Ergebnisse der zweiten durch einen Bediensteten der ECHA durchgeführten Vollständigkeitsprüfung. Schließlich wird hier dokumentiert sein müssen  – parallel zum Beschluss der ECHA, Informationen nachzufordern –, welche Daten aus welchen Gründen vom Registranten noch mitgeteilt werden müssen und Erwägungen, wie sich dessen Frist zur Nachreichung bestimmt. In Bezug auf den compliance check nach Art. 41 REACH-VO kann die Registrierungsakte nähere Informationen zur Entscheidung enthalten, gerade dieses Registrierungsdossier auf compliance zu überprüfen, dazu entsprechende Ergebnisse sowie eine Dokumentation des Verfahrensganges nach Art. 50, 51 ­REACH-VO bei der Erstellung eines entsprechenden Beschlusses. Plant die ECHA einen Registrierungsbeschluss aufzuheben, werden sich entsprechende Informationen in der Registrierungsakte finden müssen. Dies gilt – je nach Fallkonstellation – etwa in Bezug auf die Fehlerhaftigkeit und die Schwere der Fehler bei Angaben im Registrierungsdossier917 oder im Hinblick auf die Frage, ob die Zeitspanne zwischen Erlass und Rücknahme einer Registrierung noch angemessen ist und welche Erwägungen die ECHA anlegt, um die Angemessenheit dieser Zeitspanne zu rechtfertigen.918 Schließlich wird das ausgeübte Ermessen umfangreich dokumentiert sein müssen.

916

Dem Gang der Arbeit nach werden hier exemplarisch mögliche Akteninhalte mit Bezug zum completeness oder compliance check aufgezeigt. Enthalten sein können dabei aber auch noch weitere Informationen, etwa in Bezug auf Handlungen der mitgliedstaatlichen Behörden, in Bezug auf konkrete Stoffinformationen des von der Registrierung betroffenen Stoffes oder in Bezug auf Veröffentlichungen nach Art. 118 f. REACH-VO. 917 Im Rahmen von Fallgruppe 1 bei der Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen, siehe S. 267 ff. 918 Im Rahmen von Fallgruppe 2 bei der Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen, siehe S. 333 ff.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

2. Ermittlung der Konturen des allgemeinen Akteneinsichtsrechts aus dem besonderen Sekundärrecht So klärt sich zwar das „Ob“ eines Einsichtsrechts in die Registrierungsakte, jedoch noch nicht dessen Ausgestaltung in Bezug auf Art und Umfang der Akteneinsicht. Zwar lassen sich sowohl die zeitlichen Grenzen [C.  II.  2.  a)]919 als auch die der jeweiligen konkreten Einsichtnahme entgegenstehenden Aspekte [C.  II.  2.  c)]920 relativ leicht bestimmen, da sie im Eigenverwaltungsrecht weitgehend gleich ausgeformt und anerkannt sind. Schwierigkeiten bereiten hingegen zwei weitere grundlegende Fragen, die in verschiedenen Rechtsgebieten des Eigenverwaltungsrechts unterschiedliche Ausprägung erfahren haben. Dabei handelt es sich zum einen um den grundsätzlichen Umfang des Einsichtsrechts in die Registrierungsakte [C. II. 2. b)]921, zum anderen um die Rechtsfolge unterbliebener Akteneinsicht [C. II. 2. d)]922. Diese beiden Punkte sollen durch einen vergleichenden Blick auf entsprechende Ausprägungen des Akteneinsichtsrechts in verschiedenen Sekundärrechtsgebieten geklärt werden, um so auch in diesem Bereich die Konturen eines REACH-spezifischen verfahrensakzessorischen Akteneinsichtsrechts zu ermitteln. Einbezogen werden sollen, um ein breites Bild zu ge­winnen und zu verhindern, dass hierbei Besonderheiten einzelner Rechtsgebiete den Blick auf einen dahinterstehenden allgemeinen Grundsatz verstellen, eine Reihe von Rechtsgebieten, in denen das Recht auf Akteneinsicht anerkannt ist, namentlich das Kartell- und Antidumpingrecht, das Fusionskontrollrecht sowie das Beamtenrecht. a) Zeitliche Grenzen des Akteneinsichtsrechts In zeitlicher Hinsicht steht dem Betroffenen mit der Mitteilung der Verwaltung, dass ein ihn betreffendes Verwaltungsverfahren begonnen hat, bis zum Erlass des jeweiligen Beschlusses die Möglichkeit zu, Einsicht in die ihn betreffende Verfahrensakte zu nehmen.923 Dies beinhaltet denknotwendig eine entsprechende Mitteilung zu Beginn des Verfahrens. Damit muss die ECHA im – durch enge Fristen gekennzeichneten  – Registrierungsverfahren den Registranten informieren, dass sie Nachforderungen vorzunehmen bzw. die Registrierung endgültig abzulehnen beabsichtigt. Der behördliche Willensbildungsprozess darf mithin noch nicht durch Erlass des Beschlusses den Abschluss gefunden haben, gleich­zeitig muss das Akteneinsichtsrecht allerdings zu einem Zeitpunkt zur Anwendung ge­ 919

Siehe S. 200 ff. Siehe S. 205 ff. 921 Siehe S. 201 ff. 922 Siehe S. 207 ff. 923 So Bülow (Fn. 686), S. 197. 920

C. Das Recht auf Akteneinsicht

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langen, an dem bereits eine entsprechende Aktenlage besteht, jedenfalls zeitnah zu einer Anhörung. Dies bedeutet aber auch eine Herausforderung im Hinblick darauf, Akteneinsichtsrecht und Anhörung in die Zeitspanne von drei Wochen bzw. drei Monaten nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 bzw. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 bzw. UAbs.  2, Abs.  2 REACH-VO zu integrieren, welche jeweils für die Nachforderung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 REACH-VO wie für die endgültige Ablehnung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO gelten. Dies erscheint aber vor dem Hintergrund möglich, dass jedenfalls die Anhörung via REACH-IT erfolgen wird, ebenso das Zurverfügungstellen von (vermutlich im Regelfall größtenteils elektronisch geführten) Verfahrensakten.924 Damit fällt der zeitaufwendige Übermittlungsvorgang auf dem Postweg weg. Bedenkt man außerdem, dass die eigentliche Vollständigkeitsprüfung nur wenige Tage, jedenfalls im Regelfall nicht die vollen drei Wochen in Anspruch nimmt, erscheint in beiden Fällen die Durchführung einer Anhörung in Verbindung mit einer vorhergehenden Akteneinsicht durchaus realistisch. b) Grundsätzlicher Umfang des Akteneinsichtsrechts Deutlich problematischer ist der grundsätzliche Umfang des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen. Im Sekundärrecht zeigen sich dabei zwei grundlegende Erscheinungsformen: aa) Beschränkung des Akteneinsichtsrechts auf verwendete Unterlagen Im Antidumpingverfahren ist ein beschränktes Akteneinsichtsrecht in Art.  6 Abs.  7 S.  1 Antidumpinggrundverordnung geregelt. Zur Einsichtnahme stehen dabei nach Art. 6 Abs. 7 S. 1 Antidumpinggrundverordnung nur Unterlagen, die „bei der Untersuchung verwendet werden“. Dies bedeutet eine Einschränkung insofern, dass lediglich Unterlagen eingesehen werden dürfen, auf welchen die Entscheidung der Europäischen Kommission „beruht“.925 Zwar nimmt die Rechtsprechung zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung,926 allerdings lässt sich aus den Entscheidungen schließen, dass diese enge Auslegung Bestand hat; sie hat den Hintergrund, dass das Unternehmen nur „zu den Beweisen, auf die die Kommission ihren Vorwurf des Vorliegens eines Dumpings […] stützt, sachgerecht“927 924

Siehe zu dieser Problematik auch oben S. 185 ff. So etwa Girnau (Fn. 893), S. 89; Weiß (Fn. 621), S. 218. 926 Daraus schließt wiederum auf eine weite Auslegung des Begriffs Hix (Fn. 901), S. 150. 927 EuGH, Urteil vom 27.6.1991  – Rs.  C-49/88  – Slg. 1991, I-3187 (Rn.  17)  – Al Jubail Fertilizer Company (Samad) u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaften; EuGH, Urteil vom 21.11.2002 – Rs. T-88/98 – Slg. 2002, II-4897 (Rn. 132) – Kundan Industries/Rat der Euro­ päischen Union. 925

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

vortragen soll. Dem entspricht es dann, auch lediglich zu diesen Beweisen Akten­ einsicht nehmen zu können. Die Einsicht in andere Akten bzw. Aktenteile sei dann zur Wahrung der Verteidigungsrechte nicht erforderlich.928 bb) Vollumfängliches Akteneinsichtsrecht Im Wettbewerbsrecht hat sich hingegen in jüngerer Zeit ein vollumfängliches Akteneinsichtsrecht entwickelt: In der Vergangenheit nahm der EuGH über einen Zeitraum von etwa fünfzig Jahren niemals ein uneingeschränktes Recht auf Übermittlung aller Akten an.929 Die Europäische Kommission müsse lediglich Einsicht in die Unterlagen gewähren, auf die sie sich beim Erlass ihrer Entscheidung stützt. Dies ist lediglich aus verfahrensökonomischer Perspektive nachvollziehbar, denn so bleibt die Menge an Unterlagen überschaubar, die gegebenenfalls vorher durchgesehen und in Teilen geschwärzt werden sowie an den Betroffenen übersendet werden müssen. Umgekehrt ist es insofern problematisch, als dass sich die Europäische Kommission bei Erlass eines belastenden Beschlusses in der Regel auch lediglich auf Unterlagen mit belastendem Inhalt beruft – somit dem Betroffenen im Rahmen des Akteneinsichtsrechts dann aber möglicherweise entlastendes Material vorenthält.930 Kritik erfuhr diese Position nicht nur durch die Generalanwälte931, auch das EuG, das nun erstinstanzlich für Wettbewerbssachen zuständig ist, nimmt ein vollumfängliches Akteneinsichtsrecht an: Lag es noch anfangs auf einer Linie mit dem EuGH932, ging es in der Folgezeit einen eigenen Weg und hat etwa im Urteil BPB Industries ausgeführt, dass die Europäische Kommission den Betroffenen die Gesamtheit aller Schriftstücke, belastender wie entlastender Natur, zur Verfügung stellen muss – ausgenommen die Schriftstücke

928

Mader (Fn. 620), S. 194 f. EuGH, Urteil vom 13.7.1966  – verb. Rs.  56/64 und 58/64  – Slg. 1966, 322 (386)  –­ Établissements Consten u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 9.11.1983  – Rs.  322/81  – Slg.  1983, 3461 (Rn.  7)  – Nederlandsche Banden Industrie Michelin/Kommission; EuGH, Urteil vom 17.1.1984 – verb. Rs. 43/82 und 63/82 – Slg. 1984, 19 (Rn. 25) – Vereniging ter Bevordering van het Vlaamse Boekwezen u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 3.7.1991  – Rs.  C-62/86  – Slg. 1991, I-3559 (Rn.  16)  – AKZO Chemie/Kommission; EuG, Urteil vom 17.12.1991  – Rs. T-7/89  – Slg. 1991, II-1711 (Rn.  52)  – SA Hercules Chemicals/Kommission; GA Léger, Schlussanträge vom 13.12.1994 zu Rs. C-310/93 – Slg. 1995, I-867 (Rn. 96) – BPB Industries u. a./Kommission. Zur Entwicklung der Rechtsprechung auch Bülow (Fn. 686), S. 198; Mader (Fn. 620), S. 162 ff.; Stoye (Fn. 622), S. 53 ff. 930 Bülow (Fn. 686), S. 199; Girnau (Fn. 893), S. 183; Sedemund, in: Schwarze (Fn. 881), S. 45 (49). 931 GA Léger, Schlussanträge vom 13.12.1994 zu Rs. C-310/93 – Slg. 1995, I-867 (Rn. 96) – BPB Industries u. a./Kommission; GA Léger, Schlussanträge vom 3.2.1998 zu Rs. C-185/95 P – Slg. 1998, I-8422 (Rn. 150) – Baustahlgewebe/Kommission. 932 EuG, Urteil vom 17.12.1991  – Rs.  T-7/89  – Slg. 1991, II-1711 (Rn.  52)  – SA Hercules Chemicals/Kommission; EuG, Urteil vom 10.3.1992  – Rs. T-15/89  – Slg. 1992, II-1275 (Rn. 52) – Chemie Linz/Kommission. 929

C. Das Recht auf Akteneinsicht

203

anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Europäischen Kommission sowie weitere vertrauliche Informationen.933 Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass für die Europäische Kommission unerhebliche Papiere wiederum für den Betroffenen von Interesse sind.934 Ein einseitiges Ausschlussrecht der Kommission würde die Verteidigungsrechte des Betroffenen erheblich verletzen.935 Die Maxime einer ökonomischen Betrachtung ist somit dem Gedanken der Waffengleichheit gewichen  – die Europäische Kommission dürfe nicht Schriftstücke gegen den Betroffenen verwenden und gleichzeitig entscheiden, dass diese für dessen Verteidigung nicht zur Verfügung stehen.936 Diesen Grundsatz hat mit der Entscheidung in den „Zementsachen“ auch der EuGH akzeptiert und sieht nun ebenfalls ein grundsätzlich vollumfängliches Akteneinsichtsrecht als notwendig an.937 Vor die-

933 EuG, Urteil vom 1.4.1993 – Rs. T-65/89 – Slg. 1993, II-389 (Rn. 29) – BPB Industries u. a./Kommission; unter Hinweis auf EuG, Urteil vom 17.12.1991 – Rs. T-7/89 – Slg. 1991, II-1711 (Rn.  53 f.)  – SA Hercules Chemicals/Kommission; damit fand auch eine Einigung der Kammern statt, einerseits Erste Kammer des Gerichts erster Instanz in EuG, Urteil vom 17.12.1991  – Rs. T-7/89  – Slg. 1991, II-1711 (Rn.  52)  – SA Hercules Chemicals/Kommission; andererseits die Urteile der zweiten Kammer des Gerichts erster Instanz, EuG, Urteil vom 18.12.1992 – verb. Rs. T-10/92 bis T-12/92 und T-15/92 – Slg. 1992, II-2667 (Rn. 38) – Cimenteries CBR u.a/Kommission; EuG, Urteil vom 1.4.1993  – Rs.  T-65/89  – Slg. 1993, II-389 (Rn. 29) – BPB Industries u. a./Kommission, die für eine Ausweitung des Akteneinsichtsrechts in Anspruch genommen werden können. 934 EuG, Urteil vom 19.2.1998 – Rs. T-42/96 – Slg. 1988, II-401 (Rn. 81) – Eyckeler & Malt/ Kommission; ebenso EuG, Urteil vom 17.9.1998 – Rs. T-50/96 – Slg. 1998, II-3773 (Rn. 64) – Primex Produkte Import-Export u. a./Kommission. 935 EuG, Urteil vom 19.2.1998 – Rs. T-42/96 – Slg. 1988, II-401 (Rn. 81) – Eyckeler & Malt/ Kommission; ebenso EuG, Urteil vom 17.9.1998 – Rs. T-50/96 – Slg. 1998, II-3773 (Rn. 64) – Primex Produkte Import-Export u. a./Kommission. 936 EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-30/91 – Slg. 1995, II-1775 (Rn. 83, 101) – Solvay/ Kommission; EuG, Urteil vom 15.3.2000 – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 – Slg. 2000, II-491 (Rn. 143) – Cimenteries CBR u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 20.3.2002 – Rs. T-23/99 – Slg. 2002, II-1705 (Rn. 171) – LR AF 1998 A/S/Kommission. 937 EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 68) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission; unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 2.10.2003 – Rs. C-199/99 P – Slg. 2003, I-11177 (Rn.  125 ff.)  – Corus UK/Kommission. Ebenso mittlerweile EuGH, Urteil vom 11.2.2010  – Rs. C-407/08 P – Slg. 2010, I-6415 (Rn. 22) – Knauf Gips/Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.2011  – Rs.  C-109/10 P  – Slg. 2011, I-10413 (Rn.  54)  – Solvay/Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.2011 – Rs. C-110/10 P – Slg. 2011, I-10487 (Rn. 49) – Solvay/Kommission; vgl. auch EuG, Urteil vom 29.4.2004 – verb. Rs. T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01 – Slg. 2004, II-1181 (Rn. 38) – Tokai Carbon/Kommission; EuG, Urteil vom 13.9.2005  – Rs.  T-53/02  – Slg. 2005, II-3173 (Rn.  73)  – Ricosmos/Kommission; GA Kokott, Schlussanträge vom 14.4.2011 zu Rs. C-109/10 P – Slg. 2011, I-10332 (Rn. 156) – Solvay/Kommission; Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, 2.  Aufl., 2009, Art. 27 VO 1/2003 Rn. 1; Bülow (Fn. 686), S. 206; Schwarze (Fn. 233), S. LXXXVII f.; Stoye (Fn. 622), S. 59 f.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

sem Hintergrund ist auch Art. 27 Abs. 2 Kartellverordnung als Gewährung eines vollumfänglichen Akteneinsichtsrechts zu interpretieren.938 Auch im Beamtenrecht fand ein Wandel dergestalt statt, dass es der EuGH bei einem Bericht des Dienstvorgesetzten für zunächst ausreichend hielt, wenn der Untergebene lediglich in den Teil der Akte Einblick erhielt, auf dem die Entscheidung ursprünglich beruhte. In neuerer Zeit hingegen hat die Rechtsprechung ein erweitertes Akteneinsichtsrecht auch für die Bereiche des Beamtenrechts anerkannt, in denen eine ausdrückliche Regelung fehlt. Art. 26 Beamtenstatut garantiert die Verteidigungsrechte des Beamten dadurch, dass alle für ihn relevanten Beschlüsse der Verwaltung nur auf in seiner Personalakte erwähnte Tatsachen gestützt werden können.939 Diese wiederum kann der Beamte jederzeit während oder nach Beendigung seines Dienstes vollständig einsehen gemäß Art. 26 Abs. 6 Beamtenstatut. Im Fusionskontrollrecht ist das Recht auf Akteneinsicht in Art.  18 Abs.  3 Fusions­kontrollverordnung und Art.  17 Abs.  1 Fusionskontroll-DVO normiert. Dabei erfolgt keine Einschränkung, dass lediglich nur Teile der Verfahrensakte eingesehen werden dürfen. Somit steht auch im Fusionskontrollverfahren die gesamte Verfahrensakte zur Verfügung.940 cc) Fazit und Folgerungen für das Einsichtsrecht in die Registrierungsakte Als kleinster gemeinsamer Nenner lässt sich zunächst festhalten, dass dem Registranten die Unterlagen der Registrierungsakte zugänglich gemacht werden müssen, auf welchen der konkrete Vorwurf beruht, somit etwa im Fall einer Informationsnachforderung im Rahmen des completeness checks nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 938 Bülow (Fn.  686), S.  206; Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht, 2. Aufl., 2011, Art.  27 VO 1/2003 Rn.  26; Klees, Europäisches Kartellverfahrensrecht, 2005, § 5 Kommissionsverfahren Rn. 54; Ritter, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., 2012, Art. 27 VO 1/2007 Rn. 22; Mader (Fn. 620), S. 166. 939 EuGH, Urteil vom 7.10.1987 – Rs. 140/86 – Slg. 1987, 3939 (Rn. 7) – Gisela Strack/Kommission; EuGH, Urteil vom 12.11.1996 – Rs. C-294/95 P – Slg. 1996, I-5863 (Rn. 57) – Girish Ojha/Kornmission; EuG, Urteil vom 5.12.1990 – Rs. T-82/89 – Slg. 1990, II-735 (Rn. 78) – Antonio Marcato/Kommission; EuG, Urteil vom 18.6.1996  – T-293/94  – Slg. ÖD 1996, I-A-305, I-A-307 und II-893 (Rn. 36) – Juana de la Cruz Vela Palacios/Wirtschafts- und Sozialausschuss; EuG, Urteil vom 20.9.2001 – Rs. T-344/99 – Slg. ÖD 2001, II-833 (Rn. 59) – Lucía Recalde Langarica/Kommission. Ergänzend gilt, dass Schriftstücke, die dem Betroffenen zur tatsächlichen Kenntnis gebracht wurden, ihm auch dann entgegengehalten werden können, wenn sie nicht Teil der Personalakte sind, EuGH, Urteil vom 12.11.1996 – Rs. C-294/95 P  – Slg. 1996, I-5863 (Rn.  68)  – Girish Ojha/Kornmission; EuG, Urteil vom 5.3.1997  – Rs. T-96/95 – Slg. ÖD 1997, I-A-35, I-A-39 und II-97 (Rn. 43) – Sébastien Rozand-Lambiotte/ Kommission; EuG, Urteil vom 22.4.1999, Rs. T-148/96 und T-174/96, Slg. ÖD 1999, I-A-65, I-A-68 und II-329 (Rn. 41, 45, 53 ff.) – Ernesto Brognieri/Kommission. 940 Hix (Fn. 901), S. 72; Körber, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 938), Art. 18 FKVO Rn. 43; Mader (Fn. 620), S. 187; Weiß (Fn. 621), S. 217.

C. Das Recht auf Akteneinsicht

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S. 1 REACH-VO jedenfalls die Ergebnisse der beiden Vollständigkeitsprüfungen durch Maschine und Mensch sowie weitere Unterlagen, aus denen sich die Festlegung der Zeitspanne zur Nachforderung von Informationen ergibt. Geht man über diesen Mindeststandard hinaus, um den grundsätzlichen Umfang des Akteneinsichtsrechts zu betrachten, lässt sich feststellen, dass – mit Ausnahme des Antidumpingrechts – regelmäßig eine vollständige Akteneinsicht anerkannt ist. Dabei wandelte sich die Sicht in Rechtsprechung und geschriebenem Sekundärrecht jeweils von einem unvollständigen Akteneinsichtsrecht in der Vergangenheit zu einem vollumfänglichen Akteneinsichtsrecht in jüngerer Zeit. Dies lässt sich außerdem auf einen Textvergleich zu Art. 41 Abs. 2 lit. a) und b) EU-GRCharta stützen; das Wort „nachteilig“ findet sich nur für das Anhörungsrecht.941 Betrachtet man vor diesem Hintergrund diese Tendenz, wird auch im Rahmen der Einsicht in die Registrierungsakte ein solches vollständiges Akteneinsichtsrecht anzunehmen sein. c) Grenzen der Akteneinsicht Der Betroffene darf Einblick in die Akte nehmen, um so die Tragweite der Vorwürfe, die dahinter stehenden Tatsachen sowie die daraus gezogenen Schluss­ folgerungen der Behörde erfassen zu können.942 Inhaltliche Grenzen setzt ihm dabei das Akteneinsichtsrecht für Dokumente zweierlei Art: Ausgeschlossen vom Akteneinsichtsrecht sind zum einen Interna.943 In Bezug auf den Begriff der „internen Unterlagen“ fehlt es zwar an einer allgemeinen De­ finition, eine negative Abgrenzung kann aber insofern erfolgen, als dass Dokumente mit entscheidungserheblichem Inhalt jedenfalls der Akteneinsicht zugeführt werden müssen. Denn damit dienen diese nicht mehr nur der rein internen Willensbildung.944 Diese Beschränkung ergibt sich einerseits daraus, dass interne Dokumente an sich grundsätzlich nicht als Beweismittel dienen können, andererseits aus der Erwägung, dass es den ermittelnden Behörden während den Ermittlungen möglich sein muss, sich intern offen äußern zu können.945 Zum anderen muss regelmäßig946 eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Akteneinsicht und den gegebenenfalls entgegenstehenden Rechten dritter Unternehmen auf Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sowie der Bewah 941 Guckelberger/Geber (Fn. 251), S. 202; Jarass (Fn. 518), Art. 41 EU-GRCharta Rn. 24. In diese Richtung wohl auch Europäisches Parlament (Fn. 796), Anlage, Empfehlung 4.5. 942 Mader (Fn. 620), S. 245. 943 So etwa im Antidumpingrecht, Art. 6 Abs. 7 S. 1 Antidumpinggrundverordnung; im Fu­ sionskontrollrecht, Art.  18 Abs.  3 EG-Fusionskontrollverordnung i. V. m. Art.  17 Abs.  3 Fu­ sionskontroll-DVO; und im Kartellrecht, Art. 27 Abs. 2 S. 3 Kartellverordnung. 944 So Mader (Fn. 620), S. 168; Weiß (Fn. 621), S. 254. 945 Klees (Fn. 938), § 5 Kommissionsverfahren Rn. 60. 946 So etwa im Antidumpingrecht, Art.  6 Abs.  7 S.  1 Antidumpinggrundverordnung; im Fusionskontrollrecht, Art. 18 Abs. 3 EG-Fusionskontrollverordnung i. V. m. Art. 17 Abs. 3 Fu­ sionskontroll-DVO; und im Kartellrecht, Art. 27 Abs. 2 S. 3 Kartellverordnung.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

rung sonstiger vertraulicher Informationen stattfinden. Denn sowohl eine Verletzung des ersten wie des zweiten Rechts führt zum Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift und damit zur Rechtswidrigkeit des Registrierungsbeschlusses. So finden sich auch im Bereich des verfahrenskonstitutiven Akten­einsichtsrechts in den Art.  118 f. REACH-VO umfangreiche Regelungen, welche eine Abwägung zwischen Informationszugang und Informationsschutz sicherstellen sollen.947 Damit muss die ECHA einen Ausgleich finden, um die Vertraulichkeit zu wahren, aber auch gleichzeitig dem Gedanken der Waffengleichheit Rechnung zu tragen, um dem Registranten alle für ihn notwendigen Informationen zukommen zu lassen. Insbesondere im Hinblick auf sonstige vertrauliche Informationen kann gegebenenfalls dergestalt eine Lösung erfolgen, dass die ECHA eine nichtvertrauliche Fassung von Schriftstücken herstellt948 oder dem Registranten ein Verzeichnis der problematischen Schriftstücke übersandt wird, das dem Zweck dienen soll, ihn in die Lage zu versetzen, festzustellen, ob die dort an­geführten Schriftstücke im Einzelfall für seine Verteidigung von Bedeutung sein können.949 Im Extremfall kann dies aber auch bedeuten, dass ein Verwertungsverbot für den entsprechenden Teil der Registrierungsakte besteht, dass diese dann aber auch dem Registranten nicht im Rahmen des Verfahrens entgegengehalten werden darf.950 Allerdings lässt sich umgekehrt annehmen, dass solche Fälle nur in einem geringen Umfang und Ausmaß vorkommen, denn grundsätzlich dürfte die Registrierungsakte  – jedenfalls dann, wenn kein Fall einer Mehrheit von Registranten vorliegt – zu großen Teilen Dokumente umfassen, an denen lediglich der Registrant, jedenfalls keine Dritten, Geschäftsgeheimnisse und sonstige vertrauliche Interessen vorbringen kann. 947 Zu diesem Spannungsfeld im Rahmen der Informationsrechte nach der REACH-VO siehe S. 54 ff. 948 Vgl. EuG, Urteil vom 15.3.2000  – verb. Rs.  T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 – Slg. 2000, II-491 (Rn. 147) – Cimenteries CBR u. a./Kommission; Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner (Fn. 937), Art. 27 VO 1/2003 Rn. 15; Bronett, in: Schröter/Jakob/Mederer (Hrsg.), Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, 2003, Durchführungsvorschriften  – Verordnung Nr.  17, Art.  19 VO Nr.  17/62 Rn.  17; Klees (Fn. 938), § 5 Kommissionsverfahren Rn. 56 ff. Siehe etwa im geschriebenen Sekundärrecht Art. 19 Abs. 2 S. 1 Antidumpinggrundverordnung; Art. 18 Abs. 3 EG-Fusionskontroll­ verordnung i. V. m. Art. 17 Abs. 2 Fusionskontroll-DVO. 949 EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-30/91 – Slg. 1995, II-1775 (Rn. 92 ff.) – Solvay/Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-36/91 – Slg. 1995 II-1847 (Rn. 102) – Imperial Chemical Industries/Kommission; EuG, Urteil vom 15.3.2000  – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 – Slg. 2000, II-491 (Rn. 147) – Cimenteries CBR u. a./Kommission; Bronett, in: Schröter/Jakob/Mederer (Fn. 948), Durchführungsvorschriften – Verordnung Nr. 17, Art. 19 VO Nr. 17/62 Rn. 17; Mader (Fn. 620), S. 170 f. 950 Vgl. EuGH, Urteil vom 13.2.1979 – Rs. 85/76 – Slg. 1979, 461 (Rn. 14) – Hoffmann-La Roche/Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.1983 – Rs. 107/82 – Slg. 1983, 3151 (Rn. 23 f.) – Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft AEG-Telefunken/Kommission; siehe dazu auch Mader (Fn. 620), S. 168 f.

C. Das Recht auf Akteneinsicht

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d) Verletzung des Akteneinsichtsrechts Ebenfalls in verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich geregelt ist die Folge der Verletzung des Akteneinsichtsrechts. aa) Die Rechtslage im Wettbewerbsrecht So genügt im Wettbewerbsrecht nicht die reine Nichtübermittlung von Unterlagen für eine Verletzung der Verteidigungsrechte, welche die Aufhebung des Beschlusses herbeiführen kann.951 Es gilt die Maxime, dass eine abstrakte Verletzung der Verfahrensrechte nicht ausreicht, vielmehr muss sich die Verletzung des Akteneinsichtsrechts konkret auf die Möglichkeit des Betroffenen, sich wirksam zu verteidigen, ausgewirkt haben: So muss der Betroffene glaubhaft machen, dass er nicht von allen eventuell relevanten Schriftstücken Kenntnis nehmen konnte, dadurch in seiner effektiven Verteidigung beeinflusst war und somit zuletzt das Verfahrensergebnis möglicherweise nachteilig beeinflusst wurde. Es muss folglich eine potenzielle Kausalität zwischen der Nichtgewährung von Akteneinsicht für den Inhalt des Beschlusses vorliegen.952 Der Betroffene muss somit einen Dreischritt im Rahmen seiner Beweisführung gehen. Eine Vorenthaltung von Informationen schränkt seine Verteidigungs­ möglichkeit ein, was einen Beschluss zur Folge hatte, der bei voller Verteidigungsmöglichkeit mit anderem Inhalt erlassen worden wäre. Die Beweislast für diesen Dreischritt trägt grundsätzlich das Unternehmen953, was ihm eine beträchtliche 951 EuGH, Urteil vom 8.7.1999  – Rs.  C-51/92 P  – Slg. 1999, I-4235 (Rn.  77 ff.)  – Hercules Chemicals/Kommission; EuG, Urteil vom 20.4.1999  – verb. Rs. T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94  – Slg. 1999, II-931 (Rn. 1020) – Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission; GA Mischo, Schlussanträge vom 25.10.2001 zu Rs. C-247/99 P – Slg. 2002, I-8486 (Rn. 81) – Elf Atochem/Kommission; GA Mischo, Schlussanträge vom 25.10.2001 zu Rs. C-251/99 P – Slg. 2002, I-8531 (Rn. 124) – Enichem/Kommission; Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner (Fn. 937), Art. 27 VO 1/2003 Rn. 16; Bülow (Fn. 686), S. 209; Stoye (Fn. 622), S. 70. 952 EuG, Urteil vom 6.4.1995 – Rs. T-145/89 – Slg. 1995, II-987 (Rn. 30) – Baustahlgewebe/ Kommission; GA Stix-Hackl, Schlussanträge vom 26.9.2002 zu Rs. C-199/99 P – Slg. 2003, I-11182 (Rn. 40) – Corus UK/Kommission; Hix (Fn. 901), S. 109. 953 EuGH, Urteil vom 8.7.1999  – Rs.  C-51/92 P  – Slg. 1999, I-4235 (Leitsatz 1 a. E., Rn. 81) – Hercules Chemicals/Kommission; EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P  – Slg. 2004, I-123 (Rn. 73) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-36/91 – Slg. 1995 II-1847 (Rn. 78) – Imperial Chemical Industries/Kommission; GA Léger, Schlussanträge vom 13.12.1994 zu Rs. C-310/93 – Slg. 1995, I-867 (Rn. 96) – BPB Industries u. a./ Kommission; GA Cosmas, Schlussanträge vom 11.5.1999 zu Rs.  C-288/96  – Slg. 2000, I-8241 (Rn. 63) – Deutschland/Kommission; GA Mischo, Schlussanträge vom 25.10.2001 zu Rs. C-247/99 P – Slg. 2002, I-8486 (Rn. 82) – Elf Atochem/Kommission; GA Mazák, Schlussanträge vom 11.2.2010 zu Rs. C-407/08 P – Slg. 2010, I-6308 (Rn. 25) – Knauf Gips/Kommission; Lenz/Grill, in: Everling/Narjes/Sedemund (Fn. 881), S. 310 (314).

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Last aufbürdet.954 Diese Schwierigkeiten  – Unternehmen wissen weder ob noch mit welchem Inhalt ihnen Dokumente vorenthalten werden – hat auch das EuG erkannt und als „probatio diabolica“ bezeichnet.955 Der Betroffene muss in seiner Anklageschrift weder eine vollständige Argumentation entwickeln noch ein Bündel von Anhaltspunkten vorweisen, um darzulegen, dass ein anderes Ergebnis des Verwaltungsverfahrens möglich gewesen wäre.956 Es genügt vielmehr der Nachweis, dass eine entsprechende Übermittlung den Verfahrensablauf und den Inhalt des Beschlusses beeinflusst haben könnte. Es muss nicht abschließend gewürdigt werden, ob dies tatsächlich eingetreten ist.957 954

Bülow (Fn. 686), S. 212. EuG, Urteil vom 15.3.2000  – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95  – Slg. 2000, II-491 (Rn.  161)  – Cimenteries CBR u. a./ Kommission; im Anschluss an GA Léger, Schlussanträge vom 13.12.1994 zu Rs.  C-310/93 P – Slg. 1995, I-867 (Rn. 119) – BPB Industries.u. a./Kommission. Für diesen Vorgang verwendet GA Darmon, Schlussanträge vom 7.2.1991 zu Rs.  C-49/88  – Slg. 1991, I-3187 (Rn. 107) – Al-Jubail Fertilizer Company (Samad) u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaften, die Bezeichnung „shooting in the dark“, was der deutschen Redensart vom „Schuss ins Blaue“ entspricht. 956 EuGH, Urteil vom 8.7.1999  – Rs.  C-51/92 P  – Slg. 1999, I-4235 (Leitsatz 1 a. E.; Rn. 81) – Hercules Chemicals/Kommission; EuG, Urteil vom 15.3.2000 – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95  – Slg. 2000, II-491 (Rn. 161) – Cimenteries CBR u. a./Kommission. 957 GA Stix-Hackl, Schlussanträge vom 26.9.2002 zu Rs. C-199/99 P – Slg. 2003, I-11182 (Rn. 40) – Corus UK/Kommission. Zustimmend auch Nehl (Fn. 820), S. 235. Dabei differenziert die Rechtsprechung, ob ein entlastendes oder ein belastendes Schriftstück in rechtswidriger Weise nicht übermittelt wurde. Bei einem entlastenden Schriftstück muss der Betroffene nachweisen, dass die Nichtübermittlung den Verfahrensablauf und den Inhalt des Kommissionsbeschlusses beeinflussen konnte, EuGH, Urteil vom 8.7.1999  – Rs.  C-51/92 P  – Slg. 1999, I-4235 (Leitsatz 1 a. E., Rn. 81) – Hercules Chemicals/Kommission; EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 74) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 11.2.2010  – Rs.  C-407/08 P  – Slg. 2010, I-6415 (Rn.  23)  – Knauf Gips/Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.2011 – Rs. C-109/10 P – Slg. 2011, I-10413 (Rn. 57) – Solvay/Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.2011 – Rs. C-110/10 P – Slg. 2011, I-10487 (Rn. 52) – Solvay/Kommission. So auch GA Mischo, Schlussanträge vom 25.10.2001 zu Rs. C-247/99 P – Slg. 2002, I-8486 (Rn. 87) – Elf Atochem/Kommission. Allerdings genügt dabei nicht die bloße Behauptung, dass der Betroffene diese Dokumente zu seiner Verteidigung hätte nutzen können, sondern es muss dargelegt werden, dass das Unternehmen somit daran gehindert war, Argumente vorzubringen, die die Kommission zumindest in ihren Beurteilungen auf Schwere und Dauer des zur Last gelegten Verhaltens und damit auch im Hinblick auf die Höhe einer etwaigen Geldstrafe hätte beeinflussen können, EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 75) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 11.2.2010  – Rs.  C-407/08 P  – Slg. 2010, I-6415 (Rn.  23)  – Knauf Gips/Kommission. Es muss also eine plausible Aussicht auf Erfolg bestehen, dass die Übermittlung das Ergebnis hätte beeinflussen können, GA Mischo, Schlussanträge vom 25.10.2001 zu Rs. C-247/99 P – Slg. 2002, I-8486 (Rn. 96) – Elf Atochem/Kommission; GA Kokott, Schlussanträge vom 14.4.2011 zu Rs. C-109/10 P – Slg. 2011, I-10332 (Rn. 181) – Solvay/Kommission; GA Kokott, Schlussanträge vom 14.4.2011 zu 955

C. Das Recht auf Akteneinsicht

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Vor diesem Hintergrund untersucht das EuG bei einem Verstoß gegen das Akteneinsichtsrecht regelmäßig dessen Ergebnisrelevanz, mithin, ob eine – auch geringe – Möglichkeit eines anderen Ergebnisses im Verwaltungsverfahren bestanden hätte.958 Dieser Nachweis wiederum ergibt sich aus einer vorläufigen Prüfung des von der Europäischen Kommission beigebrachten Beweismaterials im Hinblick darauf, dass die nicht übermittelten Schriftstücke eine wesentliche Bedeutung für diese Beweise hatten und daher nicht unberücksichtigt bleiben durften.959 Dies war unter anderem der Fall, als die von der Europäischen Kommission vorgelegten Schriftstücke keinen Beweis für eine Wettbewerbsverletzung ergaben und dieser nur aus den bislang nicht vorgelegten Schriftstücken hergeleitet werden konnte960 oder aber als die Europäische Kommission Schriftstücke nicht vorlegte, die für den Betroffenen entlastendes Material enthielten961.

Rs. C-110/10 P – Slg. 2011, I-10442 (Rn. 33) – Solvay/Kommission. Im Fall der Nichtübermittlung eines belastenden Schriftstückes hingegen muss der Betroffene nachweisen, dass sich die Kommission im Wesentlichen auf dieses Schriftstück gestützt hat und der durch die Kommission vorgetragene Vorwurf sich nur durch Heranziehung dieses Schriftstückes belegen lässt – der Betroffene muss also darlegen, dass die Kommission ein anderes Beschlussergebnis getroffen hätte, wenn das konkrete Schriftstück nicht als Beweismaterial zur Verfügung gestanden hätte, EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 71, 73) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission; GA Mazák, Schlussanträge vom 11.2.2010 zu Rs. C-407/08 P – Slg. 2010, I-6308 (Rn. 25) – Knauf Gips/Kommission; GA Kokott, Schlussanträge vom 14.4.2011 zu Rs. C-109/10 P – Slg. 2011, I-10332 (Rn. 171) – Solvay/Kommission. 958 EuG, Urteil vom 15.3.2000  – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95  – Slg. 2000, II-491 (Rn.  241)  – Cimenteries CBR u. a./ Kommission; unter Hinweis auf EuG, Urteil vom 17.12.1991  – Rs.  T-7/89  – Slg. 1991, II-1711 (Rn.  56)  – SA Hercules Chemicals/Kommission; und EuG, Urteil vom 29.6.1995  – Rs. T-30/91 – Slg. 1995, II-1775 (Rn. 68) – Solvay/Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-36/91 – Slg. 1995 II-1847 (Rn. 78) – Imperial Chemical Industries/Kommission; EuG, Urteil vom 20.4.1999  – verb. Rs. T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94 – Slg. 1999, II-931 (Rn. 1021) – Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission. 959 EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 76) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-36/91 – Slg. 1995 II-1847 (Rn. 78) – Imperial Chemical Industries/Kommission; EuG, Urteil vom 15.3.2000  – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 – Slg. 2000, II-491 (Rn. 241) – Cimenteries CBR u. a./Kommission; vgl. auch Nehl (Fn. 820), S. 235. 960 EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 71 ff.) – Aalborg Portland A/S u. a./Kommission. 961 EuGH, Urteil vom 7.1.2004 – verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P – Slg. 2004, I-123 (Rn. 69) – Aalborg Portland A/S u. a./Kom­ mission.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

bb) Die Rechtslage im Fusionskontrollverfahren Eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts im Sinne der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift nach Art. 263 Abs. 2 2. Var. AEUV im Fusionskontrollverfahren liegt nach der Rechtsprechung des EuG dann vor, wenn die Nichtübermittlung von Schriftstücken den Verfahrensablauf und den Inhalt des Beschlusses hätte beeinflussen können.962 Die aus dem Wettbewerbsrecht entwickelte Drei-­ Stufen-Theorie ist somit in diesen Bereich übertragbar:963 Eine Nichtigkeitsklage ist, gestützt auf diesen Angriffsgrund, dann erfolgreich, wenn zu Unrecht die Einsicht in Schriftstücke versagt wurde, die für ihre Verteidigung nutzbar gewesen wären und damit möglicherweise ein anderer Beschluss hätte ergehen können. cc) Die Rechtslage im Antidumpingrecht Im Antidumpingrecht hat sich die Rechtsprechung bislang auf die Aussage beschränkt, dass die Rechtswidrigkeit nur dann aufgrund einer Unvollständigkeit der endgültigen Unterrichtung vorliegt, wenn die Parteien aufgrund dieses Versäumnisses nicht in der Lage waren, sich sachgerecht zu verteidigen.964 Eine mögliche Beeinflussung der Sachentscheidung hingegen prüft der Gerichtshof nicht.965 Umgekehrt aber müssen den Parteien die Informationen mitgeteilt werden, auf welchen die Entscheidung der Europäischen Kommission „beruht“966 – eine Nichtmitteilung dürfte damit dann auch entscheidungserheblich sein.967 Eine (sekundäre)  Darlegungslast würde dann bei den Unionsorganen liegen.968 Somit stellt auch im Antidumpingrecht nicht jede Verletzung von Verfahrensrechten zugleich eine Verletzung von Verteidigungsrechten dar, allerdings genügt grundsätzlich eine Kausalität lediglich zwischen der Vorenthaltung von Informationen und einer eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeit des Betroffenen.

962

EuG, Urteil vom 28.4.1999 – Rs. T-221/95 – Slg. 1999, II-1299 (Rn. 87) – Endemol Entertainment/Kommission; vgl. Körber, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 938), Art. 19 FKVO Rn. 75. 963 Bülow (Fn. 686), S. 227; Langeheine, in: Schröter/Jakob/Mederer (Fn. 948), Fusionskontrollverordnung, Art. 18 VO (EWG) 4064/89 Rn. 39 m. w. N. 964 EuG, Urteil vom 15.10.1998  – Rs.  T-2/95  – Slg. 1998, II-3939 (Rn.  137)  – Industrie des Poudres Sphériques/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 15.12.1999  – verb. Rs. T-33/98 und T-34/98 – Slg. 1999, II-3837 (Rn. 206) – Petrotub u. a./Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 28.10.2004 – Rs. T-35/01 – Slg. 2004, II-3663 (Rn. 292) – Shanghai Teraoka Electronic/Rat der Europäischen Union. 965 Bülow (Fn. 686), S. 218. 966 Siehe S. 201. 967 Bülow (Fn. 686), S. 223 f., mit Einbettung in die bisherige Rechtsprechung der europäischen Gerichte. 968 Bülow (Fn. 686), S. 224.

C. Das Recht auf Akteneinsicht

211

dd) Die Rechtslage im Beamtenrecht Auch im Beamtenrecht gilt969  – mit Ausnahme des Disziplinarrechts970  – der Grundsatz, dass ein Verstoß gegen Art.  26 Beamtenstatut nicht automatisch die Aufhebung des Beschlusses zur Folge hat. Vielmehr müssen auch hier zusätzlich die betreffenden Schriftstücke einen bestimmenden Einfluss auf den Beschluss haben.971 Für das Gegenteil trägt die Verwaltung die Beweislast.972 Generalanwalt Léger fasst dies insofern zusammen, als ein nicht mitgeteiltes Schriftstück dann bestimmenden Einfluss gehabt habe, wenn sich der getroffene Beschluss notwendigerweise darauf stützen musste, nämlich dann, wenn der Beschluss nicht mit anderen Schriftstücken begründet werden kann, die dem Betroffenen ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht wurden.973 Somit genügt im Beamtenrecht für eine Verletzung von Verteidigungsrechten bereits, wenn nicht vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann, dass sich die Nichtkenntnismachung auf den Inhalt des Beschlusses ausgewirkt hat – dabei fällt der Behörde die Beweislast zu, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob das Schriftstück einen bestimmenden Einfluss auf die getroffene Personalentscheidung hatte.974

969 Den Wendepunkt für die Rechtsprechungsänderung des EuGH stellte die Entscheidung, EuGH, Urteil vom 3.2.1971 – Rs. 21/70 – Slg. 1971, 7 (Rn. 32/35) – Eva Rittweger/Kommission, dar. 970 Dort ist als Sonderfall das Anhörungsrecht aus Art.  16 Anhang IX Beamtenstatut zu beachten. Hiergegen verstoßende Disziplinarverfügungen hat der EuGH ohne Rücksicht auf die materiellrechtliche Richtigkeit der Entscheidung für nichtig erklärt, EuGH, Urteil vom 11.7.1968 – Rs. 35/67 – Slg. 1968, 489 (513) – August Josef Van Eick/Kommission; EuGH, Urteil vom 17.12.1981 – Rs. 115/80 – Slg. 1981, 3147 (Rn. 12 f.) – René Demont/Kommission; vgl. Lindemann (Fn. 581), S. 149. 971 St. Rspr. seit EuGH, Urteil vom 28.6.1972 – Rs. 88/71 – Slg. 1972, 499 (Rn. 14/18) – Henri Brasseur Parlament; EuGH, Urteil vom 12.2.1987  – Rs.  233/85  – Slg. 1987, 739 (Rn. 13) – Anna Bonino/Kommission; EuGH, Urteil vom 12.11.1996 – Rs. C-294/95 P – Slg. 1996, I-5863 (Rn. 67) – Girish Ojha/Kornmission; EuG, Urteil vom 5.12.1990 – Rs. T-82/89 – Slg. 1990, II-735 (Rn.  76)  – Antonio Marcato/Kommission; EuG, Urteil vom 1.4.1992  – Rs. T-26/91 – Slg. 1992, II-1615 (Rn. 39) – Leonella Kupka-Floridi/Wirtschafts- und Sozialausschuss; EuG, Urteil vom 30.11.1993 – Rs. T-78/92 – Slg. 1993, II-1299 (Rn. 29) – Aristotelis Perakis/Parlament; EuG, Urteil vom 5.3.1997 – Rs. T-96/95 – Slg. ÖD 1997, I-A-35, I-A-39 und II-97 (Rn. 45) – Sébastien Rozand-Lambiotte/Kommission; EuG, Urteil vom 20.9.2001 – Rs. T-344/99 – Slg. ÖD 2001, II-833 (Rn. 60) – Lucía Recalde Langarica/Kommission. 972 EuG, Urteil vom 30.11.1993  – Rs. T-78/92  – Slg. 1993, II-1299 (Rn.  29)  – Aristotelis Perakis/Parlament. 973 GA Léger, Schlussanträge vom 4.7.1996 zu Rs. 294/95 P – Slg. 1996, I-5867 (Rn. 122) – Girish Ojha/Kommission. 974 Bülow (Fn. 686), S. 231.

212

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

ee) Folgerungen für eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts im Rahmen des Registrierungsverfahrens Eine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht im Sinne einer Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift nach Art. 263 Abs. 2 2. Var. AEUV kann lediglich dann gerügt werden, wenn ein Dreischritt gelingt, ausgehend von der Vorenthaltung von Informationen über die Beeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeiten hin zu einem ungünstigeren Verfahrensergebnis. Diese Drei-Stufen-Prüfung entspricht der Rechtslage im Kartellrecht sowie im Recht der Fusionskontrolle. Strukturell ebenso ist auch die Prüfung im Antidumpingrecht ausgestaltet, wobei hier die dritte Stufe durch die Besonderheiten im Bereich der grundlegenden Ausdehnung des Akteneinsichtsrechts keine Bedeutung hat. Eine Abweichung dazu findet sich auch im Beamtenrecht, allerdings lediglich in Form einer geänderten Beweislastregel. Insofern lässt sich zusammenfassen, dass in allen vier Rechtsgebieten ein derartiger Dreischritt gelingen muss. Ist dies aber die Rechtslage in vier unterschiedlichen Bereichen des Eigenverwaltungsrechts, spricht viel dafür, dass es sich hierbei um einen ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt, der dann im Antidumping- und im Beamtenrecht nochmals bereichsspezifische Modifikationen erfahren hat. Vor dem Hintergrund, dass nach obigem Ergebnis auch im Rahmen des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO vollumfängliche Akteneinsicht besteht, gilt auch für Rügen des Akteneinsichtsrechts entsprechend dieser skizzierte Dreisprung: Der Registrant muss eine (potenzielle) Kausalitätskette dahin gehend nachweisen, dass die Vorenthaltung von Informationen durch die ECHA zur Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeit und damit möglicherweise zum Erlass eines anderen (ungünstigeren) Beschlusses geführt hat

3. Möglichkeiten einer Heilung durch die ECHA Die Möglichkeiten der ECHA, einen Fehler im Rahmen des Akteneinsichtsrechts zu heilen, sind sehr begrenzt. Hat ein Fehler im Akteneinsichtsverfahren auf die Anhörung durchgeschlagen, kann durch Durchführung eines erneuten Akteneinsichtsverfahrens in Verbindung mit einer neuen Anhörung eine Heilung eintreten. Aber auch hier bildet der Abschluss des Widerspruchsverfahrens die maßgebliche Verfahrensgrenze. Da aber als letzter Teil  der Kausalitätskette die Möglichkeit bestehen muss, dass der Beschluss mit anderem Inhalt erlassen worden wäre, wenn das Akteneinsichtsrecht in rechtmäßiger Form stattgefunden hätte, und dies naturgemäß erst nach Erlass des Beschlusses mit einem gewissen Maße an Wahrscheinlichkeit behauptet werden kann, kann die ECHA vor diesem Zeitpunkt lediglich vorsorglich ein erneutes Akteneinsichtsverfahren in Verbindung mit einer erneuten Anhörung durchführen. Sie kann damit, wenn Anzeichen bestehen, dass die ersten beiden „Stufen“ in der Kausalitätskette überwunden sein könnten, entsprechend präventiv tätig werden.

D. Die Begründungspflicht

213

Nach Erlass des Registrierungsbeschlusses aber ist der Zeitkorridor zu dessen Rücknahme975 und zur erneuten ordnungsgemäßen Durchführung des Verwaltungsverfahrens eng – diese Vorgänge müssen vor Klageerhebung erfolgen; dies lässt sich aus der Rechtsprechung der europäischen Gerichte zur Heilung einer nicht oder unzureichend durchgeführten Anhörung folgern. Wenn aber eine Anhörung nur bis zur Klageerhebung wiederholt werden darf, dann muss dies auch für das die Anhörung vorbereitende Akteneinsichtsrecht gelten.976

III. Bilanz zum Recht auf Akteneinsicht Ein verfahrensakzessorisches Recht auf Akteneinsicht ist im Rahmen des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO nicht normiert. Das bedeutet aber nicht, dass dem Betroffenen dieses Recht nicht zur Seite steht. Vielmehr greift hier das allgemeine verfahrensakzessorische Recht auf Akteneinsicht ein, das – entwickelt aus der Rechtsprechung und in vielfacher Hinsicht ins Sekundärrecht übernommen  – in dieser Hinsicht eine Auffangfunktion übernimmt. Dem Registranten steht während des jeweiligen Verfahrens ein vollumfängliches Akteneinsicht zu, das lediglich durch entgegenstehende Interessen eingeschränkt wird. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz ist durch vielfache Ausprägungen im geschriebenen Sekundärrecht und durch Rechtsprechung weitgehend ausgeformt worden, sodass eine Übertragung auf die REACH-VO keine Probleme bereitet und Registranten und ECHA auf einer sicheren Rechtsbasis agieren können. Auch die Voraus­ setzungen für eine erfolgreiche Rüge der Verletzung des Akteneinsichtsrechts  – eine dreistufige Prüfung – bzw. die Möglichkeiten für die ECHA, eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts zu heilen, sind von der Rechtsprechung klar konturiert worden und können im Registrierungsverfahren der ECHA und den Registranten als Leitlinien dienen.

D. Die Begründungspflicht Die Pflicht, einen Registrierungsbeschluss zu begründen, geht unmittelbar aus Art. 130 REACH-VO hervor.977 Primärrechtlich positiviert ist sie in Art. 296 Abs. 2 AEUV sowie in Art. 41 Abs. 2 lit. c) EU-GRCharta. Konstituierend für den 975

Zu den Möglichkeiten und Anforderungen an die Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses siehe S. 266 ff. 976 EuGH, Urteil vom 25.10.2011 – Rs. C-109/10 P – Slg. 2011, I-10413 (Rn. 56) – Solvay/ Kommission; EuGH, Urteil vom 25.10.2011 – Rs. C-110/10 P – Slg. 2011, I-10487 (Rn. 51 f.) – Solvay/Kommission; EuG, Urteil vom 29.6.1995 – Rs. T-36/91 – Slg. 1995, II-1847 (Rn. 108, 113) – Imperial Chemical Industries/Kommission; GA Kokott, Schlussanträge vom 14.4.2011 zu Rs. C-109/10 P – Slg. 2011, I-10332 (Rn. 157) – Solvay/Kommission. 977 Daneben ist diese Pflicht auch in Art. 18 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA enthalten.

214

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

(zunächst ungeschriebenen, mittlerweile in Art. 6 Abs. 1 EUV normierten) Rechtsgrundsatz der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union ist die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz.978 Ein Element zur Sicherstellung des geordneten Gesetzesvollzugs bildet die Pflicht, Beschlüsse zu begründen. Ihr liegen mithin nicht nur rein formale Erwägungen zugrunde.979 Vielmehr dient die Begründungspflicht einerseits den Interessen des Betroffenen, der aus der Begründung erfährt, warum eine Handlung von der ECHA vorgenommen wurde, und damit in der Lage ist, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu beurteilen und dieses effektiv zu nutzen.980 Damit wird auch die Akzeptanz der EU als leistungsstarke, transparente und bürgernahe Verwaltung erhöht;981 vor diesem Hintergrund wird die Begründungspflicht im Kommissionsentwurf zur REACH-VO ausdrücklich mit Transparenz und Rechtssicherheit begründet.982 Primärrechtlich positiviert ist dieses Transparenzgebot in Art. 1 Abs. 2 EUV. 978 Siehe dazu auch Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 10; Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 3. 979 Dies stellt der EuGH in ständiger Rechtsprechung klar, EuGH, Urteil vom 4.7.1963  – Rs. 24/62 – Slg. 1963, 143 (155) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission; EuGH, Urteil vom 17.3.1983 – Rs. 294/81 – Slg. 1983, 911 (Rn. 14 f.) – Control Data Belgium/Kommission; so auch GA Mischo, Schlussanträge vom 11.10.2001 zu Rs. C-107/99 – Slg. 2002, I-1093 (Rn. 106) – Italienische Republik/Kommission. 980 EuGH, Urteil vom 15.10.1987 – Rs. 222/86 – Slg. 1987, 4097 (Rn. 15) – Union nationale des entraîneurs et cadres techniques professionnels du football (Unectef)/Georges Heylens u. a.; EuGH, Urteil vom 12.7.2005 – verb. Rs. C-154/04 und C-155/04 – Slg. 2005, I-6485 (Rn. 133) – Alliance for Natural Health u. a./Secretary of State for Health; EuGH, Urteil vom 2.4.2009  – Rs.  C-431/07 P  – Slg. 2009, I-2716 (Rn.  42)  – Bouygues/Kommission; EuGH, Urteil vom 30.4.2009 – Rs. C-494/06 P – Slg. 2009, I-3658 (Rn. 48) – Kommission/Italienische Republik u. a.; EuGH, Urteil vom 14.10.2010 – C-280/08 P – Slg. 2010, I-9601 (Rn. 130) – Deutsche Telekom/Kommission; EuGH, Urteil vom 25.9.2011  – C-521/09 P  – Slg. 2011, I-8947 (Rn. 148) – Elf Aquitaine/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 138) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 4.9.2009  – Rs. T-211/05  – Slg. 2009, II-2777 (Rn.  68)  – Italienische Republik/Kommission; EuG, Urteil vom 7.12.2010  – Rs. T-49/07  – Slg. 2010, II-5559 (Rn. 51) – Sofiane Fahas/Rat der Europäischen Union; GA Sharpston, Schlussanträge vom 20.11.2008 zu Rs. C-494/06 P – Slg. 2009, I-3642 (Rn. 25) – Kommission/Italienische Republik u. a.; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 11; Gellermann, in: Streinz (Fn. 234), Art. 296 AEUV Rn. 5; Mader (Fn. 620), S. 257; Schoo, in: Schwarze/Becker/ Hatje u. a. (Fn.  649), Art.  296 AEUV Rn.  9; Schwarze (Fn.  233), S.  1349; Stoye (Fn.  622), S. 102; direkt in Bezug auf das Handeln der ECHA, ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 19.6.2013 – A-001–2012 – Rn. 88. 981 Gellermann, in: Streinz (Fn. 234), Art. 296 AEUV Rn. 5. Bei der Schaffung der Regelung stand allerdings weniger der Schutz der Bürger, als vielmehr das Interesse der Mitglied­staaten im Vordergrund, ihren Kompetenzverlust durch Kontrollmöglichkeiten der EU-Organe auszugleichen, so Towfigh, Die Pflicht zur Begründung von Verwaltungsentscheidungen nach dem deutschen und englischen Recht und ihre Europäisierung, 2007, S. 189. 982 ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 19.6.2013  – A-001–2012  – Rn.  88; Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  130 REACH-VO Rn.  4; allgemein Stoye (Fn. 622), S. 103 m. w. N.: „politische Kontrolle“.

D. Die Begründungspflicht

215

Andererseits dient die Begründungspflicht auch in einem hohen Maße der Selbstkontrolle des erlassenden Organs:983 Die ECHA muss jede Registrierungsentscheidung begründen, sich mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt vertieft auseinander setzen, Ziel und Mittel und vor allem Gründe ihres Handelns definieren. Sie reflektiert sich somit selbst.984 Die Begründung hat außerdem eine wichtige Indikatorfunktion im Bezug auf rechtswidrige, unsachgemäße oder gar missbräuchliche Erwägungen der handelnden EU-Institutionen und ist so Teil des Willkürverbots.985 Damit dient die Begründungspflicht auch dem Zweck, den europäischen Gerichten die Möglichkeit zu geben, eine Rechtskontrolle durchzuführen.986 Denn nur dann kann das Gericht 983 Bülow (Fn. 686), S. 128; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 10; Daig (Fn.  792), Rn.  167; Gellermann, in: Streinz (Fn.  234), Art.  296 AEUV Rn.  5; Mader (Fn. 620), S. 257; Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im deutschen Recht, 1990, S. 18; Scheffler (Fn. 739), S. 50; Schoo, in: Schwarze/Becker/ Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 296 AEUV Rn. 9; Schwarze (Fn. 233), S. 1349. 984 Vgl. nur GA Roemer, Schlussanträge vom 22.3.1963 zu Rs. 24/62 – Slg. 1963, 159 (168) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission; GA Vesterdorf, Schlussanträge vom 10.7.1991 zu Rs. T-1/89 – Slg. 1991, II-869 (907) – Rhône-Poulenc/Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 128; Ipsen (Fn. 470), § 24 Rn. 25; Scheffler (Fn. 739), S. 48; Schwarze (Fn. 233), S. 1349. A. A.: Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 5. Er lehnt diese Funktion der Begründung im Rahmen von REACH mit der Behauptung ab, dass sie so aus der Begründung zum Kommissionsentwurf nicht hervorgehe, der sich lediglich auf Transparenz und Rechtssicherheit, nicht aber auf das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, in dem die Selbstkontrolle der Verwaltung wurzelt, beruft. Diese Sichtweise ist bereits methodisch angreifbar vor dem Hintergrund, dass sich die Bedeutung einer Norm nicht alleine aus der – möglicherweise unvollständigen  – Entwurfsbegründung ergibt. Es ist zuzugeben, dass die Begründung eine wesentliche Indizfunktion für den Willen des Gesetzgebers, damit auch für Sinn und Zweck der Norm, bietet. Allerdings darf bei der Frage nach der Funktion einer Norm nicht nur auf die Entwurfsbegründung isoliert, sondern es muss auch auf weitere damit zusammenhängende Materialien und Faktoren zurückgegriffen werden, etwa Plenarprotokolle, weitere Diskussionsentwürfe, der Text der endgültig verabschiedeten Norm, der gegebenenfalls noch einmal vom Normtext, der im Entwurf begründet wurde, stark abweichen kann, etc. Eine wesentliche Rolle spielt bei der sich entwickelnden Rechtsordnung der Europäischen Union auch die Rechtsprechung sowie die europarechtliche Literatur, die Groß in seiner Argumen­ tation jedoch ausblendet. 985 Etwa EuGH, Urteil vom 4.7.1963 – Rs. 24/62 – Slg. 1963, 143 (155) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission; EuGH, Urteil vom 28.10.1982  – verb. Rs.  292/81 und 293/81  – Slg. 1982, 3887 (Rn. 18 f.) – Société Jean Lion et Cie u. a./Fonds d’intervention et de régularisation du marché du sucre (FIRS); GA Roemer, Schlussanträge vom 29.5.1962 zu Rs. 16/61 – Slg. 1962, 581 (650) – Acciaierie Ferriere e Fonderie di Modena/Hohe Behörde; Gellermann, in: Streinz (Fn. 234), Art. 296 AEUV Rn. 5; Ipsen (Fn. 470), § 24 Rn. 25; Schwarze (Fn. 233), S. 1334. 986 EuGH, Urteil vom 20.3.1959 – Rs. 18/57 – Slg. 1959, 89 (114) – J. Nold, Kohlen- und Baustoffgrosshandlung/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 20.3.1957 – Rs. 2/56 – Slg. 1957, 9 (37)  – Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaft/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 13.6.1958  – Rs. 9/56 – Slg. 1958, 16 (29) – Meroni & Co., Industrie Metallurgiche/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 4.7.1963 – Rs. 24/62 – Slg. 1963, 143 (155) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission; EuGH, Urteil vom 12.7.2005 – verb. Rs. C-154/04 und C-155/04 – Slg. 2005, I-6485 (Rn. 133) – Alliance for Natural Health u. a./Secretary of State for Health; EuGH, Urteil vom

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

darüber entscheiden, ob ein Rechtsakt im Hinblick auf den Vertrag als rechtmäßig oder rechtswidrig einzustufen ist. Wenn sich das Gericht aber außerstande sieht, eine derartige Entscheidung zu treffen, muss es den betreffenden Rechtsakt für nichtig erklären.987 Vor diesem Hintergrund hat der EuGH schon früh988 auf die Beachtung der Begründungspflicht starkes Augenmerk gelegt und musste in der Folgezeit in einer Vielzahl von Fällen – zu keiner anderen Formvorschrift ist eine derart große Zahl an Urteilen ergangen989 – denn auch weniger über die Frage, ob formal gesehen eine Begründung vorliegt, sondern vielmehr darüber entscheiden, ob die Begründung den Anforderungen, die das Primärrecht an die Begründung von Unionsrechtsakten stellt, genügen konnte.990 Wenngleich die REACH-VO selbst die Begründung von Beschlüssen verlangt, muss dennoch geklärt werden, welchen Inhalt die Begründung eines Registrierungsbeschlusses notwendigerweise enthalten muss (D. I.)991, ob diese nachträglich geändert werden kann (D. II.)992 sowie ob die Heilung einer fehlerhaften Begründung möglich ist (D. III.)993.

2.4.2009 – Rs. C-431/07 P – Slg. 2009, I-2716 (Rn. 42) – Bouygues/Kommission; EuGH, Urteil vom 30.4.2009 – Rs. C-494/06 P – Slg. 2009, I-3658 (Rn. 48) – Kommission/Italienische Re­ publik u. a.; EuGH, Urteil vom 14.10.2010 – C-280/08 P – Slg. 2010, I-9601 (Rn. 130) – Deutsche Telekom/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 91) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 4.9.2009 – Rs. T-211/05 – Slg. 2009, II-2777 (Rn. 68) – Italienische Republik/Kommission; GA Sharpston, Schlussanträge vom 20.11.2008 zu Rs. C-494/06 P – Slg. 2009, I-3642 (Rn. 25) – Kommission/Italienische Republik u. a.; Bülow (Fn. 686), S. 128; Gellermann, in: Streinz (Fn. 234), Art. 296 AEUV Rn. 5; Mader (Fn. 620), S. 257; Schoo, in: Schwarze/Becker/ Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 296 AEUV Rn. 9; Stoye (Fn. 622), S. 102 m. w. N.; Towfigh (Fn. 981), S. 193; direkt in Bezug auf REACH ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 19.6.2013 – A-001–2012 – Rn. 88. 987 So formuliert GA Lagrange, Schlussanträge vom 24.5.1960 zu verb. Rs. 36/59 bis 38/59, 40/59  – Slg. 1960, 933 (942 f.)  – Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaft u. a./Hohe Behörde; im Ergebnis auch EuGH, Urteil vom 20.3.1959 – Rs. 18/57 – Slg. 1959, 89 (114, 116) – J. Nold, Kohlen- und Baustoffgrosshandlung/Hohe Behörde; Bülow (Fn. 686), S. 128. 988 Nach Bülow (Fn. 686), S. 126 erging sein erstes Urteil zu diesem Thema für den EGKSVertrag Anfang 1959, EuGH, Urteil vom 20.3.1959 – Rs. 18/57 – Slg. 1959, 89 (114) – J. Nold, Kohlen- und Baustoffgrosshandlung/Hohe Behörde; sein erstes Urteil zum EWG-Vertrag Mitte 1981, EuGH, Urteil vom 7.7.1981  – Rs.  158/80  – Slg. 1981, 1805 (Rn.  25)  – ReweHandelsgesellschaft Nord/Hauptzollamt Kiel; siehe auch die Aufzählung bei Rüber (Fn. 536), S. 196 ff. 989 Bülow (Fn. 686), S. 126 m. w. N.; Saurer, Die Begründung im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Verwaltungsverfahrensrecht, VerwArch 2009, 364 (372). 990 Bülow (Fn. 686), S. 127. 991 Siehe S. 217 ff. 992 Siehe S. 223 ff. 993 Siehe S. 224 ff.

D. Die Begründungspflicht

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I. Anforderungen an Inhalt und Umfang der Begründung Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht liegt zuvorderst dann vor, wenn die Begründung gänzlich fehlt. Dies ergibt sich unmittelbar aus Art. 296 Abs. 2 AEUV bzw. aus Art.  130 REACH-VO. Allerdings schweigt die REACH-VO, schweigt das geschriebene Recht ansonsten zur Frage, welchen Inhalt und Umfang die Begründung ansonsten haben muss. Diese Lücke kann jedoch durch die Rechtsprechung der europäischen Gerichte gefüllt werden, sie haben die Begründungspflicht entsprechend konturiert. Dabei wird als Grundgedanke auf die Funktionen der Begründungspflicht zurückgegriffen, die Begründung muss somit primär Kontrolle und Nachvollziehbarkeit des Rechtsakts ermöglichen. Generell orientiert sich der Umfang der Begründungspflicht am konkreten Einzelfall;994 als maßgebliche Faktoren nennt die Rechtsprechung den Inhalt des Rechtsakts, die Art der Gründe, die vorgetragen wurden, sowie das Interesse, das unmittelbar wie mittelbar betroffene Personen an Erläuterungen haben könnten.995 Im Mittelpunkt steht der wirksame Rechtsschutz des Bürgers und eine effektive

994 EuGH, Urteil vom 28.5.1980 – verb. Rs. 33/79 und 75/79 – Slg. 1980, 1677 (Rn. 15) – Richard Kuhner/Kommission; EuGH, Urteil vom 22.12.2008 – Rs. C-487/06 P – Slg. 2008, I-10515 (Rn.  172)  – British Aggregates Association/Kommission; EuGH, Urteil vom 30.4.2009 – Rs. C-494/06 P – Slg. 2009, I-3658 (Rn. 48) – Kommission/Italienische Republik u. a.; EuGH, Urteil vom 14.10.2010 – C-280/08 P – Slg. 2010, I-9601 (Rn. 130) – Deutsche Telekom/Kommission; EuG, Urteil vom 17.1.1997 – Rs. T-216/95 – Slg. ÖD 1997, I-A-403, I-A-406 und II-1083 (Rn. 29) – Ana María Moles García Ortúzar/Kommission; EuG, Urteil vom 23.1.2003 – Rs. T-181/01 – Slg. ÖD 2003, I-A-19 und II-103 (Rn. 37) – Chantal Hectors/ Parlament; EuG, Urteil vom 12.12.2006  – Rs.  T-228/02  – Slg. 2006, II-4665 (Rn.  141)  – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 4.9.2009  – Rs.  T-211/05  – Slg. 2009, II-2777 (Rn.  68)  – Italienische Republik/Kommission; EuG, Urteil vom 14.10.2009 – Rs. T-390/08 – Slg. 2009, II-3975 (Rn. 80) – Bank Melli Iran/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 1.7.2010 – verb. Rs. T-568/08 und T-573/08 – Slg. 2010, II-3397 (Rn. 163) – M6 u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 27.10.2010 – Rs.  T-24/05  – Slg. 2010, II-5329 (Rn.  149)  – Alliance One International u. a./Kommission; von Danwitz (Fn. 24), S. 440 m. w. N.; Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Fn. 236), Art. 296 AEUV Rn. 7. 995 EuGH, Urteil vom 13.3.1985 – verb. Rs. 296/82 und 318/82, Slg. 1985, 809 (Rn. 19) – Königreich der Niederlande/Kommission; EuGH, Urteil vom 1.7.1986  – Rs.  185/85  – Slg. 1986, 2079 (Rn. 20) – Union sidérurgique du Nord et de l’Est de la France (Usinor)/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.5.1998 – Rs. C-48/96 P – Slg. 1998, I-2873 (Rn. 35) – Windpark Groothusen/Kommission; EuGH, Urteil vom 22.12.2008 – Rs. C-333/07 – Slg. 2008, I-10851 (Rn.  63)  – Société Régie Networks/Direcion de contrôle fiscal Rhône-Alpes Bourgogne; EuGH, Urteil vom 14.10.2010 – C-280/08 P – Slg. 2010, I-9601 (Rn. 130) – Deutsche Telekom/Kommission; EuG, Urteil vom 18.11.1992 – Rs. T-16/91 – Slg. 1992, 2417 (Rn. 122) – Rendo u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 26.2.2002  – Rs.  T-323/99  – Slg. 2002, II-545 (Rn.  55)  – Industrie Navali Meccaniche Affini SpA (INMA)/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 141) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union.

218

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Verwaltungskontrolle durch den Gerichtshof.996 Daneben ist der Maßstab für die Begründungspflicht am Kenntnisstand des Betroffenen auszurichten.997 Es ist auf einen „sachkundigen Beteiligten“ abzustellen,998 dabei sind auch sonstige Kenntnisse des Betroffenen zu berücksichtigen.999 Dies kann so weit gehen, dass sogar unzutreffende (Teil-)Begründungen durch Vorkenntnisse der Beteiligten oder andere Teile der Begründung kompensiert werden können.1000 Allerdings muss der Wortlaut des Beschlusses zumindest die wesentlichen Erwägungen enthalten,

996 EuGH, Urteil vom 17.3.1983 – Rs. 294/81 – Slg. 1983, 911 (Rn. 14 f.) – Control Data Belgium/Kommission. Daraus ergibt sich auch, dass der Rückgriff auf die Kenntnis von Umständen, die zum Erlass dieses Beschlusses geführt haben und dem Betroffenen bekannt sind, nur in Grenzen möglich ist: Bei Beschlüssen mit Drittwirkung beeinträchtigt das Fehlen von jedweden Informationen in der Begründung die effektive Wahrnehmung von Verteidigungsrechten für den Betroffenen. Denn diesem Dritten fehlen im Regelfall individuelle Informationen, welche dem eigentlichen Betroffenen zur Verfügung standen und er muss auf die Begründung des Beschlusses als einzige Informationsquelle zurückgreifen, Bülow (Fn.  686), S.  138. Zur Frage, inwiefern die ECHA im Rahmen der Begründung auf Informationen verweisen darf, die nicht originärer Teil der Begründung sind, Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 25; Towfigh (Fn. 981), S. 197. 997 Wenngleich dieses Kriterium anfangs von der Generalanwaltschaft bestritten wurde, GA  Roemer, Schlussanträge vom 24.11.1959 zu verb. Rs.  4/59 bis 13/59  – Slg. 1960, 251 (317)  – Mannesmann/Hohe Behörde; GA Roemer, Schlussanträge vom 22.3.1963 zu Rs. 24/62 – Slg. 1963, 159 (167 f.) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission, ist es mittlerweile anerkannt, EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 141) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union; GA Mischo, Schlussanträge vom 11.10.2001 zu Rs. C-107/99 – Slg. 2002, I-1093 (Rn. 111) – Italienische Republik/Kommission; von Danwitz (Fn. 24), S. 442; Haibach (Fn. 562), 456 (457); Saurer (Fn. 989), 364 (375). Kritisch dazu, da es grundsätzlich eher greift, wenn die Entstehung eines Sekundärrechtsakts in Rede steht  – nur in diesen Fällen könne es sich um einen Rechtsakt handeln, an dessen Entstehung der Betroffene beteiligt ist, Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 21. 998 GA Reischl, Schlussanträge vom 25.6.1981 zu verb. Rs. 275/80 und 24/81 – Slg. 1981, 2519 (2524) – Krupp/Kommission; Schwarze (Fn. 233), S. 1358. 999 Etwa EuGH, Urteil vom 14.1.1981 – Rs. 819/79 – Slg. 1981, 21 (Rn. 19/21) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission; EuGH, Urteil 28.10.1981 – verb. Rs. 275/80 und 24/81 – Slg. 1981, 2489 (2512) – Krupp/Kommission; EuGH, Urteil vom 1.6.1983 – verb. Rs. 36/81, 37/81 und 218/81 – Slg. 1983, 1789 (Rn. 48) – Pieter Willem Seton/Kommission; EuGH, Urteil vom 23.3.1988 – Rs. 19/87 – Slg. 1988, 1681 (Rn. 16) – Andre Hecq/Kommission; EuG, Urteil vom 14.7.1994 – Rs. T-534/93 – Slg. ÖD 1994, II-595 (Rn. 60) – Arlette Grynberg u. a./Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 136; von Danwitz (Fn. 24), S. 442; Haibach (Fn. 562), 456 (457); Saurer (Fn. 989), 364 (375); Müller-Ibold (Fn. 983), S. 97; Schoo, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 296 AEUV Rn. 15; Schwarze (Fn. 233), S. 1358. 1000 EuGH, Urteil vom 4.4.1960  – Rs.  31/59  – Slg. 1960, 159 (181)  – Acciaieria  e Tubificio di Brescia/Hohe Behörde; EuG, Urteil vom 6.3.2003 – verb. Rs. T-228/99 und T-233/99 – Slg.  2003, II-435 (162 f.)  – Westdeutsche Landesbank Girozentrale u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 4.9.2009  – Rs.  T-211/05  – Slg. 2009, II-2777 (Rn.  68)  – Italienische Republik/ Kommission; EuG, Urteil vom 14.10.2009  – Rs.  T-390/08  – Slg. 2009, II-3975 (Rn.  80)  – Bank Melli Iran/Rat der Europäischen Union; von Danwitz (Fn. 24), S. 442; direkt in Bezug auf das Handeln der ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 19.6.2013  – A-001–2012 – Rn. 88.

D. Die Begründungspflicht

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die zum Erlass führen.1001 Insofern müssen die grundsätzlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen für den Erlass des Beschlusses klar und folgerichtig aus der Begründung hervorgehen und so für den Gerichtshof wie für den Betroffenen der wesentliche Gedankengang ersichtlich sein.1002 Offenkundige Tatsachen bedürfen jedoch keiner Erwägung.1003 Nur darüber hinaus kann Begründung ergänzt, 1001

EuGH, Urteil vom 18.12.2008 – verb. Rs. C-101/07 P und C-110/07 P – Slg. 2008, I-10260 (Rn. 75) – Coop de France bétail et viande u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 22.12.2008 – Rs. C-487/06 P – Slg. 2008, I-10515 (Rn. 172) – British Aggregates Association/Kommission; EuGH, Urteil vom 22.12.2008 – Rs. C-333/07 – Slg. 2008, I-10851 (Rn. 63) – Société Régie Networks/Direction de contrôle fiscal Rhône-Alpes Bourgogne; EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs.  T-228/02  – Slg. 2006, II-4665 (Rn.  141)  – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 23.10.2008 – Rs. T-256/07 – Slg. 2008, II-3487 (Rn.  101)  – People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 4.9.2009 – Rs. T-211/05 – Slg. 2009, II-2777 (Rn. 68) – Italienische Republik/Kommission; EuG, Urteil vom 14.10.2009 – Rs. T-390/08 – Slg. 2009, II-3975 (Rn. 80) – Bank Melli Iran/Rat der Europäischen Union; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn.  16; Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  130 REACH-VO Rn.  18. Abzugrenzen ist allerdings vom hier besprochenen Fall der fehlerhaften Begründung die Verletzung materiellen Rechts, weil  – gerade im Rahmen von Ermessensentscheidungen  – bestimmte Erwägungen außer acht geblieben sind. Dabei ist die Begründung maßgebliche Erkenntnisquelle. 1002 EuGH, Urteil vom 12.7.1961  – Rs.  14/61  – Slg. 1962, 511 (552 f.)  – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 15.7.1970 – Rs.  41/69  – Slg. 1970, 661 (Rn.  76/78)  – ACF Chemiefarma/Kommission; EuGH, Urteil vom 28.10.1982 – verb. Rs. 292/81 und 293/81 – Slg. 1982, 3887 (Rn. 18 f.) – Société Jean Lion et Cie u. a./Fonds d’intervention et de régularisation du marché du sucre (FIRS); EuGH, Urteil vom 14.7.1983  – Rs.  176/82  – Slg. 1983, 2475 (Rn.  21)  – Théo Nebe/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.2.1984 – Rs. 325/82 – Slg. 1984, 777 (Rn. 8) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland; EuGH, Urteil vom 18.12.2008  – verb. Rs.  C-101/07 P und C-110/07 P – Slg. 2008, I-10260 (Rn. 75) – Coop de France bétail et viande u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 22.12.2008 – Rs. C-487/06 P – Slg. 2008, I-10515 (Rn. 172) – British Aggregates Association/Kommission; EuGH, Urteil vom 30.4.2009  – Rs.  C-494/06 P  – Slg. 2009, I-3658 (Rn.  48)  – Kommission/Italienische Republik u. a.; EuGH, Urteil vom 14.10.2010  – C-280/08 P – Slg. 2010, I-9601 (Rn. 130) – Deutsche Telekom/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 141) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union. Direkt in Bezug auf das Handeln der ECHA, ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 19.6.2013 – A-001–2012 – Rn. 88. Vgl. Europäisches Parlament (Fn. 796), Anlage, Empfehlung 4.8., das fordert, dass Beschlüsse „eindeutig“ begründet werden müssen. 1003 EuGH, Urteil vom 15.7.1963  – Rs.  34/62  – Slg. 1963, 287 (315)  – Deutschland/Kommission; EuGH, Urteil vom 22.12.2008  – Rs.  C-333/07  – Slg. 2008, I-10851 (Rn.  63)  – Société Régie Networks/Direction de contrôle fiscal Rhône-Alpes Bourgogne; EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 141) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union. Andere Fälle, in denen Abstriche an den Umfang einer Begründung zu machen sind, liegen etwa vor, wenn durch eine umfangreiche Begründung der fristgerechte Erlass der Entscheidung infrage gestellt wäre oder wenn eine Entscheidung wegen Eilbedürftigkeit besonders kurzfristig ergehen muss, EuGH, Urteil vom 15.3.1984 – Rs. 64/82 – Slg. 1984, 1359 (Rn. 21) – Tradax Granhandel/Kommission; Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 20. Schließlich ist dann noch gegebenenfalls die Begründungspflicht einzuschränken, wenn diese zur Offenlegung von

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

aber nicht ersetzt werden.1004 So muss die ECHA die für sie wesentlichen Entscheidungskriterien, Rechtsgrundlagen und tatsächlichen Gegebenheiten angeben, die sie zum Erlass dieses Beschlusses bewogen haben.1005 Damit muss die ECHA lediglich ihre eigene Ansicht als solche begründen, ist allerdings nicht verpflichtet, Gegenmeinungen zu widerlegen.1006 Die Ermächtigungsgrundlage, auf die der Beschluss gestützt werden soll, sei es etwa Art. 20 Abs. 3 REACH-VO im Rahmen der Annahme einer Registrierung, sei es Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO im Rahmen der Ablehnung einer Registrierung, sei es Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO im Rahmen der Nachforderung von Informationen, seien es ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrecht im Rahmen der Aufhebung einer Registrierung,1007

Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen führen würde. Als Maßstab, welche Geheimnisse in der Regel nicht offen gelegt werden dürfen, kann Art. 118 Abs. 2 REACH-VO Anwendung finden. Allerdings dürfte eine solche Konstellation, dass die ECHA durch einen Registrierungsbeschluss Geschäftsgeheimnisse offen legt, eher schwerlich vorkommen, da die handelnden Akteure jeweils der Registrant und die ECHA bilden und im Regelfall keine Dritten davon betroffen sind. Zu dieser Fallgruppe detailliert mit Nachweisen aus der Rechtsprechung Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 22 ff. 1004 EuGH, Urteil vom 24.3.1988  – Rs.  347/85  – Slg. 1988, 1749 (Rn.  60)  – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.11.1989  – Rs. 14/88 – Slg. 1989, 3677 (Rn. 11) – Italienische Republik/Kommission; EuGH, Urteil vom 14.2.1990 – Rs. C-350/88 – Slg. 1990, I-395 (Rn. 16) – Société française des Biscuits Delacre u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 30.4.2009  – Rs.  C-494/06 P  – Slg. 2009, I-3658 (Rn. 48) – Kommission/Italienische Republik u. a.; EuG, Urteil vom 4.9.2009 – Rs. T-211/05 – Slg. 2009, II-2777 (Rn.  68)  – Italienische Republik/Kommission; GA Mischo, Schlussanträge vom 11.10.2001 zu Rs. C-107/99 – Slg. 2002, I-1093 (Rn. 111) – Italienische Republik/Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 137; Gellermann, in: Streinz (Fn. 234), Art. 296 AEUV Rn. 7. 1005 Vgl. EuGH, Urteil vom 20.3.1957 – Rs. 2/56 – Slg. 1957, 9 (37) – Ruhrkohlen-Verkaufs­ gesellschaft/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 13.6.1958 – Rs. 9/56 – Slg. 1958, 16 (29) – Meroni & Co., Industrie Metallurgiche/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 20.3.1959 – Rs. 18/57 – Slg. 1959, 89 (115) – J. Nold, Kohlen- und Baustoffgrosshandlung/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 4.7.1963 – Rs. 24/62 – Slg. 1963, 143 (155) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission; EuGH, Urteil vom 16.3.1978 – Rs. 7/77 – Slg. 1978, 769 (781) – Bernhard Diether Ritter von Wüllerstorff und Urbair/Kommission; EuG, Urteil vom 24.1.1992 – Rs. T-44/90 – Slg. 1992, II-965 (Rn.  104)  – La Cinq/Kommission; EuG, Urteil vom 27.11.1997  – Rs.  T-224/95  – Slg. 1997, II-2215 (Rn. 57) – Roger Tremblay u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.2006 – Rs. T-228/02 – Slg. 2006, II-4665 (Rn. 141) – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/ Rat der Europäischen Union; Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 17 f.; Schwarze (Fn. 233), S. 1350. 1006 Vgl. EuG, Urteil vom 25.3.2009  – Rs.  T-191/07  – Slg. 2009, II-691 (Rn.  128)  – An­ heuser-Busch/Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle); EuG, Urteil vom 7.5.2009  – Rs.  T-151/05  – Slg. 2009, II-1219 (Rn.  192)  – Nederlandse Vakbond Varkenshouders/Kommission; GA Lagrange, Schlussanträge vom 11.11.1954 zu Rs. 2/54 – Slg. 1954/55, 79 (127) – Italien/Hohe Behörde. 1007 Zu deren Funktion als Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen siehe S. 248 ff.

D. Die Begründungspflicht

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ist grundsätzlich zu nennen.1008 Lediglich wenn sich die Rechtsgrundlage des Rechtsakts anhand anderer Bestimmungen ergibt, kann ein Fehlen unschädlich sein; eine Grenze ist dann zu ziehen, wenn der Betroffene wie der Gerichtshof ansonsten über die genaue Rechtsgrundlage im Unklaren bleiben würden.1009 Es genügt ferner in qualitativer Hinsicht nicht, lediglich den Wortlaut einer Norm1010 oder reine Schlagworte ohne weiteren Zusammenhang anzugeben.1011 Im Rahmen von Ermessensentscheidungen, relevant in Bezug auf die Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen,1012 ist die Rechtsprechung jedoch strenger. Je weiter das Ermessen der Behörde ist, desto ausführlicher muss die Begründung sein.1013 Hintergrund ist, dass bei Ermessensentscheidungen die Kontrolldichte der Gerichte auf Ermessensfehler reduziert ist, dann aber müssen Beschlüsse stärker begründet werden, um eine Überprüfung des Ermessens überhaupt möglich zu machen.1014 Dies überzeugt, denn so kann der Begründung eine rechtsstaatliche 1008 Vgl. EuGH, Urteil vom 26.3.1987 – Rs. 45/86 – Slg. 1987, 1493 (Rn. 8; 12) – Kommission/Rat der Europäischen Gemeinschaften; EuGH, Urteil vom 1.10.2009  – Rs.  C-370/07  – Slg. 2009, I-8917 (Rn.  38)  – Kommission/Rat der Europäischen Union; auch GA Fennelly, Schlussanträge vom 25.11.1990 zur Rs. C-286/95 P und verb. Rs. C-287/95 P und C-288/95 P – Slg. 2000, I-2344 (Rn. 25) – Kommission/ICI bzw. Kommission/Solvay; Bülow (Fn. 686), S. 145 f.; Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 18; Krajewski/ Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 21. 1009 EuGH, Urteil vom 26.3.1987 – Rs. 45/86 – Slg. 1987, 1493 (Rn. 9) – Kommission/Rat der Europäischen Gemeinschaften; EuG, Urteil vom 11.9.2002 – Rs. T-70/99 – Slg. 2002, II-3495 (Rn. 112) – Alpharma/Rat der Europäischen Union; GA Lenz, Schlussanträge vom 29.1.1987 zu Rs. 45/86, Slg. 1987, 1501 (Rn. 93) – Kommission/Rat der Europäischen Gemeinschaften; Bülow (Fn. 686), S. 145 f.; von Danwitz (Fn. 24), S. 441. 1010 EuGH, Urteil 13.3.1985 – verb. Rs. 296/82 und 318/82 – Slg. 1985, 809 (Rn. 23) – Königreich der Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission. 1011 Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 16; Groß, in: Fluck/Fischer/ von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 18. 1012 Dabei steht der ECHA Ermessen zu, siehe S. 280 ff. und S. 340 f. 1013 EuGH, Urteil vom 13.7.1966  – verb. Rs.  56/64 und 58/64  – Slg. 1966, 322 (396)  – Établissements Consten u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 6.11.2008 – Rs. C-405/07 P – Slg. 2008, I-8350 (Rn.  56)  – Königreich der Niederlande/Kommission; EuG, Urteil vom 20.5.2009  – Rs. T-89/07  – Slg. 2009, II-1403 (Rn.  61)  – VIP Car Solutions/Parlament; GA­ Roemer, Schlussanträge vom 27.4.1966 zu verb. Rs. 56/64 und 58/64 – Slg. 1966, 401 (442 f.) – Établissements Consten u. a./Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 137; Daig (Fn. 792), Rn. 182; von Danwitz (Fn. 24), S. 440; Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACHVO Rn. 19; Müller-Ibold (Fn. 983), S. 100; Saurer (Fn. 989), 364 (375); Scheffler (Fn. 739), S.  139; Schott, Der Begründungszwang für Akte der Exekutiven der Europäischen Gemeinschaften, 1971, S. 110; Schwarze (Fn. 233), S. 1357; Towfigh (Fn. 981), S. 199. Eine Strömung im Rahmen der Generalanwaltschaft hingegen vertrat die Auffassung, dass die Begründungspflicht im Rahmen einer Ermessensentscheidung geringer sei, GA Lagrange, Schlussanträge vom 24.5.1960 zu verb. Rs. 36/59 bis 38/59, 40/59 – Slg. 1960, 933 (943) – Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaft u. a./Hohe Behörde; folgend GA Cosmas, Schlussanträge vom 22.11.1995 zu Rs. C-122/94 – Slg. 1996, I-884 (Rn. 114) – Kommission/Rat der Europäischen Union. 1014 EuG, Urteil vom 20.5.2009 – Rs. T-89/07 – Slg. 2009, II-1403 (Rn. 61) – VIP Car Solutions/Parlament; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 31; Groß, in: Fluck/ Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 19. Der Maßstab an die Begründung wird

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Kompensation zur Weite des Ermessens zukommen. Gerade um die Art und Weise der Ermessensausübung zu überprüfen, bedarf es einer ausführlichen Begründung des Rechtsaktes: Je größer der Ermessensspielraum ist, desto detaillierter muss die Begründung ausgestaltet sein.1015 So kompensiert der EuGH seine im Rahmen des Ermessens nur eingeschränkte materielle Kontrolle durch eine verstärkte Nach­ prüfung der formalen Beschlussvoraussetzungen.1016 Damit ergeben sich Schwierigkeiten für den Vollzug der REACH-VO, als dass eine allgemeingültige Festlegung des Inhalts der Begründung im Registrierungsverfahren1017 in concreto nicht möglich ist. Allerdings können Leitlinien gegeben werden: So ist jedenfalls im Rahmen der Nachforderung von Informationen nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 S.  1 REACH-VO bzw. der Ablehnung eines Registrierungsdossiers nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO darzustellen, inwiefern das Registrierungsdossier fehlerhaft ist, zu welchen Punkten Informationen (noch) nicht bzw. nicht ausreichend vorgelegen haben. Im Hinblick auf einen Nach­ forderungsbeschluss ist außerdem darzustellen, warum bestimmte Informationen nachzufordern sind bzw. wie die Frist, innerhalb derer die Informationen geliefert werden müssen, bestimmt ist. Bei der Aufhebung einer Registrierung sind jedenfalls die Gründe zu nennen, die zur Aufhebung geführt haben. Dies können unzureichende oder unrichtige Angaben im Registrierungsdossier sein – dann müssen diese genannt werden – oder sonstige formelle oder materielle Fehler – auch diese müssen genannt werden. Im Rahmen einer Rücknahme nach dieser letzten Fallgruppe ist außerdem darzustellen, wie die ECHA die Rücknahmefrist berechnet hat und welche Gesichtspunkte hier Eingang fanden. Im Übrigen muss ausgeführt werden, inwieweit die ECHA von ihrem Ermessen, den Beschluss zurückzunehmen, Gebrauch gemacht, welche Punkte sie im Rahmen dieser Abwägung berücksichtigt und wie sie diese gewichtet hat. Insgesamt ist im Fall der Aufhebung vor dem Hintergrund, dass der ECHA Ermessen zusteht, ein strengerer Maßstab anzulegen. ebenfalls erhöht, wenn die Behörde von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis abweichen will, Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 24; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Fn. 688), Art. 296 Rn. 7. 1015 EuG, Urteil vom 20.5.2009 – Rs. T-89/07 – Slg. 2009, II-1403 (Rn. 61) – VIP Car Solutions/Parlament; GA Lagrange, Schlussanträge vom 19.5.1961 zu verb. Rs. 2/60 und 3/60 – Slg. 1961, 315 (343) – Niederrheinische Bergwerks-AG u. a./Hohe Behörde; Bockey (Fn. 429), S. 109; Bülow (Fn. 686), S. 140; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 31; Nolte, Beurteilungsspielräume im Kartellrecht der Europäischen Gemeinschaft und der Bundesrepublik Deutschland, 1997, S. 133. 1016 GA Roemer, Schlussanträge vom 27.4.1966 zu verb. Rs. 56/64 und 58/64 – Slg. 1966, 401 (442 f.) – Établissements Consten u. a./Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 140; Daig (Fn. 792), Rn.  182; Rausch, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und -würdigungen durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1994, S. 274 f. unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 15.7.1960 zu verb. Rs. 36/59 bis 38/59, 40/59 – Slg. 1960, 885 (921 f.) – Ruhrkohlen­ verkaufsgesellschaften u. a./Hohe Behörde; Müller-Ibold (Fn. 983), S. 100. 1017 Zur Begründung von Entscheidungen im Verfahren des compliance checks ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 10.10.2013  – A-004–2012  – Rn.  105  ff; ECHA, Board of Appeal, Widerspruchsentscheidung vom 13.2.2014 – A-006–2012 – Rn. 104 ff.

D. Die Begründungspflicht

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II. Möglichkeit der nachträglichen Änderung der Begründung Im deutschen Recht ist die Nachholung einer Begründung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich, so § 45 Abs. 1 Nr.  2, Abs.  2 (L)VwVfG. Begründung und Verfügungssatz gelten im deutschen Recht als grundsätzlich voneinander trennbar.1018 Insofern stellt sich die Frage nach der Existenz eines ähnlichen Rechtsinstitutes für den Vollzug der REACHVO. Möglicherweise kann die ECHA auf eine fehlerhafte Begründung mit einer Nachholung bzw. Heilung reagieren und so dem Verfahrensfehler entgegentreten.1019 Auch hier enthält die REACH-VO keine entsprechende Normierung. Dies ist insofern sachgerecht, als dass der EuGH in ständiger Rechtsprechung klarstellte, dass im europäischen Recht der Inhalt der Begründung nach Verabschiedung des Rechtsakts grundsätzlich nicht mehr geändert werden darf. Die einzige Ausnahme stellen orthografische und grammatikalische Korrekturen dar:1020 1018

Mit Beispielen aus der Rechtsprechung, bei denen ein Verwaltungsakt durch eine geänderte Begründung sein Wesen nicht geändert hat, Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 45 VwVfG Rn. 49 ff. Deutlich wird, dass ein Austausch oder eine Änderung der Begründung generell möglich ist und im Einzelfall dann eine Prüfung stattzufinden hat, ob eine Wesensveränderung vorliegt. Für eine Untrennbarkeit von VA und seinen Gründen dazu im Gegensatz: Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S. 171 ff. 1019 Terminologisch ergeben sich hier Unterschiede zwischen deutschem Recht und der Verwendung der Begrifflichkeiten durch den Gerichtshof. Der Begriff der Heilung im deutschen Recht bezieht sich auf die Korrektur von formellen Fehlern des Verwaltungsaktes. Materielle Fehler können durch Anwendung des § 45 (L)VwVfG nicht geheilt werden. Damit ist der Begriff der Heilung auf formelle Mängel beschränkt. Das „Nachschieben von Gründen“ meint hingegen die Nachbesserung eines formell ordnungsgemäßen, allerdings sachlich un­zutreffend begründeten Verwaltungsaktes. Der Begriff der Heilung im europäischen Recht hingegen ist etwas anders akzentuiert. Grundsätzlich bezieht er sich auf die nachträgliche Korrektur von Verfahrens- und Formfehlern. Eine Behebung materieller Fehler ist nicht vorgesehen. Insofern existiert das Institut der Ergänzung von Ermessenserwägungen als materiell-rechtliches Korrektiv nicht. Bei der Nachholung der Begründung im europäischen Recht kommt es darauf an, dass zumindest im Ansatz eine Begründung vorhanden ist. Der EuGH behandelt die Frage der Zulässigkeit von der Nachholung von Begründungen im Rahmen der Prüfung des Klagegrundes der Verletzung wesentlicher Formvorschriften. Dieser Klagegrund ist mithin formeller Natur (und damit auch von Amts wegen zu prüfen, EuG, Urteil vom 14.7.1994 – Rs. T-534/93 – Slg. ÖD 1994, II-595 [Rn.  59]  – Arlette Grynberg u. a./Kommission). Bei Begründungsfehlern bezieht sich der Begriff der Heilung im Europarecht auf Konstellationen, in denen geprüft wird, ob unter Einbeziehung von ergänzend vorgebrachten Erwägungen der Zweck der Begründungspflicht erreicht wird. Siehe dazu Bülow (Fn. 686), S. 239 ff. Missverständlich hingegen Classen (Fn. 767), 307 (324); dazu auch Fn. 767. 1020 EuGH, Urteil vom 17.6.1987 – verb. Rs. 424/85 und 425/85 – Slg. 1987, 2755 (Rn. 25) – Coöperatieve Melkproducentenbedrijven Noord-Nederland („Frico“) u.  a./Voedselvoorzienings In- en Verkoopbureau: Ein falsches Wort in der niederländischen Übersetzung hat weder Einfluss auf Gültigkeit noch auf Inhalt der Verordnung; EuGH, Urteil vom 23.2.1988 – Rs.  131/86  – Slg. 1988, 905 (Rn.  38)  – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/Rat: Die fehlende Bezugnahme auf eine Beteiligung ist entbehrlich, wenn feststeht, dass

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Geringfügige Redaktionsversehen, stellte der EuGH fest, haben grundsätzlich keinen Einfluss auf den Tenor und die wesentlichen Gründe des angefochtenen Beschlusses.1021 Insofern kann lediglich in diesen Fällen noch eine Korrektur durch die ECHA erfolgen. Dieses strenge Änderungsverbot ergibt sich aus der Konzeption des europäischen Rechts, das Rechtsakt und Begründung als Einheit betrachtet, die untrennbar miteinander verbunden sind1022 – der EuGH statuiert den Grundsatz der Unteilbarkeit von Begründung und Beschluss1023 und lehnt daher grundsätzlich eine Nachholung der Begründung im gerichtlichen Verfahren ab.

III. Möglichkeit der Heilung einer fehlerhaften Begründung Ist aber eine fehlerhafte Begründung einer Registrierung nicht durch eine einfache nachträgliche Änderung der Begründung möglich, stellt sich die Frage, ob die ECHA dennoch eine Heilung vornehmen kann: Generell differenziert die Rechtsprechung dabei zwischen der Konstellation einer gänzlich fehlenden Begründung und einer nur unzureichenden Begründung.1024 1. Abgrenzung zwischen einer gänzlich fehlenden und einer unvollständigen Begründung Daher muss in einem ersten Schritt die gänzlich fehlende von der lediglich unvollständigen Begründung abgegrenzt werden. Dies ergibt sich aus der oben dargestellten Möglichkeit, dass für die Bemessung des Maßes der Erforderlichkeit einer Begründung auch Umstände, die dem Betroffenen bekannt sind, einbezogen diese tatsächlich stattgefunden hat. So auch EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 68) – Kommission/BASF u. a.; EuG, Urteil vom 11.3.1999 – Rs. T-141/94 – Slg. 1999, 347 (Rn. 150) – Thyssen Stahl/Kommission; Bockey (Fn. 429), S. 110. 1021 EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893 (915)  – Lemmerz-Werke/ Hohe Behörde. 1022 EuGH, Urteil vom 23.2.1988 – Rs. 131/86 – Slg. 1988, 905 (Rn. 38) – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland/Rat; Bockey (Fn. 429), S. 110; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 19. 1023 EuGH, Urteil vom 15.6.1994 – Rs. C-137/92 P – Slg. 1994, I-2555 (Rn. 68) – Kommission/BASF u. a.; EuG, Urteil vom 18.1.2005 – Rs. T-93/02 – Slg. 2005, II-143 (Rn. 124 ff.) – Confédération nationale du Crédit mutuel/Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 143. 1024 Daneben wird als Begründungsfehler außerdem der Fall einer widersprüchlichen Begründung genannt. Belege in der Rechtsprechung finden sich dazu nur vergleichsweise wenige, zudem ist die Zuordnung als rein formeller oder als materieller Mangel unklar. Allerdings bedeutet auch die Vorlage einer widersprüchlichen Begründung einen zur Rechtswidrigkeit führenden Mangel, denn dann können die mit der Begründungspflicht verfolgten Zwecke nicht mehr erreicht werden, Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 296 AEUV Rn. 20; Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 130 REACH-VO Rn. 26.

D. Die Begründungspflicht

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werden können. In einem solchen Fall liegt nämlich auch bei einem förmlich ge­ sehenen vollständigen Fehlen einer Begründung dennoch materiell unter Einbeziehung der Kenntnisse des Betroffenen eine unvollständige Begründung vor.1025 Die Einbeziehung der Kenntnisse des Betroffenen führt in den seltensten Fällen dazu, dass eine Begründung als gänzlich fehlend zu qualifizieren ist.1026 2. Die Heilung einer gänzlich fehlenden Begründung Fehlt eine Begründung aber gänzlich, liegt mithin ein Fall der „absence totale de motivation“ vor, gilt grundsätzlich, dass eine Heilung nach Klageerhebung nicht mehr möglich ist, hier greift das Prinzip der Unteilbarkeit von Begründung und Beschluss in voller Härte. Der EuGH scheint diesen Grundsatz bewahren zu wollen – bislang hat er der Möglichkeit einer Heilung eine Absage erteilt, insbesondere in seiner Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht1027 wie auch zum Beamtenrecht1028. Aufgeweicht wurde dies allerdings im Beamtenrecht zunehmend durch die Entscheidungen des bis zum 12.12.2005 für Klagen aus dem Beamtenverhältnis in erster Instanz zuständigen EuG. Zwar behielt es die grundsätzliche Linie des 1025 EuG, Urteil vom 12.12.2002  – Rs.  T-135/00  – Slg. ÖD 2002, I-A-265 und II-1313 (Rn. 37) – Carmelo Morelo/Kommission. 1026 Eine derartige Konstellation nahm das EuG, EuG, Urteil vom 18.4.1996 – Rs. T-13/95 – Slg. ÖD 1996, I-A-167, I-A-176 und II-503 (Rn.  73)  – Nicolaos Kyrpitsis/Wirtschafts- und Sozialausschuss, an, als die in der Zurückweisung der Beschwerde des Betroffenen ent­haltene Begründung vollständig von der Begründung des Ursprungsbeschlusses abwich. Beide müssen allerdings zusammenfallen, EuGH, Urteil vom 27.10.1977  – Rs.  121/76  – Slg. 1977, 1971 (Rn. 12) – Alessandro Moli/Kommission; EuGH, Urteil vom 7.2.1990 – Rs. C-343/87 – Slg. 1990, I-225 (Rn.  13)  – Annibale Culin/Kommission; EuGH, Urteil vom 9.12.1993  – Rs. C-115/92 P – Slg. 1993, I-6549 (Rn. 22) – Parlament/Cornelis Volger; EuG, Urteil vom 23.2.1994  – verb. Rs.  T-18/92 und T-68/92  – Slg. ÖD 1994, I-A-47 und II-171 (Rn.  69)  –­ Dimitrios Coussios/Kommission; EuG, Urteil vom 11.6.1996 – Rs. T-118/95 – Slg. ÖD 1996, II-835 (Rn. 82) – Anacoreta Correira/Kommission; EuG, Urteil vom 29.5.1997 – Rs. T-6/96 – Slg. ÖD 1997, I-A-119, I-A-130 und II-357 (Rn. 147) – Thémistocle Contargyris/Rat der Europäischen Union. 1027 EuGH, Urteil vom 12.11.1985 – Rs. 183/83 – Slg. 1985, 3069 (Rn. 21) – Krupp Stahl/ Kommission; EuGH, Urteil vom 25.9.2011 – C-521/09 P – Slg. 2011, I-8947 (Rn. 149) – Elf Aquitaine/Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 298 f. 1028 EuGH, Urteil vom 26.11.1981 – Rs. 195/80 – Slg. 1981, 2861 (22) – Bernard Michel/ Parlament; EuGH, Urteil vom 7.2.1990 – Rs. C-343/87 – Slg. 1990, I-225 (Rn. 15) – Annibale Culin/Kommission; EuGH, Urteil vom 23.9.2004 – Rs. C-150/03 P – Slg. 2004, I-8691 (Rn. 50) – Chantal Hectors/Parlament. Dagegen vertrat GA Lagrange bereits früh die andere Ansicht, GA Lagrange, Schlussanträge vom 14.12.1961 zu Rs. 25/60 – Slg. 1962, 71 (83) – Leda de Bruyn/Parlament. Dieser argumentierte, dass der Zweck der Begründung ausschließlich darin bestehe, dem Gerichtshof eine Kontrollmöglichkeit zu geben. Damit allerdings blendete er aus, dass auch gleichzeitig der Betroffene eine Möglichkeit haben muss, die Entscheidung nachzuvollziehen und festzustellen, ob ein Mangel vorliegt, der zur Rechtswidrigkeit führen kann, mithin eine Klage grundsätzlich Aussicht auf Erfolg hat. Vgl. auch Bülow (Fn. 686), S. 264 f.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

EuGH bei,1029 definierte aber Ausnahmefälle, die allerdings jeweils von der konkreten Fallkonstellation bzw. den zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen determiniert werden und nicht außerhalb des Beamtenrechts verallgemeinert werden können.1030 Generell wird also eine Heilung, liegt bei einem Bescheid der ECHA im Registrierungsverfahren überhaupt keine Begründung vor, nicht möglich sein, der Beschluss bleibt rechtswidrig. 3. Die Heilung einer unzureichenden Begründung Im Gegensatz zur Rechtsprechung des EuGH für die Fälle einer „absence totale de motivation“ sieht dieser für die Ergänzung der unzureichenden Begründung grundsätzlich die Möglichkeit einer Nachbesserung im gerichtlichen Verfahren vor. Damit macht er sich die Maxime von Generalanwalt Lenz zu eigen, dass zwischen der Begründung der streitigen Maßnahme und dem Vorbringen des beklagten Organs ein enger Zusammenhang bestehe, wenngleich das Verwaltungsgerichtsverfahren keine bloße Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens

1029 EuG, Urteil vom 12.2.1992 – Rs. T-52/90 – Slg. 1992, II-121 (Rn. 40) – Cornelis Volger/ Parlament; EuG, Urteil vom 30.5.1995 – Rs. T-289/94 – Slg. ÖD 1995, I-A-123, I-A-125 und II-393 (Rn. 31) – Angelo Innamorati/Parlament; EuG, Urteil vom 17.2.1998 – Rs. T-56/96 – Slg. ÖD 1998, I-A-57 und II-133 (Rn. 38) – Alberto Maccaferri/Kommission; EuG, Urteil vom 27.4.1999 – Rs. T-283/97 – Slg. ÖD 1999, I-A-69 und II-353 (Rn. 74 ff.) – Germain Thinus/ Kommission; EuG, Urteil vom 9.3.2000 – Rs. T-10/99 – Slg. ÖD 2000, I-A-47, I-A-50 und I-203 (Rn.  42 und 47)  – Miguel Vicente Nuñez/Kommission; EuG, Urteil vom 20.2.2002  – Rs. T-117/01 – Slg. ÖD 2002, II-121 (Rn. 31) – Marcos Roman Parra/Kommission; EuG, Urteil vom 2.6.2005 – Rs. T-177/03 – Slg. 2005, II-651 (Rn. 55 f.) – Andreas Strohm/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.2006  – Rs. T-228/02  – Slg. 2006, II-4665 (Rn.  138)  – Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat der Europäischen Union. Vgl. aber die außerhalb des Beamtenrechts ergangene Entscheidung des EuG, in welcher es der Linie des EuGH weiterhin grundsätzlich folgt: EuG, Urteil vom 14.10.2009 – Rs. T-390/08 – Slg. 2009, II-3975 (Rn. 80) – Bank Melli Iran/Rat der Europäischen Union. 1030 Zum einen hält es eine Nachholung im Fall des Art. 29 Abs. 2 Beamtenstatut für möglich, EuG, Urteil vom 13.12.1990 – verb. Rs. T-160/89 und T-161/89 – Slg. 1990, II-871 (Rn. 71 ff.) – Gregoris Evangelos Klavros/Gerichtshof; EuG, Urteil vom 19.9.1996 – Rs. T-158/94 – Slg. ÖD 1996, I-A-383 und II-1131 (Rn. 113 ff.) – François Brunagel/Parlament. Es handelt sich um eine von der Persönlichkeit des Bewerbers bestimmte Ermessensentscheidung. Dabei soll die Begründung für die Entscheidung durch das den anderen Bewerbern geschuldete Vertrauen begrenzt sein, GA Lenz, Schlussanträge vom 1.4.1993 zu Rs. C-115/92 P – Slg. 1993, I-6549 (Rn. 96) – Parlament/Cornelis Volger; vgl. dazu Bülow (Fn. 686), S. 285. Zum anderen hat sich die Nachholung bei divergierenden Drittinteressen etabliert, etwa wenn die Aufhebung eines Personalbeschlusses, der aufgrund einer gänzlich fehlenden Begründung rechtswidrig war, dazu führen würde, ein gesamtes Bewerbungsverfahren oder eine Auswahlrunde erneut durchführen zu müssen. Die Entscheidung des EuG, EuG, Urteil vom 23.2.1994 – verb. Rs. T-18/92 und T-68/92 – Slg. ÖD 1994, I-A-47 und II-171 (Rn. 69) – Dimitrios Coussios/Kommission; wurde von EuGH, Urteil vom 1.6.1995 – Rs. C-119/94 P – Slg. 1995, I-1439 (Rn. 19) – Kommission/Dimitrios Coussios, bestätigt, Rechtsmittel wurden im vollen Umfang zurückgewiesen; siehe in der Literatur Bülow (Fn. 686), S. 286.

D. Die Begründungspflicht

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sei.1031 Diesen Weg ging auch der EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache­ Picciolo, in der er sich zum ersten Mal mit dieser Fallkonstellation auseinandersetzen musste.1032 Er erkannte in diesem Urteil, wie auch in der Folgezeit,1033 dass eine unzureichende Begründung im gerichtlichen Verfahren noch nachgebessert werden kann, wenn ein bereits vorhandener Begründungsansatz weiter ausgeführt wird. Eine Grenze ist dann aber erreicht, wenn im Endergebnis eine vollkommen neue Begründung vorliegt. Diesem Grundsatz folgte auch das EuG in mehreren Entscheidungen im Bereich des Beamten-1034 wie des Wettbewerbsrechts1035. Damit steht auch im Rahmen des Vollzugs der REACH-VO der ECHA grundsätz-

1031 GA Lenz, Schlussanträge vom 1.4.1993 zu Rs. C-115/92 P – Slg. 1993, I-6549 (Rn. 93) – Parlament/Cornelis Volger. 1032 EuGH, Urteil vom 30.5.1984 – Rs. 111/83 – Slg. 1984, 2323 (Rn. 22) – Santo Picciolo/ Parlament. Allerdings traf der EuGH dann im Hinblick auf die Kostenentscheidung  – angelehnt an Art. 69 § 3 Abs. 2 Verfahrensordnung des Gerichtshofes (vom 19. Juni 1991, ABl. EG Nr.  176, S.  7, fortan: VerfO-EuGH)  – die Feststellung, dass der Kläger unterlegen sei, allerdings könne man dem Betroffenen nicht verübeln, dass er den Gerichtshof angerufen hat. Daraus folgt, dass die Gegenpartei die Kostentragungspflicht trifft, EuGH, Urteil vom 30.5.1984 – Rs. 111/83 – Slg. 1984, 2323 (Rn. 30) – Santo Picciolo/Parlament. Diese Art der Kostenverteilung wurde bei der Heilung der „insuffisance de motivation“ etabliert, EuG, Urteil vom 13.12.1990 – verb. Rs. T-160/89 und T-161/89 – Slg. 1990, II-871 (Rn. 80 ff.) – Gregoris Evangelos Klavros/Gerichtshof, allerdings als Ausnahmefall einer gänzlich fehlenden Begründung; EuG, Urteil vom 20.3.1991 – Rs. T-1/90 – Slg. 1991, II-143 (Rn. 98) – Gloria PérezMínguez Casariego/Kommission; EuG, Urteil vom 17.5.1995 – Rs. T-16/94 – Slg. ÖD 1995, I-A-103, I-A-107 und II-335 (Rn.  55)  – Dimitrios Benecos/Kommission; EuG, Urteil vom 19.9.1996 – Rs. T-158/94 – Slg. ÖD 1996, I-A-383, I-A-391 und II-1131 (Rn. 119) – François Brunagel/Parlament. 1033 EuGH, Urteil vom 6.7.1983 – Rs. 117/81 – Slg. 1983, 2192 (Rn. 7 ff.) – Jean Jaques Geist/ Kommission; EuGH, Urteil vom 20.5.1987 – Rs. 432/85 – Slg. 1987, 2229 (Rn. 20) – Theano Souna/Kommission; EuGH, Urteil vom 8.3.1988 – verb. Rs. 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86, Slg. 1988, 1399 (Rn. 53) – Giovanni Sergio/Kommission. 1034 Etwa EuG, Urteil vom 3.3.1993 – Rs. T-25/92 – Slg. 1993, II-201 (Rn. 26) – Juana de la Cruz Elena Vela Palacios/Wirtschafts- und Sozialausschuss; EuG, Urteil vom 30.11.1993  – Rs. T-78/92  – Slg. 1993, II-1299 (Rn.  52)  – Aristotelis Perakis/Parlament; EuG, Urteil vom 17.5.1995 – Rs. T-16/94 – Slg. ÖD 1995, I-A-103, I-A-107 und II-335 (Rn. 36) – Dimitrios Benecos/Kommission; EuG, Urteil vom 11.6.1996  – Rs.  T-118/95  – Slg. ÖD 1996, II-835 (Rn.  82)  – Anacoreta Correira/Kommission; EuG, Urteil vom 16.10.1996  – Rs.  T-37/94  – Slg. ÖD 1996, I-A-461, I-A-468 und II-1301 (Rn. 46) – Dimitrios Benecos/Kommission; EuG, Urteil vom 6.11.1997 – Rs. T-71/96 – Slg. ÖD 1997, I-A-339, I-A-348 und II-921 (Rn. 79) – Sonja Edith Berlingieri Vinzek/Kommission; EuG, Urteil vom 27.4.1999  – Rs.  T-283/97  – Slg. ÖD 1999, I-A-69 und II-353 (Rn. 74 ff.) – Germain Thinus/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.2002 – Rs. T-135/00 – Slg. ÖD 2002, I-A-265 und II-1313 (Rn. 37) – Carmelo Morelo/ Kommission; EuG, Urteil vom 2.6.2005  – Rs. T-177/03  – Slg. 2005 II-651 (Rn.  57 ff.)  – Andreas Strohm/Kommission. Vgl. auch Bülow (Fn. 686), S. 292 ff. m. w. N. 1035 Etwa EuG, Urteil vom 2.7.1992 – Rs. T-61/89 – Slg. 1992, II-1931 (Rn. 131) – Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission; EuG, Urteil vom 12.12.1996 – Rs. T-16/91 RV – Slg. 1996, II-1827 (Rn.  45)  – Rendo u. a./Kommission; EuG, Urteil vom 25.5.2000  – Rs.  T-77/95  – Slg. 2000, II-2167 (Rn. 54) – Union française de l’express (Ufex) u. a./Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 299.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

lich die Möglichkeit zu, die unvollständige Begründung eines Beschlusses auch noch nach Bekanntgabe zu ergänzen, um so deren Begründungsmangel zu heilen. 4. Rechtsfolgen der Nachholung einer Begründung Ist der Begründungsmangel des Registrierungsbeschlusses im gerichtlichen Verfahren durch Nachholung durch die ECHA geheilt, wird ein auf Aufhebung des Mangels gerichteter Klageantrag gegenstandslos.1036 Wird der Mangel vor Klageerhebung geheilt, liegt ein von Anfang an hinsichtlich dieses Punkts rechtmäßiger Registrierungsbeschluss vor.

IV. Ergebnis zur Begründungspflicht Die Pflicht zur Begründung von Beschlüssen ist tief im Eigenverwaltungsrecht verwurzelt. Die Frage nach dem „Ob“ einer Begründung kann insofern für alle Beteiligten als geklärt gelten. Im Hinblick auf den notwendigen Inhalt der Begründung ist auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen.1037 So werden die wesentlichen Gründe wiederzugeben sein, welche die ECHA zum Erlass des Beschlusses bewogen haben. Dies bedeutet im Rahmen der Nachforderung nach Art.  20 Abs.  2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO die Mitteilung, aus welchen Gründen welche Informationen fehlen und woraus sich die Zeitspanne zur Nachreichung errechnet.1038 Als Begründung für die Ablehnung des Registrierungsdossiers nach Art.  20 Abs.  4 S.  1 REACH-VO ist jedenfalls anzugeben, welche Informationen  – trotz Nachbesserung durch den Registranten – nach wie vor fehlen. Bei der Aufhebung einer Registrierung müssen die Gründe, welche zur Aufhebung geführt haben, im Mittelpunkt der Begründung stehen. Dabei ist, da der ECHA bei der Aufhebung von Beschlüssen Ermessen zusteht, ein strengerer Maßstab anzulegen. Somit lässt sich konstatieren, dass das ungeschriebene allgemeine Eigenverwaltungsrecht – die REACH-VO schweigt insofern – eine Reihe von Grundsätzen festgelegt, anhand derer es der ECHA möglich ist, eine Begründung rechtssicher

1036 Vgl. EuG, Urteil vom 3.3.1993  – Rs. T-25/92  – Slg. 1993, II-201 (Rn.  27)  – Juana de la Cruz Elena Vela Palacios/Wirtschafts- und Sozialausschuss; EuG, Urteil vom 17.5.1995 – Rs. T-16/94 – Slg. ÖD 1995, I-A-103, I-A-107 und II-335 (Rn. 38) – Dimitrios Benecos/Kommission; Bülow (Fn. 686), S. 300 f. 1037 Insoweit sieht die Vorlage der ECHA für eine „Decision on your Registration under Regulation (EC) NO 1907/2006“ hierfür keinen Textblock vor, sondern verweist für die Einzelheiten auf Anlage 1, die dann individuell erstellt wird. 1038 In der Vorlage der ECHA für die Registrierungsentscheidung „Further Information re­ quired on your registration under regulation (EC) NO 1907/2006“ wird zwar hinsichtlich der Einzelheiten, welche Informationen fehlen, auf Anlage 1 verwiesen, eine Begründung für die Bestimmung der Frist fehlt allerdings.

E. Wahl der richtigen Sprache

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zu formulieren. Diesen Anforderungen Genüge zu tun wird der ECHA im Rahmen von Beschlüssen, bei denen sie kein Ermessen hat, leichter fallen; in Bezug auf die Aufhebung einer Registrierung  – in diesem Bereich steht ihr Ermessen zu1039 – ist die Prüfung der Rechtsprechung strenger. Doch auch in dieser Konstellation bleibt die Formulierung einer ausreichenden Begründung kein Hexenwerk. In Hinblick auf die Fehlerfolgen, vor allem auf die Heilung einer unzureichenden Begründung im gerichtlichen Verfahren ist ebenfalls eine klare Rechtsprechungslinie zu erkennen. Ebenso wie eine Heilung einer vollständig fehlenden Begründung unmöglich ist, erlauben die europäischen Gerichte in ebenso einhelliger wie ständiger Rechtsprechung die Heilung einer unvollständigen Begründung durch Nachholung, sofern lediglich ein bereits vorhandener Begründungsansatz näher erläutert wird. Das allgemeine Eigenverwaltungsrecht liefert somit auch in diesem betrachteten Rechtsgrundsatz ein taugliches Fundament für den Vollzug der REACH-VO.

E. Wahl der richtigen Sprache Akzeptanz bedingt Verständigung. Grundlage jeder Verständigung ist aber eine gemeinsame Sprache. Dieses Dictum hat sich die EU zu eigen gemacht. Ein wesentlicher Bestandteil von Transparenz und Bürgernähe im Sinne einer Fühlund Fassbarkeit der EU ergibt sich, wenn diese mit dem Bürger in seiner eigenen Sprache kommuniziert und er die außer- wie innerbehördlichen Vorgänge so ge­ gebenenfalls nachvollziehen kann.

I. Anforderungen für das Handeln der ECHA im Registrierungsverfahren Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich Art.  342 AEUV mit dem Problemkomplex der Sprachenverwendung von Organen der EU.1040 In der Sache verweist die Vorschrift auf die Sprachenverordnung. Danach gilt, dass Mitgliedstaat und Unionsbürger eine Amtssprache wählen können, wenn sie sich an die Europäische Kommission wenden, und deren Antwort in derselben Sprache zu ver­ fassen ist, Art.  2 Sprachenverordnung. Schriftstücke von allgemeiner Geltung werden gemäß Art. 4 Sprachenverordnung in allen Amtssprachen verfasst. Dort, wo die EU dem einzelnen Bürger mit unmittelbar rechtlich bindender Wirkung gegenübertritt, hat der Einzelne einen Anspruch darauf, dass die EU seine Landessprache nutzt. Dies ist Ausfluss der Grundsätze von Bestimmtheit und Rechts-

1039

Siehe S. 280 ff. und S. 339 f. Weitere primärrechtliche Regelungen zur Sprachenfrage in der EU finden sich in Art. 24 AEUV i. V. m. Art. 55 Abs. 1 EUV sowie in Art. 41 Abs. 4 EU-GRCharta. 1040

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

sicherheit.1041 Dem trägt Art. 3 Sprachenverordnung Rechnung.1042 Da sich diese Verordnung auf eine Kommunikation zwischen Europäischer Kommission und Mitgliedstaaten bzw. Unionsbürger richtet, findet sie keine direkte Anwendung auf das Verfahren der ECHA.1043 Ihre entsprechende Geltung wird jedoch in Art. 104 Abs. 1 REACH-VO angeordnet.1044

II. Die derzeitige Praxis im Registrierungsverfahren Die ECHA muss somit im Registrierungsverfahren1045 grundsätzlich die Sprache des Hoheitslands des Registranten nutzen. Dadurch, dass sie Registrierungsbeschlüsse – mithin verfahrensbezogene Mitteilungen – unabhängig vom Hoheits 1041 Oppermann, Das Sprachenregime der Europäischen Union – reformbedürftig? Ein Thema für den Post-Nizza-Prozess, ZEuS 2001, 1 (5, 7 f., 18); Wichard, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 342 AEUV Rn. 3. 1042 Eine sekundärrechtliche Abweichung hält der EuGH lediglich in Einzelfällen für zu­lässig, in denen die individuelle Betroffenheit gering ist: So hatte der EuGH in der Rechtssache Kik, EuGH, Urteil vom 9.9.2003 – Rs. C-361/01 P – Slg. 2003, I-8283 (Rn. 82) – Christina Kik/ Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), über die Praxis des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt zu entscheiden nach Art. 119 f. EU-GemeinschaftsmarkeVO 2009: Eine Marke kann zwar in jeder Amtssprache der EU angemeldet werden, allerdings muss der Anmelder eine Sprache des Amts (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch) als Zweitsprache auswählen. Sofern sich die Parteien nicht auf eine Sprache einigen können, werden dann kontradiktorische Verfahren mit Drittbeteiligung, d. h. Widerspruchsverfahren, Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren, in dieser durchgeführt. Außerdem können damit in der Zweitsprache „schriftliche Mitteilungen“ an den Anmelder gesendet werden. Der EuGH stellte in seiner Entscheidung klar, dass diese Regelung nicht gegen höherrangiges Recht verstoße (Rn. 82): In Drittbeteiligungsfällen sei es angesichts des an Wirtschaftlichkeits­ erwägungen interessierten Adressatenkreises angemessen und sachgerecht, wenn die verfügbaren Zweitsprachen die in der EU bekanntesten Sprachen seien, die dann zur Anwendung gelangen, wenn sich die Parteien nicht auf eine gemeinsame Sprache einigen konnten. Des Weiteren bestehe kein Grundsatz, dass der Unionsbürger darauf Anspruch habe, dass alle Schriftstücke, die potenziell seine Interessen berühren könnten, unter allen Umständen in seiner Sprache verfasst sein müssten Allerdings seien diese Ausnahmen nur für nicht verfahrensbezogene Mitteilungen des Amts an den Anmelder zulässig, etwa bei Übermittlungsdeckblättern oder Auskünften. Dann handele es sich um eine sprachliche Ungleich­behandlung von geringer Bedeutung und durch das Erfordernis der Praktikabilität gedeckt. Alle verfahrensbezogenen Mitteilungen hingegen haben in der Sprache des Anmelders zu erfolgen (Rn. 45 ff., 96). 1043 Wichard, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 342 AEUV Rn. 6. 1044 Dazu auch Art.  13 des Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA. Art.  41 Abs.  4 EU-GRCharta hingegen betrifft, da die ECHA kein „Organ“ der EU ist, diese nicht, Pfeffer (Fn. 897), S. 213 f. Anders hingegen die Formulierung in Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 EU-GRCharta, welche daher auf die ECHA direkt Anwendung finden. 1045 Hier nicht betrachtet wird die Rechtslage im Widerspruchsverfahren: Den rechtlichen Rahmen setzt dabei Art. 14 Widerspruchsverordnung. Vor dem Hintergrund, dass der Registrant regelmäßig Adressat der angegriffenen Entscheidung ist, ist Abs.  1 S.  2 einschlägig: Verfahrens­sprache ist die Sprache der Entscheidung, welche angegriffen wird bzw. eine andere Amtssprache, die in den Verfahrensunterlagen zum Erlass der angegriffenen Entscheidung genutzt wird. Die ECHA übersetzt diese dann für den internen Gebrauch regelmäßig ins Eng-

E. Wahl der richtigen Sprache

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staat des Registranten allerdings regelmäßig in englischer Sprache verfasst, verstößt sie gegen Art. 104 Abs. 1 REACH-VO in Verbindung mit Art. 3 Sprachenverordnung.1046 Auch liegen die meisten Guidances lediglich in englischer Sprache vor. Deutsche Übersetzungen hingegen existieren nur vereinzelt und für alte Versionen. Art.  4 Sprachenverordnung bezieht sich dem Wortlaut nach auf „Verordnungen und andere Schriftstücke von allgemeiner Geltung“. Diese Formulierung legt nahe, dass lediglich Rechtsakte mit abstrakt-genereller Wirkung erfasst sein sollen, mithin solche, die Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt umrissene Personengruppen herbeiführen.1047 Den Guidances sind allerdings als unverbindliche Leitlinien per se keinerlei Rechtswirkung inne.1048 Insofern könnte man annehmen, dass diese nicht dem Regime des Art. 4 Sprachenverordnung unterfallen. Nimmt man allerdings den Sinn und Zweck der Norm als Auslegungshilfe, würde durch diese Auslegung eine Regelungslücke auftreten: Denn die Sprachenverordnung soll innerhalb ihres Anwendungsbereichs die gesamte Kommunikation erfassen. Da jedoch Art. 3 Sprachenverordnung lediglich konkret adressatenbezogene Rechtsakte als Bezugspunkt hat und nach dieser Auslegung Art. 4 Sprachenverordnung lediglich Rechtsakte mit abstrakt-genereller Wirkung erfasst, würde das Sprachenregime für nicht verbindliche Rechtsakte ungeregelt bleiben. Damit bestünde an dieser Stelle eine Lücke, welche einen großen Teil der Kommunikation von Unionsorganen betreffen würde, eine Lücke, die, wenn sie denn wirklich bestünde, der europäische Normgeber mit Sicherheit im Verlauf der letzten 55 Jahre erkannt und geschlossen hätte. Denn es bleibt unbestritten, dass auch für unverbindliche Rechtsakte Bedarf besteht, sie in allen Amtssprachen der Union zu lesen und zu verstehen. Damit gilt Art.  4 Sprachenverordnung nicht nur für Leitlinien, sondern auch für Empfehlungen, Stellungnahmen oder Ausschreibungen1049.1050 Auch lische, ECHA, Praktische Anweisungen für Beteiligte an Widerspruchsverfahren vor der Widerspruchskammer der Europäischen Chemikalienagentur, Rn. 20. Dem steht die Sprachenverordnung nicht entgegen, Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 342 AEUV Rn. 31. 1046 Auch das Projekt ECHA-term (http://echa.cdt.europa.eu/SearchByQueryLoad.do;jsessio nid=16F984E293E3E99552A0788850647B20?method=load [1.5.2014]) kann diesen Verstoß nicht beseitigen. Dort können lediglich einzelne (Fach)Ausdrücke übersetzt werden  – auf Initiative des Registranten. Es handelt sich somit lediglich um eine Hilfestellung für den Registranten, ohne dass die ECHA damit den Anforderungen der Sprachenverordnung so meistern kann. Mittlerweile ist vor dem EuGH eine entsprechende Klage, eingereicht am 28.8.2013 – T-466/13 – Hermann Trollius/ECHA, anhängig. 1047 EuGH, Urteil vom 5.5.1977  – Rs.  101/76  – Slg. 1977, 797 (Rn.  20/22)  – ­Koninklijke Scholten Honig/Rat der Europäischen Gemeinschaft u. a.; EuG, Urteil vom 10.7.1996  – Rs. T-482/93 – Slg. 1996, II-609 (Rn. 55) – Martin Weber u. a./Kommission. 1048 Siehe S. 117 ff. 1049 Gerade bei diesen würde eine Nichtabfassung in den anderen Amtssprachen jedenfalls abstrakt den Wettbewerb verzerren, denn Unternehmen, welche die Ausschreibung nicht verstehen (können), können sich auch nicht am Wettbewerb beteiligen. 1050 Ahlhaus, Stellungnahme für den Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)  – EK REACH Rechtsfragen zur Frage der Sprachenregelung gem. Art. 104 REACH, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2010 – REACH aktuell, Tagungsunterlagen, 2010, S. 69 (71);

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

steht der Gleichbehandlungsgrundsatz auf dem Posten – damit jeder Unions­bürger gleich behandelt werden kann, bedingt dies zumindest, dass er nicht gezwungen sein darf, im Gegensatz zu anderen eine ihm fremde Sprache zu benutzen.1051 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich eine Rechtswirkung der Guidances durch die Selbstbindung der ECHA an diese unter dem Gesichtspunkt von Vertrauensschutz und Gleichbehandlung ergibt.1052 Daher muss die ECHA die Übersetzung der Guidances priorisieren, um so die Gleichbehandlung aller Unionsbürger zu gewährleisten1053 und – gerade im Rahmen der REACH-VO relevant  – die Arbeit der ECHA vorhersehbar und auch nachvollziehbar zu machen, um so die Akzeptanz der REACH-VO zu erhöhen.1054 Dem scheint die ECHA auch grundsätzlich zuzustimmen, wenn sie in ihrer „Communication Strategy“ vom Februar 20081055 erklärt, „generic pages of the ECHA website and brochures, certain parts of technical guidance adressed to non-specialists“ in alle EU-Amtssprachen übersetzen zu lassen. Doch damit geht gleichzeitig eine Einschränkung einher, dass lediglich Dokumente und Auszüge übersetzt werden sollen, welche sich an „Nicht-Spezialisten“ richten. Diese Einschränkung soll dafür sorgen, dass sich durch den Begriff des „Spezialisten“ ein abgegrenzter Personenkreis bildet, der nicht der Allgemeinheit angehört, sodass das Merkmal der „allgemeinen Geltung“ verloren geht und insofern die ECHA nicht an die Pflicht des Art. 4 der Sprachenverordnung gebunden ist.1056 Dieser Differenzierung fehlt jedoch zum einen bereits der Boden in der Sprachen­verordnung, welche lediglich nach konkreten Adressaten oder einem unbestimmten Personenkreis in den Art. 3 und 4 differenziert. Eine zusätzliche Differenzierung in Form von „an Spezialisten gerichtete“ Schriftstücke ist dort nicht vorgesehen.1057 Zum Herrmann, in: Streinz (Fn.  234), Art.  342 AEUV Rn.  15; Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 110), Art. 342 AEUV Rn. 31; Yvon, Sprachenvielfalt und europäische Einheit – Zur Reform des Sprachenregimes der Europäischen Union, EuR 2003, 681 (684); Wichard, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 342 AEUV Rn. 13. 1051 Kürten, Bedeutung der deutschen Sprache im Recht der Europäischen Union, 2004, S. 71; Wichard, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 342 AEUV Rn. 31. 1052 Vgl. EuGH, Urteil vom 28.6.2005 – C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P – Slg. 2005, I-5425 (Rn. 211) – Dansk Rørindustri A/S u. a./Kommission. 1053 Ahlhaus, in: Lexxion (Fn.  1050), S.  69 (71); Wichard, in: Calliess/Ruffert (Fn.  110), Art. 342 Rn. 13. 1054 Dies gilt nicht nur für die Guidances, sondern auch für den Bereich der REACH-IT, insbesondere für die Zurverfügungstellung von Datenformaten. Da deren Nutzung für alle Anwender verbindlich ist gemäß Art. 111 REACH-VO, liegt auch hier eine allgemeine Geltung nach Art. 4 Sprachenverordnung vor. Zwar handelt es sich nicht um Schriftstücke im eigentlichen Sinne, allerdings gilt auch hier, dass vor dem Hintergrund der Verbindlichkeit der Nutzung das Gebot der Gleichbehandlung aller Unionsbürger eine weite Auslegung des Art.  4 Sprachenverordnung gebietet. So Ahlhaus, in: Lexxion (Fn. 1050), S. 69 (71 f.). 1055 ECHA, Communication Strategy, S. 8. 1056 Dergestalt die Argumentation der ECHA nachvollziehend, Ahlhaus, in: Lexxion (Fn. 1050), S. 69 (72). 1057 Ahlhaus, in: Lexxion (Fn. 1050), S. 69 (73).

E. Wahl der richtigen Sprache

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anderen bleibt unklar, welche „Spezialisierung“ die ECHA hierbei für relevant hält. Die REACH-VO richtet sich zur Auslegung nicht nur an Juristen, sondern auch etwa an Chemiker. Sie betrifft Unternehmen jedweder Größe1058 in den unterschiedlichsten Branchen, welche in den unterschiedlichsten Rollen von der REACH-VO betroffen sind. Dabei differenziert der Normtext der Verordnung nicht danach, ob entsprechende Vorkenntnisse in den Unternehmen vorhanden sind oder ein Mitarbeiter entsprechend geschult wurde. Gerade aber letztere Unternehmen sind, damit sie die REACH-VO umsetzen können und den dieser innewohnenden Handlungspflichten im vollen Umfang genügen können, auf die Guid­ ances als Hilfestellung angewiesen.1059 Insofern kann diese Differenzierung nicht überzeugen, ihr fehlt die Legitimation in der Sprachenverordnung und sie kann den Realitäten der Umsetzung von REACH nicht genügen.1060

III. Rechtsfolgen bei der Wahl einer falschen Sprache Zwar wurde in der REACH-VO die Geltung der Sprachenverordnung in Art.  104 Abs.  1 REACH-VO normiert, Normen bezüglich der Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung fehlen dort wie auch in der Sprachenverordnung. 1. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Beschlusses Vor dem Hintergrund der Unzumutbarkeit für Bürger, mit der EU-Verwaltung über möglicherweise existenzielle Fragen in einer für sie fremden Sprache diskutieren zu müssen, und mit Blick auf eine Effektivität des Rechtsschutzes, der 1058 Gerade diese Dimension des Problems scheint die ECHA zu verkennen: So stellt sie in ECHA, Report on the survey of successful registrants, S. 12, dar, dass die am häufigsten sowohl im Vorfeld als auch bei der Registrierung selbst verwendete Sprache Englisch ist. Dabei vergißt sie aber zum einen, dass ein Großteil der Dokumente selbst lediglich in Englisch vorliegt, mithin die (potenziellen) Registranten bereits per se gezwungen sind, diese Sprache zu nutzen und, zum anderen hierbei größtenteils die Bildung von (europaweiten) SIEFs bzw. eine gemeinsame Registrierung in Rede stand, sodass Englisch als gemeinsame Arbeitssprache nahe liegt. Vor allem aber waren über 50 Prozent der Unternehmen (S. 5) große Unternehmen – nicht überraschend, denn in dieser Registrierungsphase wurden primär großvolumige Stoffe registriert –, in denen im Zweifel ausreichende sprachliche Ressourcen vorhanden sind (nach Iber, in: Lexxion [Fn. 356], S. 15 [15], wurden sogar 86 Prozent der Registrierungsdossiers von großen Unternehmen eingereicht). Gerade bei kleineren Unternehmen – mithin Unter­nehmen, die in den folgenden Registrierungsphasen in der Pflicht stehen – kann jedoch eine andere Situation bestehen. 1059 Ahlhaus, in: Lexxion (Fn. 1050), S. 69 (73). 1060 Zwar ist in diesem Kontext zuzugeben, dass die Übersetzung aller Dokumente in alle Amtssprachen nicht unbeträchtliche Ressourcen erfordert – nach Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 89, machten im Jahre 1999 die Übersetzungskosten 2 Prozent des Gesamtbudgets der EG aus. Allerdings muss eine europäische Agentur dann auch, um ihrer Aufgabe wie ihrem eigentlichen Anspruch gerecht zu werden, diese Ressourcen zur Verfügung haben und auch nutzen.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

eine sprachliche Verständigung zwischen den Beteiligten zwingend voraussetzt,1061 wundert es kaum, dass der EuGH einen Verstoß gegen die Sprachen­regelung grundsätzlich als Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift im Sinne des Art. 263 Abs. 2 2. Var. AEUV einstuft.1062 Beschlüsse dürfen einem Unionsbürger nur dann entgegengehalten werden, wenn er davon in seiner Landessprache Kenntnis erlangen konnte.1063 Allerdings lässt der EuGH von diesem Grundsatz regelmäßig dann eine Ausnahme zu, wenn die Verletzung der Sprachenverordnung keine nachteiligen Auswirkungen auf die Rechtsposition des Betroffenen hatte. Er prüft also im Einzelfall, ob Anhörungs- oder Verteidigungsrechte des Betroffenen verletzt wurden. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Adressat den Beschluss dennoch verstanden und ausreichende Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks erlangt hat. So stellte der EuGH in der Rechtssache ACF Chemiefarma fest, dass zwar bei einem Protokollentwurf, der nicht auf niederländisch abgefasst war, ein Mangel vorliege, der die Ordnungswidrigkeit des Dokuments beeinträchtigen könne. Allerdings lasse das Vorbringen der Klägerin erkennen, dass diese in der Lage war, aus­ reichend vom Inhalt des Dokuments Kenntnis zu nehmen.1064 Diese zweiteilige Prüfung, in einem ersten Schritt die Feststellung des Verstoßes gegen die Sprachenverordnung, im zweiten Schritt eine Prüfung im Einzelfall, ob der Verstoß im Verwaltungsverfahren für den Betroffenen nachteilige Folgen hatte, führen EuGH und EuG in ständiger Rechtsprechung durch; dabei ist durchgängig zu beobachten, dass die Rechtsprechung – gegebenenfalls mit Hinweis auf entsprechende Erkundigungsmöglichkeiten  – diese nachteiligen Folgen verneint hat.1065 Sie scheint die Messlatte damit sehr hoch anzusetzen.

1061

Schwarze (Fn. 233), S. 1173. EuGH, Urteil vom 15.7.1970 – Rs. 41/69 – Slg. 1970, 661 (Rn. 48/52) – ACF Chemiefarma/Kommission. Ablehnend GA Gand, verb. Schlussanträge vom 10.6.1970 zu Rs. 41/69, 44/69, 45/69  – Slg. 1970, 661 (712)  – ACF Chemiefarma u. a./Kommission. Es handle sich nicht um „zwingendes Recht“ und indem ACF die Mitteilung einer landessprachlichen, hier: niederländischen, Fassung nicht verlangt habe, habe sie stillschweigend auf diese verzichtet. Für die Einstufung als wesentliche Formvorschrift auch Bülow (Fn. 686), S. 124 f.; Daig (Fn. 792), Rn. 166 Fn. 453; Schwarze (Fn. 233), S. 1173. Anders Kürten (Fn. 1051), S. 137, welcher – ohne die einschlägige Rechtsprechung zu würdigen – die rechtliche Inexistenz des Beschlusses propagiert. 1063 Wichard, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 342 AEUV Rn. 3. 1064 EuGH, Urteil vom 15.7.1970 – Rs. 41/69 – Slg. 1970, 661 (Rn. 48/52) – ACF Chemiefarma/Kommission. Vgl. auch GA Gand, verb. Schlussanträge vom 10.6.1970 zu Rs. 41/69, 44/69, 45/69 – Slg. 1970, 661 (712) – ACF Chemiefarma u. a./Kommission. 1065 Beginn mit EuGH, Urteil vom 15.7.1970  – Rs.  41/69  – Slg. 1970, 661 (Rn.  48/52)  – ACF Chemiefarma/Kommission. Seitdem etwa EuG, Urteil vom 14.7.1994  – Rs. T-77/92  – Slg. 1994, II-549 (Rn.  74)  – Parker Pen/Kommission; EuG, Urteil vom 15.3.2000  – verb. Rs. T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 – Slg. 2000, II-491 (Rn. 643) – Cimenteries CBR u. a./Kommission. 1062

E. Wahl der richtigen Sprache

235

Insofern dürften Rügen, die sich auf eine Verletzung dieses Grundsatzes im Rahmen des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO stützen und so die Rechtswidrigkeit des Registrierungsbeschlusses herleiten wollen, nur sehr selten Aussicht auf Erfolg haben; schließlich handelt es sich im Regelfall um Wirtschaftsunternehmen, die im (inter)nationalen Verkehr und Wettbewerb stehen, sodass zumindest bei englischen Schriftstücken eine Erfassung des wesentlichen Inhalts anzunehmen ist. 2. Im Hinblick auf den Zugang des Beschlusses Vom Problem der Rechtmäßigkeit des Beschlusses ist der Zeitpunkt des Zu­ gangs des Beschlusses abzugrenzen. Der ordnungsgemäße Zugang eines Beschlusses liegt dann vor, wenn dem Betroffenen der Beschluss übermittelt und dieser in die Lage versetzt wird, davon Kenntnis zu nehmen;1066 ist dies geschehen, ist der Beschluss nach Art. 297 Abs. 2 AEUV (individuell) bekannt gegeben. Eine Bekanntgabe muss vor diesem Hintergrund in der Amtssprache des Adressaten erfolgen.1067 Da Fristen in der REACHVO, etwa die Nachbesserungsfrist des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO, wie die Widerspruchsfrist nach Art. 92 Abs. 2 REACH-VO, aber auch die Frist des Art.  263 Abs.  6 AEUV, erst mit ordnungsgemäßer Bekanntgabe ihren Lauf nehmen, führt dies dazu, dass der Gebrauch einer anderen als der Amts­sprache den Fristbeginn verhindert. Allerdings sind auch dieser Fristhemmung Grenzen gesetzt. So sieht Art. 263 Abs. 6 AEUV den Beginn der Frist nicht nur durch Bekanntgabe im Amtsblatt (Art. 263 Abs. 6 S. 2 Hs. 1. Var. AEUV) oder durch die individuelle Mitteilung (Art. 263 Abs. 6 S. 2 Hs. 2. Var. AEUV), sondern die Frist beginnt auch dann zu laufen, wenn der Kläger vom Rechtsakt auf sonstigem Weg Kenntnis erhält.1068 1066 EuGH, Urteil vom 21.2.1973 – Rs. 6/72 – Slg. 1973, 215 (Rn. 10) – Europemballage Corporation u. a./Kommission; EuGH, Urteil vom 21.2.1975 – verb. Rs. 15/73 bis 33/73, 52/73, 53/73, 57/73 bis 109/73, 116/73, 117/73, 123/73, 132/73 und 135/73 bis 137/73 – Slg. 1974, 177 (Rn. 17/19) – Roswitha Kortner, verheiratete Schots u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaft u. a.; EuG, Urteil vom 27.2.1992  – verb. Rs.  T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89  – Slg. 1992, II-315 (Rn. 59) – BASF u. a./Kommission; Gellermann, in: Streinz (Fn. 234), Art. 297 AEUV Rn. 8; Gornig/Trüe (Fn.  513), 884 (888); Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn.  110), Art.  297 AEUV Rn. 15; Schoo, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 297 AEUV Rn. 17. 1067 EuGH, Urteil vom 16.12.1975 – verb. Rs. 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 – Sgl. 1975, 1663 (Rn. 113) – Coöperatieve Vereniging „Suiker Unie“ u. a./ Kommission; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn.  110), Art.  297 AEUV Rn.  15. Parallel dazu die Rechtsprechung des EuGH für eine Veröffentlichung im Amtsblatt der EU: EuGH, Urteil vom 11.12.2007 – Rs. C-161/06 – Slg. 2007, I-10841 (Rn. 34) – Skoma-Lux/Celní ředitelství­ Olomouc. 1068 Ebenso Art. 92 Abs. 2 REACH-VO für die Zulässigkeitsfrist eines Widerspruchs: Bekanntgabe (1. Alt.), Kenntnis (2. Alt.).

236

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Da die REACH-VO keine eigene Regelung für den Zugang von Beschlüssen aufweist, wird man diese Möglichkeit des Fristbeginns – durch tatsächliche Kenntnisnahme – auch auf Fristen im Rahmen der REACH-VO übertragen können. So wird die Frist jedenfalls am Tag der tatsächlichen Kenntniserlangung beginnen. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene vom Inhalt und der Begründung des Beschlusses umfassende und genaue Kenntnis erlangt hat.1069 Gleichzeitig muss er sich aber innerhalb einer bestimmten Frist um derartige vollständige Kenntnisnahme bemühen, wenn er auf einem sonstigen Weg Kenntnis von einem ihn betreffenden Rechtsakt erhält. Der Registrant wird sich also innerhalb dieser Zeit ent­ weder bemühen müssen, den Rechtsakt in seiner Landessprache zu erhalten oder eine Übersetzung anzufertigen. Eine genaue Länge dieser Anforderungsfrist hat der EuGH nie festgelegt.1070 Strukturell handelt es sich hierbei um dieselbe Frist, wie sie auch im Rahmen der Konkurrentenklage eines Beihilfeverfahrens Anwendung findet: Auch hier muss der Wettbewerber innerhalb einer bestimmten Frist den genauen Wortlaut der Unbedenklichkeitserklärung für die Beihilfe eines Konkurrenten anfordern, um gegen diese gerichtlich vorgehen zu können.1071 In beiden Fällen liegt der Zustand vor, dass dem jeweiligen Akteur ein Schriftstück, das ihn betrifft, nicht oder nicht vollständig vorliegt und er selbst Schritte unternehmen muss, um diesen Zustand zu beseitigen. Es handelt sich um eine flexible Frist, die nicht vollkommen abstrakt bestimmt werden kann.1072 Sie bildet aber jedenfalls eine Ausschlussfrist.1073 1069 EuGH, Urteil vom 5.3.1980  – Rs.  76/79  – Slg. 1980, 665 (Rn.  7)  – Karl Könecke Fleischwarenfabrik/Kommission; EuGH, Urteil vom 5.3.1986  – Rs.  59/84  – Slg. 1986, 887 (Rn.  9 ff.)  – Tezi Textiel/Kommission; EuGH, Urteil vom 6.7.1988  – Rs.  236/86  – Slg. 1988, 3761 (Rn.  14)  – Dillinger Hüttenwerke/Kommission; EuGH, Urteil vom 6.12.1990  – Rs. C-180/88 – Slg. 1990, I-4413 (Rn. 22) – Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie/ Kommission. 1070 Cremer, in: Calliess/Ruffert (Fn. 110), Art. 263 AEUV Rn. 79. 1071 Der Unterschied zwischen beiden Fristen liegt eher in der Struktur des Verfahrens: Im einen Fall wird ein direkt sich selbst betreffendes Schriftstück, im anderen Fall ein einen an­ deren betreffendes Schriftstück angefordert. In beiden Fällen jedenfalls handelt es sich um einen Beschluss: Zur REACH-VO siehe S.  95  ff., zur Unbedenklichkeitserklärung z. B. EuG, Urteil vom 28.9.1995 – Rs. T-95/94 – Slg. 1995, II-2651 – Kommission/Sytraval; Schloh/ Hoenike, Die Anforderungsfrist bei der Konkurrentenklage im Beihilfenrecht nach Art.  173 EGV, EuZW 1997, 398 (399 Fn.  9). Spätestens seit der Entscheidung EuGH, Urteil vom 6.7.1988 – Rs. 236/86 – Slg. 1988, 3761 (Rn. 14) – Dillinger Hüttenwerke/Kommission, gilt in ständiger Rechtsprechung, dass sich derjenige, der von dem Vorliegen einer ihm betreffenden Handlung erfährt, binnen angemessener Frist ihren vollständigen Wortlaut anfordern muss, so auch in der Folgezeit EuGH, Urteil vom 5.3.1986 – Rs. 59/84 – Slg. 1986, 887 (Rn. 9 ff.) – Tezi Textiel/Kommission; EuGH, Urteil vom 6.12.1990 – Rs. C-180/88 – Slg. 1990, I-4413 (Rn. 22) – Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie/Kommission; EuGH, Urteil vom 5.3.1993 – Rs. C-102/92 – Slg. 1993, I-801 (Rn. 19) – Ferriere Acciaierie Sarde/Kommission. 1072 So zur Anforderungsfrist im Beihilfeverfahren: Schloh/Hoenike (Fn. 1071), 398 (400). 1073 Zur Anforderungsfrist im Beihilfeverfahren: Schloh/Hoenike (Fn. 1071), 398 (400). Zum Verhältnis zwischen Anforderungsfrist und Klagefrist Lasok, The European Court of Justice, 2. Aufl., 1994, S. 209; Schloh/Hoenike (Fn. 1071), 398 (401).

E. Wahl der richtigen Sprache

237

Im Rahmen der Unbedenklichkeitserklärung und den damit zugrunde liegenden Drittbeteiligungsfällen muss regelmäßig ein Ausgleich gefunden werden zwischen dem Rechtsstaatsprinzip, dass nämlich einem Drittbetroffenen ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stehen muss, um Informationen einzuholen, um gegen den Beschluss vorzugehen, und dem Gebot der Rechtssicherheit, dass ein Beihilfeempfänger ab einem bestimmten Zeitpunkt auf die Unanfechtbarkeit seiner Beihilfe vertrauen darf. Hingegen sind die primärrechtlichen Grundzüge im Rahmen der hier vorliegenden Anforderungsfrist etwas anders akzentuiert: Auch hier ist das Gebot der Rechtsstaatlichkeit zu beachten, in gleicher Ausprägung wie im ­ egistranten Rahmen der Unbedenklichkeitserklärung, allerdings bezogen auf den R selbst und nicht auf einen Dritten, dagegen steht das Gebot der Rechtssicherheit im Sinne des Vertrauens der Allgemeinheit wie der Verwaltung auf die Unanfechtbarkeit des Beschlusses. Die Literatur hält vier Wochen im Fall der falschen Sprache noch für angemessen;1074 in der Literatur zur Anforderungsfrist im Beihilferecht werden in Anlehnung an die unionelle Pflicht eines mündigen Marktbürgers, dem nach der Veröffentlichung einer Maßnahme im Amtsblatt 14 Tage als Lesefrist zugestanden werden,1075 eben diese 14 Tagen im Sinne einer allgemeinen Informationspflicht als unterste Grenze genannt.1076 Der EuGH sieht diese Frist jedenfalls bei einem Zuwarten von zwei Monaten weit überschritten.1077 Innerhalb dieser Eckpunkte wird auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden müssen: etwa auf die Internationalität des Unternehmens, die gängige Unternehmens- wie Handelsverkehrssprache, die Sprache, der sich die ECHA im Beschluss bedient; aber auch Inhalt, Länge und Komplexität der Sprache innerhalb des Beschlusses können eine Rolle spielen.

IV. Ergebnis Grundsätzlich ist die Rechtslage im Bereich der Sprachenwahl für den Vollzug der REACH-VO eindeutig: Die ECHA unterliegt der Pflicht, Registrierungsbeschlüsse in der Landessprache des Adressaten mitzuteilen. Eine Rechtswidrigkeit des Registrierungsbeschlusses ergibt sich bei einer Nichterfüllung dieser 1074

Ehricke, in: Streinz (Fn. 234), Art. 263 AEUV Rn. 36. Art. 81 § 1 VerfO-EuGH; Art. 102 § 1 Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991, ABl. EG Nr. L 136, S. 1. 1076 Schloh/Hoenike (Fn. 1071), 398 (401). 1077 Für den Fall der Anforderungsfrist einer Unbedenklichkeitserklärung: EuGH, Urteil vom 5.3.1993  – Rs.  C-102/92  – Slg. 1993, I-801 (Rn.  19)  – Ferriere Acciaierie Sarde/Kommission; dem folgend hat das EuG im Fall der Anforderungsfrist für eine Unbedenklichkeitserklärung eine Klage abgewiesen, weil zwischen „erster Kenntnis“ und Anforderung sieben Monate lagen, EuG, Urteil vom 13.12.1995 – Rs. T-109/94 – Slg. 1995, II-3007 (Rn. 28) – Windpark Groothusen/Kommission. 1075

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Pflicht allerdings nur in absoluten Ausnahmenfällen. Vielmehr findet im Regelfall eine Fristverlängerung in Bezug auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Registrierungsbeschlusses statt, in der dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden muss, Kenntnis von dessen Inhalt zu nehmen. Erst wenn diese Anforderungsfrist abgelaufen ist – dabei ist auf den konkreten Einzelfall abzustellen, gängig wird ein Zeitraum von ca. vier Wochen sein – beginnen die eigentlichen Fristen zu laufen. Auch die Guidances sind in allen Amtssprachen der EU zu veröffentlichen. Wenngleich hier die Verwaltungspraxis der ECHA in der Kritik steht (und stehen muss), lässt sich dennoch konstatieren, dass das Eigenverwaltungsrecht für diese Frage eindeutige Regelungen aufweist, die in diesem Bereich für entsprechende Rechtssicherheit sorgen. Problematisch in diesem Zusammenhang ist lediglich die exakte Länge der Frist, nach deren Ablauf der ordnungsgemäße Zugang des Schriftstückes fingiert wird. Allerdings haben die Rechtsprechung und Rechtswissenschaft grobe Leitlinien vorgegeben, welche diese Frist in handhabbarer Weise einordnen.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA: Möglichkeiten, Rechtsgrundlage und Anforderungen I. Einführung in die Problematik Wurden bislang vorrangig Rechtsinstitute analysiert, die ihre Wurzel im Verfahren selbst haben, soll aber auch das rechtliche Schicksal der Frucht des Verfahrens nicht ausgeblendet werden. Daher muss herausgearbeitet werden, wie die REACH-VO in Verbindung mit dem Eigenverwaltungsrecht die Herausforderung der Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses meistern kann. Nicht nur der actus primus, sondern auch der actus contrarius soll in diese Untersuchung einbezogen werden. Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht folglich, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen sich ein einmal getroffener Registrierungsbeschluss wieder aufheben lässt, das Registrierungsverfahren wieder rückabgewickelt werden kann. Hier fehlen im Rahmen der REACH-VO jegliche Regelungen, sodass sich sogar primär die Frage stellt, ob das allgemeine Eigenverwaltungsrecht dem Normkonzept nach überhaupt Anwendung finden kann, ob der ECHA überhaupt eine Aufhebungskompetenz zusteht (F. II.)1078.1079 1078

Siehe S. 240 ff. Godt, Rückabwicklung von Inverkehrbringensgenehmigungen und Haftung für gentechnische Produkte, NJW 2001, 1167 (1167), skizziert für die Rückabwicklung erteilter Inverkehrbringensgenehmigungen im europäischen Gentechnikrecht ein ähnliches Problem: Auch hier findet sich eine spezialgesetzliche Rücknahmeregelung weder im deutschen GenTG, der Richtlinie (EG) Nr. 18/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur 1079

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

239

Gleichzeitig ist das Problem von Möglichkeit und Voraussetzungen der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen von nicht zu unterschätzender praktischer Bedeutung: Denn wird die Registrierung eines chemischen Stoffes wieder aufgehoben, gilt der Grundsatz „ohne Daten kein Markt“ des Art.  5 REACH-VO, mit der Folge, dass dem Betroffenen Herstellung oder Inverkehrbringen dieses Stoffes verboten ist. Eine Aufhebung der Registrierung führt dann regelmäßig zu einem Produktions- oder Einfuhrstopp für den entsprechenden chemischen Stoff – „alle Räder stehen still“ – mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen für einen Hersteller oder Importeur. Insofern stellt sich aus Sicht der Adressaten der REACH-VO die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die ECHA dazu befugt ist, eine Registrierung wieder aufzuheben. Umgekehrt ist davon auszugehen, dass der ECHA früher oder später eine Registrierung vorliegt, die diese wieder aufheben möchte,1080 etwa wenn der Registrant im Registrierungsdossier, vorsätzlich oder schuldlos, unrichtige Angaben gemacht hat (F. III. 2.)1081 oder sonstige Fehler im Registrierungsverfahren geschehen sind (F. III. 3.)1082 und eine Heilung, sei es nach den Regeln des Eigenverwaltungsrechts, sei es durch die Korrekturmechanismen von REACH nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 REACH-VO oder Art. 41 Abs. 3, Abs. 4 REACH-VO, nicht gelungen ist. Die Problematik, ob und wie ein Registrierungsbeschluss aufgehoben werden kann, stellt sich allerdings nicht nur im Rahmen qualitativ dauerhaft defizitärer Registrierungen,1083 auch die Möglichkeit der Aufhebung von rechtmäßigen Registrierungsbeschlüssen (F. III. 4.)1084 wird in diesem Kapitel auf den Prüfstand gestellt werden.

Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 106, S. 1, fortan: EG-Freisetzungsrichtlinie, noch in der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten, ABl. EG Nr. L 43, S. 1. Denkbar ist somit eine Zuständigkeit der Europäischen Kommission, die der nationalen Behörden oder eine Rücknahmezuständigkeit abhängig von der jeweiligen Erlassbehörde. Godt, Rückabwicklung von Inverkehrbringensgenehmigungen und Haftung für gentechnische Produkte, NJW 2001,1167 (1168), stellt darauf ab, welche Behörde von der Regelnormkonzeption her für das Verfahren zuständig ist – in diesem Fall sind es die nationalen Behörden. 1080 Vgl. ECHA, Mehrjähriges Arbeitsprogramm 2013–2015, S.  24: „Entzug der Registrierungsnummer“. 1081 Siehe S. 267 ff. 1082 Siehe S. 308 ff. 1083 Zu diesem Begriff näher S. 268 f. 1084 Siehe S. 343 ff.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

II. Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses gehört zu den in Deutschland im Bereich des Vollzugs der REACH-VO am stärksten diskutierten Problemen.1085 Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu ermitteln, ob die REACH-VO de lege lata eine solche Rechtsgrundlage bereitstellt (F. II.  1.)1086. Daneben bedarf das „Ob“ des Eingreifens der allgemeinen Rechtsgrundsätze besonderer Aufmerksamkeit (F. II. 2.)1087. 1. Rechtsgrundlage aus der REACH-VO Zunächst ist diese Rechtsgrundlage in der REACH-VO selbst zu suchen. In Betracht zu ziehen ist zunächst die Möglichkeit einer Aufhebung von Registrierungen nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO [F. II. 1. a)]1088, sowie eine Möglichkeit einer Aufhebung im Rahmen des compliance checks [F. II. 1. b)]1089. Schließlich könnte auch Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO analog Anwendung finden [F. II. 1. c)]1090. Handelt es sich hierbei um mögliche Rechtsgrundlagen für eine Aufhebung von Beschlüssen durch die ECHA, ist auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass den nationalen Behörden die Kompetenz der Aufhebung von Beschlüssen zukommt [F. II. 1. d)]1091. a) Aufhebung von Registrierungen durch Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO im Rahmen des completeness checks durch die ECHA Eine Möglichkeit zur Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen könnte Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO bieten. Ist ein Registrierungsdossier eingereicht, das Registrierungsverfahren des Art. 20 REACH-VO begonnen, kann die ECHA unzureichende Registrierungsdossiers nach einem Nachbesserungsversuch nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 REACH-VO gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH 1085

Siehe die Nachweise in den Fn. 1133 ff. Siehe S. 240 ff. Dabei wird nach einer Rechtsgrundlage gesucht, welche der ECHA die Möglichkeit bietet, eine Registrierung auf Basis eines Registrierungsdossiers zurückzunehmen, das aufgrund von unvollständigen oder unrichtigen Angaben rechtswidrig ist. Dass eine Grundlage zur Rücknahme von allgemein rechtswidrigen Beschlüssen oder gar zum Widerruf eines rechtmäßigen Registrierungsdossiers in der REACH-VO nicht vorhanden ist, lässt sich dem Normtext ohne Weiteres negativ entnehmen. 1087 Siehe S. 248 ff. 1088 Siehe S. 240 f. 1089 Siehe S. 241 ff. 1090 Siehe S. 242 f. 1091 Siehe S. 245 f. 1086

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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VO ablehnen und so den Registrierungsvorgang beenden. Allerdings findet dieser Mechanismus lediglich bei der Neueinreichung eines Registrierungsdossiers sowie im Fall der Art. 12 Abs. 2, 22 Abs. 1 lit. c) REACH-VO Anwendung. Die ECHA kann mit diesem Mechanismus Registrierungsdossiers abweisen, die unvollständig sind. Damit signalisiert bereits der Wortlaut „abweisen“ die Untauglichkeit dieser Regelung zur Aufhebung einer Registrierung. Die ECHA erlangt lediglich die Möglichkeit zu verhindern, dass quantitativ defizitäre Registrierungsdossiers in ihren Bestand gelangen und zu einer Registrierung führen. Eine Aufhebung von bereits erfolgten Registrierungen kann jedoch aufgrund dieser Norm dem Wortlaut nach nicht erfolgen. Sobald die Registrierungsdossiers die Türschwelle des completeness checks überschritten haben, ist eine Aufhebung der Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO nicht mehr möglich, die Registrierungsdossiers haben das „Haus der ECHA“ betreten. b) Aufhebung von Registrierungen im Rahmen des compliance checks durch die ECHA Eine Prüfung von Registrierungsdossiers nach Abschluss einer Registrierung ist in den Regelungen zum compliance check, Art. 41 REACH-VO, normiert. Daraus könnte sich die Möglichkeit ergeben, dass die ECHA, wenn sich ein Registrierungsdossier als qualitativ unzureichend erweist, den zugrunde liegenden Registrierungsbeschluss nachträglich zurücknehmen kann. Wird im compliance check erkannt, dass das Registrierungsdossier qualitativ unzureichend, non-compliant, ist, ist ein Nachbesserungsverfahren nach Art.  41 Abs.  3, Abs.  4 REACH-VO vorgesehen. Die ECHA kann bei einem unrichtigen Dossier nach Art. 41 Abs. 3 REACH-VO in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 REACH-VO Informationen nachfordern. Gemäß Art. 22 Abs. 2 REACH-VO muss der Registrant dann das Dossier aktualisieren und die Agentur führt nach Art. 22 Abs.  3 S.  1 REACH-VO eine erneute Vollständigkeitsprüfung durch.1092 Dabei wird jedoch nicht auf den gesamten Art. 20 Abs. 2 REACH-VO verwiesen, sondern lediglich auf Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 und 2 REACH-VO. Damit wird gleichzeitig die Anwendung weiterer Unterabsätze des Art. 20 Abs. 2 REACH-VO, insbesondere von Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO, der die Befugnis geben würde, eine Registrierung abzulehnen, ausdrücklich ausgeschlossen.1093 1092 Zum Mechanismus des completeness checks siehe S.  73  ff., zum compliance check siehe S. 88 ff. 1093 Eine Ausnahme besteht nur für den Fall einer Aktualisierung des Registrierungsdossiers aufgrund einer Überschreitung der Mengenschwelle gemäß Art. 12 Abs. 2 REACH-VO; lediglich dann findet nach Art. 22 Abs. 3 S. 2 REACH-VO der gesamte Art. 20 Abs. 2 REACH-VO entsprechende Anwendung. Hierzu auch unten im Rahmen der Frage, ob bei einer Aktualisierung des Registrierungsdossiers der Fall eines dauerhaft defizitären Registrierungsdossiers verbunden mit der Möglichkeit der ECHA zur Aufhebung vorliegt, S. 268 f.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Die fehlende Verweisung auf Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO erscheint konsequent vor dem Wortlaut der Norm, denn diese spricht von einer Ablehnung einer Registrierung, der Registrant ist also noch nicht in die „Registrierungsphase“ eingetreten, die Schranke des Art.  5 REACH-VO noch nicht geöffnet, die Türschwelle noch nicht überschritten. Werden allerdings erst im compliance check Defizite innerhalb des Dossiers bemerkt, lässt sich die Registrierung nicht „ablehnen“, sie hat ja bereits stattgefunden, sondern lediglich „aufheben“. Der Registrant ist bereits im Haus. Ein nachträgliches Verschließen der Tür führt nicht dazu, dass er das Haus wieder verlässt. Die ECHA kann lediglich nach Art. 41 Abs. 3, 22 Abs. 3 REACH-VO immer und immer wieder neue Beschlussentwürfe erarbeiten und immer und immer wieder neue Informationen nachfordern. Innerhalb dieser Phase kann sie dem Registranten allerdings nicht verbieten, den Stoff weiterhin herzustellen oder in Verkehr zu bringen,1094 sie hat nach dem Wortlaut der REACHVO keine Befugnis, den Registrierungsbeschluss wieder aufzuheben. Damit hat die ECHA durch die REACH-VO im Rahmen des compliance checks keine Handhabe, ein  – gegebenenfalls auch nach einem oder mehreren Vervollständigungsversuchen – defizitäres Dossier aufzuheben. c) Aufhebung der Registrierung durch analoge Anwendung des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO seitens der ECHA Vor dem Hintergrund der Einschränkung des Art.  20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 REACH-VO durch den Wortlaut der Norm stellt sich aber die Frage, ob sie nicht analog auf den Fall eines qualitativ defizitären Registrierungsdossiers angewendet werden kann. In ihrer Rechtsfolge nimmt sie einem Registrierungsdossier die Möglichkeit, die Sperre des Art. 5 REACH-VO zu öffnen. Auch im Rahmen einer Aufhebung einer Registrierung muss Art. 5 REACH-VO wieder in Kraft gesetzt werden. Für die Annahme einer Analogie bedarf es einer planwidrigen Regelungslücke; diese Lücke muss durch die Anwendung der Rechtsfolge einer Norm, die dem Wortlaut nach tatbestandlich nicht unmittelbar Anwendung finden kann, allerdings wegen Gleichheit der Interessenlage ihrem Normzweck nach auch auf diesen nicht geregelten Fall passt, geschlossen werden können.1095 1094

Rehbinder, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 112), S. 35 (58). Die Nichterfüllung der Anforderungen haben somit kein Verbot der Vermarktung oder Produktion zur Folge. So auch Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 33. Der Registrant darf also den betreffenden Stoff weiterhin mit der ihm erteilten Registrierungsnummer herstellen, importieren oder auf sonstige Weise in Verkehr bringen. 1095 Dazu im deutschen Recht z. B. BGH, Urteil vom 30.11.1972 – VII ZR 239/71 – BGHZ 60, 14 (19 f.); BGH, Urteil vom 18.10.1977 – VI ZR 62/76 – BGHZ 69, 354 (359 f.); BGH, Urteil vom 28.6.1978 – IV ZR 47/77 – BGHZ 72, 85 (88 ff.); BGH, Urteil vom 23.5.1989 – VI ZR 284/88 – BGHZ 107, 325 (328 ff.); BVerwG, Urteil vom 6.5.1977 – VII A 3.75 – BVerwGE 54,

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Aber bereits das Vorliegen der Planwidrigkeit einer Regelungslücke steht infrage. Denn in Art. 22 Abs. 3 S. 1 REACH-VO werden ausdrücklich im Wortlaut nur die Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 und 2 REACH-VO für anwendbar erklärt. Dagegen, dass dabei unabsichtlich die Anwendung weiterer Unterabsätze des Art. 20 Abs. 2 REACH-VO nicht berücksichtigt wurde, spricht Art. 22 Abs. 3 S. 2 REACH-VO. Denn dort wird der gesamte Art. 20 Abs. 2 REACH-VO für anwendbar erklärt, damit auch die Normen über eine Ablehnung der Registrierung. Hier differenziert der Normgeber also deutlich zwischen zwei Konstellationen, im einen Fall erklärt er den gesamten Art. 20 Abs. 2 REACH-VO für anwendbar, für eine andere Situation nur einzelne Absätze. Bereits diese unterschiedliche Verweisungstechnik spricht dafür, dass hier bewusst Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO von der Anwendung ausgeschlossen wurde.1096 Daneben streitet auch der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACHVO gegen eine analoge Anwendung. Die Formulierung „ablehnen“ im Gegensatz zu „aufheben“ ist durchaus bewusst gewählt. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit den Fassungen anderer Mitgliedstaaten. Dort hat der Verordnungsgeber in der deutschen, wie auch zum Beispiel in der englischen1097 oder französischen1098 Fassung normiert: „Die Agentur lehnt die Registrierung ab.“ Es besteht damit bereits ein sprachlicher Unterschied zur Aufhebung einer Registrierung; sie bedeutet auch eine andere Rechtsfolge: Denn bei einer Ablehnung hat niemals eine Registrierung stattgefunden, bei der Aufhebung einer Registrierung wird eine bereits bestehende Registrierung nachträglich aufgehoben, sie kann also bereits sprachlich nicht abgelehnt werden. Vor dem Hintergrund, dass der Normgeber in keiner betrachteten sprachlichen Fassung eine etwas offenere, etwas ungenauere Formulierung gewählt hat, streitet dies für eine bewusste sprachliche und normtechnische Eingrenzung des Tatbestandes. 29 (37 f.); Engisch, Einführung in das juristische Denken, 11. Aufl., 2010, S. 247 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 1991, S. 381; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 7. Aufl., 2013, Rn. 889; hingegen will etwa Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl., 1999, Rn.  472 ff. m. w. N. auf das Erfordernis der Regelungslücke verzichten. Zur Analogie in der Rechtsprechung des EuGH Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, 2009, S. 161; beispielhaft der EuGH in EuGH, Urteil vom 23.4.1986 – Rs. 294/83 – Slg. 1986, 1339 (Rn. 24 ff.) – Les Verts/Parlament; EuGH, Urteil vom 22.5.1990 – Rs. C-70/88 – Slg. 1990, I-2041 (Rn. 26 f.) – Parlament/Rat der Europäischen Gemeinschaften. 1096 Auch die Materialen geben keinerlei Hinweise auf die Möglichkeit einer analogen Anwendung. Das Weißbuch, Europäische Kommission (Fn.  85), S.  18, enthält lediglich allgemeine Ausführungen zur Schaffung einer Registrierungspflicht. Hinweise fehlen ebenfalls im urprünglichen Entwurf der Kommission, Europäische Kommission (Fn. 96). Auch im Rahmen der Internetanhörung wie auch im gesamten Normgebungsverfahren stand die Möglichkeit einer vergleichbaren Interessenlage nicht zur Debatte. 1097 Dort: „The Agency shall reject the registration if the registrant fails to complete his registration within the deadline set.“ „reject so./sth.“ = etwas ablehnen, abschlagen, nicht annehmen, abweisen. 1098 Dort: „L’Agence refuse l’enregistrement si le déclarant ne le complète pas dans le délai fixé.“ „refuser qc.“ = etwas ablehnen, abschlagen, versagen, verweigern, zurückweisen.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Der Hintergrund für diese Differenzierung liegt in der unterschiedlichen Interessenlage der beiden Fälle. Wird eine bereits bestehende Registrierung aufgehoben, gab es eine Zeit, in der eine Registrierung bestand, das absolute Vollzugsverbot des Art. 5 REACH-VO außer Kraft gesetzt war. Diese – zumindest kurzzeitig bestehende – Registrierung kann gegebenenfalls die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens begründen. Dessen Berücksichtigung sowie der Gedanke der Rechtssicherheit fordern eine strukturell anders ausgestaltete Regelung als sie für die Ablehnung einer Registrierung nötig ist. Die Interessen von ECHA und Registranten unterscheiden sich in den Fällen einer Aufhebung und einer Ablehnung der Registrierung deutlich, es liegt jeweils eine andere Interessen- und daraus folgend andere Rechtslage vor, die Ablehnung einer Registrierung ist nicht ohne Weiteres mit der Aufhebung einer Registrierung vergleichbar. Entkräftet werden könnte dieses Argument durch Art. 22 Abs. 3 S. 2 ­REACH-VO. Denn in diesem Fall wird die Anwendung des gesamten Art. 20 REACH-VO angeordnet, die ECHA hat also in dieser Variante auch die Möglichkeit, eine bereits vorliegende Registrierung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO nicht nur abzulehnen, sondern, genauer betrachtet, aufzuheben. Aber die Ergänzung des Dossiers nach Art. 22 Abs. 1 lit. c) REACH-VO betrifft eine ganz andere Konstellation. Bei der Überschreitung eines Mengenbandes nach Art. 12 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 lit. c) REACH-VO steigen oder sinken die Anforderungen an das Dossier quantitativ, es sind – etwa bei einer Mengenerhöhung – weitere Unterlagen und Registrierungsinformationen erforderlich. Die formalen Voraussetzungen ändern sich: Betrachtet man die Registrierung als Dreiklang der Faktoren „Registrant“, „Stoff“, und „Stoffmenge“ ändert sich hier ein wesentlicher Faktor. Letztlich entspricht die Situation der Art. 12 Abs. 2, 20 Abs. 1 lit. c), 22 Abs. 3 S. 2 REACH-VO der Situation einer neuen Registrierung. Dagegen werden in anderen Buchstaben des Art. 22 Abs. 1 REACH-VO lediglich einzelne Punkte in den Registrierungsunterlagen geändert bzw. werden im Fall des Art. 41 Abs. 3, 22 Abs. 2 REACH-VO lediglich Informationen in einem bestimmten Mengenband nachgefordert, das Mengenband wird aber nicht verlassen. Der wesentliche Faktor „Menge“ bleibt gleich, der Dreiklang bleibt derselbe. Ändert sich aber die Menge und damit eine der wesentlichsten Informationen für eine Registrierung, geht es im Grunde nicht nur darum, ein altes Dossier zu ergänzen, sondern vielmehr ein neues  – gegebenenfalls ausführlicheres  – Dossier vorzulegen. Durch dieses neue Dossier verliert der Registrant seinen bisherigen Bestandsschutz und im Verfahren nach Art. 20 Abs. 2 REACH-VO kann dann gegebenenfalls diese neue Registrierung abgelehnt werden.1099 1099

Unklar bleibt allerdings, ob in diesem Fall die alte Registrierung wieder in Kraft tritt, d. h. der Stoff im darunter liegenden Mengenband weiterhin hergestellt oder in Verkehr gebracht werden darf. Dafür dürfte sprechen, dass die ECHA nach Art. 22 Abs. 3 S. 2 REACH-VO lediglich die Vollständigkeit der vom Registranten (neu) eingereichten Informationen prüft. Durch

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Art. 22 Abs. 3 S. 2 REACH-VO betrifft also eine andere Interessenlage; es handelt sich um Fälle, in denen die Informationsanforderungen steigen, weil der Stoff in größerer Menge hergestellt wird. Der Sache nach wird ein neues Registrierungsdossier eingereicht. Art. 22 Abs. 3 S. 2 REACH-VO ist daher nicht als Argument tauglich, um eine analoge Anwendung von Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACHVO auf die Fälle von unzureichenden Dossiers im Rahmen des compliance checks zu legitimieren. Insgesamt bietet sich daher kein Raum, Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACHVO analog anzuwenden, um über diesen Hebel defizitäre Registrierungsdossiers aufzuheben.1100 d) Aufhebung von Registrierungen durch nationale Behörden Möglicherweise könnte aber den nationalen Behörden eine Möglichkeit zur Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen zur Verfügung stehen. Sie sind neben der ECHA ebenfalls in den Vollzug der REACH-VO eingebunden, allerdings in einem deutlich geringeren Maße als im alten Chemikalienrecht.1101 Neben den Pflichten, den von der REACH-VO betroffenen Unternehmen durch Einrichtung eines Helpdesks Hilfestellung zu bieten1102 und die Öffentlichkeit über Chemikalienrisiken zu informieren aus Art.  123 REACH-VO, sowie der Einbindung im Rahmen der Stoffbewertung nach Art.  44 ff. REACH-VO, besteht ihre Haupt­aufgabe darin, die Durchsetzung der Verordnung zu gewährleisten gemäß Art. 125 f. REACH-VO. Insofern greifen Mitgliedstaaten in den Registrierungsprozess ein, indem sie flankierend nach Art.  126 REACH-VO Sanktionen für Verstöße gegen die REACH-VO festlegen. Hat der betroffene Registrant ein Registrierungsdossier abgegeben, das quantitativ oder qualitativ defizitär ist, hat er seine Pflichten im Rahmen der REACH-VO verletzt. Denn diese fordert die Vollständigkeit und die Richtigkeit der vom Registranten eingereichten Registrierungsdossiers. Als wirksame, angemessene und abschreckende Sanktion1103 im Sinne des Art.  126 REACH-VO könnte dann eine Rücknahme der Registrierung erfolgen. Damit diesen Bezug auf die Aktualisierung des Registrierungsdossiers ergibt sich, dass lediglich die Aktualisierung abgelehnt werden kann, die ursprüngliche Registrierung allerdings in Kraft bleibt. 1100 So im Ergebnis auch Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 33; von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 16 Fn. 24. 1101 Zu den Aufgaben der nationalen Behörden im damaligen Rechtsregime Hansmann (Fn. 25), S. 39 ff. 1102 Erwägungsgrund (39) der REACH-VO. 1103 Zu diesen Begriffen auch Faure, Effective, proportional and dissuasive penalties in the implementation of the environmental crime and ship-source pollution directives, European Energy and Environmental Law Review 2010, 256 ff.

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wäre sicherlich die Bedingung des Art.  126 REACH-VO erfüllt, dies wäre eine sehr wirksame Sanktion, denn damit gilt wieder das absolute Vollzugsverbot des Art. 5 REACH-VO; Hersteller müssten ihre Produktion einstellen, Importeure die Einfuhr bzw. das Inverkehrbringen des chemischen Stoffes. aa) § 27b Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ChemG als Rechtsgrundlage Im deutschen Umweltrecht enthält das Chemikaliengesetz den Straftatbestand des § 27b ChemG. Dort finden sich auch Sanktionen für Fälle, dass Stoffe ohne Registrierung auf den Markt gebracht (§ 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG) oder in einem Registrierungsdossier unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden (§ 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG). Als Sanktionen werden eine Geldbuße, eine Geldoder eine Freiheitsstrafe festgelegt. Dieser Befund mag auf den ersten Blick überraschen, allerdings ergibt sich aus einem Seitenblick auf die Sanktionsregelungen der Mitgliedstaaten in anderen Ländern dasselbe Bild. Angeordnet werden lediglich Geldzahlungen oder Freiheitsstrafen, die Befugnis für nationale Behörden, eine Registrierung aufzuheben, findet sich nicht.1104 bb) Art. 129 REACH-VO bzw. § 23 Abs. 1, 1a ChemG als Rechtsgrundlage Daneben steht den Mitgliedstaaten aufgrund der Schutzklausel des Art.  129 REACH-VO die Möglichkeit offen, vorläufige Maßnahmen zu treffen, um die menschliche Gesundheit oder die Umwelt vor Gefahren eines Stoffes zu schützen. Eine solche vorläufige Maßnahme könnte etwa das Verbot der Herstellung oder des Inverkehrbringens eines chemischen Stoffes sein.1105 Die entsprechende Ermächtigungsgrundlage für deutsche Behörden findet sich in § 23 Abs. 1, 1a ChemG. Diese Norm enthält die Befugnis für behördliche Anordnungen, festgestellte oder künftige Verstöße gegen die REACH-VO zu beseitigen oder zu verhindern. Nach § 23 Abs. 1a ChemG kann die Behörde die von der Anordnung betroffene Arbeit, etwa die Herstellung oder das Inverkehrbringen des Stoffes, ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnung untersagen. Allerdings ist dies lediglich dann möglich, wenn die Untersagung zum Schutz von Leben und Gesundheit von Beschäftigten erforderlich ist, was vermutlich in der Praxis des § 23 Abs. 1a ChemG selten vorkommen und den Anwendungsbereich dieser Regelung also deutlich einschränken

1104 Vgl. Milieu, Report on penalties applicable for infringement of the provisions of the REACH Regulation in the Member States. Belgien hatte sogar die entsprechende Verpflichtung nicht fristgerecht umgesetzt, EuGH, Urteil vom 5.5.2011 – C-265/10 – Slg. 2011, I-68* – Kommission/Königreich Belgien. 1105 So das Beispiel bei Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  129 REACH-VO Rn. 35.

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wird.1106 Erlassen werden können stoffbezogene Maßnahmen.1107 Eine Befugnis, Registrierungen aufzuheben, ist dort nicht normiert.1108 Die Maßnahme eines (vorläufigen) Herstellungsverbots hat zwar im Ergebnis denselben Effekt wie der Entzug einer Registrierung, geht aber von einem anderen Ansatzpunkt aus. Sowohl Art. 129 REACH-VO als auch daraus folgend § 23 Abs. 1, 1a ChemG geben folglich den Mitgliedstaaten bzw. deren Behörden keine Handhabe, Registrierungen aufzuheben.1109 cc) Schlussfolgerungen und Einordnung in das Rechtssystem Das nationale Recht normiert also keine (Sanktions)Befugnis für nationale Behörden, einen Registrierungsbeschluss der ECHA aufzuheben. Generell gilt das allgemeine Rechtsprinzip, dass Beschlüsse, die von einem (zuständigen) Organ getroffen werden, grundsätzlich auch lediglich von diesem angetastet oder aufgehoben werden dürfen, es sei denn, eine solche abweichendende Befugnis ist ausdrücklich vorgesehen.1110 Vor dem Hintergrund des Vorrangs des Unionsrechts dürfen nationale Behörden einen Beschluss der ECHA, einer EU-Behörde, nicht aufheben. Die Aufhebungskompetenz steht dem Organ zu, das den Rechtsakt erlassen hat; es ist einem Träger nationaler Hoheitsgewalt nicht möglich, einen Rechtsakt des EU-Rechts aufzuheben.1111 Der Geltungsbereich der europarechtlichen Regelung darf durch nationale Behörden nicht tangiert werden.1112 So ist auch eine Verkürzung oder Verlängerung der Nachforderungsfrist des Art.  41

1106 von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 40, insbesondere Fn 64. 1107 Groß, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 129 REACH-VO Rn. 16; so auch Rehbinder, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 112), S. 38 (58) noch zum Entwurf der REACH-VO: „Die Nichterfüllung der Anforderungen durch den Registranten führt aber nicht unmittelbar zu einem Verbot der weiteren Produktion oder Vermarktung, sondern kann nach dem System der Verordnung nur eine Stoffbeschränkung nach Art. 68 REACH-VO auslösen. Die Mitglied­ staaten können ggf. vorläufige Maßnahmen nach Art. 129 REACH-VO treffen.“ 1108 Vgl. Scheidmann (Fn. 457), Folie 10 zu möglichen Maßnahmen nach § 23 Abs. 1 ChemG. 1109 von Holleben/Scheidmann (Fn. 96), 16 (19 f.). 1110 Haratsch, Zur Dogmatik von Rücknahme und Widerruf von Rechtsakten der Europäischen Union, EuR 1998, 387 (393); Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, 1997, S.  116 f.; Linke, Europäisches internationales Verwaltungsrecht, 2001, S. 249. 1111 Erichsen/Buchwald, Die Aufhebung von gemeinschaftserheblichen Einzelfallentscheidungen durch Organe der EG und deutsche Behörden, Jura 1995, 84 (85); Fischer, in: Fluck/ Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 40; Haratsch (Fn. 1110), 387 (393); Hatje (Fn. 242), S. 85 f.; von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn.  40; Krämer, Die Aufhebung bzw. Nichtanwendung administrativer Entscheidungen von Gemeinschaftsorganen durch mitgliedstaatliche Stellen  – insbesondere: Zur Rechtslage im Gemeinschaftsmarkenrecht, EuR 2007, 207 (214 ff.); Linke (Fn. 1110), S. 249. 1112 Haratsch (Fn. 1110), 387 (393).

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Abs.  3 REACH-VO durch die Überwachungsbehörde nicht möglich.1113 In den Rechtskreis der ECHA darf die nationale Behörde nicht eindringen. Daher darf weder eine nationale Behörde noch ein nationales Gericht eine verbindliche Feststellung treffen, dass eine Registrierung unwirksam ist.1114 Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO zeigt, dass die ECHA die Hoheit darüber hat, eine Registrierung anzuerkennen, vor allem aber auch abzulehnen oder wieder aufzuheben.1115 Daraus ergibt sich aber auch, dass Mitgliedstaaten wie auch deren Behörden keine Handhabe haben, Registrierungen aufzuheben; ihnen steht lediglich die Möglichkeit zur flankierenden Sanktion oder zum Erlass vorläufiger stoffbezogener Maßnahmen zu. e) Zwischenergebnis Folglich hat die ECHA keine Handhabe aus der REACH-VO, einen einmal getroffenen Registrierungsbeschluss aufzuheben. Ebenso wenig steht diese Befugnis den mit der Durchsetzung der REACH-VO betrauten nationalen Behörden zu. 2. Rechtsgrundlage aus den ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Eigenverwaltungsrechts Insofern ist auch hier auf das ungeschriebene allgemeine Eigenverwaltungsrecht zurückzugreifen. Dabei stellt sich zum einen die Frage, ob es für diesen Fall Rechtsgrundsätze aufweist [F. II. 2. a)]1116, zum anderen, ob sie im Rahmen der REACH-VO Anwendung finden können [F. II. 2. b)]1117.

1113

ECHA (Fn. 353), S. 17. von Holleben in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 20, der aber die Möglichkeit einer rechtlichen Inexistenz der Registrierung bei Falschangaben anspricht. Doch auch dafür bietet der von ihm ins Feld geführte § 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG keine Grundlage, eine Ermächtigungsnorm fehlt. Allgemein zur Möglichkeit der rechtlichen Inexistenz bei Registrierungsbeschlüssen im Fall von Falschangaben im Registrierungsdossier siehe S. 164 f. 1115 Kritisch zur Konstruktion einer solchen „Kehrseitenkompetenz“ Groß, Die Produktzulassung von Novel Food, 2001, S. 412 f., der darin einen extrem weitläufigen Spielraum der Kommission sieht. Er verkennt aber dabei, dass die Regelungen zur Aufhebung von Beschlüssen bereits stark ausdifferenziert sind, sodass nicht die Rede sein kann, dass hier eine Befugnis der Kommission „ohne weitergehende, differenzierende und normativ verankerte Ausgestaltung von freihheitssichernden und rechtsstaatlichen Vorgaben“ (Groß, Die Produktzulassung von Novel Food, 2001, S. 412) Anwendung findet. 1116 Siehe S. 248 ff. 1117 Siehe S. 250 ff. 1114

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a) Herleitung und Ursprung der Rechtsgrundsätze zur Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen Die Frage, ob ein begünstigender Beschluss, ein Registrierungsbeschluss, zurückgenommen werden kann, auch wenn hierzu keine anwendbaren geschriebenen Regelungen vorliegen, hat den EuGH bereits zu Beginn seiner Tätigkeit im Rahmen seiner Entscheidung in der Rechtssache Algera1118 vom 12.7.1957 beschäftigt. Ausgangspunkt für die Ausführungen des EuGH stellt das Rechtsverweigerungsverbot dar. Zunächst führte der Gerichtshof aus, dass das Problem der Zulässigkeit der Aufhebung von Beschlüssen, „eine der Rechtsprechung und Lehre in allen Ländern der Gemeinschaft wohlvertraute verwaltungsrechtliche Frage“ sei, „für deren Lösung der Vertrag jedoch keine Vorschriften enthält“1119. Dies bedeute jedoch nicht per se, dass eine solche Aufhebung nicht möglich sei, vielmehr sei es geboten, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, „um sich nicht dem Vorwurf einer Rechtsverweigerung1120 auszusetzen“, der Gerichtshof müsse also entscheiden, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen die Aufhebung eines Beschlusses eines EU-Organs möglich sei. Um auf diesen Fall anwendbares Recht zu erhalten, die Lücke in der Rechtsordnung des Eigenverwaltungsrechts zu schließen, unternahm der EuGH allerdings keinen Versuch, über das (geschriebene) Sekundärrecht zu einer Lösung zu gelangen,1121 sondern führte eine rechtsvergleichende Untersuchung des Rechts aller sechs (damaligen) Mitgliedstaaten der EGKS durch. Bereits im Rahmen dieser Untersuchung differenzierte der EuGH zwischen der Aufhebung rechtmäßiger und rechtswidriger Beschlüsse und legte damit eine erste grundlegende Differenzierung für die Aufhebung von Beschlüssen im Eigenverwaltungsrecht fest.1122 Hinsichtlich der Frage, ob rechtswidrige Beschlüsse zurückgenommen werden können, kam der EuGH zum Ergebnis, dass nach dem Recht aller Mitgliedstaaten die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts zulässig sei, und destillierte damit aus dem Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten ein Verwaltungsrecht der Union. Er übernahm den Grundsatz, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen

1118 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1119 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (118)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1120 Das Verbot der Rechtsverweigerung besagt, dass sich der Richter verpflichtet, auf jede ihm gestellte rechtliche Frage auch eine Antwort zu geben, gerade und insbesondere dann, wenn sie dem positiven Recht nicht zu entnehmen ist. Der Bürger muss sich sicher sein können, dass sein Recht durch den Richter bestätigt oder zumindest nachgeprüft wird, so Rüber (Fn. 536), S. 192. 1121 Zur Fruchtlosigkeit eines derartigen Unterfangens in der Gegenwart in Bezug auf die Aufhebung von Beschlüssen, Glaser (Fn. 234), S. 427; Lübbig (Fn. 482), 233 (234 ff.). 1122 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (118)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung.

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Beschlusses zulässig sei, aus den nationalen Verwaltungsrechtsordnungen in das Eigenverwaltungsrecht.1123 Dogmatisch beruht das aufgrund dieser Entscheidung entstandene System auf dem Ineinklangbringen zweier Elemente, der Rechtssicherheit und dem damit verbundenen Vertrauensschutz1124 sowie dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.1125 Auch für die Beantwortung der Frage, ob rechtmäßige Beschlüsse wider­rufen werden können, legte der EuGH die Rechtsordnung der sechs damaligen Mitgliedstaaten aus1126 und kam zum Ergebnis, dass nach allen Rechtsordnungen ein rechtmäßiger, subjektive Rechte verleihender Verwaltungsakt grundsätzlich nicht mehr widerrufen werden kann.1127 Denn in diesem Fall überwiege regelmäßig die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz gegenüber dem Interesse der Verwaltungsbehörde an der Rückgängigmachung des Beschlusses.1128 Damit erarbeitet der EuGH zwei allgemeine Prinzipien, zwei Grundsätze des Unionsrechts: Die Unwiderrufbarkeit rechtmäßiger Beschlüsse einerseits und die Rücknehmbarkeit rechtswidriger Beschlüsse andererseits.1129 Eine Aufhebung von 1123 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1124 Hatje, in: Schwarze (Fn. 587), S. 223 (224); Müller (Fn. 239), S. 139. Der EuGH verknüpft dabei deutsche und französische Einflüsse. Wird ein rechtswidriger Beschluss aufgehoben, legt das französische Recht das objektive Prinzip der Rechtssicherheit, Crones (Fn. 576), S. 103, das deutsche Recht das subjektive Prinzip des Vertrauensschutzes, Hatje, in: Schwarze (Fn. 587), S. 223 (224), als Maßstab an. 1125 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 (118) – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (550) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 13.7.1965 – Rs. 111/63 – Slg. 1965, 893 (911) – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 24.2.2002 – Rs. C-500/99 P – Slg. 2002, I-867 (Rn. 90) – Conserve Italia/ Kommission; EuG, Urteil vom 5.3.2003 – Rs. T-293/01 – Slg. 2003, II-441 (Rn. 91) – Donatella Ineichein/Kommission; Grabitz (Fn. 512), 1776 (1779); Haratsch (Fn. 1110), 387 (389); Hegels (Fn. 234), S. 96; Schroeder (Fn. 378), S. 124; Triantafyllou (Fn. 239), 436 (437). 1126 Vgl. dazu den Überblick bei Däubler (Fn. 378), 1646 (1650). 1127 Siehe S. 343 ff. 1128 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (118)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1129 Terminologisch ist dabei zu beachten, dass sich erst seit kurzem eine einheitliche Begriffswahl, ähnlich dem deutschen Verwaltungsrecht, durchsetzt. So verweist Art. 106 Abs. 2 EG-Sortenschutzverordnung unter Verwendung der Begriffe „Rücknahme und Widerruf“ auf Art. 20 und Art. 21 derselben Verordnung – dort werden die Begriffe „Nichtigkeitserklärung“ und „Aufhebung“ verwendet. Ähnliches findet sich in den früheren Jahren der Rechtsprechung des EuGH (besonders deutlich in EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (172) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/ Hohe Behörde: „[…] die Verweigerung des Widerrufs der Freistellungen sei deshalb gerechtfertigt, weil deren etwaige Rücknahme ohne Interesse wäre […]“). In neuerer Zeit, etwa seit 1980, werden die Begriffe aber der Terminologie des deutschen Rechts angeglichen verwendet, von Danwitz (Fn. 24), S. 396; Däubler (Fn. 378), 1646 (1647); Erichsen/Buchwald (Fn. 1111),

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Beschlüssen im Eigenverwaltungsrecht1130 ist somit auf Grundlage der ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts grundsätzlich möglich. b) Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundsätze neben den Regelungen der REACH-VO Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Rechtsgrundsätze neben der REACHVO überhaupt Anwendung finden können. So ist eine Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses weder direkt im Wortlaut der REACH-VO verankert, noch kann sie sich über den Weg einer Analogie ergeben.1131 Dieser Umstand könnte das Ergebnis nahelegen, dass die REACH-VO die (Nicht-)Aufhebbarkeit von Registrierungsbeschlüssen bewusst abschließend regelt1132 – die Möglichkeit einer Aufhebung hat weder in den Materialien noch im Verordnungswortlaut ihren Niederschlag gefunden. Eine Aufhebung sei somit nicht vorgesehen. Diesen Befund gilt es als möglichen Willen des Normgebers ernst zu nehmen. In der Tat verlangt Führ, der prinzipiell Möglichkeiten sieht, Registrierungsbeschlüsse der ECHA aufzuheben, eine Klarstellung im Normtext der REACH-VO.1133 Dem schließt sich auch 84 (85); sowie Haratsch (Fn. 1110), 387 (390), der verteidigend darauf verweist, dass diese Terminologie im deutschen Recht auch lediglich im Bereich des Verwaltungsrechts einheitlich gebraucht wird, eine ähnliche Differenzierung existiert allerdings bei verfassungswidrigen und verfassungsmäßigen Gesetzen nicht. Zu konstatieren ist jedoch, dass auch die genannten Normen und Entscheidungen gerade nicht Beispiele für eine Aufhebung von Gesetzen, sondern für die Aufhebung von Verwaltungsakten sind, mithin aus dem Bereich des Verwaltungsrechts stammen. Andererseits geht die deutsche Kritik an der Terminologie des EuGH teilweise zu weit; wenn etwa Emmert, Europarecht, 3. Aufl., 1996, § 12 Rn. 27, feststellt, dass der EuGH nicht zwischen Rücknahme und Widerruf unterscheidet, wenn er Rechtsakte anderer Unionsorgane auf dem Klageweg aufhebt, übersieht er, dass selbst in Deutschland in dieser Konstellation diese beiden Begriffe fehl verwendet wären, da sie diese Konstellation nicht betreffen. 1130 Wiewohl der EuGH diese Grundsätze ausschließlich im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Beschlusses, der an eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts gerichtet war, angewendet hat, wird eine Anwendung auch für den Fall eines Beschlusses diskutiert, der sich an einen Mitgliedstaat richtet, Bockey (Fn.  429), S.  123; Erichsen/Buchwald (Fn. 1111), 84 (85); Oppermann/Classen/Nettesheim (Fn. 244), § 12 Rn. 16; Schroeder (Fn. 378), S. 119. 1131 Siehe S. 240 ff. 1132 In diese Richtung wohl European Environmental Bureau/Client Earth (Fn. 314), S. 11. 1133 Führ, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 93), S. 87 (124 f.), mit Entwurf eines neuen Art.  42 Abs.  1 UAbs. 2 REACH-VO sowie entsprechendem Erwägungsgrund. Dieser neue Unterabsatz 2 sieht in zwei Fällen die Erstellung eines Beschlussentwurfs nach den Verfahren der Art. 50 und 51 REACH-VO zur Aufhebung der Registrierung vor: Im ersten Fall soll die Nichtvorlage von angeforderten Informationen aufgrund von Gründen, die der Registrant zu vertreten hat, sanktioniert werden, im zweiten Fall soll sanktioniert werden, dass die vorgelegten Informationen so unbestimmt sind, dass sich aus ihnen die Risiken, die mit der Herstellung und Anwendung des Stoffes verbunden sind, nicht entnehmen und demzufolge nicht begrenzen lassen. Der Regelungsvorschlag wurde von Führ einmal als „Soll“- und einmal als „Kann“-Regelung ausgestaltet. Auch von Holleben (Fn. 749), Folie 17, sieht gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Ingerowski an, der fordert, dass in der REACH-VO geregelt werden müsse, dass die Einreichung fehlerhafter Daten eine Vermarktungssperre in Gang setzt; de lege lata gebe es derzeit aber keine Möglichkeit, mit einem Vermarktungshemmnis die Fehlerhaftigkeit einer Registrierung zu sanktionieren.1134 Auch von Holleben sieht die Möglichkeiten der Aufhebung einer Registrierung durch die ECHA kritisch.1135 Aufgrund dieser Vorbehalte in der Literatur1136 muss ein besonderes Augenmerk der Frage gelten, ob der Normgeber der REACH-VO tatsächlich davon ausgehen wollte, dass eine Registrierung grundsätzlich ewige Bestandskraft genießt. Dabei ist zu differenzieren: Bereits oben wurde festgestellt, dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts zum einen generell existieren und Teil des europäischen Eigenverwaltungsrechts sind1137 und zum anderen auch Regelungen für die Aufhebung von Beschlüssen bereithalten1138. Die grundsätzliche Frage nach einer möglichen Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines Beschlusses im allgemeinen Eigenverwaltungsrecht ist somit als geklärt anzusehen. Zu klären ist allerdings noch, ob diese Rechtsgrundlage gerade im Rahmen der REACH-VO Anwendung finden kann, ob sie nicht in diesem Punkt abgeschlossen ist. Wurde also oben dargestellt, dass die REACH-VO keine Aufhebungsregeln bereithält,1139 stellt sich nun die Frage, ob dies mit der Absicht geschehen ist, die Unaufhebbarkeit der Registrierungen zu konstatieren. So verdrängen nicht nur ausdrücklich normierte Aufhebungsvorschriften die Anwendung dieser all-

1134 Ingerowski (Fn. 3), S. 356 f., der bemerkt, dass eine solche Forderung wurde im Übrigen bereits für den Fall der fehlerhaften Einstufung/Kennzeichnung aufgestellt wurde. 1135 von Holleben stellt die Vorschläge von Führ und Fischer erkennbar zurückhaltend dar, vor allem konstatiert er daraufhin: „Es ist aber durchaus die Frage zu stellen, ob daraus zwingend die Befugnis der Agentur folgt, bei einem Fehlschlag der Nachbesserung die Registrierung aufzuheben oder für ungültig zu erklären“, von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 18. Der Sache nach befürchtet er wohl eine finale juristische Subsumtion, die die „befriedigendste“, nicht aber die im Gesetz angelegte Lösung sucht, vgl. von ­Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 19 f. Während am Ende der kausalen Subsumtion ein bestimmtes Ergebnis steht, weil das geltende Recht dieses verlangt, wird im Rahmen der finalen Subsumtion das Gesetz auf eine Weise ausgelegt, damit ein bestimmtes Ergebnis am Ende steht. Es handelt sich folglich weniger um eine Kausalität als eine Finalität zwischen Ergebnis und Begründung. So entsteht eine Entscheidungsstruktur nach dem Prinzip des „Was nicht sein kann, das darf nicht sein!“ ohne das Gesetz als letztlich entscheidendes Element mit zu berücksichtigen. Ein solches Vorgehen mag rechtlich mög­ licherweise zulässig sein, ist ethisch jedoch verwerfbar: Scheuerle sieht den Rechtsanwender als „Widerstandskämpfer“, der sich mit Tricks und Schleichwegen dem geltenden Recht entgegenstemmt. Ausführlich Scheuerle, Finale Subsumtionen, AcP 167 (1967), 305 (342). 1136 Anders etwa Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 33, der die Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen durch die ECHA auch de lege lata für möglich erachtet. 1137 Siehe S. 144 ff. 1138 Siehe S. 248 ff. 1139 Siehe S. 240 ff.

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gemeinen Rechtsgrundsätze, auch eine bewusste Nichtregelung der Aufhebung sperrt deren Anwendung.1140 Ergibt also eine Analyse der REACH-VO, dass die Nichtanwendung von Aufhebungsvorschriften dort vorgesehen ist, können die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht zur Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen dienen. Nachdem bereits1141 festgestellt wurde, dass eine Auslegung des Wortlauts der REACH-VO an ihre Grenzen stößt, ist zur Beantwortung dieser Frage auf die weiteren Auslegungsmethoden zurückzugreifen. Zunächst soll geklärt werden, ob eine bewusste Nichtregelung im Sinne einer Verneinung der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen erfolgt ist [F. II. 2. b) aa)]1142. Damit verbindet sich die Frage, inwiefern eine Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen dem Willen des Norm­ urhebers entspricht [F. II. 2. b) bb)]1143. Entscheidend ist aber, ob eine Auslegung der REACH-VO, nach der eine Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen nicht vorgesehen ist, vor dem Hintergrund des effet utile Bestand hat [F. II. 2. b) cc)]1144. aa) Keine bewusste Nichtregelung in der REACH-VO zur Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen Angesichts der Tatsache, dass die REACH-VO dem Wortlaut nach keine Regelungen zur Aufhebung von Registrierungen vorhält und auch eine analoge Anwendung der Regelungen zur Ablehnung von Registrierungen ausscheidet1145, stellt sich zunächst die Frage, ob die REACH-VO in dieser Hinsicht bewusst abschließend ist. Wurde bewusst auf eine Regelung zur Aufhebung von Registrierungen verzichtet, weil eine solche nicht stattfinden soll? Diese Frage könnte man prima facie bejahen, denn immerhin sieht die REACH-VO die Möglichkeit vor, dass Registrierungen unter Umständen fehlerbehaftet sein können. Zu diesem Zweck sind Überprüfungs- und Korrekturregelungen in Art. 20 und Art. 41 REACH-VO vorgesehen bzw. eine Möglichkeit, dass ein Registrant freiwillig seine Registrierung niederlegt nach Art. 50 Abs. 2 und Abs. 3 REACH-VO. Regelungen zur Aufhebung von Beschlüssen fehlen hingegen. Umgekehrt ist es der REACH-VO nicht völlig fremd, einmal erlassene Rechtsakte wieder aufzuheben: So findet sich in Art. 61 Abs. 1 S. 1 REACH-VO die Befugnis für die Europäische Kommission, eine einmal erlassene Zulassung zu widerrufen.

1140

EuGH, Urteil vom 24.2.2002 – Rs. C-500/99 P – Slg. 2002, I-867 (Rn. 90) – Conserve Italia/Kommission; GA Alber, Schlussanträge vom 12.7.2001 zu Rs. C-500/99 P – Slg. 2002, 875 (Rn. 88 f.) (573) – Conserve Italia/Kommission; Schroeder (Fn. 378), S. 119 f.; Schwarze (Fn. 233), S. 979. 1141 Siehe S. 240 ff. 1142 Siehe S. 253 ff. 1143 Siehe S. 256 f. 1144 Siehe S. 256 ff. 1145 Siehe S. 240 ff.

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Dieser Befund wird dadurch nochmals verstärkt, dass für die Ablehnung von Registrierungen durchaus Regelungen vorgehalten werden, für die Aufhebung von Registrierungen fehlen diese Regelungen hingegen. Der Normgeber kann hier durch Schweigen eine Aussage getroffen haben. So sehen auch weder die Erwägungsgründe noch die Materialien im Normgebungsverfahren Hinweise auf die Frage, ob ein Registrierungsbeschluss durch die ECHA aufgehoben werden können soll, vor.1146 Dies mag man noch nicht unmittelbar als Willen des europäischen Normgebers deuten, dass eine Registrierung nie aufgehoben werden kann – denn auch in dieser Hinsicht fehlen entsprechende Angaben. Beachtenswert ist aber, dass weder der Guidance on Registration1147 noch der Guidance on Evaluation1148 die Möglichkeit der Aufhebung einer Registrierung durch die ECHA ansprechen. Die ECHA ist also in diesem Punkt selbst ohne Leitlinien. Wenn aber bereits die dafür zuständige Behörde nicht weiß, ob und gegebenenfalls wie die Registrierungsbeschlüsse aufzuheben sind, zumindest hierfür keinerlei Leitlinien vorhält, spricht einiges dafür, dass eine Aufhebung auch nicht erfolgen kann.1149 Die REACH-VO sieht nach dieser Argumentation abschließend lediglich die Nachbesserung eines Registrierungsdossiers, nicht aber dessen Aufhebung vor. Dieses Ergebnis vermag jedoch nur auf den ersten Blick zu überzeugen. Denn eine Nichterwähnung der Möglichkeit der Aufhebung in Materialien wie im Normtext kann nur dann zum Ergebnis führen, dass eine Aufhebung nicht möglich ist, wenn neben der Verordnung keine weiteren Möglichkeiten für eine Aufhebung existieren. Denn eine Nichterwähnung bedeutet keinen bewussten Ausschluss von weiteren neben der REACH-VO existierenden Rechtsgrundsätzen. Das hieße, die Bedeutung dieser Beobachtung zu überdehnen. Es lässt sich vielmehr lediglich feststellen, dass die REACH-VO eine solche Möglichkeit nicht ausdrücklich behandelt. Umgekehrt bedeutet dies aber noch nicht, dass die ­REACH-VO gleichzeitig die Anwendbarkeit anderer, neben der REACH-VO existierender Rechtsgrundsätze sperrt. Sie erwähnt sie nicht, sperrt sie somit nicht ausdrücklich. Eine 1146 Das Weißbuch, Europäische Kommission (Fn.  85), enthält lediglich das Element der Registrierung durch das Einreichen eines Registrierungsdossiers. Möglichkeiten, auf unzureichende Dossiers zu reagieren, fehlen, S. 18. Hinweise fehlen ebenfalls im ursprünglichen Entwurf der Kommission, Europäische Kommission (Fn. 96). Auch im Rahmen der Internet­ anhörung wie auch im gesamten Normsetzungsverfahren beschäftigte man sich nicht mit dieser Frage, von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 18. 1147 ECHA (Fn. 288). 1148 ECHA (Fn. 353). 1149 In diese Richtung argumentiert von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art. 41 REACH-VO Rn. 18. Diese Argumentation kann jedoch spätestens, nachdem die ECHA Registrierungsbeschlüsse wegen Falschangaben in Bezug auf die Unternehmensgröße zurückgenommen hat, ECHA (Fn.  751), kaum Bestand haben  – offensichtlich hat die ECHA zu­ mindest behördeninterne Vorgaben und Leitlinien. Bemerkenswert ist aber, dass diese  – im Gegensatz zu den Guidances  – nicht veröffentlicht sind, auch die Guidances darauf keinen Bezug nehmen.

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solche ausdrückliche Sperre hätte allerdings im Normdesign vorgesehen werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen: Denn bereits oben1150 wurde herausgearbeitet, dass das Eigenverwaltungsrecht Normen für die Aufhebung von Beschlüssen vorhält  – seit mehr als 50 Jahren. Sowohl im von der Europäischen Kommission 2001 vorgelegten Weißbuch „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ wie auch im darauf aufbauenden ersten Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2003 waren bereits zentrale Elemente der heutige REACH-VO enthalten, wie das System einer Anmeldung und Bewertung für chemische Stoffe1151 und die Einrichtung einer zentralen Stelle auf Unionsebene1152. Die Europäische Kommission  – die bereits mehrfach auf die Normen zur Aufhebung von Beschlüssen zurückgegriffen hat – ist also Urheber der Rechtsfigur der Registrierung im Rahmen des REACHSystems einerseits und der Einrichtung einer zentralen Stelle auf Unionsebene, bei der die Registrierung erfolgen soll, andererseits. In dem Bewusstsein, dass das Eigenverwaltungsrecht in Gestalt der ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze der ECHA Werkzeuge in die Hand gibt, Registrierungen wieder aufzuheben, nicht im Normtext festzuschreiben, dass diese keine Anwendung finden sollen, deutet auf ein absichtsvolles Handeln hin. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Eigenverwaltungsrecht Möglichkeiten zur Aufhebung von Beschlüssen fraglos bietet, spricht das Schweigen der Verordnung dafür, dass eine Aufhebung möglich sein muss, diese Rechtsgrundsätze hier Anwendung finden können müssen. Denn die Existenz dieser Rechtsgrundsätze ist unbestritten, ihre Nichtanwendbarkeit hätte dann aber im Rahmen des REACH-Systems nach ausdrücklicher Erwähnung verlangt. Des Weiteren erscheint es zwar auffällig, dass die REACH-VO im Gegensatz zu anderen Sekundärrechtsakten keine geschriebenen Regelungen für die Aufhebung von Beschlüssen im Rahmen der Registrierung vorhält – gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass dies zwar eine Ausnahme, allerdings nicht ungewöhnlich ist, denn ansonsten wären die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts mangels Bedarf gar nicht erst entstanden. Schließlich kann das Argument, dass die REACH-VO als Korrekturmechanismus für Registrierungsdossiers lediglich deren Nachbesserung vorsieht, nicht überzeugen. Zuvorderst lässt sich diesen Regelungen lediglich entnehmen, dass eine Nachbesserung erfolgen kann. Es erscheint im Übrigen auch verhältnismäßig, dass vor einer Aufhebung zunächst eine Nachbesserung stattfinden muss. Einen darüber hinausgehenden Regelungsgehalt dergestalt, dass lediglich und singulär eine Nachbesserung oder ein freiwilliger Verzicht stattfinden kann und keine weiteren Mechanismen greifen können, ist weder im Normtext noch in den Materialien verankert. Auch erscheint ein Nachbesserungsverfahren nur dann sinnvoll, 1150

Siehe S. 248 ff. Europäische Kommission (Fn. 85), S. 22, 26 f.; Europäische Kommission (Fn. 96), S. 79 ff. 1152 Europäische Kommission (Fn. 85), S. 27 f.; Europäische Kommission (Fn. 96), S. 129 ff. 1151

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

wenn eine Nachbesserung den entsprechenden Fehler beseitigen kann, nämlich lediglich dann, wenn eine Rücknahme aufgrund unrichtiger Angaben im Registrierungsdossier erfolgen soll.1153 Soll aber eine Rücknahme erfolgen, etwa weil im Verlauf des Registrierungsverfahrens (sonstige) formelle oder materielle Fehler zur Rechtswidrigkeit der Registrierung geführt haben, ist die Befugnis für die ECHA, das Registrierungsdossier nachbessern lassen zu können, nicht hilfreich. Denn auf diese Weise lässt sich der Fehler, unter dem der Registrierungsbeschluss leidet, nicht beseitigen. Für einen solchen Fall muss daher eine andere Lösung gefunden werden. Daher lässt sich aus der REACH-VO nicht folgern, dass dort eine bewusste Nichtregelung der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen durch die ECHA erfolgte, um so deren Unveränderlichkeit im Sinne einer Unaufhebbarkeit zu statuieren. bb) Die Rechtsansicht der Europäischen Kommission und der ECHA in einer Mitteilung an CARACAL Bereits oben wurde dargestellt, dass die Eckpfeiler des Registrierungssystems der REACH-VO auf die Europäische Kommission zurückgehen. Daher ist deren Position zu dieser Frage von besonderem Interesse: In einer Mitteilung1154 an die Competent Authorities for REACH and CLP (CARACAL) erörtern Europäische Kommission und ECHA den Fall einer „incorrect submission of dossiers covering several substances“. Als Rechtsfolge sehen sie die Einstufung der Registrierung als „invalid“, als „ungültig“ vor, verbunden mit der Folge, dass die Herstellung oder das Inverkehrbringen des Stoffes gestoppt werden muss und gegebenenfalls die Einreichung eines neuen Registrierungsdossiers in Verbindung mit der erneuten Zahlung der Registrierungsgebühr zu erfolgen hat.1155 Nun könnte man diese Feststellung der Registrierung als „ungültig“ so auffassen, dass die Registrierung abgewiesen wird. Die Befugnis zur Abweisung einer Registrierung steht der ECHA unstrittig aus Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO zu. Dann aber wäre als Rechtsfolge nicht die Herstellung und das Inverkehrbringen des Stoffes zu stoppen. Denn diese Vorgänge haben in der Konstellation, dass eine Registrierung abgelehnt wird, noch nicht begonnen. Die Erwähnung dieser weiteren Rechtsfolge wäre nur dann nötig, wenn sich die Sperre des Art. 5 REACH-VO bereits geöffnet hätte, also eine Registrierung vorliegt. Die Europäische Kommission und die ECHA skizzieren hier somit den Fall, dass sich die Schranke des Art. 5­ REACH-VO gehoben, das Herstellen oder das Inverkehrbringen des chemischen

1153

Siehe Fallgruppe 1, S. 267 ff. Europäische Kommission, 4th Meeting of the Competent Authorities for REACH and CLP (CARACAL) – CA/74/2009 rev. 2, 2010. 1155 Europäische Kommission (Fn. 1154), 3.5., S. 7. 1154

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Stoffes stattgefunden hat und nun der status quo ante wieder erreicht werden soll – mithin die Aufhebung der Registrierung. Daher geht die ECHA, aber auch die Europäische Kommission, als Architektin der Registrierungsregelungen im Rahmen der REACH-VO selbst davon aus, dass eine Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen möglich sein muss. cc) Der effet utile als Argument für die Möglichkeit der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen Eine wichtige Rolle als Auslegungsmethode im Europarecht spielt die Auslegung nach dem effet utile:1156 Es ist diejenige Auslegung zu wählen, welche die Wirksamkeit der Vorschrift maximiert, es gilt der Effektivitätsgrundsatz.1157 Diesem könnte im Bereich des Registrierungsverfahrens die Möglichkeit der Aufhebung von Registrierungen gerecht werden. Dabei birgt die Auslegung nach dem effet utile, um eine in der Norm nicht ge­ regelte Fallkonstellation zu klären, ein gewisses Gefahrenpotenzial: Der Schritt zwischen einer normkonformen Auslegung nach dem effet utile und einer rein rechtspolitisch gewünschten Auslegung ohne Stütze in der Norm ist kurz.1158 Es handelt sich bei näherem Hinsehen um die Grenze zwischen einer Lücke und einem Fehler im Gesetz. Denn während Erstere durch die Rechtswissenschaft, zuvorderst die Judikatur, geschlossen werden kann, ist die Behebung von Fehlern 1156 Zur Frage, ob der effet utile als eine eigene Auslegungsmethode, als ein Unterfall der teleologischen Auslegung oder weniger als Auslegungsmethode denn als Fall der richterlichen Rechtsfortbildung einzuordnen ist Seyr, Der effet utile in der Rechtsprechung des EuGH, 2008, S. 275 ff.; Yaroshevskiy, Die Auslegungsmethoden des EuGH, S. 17. 1157 Etwa EuGH, Urteil vom 29.11.1956  – Rs.  8/55  – Slg. 1955/56, 297 (312)  – Fédération Charbonnière de Belgique/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 15.7.1963  – Rs.  34/62  – Slg.  1963, 287 (318)  – Bundesrepublik Deutschland/Kommission; EuGH, Urteil vom 7.10.1970  – Rs.  9/70  – Slg. 1970, 825 (Rn.  5)  – Franz Grad/Finanzamt Traunstein; EuGH, Urteil vom 19.11.1990 – verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Slg. 1991, I-5357 (Rn. 33) – Andrea Francovich u. a./Italienische Republik. Dederichs, Die Methodik des EuGH, 2004, S.  81 ff., zählt alleine im Jahre 1999 14 Erwägungen zum effet utile in der Judikatur des EuGH; eine Chronologie der früheren Rechtsprechung bringt Rüber (Fn.  536), S.  85 ff. In der Literatur z. B. Arndt/Fischer/Fetzer (Fn.  236), Rn.  247; Becker/Tiedemann (Fn.  93), Rn.  78 f.; Bleckmann, Zu den Auslegungsmethoden des Europäischen Gerichtshofs, NJW 1982, 1177 (1180); Borchardt, in: Lenz/Borchardt (Fn. 688), Art. 19 EUV Rn. 25 f.; Frenz (Fn. 236), Rn. 419 ff.; Hobe, Europarecht, 7. Aufl., 2012, § 10 Rn. 50; Oppermann/Classen/Nettesheim (Fn. 244), § 9 Rn. 178; Pache, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Fn. 236), Art. 19 EUV Rn. 20; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Fn. 111), § 11 Rn. 42a; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 155; Schwarze, in: Schwarze/Becker/Hatje u. a. (Fn. 649), Art. 19 EUV Rn. 38; Seyr (Fn.  1156), S.  100 ff.; Streinz, Der „effet utile“ in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Everling, 1995, S. 1491 (1491 ff.), jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung des EuGH. 1158 In diese Richtung wohl auch die Bedenken bei von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 18 ff.

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Aufgabe der (Rechts-)Politik, der Legislative. Der Pfad der Gewaltenteilung ist schmal und darf nicht verlassen werden. Als Begrenzung bietet sich an, ob das Gesetz, gemessen an seinen eigenen Absichten, unvollständig ist oder ob lediglich das gefundene Ergebnis zu kritisieren ist.1159 Zwar liegt in beiden Fällen eine Wertung vor, die kaum zwingend ist, und in beiden Fällen wird das Ergebnis sein, dass eine Norm fehlt, welche das Gesetz enthalten sollte. Aber bei der Auslegung nach dem effet utile steht die Regelungsabsicht und somit die Teleologie im Mittelpunkt, im anderen Fall steht nicht das Gesetz im Scheinwerferlicht, sondern rechtspolitische Kritik, an der das Gesetz gebogen wird.1160 Insofern muss differenziert werden zwischen dem Wunsch einer Anwendung von Aufhebungsregeln und der Frage, ob die Regelungsabsicht der Normen zur Registrierung nach der REACH-VO eine solche Anwendung nahelegt.1161 Ansatzpunkt der Argumentation muss damit die Regelungsabsicht der Registrierungsregelungen sein. (1) Regelungsabsicht der Registrierung im Rahmen der REACH-VO Art. 1 Abs. 1 REACH-VO gibt als Zielvorgabe für die REACH-VO die Schaffung eines höheren Schutzniveaus für Umwelt und menschliche Gesundheit vor. Die bestehenden Wissens- und damit auch Schutzlücken sollen geschlossen und so die von chemischen Stoffen ausgehenden Risiken besser beherrscht werden.1162 Kernstück dieser Strategie der Informationsgewinnung ist dabei die Registrierung chemischer Stoffe nach Titel II der REACH-VO: Das in Art. 5 REACH-VO normierte Verbot, chemische Stoffe ohne Registrierung herzustellen oder in Verkehr zu bringen, beruht auf dem Grundverdacht, dass jeder chemische Stoff bei entsprechender Exposition und Konzentration in der Lage ist, Mensch und Umwelt zu schädigen.1163 Daher soll durch die Registrierung Stoffwissen generiert werden. Anhand dieses Stoffwissens können kritische Stoffe identifiziert und die von ihnen ausgehenden Risiken bewertet werden. Damit stellen die Informationen, die bei der Registrierung gewonnen werden, die Basis für alle weiteren Entscheidungen dar, die Qualität der Registrierungsinformationen wird auch die Qualität aller nachfolgenden Handlungen und Aktionen determinieren.1164 Dieses im Rahmen der Registrierung gewonnene Wissen spielt die zentrale Rolle bei Entscheidungen im Rahmen der REACH-VO;1165 1159

Larenz (Fn. 1095), S. 374. Larenz (Fn. 1095), S. 374. 1161 So deutlich von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  41 REACH-VO Rn. 18. 1162 Siehe S. 38 ff. 1163 Ingerowski (Fn. 3), S. 93. 1164 Ingerowski (Fn. 3), S. 94. 1165 Daneben besteht nach Art. 118, 119 REACH-VO ein Anspruch der Bürger auf Informationen, auch um diesem Anspruch genügen zu können, müssen diese gesammelt werden. 1160

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es ist die zentrale Ressource, denn „nur wer weiß, kann sicher agieren“1166. Die Beschaffung von vollständigen und richtigen Informationen bildet somit die Grundlage für das Registrierungssystems. Daneben ist ein weiterer in Art. 1 Abs. 1 REACH-VO genannter Zweck in den Blick zu nehmen, die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der chemischen Industrie. So haben auch die von REACH betroffenen Unternehmen selbst, die ihren zeit- und kostenaufwendigen Registrierungs- und Informationspflichten nachkommen und damit gegebenenfalls Wettbewerbsnachteilen1167 ausgesetzt sind, ein Interesse daran, vor schwarzen Schafen geschützt zu werden, die durch illegale Handlungen den Wettbewerb zu verfälschen drohen.1168 Aus diesen beiden Argumentationssträngen ergibt sich, dass das Registrierungssystem dafür Sorge tragen muss, hinreichende Anreize zu schaffen, dass alle von REACH betroffenen Unternehmen innerhalb ihrer Registrierungsdossiers vollständige und zutreffende Angaben machen. (2) Die Anreizsituation für die Zurverfügungstellung von vollständigen und richtigen Informationen Die Erfahrungen des alten Chemikalienregimes haben gezeigt, dass ohne einen hinreichenden Anreiz kein Hersteller oder Importeur chemischer Stoffe Interesse hat, Informationen über die Gefährlichkeit seiner Stoffe zu gewinnen, geschweige denn, sie weiterzugeben.1169 Die dahinter stehende Motivationslage ist vielfältig:1170 Zum einen könnten diese Informationen, Informationen über das Gefahrenpotenzial der von ihnen hergestellten oder in Verkehr gebrachten Stoffe, zu einer negativen Konsumentenentscheidung führen, den Ruf des Unternehmens und damit auch seine Marktstellung nachhaltig schädigen.1171 Außerdem erhöht ein 1166

Spiecker genannt Döhmann (Fn. 406), 278 (278, 280). Nach Lulei/Fink/Hanschmidt (Fn.  121), 21 (24), kostet eine Registrierung im Mengenband zwischen 10 t/a und 100 t/a zwischen 200 000 und 250 000 Euro. 1168 Ingerowski (Fn. 3), S. 367. 1169 Siehe S. 30 ff. Ausdrücklich auch Winter, in: Hendler/Marburger/Reinhardt u. a. (Fn. 69), S. 77 (86 f.) – es lohne sich, Informationen zurückzuhalten, selbst wenn dies mit Bußgeldern sanktioniert werde. 1170 Neben der hier skizzierten speziellen Vollzugsproblematik im Chemikalienrecht ist außerdem zu erwähnen, dass es im Gewerbeaufsichtsrecht häufig an der grundsätzlichen Norm­ akzeptanz fehlt, da der Zusammenhang zwischen dem richtigen und vollständigen Ausfüllen eines Registrierungsformulars und der Schädigung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt nicht akzeptiert wird, (indirekte) Kausalitäten als unklar oder unwahrscheinlich eingestuft werden. Zu diesen und weiteren Problemen der Gewerbekontrolle, zwar aus dem Lebensmittelrecht, aber verallgemeinerbar: Lampe, Die Lebensmittelüberwachung in Deutschland, 2008, S. 197. Zur speziellen chemikalienrechtlichen Problematik der räumlichen und zeitlichen Trennung von Ursache und Wirkung bei chemischen Stoffen von Ingerowski (Fn. 3), S. 61 m. w. N. 1171 Ingerowski (Fn. 3), S. 95; Spiecker genannt Döhmann (Fn. 406), 278 (280). 1167

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Mehr an Transparenz auch die Gefahr der Regulierung, denn solange keine Informationen vorliegen, dass ein Stoff als gefährlich anzusehen ist, gilt er im Regelfall als ungefährlich.1172 Jeder Versuch, die „toxic ignorance“1173 zu verringern, wird also als Angriff auf die Marktstellung aufgefasst. Damit ist es aus unternehmerischer Sicht plausibel, bei der Herausgabe von Stoffinformationen zurückhaltend zu sein.1174 Dies bedeutet, dass im Rahmen von REACH eine entsprechende Anreizsituation oder aber ein entsprechender Sanktionierungsdruck bestehen muss, um eine ordnungsgemäße, also ebenso vollständige und inhaltlich richtige Registrierung zu gewährleisten.1175 Nun könnte sich diese Motivationslücke dadurch schließen lassen, dass i­ nnerhalb der Stofflieferketten und seitens des Chemikalienmarktes ein Anreiz zur Ge­ winnung und zur Beibringung vollständiger und richtiger Stoffinformationen entstehen würde. Dadurch, dass die Ergebnisse der Stoffsicherheitsbeurteilung mit den Sicherheitsdatenblättern entlang der Lieferkette weitergegeben werden, erlangen vollständige und richtige Informationen den Status eines Qualitätsmerkmals.1176 Es werden also Anreize gesetzt, dass auch die Einreichung eines qualitativ hochwertigen Registrierungsdossiers im Interesse der Wirtschaftsakteure liegt.1177 Diese Annahme übersieht allerdings, dass sich das primäre Interesse des nachgeschalteten Anwenders letztlich darauf richtet, den Stoff (planungs)sicher zur Verfügung zu haben oder zu verkaufen, zumindest solange keine effektivere oder billigere Alternative zur Verfügung steht. Er wird viel eher ein Interesse daran haben, die Verfüg- und Vermarktbarkeit nicht zu gefährden, als an vollständigen und richtigen Stoffinformationen, die gegebenenfalls diese Verfüg- und Verwendbarkeit des chemischen Stoffes stark einschränken könnten.1178 Es ist daher nicht davon auszugehen, dass ein flächendeckender marktrelevanter Anreiz entsteht, dass Informationen aus der Lieferkette heraus offenbart werden, die dieses Ziel gefährden können.1179 1172

Hansson/Rudén (Fn. 276), 304 (307). Geprägt wurde dieser Begriff durch die gleichnamige Studie des Environmental Defense Fund (USA): Environmental Defense Fund (Fn. 7), S. 7. Vgl. dazu auch Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 2. 1174 Benson, Restructuring the burden of producing risk information, in: Winter (Hrsg.), Risk Assessment and Risk Management of Toxic Chemicals in the European Community, 2000, S. 112 (114); Ingerowski (Fn. 3), S. 362 f.; Winter, Redesigning joint responsibility of in­dustry and government, in: Winter (Hrsg.), Risk Assessment and Risk Management of Toxic Chemi­ cals in the European Community, 2000, S. 177 (178). 1175 Zur Anreizsituation im Rahmen der REACH-VO allgemein Führ, in: Hensel/Bizer/Führ u. a. (Fn. 94), S. 177 (177 ff.). 1176 Tschochohei, REACH – Erste Erfahrungen in der Anwendung, uwf 2007, 40 (46). 1177 So die Hoffnung von Tschochohei (Fn. 1176), 40 (46). 1178 Ingerowski (Fn. 3), S. 366. 1179 Bizer in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 2: Ökonomische Anreize aus REACH Rn.  54, sieht an dieser Stelle ernst zu nehmende Lücken im Normdesign der REACH-VO. Führ, in: Hensel/Bizer/Führ u. a. (Fn. 94), S. 177 (189 f.) beurteilt das flächendeckende Eintreten dieses Szenarios ebenfalls skeptisch. 1173

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Die REACH-VO greift zur Überwindung dieser Schwierigkeiten auf Konzepte von „collaborative governance“1180 zurück. Die Registrierungsbehörden arbeiten mit privaten Dritten beim Normvollzug zusammen, Stoffinformationen werden gemäß Art.  119 REACH-VO im Internet veröffentlicht und können eingesehen und geprüft werden. Flankierend dazu enthalten die Transparenzverordnung, deren Anwendbarkeit sich aus Art. 118 Abs. 1 REACH-VO ergibt, und als lex specialis die Aarhus-Verordnung weitere Informationsrechte für Dritte.1181 Daneben können Verbraucher bei Lieferanten gemäß Art. 33 Abs. 2 REACH-VO Informationen über den betreffenden Stoff erhalten.1182 So könnten Dritte, etwa Konkurrenten1183 oder Umweltverbände, die ein Interesse an vollständigen wie richtigen Informationen haben, diese einsehen und gegebenenfalls selbst Zeit und Mittel einsetzen, eine Prüfung durchzuführen – der Normbefolgungsanreiz von Unternehmen soll auf diese Weise erhöht werden.1184 Inwiefern allerdings eine Prüfung durch die Geheimhaltungsvermerke nach Art.  119 Abs.  2 REACH-VO erschwert wird,1185 bleibt für die Zukunft offen. Ebenso wird sich erst in Zukunft zeigen, ob der Mechanismus, dass durch Dritte 1180 Zum Begriff etwa Bauer, „Collaborative Government“ – ein neues Konzept für die Re­ gulierung der europäischen Strom- und Gasmärkte?, ZfE 2010, 237 ff., der eine gewisse Un­ bestimmtheit des Begriffs konstatiert und sich an einer zusammenfassenden Begriffsdefinition versucht: Er versteht diesen Begriff deskriptiv im Sinne einer staatlich-privaten Koopera­ tionsform der Politikgestaltung und der Politikimplementation sowie normativ als Gestaltungsrichtlinien, welche, um die Anforderungen eines „guten Regierens“ zu erfüllen, vorliegen müssen. Der Sache nach handelt es sich jeweils um Arrangements zwischen staatlichen und privaten Akteuren, in welchen Erstere ihren Gestaltungsspielraum mit Letzteren teilen, um so als Gemeinschaft zu Lösungen und Entscheidungen zu gelangen. Dadurch soll einerseits eine Entlastung staatlicher Stellen und andererseits eine erhöhte Akzeptanz bei den Entscheidungsempfängern geschaffen werden, S. 240 f. m. w. N. Die Anwendung dieses Konzepts konstatiert der Sache nach auch von Holleben, zitiert im Diskussionsbericht von Schleiden/Raupach, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 423), S. 153 (154). 1181 Zum Informationsfluss im Rahmen der REACH-VO allgemein siehe S. 54 ff. 1182 Dazu auch Erwägungsgrund (56) der REACH-VO. Normsystematisch handelt es sich bei diesem Anfragerecht um eine Ausnahme in der REACH-VO, da der Konsument eines Produkts grundsätzlich kein REACH-Akteur ist und nach Art. 3 REACH-VO explizit als nachgeschalteter Akteur (Nr. 13) oder als Abnehmer eines Erzeugnisses (Nr. 35) ausgeschlossen ist, Steffensen, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 22: Konsequenzen für den Verbraucherschutz Rn. 21 f. Zu dieser Regelung näher Fluck, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 33 REACH-VO Rn. 33. Bisherige Erfahrungen zeichnen ein negatives Bild dieses Instruments, etwa Janssen/Wölbert, Finger weg, giftig!, c’t 2014, S. 104. 1183 Wettbewerber nutzen diese Informationsrechte vielfach aus Wirtschaftsinteressen; eine Auswertung des US-amerikanischen Freedom of Information Act zeigt, dass 80 Prozent der Informationsgesuche direkt oder indirekt von Wirtschaftsunternehmen stammen, vgl. Gurlit, Akteneinsicht in den Vereinigten Staaten, in: Winter (Hrsg.), Die Öffentlichkeit von Umweltinformationen, 1990, S. 511 (521). 1184 Führ, in: Hensel/Bizer/Führ u. a. (Fn. 94), S. 177 (191); Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 5; von Holleben, zitiert im Diskussionsbericht von Schleiden/Raupach, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 423), S. 153 (154 f.); Ingerowski (Fn. 3), S. 398. 1185 So die Befürchtung von Führ, zitiert im Diskussionsbericht von Schleiden/Raupach, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 423), S. 152 (155).

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

an die Überwachungsbehörden herangetreten wird und ihnen Defizite in Bezug auf Registrierungsdossiers mitgeteilt werden, funktioniert,1186 insbesondere ob die ECHA dann auf solche Mitteilungen angemessen reagiert bzw. welche Möglichkeiten der mitteilende Dritte im Fall einer Nichtreaktion oder nicht angemessenen Reaktion der ECHA hat. Ein großes Problem dieser Informationsinstrumente ist außerdem, dass grundlegend stoffbezogene Informationen bereitgestellt werden, nicht aber direkt Registrierungsdossiers.1187 Diese Informationen sind dabei noch nicht allgemein verständlich und interessengerecht aufbereitet, was eine Nutzung dieser zum Zwecke einer unmittelbaren Dossierüberprüfung weiter erschwert.1188 Zwar wird man prinzipiell davon ausgehen können, dass die breite Masse der chemischen Unternehmen versuchen wird, den Anforderungen von REACH zu genügen, dies lässt schon die von der chemischen Industrie ausgerufene Initiative „Responsible Care“1189 hoffen. Allerdings wird es auch einige Firmen geben, die den Anforderungen von REACH im vollen Umfang bewusst oder unbewusst nicht genügen wollen oder können.1190 Dem kann die Anreizstruktur der REACH-VO kaum oder nur sehr begrenzt entgegenwirken. Vor der immensen Wichtigkeit nicht nur der Verfügbarkeit von Stoffinformationen, sondern auch ihre Vollständigkeit und Richtigkeit, wird klar, dass jedoch auch eine geringe Fehlverhaltensquote die Verlässlichkeit des REACH-Systems empfindlich treffen kann und wird.1191 1186

Führ, in: Führ (Fn.  20), Kapitel  1 Rn.  5, der von einer „Demokratisierung des Risiko­ wissens“ spricht; eher pessimistisch Ingerowski (Fn. 3), S. 359. 1187 Kritisch daher European Environmental Bureau/Client Earth (Fn. 314), S. 13. 1188 Ingerowski (Fn. 3), S. 403, 406. 1189 Dazu https://www.vci.de/Nachhaltigkeit/Responsible-Care/Seiten/Startseite.aspx (1.5.2014). 1190 Heiß, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 18: Aufgaben und Kooperationsbedarf im Vollzug Rn.  3: Es sei sehr optimistisch „davon auszugehen, dass allein die Verabschiedung der Verordnung und Verfahrensvorgaben für gemeinschaftsweite Maß­ nahmen ausreichen“ würden, um die Normbefolgung zu erzwingen. Mayer-Figge, Vollzug des Chemi­kalienrechts in Europa, StoffR 2010, 196 (199), identifizierte im Rahmen des REACHÜberwachungsprojekts „REACH-EN-FORCE-1“ europaweit bei 8 Prozent der Unternehmen Verstöße gegen die Registrierungspflichten. Dies gilt ebenso bei den Sicherheitsdatenblättern, so Mayer-Figge (Fn. 163), 52 ff., die „hohe Mängelquoten“ feststellt. Ein ähnliches Bild zeichnet Gall, in: Lexxion (Fn. 163), S. 27 (34), mit einer Mängelquote 2011 in Baden-Württemberg von 80 Prozent. Nach ECHA (Fn. 359), S. 19, waren von 146 Registrierungsdossiers lediglich 22 in compliance. Der ECHA, Tätigkeitsbericht 2012, S. 29, sieht immerhin eine verbesserte Quote von 34 Prozent. Dennoch ist zu bedenken, dass die ECHA hierbei gezielt problematische Registrierungsdossiers bzw. Verdachtsfälle prüft (ECHA, Tätigkeitsbericht 2012, S. 30), sodass nur eine bedingte Repräsentativität besteht, ECHA, Tätigkeitsbericht 2012, S. 29. Dies übersieht etwa European Environmental Bureau/Client Earth (Fn. 314), S. 13, wenn hieraus eine allgemein schlechte Qualität der Registrierungsdossiers gefolgert wird. Allerdings wird – insbesondere, wenn in der nun folgenden dritten Registrierungsphase Stoffe im Mengenbereich von 1 bis 100 t/a registriert werden müssen, mithin auch verstärkt kleine und mittlere Betriebe mit vielfach nur ungenügender Expertise im Bereich von REACH betroffen sind – diese Mängelquote noch weiter ansteigen. Vgl. etwa ECHA (Fn.  359), S.  19; ECHA, Tätigkeitsbericht 2012, S.  26: die überwiegende Mehrzahl der Dossiers, welche die Anforderungen erfüllten, waren in den hohen Mengenbereichen eingereicht. 1191 Ingerowski (Fn. 3), S. 367.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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(3) Anreizwirkung bei der Möglichkeit der Aufhebung von Registrierungen Betrachtet man den Mechanismus der Normbefolgung aus ökonomischer Sicht, wird nach der von Becker entwickelten Ökonomischen Theorie der Kriminalität1192 die Entscheidung zum Verstoß gegen eine Norm nicht anders als die Entscheidung zwischen legalen Alternativen behandelt. Der Normbetroffene wird in diesem Modell die Norm befolgen, wenn der Nutzen des Normverstoßes geringer ist als der Nutzen der legalen Alternative. Dabei wird der Nutzen des Normverstoßes im Wesentlichen durch zwei Faktoren begrenzt: Eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, überführt zu werden oder eine Erhöhung des Strafmaßes führt jeweils zu einer Senkung des erwarteten Nutzens eines Verbrechens.1193 Für einen entsprechenden Normbefolgungsanreiz ist somit entscheidend, wie hoch der potenzielle Täter die Aufdeckungswahrscheinlichkeit einschätzt und mit welchen Folgen er dann zu rechnen hat.1194 Zwar handelt es sich hierbei um ein stark vereinfachtes Modell,1195 es genügt aber, um die Wichtigkeit einer ausreichenden Sanktionierung 1192 Becker, Crime and punishment: An economic approach, Journal of Political Economy 1968, 169 (176), hat ein Grundmodell der ökonomischen Theorie der Kriminalität aufgestellt. Er vertritt den Ansatz, dass die Entscheidung potenzieller Täter, ein Verbrechen zu begehen, von der Entscheidung ausgeht, dass der erwartete Nutzen höher ist als der Nutzen aus einer alternativen Verwendung der Zeit oder anderer Ressourcen. Dieser Ansatz wurde z. B. von Curti, Abschreckung durch Strafe, 1999, S. 38 ff.; Entorf, Ökonomische Theorie der Krimina­lität, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Die Präventivwirkung zivil- und strafrechtlicher Sanktionen, 1999, S. 1 (11 ff.), verfeinert, indem etwa weitere Variablen einbezogen werden. Beckers Grundannahme bleibt allerdings jeweils erhalten. Einen Überblick über die weitere Ent­wicklung und Erweiterungen liefern Curti, Abschreckung durch Strafe, 1999, S. 38 ff.; Funk, Kriminalitätsbekämpfung, 2001, S.  8 ff. Empirische Untersuchungen stützen dieses Modell, Curti, Zur Abschreckungswirkung strafrechtlicher Sanktionen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Die Präventivwirkung zivil- und strafrechtlicher Sanktionen, 1999, S. 71 (89 f.); Curti, Abschreckung durch Strafe, 1999, S.  131 ff.; Entorf, Kriminalität und Ökonomie: Übersicht und neue Evidenz, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 1996, 417 ff. Ein entsprechendes Modell wird auch im Bereich der Implementationsforschung in Bezug auf Umweltschutzmaßnahmen genutzt, Führ, in: Hensel/Bizer/Führ u. a. (Fn.  94), S.  177 (191); Uebersohn, Effektive Umweltpolitik, 1990, S. 535. 1193 Dies wird auch als „Abschreckungshypothese“ bezeichnet: Garoupa, The Theory of optimal law enforcement, Journal of Economic Surveys 11 (1997), 267 ff. 1194 Ingerowski (Fn. 3), S. 355. Diesen Dualismus von Überwachung und Sanktionierung als wesentlich für den Normvollzug von europäischem Recht sieht auch Appel, Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1995, 280 (280); Mayntz/Bohne/ Hesse u. a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, 1978, S. 371, S. 713. Auf den Bereich des Lebensmittelsrechts übertragen von Lampe (Fn. 1170), S. 197. Auch zur Ermittlung von „wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen“ im Rahmen der REACH-VO gemäß Art. 126 REACH-VO, findet dieses Modell Anwendung, etwa bei Faure (Fn. 1103), 256 (259 f.). 1195 Das Modell geht von verschiedenen Annahmen, etwa im Hinblick auf die Risiko­aversion, als gegeben aus. Umgekehrt fehlen etwa über den Abschreckungseffekt der Todesstrafe als maximale Strafe eindeutige Untersuchungsergebnisse. Des Weiteren werden mögliche informelle Sanktionen wie auch das Setzen von positiven Anreizen im Grundmodell nicht ausreichend abgebildet, Funk (Fn.  1192), S.  36 ff. Dennoch handelt es sich hierbei lediglich

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

im Normvollzug darzustellen, gerade im Bereich der REACH-VO: Die Bereitschaft zur Generierung von Stoffwissen erhöht sich durch eine stärkere Sanktion bei Zuwiderhandlungen. Die Anwendung dieses Modells bietet sich auch gerade in Bereichen, in denen Unternehmen handeln und nicht Einzelpersonen, in denen Entscheidungen auf betriebswirtschaftlichen Faktoren und nicht auf Emotionen beruhen, mithin gerade im Bereich des Umweltrechts an.1196 Nimmt man somit die Sanktionsmöglichkeiten für unvollständige oder im eigentlichen Sinne unrichtige Registrierungsdossiers im Rahmen der REACH-VO in den Blick, ergibt sich folgendes Bild: Hinsichtlich der Unvollständigkeit der Registrierung sieht die REACH-VO vor, dass Registrierungsdossiers im Rahmen des completeness checks abgewiesen werden können gemäß Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO. Ist aber diese Sperre überwunden, sind die Registrierungsdossiers in den Bestand der ECHA gelangt, normiert die REACH-VO auf Unionsebene keine Sanktion für die Einreichung von defizitären Registrierungsdossiers. Auch im Fall der Nachforderung von Informationen nach Art. 41 Abs. 3 REACH-VO bleibt die Herstellungs- und Importmöglichkeit geöffnet. Weitere Maßnahmen kann die ECHA nicht treffen, sie sind Angelegenheiten der nationalen Behörden: In Deutschland1197 wurden auf Basis des Art. 126 f. REACH-VO mit dem § 27b ChemG Sanktionen bei einem Verstoß gegen die REACH-VO neu eingeführt. So werden etwa vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben im Registrierungsdossier als Straftat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe geahndet, gemäß § 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG,1198 geschieht dies fahrlässig, kann es nach § 27b Abs. 5 S. 1 ChemG in Verbindung mit § 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bis 100 000 Euro sanktioniert werden. Dies lässt sich grundsätzlich als abschreckende Sanktion ansehen.1199 Jedoch werden Straftaten aus dem ChemG selten geahndet. Nach der polizeilichen Kriminalstatistik wurden 2005 und 2006 jeweils 385 und 334 Straftaten nach dem ChemG ausgewiesen.1200 Ob also durch diese Sanktionen eine Anreizmotivierung entstehen kann, die Pflichten von REACH zu befolgen, erscheint zweifelhaft. So werden Sanktionen, wenn sie verhängt werden, sich eher im unteren Bereich einer Geldstrafe ansiedeln.1201 um Schwächen, die im Rahmen in der weiteren und verfeinerten Ausgestaltung des Modells berücksichtigt werden müssen, es liegt kein Angriff gegen die Grundannahme selbst vor. Zu Studien, die diese Grundannahme empirisch belegen siehe Fn 1192. 1196 Borchers, Umweltstrafrecht und Sanktionen, 2012, S. 119 f. 1197 Zur Lage in anderen Ländern: Milieu (Fn. 1104), S. 19. 1198 Nach altem Recht waren Verstöße gegen die Anmeldepflichten lediglich Ordnungs­ widrigkeiten. Die nun relativ hohe Strafbewehrung wird mit dem besonderen Stellenwert dieser Verpflichtung im Rahmen von REACH begründet, BT-Drs. 16/8037, S. 26 f., S. 46 f. 1199 So jedenfalls Pache/Rucireto, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 26: Erläuterungen zum REACH-Anpassungsgesetz – Sanktionen Rn. 11. 1200 Albrecht (Fn. 162), 64 (67, Fn. 19). 1201 Dabei handelt es sich um kein rein deutsches Phänomen, siehe etwa für Flandern und Großbritannien und die Niederlande, Faure (Fn. 1103), 256 (261 f.).

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Insofern wird die Befugnis der ECHA, gegebenenfalls eine Registrierung aufzuheben, einen deutlich erhöhten Anreiz schaffen, dass die Registrierungsdossiers auch im compliance check bestehen können.1202 Steht ein Unternehmen vor der Entscheidung, gegen diese zu verstoßen, indem es ein qualitativ defizitäres Registrierungsdossier aufrecht hält, liegt ein starker Anreiz vor, diese Entscheidung nicht zu wählen. Denn dann verliert es die Registrierung, ist somit wieder der Vermarktungssperre des Art. 5 REACH-VO ausgesetzt, verliert mithin nicht nur Zeit und Geld für die Erarbeitung eines neuen Registrierungsdossiers, sondern auch der Herstellungs- oder Vermarktungsstopp in Hinblick auf den betroffenen Stoff wird spürbar werden. Damit ist der Anreiz für ein kalkulierendes Unternehmen hoch, bereits von vorneherein ein qualitativ ausreichendes Registrierungsdossier zu schaffen. Mit dieser Sanktion im Blick kann Stoffwissen auf einer sicheren Basis generiert werden, die Zahl der qualitativ defizitären Registrierungsdossiers im Bestand der ECHA wird gering bleiben. (4) Zusammenfassung Der effet utile verlangt eine Normauslegung, die dazu führt, dass die Ziele der REACH-VO erreicht werden können. Somit gebietet er eine Auslegung der REACH-VO dergestalt, dass der ECHA die Möglichkeit der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen zusteht. Durch diese Befugnis erhöht sich der Normbefolgungsanreiz im Bereich der Registrierung und damit auch deren Effektivität. c) Ergebnis Die REACH-VO hat also nicht bewusst darauf verzichtet, eine Regelung zur Aufhebung von Registrierungen zu treffen, um diese damit auszuschließen, es handelt sich nicht um eine bewusste Nichtregelung. Vielmehr wurde in Kenntnis der Möglichkeit gehandelt, dass das Eigenverwaltungsrecht Aufhebungsmöglichkeiten vorhält, die im Fall der REACH-VO zur Anwendung kommen können. Diese Aufhebungsmöglichkeit entspricht im Übrigen dem Sinn und Zweck der REACHVO, ja, das Erreichen der Ziele von REACH wäre gefährdet, wenn eine Aufhebung von Beschlüssen nicht möglich wäre. Insofern erscheint es nur folgerichtig, dass die Europäischen Kommission bereits in einem Dokument die Aufhebbarkeit von Registrierungsbeschlüssen propagiert hat.

1202 So auch Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 189; dieser sieht ohne eine solche Befugnis sogar das „zentrale Instrument von REACh infrage gestellt“. Ebenso Führ/Bizer (Fn. 278), 217 (220).

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

3. Ergebnis: Rechtsgrundlage aus ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Eigenverwaltungsrechts Es hat sich gezeigt, dass die REACH-VO keine Normen zur Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen vorhält. Eine entsprechende Rechtsgrundlage ergibt sich aber aus den ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Eigenverwaltungsrechts. Diese können neben der REACH-VO Anwendung finden.

III. Ausgestaltung der Regelungen zur Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen Die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts stellen somit eine Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen zur Verfügung. Das „Ob“ einer solchen Aufhebung ist damit beantwortet. Allerdings ist noch keine Aussage getroffen über die Anforderungen, welche sowohl die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze wie auch die REACH-VO an die Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen im Einzelfall stellen. Auch hier stellt sich wieder die Frage, inwiefern die allgemeinen Rechtsgrundsätze die Lücke im Normkonzept der REACH-VO durch eigene detaillierte Regelungen schließen können. Dem soll nun auch in Bezug auf die Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen nachgegangen werden. Dabei werden zunächst die relevanten Fallgruppen identifiziert (F. III. 1.)1203, um dann der Frage nachzugehen, welche Anforderungen jeweils an eine Aufhebung der Registrierung zu stellen sind (F. III. 2.).1204 1. Identifizierung der im Rahmen der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen typischen Fallgruppen Der EuGH unterscheidet grundlegend zwischen der Rücknahme von rechtswidrigen und dem Widerruf von rechtmäßigen Beschlüssen.1205 Damit wird zwischen den Anforderungen für die Aufhebung von rechtswidrigen und rechtmäßigen Registrierungsbeschlüssen zu differenzieren sein, wobei maßgeblicher Zeitpunkt zur Feststellung, ob eine Registrierung rechtswidrig oder rechtmäßig ist, der Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses ist.1206 1203

Siehe S. 266. Siehe S. 267 ff. 1205 Bockey (Fn. 429), S. 125; A. A. Altmeyer (Fn. 569), S. 63, die eine solche Differenzierung erst später erkennen will. Sie findet sich aber bereits in der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Algera, EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 (119, 126) – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1206 Lübbig (Fn. 482), 233 (236); Schroeder (Fn. 378), S. 120. 1204

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Die Konstellation, dass eine rechtswidrige Registrierung aufgehoben wird, muss dabei erneut unterteilt werden: Zum einen wird die Situation betrachtet werden, dass die Rechtswidrigkeit der Registrierung auf defizitären Angaben im Registrierungsdossier beruht (Fallgruppe 1 – F. III. 2.)1207, zum anderen, dass der Registrierungsbeschluss aufgrund sonstiger formeller oder materieller Fehler rechtswidrig ist (Fallgruppe 2 – F. III. 3.)1208. Dabei wird sich herausstellen, dass sich beide Fallgruppen im Hinblick auf die tatbestandlichen Rücknahmevoraus­ setzungen unterscheiden. Neben den Konstellationen zur Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses wird auch erörtert werden, ob sich eine rechtmäßige Registrierung in gleichsam ewiger Bestandskraft manifestiert, oder ob es Fälle gibt, in denen diese auch nachträglich widerrufen werden kann (Fallgruppe 3 – F. III. 4.)1209. 2. Fallgruppe 1: Rücknahme von rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen, Rechtswidrigkeit aufgrund defizitärer Angaben Zunächst soll die Fallgruppe im Mittelpunkt stehen, die im Rahmen des Vollzugs von REACH wohl am häufigsten auftreten wird: Das Registrierungsdossier ist rechtswidrig, da der Betroffene defizitäre Angaben gemacht hat. Nachdem die Entstehung einer Konstellation, in der eine Rücknahme aus diesen Gründen möglich ist, dargestellt wird [F. III. 2. a)]1210, gilt es, Existenz und Reichweite des ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes zu klären, der eine Rücknahme in einem solchen Fall möglich macht [F. III. 2. b)]1211. Danach wird untersucht werden, ob die ECHA eine Rechtspflicht zur Rücknahme hat. Dabei wird sich herausstellen, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt [F. III. 2. c)]1212, und folglich herauszuarbeiten sein, welche Elemente in diese Entscheidung einzustellen sind [F. III. 2. e)]1213. In den Blick genommen wird auch, ob die Rücknahme ex tunc oder ex nunc erfolgen wird [F. III. 2. d)]1214. Daneben soll auch das für die Rücknahme anzuwendende Verfahren nicht aus dieser Analyse ausgespart werden [F. III. 2. f)]1215.

1207

Siehe S. 267 ff. Siehe S. 308 ff. 1209 Siehe S. 343 ff. 1210 Siehe S. 268 ff. 1211 Siehe S. 269 ff. 1212 Siehe S. 280 ff. 1213 Siehe S. 300 ff. 1214 Siehe S. 286 ff. 1215 Siehe S. 304 ff. 1208

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

a) Ermittlung der möglichen Fallkonstellationen Eine mögliche Konstellation, in welcher die ECHA in die Lage versetzt wird, ein Registrierungsdossier wegen defizitärer Angaben zurücknehmen zu können, ist nicht ganz leicht zu bestimmen: Damit nämlich eine solche Situation vorliegt, muss die ECHA ein Registrierungsdossier prüfen, welches bereits den completeness check nach Art. 20 REACH-VO mindestens einmal überstanden hat, d. h. es muss eine gültige Registrierung vorliegen. Denn ansonsten würde das Registrierungsdossier nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO endgültig abgelehnt werden. Ist aber die Registrierung angenommen, prüft die ECHA in grundsätzlich nur zwei Konstellationen ein in ihrem Bestand befindliches Registrierungsdossier erneut: So steht ihr die Möglichkeit zu, einen compliance check nach Art. 41 REACHVO durchzuführen. Ergibt sich hierbei die inhaltliche Unrichtigkeit  – und auch fehlende Informationen bedeuten eine Unrichtigkeit  – kann die ECHA nach Art. 41 Abs. 3 REACH-VO dem Registranten Nachbesserungen auferlegen. Werden diese nicht oder nicht erfolgreich durchgeführt, bildet sich die Konstellation eines „dauerhaft qualitativ defizitären Registrierungsdossiers“1216. Die ECHA kann lediglich immer und immer wieder neue Nachbesserungsverlangen erstellen, der Ball, die Defizite zu beseitigen, befindet sich in der Hälfte des Registranten. Die ECHA wiederum kann dann auf eigene Initiative den rechtswidrigen Zustand nur durch eine Rücknahme der Registrierung beseitigen. Eine ähnliche Konstellation im Sinne eines„dauerhaft quantitativ defizitären Registrierungsdossiers“ könnte sich bei der Aktualisierung eines Registrierungsdossiers durch den Registranten nach Art. 22 Abs. 1 REACH-VO ergeben: Auch hier kann die ECHA zwar das Registrierungsdossier auf Vollständigkeit prüfen, allerdings fehlt ihr auch dann die Handhabe unmittelbar aus der REACH-VO, die Registrierung bei festgestellter Unvollständigkeit aufheben zu können aufgrund Art. 22 Abs. 3 S. 1 REACH-VO. Dieser verweist lediglich auf Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1, UAbs. 2 REACH-VO. Allerdings scheidet eine analoge Anwendung der Unterabsätze 3 und 4 vor dem Hintergrund der verwendeten Verweistechnik aus: Für die Fälle des S. 1 wird lediglich Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 und 2 REACH-VO für anwendbar erklärt, für Fälle des S. 2 ausdrücklich eine Anwendung des gesamten Art. 20 Abs. 2 REACH-VO angeordnet. Es wird also für verschiedene Konstellationen eine unterschiedliche Absatzanwendbarkeit statuiert.1217 Auch einer Argu 1216 So die Bezeichnung bei Führ, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 93), S. 87 (113); Führ, in: Führ (Fn. 20), Kapitel 1 Rn. 177, 188; ihm folgend: Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 32. Nach diesem Vorbild wohl auch ECHA (Fn. 1080), S. 24: „fortgesetzter Nichterfüllung“ (in der englischen Version, S.  22: „continued incompliance“). Diese Fallgruppe dürfte sich vor dem Hintergrund der bislang ernüchternden Zahlen in Bezug auf sich in compliance befindliche Registrierungsdossiers als Regelfall entpuppen, siehe die Nachweise in Fn. 1190. 1217 Siehe auch oben S. 242 ff.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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mentation dergestalt, dass zwar lediglich die Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 und UAbs. 2 REACH-VO angeordnet wird, diese aber wiederum dann, um als Normmechanismus zu funktionieren, auch eine Anwendung von UAbs. 3 und UAbs.  4 REACH-VO benötigen, kann nicht gefolgt werden. Denn letztlich würde es sich dann um eine Umgehung der ausdrücklichen unterschiedlichen Verweisregelungen in Art. 22 Abs. 3 S. 1 bzw. S. 2 REACH-VO handeln und so würde der damit manifestierte Willen des Normgebers missachtet werden. Die ECHA kann somit auch in dieser Situation nicht aus eigener Kraft den rechtmäßigen Zustand wiederherstellen, es sei denn, sie nimmt die Registrierung zurück. Allerdings fehlt auch der Verweis auf Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 REACH-VO, mithin steht der ECHA sogar die Möglichkeit nicht zur Verfügung, eine Nachbesserungsaufforderung nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 REACH-VO zu erlassen. Kann die ECHA in dieser Konstellation nicht auf den weniger einschneidenden Weg einer formellen Nachbesserungsaufforderung zurückgreifen, wird ihr im Sinne eines argumentum a minori ad maius auch die Möglichkeit einer Aufhebung der Registrierung in dieser Konstellation genommen sein.1218 Sie wird dann zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes auf informelle Verfahrenskommunikation mit dem Registranten zurückgreifen oder aber über den Weg der Einschaltung der entsprechenden nationalen Behörde und deren Sanktionsbefugnisse1219 gehen müssen. Dieser Weg erscheint insofern auch sachgerecht, da die stärkere Sanktionsmöglichkeit der Rücknahme der jetzt rechtswidrigen Registrierung die Motivation des Registranten verringern könnte, sein Registrierungsdossier zu aktualisieren, weil er damit die ihm durch die Registrierung zugewiesene Rechtsposition zu verlieren droht. Eine Rücknahmemöglichkeit steht der ECHA in dieser Situation daher nicht zu. Insofern liegt lediglich im Fall eines „dauerhaft qualitativ defizitären Registrierungsdossiers“ eine Situation vor, in welcher die ECHA gegebenenfalls zur Möglichkeit der Rücknahme der Registrierung greifen wird und greifen muss.

1218

Sie wird daher in dieser Konstellation auf informelle Verfahren zurückgreifen müssen. In Deutschland sanktioniert § 6 Abs. 1 Nr. 8 ChemSanktionsV i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ChemG die nicht richtige, nicht vollständige oder nicht rechtzeitig aktualisierte bzw. übermittelte Registrierung. 1219

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

b) Herleitung und Reichweite des ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes für diese Fallgruppe Zunächst erfolgt eine Herleitung des ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der die Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme von rechtswidrigen Beschlüssen, deren Rechtswidrigkeit auf defizitären Angaben beruht, bildet [F. III. 2. b) aa)]1220. Sodann muss die Reichweite dieses Grundsatzes in zwei Richtungen geklärt werden: Zum einen stellt sich die Frage nach dem subjektiven Tatbestand, der den defizitären Angaben zugrunde liegen muss, um eine Rücknahme zu ermöglichen. Denn die Rücknahme der Registrierung beruht auf defizitären Angaben des Betroffenen. Darf die ECHA eine Registrierung lediglich dann zurücknehmen, wenn der Betroffene die defizitären Angaben vorsätzlich getätigt hat, um die Registrierung fraudulös zu erhalten? Oder kann eine Rücknahme auch bei lediglich fahrlässigen oder gar schuldlos defizitären Angaben erfolgen? [F. III. 2. b) bb)]1221. Zum anderen gilt es zu ermitteln, ob die Reichweite dieses Grundsatzes in sachlicher Hinsicht beschränkt ist, ob es bestimmte Angaben im Registrierungsdossier gibt, deren Fehlerhaftigkeit zwar dazu führt, dass das Registrierungsdossier den compliance check nach Art. 41 REACH-VO nicht besteht, die aber dennoch so unwesentlich sind, dass eine Rücknahme auf Basis dieser Fehler unverhältnismäßig erscheint [F. III. 2. b) cc)]1222. aa) Herleitung des Grundsatzes: Die Rechtsprechung des EuGH als Ausgangspunkt Obgleich Ausgangspunkt für die Rechtsprechung des EuGH zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zur Aufhebung von Beschlüssen im Eigenverwaltungsrecht die Entscheidung in der Rechtssache Algera1223 ist, beschäftigte er sich erst einige Jahre später, im zweiten S. N. U. P. A. T.-Urteil1224, mit dem Problem, ob und unter welchen Voraussetzungen rechtswidrige Beschlüsse, die aufgrund d­ efizitärer Angaben in den Unterlagen erlangt wurden, zurückgenommen werden können.

1220

Siehe S. 270 ff. Siehe S. 273 ff. 1222 Siehe S. 275 ff. 1223 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1224 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1221

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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(1) Ursprung in der Entscheidung im zweiten S. N. U. P. A. T.-Urteil Dem zweiten Urteil in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. lagen die durch die Hohe Behörde erlassenen Vorschriften über die Schrottausgleichskasse1225 zugrunde. Dabei waren für „Zukaufsschrott“ Beiträge zu entrichten  – das entsprechende „Eigenaufkommen“ der Unternehmen war dagegen von der Beitragspflicht frei. Umstritten war, ob der Schrott, der von einem Unternehmen aus dem gleichen Konzern stammt, als Eigenaufkommen oder Zukaufsschrott einzustufen ist. Im ersten S. N. U. P. A. T.-Urteil entschied der EuGH, dass der Konzernschrott als Zukaufsschrott anzusehen sei.1226 Allerdings hatte das mit der Abwicklung betraute gemeinsame Büro der Schrottverbraucher bei den Unternehmen Breda und ­Hoogovens 1956 beschlossen, denjenigen Schrott als Eigenaufkommen freizustellen, den einige andere, mit den beiden Unternehmen örtlich zusammengeschlossene Firmen an diese lieferten. S. N. U. P. A. T., die Klägerin, forderte nun die Hohe Behörde auf, auch diese Freistellungen aufzuheben und die allen anderen Schrottverbrauchern abverlangten Beträge neu zu berechnen. Dies erfolgte durch die Hohe Behörde jedoch nicht, woraufhin S. N. U. P. A. T. Untätigkeitsklage beim EuGH erhob. Nachdem der EuGH festgestellt hatte, dass die den Unternehmen Breda und Hoogovens gewährten Freistellungen rechtswidrig waren, musste er weiter darüber entscheiden, ob diese rückwirkend zurückgenommen werden konnten. Er statuierte zunächst allgemeine Grundsätze für die Rücknahme von rechtswidrigen Beschlüssen1227, stellte dann aber fest, dass hier ein Sonderfall vorliege: Es handele sich nicht nur um die Rücknahme eines rechtswidrigen Beschlusses, der aufgrund (sonstiger) formeller oder materieller Fehler rechtswidrig sei, sondern der Beschluss sei gerade wegen defizitärer Angaben rechtswidrig. Denn die Betroffenen hatten fälschlicherweise angegeben, dass der bei ihnen angelieferte Schrott lediglich aus Tochterunternehmen stammte; in Wirklichkeit wurde auch Schrott aus Fremdfirmen verarbeitet. Damit beschäftigte sich der EuGH zum ersten Mal mit der Frage einer Rücknahme von rechtswidrigen Beschlüssen, die auf defizitären Angaben des Betroffenen beruhten. Er analysierte die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und stellte fest, dass nach allen Rechtsordnungen ein Verwaltungsakt, der auf defizitären Angaben beruht, aufgehoben werden darf, selbst wenn er im Übrigen rechtmäßig ist.1228 Nach den Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten sei dann sogar eine Rück-

1225 Diese wurde eingerichtet durch Art. 2 der Entscheidung 22/54 der Hohen Behörde vom 26.3.1954, ABl. 1954, S. 286. Näher dazu siehe S. 282 ff. 1226 EuGH, Urteil vom 17.7.1959 – verb. Rs. 32/58 und 33/58 – Slg. 1958/59, 289 – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1227 Vgl. im Rahmen von Fallgruppe 2, siehe S. 308 ff. 1228 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

nahme ex tunc zulässig.1229 Er erkannte damit auf dem Wege der Rechtsvergleichung aus einem Grundsatz des Verwaltungsrechts der Mitgliedstaaten der Union einen Grundsatz des Verwaltungsrechts der Union. Dieser Rechtsgrundsatz  – ein Beschluss, der auf defizitären Angaben beruht, kann ex tunc aufgehoben werden – war somit geboren und hat fortan seinen Platz im System des Eigenverwaltungsrechts der Union.1230 Dabei ist bemerkenswert, dass der EuGH in Bezug auf diese Fallgruppe keinerlei weitere Tatbestandsmerkmale vorsieht, etwa dass die Rücknahme lediglich innerhalb einer bestimmten Zeitspanne möglich ist, so aber § 48 Abs. 4 (L)VwVfG. (2) Anwendbarkeit der Rechtsprechung im Rahmen der REACH-VO Betrachtet man allerdings die diesem Urteil zugrunde liegende Fallkonstel­lation genauer, kann die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf Fälle der Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen durchaus in Zweifel gezogen werden. In der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II1231 wurde aufgrund der unrichtigen Information, der Angabe, dass es sich bei dem in den Dossiers als Schrott aus Tochterfirmen angegebenen Material um Schrott aus Fremdfirmen handelte, die Freistellung erteilt. Bei einer richtigen Angabe wäre dies nicht geschehen. Damit war die Falschangabe kausal für die Erteilung der Freistellung, des Beschlusses.1232 Im Fall von REACH könnte man aber argumentieren, dass Basis für den Erlass des Registrierungsbeschlusses nicht die Angaben im Registrierungsdossier an sich, sondern das Registrierungsdossier selbst sei. Die Sperre des Art. 5 ­REACH-VO 1229 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1230 Vgl. etwa das Urteil in der Rechtssache Hoogovens, EuGH, Urteil vom 12.7.1961  – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (544 f.) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/ Hohe Behörde. Vgl. auch EuGH, Urteil vom 17.4.1997 – Rs. C-90/95 P – Slg. 1997, I-1999 (Rn. 37) – Henri de Compte/Parlament; EuG, Urteil vom 12.9.2007 – Rs. T-25/04 – Slg. 2007, II-3121 (Rn. 95 ) – González y Díez/Kommission; GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu Rs. 14/61 – Slg. 1965, 558 (573) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; GA Roemer, Schlussanträge vom 6.5.1965 zu Rs. 111/63 – Slg. 1965, 894 (936) – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde. 1231 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1232 Diese Ursächlichkeit wird auch im geschriebenen Sekundärrecht gefordert. So verlangt – der mittlerweile aufgehobene – Art. 8 EWG-Kartellverordnung, dass die Freistellung auf den unrichtigen Angaben „beruht“. Auch in diesem Fall muss Kausalität zwischen den unrichtigen Angaben und dem Handeln der Kommission bestehen, Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EWGKartellrecht, 3. Aufl., 1978, Art. 8 VO Nr. 17/62 Rn. 13. Auch nach § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 (L) VwVfG ist nach h. M. Kausalität zwischen den unrichtigen Angaben und der Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts erforderlich, Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Aufl., 2013, § 48 VwVfG Rn. 116; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 48 VwVfG Rn. 154.

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hebt sich nicht auf, wenn vollständige und richtige Angaben getätigt werden, sondern dann, wenn ein Registrierungsdossier eingereicht wird. Auf die dort enthaltenen Informationen kommt es zunächst nicht an. Die Kausalität zwischen Falschangabe und Erlass des Beschlusses würde somit fehlen. Untersucht man das Registrierungsverfahren aber näher, ergibt sich, dass eine rechtmäßige Registrierung zunächst die Vollständigkeit des Dossiers voraussetzt. Unvollständige Registrierungen werden nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3 und UAbs. 4 REACH-VO abgewiesen. Gleichzeitig soll eine Registrierung nur dann erfolgen, wenn ein qualitativ ausreichendes Registrierungsdossier eingereicht wurde; die Pflichtenstellung des Registranten umfasst nicht nur die Einreichung eines Registrierungsdossiers per se, sondern die Einreichung eines quantitativ und qualitativ hinreichenden Registrierungsdossiers. Lediglich bei derartigen Registrierungsdossiers soll ein positiver Registrierungsbeschuss ergehen. Die ECHA wird nur dann die Registrierung erteilen, wenn sie zu wissen glaubt, dass das der Registrierung zugrunde liegende Dossier vollständig und in compliance ist, in Bezug auf jede Angabe im Dossier. Jede defizitäre Angabe ist somit kausal für den Erlass der Registrierung. Denn wüsste die ECHA, dass eine Angabe defizitär ist, würde sie ein Nachbesserungsverfahren einleiten. Zwischen dem Vorliegen von Registrierungsdossiers mit defizitären Informationen und dem Erlass des Registrierungsbeschlusses besteht somit ein Kausalzusammenhang. Daher kann der durch S. N. U. P. A. T. II1233 entwickelte Rechtsgrundsatz auch im Rahmen der Rücknahme einer Registrierung aus der REACH-VO Anwendung finden. (3) Zwischenergebnis Die Entscheidung S. N. U. P. A. T. II1234 begründet den ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Eigenverwaltungsrechts, dass die Rücknahme von Beschlüssen, die aufgrund defizitärer Angaben ergangen sind, sogar ex tunc möglich ist. Dieser Rechtsgrundsatz kann auf die Fallkonstellation eines dauerhaft qualitativ defizitären Registrierungsdossiers übertragen werden.

1233

EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1234 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

bb) Tatbestandliche Reichweite des Grundsatzes: Keine Beschränkung der Rücknahmebefugnis auf bestimmte Angaben im Registrierungsdossier Daneben stellt sich die Frage nach der Wichtigkeit der quantitativ oder qualitativ unzureichenden Information im Registrierungsdossier. Denn – so könnte man aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip argumentieren – nicht jede kleine Unrichtigkeit darf im (im Extremfall knapp 10 000 Angaben umfassenden) Registrierungsdossier die Rücknehmbarkeit des Registrierungsdossiers begründen. Eine Rücknahme aufgrund einer geringen Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit im eigentlichen Sinne könnte unverhältnismäßig sein. Im – strukturell ähnlichen – § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 (L)VwVfG des deutschen Verwaltungsrechts wurde das Verhältnismäßigkeitsprinzip insofern aufgenommen, als dass die defizitären Angaben in wesentlicher Beziehung unrichtig sein müssen. Dies bedeutet, dass die betroffene Angabe im dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Antragsformular wesentlich sein muss, somit als Entscheidungsgrundlage für den Erlass des begehrten Verwaltungsakts durch die Behörde von zwingender Bedeutung.1235 Dies kann auch nicht anders bei der Aufhebung von Beschlüssen gelten  – bezeichnenderweise nimmt der EuGH bei der Entwicklung dieses Rechtsgrundsatzes wieder Bezug auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.1236 In der Entscheidung in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II war die Herkunft des Schrotts eine wesentliche, ja geradezu die entscheidende Angabe in der Freistellung gewesen – sie war als Entscheidungsgrundlage für die Schrottausgleichskasse un­ bedingt erforderlich und ihre Fehlerhaftigkeit führte gleichzeitig zur Rücknehmbarkeit der Freistellung.1237 Insofern muss ermittelt werden, ob es im Registrierungsdossier Angaben geben kann, die für die Annahme der Registrierung unwesentlich sind oder umgekehrt, ob die Rücknahme der Registrierung nicht im Rahmen jeder defizitären Angabe möglich ist. Damit würde vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips der Grundsatz der Rücknehmbarkeit eines Registrierungsbeschlusses wegen defizitärer Angaben sachlich nur auf bestimmte Teile des Registrierungsdossiers beschränkt sein.

1235

Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 8. Aufl., 2009, Rn. 814. EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1237 Die Anforderung, dass die unvollständigen oder unrichtigen Informationen wesentlich sein mussten, findet sich auch in der weiteren Rechtsprechung des EuGH, etwa EuGH, Urteil vom 24.2.2002 – Rs. C-500/99 P – Slg. 2002, I-867 (Rn. 90) – Conserve Italia/Kommission; EuG, Urteil vom 28.1.2004  – Rs. T-180/01  – Slg. 2004, II-369 (Rn.  112)  – Euroagri/Kom­ mission; ebenso wie im Sekundärrecht, etwa Art. 9 EU-Beihilfenverfahrensverordnung. 1236

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Allerdings wird die Wesentlichkeit einer Angabe im Registrierungsdossier gegenüber dem Registranten bereits allein dadurch bekundet, dass diese Angabe einen Grund für die ECHA darstellt, Informationen nachzufordern nach Art. 41 Abs.  3 REACH-VO bzw. das Dossier unvollständig ist nach Art.  22 Abs.  3 REACH-VO in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 und UAbs. 2 REACH-VO. Damit existieren keine unwesentlichen Angaben im Registrierungsdossier, deren Fehlen oder Unrichtigkeit dennoch nicht die ECHA zur Aufhebung befugt. Denn wären sie unwesentlich, wäre nicht nachvollziehbar, warum die ECHA gerade zur Überprüfung und Korrektur dieser Angaben ein Verfahren einleitet, das für sie wie für den Betroffenen gegebenenfalls erhebliche zeitliche und sonstige, insbesondere finanzielle Ressourcen bindet. Compliance check und die sich eventuell daran anschließende Rücknahme von Registrierungen bedingen sich somit und stimmen in ihrem Anwendungsbereich überein. Damit lässt sich konstatieren, dass eine sachliche Begrenzung der Rücknahme einer Registrierung wegen defizitärer Angaben im Bereich der im compliance check festgestellten Fehler nicht besteht. Der Bestand an möglichen Fehlern im Registrierungsdossier, die im compliance check festgestellt wurden und zu einem dauerhaft defizitären Registrierungsdossier führen, und der Bestand an möglichen Fehlern im Registrierungsdossier, die dann die Möglichkeit einer Rücknahme der Registrierung ermöglichen, ist deckungsgleich. In diesem Bereich findet der „Wesentlichkeitsvorbehalt“ keinen gesonderten Anwendungsspielraum als Filter – die REACH-VO selbst sieht die im compliance check zu überprüfenden Angaben als wesentlich an. cc) Tatbestandliche Reichweite des Grundsatzes: Rücknahme unabhängig vom Verschulden der defizitären Angaben beim Betroffenen möglich Betrachtet man Rechtsprechung und Literatur zu § 48 Abs.  2 S.  3 Nr.  2 (L) VwVfG – gegebenenfalls in Verbindung mit § 48 Abs. 3 S. 2 (L)VwVfG – stößt man beinahe zwangsläufig auf das Problem, ob das Tätigen von Falschangaben zusätzlich ein Verschulden des Betroffenen erfordert.1238 1238 Siehe nur BVerwG, Urteil vom 8.12.1961  – IV C 355.58  – DVBl. 1962, 562 (562 f.); BverwG, Urteil vom 14.8.1986 – 3 C 9.85 – BVerwGE 74, 357 (364); BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 – 9 C 255/86 – BVerwGE 78, 139 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 48 VwVfG Rn. 154; Schäfer, in: Fritz/Obermayer (Hrsg.), Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 1999, § 48 VwVfG Rn. 65; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 2013, § 48 VwVfG Rn. 33. Kritisch etwa die Kommentierung von Ramsauer (Fn. 1232), § 48 VwVfG Rn. 119, insbesondere Fn. 261: „sehr zweifelhaft“; für zumindest leichtes Verschulden VGH München, Urteil vom 8. August 1986 – 11 B 84 A.1775 – BayVBl. 1987, 696 (696); für eine Berücksichtigung im Rahmen einer Abwägung nach S. 1 Erfmeyer, Der Vertrauensausschluss bei „Erwirkung“ eines rechtswidrigen Verwaltungsakts durch den Begünstigten (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1 und 2 VwVfG), DÖV 1997, 629 (634 ff.).

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Diese Frage kann auch im Eigenverwaltungsrecht nicht ausgeblendet werden – inwiefern eine Differenzierung nach dem subjektivem Element des Betroffenen erfolgen muss, ob es eine Rolle spielen kann, wenn Angaben im Registrierungsdossier vorsätzlich, fahrlässig oder schuldlos in defizitärer Weise erfolgt sind. (1) Ausgangspunkt: Die Rechtsprechung des EuGH Der EuGH spricht in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II ohne Differenzierung nach einem subjektiven Element lediglich von defizitären Angaben des Begünstigten.1239 Weitere Ausführungen fehlen. Daher scheint es, dass der EuGH eine Differenzierung nach Vorwerfbarkeit der defizitären Angaben dort nicht trifft. Bei einer genauen Analyse des Sachverhalts der Entscheidung1240 stellt sich heraus, dass der Schrott, der zwei niederländischen Stahlwerken geliefert worden war, nicht ausschließlich von Tochtergesellschaften stammte, wie es die beiden Unternehmen angegeben hatten, sondern auch von anderen Unternehmen bezogen wurde.1241 Es ist somit wahrscheinlich, dass die Unternehmen wussten, dass ihre Angaben unrichtig waren, sie somit bewusst falsche Angaben tätigten. Dann müsste aber die Formulierung des EuGH einschränkend ausgelegt werden – eine Rücknahme ex tunc ist bei schuldhaft defizitären Angaben zulässig; genau diese Aussage lässt sich anhand der Konstellation in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II1242 treffen. Dafür spricht vor allem, dass der Gerichtshof die Aussage, rechtswidrige Entscheidungen seien widerruflich, wenn sie auf defizitären Angaben beruhten, darauf stützt, dass die Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten in einem solchen Fall den rückwirkenden Widerruf stets zulassen.1243 Das trifft aber nicht zu – vielmehr nehmen die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu diesem Zeitpunkt übereinstimmend lediglich die Widerruflichkeit von Entscheidungen an, die auf bewusst defizitären Angaben beruhen.1244 Eine eindeutige Position in dieser Frage bezog der EuGH erst in neuerer Zeit1245 und stellte fest, dass eine Rücknahme ex tunc eines begünstigenden rechtswid 1239

EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1240 In der Literatur lediglich Wiesner, Der Widerruf individueller Entscheidungen der Hohen Behörde der EGKS, 1966, S. 63. Auf den S. 94 ff., insbesondere S. 101, vergleicht Wiesner dahin gehend nochmals die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. 1241 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1242 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1243 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1244 Wiesner (Fn. 1240), S. 63. 1245 EuGH, Urteil vom 24.2.2002 – Rs. C-500/99 P – Slg. 2002, I-867 (Rn. 90) – Conserve Italia/Kommission.

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rigen Beschlusses dann zulässig sei, wenn dem die Grundsätze von Rechtssicherheit und berechtigtem Vertrauen nicht entgegenstünden.1246 Dieser Rechtssatz habe sich aus der Rechtsprechung aus solchen Fällen entwickelt, bei denen der durch den Beschluss Begünstigte zur Rechtswidrigkeit nichts selbst beigetragen habe.1247 Habe aber der Betroffene zur Rechtswidrigkeit beigetragen, dann sei erst recht eine Rücknahme ex tunc möglich.1248 Vor dem Hintergrund, dass der EuGH hier also lediglich von Kausalität, nicht aber von Verschulden ausgeht, scheint er nicht nach Letzterem differenzieren zu wollen. Vielmehr zielt seine Formulierung in eine ähnliche Richtung wie die Argumentation bei § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 (L)VwVfG. Ausreichend ist, dass die Ursache für die fehlerhafte Angabe in der Sphäre des Betroffenen liegt.1249 Bekräftigt wurde diese Linie in der Entscheidung Euroagri1250 des EuG. Dort lagen Angaben des von der Rücknahme Betroffenen zum Erhalt eines Zuschusses vor. Diese Angaben stimmten aber mit der Wirklichkeit nicht überein. Auch in diesem Fall spielte es keine Rolle, dass versichert wurde, dass der Betroffene kein Verschulden an den falschen Angaben trug – die Tatsache an sich sah das EuG als ausreichend an, um die Möglichkeit einer Rücknahme ex tunc zu eröffnen.1251 (2) Im Vergleich: Das geschriebene Sekundärrecht Der besondere Rücknahmegrund, das Vorliegen von in wesentlicher Hinsicht defizitären Angaben, die mit dem Erlass des Beschlusses kausal sind, ist in der Folgezeit nach dem Urteil in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II1252 auch Bestandteil des geschriebenen Sekundärrechts geworden. Auch dort findet sich der Grundsatz, dass das Verschulden bei defizitären Angaben für das „Ob“ einer Rücknahme keine Bedeutung hat.

1246

Dazu auch unten Fallgruppe 2, siehe S. 308 ff. EuGH, Urteil vom 24.2.2002 – Rs. C-500/99 P – Slg. 2002, I-867 (Rn. 90) – Conserve Italia/Kommission. Er nennt dabei u. a. EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; EuGH, Urteil vom 3.3.1982  – Rs.  14/81  – Slg. 1982, 749  – Alpha Steel/Kommission; EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. 1248 EuGH, Urteil vom 24.2.2002 – Rs. C-500/99 P – Slg. 2002, I-867 (Rn. 90) – Conserve Italia/Kommission. 1249 Hatje (Fn.  242), S.  273 f.; Hatje, in: Schwarze (Fn.  587), S.  223 (228); Ramsauer (Fn. 1232), § 48 VwVfG Rn. 100. 1250 EuG, Urteil vom 28.1.2004 – Rs. T-180/01 – Slg. 2004, II-369 (Rn. 112) – Euroagri/Kommission. 1251 Kritisch sieht diese Rechtsprechung Craig, der zumindest in der Abwägung die Frage nach dem Verschulden berücksichtigt sehen will, Craig (Fn. 217), S. 558. 1252 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1247

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So war es beispielsweise im – mittlerweile aufgehobenen – Art. 8 Abs. 3 EWGKartellverordnung für den Widerruf einer Kartellgenehmigung nicht notwendig, dass Angaben arglistig unrichtig erfolgt sind; vielmehr ist auch bei der schuldlosen und unwissentlichen Vornahme falscher Angaben gemäß Art. 8 Abs. 3 S. 2 EWG-Kartellverordnung ein Widerruf ex tunc möglich.1253 Auch im Rahmen der Nachfolgeverordnung, der Kartellverordnung, kann die Europäische Kommission das Verfahren aufgrund einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81, 82 EGV (heute Art.  101, 102 AEUV) trotz einer Verpflichtungszusage der Unternehmen nach Art. 9 Abs. 1 Kartellverordnung wieder aufnehmen, wenn sich herausstellt, dass die Entscheidung, die Verpflichtungszusage als bindend zu akzeptieren, nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) Kartellverordnung auf unvollständigen, unrichtigen oder irreführenden Angaben beruht. Ein Verschuldenserfordernis ist nicht normiert. Im Fusionskontrollrecht sind solche Regelungen in Art. 6 Abs. 3, 8 Abs. 6 EG-Fusionskontrollverordnung normiert. Im Beihilferecht existiert Art. 9 EG-Beihilfenverfahrensordnung, nach dem eine Beihilfe aufgehoben werden kann, wenn wesentliche für die Entscheidung der Gewährung ausschlaggebende übermittelte Informationen unrichtig waren. Bereits aus diesem kursorischen Querschnitt des geschriebenen Sekundärrechts lässt sich feststellen, dass es auch dort nicht auf die Vorwerfbarkeit von defizitären Angaben ankommt. Regelmäßig ist eine Rücknahme ex tunc auch bei schuldlos defizitären Angaben möglich. (3) Zusammenfassung Das Verschulden des Betroffenen an der Defizität der Angaben spielt somit im Rahmen des „Ob“ der Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses der ECHA, der aus diesen Gründen zurückgenommen werden kann, keine Rolle. Die Wurzel dieses Rechtsgrundsatzes, die Möglichkeit, rechtswidrige Beschlüsse, die auf defizitären Angaben beruhen, zurückzunehmen, geht vom Urteil in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II1254 aus. In dieser Rechtssache stellte der EuGH nicht ausdrücklich dar, dass hier im Raum stand, dass die beteiligten Unternehmen absichtlich falsche Angaben getätigt hatten, dies ergibt sich allerdings aus dem Sachverhalt wie auch aus dem Destillat des vom EuGH vorgenommenen Rechtsvergleichs. In der weiteren Rechtsprechung beziehen jedoch EuGH und EuG Stellung  – und differenzieren hierbei nicht hinsichtlich des Verschuldens des Betroffenen für die defizitären Angaben. Dieser besondere Rücknahmegrund ist nicht nur als ungeschriebener allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt, sondern auch in verschiedenen Vorschriften im geschriebenen Sekundärrecht posi­ 1253

Gleiss/Hirsch (Fn. 1232), Art. 8 VO Nr. 17/62 Rn. 12. EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (173) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1254

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tiviert.1255 Regelmäßig wird auch dabei nicht nur Arglist, sondern auch die schuldlose, unwissentliche Angabe von defizitären Informationen als Rücknahmegrund für eine Rücknahme ex tunc genannt. Der Rücknahmegrund findet sich in nahezu jedem Bereich des Sekundärrechts, insofern wird eine Deduktion des heutigen geschriebenen Sekundärrechts vor dem Hintergrund des Fehlens einer eindeutigen Aussage in der Rechtsprechung des EuGH dazu führen, dass die subjektive Vorwerfbarkeit in diesem Rahmen keine Rolle spielen kann; ebenso wie nach der Rechtslage im deutschen Recht. Damit findet der Rechtsgrundsatz in dieser Ausprägung auch Anwendung im Bereich des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO. Denn auch dort gilt, dass das in den Bestand der Registrierung entstandene Vertrauen nicht schutzwürdig ist, da der Fehler innerhalb der Registrierung durch vorwerfbares Verhalten, durch defizitäre Angaben entstanden ist. Vorwerfbar ist dieses Verhalten insofern, als dass es im Verantwortungsbereich des Betroffenen liegt,1256 vollständige und richtige Angaben zu machen – denn diese fordert die REACH-VO von ihm. Der Fehler ist mithin im Verantwortungsbereich des Betroffenen zu suchen, somit konnte kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen. Eine Rücknahme ex tunc einer Registrierung, die auf defizitären Angaben beruht, ist damit unabhängig vom Verschulden des Betroffenen zulässig.

1255

Siehe S. 277 f. Ein Sonderfall könnte allerdings dann vorliegen, wenn der Betroffene sein Registrierungsdossier nicht selbst erstellt hat. Vielfach wird mittlerweile das Erstellen von Registrierungsdossiers von externen Dienstleistern übernommen, sei es, dass diese das Registrierungsdossier insgesamt fertigen (etwa DEKRA, Praxisleitfaden, S. 4), oder auch nur in einigen strittigen Punkten Hilfe leisten. Im letzteren Fall können dies auch Rechtsanwaltskanzleien mit einer ausgewiesenen Expertise im Chemikalienrecht sein. Damit könnten Fehler und Unvollständigkeiten in den Verantwortungsbereich des Dossiererstellers, nicht aber in den des Registranten fallen. In jedem Fall jedoch wird der Registrant das Dossier einreichen oder die Einreichung veranlassen. Damit macht er sich das Registrierungsdossier zu Eigen und damit fallen – unabhängig davon, wer das Registrierungsdossier angefertigt hat – Fehler wieder in seinen Verantwortungsbereich. Bei entsprechender Fallkonstellation wird man dem Registranten sogar noch vorwerfen können, dass er das erstellte Registrierungsdossier nicht selbst noch einmal geprüft habe. Im Übrigen ist die Zurechnung des Handelns eines Vertreters oder Bevollmächtigten regelmäßig im Außenverhältnis dem Vertretenen zuzurechnen, ein allgemeiner Rechtsgedanke, der sich nicht nur im nationalen Recht, etwa in § 278 BGB (zur Anwendung dieses Grundsatzes bei § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG: VGH Mannheim, Urteil vom 31.7.1985 – 6 S 2606/83 – NJW 1986, 272 [273]; OVG Münster, Urteil vom 14.7.2004 – 10 A 4471/01 – NWVBl. 2005, 71 [74]; Ramsauer [Fn. 1232], § 48 VwVfG Rn. 114; Schäfer, in: Fritz/Obermayer [Fn. 1238], § 48 VwVfG Rn. 61; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs [Fn. 306], § 48 VwVfG Rn. 151, 156), sondern auch im europäischen Recht niedergeschlagen hat. Bei der Frage des „Obs“ einer Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses im Eigenverwaltungsrecht spielt das Verschulden defizitärer Angaben grundsätzlich keine Rolle. Damit kann sich der Betroffene auch nicht damit exculpieren, dass er gutgläubig die Dienste eines Dritten zur Hilfe bei der Registrierung angenommen hat. Auch diese Konstellation behindert das „Ob“ der Rücknahme nicht. 1256

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dd) Zwischenergebnis Eine Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen, die unter dem Mangel von defizitären Angaben im Registrierungsdossier leiden, ist grundsätzlich sogar ex tunc möglich. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betroffene das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Angaben zu verschulden hat. Ebenso wenig lässt sich der Bereich der möglichen Fehlerquellen im Registrierungsdossier in sachlicher Hinsicht dergestalt abgrenzen, dass bestimmte, unwesentliche Angaben im Registrierungsdossier existieren, die zwar dazu führen, dass das Registrierungsdossier noncompliant ist, die aber gleichzeitig nicht die Möglichkeit zur Rücknahme eröffnen. Beide Gesichtspunkte kann die ECHA allerdings im Rahmen der Ermessensentscheidung im konkreten Fall berücksichtigen.1257 Tatbestandlich genügt das Vorliegen eines Registrierungsdossiers mit defizitären Angaben. c) Rechtsfolge: Ermessen oder Pflicht der ECHA zur Rücknahme einer Registrierung Nachdem die Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses bei defizitären An­ gaben im Registrierungsdossier grundsätzlich möglich ist, sollen nun die Rechtsfolgen untersucht werden. Zum einen stellt sich die Frage, ob die ECHA eine Registrierung, die auf defizitären Angaben beruht, zurücknehmen muss oder zurücknehmen kann. Mit anderen Worten: Hat die ECHA Ermessen,1258 ob sie eine rechtswidrige Registrierung wegen defizitärer Angaben im Registrierungsdossier zurücknimmt? aa) Die Entscheidung in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II Ausgangspunkt für die Klärung dieses Problems bildet erneut die Entscheidung in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II. Dort formuliert der EuGH, dass es Aufgabe der Hohen Behörde sei, abzuwägen und zu entscheiden, ob die Freistellungen mit rückwirkender Kraft zu widerrufen sind oder nicht.1259 Der EuGH 1257

Siehe S. 300 ff. Der EuGH verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des „Rechts“ zur Rücknahme, z. B. EuGH, Urteil vom 20.6.1991 – Rs. C-248/89 – Slg. 1991, I-2987 (Rn. 20) – Cargill/Kommission; EuGH, Urteil vom 20.6.1991 – Rs. C-365/89 – Slg. 1991, I-3045 (Rn. 18) – Cargill/ Produktschap voor Margarine, Vetten en Olië; EuGH, Urteil vom 17.4.1997 – Rs. C-90/95 P – Slg. 1997, I-1999 (Rn. 37) – Henri de Compte/Parlament. Daneben findet sich auch die Wendung „aufheben können“, EuG, Urteil vom 20.11.2002 – Rs. T-251/00 – Slg. 2002, II-4825 (Rn.  138)  – Lagardère SCA u. a./Kommission, und „aufheben dürfen“, EuGH, Urteil vom 1.6.1961 – Rs. 15/60 – Slg. 1961, 241 (259) – Gabriel Simon/Gerichtshof. 1259 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (174) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1258

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lässt der Behörde hier also einen Ermessensspielraum, über die Rücknahme eines Beschlusses zu entscheiden. Allerdings differenziert er dabei nicht zwischen zwei eigentlich voneinander zu trennenden Komplexen: Zum einen: Kann oder muss eine Behörde einen begünstigenden rechtswidrigen Beschluss zurücknehmen? Hat die ECHA also ein Ermessen bei der Frage des „Ob“? Zum anderen: Hat die Behörde ein Ermessen, ob sie eine Rücknahme ex tunc oder ex nunc ausspricht? Hat die ECHA also ein Ermessen im Hinblick auf das „Wie“?1260 Die erste Frage lässt sich zumindest für die Fallkonstellation des S. N. U. P. A. T. IIUrteils klären, wenn man dazu das Nachfolgeurteil Hoogovens miteinbezieht; dort wird die Entscheidung S. N. U. P. A. T. II nochmals gewürdigt.1261 Grundsätzlich hat die Behörde Ermessen, ob sie einen Beschluss zurücknimmt.1262 Werden durch Erlass bzw. Fortbestand des Beschlusses aber Interessen Dritter verletzt, ist die Behörde verpflichtet, den Beschluss zurückzunehmen.1263 In dieser Konstellation 1260 Ebenso fehlt diese Differenzierung bei Schwarze, der in diesem Zusammenhang lediglich die Formulierung des EuGH, es sei Sache der Behörde, „diese Tatsache zu würdigen, die verschiedenen beteiligten Interessen abzuwägen und dementsprechend zu entscheiden, ob die rechtswidrigen Freistellungen mit rückwirkender Kraft zu widerrufen sind oder nicht“, aus EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (174) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde, wörtlich übernimmt und nun lediglich vom „Ermessen der Behörde“, Schwarze (Fn. 233), S. 966, spricht. 1261 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (543) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. Der EuGH würdigt im Rahmen des Urteils Hoogovens nochmals die Entscheidung S. N. U. P. A. T. II und stellt dabei einige seiner Aussagen in diesem Urteil nochmals deutlich dar. Dennoch liegt die Wurzel seiner Argumentation gerade im Bereich der voraussetzungslosen Rücknahme ex nunc damit im Urteil S. N. U. P. A. T. II und nicht im Urteil Hoogovens, wie etwa von Schwarze (Fn. 233), S. 972, S.  974, angenommen: „eine Bestätigung der vom EuGH im Urteil Hoogovens entwickelten Grundsätze“. Der EuGH stellt dort aber lediglich S. N. U. P. A. T. II nochmals dar, um dann auf dieser Entscheidung seine Argumentation in der Rechtssache Hoogovens aufbauen zu können. Die entscheidenden Aussagen werden damit im Urteil S. N. U. P. A. T. II getroffen und lediglich im Rahmen von Hoogovens verdeutlichend dargestellt. Daher sind diese Aussagen nicht dem Urteil in der Rechtssache Hoogovens, sondern S. N. U. P. A. T. II zuzuordnen. 1262 Eine gegenteilige Ansicht in der Literatur, Triantafyllou (Fn.  239), 436 (437), legt ein falsches Verständnis des Urteils EuGH, Urteil vom 6.5.1982 – verb. Rs. 146/83, 192/83 und 193/83 – Slg. 1982, 1502 (Rn. 30) – BayWa/Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung, zugrunde. Die dort vom EuGH angemahnte Rücknahmepflicht bezieht sich auf die Konstellation indirekten Vollzugs. Dieser ist aber maßgeblich durch die einheitliche und effektive Anwendung des Unionsrechts determiniert. Insofern bleibt für ein isoliertes Rücknahmeermessen der nationalen Behörden in diesem Zusammenhang kein Raum. 1263 So der EuGH sehr deutlich im Nachfolgeurteil Hoogovens, EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (543) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/ Hohe Behörde: „Diese Entscheidung verpflichtete die Hohe Behörde, die Freistellungen zurückzunehmen. Die Frage, ob die Rücknahme ex tunc oder nur ex nunc zu erfolgen hat, hat der Gerichtshof dagegen offen gelassen.“

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besteht gerade kein Ermessen im Hinblick auf das „Ob“.1264 Die Behörde hat lediglich Ermessen, wie sie die Rücknahme ausgestalten will, als Rücknahme ex tunc oder ex nunc (und zwar sowohl im Fall der Drittbetroffenheit als auch bei einem Beschlusses, der lediglich im Verhältnis zwischen Behörde und Bürger wirkt). Zumindest eine Rücknahme ex nunc wird in dieser Konstellation stets erfolgen müssen. Diese Rechtsansicht behält der EuGH auch in weiteren Entscheidungen bei und etabliert ihn somit als allgemeinen Rechtsgrundsatz.1265 bb) Folgerungen für die Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen Damit steht der ECHA grundsätzlich Ermessen bei der Frage zu, ob sie rechtswidrige Registrierungsbeschlüsse zurücknimmt. Allerdings könnten Interessen Dritter dergestalt betroffen sein, dass stets eine Ermessensreduktion auf Null stattfindet und damit eine Rücknahme – zumindest in jedem Fall ex nunc – stattfinden muss. In der Entscheidung in der Rechtssache Hoogovens1266 lag dies, betrachtet man die Konstruktion der Schrottausgleichskasse, nahe. Dort konnte man davon ausgehen, dass rechtswidrige Beitragsbescheide gleichzeitig die Rechte der anderen an der Schrottausgleichskasse beteiligten Unternehmen verletzen: Die Schrottausgleichskasse sollte eine ausreichende Versorgung der europäischen Stahlunternehmen mit Schrott zu angemessenen Preisen garantieren. Dazu wurden für aus Drittländern eingeführten Schrott Beihilfen gezahlt, um so die Preise für Einfuhrschrott künstlich niedrig zu halten. Die Mittel, die für diese Beihilfen erforderlich waren, wurden durch eine Umlage auf alle Schrott verbrauchenden Stahlhersteller erbracht, berechnet an der Menge des Zukaufsschrottes, also des Schrottes, den das jeweilige Unternehmen bei Dritten aufkaufte. Wesentlich ist dabei, dass der gesamte Beihilfebedarf auf die Unternehmen umgelegt wurde, d. h. jede Freistellung führte dazu, dass andere Unternehmen mehr belastet wurden; damit war es den Unternehmen auch möglich, gegen Freistellungen Dritter zu klagen, da sie durch diese in ihren eigenen Rechten belastet waren.1267 Es handelt sich also dort 1264

Diesen Fall übersieht Schroeder (Fn. 378), S. 122. EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893 (911)  – Lemmerz-Werke/ Hohe Behörde: „rechtswidrige Entscheidungen kann die Behörde selbst rückwirkend zurücknehmen […] worüber zunächst die Hohe Behörde zu befinden hat, die dabei aber der Nachprüfung durch den Gerichtshof unterliegt.“ Ähnlich EuGH, Urteil vom 16.6.1966 – Rs. 54/65 – Slg. 1966, 529 (545) – Compagnie des forges de Châtillon, Commentry & Neuves-Maisons/ Hohe Behörde: „Die Hohe Behörde kann Entscheidungen auch mit rückwirkender Kraft widerrufen.“ 1266 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1267 Insofern führte die Schrottausgleichskasse zu nicht weniger als 147 Rechtsstreitigkeiten, Kutscher, Der Gerichtshof in Luxemburg. Das unbekannte Organ der Europäischen Gemeinschaften, Sonderbeilage 2/84 zu WM 1984, S. 5. Siehe im hier interessierenden Zusammen 1265

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um einen Mechanismus, bei dem jeder Verstoß eines Unternehmens unmittelbar die anderen Unternehmen belastet. Hier könnte eine Parallele zur Situation unter REACH naheliegen: Denn ein Unternehmen, das mit einem defizitären Registrierungsdossier die Sperre des Art. 5 REACH-VO überwindet, kann seine chemischen Stoffe wirtschaftlich nutzbar machen. Dabei steht es im Vorteil zu anderen Chemikalienherstellern, die unter Umständen einen höheren Aufwand hatten, zeitlich wie finanziell, um ein rechtmäßiges Registrierungsdossier einzureichen. Dieser höhere Aufwand könnte dann dazu führen, dass deren Chemikalien zu einem höheren Preis angeboten werden müssen.1268 Jedenfalls werden bei gleichem Marktvolumen mehr Anbieter auf dem Markt sein, mit entsprechenden Folgen für die Marktanteile der einzelnen Unternehmen. Damit scheinen bei unbefangener Betrachtungsweise Interessen Dritter betroffen zu sein. Diese Betrachtungsweise geht aber an der Konstellation in der Rechtssache Hoogovens vorbei. Ob der Betroffene durch seine Handlung einen Wettbewerbsvorteil erlangt hat, ist als ein Faktor in die Abwägung mit einzustellen, determiniert allerdings grundsätzlich keine Ermessensreduktion auf Null.1269 Das Interesse eines Dritten muss sich hingegen auf einen unmittelbaren Nachteil ihm gegenüber beziehen, der eine Position angreift, die durch die Rechtsordnung geschützt ist. Eine solche Position könnte sich am Wettbewerb durch den präventiven Erlaubnisvorbehalt der REACH-VO ergeben, der für die Herstellung oder Einfuhr eines chemischen Stoffes eine vorherige Registrierung verlangt. Allerdings dient diese Regelungsstruktur, die sich aus Art. 5 REACH-VO als generelle Sperre und den Öffnungsregelungen des Art. 6, 7, 21 und 23 REACH-VO zusammensetzt, weder ursächlich noch mittelbar dem Schutz der Wettbewerber vor neuen Konkurrenten. Vielmehr stellen sie einen Baustein der Strategie der REACH-VO dar, das Ziel von REACH zu erreichen, den Schutz der Umwelt und des Menschen vor den Gefahren chemischer Stoffe.1270 Ein rechtlich geschütztes Interesse für einen Wettbewerber lässt sich daraus nicht entnehmen. Eine andere Möglichkeit stellt der Rückgriff auf das Primärrecht dar: So könnte sich aus Art.  16 EU-GRCharta ein Recht auf Schutz vor Konkurrenz herleiten, hang nur EuGH, Urteil vom 17.7.1959  – verb. Rs.  32/58 und 33/58  – Slg. 1958/59, 289  – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (174) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 12.7.1961  – Rs.  14/61  – Slg. 1962, 511 (543)  – Koninklijke Nederlandsche­ Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893 (911) – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde. 1268 Siehe dazu auch Fn. 95. 1269 So auch der EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (545 f.) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1270 Zu den Zielen der REACH-VO siehe S. 38 ff.

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jedenfalls dann, wenn diese Konkurrenz sich rechtswidrige Vorteile im Wettbewerb verschafft. Ein Rückgriff auf dieses Grundrecht erscheint auch insofern nicht fernliegend, als dass sich die REACH-VO mit Art. 95 EGV1271 auf die Kompetenz der EU in Wirtschaftsangelegenheiten stützt und ausweislich Art.  1 REACH-VO auch dem Ziel dienen soll, den Wettbewerb zu schützen. Art.  16 EU-GRCharta schützt umfassend die wirtschaftliche Betätigung und bündelt damit die in der Rechtsprechung des EuGH bislang formulierten Einzelgewährleistungen.1272 Diese umfassen unter anderem die Freiheit, jede selbstständige wirtschaftliche Betätigung ohne Rücksicht auf Art und Umfang, Rechtsform oder Finanzierung des Unternehmens zu ergreifen, auszuüben oder zu beenden.1273 Umfasst ist des Weiteren etwa die Vertragsfreiheit1274 sowie die Wettbewerbsfreiheit.1275 Damit unterstehen unternehmerische Interessen grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 16 EU-GRCharta – allerdings kann sich ein Unternehmen nicht auf die Beibehaltung eines Vorteils berufen, der ihm bislang auf dem gemein-

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Heute Art. 114 AEUV. Bernsdorff, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl., 2011, Art. 16 EU-GRCharta Rn. 12.; Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl., 2009, § 16.3 – Grundrecht der Berufsfreiheit Rn. 9. Einen Überblick liefert Wunderlich, Das Grundrecht der Berufsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 105 ff. 1273 Bernsdorff, in: Meyer (Fn.  1272), Art.  16 EU-GRCharta Rn.  10a; Ruffert, in: Ehlers (Fn. 1272), § 16.3 Rn. 10; Schwarze, Der Schutz der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: Schwarze (Hrsg.), Europarecht, 2012, S. 429 (435 f.); aus der Rechtsprechung nur EuGH, Urteil vom 14.5.1974 – Rs. 4/73 – Slg. 1974, 491 (Rn. 14) – J. Nold, Kohlen- und Baustoffgroßhandlung/Kommission; EuGH, Urteil vom 7.2.1985 – Rs. 240/83 – Slg. 1985, 531 (Rn. 9) – Procureur de la République/Association de défense des brûleurs d’huiles usagées. 1274 Bernsdorff, in: Meyer (Fn. 1272), Art. 16 EU-GRCharta Rn. 12; Schwarze, in: Schwarze (Fn.  1273), S.  429 (437 f.); aus der Rechtsprechung etwa EuGH, Urteil vom 16.1.1979  – Rs.  151/78  – Slg. 1979, 1 (Rn.  20)  – Sukkerfabriken Nykøbing Limiteret/Landwirtschaftsministerium; EuGH, Urteil vom 10.7.1991 – verb. Rs. C-90/90 und C-91/90 – Slg. 1991, I-3617 (Rn. 13) – Jean Neu u. a./Secrétaire d’Etat à l’Agriculture et à la Viticulture; EuGH, Urteil vom 5.10.1999 – Rs. C-240/97 – Slg. 1999, I-6571 (Rn. 99) – Königreich Spanien/Kommission. 1275 Bernsdorff, in: Meyer (Fn.  1272), Art.  16 EU-GRCharta Rn.  14. Dennoch bleibt ihre genaue rechtliche Einordnung, ob als objektiv-rechtlicher Grundsatz oder ausgestaltet mit subjektiv-rechtlichem Einschlag, kritisch. Der EuGH vermied bislang, sich dazu zu äußern (Gelegenheit hätte er etwa sowohl in EuGH, Urteil vom 21.5.1987  – verb. Rs.  133/85 bis 136/85  – Slg. 1987, 2289  – Walter Rau Lebensmittelwerke u. a./Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung, wie auch in EuGH, Urteil vom 5.10.1994  – Rs.  C-280/93  – Slg. 1994, I-4973 [Rn. 62] – Deutschland/Rat der Europäischen Union, gehabt). Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung der Wettbewerbsfreiheit in der Entstehung und Gestaltung der Union sollte man sie zumindest auf Schutzbereichsebene nicht leichtfertig ausschließen, Ruffert, in: Ehlers (Fn. 1272), § 16.3 Rn. 13; Günter, Berufsfreiheit und Eigentum in der Europäischen Union, 1998, S.  19 f.; sich schwertuend mit Tendenz zur Einordnung als Grundrecht Wunderlich (Fn.  1272), S.  109; ebenso kritisch Schwarze, in: Schwarze (Fn.  1273), S. 429 (438). 1272

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samen Markt zugute gekommen ist.1276 Die Wettbewerbsfreiheit schützt gegen staatliche Einflussnahmen im Hinblick auf die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen.1277 Reine kaufmännische Interessen oder Aussichten, deren Ungewissheit zum Wesen marktwirtschaftlicher Tätigkeit gehören, etwa der Eintritt eines neuen Konkurrenten auf dem Markt, der – auch mittels illegaler Machenschaften – andere oder billigere Produkte anbietet, begründen noch nicht per se eine grundrechtliche Schutzverpflichtung aus Art.  16 EU-GRCharta; entscheidend ist, ob nach wie vor Wettbewerb besteht und möglich ist.1278 Ob aber die rechtswidrige Registrierung eines Registranten direkt einen solchen Effekt hat, bleibt zweifelhaft. Lediglich die Bedingungen des Wettbewerbs könnten sich eventuell durch die rechtswidrige Registrierungserlaubnis eines Konkurrenten eingeschränkt haben. Dieser könnte daraufhin chemische Stoffe vermarkten, die er ansonsten nicht oder nur teurer hätte verkaufen können. Die Zulassung eines anderen Herstellers oder Importeurs hat lediglich als Reflex Einfluss auf die Wettbewerbsfreiheit der anderen Teilnehmer am Wettbewerb. Auch davon, dass durch die Zulassung eines anderen Herstellers oder Importeurs von chemischen Stoffen die anderen Wettbewerber in ihren Möglichkeiten unzumutbar einschränkt oder unerträglich geschädigt werden, kann keine Rede sein.1279 Auf der anderen 1276 Etwa EuGH, Urteil vom 27.9.1979 – Rs. 230/78 – Slg. 1979, 2749 (Rn. 22) – S.p.A. Eridiana – Zuccherifici Nazionali u. a./Minister für Landwirtschaft und Forsten u. a.; EuGH, Urteil vom 21.5.1987 – verb. Rs. 133/85 bis 136/85 – Slg. 1987, 2289 (Rn. 18) – Walter Rau Lebensmittelwerke u. a./Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung. Dort nimmt der EuGH noch nicht einmal eine grundsätzliche Öffnung des Schutzbereiches an. Kritisch dazu etwa Wunderlich (Fn. 1272), S. 116. Zumindest die Öffnung des Schutzbereiches angenommen hat der EuGH in der Rechtssache EuGH, Urteil vom 14.5.1974 – Rs. 4/73 – Slg. 1974, 491 (Rn. 12 ff.) – J. Nold, Kohlen- und Baustoffgroßhandlung/Kommission; EuGH, Urteil vom 5.10.1994  – Rs. C-280/93 – Slg. 1994, I-4973 (Rn. 81) – Deutschland/Rat der Europäischen Union; EuG, Urteil vom 11.12.1996 – Rs. T-521/93 – Slg. 1996, II-1707 (Rn. 62) – Atlanta u. a./Rat der Europäischen Union, Kommission der Europäischen Gemeinschaften; Günter (Fn. 1275), S. 22. 1277 Das Recht auf Eigentum (Art. 17 EU-GRCharta) hingegen führt nicht dazu, dass ein Wettbewerber ein Eigentumsrecht an einem Marktanteil geltend machen kann, EuGH, Urteil vom 12.7.2005 – verb. Rs. C-154/04 und C-155/04 – Slg. 2005, I-6485 (Rn. 128 m. w. N.) – Alliance for Natural Health u. a./Secretary of State for Health. 1278 EuGH, Urteil vom 14.5.1974 – Rs. 4/73 – Slg. 1974, 491 (Rn. 12 ff.) – J. Nold, Kohlenund Baustoffgroßhandlung/Kommission; EuGH, Urteil vom 21.5.1987 – verb. Rs. 133/85 bis 136/85  – Slg. 1987, 2289 (Rn.  18)  – Walter Rau Lebensmittelwerke u. a./Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung; diese Entscheidung analysierend: Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Artikel 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2008, S. 93 f.; vgl. auch Gundel, Der Schutz des Wettbewerbers im EU-Beihilfenrecht, WiVerw 2011, 242 (245). 1279 Zur vergleichbaren Argumentation im deutschen Recht BVerwG, Urteil vom 23.3.1982 – 1 C 157/79 – BVerwGE 65, 167 (174); BVerwG, Beschluss vom 20.7.1983 – 5 B 237/81 – NVwZ 1984, 306 (307); Kopp/Schenke (Fn. 763), § 42 VwGO Rn. 146. Der EuGH hingegen musste sich mit der Frage, ob auch durch nicht-normative oder mittelbare Eingriffe in die Wettbewerbsfreheit eingegriffen wird, bislang noch nicht vertieft auseinandersetzen; im Wesentlichen musste er sich mit Fällen aus dem hochgradig normativ verdichteten Agrarecht beschäftigen, Ruffert, in: Ehlers (Fn. 1272), § 16.3 Rn. 30.

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Seite erscheint es geradezu selbstverständlich, dass die Zuweisung einer unternehmerischen Freiheitssphäre auch das Zusammenspiel mit anderen Marktteilnehmern bedeutet – mit dem Risiko eines Scheiterns. Denn nur das Scheitern eines Marktteilnehmers führt zum Wachstum anderer Marktteilnehmer, nur auf dieser Basis, auf der Basis unternehmerischer Konkurrenz unter Einbeziehung kaufmännischer Risiken, kann Art. 16 EU-GRCharta überhaupt Raum erhalten.1280 Somit lässt sich auch aus Art. 16 EU-GRCharta ein solches Recht auf Schutz vor Konkurrenten nicht herleiten, auch dann nicht, wenn die Genehmigung rechtswidrig erteilt wurde. Lediglich in Konstellationen, in denen der relevante Markt für den chemischen Stoff unter wenigen Mitbewerbern aufgeteilt ist, kann eine Ausnahme vorliegen: Der Dritte muss durch die behördliche Maßnahme spürbar beeinträchtigt sein.1281 Die reine Eigenschaft als Mitbewerber genügt nicht. Vielmehr müssen bedeutende Umsatzeinbußen, Einnahmeausfälle, Verluste oder eine signifikante Verringerung des Marktanteils nachgewiesen werden.1282 Dann ist auch die Möglichkeit eines Widerspruchs nach Art. 92 Abs. 1 REACH-VO geöffnet.1283 In dieser Konstellation kann sich das Ermessen der ECHA entsprechend einschränken, sodass gegebenenfalls eine Ermessensreduktion vorliegen kann. cc) Ergebnis Grundsätzlich steht der ECHA bei der Frage, ob sie eine rechtswidrige Registrierung ex nunc zurücknimmt, Ermessen zu.1284 Dies kann sich allerdings in besonderen Einzelfällen, insbesondere bei Märkten mit vergleichsweise wenigen Mitbewerbern, anders gestalten. Dabei wird jedoch eine Prüfung im Einzelfall entscheidend sein, um diese vergleichsweise hohen Hürden zu überwinden.

1280

Schwier (Fn. 1278), S. 103. Grundlegend EuGH, Urteil vom 15.7.1963 – Rs.  25/62  – Slg. 1963, 211 (238)  – Plaumann/Kommission. 1282 Etwa EuGH, Urteil vom 22.11.2007 – Rs. C-525/04 P – Slg. 2007, I-9947 (Rn. 34 ff.) – Königreich Spanien/Kommission; EuGH, Urteil vom 22.12.2008 – Rs. C-487/06 P – Slg. 2008, I-10515 (Rn. 53) – British Aggregates Association/Kommission; EuG, Urteil vom 21.10.2004 – Rs.  T-36/99  – Slg. 2004, II-3597 (Rn.  81 ff.)  – Lenzing/Kommission; EuG, Urteil vom 13.9.2006  – Rs.  T-210/02  – Slg. 2006, II-2789 (Rn.  55 ff.)  – British Aggregates Association/Kommission; EuG, Urteil vom 11.1.2012  – T-58/10  – noch nicht in amtl. Sammlung (Rn. 46 ff.) – Phoenix-Reisen u. a./Kommission. 1283 Hofmann, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 92 REACH-VO Rn. 8 f. 1284 Dagegen geht Schroeder (Fn. 378), S. 122, von einer generellen doppelten freien Ermessensausübung der EU-Behörde sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ aus und beruft sich dabei auf GA Roemer, Schlussanträge vom 11.3.1965 zu Rs.  36/64  – Slg. 1965, 447 (472) – Société rhénane d’exploitation et de manutention (Sorema)/Hohe Behörde. 1281

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d) Die zeitliche Dimension der Rücknahme Neben dem „Ob“ einer Rücknahme muss auch der Spielraum abgesteckt werden, den die ECHA bei der genauen Ausgestaltung der Rücknahme hat, zuvorderst, ob die Rücknahme mit Wirkung ex tunc oder ex nunc erfolgen soll. Denn prinzipiell sehen sowohl der ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsatz im Eigenverwaltungsrecht, den der EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache S. N. U. P. A. T.  II1285 aufgestellt hat, als auch das geschriebene Sekundärrecht im Fall unvollständiger oder unrichtiger Angaben eine Rücknahme ex tunc – ebenso wie mit Wirkung ex nunc – als möglich an. Fraglich ist somit, ob die ECHA eine Rücknahme ex tunc oder ex nunc durchführen muss und durchführen wird. Ausgangspunkt ist erneut die Rechtsprechung des EuGH. Dieser erörtert dieses Problem in seiner Entscheidung in der Rechtssache Hoogovens.1286 aa) Die Entscheidung in der Rechtssache Hoogovens Nach dem Urteil in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II1287 nahm die Hohe Behörde der EGKS die Freistellungen der Schrottausgleichskasse ex tunc zurück und die Firma Hoogovens, die von dieser Rücknahme betroffen war, erhob gegen diese Klage.1288 Im Rahmen dieses Prozesses nahm Generalanwalt Lagrange1289 in seinen Ausführungen Bezug auf die Rechtsprechung des BVerwG. Dieses hatte 1957 entschieden, dass es bei der Frage, ob eine Rücknahme ex tunc oder ex nunc erfolgen muss, auf den konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen, auf den Inhalt des fehlerhaften Verwaltungsaktes, den Grund der Rücknehmbarkeit, besonders aber auch auf den Zweck der Aufhebung ankomme – könne dieser nur mit einer Rücknahme ex tunc erreicht werden, müsse die Behörde auch zu einer solchen Rücknahme befugt sein.1290 Der EuGH schloss sich den Aus 1285

EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (174) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1286 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (539) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1287 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (174) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1288 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (539) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1289 GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu Rs. 14/61 – Slg. 1965, 558 (577) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1290 BVerwG, Urteil vom 28.6.1957 – IV C 235/56 – NJW 1958, 154 (155). In der damaligen Rechtsprechung des BVerwG war der Widerruf ex tunc allerdings auf Fälle begrenzt, in denen ein Eigenverschulden des Betroffenen in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides vorlag.

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führungen von Generalanwalt Lagrange an und sieht fortan in den Fällen eine Aufhebung ex tunc für notwendig an, in denen sich die Folgen der Rechtswidrigkeit der Ausgangsentscheidung lediglich durch eine Rücknahme mit entsprechender zeitlicher Rückwirkung beseitigen lassen.1291 bb) Zweck der Aufhebung der Registrierung lediglich durch Aufhebung ex tunc erreichbar Daher muss nun geklärt werden, ob der Zweck der Aufhebung sich lediglich in einer Rücknahme ex tunc ausreichend manifestiert. Denn vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird man jedenfalls dann eine Rücknahme ex nunc vorziehen müssen, wenn diese dasselbe Ziel wie eine Rücknahme ex tunc erreicht, dabei aber von ihrer Wirkung her weniger einschneidend ist. Zweck der Aufhebung einer Registrierung im Rahmen von REACH ist die Beseitigung der Folgen einer rechtswidrigen Registrierung. Daher muss nun geprüft werden, ob sich diese lediglich durch die Rücknahme ex tunc sinnvoll und ausreichend beseitigen lassen. Insofern ist zweistufig vorzugehen, zum einen sind die jeweiligen Folgen zu ermitteln, in einem nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob eine Rücknahme ex tunc andere Auswirkungen auf die jeweilige Folge als eine Rücknahme ex nunc hätte, also nicht insofern Deckungsgleichheit besteht, sie die gleiche Wirkung haben. Denn lediglich wenn eine Rücknahme ex tunc sich im Hinblick auf die jeweilige Folge von der Rücknahme ex nunc unterscheidet, kann Erstere überhaupt in Betracht kommen. Dabei ist zwischen der tatsächlichen Folge [F. III. 2. d) bb) (1)]1292 und den straf- [F. III. 2. d) bb) (2)]1293 sowie den zivilrechtlichen Folgen [F. III. 2. d) bb) (3)]1294 des Geschehens, des Herstellens oder Inverkehrbringens eines Stoffes, für den ein defizitäres Registrierungsdossier vorliegt, zu unterscheiden. (1) Tatsächliche Folgen der Registrierung Die tatsächliche, die unmittelbare Folge einer rechtswidrigen Registrierung ist zunächst, dass ein Stoff auf den Markt kommt, für den ein defizitäres Registrierungsdossier vorliegt. Fehlen allerdings die auf diesen Dossiers basierenden Stoffinformationen, können keine nach Art. 42 Abs. 2 REACH-VO vorgesehenen weiteren Maßnahmen sinnvoll eingeleitet werden. Der Zweck der REACH-VO, der

1291 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (555) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; von Danwitz (Fn. 24), S. 366 ff. 1292 Siehe S. 288 f. 1293 Siehe S. 289 ff. 1294 Siehe S. 297 ff.

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Schutz von Mensch und Umwelt durch Generierung von Stoffwissen und den darauf folgenden Reaktionen der ECHA und den jeweiligen nationalen Behörden, wird nicht erreicht. Der chemische Stoff ist auf dem Markt. Diese Folge wird allerdings auch nicht durch eine Aufhebung ex tunc beseitigt  – die Chemikalien wurden bereits hergestellt oder in Verkehr gebracht. An dieser Tatsache würde auch die rechtliche Fiktion einer Aufhebung ex tunc nichts ändern. Umgekehrt werden in der Zukunft keine Chemikalien auf Basis des rechtswidrigen Registrierungsdossiers mehr auf den Markt kommen, unabhängig ob die Rücknahme ex tunc oder ex nunc erfolgt. Die Sperre des Art. 5 REACH-VO ist in Kraft, sobald die Registrierung zurückgenommen wird. Daher kann durch eine Rücknahme ex tunc kein weiter gehender Erfolg, keine weiter gehende Beseitigung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses erzielt werden. (2) Strafrechtliche Folgen der Aberkennung der Registrierung Neben den tatsächlichen Folgen zieht die Rechtswidrigkeit einer Registrierung auch rechtliche Folgen nach sich. Denn das Verhalten eines solchen Registranten ist in zweierlei Hinsicht strafrechtlich relevant.1295 (a) Sanktionierung nach § 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG Zum einen sanktioniert § 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG Fehler im bereits eingereichten Registrierungsdossier; die Angabe von unvollständigen oder unrichtigen Informationen im Registrierungsdossier wird nach dieser Vorschrift geahndet. Während § 27b Abs.  3 ChemG eine Qualifikation für den Fall, dass Leben oder Gesundheit eines Dritten oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden, darstellt, betrifft § 27b Abs. 5 S. 1 ChemG die fahrlässige Begehung der in § 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG genannten Straftatbestände als Ordnungswidrigkeiten. Auf eine Sanktionierung nach dieser Norm aber hat die Rücknahme der Registrierung, ungeachtet ob diese ex tunc oder ex nunc erfolgt, keinen Einfluss. § 27b Abs. 1

1295 Dabei folgt die Argumentation sowohl dem deutschen Recht als auch der Argumentation der deutschen Rechtswissenschaft. Allerdings sind die beiden wesentlichen Argumente – das Analogieverbot sowie das Rückwirkungsverbot – gleichzeitig anerkannte Prinzipien in der EU, sodass sich auch bei einer Übertragung auf die rechtliche Situation anderer Länder kein Unterschied ergeben dürfte. Bei einem Blick auf die Sanktionsgesetzgebung der Länder zeigt sich auch, dass alle Länder – mit Ausnahme von Italien – eine Verletzung des Art. 5 REACH-VO, mithin ein Handeln ohne Registrierungsdossier, unter Strafe stellen. Milieu (Fn. 1104), S. 19.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Nr. 2 ChemG und die Rücknahme der Registrierung sind als Sanktionen nebeneinander mit verschiedener Zielsetzung und von verschiedenen Verwaltungsstellen  – die Rücknahme erfolgt durch die ECHA, die Sanktion nach § 27b Abs.  1 Nr. 2 ChemG durch die nationale Behörde – möglich. (b) Sanktionierung nach § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG Die Nagelprobe stellt eine Sanktionierung nach § 27b Abs.  1 Nr.  1 ChemG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 27b Abs.  3 ChemG oder § 27b Abs.  5 S.  1 ChemG dar. Dieser verurteilt den Verstoß gegen Art. 5 REACH-VO, sanktioniert damit die Herstellung oder das Inverkehrbringen eines Stoffes, ohne dass eine Registrierung stattgefunden hat. Er stellt dem Verbot des Art. 5 REACH-VO flankierend eine Sanktion zur Seite, um so dessen Wirkung zu unterstützen und zu verstärken. Hier könnte sich folgende Fallkonstellation ergeben:1296 Der Registrant hat durch defizitäre Angaben die Genehmigung erhalten. Entfaltet diese Registrierung mithin Genehmigungswirkung, sperrt dies die Strafbarkeit nach § 27b Abs. 1 Nr.1 ChemG, der an ein Handeln ohne Registrierung anknüpft. Wird diese Registrierung ex tunc aufgehoben, wird fingiert, dass es nie eine Registrierung gab, könnte eine Strafbarkeit nach § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG als zusätzliche Sanktion möglich sein. Die ECHA könnte also eine Registrierung ex tunc aufheben, es wird fingiert, dass es nie eine Registrierung gab. Daraufhin könnte die nationale Behörde strafrechtliche Sanktionen wegen eines Verstoßes gegen Art. 5 REACH-VO verhängen. Erfolgt die Aufhebung der Registrierung ex nunc, ist diese Möglichkeit  – unabhängig von ihrer rechtlichen Zulässigkeit  – bereits nicht denkbar. Zu betrachten sind in diesem Zusammenhang aber zwei Problemkomplexe: Zum einen muss die Frage beantwortet werden, ob eine Registrierung, die durch defizitäre Angaben erlangt wurde, überhaupt eine Genehmigungswirkung entfaltet [F. III. 2. d) bb) (2) (b) (aa)]1297 Denn entfaltet sie keine Genehmigungswirkung, spielt es keine Rolle, ob die Aufhebung ex tunc oder ex nunc erfolgt – in beiden Fällen handelt der Registrant ohne Registrierung und eine Sanktion nach § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG ist möglich.1298 Dieses Problem stellt sich allerdings lediglich dann, wenn die Registrierung erschlichen wurde, mithin wenn diese rechtsmissbräuchlich erlangt wurde, sie durch Täuschung, Gewalt, Drohung oder Beste 1296 Die damit zusammenhängenden Probleme werden im deutschen Recht unter dem Stichwort der „Verwaltungsaktsakzessorität“ diskutiert. Zum Begriff an sich Fortun, Die behördliche Genehmigung im strafrechtlichen Deliktsaufbau, 1998, S. 22 m. w. N. Zur Bedeutung dieser Diskussion Fn. 1304. 1297 Siehe S. 291 ff. 1298 In diese Richtung wohl auch von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 20.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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chung erwirkt wurde.1299 Denn im Fall von fahrlässig defizitären Angaben liegt kein Rechtsmissbrauch, sondern lediglich eine Sorgfaltspflichtverletzung vor mit der Folge, dass die Registrierung grundsätzlich Genehmigungswirkung ausstrahlt. Wird die Frage aber in dieser Konstellation bejaht, kommt man zum Ergebnis, dass der Beschluss Genehmigungswirkung hat, stellt sich als Folge das Problem, ob infolge einer Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses ex tunc die Möglichkeit einer anschließenden Sanktion aus § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG zulässigerweise eröffnet ist [F. III. 2. d) bb) (2) (b) (bb)]1300. (aa) Genehmigungswirkung einer erschlichenen Genehmigung Grundsätzlich ist nach der Systematik des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts auch eine durch Täuschung erlangte Genehmigung nicht rechtlich nicht existent, sondern wirksam. Denn das Eigenverwaltungsrecht normiert regelmäßig Rücknahmeregelungen für diese Fälle.1301 Diese wären aber nicht nötig, wenn der Normgeber erschlichene Beschlüsse von vornherein als rechtlich inexistent ansehen würde. Schließlich wird es gerade bei erschlichenen Genehmigungen regelmäßig an der Offenkundigkeit des Fehlers mangeln, da diese gerade den Anschein der Ordnungsmäßigkeit erzeugen wollen. Allerdings könnte der Registrierungsbeschluss, wenngleich nicht rechtlich nicht existent, dennoch in concreto keine Genehmigungswirkung auf materiell-rechtlicher Ebene entfalten. Dann nämlich macht es keinen Unterschied, ob eine Rücknahme der Registrierung ex tunc oder ex nunc erfolgt, in beiden Fällen ist in Deutschland eine Strafbarkeit nach § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG möglich. Denn dieser betrifft das Handeln ohne Genehmigung; im Rückgriff auf Art. 5 REACH-VO wird sanktioniert, wer einen chemischen Stoff ohne Genehmigung, ohne Registrierung herstellt oder in Verkehr bringt. Wenngleich die genaue Einordnung, ob sich die Verbotsschranke durch eine Anzeige oder eine Erlaubnis öffnet, schwierig erscheint, handelt es sich jedenfalls um ein präventives Verbot.1302 Damit wird das Handlungsunrecht durch die fehlende Genehmigung statuiert. Das Fehlen einer 1299 Etwa LG Hanau, Urteil vom 12.11.1987 – 6 Js 13470/84 KLs – NJW 1988, 571 (576); Bloy, Die Straftaten gegen die Umwelt im System des Rechtsgüterschutzes, ZStW 100 (1988), 485 (504); Dölling, Umweltstrafrecht und Verwaltungsrecht. Zur Bedeutung von Verwaltungsakten und materiellem Verwaltungsrecht für die Strafbarkeit des Bürgers, JZ 1985, 461 (469); Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 61. Aufl., 2014, vor § 324 StGB Rn.  7; Fortun (Fn. 1296), S. 82; Horn, Strafbares Fehlverhalten von Genehmigungs- und Aufsichts­ behörden?, NJW 1981, 1 (3); Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., 2011, § 324 Rn. 10; Otto, Grundsätzliche Problemstellungen des Umweltstrafrechts, Jura 1991, 308 (313); Rudolphi, Primat des Strafrechts im Umweltschutz? – 1. Teil, NStZ 1984, 191 (197). 1300 Siehe S. 295 ff. 1301 Siehe S. 277 f. 1302 Siehe S. 97 ff.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Genehmigung ist somit als (negatives) Tatbestandsmerkmal aufzufassen,1303 mithin im Fall von REACH das Herstellen oder Inverkehrbringen des Stoffes ohne vorherige Registrierung. Die Auswirkung einer rechtswidrigen, fraudulös erlangten Genehmigung, die ihre Wirkung auf Ebene des Tatbestandes entfaltet, ist in der deutschen Strafrechtsdogmatik überaus umstritten.1304 Vertreter der Ansicht, dass eine tatbestandsausschließende erschlichene Genehmigung keine Genehmigungswirkung entfaltet,1305 bringen in erster Linie vor, dass sich der Täter damit auf sein eigenes vorsätzliches Verhalten zur Entlastung zurückziehen kann  – allerdings dürfe sich niemand zur Entlastung auf eigene Schändlichkeit berufen.1306 Denn entfaltet eine Genehmigung grundsätzlich (schutzwürdiges) Vertrauen, fehlt dieses eben dann, wenn der Betroffene weiß, dass diese Genehmigung erschlichen ist, somit de facto kein Vertrauen besteht und seine Handlung nicht unter dem Schutz der Rechtsordnung steht.1307 Vergleicht man verschiedene Rechtsordnungen im deutschen wie im europäischen Recht ergibt sich, dass erschlichene Rechtspositionen rechtlich nicht maßgeblich sind.1308 Eine Berufung auf eine sol-

1303

So auch Fortun (Fn.  1296), S.  35; Rönnau, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 12. Aufl., 2006, Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn.  274; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 29. Aufl., 2014, Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn.  61; Rengier, Die öffentlich-rechtliche Genehmigung im Strafrecht, ZStW 101 (1989), 874 (878); Tiedemann/Kindhäuser, Umweltstrafrecht – Bewährung oder Reform, NStZ 1988, 337 (343); Wimmer, Strafbarkeit des Handelns aufgrund einer er­schlichenen behördlichen Genehmigung, JZ 1993, 67 (68). Vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.10.2005 – 1 Ss 220/05 – NStZ-RR 2006, 353 (353), das vertritt, dass bereits im Nichteinholen der Erlaubnis das tatbestandliche Unrecht liege; im Waffenrecht etwa Klein, Die Erlaubnis im waffenrechtlichen Straftatbestand, JR 2008, 185 (186). 1304 Es handelt sich dabei sicherlich um eines der am intensivsten diskutierten Probleme im Bereich der Verwaltungsakzessorität  – vgl. nur die Nachweise in den folgenden Fussnoten. Daher soll dieser Streitstand nicht in allen (Un)tiefen ausgelotet werden, sondern sich auf grundsätzliche Argumente und Bedenken beschränken. Da diese aber auf Prinzipien beruhen, welche im gesamten europäischen Rechtskreis anerkannt sind, lässt sich dieses Problem auch auf andere Länder übertragen. 1305 Holthausen, Die Strafbarkeit der Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern – 2. Teil, NStZ 1988, 257 (257 f.); Keller, Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Amtsträgers für fehlerhafte Genehmigungen im Umweltrecht, in: Eyrich/Odersky/Säcker (Hrsg.), Festschrift für Kurt Rebmann zum 65. Geburtstag, 1989, S.  241 (241 ff.); Otto (Fn. 1299), 308 (313); vgl. ebenso Paeffgen, Actio libera in causa und § 323a StGB, ZStW 97 (1985), 513 (523 f.). 1306 Otto (Fn. 1299), 308 (313). 1307 Holthausen (Fn. 1305), 257 (257 f.); Schmitz, Verwaltungshandeln und Strafrecht, 1992, S. 43 f. 1308 Bloy (Fn. 1299), 485 (502); Otto (Fn. 1299), 308 (313); Paetzold, Die Neuregelung rechtsmißbräuchlich erlangter Genehmigungen durch § 330d Nr. 5 StGB, NStZ 1996, 170 (171). Vgl. ebenso Paeffgen (Fn. 1305), 513 (523 f.).

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che Genehmigung stellt eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsposition, die materiell zu Unrecht erworben wurde, dar.1309 Die Gegenansicht1310 führt zunächst ins Feld, dass das „allgemeine Rechtsgefühl“, dass „das kann so nicht sein“ durchaus beachtenswert sein mag, aber übergeordneten verfassungsrechtlichen Prinzipien weichen müsse, hier dem Ge­ setzlichkeitsprinzip.1311 Allgemeine Rechtsmissbrauchserwägungen haben zurückzutreten vor der Entscheidung des Gesetzgebers, einerseits auch Genehmigungen, die durch Täuschungen erlangt wurden, als verwaltungsrechtlich wirksam anzunehmen und andererseits in den Straftatbeständen am allgemeinen Verwaltungsrecht anzuknüpfen.1312 Zuzugeben bleibt, dass das Ergebnis, einen Täter vor Strafe zu verschonen, weil er eine auf unlautere Art und Weise erlangte Genehmigung in Händen hält, unbefriedigend ist.1313 Allerdings lässt sich die Leugnung der Genehmigung lediglich im Wege einer teleologischen Reduktion der Tatbestände erreichen, führt somit zu einem Bruch mit dem Gesetzlichkeitsprinzip in der Gestalt des Analogieverbots aus Art.  103 Abs. 2 GG.1314 Die strafrechtliche Einschränkung, dass zwar an verwaltungsrechtliche Genehmigungswirkungen angeknüpft wird, diese aber insofern verlassen werden, als dass fraudulös erlangte Genehmigungen unwirksamen Genehmigungen gleich stehen, führt zu einem Sondertatbestand, der so von der Rechts­ordnung 1309

Holthausen (Fn. 1305), 257 (257 f.). BGH, Urteil vom 27.4.2005 – 2 StR 457/04 – BGHSt 50, 105 (115); Breuer, Empfehlen sich Änderungen des strafrechtlichen Umweltschutzes insbesondere in Verbindung mit dem Verwaltungsrecht?, NJW 1988, 2072 (2080); Dolde, Zur Verwaltungsrechtsakzessorietät von § 327 StGB – Bemerkungen zum Alkem-Urteil des LG Hanau, NJW 1988, 2329 (2331); Ensenbach, Probleme der Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht, 1989, S. 115 f.; Rönnau, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Fn. 1303), Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn. 281 m. w. N.; Lenckner, Behördliche Genehmigungen und der Gedanke des Rechtsmißbrauchs im Strafrecht, in: Gamm/Raisch/Tiedemann (Hrsg.), Strafrecht, Unternehmensrecht, Anwaltsrecht, 1988, S. 27 (32 ff.); Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn. 1305), Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn. 63a; Rengier (Fn. 1303), 874 (895 f.); Tiedemann/Kindhäuser (Fn. 1303), 337 (344); Wimmer (Fn. 1303), 67 (69); Winkelbauer, Die Verwaltungsabhängigkeit des Umweltstrafrechts, DÖV 1988, 723 (726 f.); Winkelbauer, Die behördliche Genehmigung im Strafrecht, NStZ 1988, 201 (201); Winkelbauer, Zur Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts, 1985, S. 67. 1311 Ensenbach (Fn.  1310), S.  115; Wimmer (Fn.  1303), 67 (70); Winkelbauer (Fn.  1310), S. 67. 1312 Fortun (Fn.  1296), S.  83; Lenckner, in: Gamm/Raisch/Tiedemann (Fn.  1310), S.  27 (32 ff.); Winkelbauer (Fn. 1310), 723 (727). 1313 Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln, 2000, S. 215. 1314 Dieses Analogieverbot ist aber nicht nur Bestandteil des deutschen Rechts, sondern auch integraler Baustein des europäischen Strafrechts, Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, 2012, S. 151, leitet es aus Art. 49 EU-GRCharta her. Damit lässt sich diese Argumentation auch ohne Weiteres auf vergleichbar ausgestaltete REACH-Vollzugsnormen anderer EU-Länder übertragen. Auch Art. 7 Abs. 1 EMRK lässt sich entsprechend ausgelegen, vgl. Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, 2012, S. 152 m. w. N. aus der Rechtsprechung des EGMR. 1310

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

nicht vorgesehen ist.1315 § 27b Abs.  1 Nr.  1 ChemG verlangt ein Handeln ohne Genehmigung und nicht ein Handeln ohne oder mit erschlichener Genehmigung als negatives Tatbestandsmerkmal. Knüpft das Gesetz an das Handeln ohne Genehmigung an, ist die Grenze des möglichen Wortsinns dann erreicht, wenn eine Genehmigung vorliegt, unabhängig, wie sie entstanden ist.1316 Schließlich lässt sich gerade im Bereich des deutschen Umweltstrafrechts als weiteres Argument der 1994 neu geschaffene § 330d Nr. 5 StGB ins Feld führen. Dieser legt nunmehr für die im StGB enthaltenen Umweltstraftaten – und nur für diese1317 – fest, dass eine fraudulös erwirkte Genehmigung weder tatbestandsausschließende noch rechtfertigende1318 Wirkung beanspruchen kann.1319 Entgegen der Ansicht des Rechtsausschusses1320 kommt dieser Vorschrift keinesfalls nur deklaratorische Wirkung zu:1321 Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Diskussion um die strafrechtliche Wirkung einer erschlichenen Genehmigung gehandelt – dieser Problemkomplex stand in der Literatur vor 1994 in Rede.1322 Insofern bestand bereits zu diesem Zeitpunkt keinesfalls eine unbestrittene Rechtsauffassung in diesem Bereich. Sollte die Vorschrift aber rein deklaratorisch die bestehende Rechtsauffassung lediglich bestätigen, lässt sich nicht erklären, warum der Gesetzgeber dies nur für den Bereich der Umweltdelikte und nur im StGB vornehmen wollte.1323 1315 Fortun (Fn. 1296), S. 83; Klein (Fn. 1303), 185 (187); Lenckner, in: Gamm/Raisch/Tiede­ mann (Fn. 1310), S. 27 (33 f.); Rengier (Fn. 1303), 874 (884); Wimmer (Fn. 1303), 67 (69); Winkelbauer (Fn. 1310), S. 67. 1316 Fortun (Fn. 1296), S. 83; Heghmanns (Fn. 1313), S. 212; Klein (Fn. 1303), 185 (187); Lenckner, in: Gamm/Raisch/Tiedemann (Fn.  1310), S.  27 (32 ff.). A. A. Schmitz (Fn.  1307), S. 32, der eine solche Formulierung als „diejenige Genehmigung, die das inkriminierte Verhalten legalisiert“ lesen möchte. 1317 Paetzold (Fn. 1308), 170 (170); Wohlers, Verwaltungsrechtsakzessorietät und Rechtsmissbrauchsklauseln – am Beispiel des § 330d Nr. 5 StGB, JZ 2001, 850 (855 f.); wohl auch BGH, Urteil vom 27.4.2005 – 2 StR 457/04 – BGHSt 50, 105 (115); Lackner/Kühl (Fn. 1299), § 330d Nr. 5 Rn.  5; Saliger, Umweltstrafrecht, 2012, Rn.  102; Schall, Die Verwaltungsakzessorietät im Lichte des § 330d Nr. 5 StGB, in: Dannecker (Hrsg.), Festschrift für Harro Otto, 2007, S. 743 (747). 1318 Beide Alternativen werden erfasst: Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder (Fn.  1305), § 330d Rn. 23; „sämtliche Fälle“: Schmitz, in: Hefendehl/Hohmann (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd.  5, 2. Aufl., 2014, § 330d StGB Rn.  28; zusammenfassend Schall, in: Dannecker (Fn. 1317), S. 743 (745 m. w. N. in den Fn. 12–16, S. 751 ff.). 1319 Fortun (Fn. 1296), S. 90. 1320 BT-Drs. 12/7300, S. 25. 1321 Ansonsten wäre etwa auch § 34 Abs. 8 AWG überflüssig, Wimmer (Fn. 1303), 67 (70). 1322 Fortun (Fn. 1296), S. 90. 1323 So der Anwendungsbereich nach BGH, Urteil vom 27.4.2005 – 2 StR 457/04 – BGHSt 50, 105, 115; Lackner/Kühl (Fn. 1299), § 330d Rn. 5; Paetzold (Fn. 1308), 170 (170); Schmitz, in: Hefendehl/Hohmann (Fn. 1318), § 330d StGB Rn. 1; Wohlers (Fn. 1317), 850 (855 f.). Die Vorschrift gilt ebenfalls kraft ausdrücklicher Verweisung für § 311 StGB. Vor diesem Hintergrund verlangen etwa Möhrenschlager, Revision des Umweltstrafrechts  – Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität, NStZ 1994, 513 (515); Wimmer (Fn. 1303), 67 (73), eine umfassende Harmonisierung durch Einführung einer Vorschrift im allgemeinen Teil des StGB. Ansonsten ist sie ausweislich der amtlichen Begründung eng auszulegen, BT-Drs. 12/7300, S. 25, vgl. auch Klein (Fn. 1303), 185 (187).

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Vielmehr handelt es sich um „unhaltbare Alleingänge des Strafrechts“1324. Die Manifestation einer allgemeinen Ansicht wäre in systematischer Hinsicht im allgemeinen Teil des StGB sinnvoll angesiedelt. Schließlich ist das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung in die Überlegungen mit einzubeziehen: Das deutsche Verwaltungsrecht sieht in § 48 Abs. 3 S. 2 (L)VwVfG in Verbindung mit § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 (L)VwVfG eine erschlichene Genehmigung dennoch als wirksam an, ausdrücklich nicht als (verwaltungsrechtlich) unbeachtlich. Erwägungen, warum das Strafrecht von dieser Determinante abweichen soll, sind nicht ersichtlich.1325 Daher genießt auch der Inhaber einer Genehmigung, die auf defizitäre Angaben zurückgeht, deren Schutz. Der Registrierungsbeschluss entfaltet trotz defizitärer Angaben im Registrierungsdossier dennoch Genehmigungswirkung, unabhängig davon, ob diese Angaben vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt sind. Der Betroffene kann, solange diese Genehmigung nicht zurückgenommen wurde, nicht nach § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG belangt werden. Die zeitliche Dimension der Rücknahme bedeutet hier keine unterschiedlichen Rechtsfolgen für den Registranten. (bb) Möglichkeit der Aufhebung einer Registrierung ex tunc mit anschließender Sanktionierung nach § 27b Abs. 1 Nr.1 ChemG Kann man aber eine solche Genehmigung ex tunc aufheben, könnte § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG einschlägig sein. Damit würde der ECHA ein scharfes Schwert zur Verfügung stehen; stellt sie fest, dass eine Registrierung rechtswidrig war, kann sie diese ex tunc aufheben mit der Folge einer zusätzlichen Sanktionierung durch nationale Behörden. Der Sanktionsdruck, eine vollständige, eine richtige, eine rechtmäßige Registrierung einzureichen, würde dadurch steigen, eine Folge, die auf den ersten Blick vor dem Hintergrund der Zielsetzung von REACH als positiv zu werten ist. 1324

So die Qualifikation von Heghmanns (Fn. 1313), S. 213. A. A. wohl Saliger (Fn. 1317), Rn.  112: „§ 330d I Nr.  5 hat (implizit) die vor 1994 herrschende Meinung legalisiert.“ Die andere Ansicht sei „nur noch von historischem bzw. rechtspolitischem“ Interesse. 1325 Breuer (Fn. 1310), 2072 (2080); Dolde (Fn. 1310), 2329 (2331); Ensenbach (Fn. 1310), S.  115; Fluck, Die Duldung des unerlaubten Betreibens genehmigungsbedürftiger Anlagen, NuR 1990, 197 (202 f.); Heine, Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts. Rechtsvergleichende Funktionsanalysen – unbestimmte Rechtsbegriffe – Reichweite von Genehmigungen, NJW 1990, 2425 (2430); Horn, Bindung des Strafrechts an Entscheidungen der Atombehörde? Lehren aus dem Alkem-Urteil, NJW 1988, 2335 (2336); Lenckner, in: Gamm/Raisch/ Tiedemann (Fn. 1310), S. 27 (30); Rengier (Fn. 1303), 874 (894); Rudolphi (Fn. 1299), 191 (197); Wasmuth/Koch, Rechtfertigende Wirkung der behördlichen Duldung im Umweltstrafrecht, NJW 1990, 2434 (2440); Wimmer (Fn. 1303), 67 (70).

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Allerdings könnte diese Vorgehensweise, die nachträgliche Rücknahme einer rechtswidrigen Registrierung, um so eine Strafbarkeit begründen zu können, mit grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien unvereinbar sein. Aus Art. 103 Abs. 2 GG in Verbindung mit §§ 1, 2 Abs. 1 StGB bzw. §§ 3, 4 OWiG folgt das Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen – „nullum crimen sine lege praevia“. Eine Handlung, die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht mit Strafe bedroht war, darf nicht nachträglich mit einer Strafe belegt werden. Dieses Gebot existiert in dieser Form auch in den anderen europäischen Rechtssystemen,1326 es handelt sich somit um ein grundlegendes Prinzip des Unionsrechts, das auch in dieser Konstellation Anwendung finden muss. Dabei dehnt der EuGH den Anwendungsbereich dieser Formel von eigentlichen Strafgesetzen aus auf alle Normen mit sanktionierendem Charakter.1327 Insofern wird sich die Argumentation, welche sich hier an das deutsche Recht anlehnt, auf entsprechend strukturell ausgestaltete Normen anderer Länder übertragen lassen: Solange eine wirksame Registrierung vorliegt, scheidet eine Konkretisierung von § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG als strafrechtliche Verhaltensnorm auf den konkreten Tatbestand aus. Gegenstand einer strafrechtlichen Zurechnung ist die schuldhafte Normmissachtung. Dieser Schuldvorwurf fällt aber mangels motivationsgeeigneter Verhaltensnorm weg, womit auch jede strafrechtliche Anknüpfung ausscheidet.1328 Fällt die Registrierung aber ex tunc weg, erscheint eine Konkretisierung zwar in der Theorie möglich, durch die Fingierung der Rücknahme ex tunc kann auch die Normanwendbarkeit des § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG fingiert werden. Dies aller 1326 Etwa in Frankreich, England sowie in Art. 7 Abs. 1 EMRK. Im Einzelnen Classen, Nationales Verfassungsrecht in der Europäischen Union, 2013, Fn. 195, 207, mit Nachweisen aus dem europäischen Verfassungsrecht. Siehe auch EuGH, Urteil vom 10.7.1984 – Rs. 63/83 – Slg. 1984, 2689 (Rn.  22)  – Regina/Kent Kirk: „Das Verbot der Rückwirkung von Straf­ vorschriften ist ein allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Rechtsgrundsatz, der in Art.  7 EMRK verankert ist und zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat.“ So auch GA Kokott, Schlussanträge vom 6.8.2008 zu Rs. C-296/08 PPU – Slg. 2008, I-6310 (Rn. 42) – Ignacio Pedro Santesteban Goicoechea. Das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften ist außerdem in Art. 49 Abs. 1 EU-GRCharta normiert. Für das Völkerrecht Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., 2013, § 15 Rn. 12 f. 1327 EuGH, Urteil vom 25.9.1984 – Rs. 117/83 – Slg. 1984, 3291 (Rn. 11) – Karl Könecke Fleischwarenfabrik/Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung; EuGH, Urteil vom 18.11.1987 – Rs. 137/85 – Slg. 1987, 4587 (Rn. 15) – Maizena u. a./Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung; EuGH, Urteil vom 12.11.1990 – Rs. 172/89 – Slg. 1990, 4677 (Rn. 9) – Vandemoortele/Kommission; EuGH, Urteil vom 28.6.2005 – verb. Rs. C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P – Slg. 2005, I-5425 (Rn. 202, 217 ff.) – Dansk Rorindustri u. a./Kommission. 1328 Dahs/Redeker, Empfehlen sich Änderungen im strafrechtlichen Umweltschutz, insbesondere in Verbindung mit dem Verwaltungsrecht?, DVBl. 1988, 803 (810); Heghmanns (Fn. 1313), S. 229; Hirsch, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Fn. 1303), Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn. 287; Winkelbauer (Fn. 1310), 723 (726).

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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dings kann dennoch die strafrechtliche Anknüpfung nicht wieder herstellen. Der Betroffene nämlich kann nun auch keine andere Entscheidung mehr treffen. Die verwaltungsrechtliche Fiktion stößt bei tatsächlichem Handeln an ihre Grenzen. Zum historischen Zeitpunkt der Tat war die Tathandlung nicht normwidrig, mithin nicht tatbestandsmäßig, sodass das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG diesem Vorgehen eine Sperre setzt. Dies lässt sich auch durch einen Vergleich der Interessenlagen untermauern. Die nachträgliche verwaltungsrechtliche Aufhebung der Registrierung würde gleichzeitig auch ein negatives Tatbestandsmerkmal nachträglich beseitigen. Diese nachträgliche Rechtsänderung hätte das gleiche Ergebnis für den Betroffenen wie die nachträgliche Einführung eines neuen Tatbestands (ohne das negative Tatbestandsmerkmal). Daher muss ein solches Verhalten auch nach einer rückwirkenden Rücknahme der Registrierung grundsätzlich straflos bleiben.1329 Zwar lässt sich noch einwenden, dass der Täter zum Tatzeitpunkt genau wusste, dass er über eine rechtswidrige, somit gegebenenfalls ex tunc aufhebbare Genehmigung verfügt; schließlich hat er sie sich durch defizitäre Angaben erschlichen. Dies ändert aber nichts am grundlegenden Problem: Anknüpfungspunkt ist das wirksame Bestehen einer Registrierung, die unabhängig davon, wie sie erlangt wurde, Genehmigungswirkung entfaltet. Das Analogieverbot verhindert die strafrechtliche Nutzung der verwaltungsrechtlichen Fiktion einer Rücknahme ex tunc. Eine Rücknahme der Registrierung eröffnet damit nicht die Möglichkeit einer sich daran anschließenden Sanktion nach § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG. (c) Zusammenfassung Daraus ergibt sich, dass auch im Rahmen einer Rücknahme ex tunc keine Sanktionierung nach § 27b Abs.  1 Nr.  1 ChemG erfolgen kann. Eine erteilte Registrierung löst, unabhängig davon, ob sie erschlichen wurde, eine Genehmigungswirkung aus. Eine Rücknahme ex tunc führt weiterhin nicht dazu, dass sich die Möglichkeit einer Sanktion aus § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG ergibt. Ein Unterschied zwischen der Situation einer Rücknahme ex tunc im Vergleich zu einer Rücknahme ex nunc ergibt sich also nicht.

1329

Fortun (Fn. 1296), S. 80 f.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

(3) Zivilrechtliche Folgen der Aberkennung der Registrierung Auch zivilrechtliche Folgen kann die Rücknahme einer Registrierung auslösen. Hierbei wird zu differenzieren sein:1330 Wird im Rahmen eines Kaufvertrags von Chemikalien auf das Vorliegen eines Sachmangels nach § 434 BGB abgestellt, gilt zunächst, dass das reine Fehlen einer Registrierung nicht die Eigenschaften des Stoffes beeinträchtigt.1331 Insofern aktiviert dies nicht per se Mängelgewähr­ leistungsrechte. Allerdings könnte eine solche Vereinbarung – dass der Stoff durch den Verkäufer registriert werden muss – individualvertraglich oder über AGB dem Chemikalienkaufvertrag beigefügt werden. Inwiefern dann aber eine Rücknahme ex tunc andere Folgen als eine Rücknahme ex nunc auslöst, kann nur im konkreten Einzelfall entschieden werden, hierbei wird insbesondere die genaue Formulierung sowie die Interessenlage der Parteien eine Rolle spielen. So stellt sich erneut die Frage, ob die Formulierung „dass alle Substanzen“ des jeweiligen Stoffes „registriert sind“,1332 bedeutet, dass die verwaltungsrechtliche Fiktion einer Rücknahme ex tunc auch auf die zivilrechtliche Realität durchgreift. Denn auch hier ist wohl auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als grundsätzlich maßgebliches Datum abzustellen und nicht auf eine verwaltungsrechtliche Fiktion. Um diese zu er­ reichen, müsste eine entsprechend andere Formulierung gewählt werden, aus der dieses deutlicher hervorgeht.

1330 Vor dem Hintergrund des öffentlich-rechtlichen Schwerpunkts dieser Arbeit soll dieser Problemkomplex nur kursorisch und nur in Bezug auf deutsches Recht erörtert werden. 1331 Dabei betrifft die Frage, ob eine Registrierung vorliegt, kaum eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft, sodass auch eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs.  1 S.  1 BGB ausscheidet. Ein Mängelgewährleistungsrecht kann sich aber daraus ergeben, dass Angaben in der Registrierung falsch sind, welche die Eigenschaften des Stoffes betreffen und diese Informationen im Hinblick auf die Stoffverwendung des Käufers wesentlich sind. Dann bilden aber die falschen Stoffeigenschaften den Bezugspunkt, nicht jedoch die formelle Registrierung, Faust, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BGB – Beck’scher Online-Kommentar, 30. Edition, 1.2.2014, § 434 BGB Rn. 23. In eine ähnliche Richtung – in Bezug auf die mangelnde Weitergabe von Informationen – Faber/Schaub, Informationsverpflichtungen nach Art. 33 der REACH-VO und mögliche zivilrechtliche Folgen, StoffR 2011, 44 (48 f.). 1332 Siehe das Muster (bei Werner, Vortrag: REACH und die Ausgestaltung von Verträgen, in: Lexxion [Hrsg.], Chemierechtstag 2013 – REACH, Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis, Tagungsunterlagen, 2013, S. 91 [108]) eines Liefervertrags: „SELLER warrants that all substances in the PRODUCT are registered and authorized to the extent required by the Regulation No. 1907/2006 of the European Parliament and of the Council concerning the Registration, Evaluation, Authorization and Restriction of Chemicals („REACH“) or any other applicable law or regulation providing for registration or authorization requirements. In addition, SELLER shall ensure that all obligations of a Supplier (within the meaning of ­Article 3 No. 32 of REACH) under REACH in connection with the delivery of PRODUCT will be fulfilled.“

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Wesentlich ist dabei auch ein grundlegender Unterschied zu den strafrechtlichen Folgen: Während der Legalitätsgrundsatz die Behörde grundsätzlich zur Verfolgung des § 27b Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 ChemG zwingt, hängt die Auslösung von zivilrechtlichen Folgen von der individuellen Parteiendisposition ab. Mithin ist der ECHA im Rahmen dieser Konstellation weder die konkrete Vertragsgestaltung bekannt noch der Wille der Parteien, die entsprechende Klausel zu nutzen. Damit kann die ECHA im Rahmen einer Abwägung in Bezug auf die zeitliche Dimension der Rücknahme kaum ex ante davon ausgehen, dass die Rücknahme ex tunc andere Folgen als die Rücknahme ex nunc hätte. Bezieht man § 134 BGB in die Betrachtung ein, könnte sich die Sachlage ändern. Denn § 134 BGB sanktioniert den Verstoß gegen ein Verbotsgesetz bei Vertragsabschluss mit der Nichtigkeit des Vertrages. Art. 5 REACH-VO verbietet die entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe von chemischen Stoffen ohne Registrierung. Insofern bildet diese Norm ein entsprechendes Verbotsgesetz. Dabei ist aber – erneut – zu berücksichtigen, dass die rückwirkende Rücknahme einer Registrierung eine verwaltungsrechtliche Fiktion darstellt. § 134 BGB sanktioniert allerdings lediglich den Verstoß gegen ein Verbotsgesetz bei Vertragsabschluss. Dies ergibt sich bereits aus dem Normwortlaut „ist nichtig“. Eine Auslegung in Bezug auf „ist und wird nichtig“ hingegen überdehnt diesen.1333 Außerdem sind Vertrauensschutzaspekte, insbesondere im Hinblick auf den Rechtsgedanken des Art. 14 GG, in Bezug auf den Vertragspartner zu berücksichtigen.1334 Denn eine Nichtigkeit zieht eine entsprechende Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts nach sich, der Vertragspartner muss Chemikalien, welche er gegebenenfalls längst verarbeitet und weiterverkauft hat, rückübereignen oder Wertersatz zu leisten. Die vollständige Lieferkette stünde dann in der Gefahr, mehrere Jahre zurückliegende Rechtsgeschäfte rückabwickeln zu müssen, mithin steht die wirtschaftliche Stabilität eines gesamten Industriezweiges in Rede. Gegebenenfalls wird man dem Vertragspartner bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anfechtungsrecht aus § 123 Abs. 1 BGB zugestehen können – dann nämlich, wenn eine erschlichene Registrierung vorlag und dem Registranten dies arglistig verschwiegen wird. Ebenso ist es möglich, dass sich aus der Rücknahme der Registrierung zugleich ergibt, dass Informationen nicht vollständig oder nicht richtig weitergegeben wurden, was einen Verstoß nach § 4 Nr. 11 UWG bedeuten kann.1335 In beiden Fällen wird eine entsprechendes Vorgehen erneut einerseits von den konkreten Einzelheiten der Fallkonstellation ebenso wie vom individuellen 1333 Armbrüster, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1, 6. Aufl., 2012, § 134 BGB Rn. 20 ff. 1334 OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.4.1992 – 10 U 98/91 – NJW-RR 1993, 249 (250); Ellenberger, in: Palandt (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., 2014, § 134 BGB Rn.  12a; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Fn. 1331), § 134 BGB Rn. 21. 1335 Ausführlicher zur Informationsverpflichtung aus Art.  33 REACH-VO sowie den zivilrechtlichen Rechtsfolgen aus dem UWG bei Verstößen Faber/Schaub (Fn. 1331), 44 (48).

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Willen des Betroffenen abhängen. Insbesondere könnte dieser z. B. die fehlende anderweitige Verfügbarkeit des Stoffes und das damit vorgegebene Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Lieferanten in den Blick nehmen und vor diesem Hintergrund von einem rechtlichen Vorgehen – das womöglich auch öffentliche Aufmerksamkeit erregt, welche dann auch ihm selbst schaden kann – Abstand nehmen. Auch in diesem Fall ist es für die ECHA somit kaum vorhersehbar, welche Dispositionen der Registrant trifft, sie kann diese also kaum in die Abwägung der zeitlichen Dimension der Rücknahme einbeziehen. Grundsätzlich werden somit keine unterschiedlichen zivilrechtliche Folgen bei der Rücknahme einer Registrierung ex tunc oder ex nunc ausgelöst, Aus­nahmen können sich lediglich durch entsprechende Parteiendispositionen im Einzelfall ergeben. (4) Ergebnis Damit hat eine Rücknahme ex nunc und eine Rücknahme ex tunc grundsätzlich dieselben Folgen für alle Beteiligten. Da die Rücknahme ex tunc keinen zusätzlichen Mehrwert bringt, wird die ECHA – das Gebot der Verhältnismäßigkeit achtend – die Rücknahme einer Registrierung der Fallgruppe 1 regelmäßig ex nunc vollziehen. e) Mögliche in die Ermessensentscheidung einzustellende Gesichtspunkte Im Rahmen der Ermessensentscheidung muss die ECHA grundsätzlich das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Registrierungsbeschlusses mit dem Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand des Beschlusses sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz1336 im jeweiligen Einzelfall abwägen.1337 Dabei ist die ECHA an den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Selbstbindung des Verwaltungshandelns gebunden, insofern gezwungen, vergleichbare Konstellationen auch vergleichbar zu behandeln.1338 Zwar hängen die Einzelheiten dieser Erwägungen von der konkreten Fallkonstellation ab, dennoch sollen einige Grundlinien aufgezeigt werden. Generell wird man davon ausgehen können, dass die bloße Rechtswidrigkeit der Registrierung für sich noch nicht genügt, um die Waagschale der Ermessens 1336 Siehe auch dessen ausdrückliche Nennung bei der Frage der Aufhebung von Zulassungen in Art. 61 Abs. 3 S. 1 REACH-VO. 1337 Vgl. nur etwa EuGH, Urteil vom 26.6.1990 – Rs. 64/89 – Slg. 1990, I-2535 (Rn. 18) – Hauptzollamt Gießen/Deutsche Fernsprecher. 1338 Dazu und zu den Ausnahmen siehe S. 140 ff.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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entscheidung gänzlich hin zu einer Rücknahme zu kippen. Denn dies würde verkennen, dass die Rechtswidrigkeit des Beschlusses bereits Tatbestandsmerkmal ist – die ECHA aber Ermessen hat, ob sie einen Registrierungsbeschluss zurücknehmen möchte. Allerdings ist in die Abwägung, ob eine Rücknahme zu erfolgen hat, auch der effektive Vollzug der REACH-VO mit einzubeziehen. Der Vollzug ist wesentlich für den Erfolg des REACH-Systems, der Vollzug der REACH-VO muss entsprechende Anreize setzen, damit deren Ziele erreicht werden.1339 Dem Grunde nach handelt es sich bei der REACH-VO um Gefahrenabwehrrecht. Um aber wirksam Gefahren, die von chemischen Stoffen ausgehen, abzuwenden, sind nach dem Konzept der REACH-VO ordnungsgemäße Registrierungsdossiers die Bedingung sine qua non. Daran fehlt es aber, wenn die ECHA grundsätzlich bei Registrierungsdossiers die auf defizitären Angaben beruhen, eine Rücknahme aus Ermessenserwägungen ablehnt. Das öffentliche Rücknahmeinteresse ist vor diesem Hintergrund sowie dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns als allgemeinem Grundsatz, der für die Rücknahme des rechtswidrigen Beschlusses streitet, als sehr hoch einzustufen. So können fiskalische Interessen des Betroffenen – dieser wird durch die Aufhebung der Registrierung wieder der Sperre des Art. 5 REACH-VO unterliegen; er kann den dem Registrierungsdossier zugrunde liegenden chemischen Stoff weder herstellen noch in Verkehr bringen und wird, will er dies ändern, in jedem Fall erneut die Registrierungsgebühr entrichten müssen – für sich genommen kaum die Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Registrierung rechtfertigen. Anders ist es aber, wenn der Betroffene nicht nur rein finanzielle Erwägungen, sondern auch Vertrauensschutz- wie Verhältnismäßigkeitsaspekte ins Feld führen kann. Daneben kann die ECHA – vor dem Hintergrund, dass außer dem Vorliegen defizitärer Angaben kein weiteres Tatbestandsmerkmal existiert – etwa die Zeitspanne zwischen Erlass des Beschlusses und Rücknahme in den Blick nehmen.1340 Dies mag insbesondere, wenn dem Betroffenen nicht bewusst war, dass er entsprechende Angaben im Registrierungsdossier tätigt, dazu führen, dass eine Rücknahme außer Betracht bleiben muss. Insofern muss die ECHA im Einzelfall die Zumutbarkeit der Rücknahme für den Betroffenen in ihre Abwägung mit einbeziehen. Allerdings wird die Rücknahme der Registrierung stets ex nunc erfolgen,1341 sodass die Auswirkungen der Registrierung nicht in die Vergangenheit zurück­reichen werden.

1339

Siehe S. 38 ff. Ein Tatbestandsmerkmal bildet dies hingegen im Rahmen der zweiten Fallgruppe, siehe S. 312 ff. 1341 Siehe S. 286 ff. 1340

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Daneben muss auch Gefahr einer Verzerrung des Wettbewerbs durch defizitäre Angaben im Registrierungsdossier mit berücksichtigt werden. Als Anhaltspunkt kann dabei dienen, wie weit sich der Wettbewerb durch das Verhalten des Betroffenen verzerrt hat.1342 Dabei sind nicht nur die Auswirkungen für den Wettbewerb in der Vergangenheit, auch die Auswirkungen für den Wettbewerb in der Zukunft einzubeziehen, wenn eine Rücknahme im betreffenden Fall nicht erfolgen würde. Dazu gehören finanzielle Auswirkungen wie mögliche Anreizwirkungen für alle an der REACH-VO Beteiligten, nicht nur für die betroffenen Hersteller oder Importeure, sondern auch für nachgeschaltete Anwender. Diese könnten zum Beispiel bevorzugt bei diesem Anbieter chemische Stoffe erwerben, weil das Datenblatt dünner oder der Stoff billiger ist. Eine solche negative Anreizwirkung in der gesamten Kette der REACH-VO muss jedoch vermieden werden, damit die Ziele der REACH-VO erreicht werden können. Vor diesen Gesichtspunkten kann auch die Wiederholungsgefahr bei anderen Unternehmen oder bei demselben Unter­ nehmen bei weiteren Registrierungen mit einbezogen werden. Auch die Art des Fehlers kann eine Rolle spielen. So wird ein offensichtlicher Schreibfehler, etwa bei der Adresse des Registranten, der insofern keine weiteren Folgewirkungen zeigt, vor dem Hintergrund der Beachtung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit kaum dazu ausreichen, eine Rücknahme zu rechtfertigen. Zu berücksichtigen ist weiterhin der subjektive Hintergrund, der den defizitären Angaben zugrunde liegt. So wird die ECHA jedenfalls differenzieren müssen zwischen schuldlosen, fahrlässigen und vorsätzlichen Fehlangaben.1343 Zumindest bei einer fraudulös erlangten Registrierung muss eine Rücknahme erfolgen, bei schuldlos defizitären Angaben kann diese unverhältnismäßig sein. Allerdings wird der Registrant sich nicht auf die Unkenntnis von Anforderungen der R ­ EACH-VO berufen können, insofern trifft ihn eine Erkundigungspflicht.1344 Die daraus resultierenden Anforderungen an die Sorgfalt des Registranten sind streng: Er muss nach der Rechtsprechung regelmäßig das aktuelle Markt­geschehen wie auch die Handlungen der ECHA im Auge behalten, gegebenenfalls auch andere Sprachfas-

1342

Die erste Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen begründete die ECHA unter anderem mit dem Schutz der Privilegien von kleinen und mittleren Unternehmen in Bezug auf eine ermäßigte Registrierungsgebühr, ECHA (Fn. 751). Dazu auch Iber, in: Lexxion (Fn. 356), S. 15 (18), der die Korrektur von Fehlern bei der Unternehmensgröße als schnell zu behebenden Mangel nach Einreichung des Registrierungsdossiers benennt. Mittlerweile haben erste Unternehmen Widersprüche eingelegt; diese werden unter den Az. A-002–2013 und A-003–2013 geführt; dazu auch Burckhart, Vortrag: Aktuelle Entscheidungen zur REACH-Verordnung, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2014 – REACH – Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis, Tagungsunterlagen, 2014, S. 51 (59 f.). 1343 Für eine solche Differenzierung auch Craig (Fn. 217), S. 558; auch Schwarze (Fn. 233), S. 982, möchte diesen Aspekt im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt wissen. 1344 So für Art. 220 Abs. 2 lit. b) Modernisierter Zollkodex, EuGH, Urteil vom 28.6.1990 – Rs.  80/89  – Slg. 1990, I-2659 (Rn.  13, 17)  – Erwin Behn Verpackungsbedarf/Hauptzollamt Itzehoe.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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sungen der REACH-VO sowie weitere Dokumente bei Fragen zur Rate ziehen.1345 Der Maßstab für den „sorgfältigen Gewerbetreibenden“1346 ist sehr hoch.1347 Außerdem ist zu beachten, dass die ECHA im Laufe des Verfahrens bereits Informationen nachgefordert hat, sodass der Betroffene wusste, welche Informationen nach Meinung der ECHA fehlten oder unrichtig waren. Dies schränkt den Bereich der Fälle, in denen der Betroffene schuldlos oder leicht fahrlässig Fehlangaben tätigt, stark ein. Das Vertrauen in die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben wie auch den Bestand der Registrierung kann verloren gehen, wenn der Betroffene weiß, welche Angaben er korrigieren muss. Spätestens dann kann er kaum darauf vertrauen, dass seine Registrierung ursprünglich quantitativ und qualitativ aus­reichend war. Grundsätzlich wird somit die ECHA, insbesondere wenn die Angaben im Registrierungsdossier absichtlich defizitär sind, den Registrierungsbeschluss zurücknehmen. Ausnahmen können sich aber aufgrund der Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls durchaus zutragen.

1345 Vgl. EuGH, Urteil vom 10.12.1975  – verb. Rs.  95/74 bis 98/74, 15/75 und 100/75  – Slg.  1975, 1615 (Rn.  52/55)  – Union nationale des coopératives agricoles de céréales u. a./ Kommission u. a.; EuGH, Urteil vom 13.6.1978 – Rs. 146/77 – Slg. 1978, 1347 (Rn. 13/16) – British Beef Company Limited/Intervention Board for Agricultural Produce; EuGH, Urteil vom 26.6.1990  – Rs.  64/89  – Slg. 1990, I-2535 (Rn.  18)  – Hauptzollamt Gießen/Deutsche Fernsprecher; EuGH, Urteil vom 28.6.1990 – Rs. 80/89 – Slg. 1990, I-2659 (Rn. 13) – Erwin Behn Verpackungsbedarf/Hauptzollamt Itzehoe; EuGH, Urteil vom 27.6.1991 – Rs. 348/90 – Slg. 1991, I-3277 (Rn. 30) – Mecanarte – Metalúrgica da Lagoa Ldª/Chefe do Serviço da Conferência Final da Alfândega do Porto; EuGH, Urteil vom 17.10.1996 – Rs. 64/95 – Slg. 1996 I-5105 (Rn. 18) – Konservenfabrik Lubella Friedrich Büker/Hauptzollamt Cottbus; im Schrifttum: Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 496; Borchardt (Fn. 559), S. 120 ff. 1346 EuGH, Urteil vom 20.9.1990 – Rs. C-5/89 – Slg. 1990, I-3437 (Rn. 14) – Kommission/ Bundesrepublik Deutschland; EuGH, Urteil vom 14.1.1997 – Rs. C-169/95 – Slg. 1997, I-135 (Rn.  51)  – Königreich Spanien/Kommission; EuGH, Urteil vom 20.3.1997  – Rs.  C-24/95  – Slg.  1997, I-1591 (Rn.  25)  – Land Rheinland-Pfalz/Alcan Deutschland; Blanke (Fn.  1345), S. 497. 1347 Dies erscheint zwar rigoros, aber vor dem Hintergrund des Maßstabes, den der EuGH an den Umfang legislativer Vertrauensschutzpositionen, an die Schutzwürdigkeit von Erwartungen in den Fortbestand der geltenden Gesetzeslage anlegt, stringent. Blanke (Fn. 1345), S. 497; Borchardt (Fn. 559), S. 120 ff. Vgl. etwa auch der strenge Maßstab, den der EuGH im Hinblick auf Vergewisserungspflichten bei unionsrechtswidrigen Subventionen anlegt – den „sorgfältigen“ Unternehmen sei es „regelmäßig“ möglich, ausführliche Erkundigungen einzuziehen. Dies geschieht unter anderem mit Verweis auf die Mitteilung der Kommission, die sich im Amtblatt der EG aus dem Jahre 1983 findet, ABl. EG Nr. C 318, S. 3, mithin einer Mitteilung, bei der die Veröffentlichung 30 Jahre zurückliegt, siehe nur EuGH, Urteil vom 20.3.1997  – Rs. C-24/95 – Slg. 1997, I-591 (Rn. 25) – Land Rheinland-Pfalz/Alcan Deutschland; EuGH, Urteil vom 20.9.2000 – Rs. C-5/89 – Slg. 1990, I-3437 (Rn. 15) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

f) Einzuhaltendes Verfahren bei der Rücknahme Ein letzter Blick soll im Rahmen dieser Fallgruppe auf das für die Rücknahme einzuhaltende Verfahren geworfen werden. Generell ist dabei von Seiten der ECHA das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten, diesem wird der Ablauf des Verfahrens genügen müssen. So muss die Behörde, bevor sie zu der wirksamsten, aber auch in die Rechte des Betroffenen am tiefsten eingreifenden Sanktion, der Rücknahme des Registrierungsbeschlusses, greift, zunächst dem Betroffenen nach Möglichkeit die Gelegenheit geben, seinen Fehler selbst zu korrigieren.1348 Dieser Regelungsmechanismus entspricht auch der Systematik der REACH-VO. Sie sieht in Art. 20 Abs. 2 REACH-VO, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 22 Abs. 3, Art. 41 Abs. 3 REACH-VO, regelmäßig, bevor weitergehende Schritte durch die ECHA eingeleitet werden können, eine Korrekturmöglichkeit für den Registranten vor.1349 Nachdem dergestalt die Rahmenbedingungen für das Aufhebungsverfahren skizziert, grundlegende Anforderungen festgestellt sind, bleibt aber dennoch die Frage offen, auf welchem Weg diesen Anforderungen Genüge getan werden kann: So könnte zum einen die Möglichkeit der Anwendung von Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 und UAbs.  4 REACH-VO analog1350 bestehen: Die ECHA teilt dem Registranten mit, welche Informationen nachgefordert werden müssen, um das Registrierungsdossier quantitativ und qualitativ ausreichend zu gestalten, und setzt eine Frist, bis wann die Informationen vorliegen müssen. Gehen diese Informationen ein, wird das Registrierungsdossier erneut geprüft und, sollte es nach wie vor unzureichend sein, die Registrierung aufgehoben werden.1351 Damit würden grundsätzlich dieselben Normen für den Erlass des actus contrarius gelten wie für den actus primus.

1348 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 36. Kritisch hingegen von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 23, nach dem bei Falschangaben im Registrierungsdossier dem Registranten kein Schutz zuzugestehen ist. Dann aber wären die Korrekturregelungen der REACH-VO weitgehend zweckfrei. Deren Existenz sieht die Möglichkeit von Falschangaben vor und erlaubt Korrekturen. So ist auch in der Registrierung eine einmalige Nachbesserung möglich  – falsche im Sinne von fehlenden Angaben führen nicht sofort zur Ablehnung der Registrierung. 1349 Fischer, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 20 REACH-VO Rn. 35. 1350 Eine direkte Anwendung der Normen zur Verfahrensregelung ist nicht möglich, da bereits die Aufhebung einer Registrierung nicht vom Wortlaut von Art.  20 Abs.  2 UAbs.  3 und 4 REACH-VO gedeckt ist, siehe S. 240 ff. Zwar scheidet eine analoge Anwendung der Regelungen als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Registrierungen aus, dies sperrt jedoch deren mögliche Verwendung als Leitlinien für das Verfahren nicht. In diese Richtung der Anwendung von Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 41 REACH-VO Rn. 23, 25. 1351 In diese Richtung wohl von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn.  20), Art.  41 REACH-VO Rn. 25.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Dieses Verfahren wirft allerdings das Problem auf, dass bei einer Nachbesserung eines Registrierungsdossiers nach Art.  41 REACH-VO auch die Mitgliedstaaten bzw., wenn nach Art. 51 Abs. 7, Art. 133 Abs. 2 REACH-VO ein Komitologieverfahren durchgeführt werden muss, neben diesen auch die Europäische Kommission, der Regelungsausschuss sowie der Rat der Europäischen Union zu beteiligen sind. Bei der graduell stärker eingreifenden Rücknahme des Beschlusses hingegen fehlen derartige Beteiligungsrechte. Das würde zum Ergebnis führen, dass die Beteiligungsmöglichkeiten im Rücknahmeverfahren hinter den Beteiligungsmöglichkeiten im Nachbesserungsverfahren zurückbleiben würden, obwohl Ersteres graduell stärker in die Rechtsposition des Betroffenen eingreift. Schließlich ist auch die oben skizzierte Parallelität beider Verfahren bei näherer Betrachtung eine Illusion: Denn das Verfahren des Art. 20 REACH-VO ist davon geprägt, dass lediglich die Vollständigkeit der Daten in Rede steht nach Art.  20 Abs. 2 S. 2 REACH-VO; hier aber geht es nicht nur um die Ablehnung von Registrierungsbescheiden auf Basis von quantitativ unzureichenden Registrierungsdossiers, sondern um die Rücknahme von Registrierungsbescheiden auf Basis qualitativ unzureichender Registrierungsdossiers. Interessengerechter erscheint daher eine Anwendung von Art.  41 Abs.  3 REACH-VO analog. Damit wird zum einen garantiert, dass vor einer Registrierung zunächst eine Nachforderung von Informationen und die Möglichkeit der Korrektur eines Registrierungsdossiers besteht. Gleichzeitig kann nach Art.  41 Abs.  3, Art.  50 Abs.  1 REACH-VO analog eine Anhörung des Betroffenen wie auch nach Art.  41 Abs.  3, Art.  51 REACH-VO analog der mitgliedstaatlichen Behörden stattfinden.1352 Im Übrigen besteht dann auch zwischen Nachbesserungs- und Rücknahmeverfahren ein systematischer Zusammenhang: Schließlich wird dieses Verfahren regelmäßig im Anschluss an den compliance check eingeleitet werden, und außerdem wird jedenfalls zur Begründung der Rücknahme der Registrierung wieder Bezug auf die vom Betroffenen nachgeforderten Informationen genommen werden müssen; durch den Rückgriff auf Art. 41 Abs. 3 REACH-VO analog ist damit die grundsätzliche Nähe zu Art.  41, Art.  22 Abs.  2, Abs.  3 REACH-VO erneut hergestellt. Ein Gleichklang entsteht auch durch die Bindung der Entscheidungsfindung. Nach Art. 41 Abs. 3 REACH-VO steht der ECHA bei der Nachforderung von Informationen Ermessen zu, sie „kann“ den Entwurf eines Beschlusses er­stellen.1353 Ein

1352

Näher zu diesen Verfahrensschritten von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 50 REACH-VO Rn. 58 ff., und von Holleben, in: Fluck/Fischer/von Hahn (Fn. 20), Art. 51 REACH-VO Rn. 4 ff. 1353 In der englischen Fassung „may“, in der französischen Fassung der REACH-VO „peut“.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Ermessen steht ihr dann ebenfalls bei der Rücknahme der Registrierung zu.1354 Eine analoge Anwendung des Verfahrens findet also auch in der Entscheidungsfindung der ECHA ihren Widerhall. Der grundsätzliche Verfahrensablauf ist damit folgendermaßen zu skizzieren:

Abbildung 4: Schematische Darstellung von Nachbesserungsund Rücknahmeverfahren für die Rücknahme von Beschlüssen auf Basis dauerhaft defizitärer Registrierungsdossiers

Ist ein defizitäres Registrierungsdossier festgestellt worden, kann die ECHA nach Art. 41 Abs. 3 REACH-VO in Verbindung mit Art. 50, 51 REACH-VO ein Nachbesserungsverfahren einleiten, indem sie einen Beschlussentwurf zur Nachbesserung des Registrierungsdossiers erstellt nach Art.  41 Abs.  3 REACH-VO. Dieser wird nun gemäß Art.  50, 51 REACH-VO dem Betroffenen sowie den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zur Stellungnahme zugeleitet. Stellung wird – gemäß der Zielsetzung des Beschlussentwurfs – aber lediglich zur Nachbesserung des Registrierungsdossiers genommen. Führt die Prüfung zur completeness bzw. zur compliance, ist das Nachbesserungsverfahren beendet. Stellt die ECHA allerdings fest, dass das Registrierungsdossier nach wie vor unzureichend ist, liegt ein dauerhaft qualitativ defizitäres Registrierungsdossier vor, kann nach den oben dargestellten Grundsätzen die ECHA die Rücknahme der Registrierung einleiten. Sie wird dazu analog Art. 41 Abs. 3 REACH-VO einen Beschlussentwurf erstellen und analog Art. 50, 51 REACH-VO dem Betroffenen und den Mitgliedstaaten zur Anhörung zuleiten. Dies führt, so könnte man vorbringen, in derselben Sache zu zwei Anhörungen, der Betroffene und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten wurden bereits im Rahmen des Nachbesserungsverfahrens angehört. Im Mittelpunkt dieser ersten Anhörung stand aber die Nachbesserung der Registrierung, nicht die Rücknahme der Registrierung. Die Argumente und Stellungnahmen der ersten An­ hörung beziehen sich auf die Frage der Nachbesserung, nicht auf die Rücknahme 1354

Siehe S. 280 ff.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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der Registrierung, und werden daher auch anders ausfallen. Nur durch diese Doppelung sind die Verfahrensrechte aller Beteiligten gewahrt; es ist gewährleistet, nicht hinter den Maßstab des geringeren Eingriffs, einer Nachforderung nach Art. 41 Abs. 3 REACH-VO in Verbindung mit Art. 50, 51 REACH-VO, zurückzutreten. Im Hinblick auf den Rechtsschutz können die Beschlüsse des compliance checks nach Art. 41 Abs. 3, Art. 50, 51 Abs. 8 REACH-VO mit einem Widerspruch angegriffen werden. Dieses Recht wird man dem Betroffenen damit auch analog zugestehen; besteht für die minder schwer in die Rechte des Registranten eingreifende Nachforderung von Informationen ein Widerspruchsrecht, muss es auch für die tiefer eingreifende Rücknahme der Registrierung gelten.1355 In dieses Bild passt dann auch, dass nach Art. 20 Abs. 5 REACH-VO dem von einer Ablehnung Betroffenen ebenfalls ein solches Recht zugestanden wird. In beiden Fällen der Negativentscheidung, der Ablehnung wie der Aufhebung der Registrierung, kann der Betroffene den Beschluss erneut im Verwaltungsverfahren im Rahmen eines Widerspruchs überprüfen lassen. Damit fügt sich die Anerkennung des Widerspruchsrechts in die Systematik der Registrierung im Rahmen der REACHVO ein. g) Ergebnis für Fallgruppe 1: Rücknahme einer rechtswidrigen Registrierung – Registrierungsdossier defizitär Insgesamt ergeben sich für die Fallgruppe 1 – die Rücknahme einer rechtswidrigen Registrierung, deren Rechtswidrigkeit auf defizitären Angaben des Betroffenen beruht – folgende Schlussfolgerungen: Das Eigenverwaltungsrecht ermöglicht der ECHA im Verfahren nach Art. 41 Abs. 3, Art. 50, 51 REACH-VO analog 1355 Der Katalog des Art.  91 Abs.  1 REACH-VO normiert scheinbar abschließend die Entscheidungen der ECHA, gegen die ein Widerspruch zulässig ist. Auch Bronckers/van Gerven (Fn. 232), 1823 (1844); Kern (Fn. 171), 68 (73); Waggershauser (Fn. 442), 112 (113); Weidemann (Fn. 23), 232 (244 ff.); ebenso Weidemann, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 23), S. 203 (234 ff.), beschränken sich auf die dort aufgezählten Fälle. Dezidiert Becker/Tiedemann (Fn.  93), Rn.  291: „Mittels Widerspruch sind nur bestimmte Entscheidungen anfechtbar.“ Martel (Fn. 263), 600 (638); Pache/Pieper, in: Führ (Hrsg.), Praxishandbuch REACH, 2011, Kapitel 25: Rechtsschutz Rn. 7; Tiedemann (Fn. 442), 993 (995), jeweils: „abschließend“. Dieser Meinung ist auch Goodacre, Vortrag: The appeals procedure before the Board of Appeal, in: Lexxion (Hrsg.), Chemierechtstag 2013 – REACH, Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis, Tagungsunterlagen, 2013, S. 53 (56). Im Lichte des Sogelma-Urteils, EuG, Urteil vom 8.10.2008 – Rs. T-411/06 – Slg. 2008, II-2771 – Sogelma/Europäische Agentur für Wiederaufbau, arbeiten Bartosch/Michel, Widerspruchs- und Klageverfahren  – der Rechtsschutz, StoffR 2010, 72 (74 ff.), heraus, dass dieser Katalog keinesfalls abschließend ist: Für Rechtsakte der Agentur, welche in gleicher Weise Rechtswirkung gegenüber Dritten entfalten, ist ein Widerspruchsverfahren zulässig, unabhängig davon, ob sie im Katalog des Art. 91 Abs. 1 REACH-VO genannt sind. In einer vertragskonformen Auslegung müsse dieser entsprechend offen gehalten werden, damit in vergleichbaren Fällen vergleichbarer und wirksamer Rechtsschutz zur Verfügung stehe.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

die Rücknahme ex nunc von Registrierungsbeschlüssen auf Basis dauerhaft quantitativ wie qualitativ defizitären Registrierungsdossiers. Generell spielt es bei der Frage des „Ob“ der Aufhebung keine Rolle, ob die defizitären Angaben im Registrierungsdossier schuldhaft erfolgt sind. Ebenso ist es unbeachtlich, welche Angaben defizitär sind  – solange diese im compliance check aufgedeckt werden, ist auch eine Rücknahme tatbestandlich zulässig. Diese Aspekte können aber im Rahmen der Ermessensentscheidung der ECHA über eine Rücknahme eine Rolle spielen. Die im Rahmen dieser Fallgruppe Anwendung findenden allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts sind detailliert ausgestaltet; sie stellen ständige Rechtsprechung der europäischen Gerichte dar und sind zusätzlich auch im Sekundärrecht normiert. Sie können insofern als ausreichend sicher und tragfähig gelten, um im Vollzug der REACH-VO entsprechend Anwendung zu finden.1356 3. Fallgruppe 2: Rücknahme von rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen, Rechtswidrigkeit aufgrund (anderer) formeller oder materieller Fehler In der Praxis des Vollzugs von REACH vermutlich weniger häufig, dennoch im Hinblick auf das Zusammenspiel zwischen der REACH-VO und dem allgemeinen Eigenverwaltungsrecht, insbesondere im Hinblick auf dessen Weiterentwicklung bedeutsam, ist die zweite Fallkonstellation: Es handelt sich um Fälle, in denen die Registrierung rechtswidrig ist, weil es zu (sonstigen) formellen oder materiellen Fehlern, die die Rechtswidrigkeit des Registrierungsbeschlusses zur Folge hatten, während des Registrierungsverfahrens kam. Dies kann – neben Konstellationen, in denen gegen die Verteidigungsrechte des Betroffenen verstoßen werden1357 und eine Heilung nicht in Betracht kommt – etwa der Fall sein, wenn die ECHA im Registrierungsverfahren z. B. überhöhte Anforderungen an den Inhalt des Registrierungsdossiers stellt, fälschlicherweise den Maßstab einer höheren Tonnagegruppe anlegt und daher der Registrant mehr Informationen liefern muss (und liefert), als es nach der REACH-VO notwendig gewesen wäre. Aber auch im umgekehrten Fall, dann, wenn die ECHA den Anwendungsbereich der­ REACH-VO in sachlicher Hinsicht fälschlicherweise ausdehnt  – etwa wenn ein Registrierungsdossier für einen Stoff angefordert wird, der in Mengen unter einer 1 t/a von einem Registranten hergestellt wird – liegt ein rechtswidriger Registrierungsbeschluss vor. 1356

Diesen Teil der Furt betrachtet die ECHA im Übrigen auch selbst als gangbar, sie nahm ex nunc Registrierungen zurück, welche durch Falschangaben in Bezug auf die Unternehmensgröße rechtswidrig waren, vgl. ECHA (Fn. 751). 1357 Siehe S. 175 ff.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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In der Literatur wird die Rücknahme aufgrund defizitärer Angaben als Sonderfall der Rücknahme angesehen, als besonderer Rücknahmegrund,1358 während die Rücknahme eines rechtswidrigen Beschlusses, der seinen Makel aufgrund (sonstiger) formeller oder materieller Fehler trägt, die Grundkonstellation bildet.1359 Im deutschen Recht tritt diese Differenzierung ebenfalls, wenngleich weniger auf­ fällig, zutage. Ein Verwaltungsakt, der auf unvollständigen oder unrichtigen An­ gaben beruht, führt gemäß § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 (L)VwVfG zu fehlendem schutzwürdigem Vertrauen; damit handelt es sich auch im deutschen Verwaltungsrecht insofern um einen Sonderfall, als dass damit die Notwendigkeit einer Abwägung nach § 48 Abs. 2 S. 1 (L)VwVfG entfällt.1360 Diese Abwägung im Bereich des Tatbestandes entfällt im Rahmen der ersten Fallgruppe auch im Unionsrecht. Schutzwürdiges Vertrauen ist durch die defizitären Angaben im Registrierungsdossier grundsätzlich nicht entstanden. Die besondere Relevanz wie Schwierigkeit in dogmatischer Hinsicht bei der Aufhebung von Rechtsakten beruht allerdings letztlich auf der Grundfrage des Verhältnisses zwischen Rechtssicherheit und Vertrauensschutz wie dem Gebot der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, mithin zwischen privatem und öffentlichem Interesse. Dieses Verhältnis im Rahmen der Registrierung von REACH, dieses Verhältnis im Bereich des Eigenverwaltungsrechts, soll im Rahmen der zweiten Fallgruppe auf dem Prüfstand stehen. Auch bei der Rücknahme von allgemein rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen muss zunächst die Existenz des ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrund­ satzes, der eine Rücknahme in einem solchen Fall möglich macht, geprüft werden. Aufgrund der Vorarbeit im Rahmen der ersten Fallgruppe lässt sich aber bereits präzisieren, dass auch hier lediglich eine Rücknahme ex nunc erfolgen kann.1361 1358

Schwarze (Fn. 233), S. 982 f. Insofern wird fortan ein Beschluss dieser Fallgruppe als „allgemein rechtswidrig“ be­ zeichnet, um so eine für den Fließtext handhabbare Abgrenzungsmöglichkeit von Beschlüssen, welche an diesem „allgemeinen“ Mangel kranken, gegenüber von Beschlüssen, welche dem besonderen Rücknahmegrund, dem Spezialfall der defizitären Angaben im Registrierungs­ dossier unterliegen, zu schaffen. 1360 Erichsen/Brügge, Die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 48 VwVfG, Jura 1999, 155 (159); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 48 VwVfG Rn. 148; jeweils m. w. N.; a. A. Erfmeyer (Fn.  1238), 629 ff., der hingegen auch dann eine Abwägung durchführen will. Eventuelle Sonderkonstellationen können allerdings ebenso sachgerecht im Rahmen der Ermessensentscheidung behandelt werden. 1361 Siehe S.  286  ff. Als zusätzliches Argument, dass eine Strafbarkeit nach § 27b Abs.  1 Nr.  1 ChemG nicht möglich ist, kann in dieser Konstellation ins Feld geführt werden, dass man davon ausgehen muss, dass regelmäßig beim Auftreten von Verfahrens- oder Formfehlern die handelnde Behörde zumindest eine gewisse Mitverantwortung für das Entstehen dieses Fehlers, der zur Rechtswidrigkeit führt, trägt. Bereits dadurch stößt die Rücknahme ex tunc auf gewisse Bedenken. Im deutschen Verwaltungsrecht, BVerwG, Urteil vom 24.4.1959 – VI C 91.57 – BVerwGE 8, 261 (269); BVerwG, Urteil vom 30.8.1961 – IV C 86.58 – BVerwGE 13, 28 (33); BVerwG, Urteil vom 12.7.1972  – VI C 24.69  – BVerwGE 40, 212 (217), wie im europäischen Eigenverwaltungsrecht, GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu 1359

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Somit stellt sich die Frage, ob das ungeschriebene Eigenverwaltungsrecht in einer solchen Konstellation die Rücknahme eines rechtswidrigen Beschlusses ex nunc als ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz anerkennt [F. III. 3. a)]1362. In einem nächsten Schritt sind die Voraussetzungen für die Rücknahme abstrakt zu klären [F. III. 3. b) aa)]1363 und dann auf die Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen im Rahmen der REACH-VO zu spezifizieren [F.  III.  3.  b)  bb)]1364. Wie im Rahmen der Fallgruppe 1 wird erörtert werden, ob die ECHA eine Rechtspflicht zur Rücknahme hat oder ihr ein Ermessensspielraum offen steht [F.  III.  3.  d)]1365. Ein Blick soll auch auf das zur Rücknahme zum Tragen kommende Verfahren gerichtet werden [F. III. 3. e)]1366. a) Herleitung des ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes aus der Entscheidung in der Rechtssache Algera Im ersten Schritt soll die Existenz eines ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatzes geklärt werden, der die Rücknahme ex nunc von allgemein rechtswidrigen Beschlüssen ermöglicht. Die einschlägige Rechtsprechung des EuGH beginnt mit der Entscheidung in der Rechtssache Algera.1367 Dort klagten Bedienstete der gemeinsamen Versammlung der EGKS gegen ihre Zulassung zum Beamtenstatut und die Einstufung in bestimmte Gehaltsgruppen. Während die Zulassung zum Beamtenstatut rechtmäßig war und damit nicht aufgehoben werden konnte,1368 ging es bei der Rücknahme um die Aufhebung der Einstufung in eine bestimmte Gehaltsstufe. Diese sollte aber erst mit Wirkung für die Zukunft erfolgen.1369 Die Aufhebung sollte also nicht zurückdatiert werden, die Verminderung des Gehalts durch die Neu-

Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (577) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/ Hohe Behörde, spielt auch und gerade bei der Frage der zeitlichen Dimension der Rücknahme der Grund der Rücknehmbarkeit eine Rolle. Entscheidend ist, in welcher Sphäre der Fehler liegt. Bei einer Rücknahme ex tunc nämlich würde der Betroffene in dieser Fallgruppe letztlich für ein Fehlverhalten der Behörde sanktioniert werden. Daher wird auch in dieser Fallkonstellation von einer Rücknahme ex nunc auszugehen sein. 1362 Siehe S. 310 ff. 1363 Siehe S. 312 ff. 1364 Siehe S. 333 ff. 1365 Siehe S. 340 f. 1366 Siehe S. 341 ff. 1367 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1368 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (125)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1369 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (100)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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einstufung durch eine Übergangsregelung ex nunc aufgefangen werden.1370 Die Aufhebung war weder formell noch materiell rückwirkend. In dieser Entscheidung sollte die Einstufung in eine bestimmte Gehaltsstufe mit Wirkung ex nunc1371 erfolgen.1372 Zunächst stellt der EuGH als Destillat aus dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten der EGKS fest, dass die Aufhebung von rechtswidrigen Beschlüssen überall zulässig ist; er beschäftigt sich dann mit der konkreten Ausgestaltung der einzelnen nationalen Regelungen. Dabei ergibt sich, dass die Aufhebung von rechtswidrigen Beschlüssen zwar in jedem Mitgliedstaat anders geregelt ist, der Gerichtshof kommt allerdings auch zu dem Ergebnis, dass nach dem Recht aller Mitgliedstaaten ein rechtswidriger Verwaltungsakt mindestens innerhalb einer angemessenen Frist aufgehoben werden kann.1373 Diese Gemeinsamkeit übernimmt der EuGH dann als Grundsatz für das Eigenverwaltungsrecht der Union. 1370 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (100)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1371 Die deutsche Übersetzung lässt eine Differenzierung hinsichtlich der Zeitebene der Rücknahme vermissen, EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung, spricht lediglich vom Widerruf rechtswidriger Verwaltungsakte. Im französischen Recht wiederum wird zwischen der Rücknahme ex tunc „le retrait“ und der Rücknahme ex nunc „l’abrogation“ unterschieden, Glaser (Fn.  234), S.  137; Marsch, Frankreich, in: Schneider (Hrsg.), Frankreich, Polen und Tschechien, 2009, S. 33 (135 ff.); Schwarze (Fn. 233), S. 852 ff. Der EuGH nutzt jedoch in der Frühzeit seiner Rechtsprechung den Begriff „le retrait“ ohne diese Differenzierung, EuGH, Urteil vom 1.6.1961 – Rs. 15/60 – Slg. 1961, 241 – Gabriel Simon/Gerichtshof, in der franzö­sischen Sprachversion, wo die Rücknahme ex nunc als „le retrait“ benannt wird; besonders deutlich wird diese terminologische Ungenauigkeit in der Rechtssache Elz. Dort bezeichnet der Gerichtshof die Rücknahme ex nunc als „le retrait ex nunc“, EuGH, Urteil vom 24.6.1976 – Rs. 56/75 – Slg. 1976, 1098 (Rn.  2)  – Raymond Elz/Kommission, in der französischen Sprachfassung. Die Differenzierung zwischen „le retrait“ und „l’abrogation“ in den französischen Urteilsversionen führt der EuGH erst später ein. So wird in den französischen Versionen der Urteile in den Rechtssachen Herpels und Consortio d’Abruzzo die Rücknahme ex nunc korrekt als „l’abrogation“ bezeichnet, die Rücknahm ex tunc als „le retrait“, EuGH, Urteil vom 9.3.1978 – Rs.  54/77  – Slg. 1978, 585  – Antoon Herpels/Kommission; EuGH, Urteil vom 26.2.1985  – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. 1372 Schlockermann (Fn.  566), S.  36 ff.; Schwarze (Fn.  233), S.  973; ungenau Wiesner, der nicht zwischen der rechtmäßigen Zulassung zum Beamtenstatut und der rechtswidrigen Einstufung der Gehaltsstufe differenziert und folglich hier von einer Rücknahme ex tunc ausgeht, Wiesner (Fn. 1240), S. 99. Diesen Fehlschluss trifft auch Däubler (Fn. 378), 1646 (1648), der aus dieser Entscheidung die freie Rücknehmbarkeit von rechtswidrigen Beschlüssen ex tunc herleiten will. 1373 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. So dürfe im französischen, größtenteils auch im belgischen, luxemburgischen und niederländischen Recht die Rücknahme eines rechts­ widrigen Verwaltungsakts nur vor Ablauf der für die Erhebung der Anfechtungsklage vor­ gesehenen Frist, bzw. bei Erhebung, vor Erlass des Urteils, erfolgen. Im deutschen Recht existiere keine Frist, allerdings könne der ungerechtfertigt verspäteten Rücknahme der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen. Im italienischen Recht dagegen sei eine Rücknahme stets zulässig.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Damit erbringt die Entscheidung in der Rechtssache Algera1374 über die Entscheidung in der konkreten Sache hinaus auch den ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass rechtswidrige Beschlüsse im Rahmen dieser Fallgruppe ex nunc zurückgenommen werden können. b) Tatbestandliche Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen Registrierungsbeschlusses ex nunc Nun gilt es, die tatbestandlichen Anforderungen für die ECHA bei der Rücknahme einer allgemein rechtswidrigen Registrierung zu ermitteln. Dabei werden in einem ersten Schritt die Anforderungen aus dem ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz dargestellt [F. III. 3. b) aa)]1375 und in einem zweiten Schritt durch die Spezifika der REACH-VO mit Leben gefüllt [F. III. 3. b) bb)]1376. aa) Bestimmungen der Voraussetzungen der Rücknahme ex nunc aus der Rechtsprechung des EuGH Zunächst werden die Voraussetzungen für die Rücknahme eines begünstigenden allgemein rechtswidrigen Beschlusses erörtert. In einem ersten Schritt wird die Entwicklung der Rechtsprechung dargestellt [F. III. 3. b) aa) (1)]1377. Dabei müssen, um die Rechtslage für die Rücknahme von Beschlüssen ex nunc zu ermitteln, auch die Entscheidungen, in denen in der entsprechenden Konstellation eine Rücknahme ex tunc in Rede stand, einbezogen werden. Dies ergibt sich vor dem Hintergrund, dass durch die Entscheidung Alpha Steel1378 eine Rechtsprechungsänderung dergestalt eintrat, dass der EuGH durch Aufgabe einer Differenzierung nach Beschlusstypen neue tatbestandliche Anforderungen an die Rücknahme ex tunc im Rahmen dieser Fallgruppe stellt. Nach dieser Entscheidung aber musste sich der EuGH bislang nicht mehr mit einer Rücknahme ex nunc eines allgemein rechtswidrigen Beschlusses beschäftigen. Daher muss im Folgenden analysiert werden, inwiefern sich diese Rechtsprechungsänderung auf die Rücknahme von Beschlüssen ex nunc auswirkt [F.  III.  3.  b)  aa)  (2)]1379, und so herausgearbeitet werden, welchen Tatbestand die ECHA für die Rücknahme von allgemein rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen erfüllen muss. 1374 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1375 Siehe S. 312 ff. 1376 Siehe S. 333 ff. 1377 Siehe S. 312 ff. 1378 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10) – Alpha Steel/Kommission. 1379 Siehe S. 320 ff.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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(1) Die Rechtsprechung des EuGH zur Rücknahme von Beschlüssen, die nicht aufgrund defizitärer Angaben rechtswidrig sind Die Rechtsprechung des EuGH zu den Tatbestandsmerkmalen für eine Rücknahme von allgemein rechtswidrigen Beschlüssen lässt sich in drei Phasen ein­ teilen: Nachdem der EuGH seine Entscheidung in der Rechtssache Algera1380 (Phase 1)1381 getroffen hatte, differenzierte er in der Folgezeit zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen (Phase 2)1382, gab dies aber ab seiner Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel1383 wieder auf (Phase 3)1384. (a) Phase 1: Die Entscheidung in der Rechtssache Algera Bereits in der Entscheidung in der Rechtssache Algera1385 definierte der EuGH als Voraussetzung für die Rücknahme ex nunc eines allgemein rechtswidrigen begünstigenden Beschlusses, dass sie innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen habe.1386 Diese Anforderung arbeitet er als gemeinsame Voraussetzung nach dem Recht aller damaligen Mitgliedstaaten der EGKS heraus1387 und führt sie auf dieser Basis in das Eigenverwaltungsrecht der Union.1388 Dabei übernimmt der Gerichtshof allerdings nicht die kleinste gemeinsame Menge des Rechts der Mitgliedstaaten als Recht der Union. Vielmehr findet ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut eines Mitgliedstaates, in diesem Fall auf das französische Recht,1389 statt.1390 Dort war zu diesem Zeitpunkt die Rücknahme subjektive Rechte verleihender individueller allgemein rechtswidriger Beschlüsse zulässig, wenn sie

1380 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1381 Siehe S. 313 ff. 1382 Siehe S. 315 ff. 1383 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10) – Alpha Steel/Kommission. 1384 Siehe S. 316 ff. 1385 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1386 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1387 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1388 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1389 So das Postulat von GA Lagrange, Schlussanträge vom 14.6.1957 zu verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 140 (162) – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1390 Der Sache nach handelt es sich damit weniger um eine Schnittmengenlösung als vielmehr um eine „Rosinentheorie“. Vgl. auch die Beschreibung der heutigen Vorgehensweise bei­ Borchardt, in: Lenz/Borchardt (Fn. 688), Art. 19 EUV Rn. 46.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

innerhalb der Frist zur Erhebung einer Anfechtungsklage erfolgt ist,1391 also innerhalb zweier Monate.1392 Daraus nun abzuleiten, dass eine Rücknahme innerhalb einer Frist von zwei Monaten noch angemessen sei, geht aber fehl. Der EuGH übernimmt nicht die starre Frist des französischen Rechts, er greift nicht einmal auf die Verfahrensordnung des Gerichtshof für Rechtsstreitigkeiten nach Art. 58 Personalstatut der Gemeinschaft,1393 die hier grundsätzlich einschlägig gewesen wäre, zurück.1394 Diese nämlich trat erst zum 21.2.1957 in Kraft  – die Klage wurde aber bereits am 19.11.1956 eingereicht. Insofern konnte sie denn auch in dieser Konstellation keine direkte Anwendung finden, allerdings nutzt sie der EuGH auch nicht als Anlehnung, um eine Frist von zwei Monaten zu statuieren. Er postuliert nämlich keine starre Frist, sondern stellt auf eine „angemessene“ Frist ab, innerhalb derer die Rücknahme zulässig ist.1395 Der Gerichtshof definiert diese Frist jedoch nicht näher, sondern bezeichnet sie in der Rechtssache Algera – es handelt sich um einen Zeitraum von sieben Monaten, die Beschlüsse vom 12.12.1955 wurden am 12.7.1956 auf­gehoben – ohne weitere Ausführungen als „angemessen“1396 und hielt damit die Rücknahme für rechtmäßig.

1391 Die Frist für die Anfechtungsklage wurde im Jahre 2000 kodifiziert im Code de justice administrative (CJA), Art. R. 421–1 CJA. 1392 Conseil d’Etat, Entscheidung vom 3.11.1922 – 74010 – Rec. 790 ff. – Dame Cachet, denn innerhalb dieser Frist sei die Rechtsunsicherheit ohnehin die Regel. Diese klare Fristenregel hat der Conseil d’Etat allerdings in der Folgezeit immer weiter aufgeweicht, insbesondere in der Frage, wann diese Frist zu laufen beginnen sollte. Daher wurde diese Rechtsprechung scharf kritisiert, denn so wurde die Rechtssicherheit, die die starre Fristenlösung eigentlich liefern sollte, ad absurdum geführt. In neuerer Zeit änderte der Conseil d’Etat seine Rechtsprechung, Conseil d’Etat, Entscheidung vom 26.10.2001  – 197018  – Revue droit administratif 2001, 15 ff. – M. Ternon. Er sieht nun die Möglichkeit einer Aufhebung nur innerhalb einer starren Frist von vier Monaten ab Erlass der Entscheidung vor. Vgl. dazu auch Geurts, Der Grundsatz des Vertrauensschutzes bei der Aufhebung von Verwaltungsakten im deutschen, französischen und europäischem Recht  – Wechselwirkung zwischen europäischem und nationalem Recht, 1997, S. 131 ff.; Glaser (Fn. 234), S. 137 f.; Marsch, in: Schneider (Fn. 1371), S. 33 (136). 1393 Verfahrensordnung des Gerichtshofes für Rechtsstreitigkeiten nach Art. 58 des Personalstatuts der Gemeinschaft, ABl. Nr. 8 vom 11.3.1957, S. 110, gültig bis zum 3.3.1959. 1394 Auch dort legt Art. 2 eine Klagefrist von zwei Monaten fest. 1395 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung; ebenso gefordert von GA Lagrange, Schlussanträge vom 14.6.1957 zu verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 140 (162) – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1396 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. Damit legt er den Grundstein für einen Un­ sicherheitsfaktor in seiner Entscheidungspraxis, der noch heute besteht. Siehe S. 333 ff.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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(b) Phase 2: Differenzierung des EuGH zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen In der Folgezeit führte der EuGH eine neue Differenzierungsebene ein, er unterschied nun zwischen der Rücknahme von allgemein rechtswidrigen Beschlüssen, die subjektive Rechte begründen1397, und rein deklaratorischen Beschlüssen.1398 Diese Differenzierung wird erstmals ausführlich dargestellt  – wiewohl vorher angewandt1399 – in der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hoogovens1400: Dort nahm die Hohe Behörde der EGKS im Rahmen des Rechts der Schrottausgleichskasse1401 in Folge des Urteils in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II1402 Freistellungen aus der Beitragspflicht zu dieser ex tunc zurück und die Firma­ Hoogovens erhob gegen diese Rücknahme Klage – unter anderem mit der Begründung, dass die angemessene Frist, in der eine Rücknahme ex tunc zulässig wäre, bei weitem überschritten sei.1403

1397

Fortan: Rechtsbegründende Beschlüsse. Siehe auch die knappe Definition bei Bockey (Fn. 429), S. 68 ff. Der Ursprung dieser Differenzierung findet sich im französischen Recht, welches nach rechtsbegründenden und deklaratorischen „actes administratifs“ unterscheidet, denen ein sehr unterschiedlicher Schutz vor einer Rücknahme ex nunc zukommt. So erhalten die rechtsbegründenden „actes administratifs“ einen sehr weitgehenden Schutz, weil sie nahezu den Charakter von Rechtsnormen genießen, eine Rücknahme ist daher grundsätzlich nur bis zur endgültigen Bestandskraft möglich, da ansonsten das Prinzip der Unantastbarkeit von Einzelentscheidungen verletzt würde; geschieht eine Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums nicht, existiert auch kein Konflikt zwischen Gesetzmäßigkeit und wohlerworbenen Rechten, weil der „acte administratif“ dann als rechtmäßig gilt, Geurts (Fn. 1392), S. 144 m. w. N. Deklaratorische „actes administratifs“ dagegen können nicht nur, sondern müssen sogar im französischen Recht grundsätzlich immer auf­ gehoben werden. Ist bei der Aufhebung eines rechtswidrigen nicht rechtsbegründenden „acte administratif“ lediglich eine Rücknahme ex nunc möglich, hat die Verwaltung die Pflicht, sie auszusprechen, Geurts (Fn.  1392), S.  143. Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist also, ob der zurückzunehmende „acte administratif“ ein subjektives Recht begründet, mithin einen „acte créateur de droit“ darstellt. Dies ist dann der Fall, wenn ein „droit acquis“, ein wohlerworbenes Recht, entstanden ist, ein Recht, auf dessen rechtmäßigen Erwerb der Bürger vertrauen und das ihm grundsätzlich nicht mehr abgesprochen werden darf. 1399 So bereits in der Entscheidung EuGH, Urteil vom 1.6.1961 – Rs. 15/60 – Slg. 1961, 241 – Gabriel Simon/Gerichtshof. 1400 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1401 Bewegten sich die ersten Entscheidungen im Bereich des Rechts des öffentlichen Dienstes, rückt nun zunehmend das europäische Schrottrecht in den Blick des EuGH. 1402 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (174) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. 1403 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (539) – Koninklijke Neder­ landsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. Der Kläger rügt also im Grunde eine Verletzung des in der Rechtssache Algera aufgestellten Kriteriums einer angemessenen Frist. 1398

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Während der EuGH in der Skizzierung seiner neu eingeführten Differenzierung wortkarg blieb, sind die Ausführungen des Generalanwalts Lagrange1404 umso deutlicher: Der Gerichtshof habe, wenn auch ohne dies deutlich kundzutun, eine neue Differenzierung eingeführt: Er unterscheide – in Anlehnung an das französische Recht1405 – nun zwischen der Rücknahme von rechtsbegründenden Beschlüssen1406 und solchen, die lediglich das Gesetz auf einen Einzelfall anwenden, also als rein deklaratorische Beschlüsse1407 anzusehen sind.1408 Für rechtswidrige rechtsbegründende Beschlüsse dieser Fallgruppe gilt in Fortführung der Rechtsprechung aus der Entscheidung Algera1409, dass sie in Bezug auf die Tatbestandsseite nur innerhalb einer angemessenen Frist zurückgenommen werden können. Eine Rücknahme ex nunc ist bei rechtswidrigen deklaratorischen Beschlüssen stets zulässig.

1404 GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu Rs. 14/61 – Slg. 1965, 558 (565) – Ko­ ninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1405 Eine entsprechende vergleichende Darstellung unternimmt Vincent, Le retrait des Actes administratifs unilatéraux, R. D. T. P. 1974, 31 (33 ff.), zusammenfassend in Form einer Tabelle, S. 47. 1406 Dies seien solche, durch die eine Behörde eine ihr durch Gesetz oder Verordnung über­ tragene Befugnis ausübt, um die ihr übertragenen hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen und durch die ein Rechtsverhältnis zwischen Betroffenem und Verwaltung entsteht. Als Beispiele für einen rechtsbegründenden Beschluss nennt GA Lagrange die Ernennung eines Beamten oder die Erteilung einer Genehmigung. Jedenfalls müsse das Recht gerade durch einen Beschluss entstehen, GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu Rs. 14/61 – Slg. 1965, 558 (565) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1407 Als Beispiel nennt er finanzielle Beziehungen, Schulden und Forderungen des Staates. Dabei entstehe das Recht nicht durch den Beschluss, sondern ausschließlich durch Gesetz oder Verordnung; dieses wendet der Beschluss nur an oder legt es aus. Die Zuordnung eines Beschlusses zu dieser Kategorie der „finanziellen Beschlüsse“ bedeute nicht zwangsläufig auch einen rein deklaratorischen Beschluss. Ein solcher liege nämlich, auch in diesen Fällen gerade dann nicht vor, wenn die Verwaltung in diesem Bereich die Rechtslage innerhalb einer gewissen Ermessensfreiheit gestalten kann, GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu Rs. 14/61 – Slg. 1965, 558 (565) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/ Hohe Behörde. 1408 GA Lagrange stuft in diesem Zusammenhang den Ausgangsbeschluss in der Rechtssache Algera als einen rechtsbegründenden Beschluss ein. Hingegen seien die Freistellungen von der Schrottausgleichspflicht, in den Entscheidungen EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (174) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (565)  – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde, als deklaratorische Beschlüsse einzustufen, da die Behörde de lege lata nicht die Befugnis hat, Ausnahmen von der Pflicht zur Errichtung der Ausgleichsbeiträge zu bewilligen, sondern nur feststellen kann, ob sich eine solche Pflicht aus den Grundsatzentscheidungen ergibt oder nicht; es ging mithin um Beschlüsse, die Geldzahlungen betreffen und die Verwaltung ohne Ermessen lassen; vgl. Geurts (Fn. 1392), S. 217. 1409 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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(c) Phase 3: Aufhebung dieser Differenzierung in der Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel Die Differenzierung zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Be­ schlüssen mit unterschiedlichen Rücknahmevoraussetzungen im Rahmen dieser Fallgruppe behielt der EuGH bis in die 80ger Jahre sowohl für Fälle der Rücknahme ex nunc1410 als auch der Rücknahme ex tunc1411 bei. In der Entscheidung Alpha Steel 1982 jedoch griff der EuGH erneut in das System ein und änderte seine – bis zu diesem Zeitpunkt scheinbar stabile – Rechtsprechung. Der EuGH musste in dieser Entscheidung über eine Rücknahme ex tunc entscheiden. Er differenzierte aber nicht – wie bislang üblich – zwischen der Rücknahme eines allgemein rechtswidrigen rechtsbegründenden und eines rechtswidrigen deklaratorischen Beschlusses. Im Bereich der Rücknahme ex tunc von Beschlüssen dieser Fallgruppe galt bisher, dass ein rechtsbegründender Beschluss lediglich innerhalb einer angemessenen Zeitspanne zurückgenommen werden kann, bei der Rücknahme von deklaratorischen Beschlüssen hingegen muss eine

1410 Für eine Rücknahme ex nunc eines deklaratorischen Beschlusses EuGH, Urteil vom 1.6.1961  – Rs.  15/60  – Slg. 1961, 241  – Gabriel Simon/Gerichtshof; EuGH, Urteil vom 24.6.1976 – Rs. 56/75 – Slg. 1976, 1097 – Raymond Elz/Kommission; siehe auch die Rechtssache EuGH, Urteil vom 9.3.1978 – Rs. 54/77 – Slg. 1978, 585 – Antoon Herpels/Kommission. Dort wurde einem Beamten, der 1961 in den Dienst der Hohen Behörde der EGKS in Luxemburg trat, eine Trennungszulage gezahlt. 1968 wurde er nach Brüssel versetzt, die Auslandszulage wurde weiter gewährt. Im Rahmen einer Überprüfung kam die zuständige Generaldirektion zum Ergebnis, dass die Zahlung der Zulage seit 1968 unberechtigt gewesen war und weigerte sich, sie nach dem 1.1.1976 weiterhin zu gewähren. Auch in dieser Entscheidung wendete der EuGH den Grundsatz an, die Rücknahme eines deklaratorischen rechtswidrigen Beschlusses ex nunc sei stets möglich. Eine Besonderheit weist diese Entscheidung insofern auf, als dass der EuGH darstellt, dass im Beamtenrecht besondere Sorgfaltspflichten gelten und schon alleine aus diesem Grund kein schutzwürdiges Vertrauen habe entstehen können. Dabei scheint es sich allerdings um eine Besonderheit für den Bereich des Europäischen Dienstrechts zu handeln. Außerhalb des europäischen Dienstrechts jedenfalls sei eine Berufung auf schutzwürdiges Vertrauen grundsätzlich möglich. So auch in der Literatur Däubler (Fn. 378), 1646 (1650); Müller (Fn. 239), S. 142; Schroeder (Fn. 378), S. 131. Die Rücknahme eines rechtsbegründenden Beschlusses ex nunc lag lediglich im Rahmen der Rechtssache Algera vor, EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1411 Für eine Rücknahme ex tunc eines deklaratorischen Beschlusses in den Rechtssachen EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (543) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 13.7.1965 – Rs. 111/63 – Slg. 1965, 893 – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 16.6.1966 – Rs. 54/65 – Slg. 1966, 529 – Compagnie des forges de Châtillon, Commentry & Neuves-Maisons/Hohe Behörde. Über die Rücknahme ex tunc eines rechtsbegründenden Beschlusses musste der EuGH, soweit ersichtlich, zwischen 1957 und 1982 nicht entscheiden.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Interessenabwägung stattfinden.1412 Nun zieht der EuGH beide Kriterien zusammen.1413 Dabei verweist er in diesem Zusammenhang sowohl auf Urteile zur Rücknahme von rechtsbegründenden1414 wie auch von deklaratorischen Beschlüssen1415.1416 Er verknüpft somit die für die beiden Fallgruppen aufgestellten Zulässigkeitskriterien miteinander – einerseits die angemessene Frist, innerhalb derer eine Rücknahme erfolgen darf, andererseits die Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten im Rahmen einer Abwägung mit Unionsinteresse an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Lediglich wenn diese beiden Voraussetzungen kumulativ vorliegen, ist eine Rücknahme möglich.1417 Damit gibt der EuGH  – wenngleich er es nicht ausdrücklich kundtut  – die Differenzierung für die Rücknahme ex tunc auf:1418 Eine Rücknahme eines allgemein rechtswidrigen Beschlusses ex tunc ist zulässig, wenn sie innerhalb einer an­gemessenen Frist erfolgt und die Europäische Kommission im Rahmen einer

1412 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (549 f.) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu Rs.  14/61  – Slg. 1965, 558 (572)  – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; Schwarze (Fn. 233), S. 967. 1413 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10) – Alpha Steel/Kommission. 1414 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1415 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893 – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde. 1416 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10) – Alpha Steel/Kommission. 1417 Vgl. auch z. B. Haratsch (Fn. 1110), 387 (391); Lübbig (Fn. 482), 233 (235); Oppermann/ Classen/Nettesheim (Fn. 244), § 11 Rn. 104, § 12 Rn. 14. 1418 Skeptisch dazu noch Schwarze (Fn. 233), S. 978. Denn im Fall Alpha Steel konnte diese Frage noch offen bleiben, zum einen lag kein schutzwürdiges Vertrauen vor und zum anderen war die Frist noch nicht abgelaufen, mithin konnte der Ausgangsbescheid sowohl nach den Vorgaben für die Rücknahme eines deklaratorischen wie eines rechtsbegründenden Beschlusses zurückgenommen werden. Insofern konnte der EuGH grundsätzlich auf diese Differenzierung verzichten. Dies gilt auch für die von Schwarze (Fn. 233), S. 995 Fn. 201, ebenfalls in den Blick genommene Entscheidung in der Rechtssache Consorzio Cooperative d’Abruzzo. Denn hier lag genau der umgekehrte Fall vor. Es bestand sowohl schutzwürdiges Vertrauen als auch Fristablauf, EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12 ff.) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. Allerdings nahm der EuGH in dieser Entscheidung nur noch Bezug auf die im Rahmen von Alpha Steel entwickelte Formel. Diese zitiert er wörtlich und verwies nicht mehr auf die Urteile, die vor Alpha Steel erfolgt waren, sondern lediglich noch auf das Urteil in der Rechtssache Alpha Steel, EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. Vorsichtig ebenfalls noch Hegels (Fn.  234), S.  97, immerhin im Jahre 2001; ebenfalls zweifelnd Erichsen/ Buchwald (Fn. 1111), 84 (85). Nicht mehr differenzierend (auch nicht in der Darstellung der Entscheidungen, in denen der EuGH noch eine solche Differenzierung vorgenommen hat): Schroeder (Fn. 378), S. 123. Nach wie vor in der Darstellung differenzierend Bockey (Fn. 429), S. 127; Frenz (Fn. 463), Rn. 3017 bzw. Rn. 3035.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Interessenabwägung das Vertrauen des Betroffenen in die Rechtmäßigkeit des Beschlusses (und damit in seine Unaufhebbarkeit) ausreichend berücksichtigt hat.1419 Diesen Grundsatz, aufgestellt in den Rechtssachen Alpha Steel1420 und Consorzio Cooperative d’Abruzzo1421 stellt auch Generalanwalt Tesauro in seinen Erwägungen in der Rechtssache Cargill dar.1422 Dabei stärkt er durch seine Ausführungen die These, dass der EuGH die alte Trennung im Rahmen der Rücknahme ex tunc zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen mit unterschiedlichen Rücknahmevoraussetzungen aufgegeben hat, indem er die Voraussetzungen für die Rücknahme darstellt, wobei er nicht mehr zwischen den unterschiedlichen Anforderungen für die Rücknahme von rechtsbegründenden und von deklaratorischen Beschlüssen differenziert – diese Unterscheidung taucht in seinen Ausführungen nicht einmal auf. Stattdessen wird die Aussage des EuGH in der Rechtssache Alpha Steel als wörtliches Zitat wiedergeben1423, verlässt so den konkreten Fallbezug und steht als abstrakte Ausführung im Sinne eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes1424 auf einer neuen Ebene. (d) Zwischenergebnis und Schlussfolgerungen für die Rücknahme ex nunc Damit stellt sich aber die Frage nach den Folgen aus der Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel1425, in welcher der EuGH die Anforderungen an eine Rücknahme allgemein rechtswidriger Beschlüsse ex tunc ändert, für die Anforderungen, die an die Rücknahme entsprechender Beschlüsse ex nunc gestellt werden. Im Bereich der Rücknahme ex tunc hat der EuGH in seiner Entscheidung

1419

Ausführlich zur Prüfung dieser Formel: Schroeder (Fn. 378), S. 124 ff. EuGH, Urteil vom 3.3.1982  – Rs.  14/81  – Slg. 1982, 749 (Rn.  10 ff.)  – Alpha Steel/ Kommission. 1421 EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. 1422 GA Tesauro, Schlussanträge vom 14.12.1988 zu Rs.  201/87  – Slg. 1988, 496 (500)  – Cargill/Produktschap voor Margarine, Vetten en Olië. 1423 GA Tesauro, Schlussanträge vom 14.12.1988 zu Rs.  201/87  – Slg. 1988, 496 (500)  –­ Cargill/Produktschap voor Margarine, Vetten en Olië. Dies ist bereits in der Rechtssache­ Consorzio Cooperative d’Abruzzo so zu beobachten gewesen, EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. Dazu auch Fn. 1418. 1424 Vgl. auch in jüngerer Zeit das EuG, EuG, Urteil vom 12.9.2007 – Rs. T-25/04 – Slg. 2007, II-3121 (Rn. 95) – González y Díez/Kommission: „denn eine solche Rücknahme kann stets erfolgen [sofern das den Verwaltungsakt erlassende Organ die Voraussetzungen berücksichtigt], wonach eine angemessene Frist einzuhalten und das berechtigte Vertrauen des Adressaten des Rechtsakts in dessen Rechtmäßigkeit zu beachten ist.“ Für den Bereich des Unionsverwaltungsrechts auch EuGH, Urteil vom 4.5.2006 – Rs. C-508/03 – Slg. 2006, I-3969 (Rn. 68) – Kommission/Vereinigtes Königreich. 1425 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1420

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Alpha Steel1426 die Anleihe aus dem französischen Rechtssystem aufgegeben und die Voraussetzungen für eine Rücknahme ex tunc zusammengezogen – die angemessene Frist aus der Rechtsprechung zur Rücknahme ex tunc von rechtsbegründenden Beschlüssen und die Interessenabwägung aus der Rücknahme ex tunc von deklaratorischen Beschlüssen. Nun müssen beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Eine Differenzierung nach Art des zurückzunehmenden Beschlusses findet nicht mehr statt. Fraglich ist, welche Auswirkungen diese Rechtsprechungsänderung auf Fälle der Rücknahme ex nunc hat. Über einen Fall der Rücknahme ex nunc musste der EuGH nämlich nach seiner Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel nicht mehr urteilen.1427 Dies erscheint auch kaum verwunderlich, da sich der direkte Vollzug von europäischem Verwaltungsrecht in der Vergangenheit auf wenige Rechtsgebiete beschränkte  – und Rechtsgebiete, in denen die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts zur Aufhebung von Beschlüssen zur Anwendung kommen, in der Vergangenheit noch seltener waren. Häufig wurde in diesen Fällen über die Rückzahlung einer Geldsumme entschieden, es handelte sich regelmäßig um Fälle, in denen lediglich eine Rücknahme mit Wirkung ex tunc sinnvoll war, und überdies tätigte der Betroffene im Regelfall unvollständige oder unrichtige Angaben, womit eine Konstellation der ersten Fallgruppe vorlag. Auch die zur Rücknahme von Beschlüssen im Eigenverwaltungsrecht vorliegende, im Umfang eher geringe Literatur beschränkt sich seit der ersten Auflage des Werkes von Schwarze „Europäisches Verwaltungrecht“ von 19881428 lediglich auf die Zusammenfassung und Darstellung der Entscheidungen des EuGH, vertiefte Analysen zu den Anforderungen an eine Rücknahme eines Beschlusses im Eigenverwaltungsrecht fehlen, die hier aufgefundene Lücke im Eigenverwaltungsrecht wurde jedenfalls soweit ersichtlich bislang nicht identifiziert.1429 1426 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10 ff.) – Alpha Steel/Kommission. 1427 Im Rahmen der neueren Entscheidung, EuGH, Urteil vom 4.5.2006  – Rs. C-508/03  – Slg. 2006, I-3969 (Rn. 68) – Kommission/Vereinigtes Königreich, stellte dieser zwar abstrakt dar, dass Beschlüsse zurückgenommen werden können, allerdings lediglich als allgemeines Prinzip um zu belegen, dass Rechtssicherheit und Vertrauensschutz nicht absolut gelten. Er differenziert hierbei in Bezug auf die zeitliche Wirkung einer Rücknahme nicht. 1428 In der zweiten Auflage 2005 wurde der Grundtext unverändert gelassen, neue Entwicklungen werden auf Basis dieses Grundtextes in einem Einleitungskapitel skizziert. 1429 Lediglich die Rechtsprechung des EuGH darstellend etwa auch Bockey (Fn.  429), S.  123 ff.; von Danwitz (Fn.  24), S.  401 ff.; Glaser (Fn.  234), S.  427 ff.; Hegels (Fn.  234), S. 95 ff.; Hofmann/Rowe/Türk (Fn. 811), S. 634 f.; Koch (Fn. 545), S. 370; Lübbig (Fn. 482), 233 (236). Andere Arbeiten beschäftigen sich mit den großen verfassungsrechtlichen Prinzipien, wie etwa der Verhältnismäßigkeit und dem Vertrauensschutz oder dem europäischen Verwaltungsverbund und nutzen dabei die Rechtsprechung des EuGH zur Aufhebung von Beschlüssen im Eigenverwaltungsrecht als Referenzgebiet, etwa Altmeyer (Fn.  569), S.  64; Dingemann (Fn. 530). Craig erkennt zwar das grundlegende Problem des mangelnden Schut-

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Daraus ergibt sich, dass die Furt des Eigenverwaltungsrechts, auf der sich die Anwender der REACH-VO bewegen, an dieser Stelle eine Untiefe aufweist. Das Eigenverwaltungsrecht in seiner aktuellen Gestalt, wie es durch Rechtsprechung und Literatur geformt wurde, weist keine tragfähige Grundlage zur Lösung dieses Problems auf, es kann de lege lata den Anforderungen, die die REACH-VO stellt, nicht genügen. (2) Entwicklung einer eigenen Lösung Damit muss das Eigenverwaltungsrecht an dieser Stelle weiterentwickelt werden. Die Anlage der Furt ist somit nochmals einer genaueren Prüfung zu unterziehen, es gilt, sich der Frage zu stellen, ob das bisherige Eigenverwaltungsrecht, wenn schon keinen fertigen Rechtssatz, aber doch eine Basis bietet, auf der eine Lösung für das Problem der Rücknahme von allgemein rechtswidrigen Beschlüssen ex nunc entwickelt werden kann. (a) Grundsätzliche Überlegungen Als Grundlinie der bisherigen Rechtsprechung lässt sich zunächst feststellen, dass sie im Rahmen der Rücknahme von Beschlüssen grundsätzlich einen Ausgleich zwischen den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit sucht. Auch wenn der EuGH in der Entscheidung in der Rechtssache Algera den Begriff „Vertrauensschutz“ noch nicht verwendet, lassen seine Ausführungen, dass der Fortbestand der geschaffenen Rechtsstellung zu schützen ist,1430 erkennen, dass dieser Grundsatz im Rahmen

zes des Betroffenen, ohne jedoch die gesamte Dimension vor dem Hintergrund der Rechtsprechungsänderung in der Rechtssache Alpha Steel einzubeziehen, Craig (Fn. 217), S. 566. Ebenfalls kritisch Schroeder (Fn. 378), S. 130. Sie stellt die Rechtslage vor der Entscheidung, EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission, dar, die eine Rücknahme ex nunc stets eröffnet vor dem Hintergrund fehlenden Vertrauensschutzes. Dabei beschränkt sie sich in ihrer Darstellung grundsätzlich auf Rechtsprechung und Literatur vor der Entscheidung, EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/ Kommission, sodass sie zu diesem Problem nicht gelangt. Müller (Fn. 239), S. 142, sieht für den Fall einer Aufhebung ex nunc eine konkrete Abwägung einschlägig; dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Prüfung der Dienstbezüge durch den Beamten mit besonderer Sorgfalt ergehen muss; insofern „spricht vieles dafür, daß außerhalb des Beamtenrechts eine konkrete Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich ist“. Das tiefere Problem der Rechtsprechungsänderung wird von ihm nicht behandelt. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 48 VwVfG Rn. 275, sieht eine Abwägung im Einzelfall ohne die hier dargestellten zeitlichen Differenzierungen zu treffen und stellt in Rn. 276 und Rn. 283 auf die überholte Differenzierung zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen ab. 1430 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (118)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

der Aufhebung von Beschlüssen eine wichtige Rolle spielt.1431 Dogmatisch wird das Verhältnis zwischen dem Gebot der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns und den Prinzipien von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit abstrakt dadurch gelöst, dass weder das Gebot der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns  – dann wäre ein Beschluss stets aufhebbar –, noch die Prinzipien von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit  – dann wäre ein Beschluss nie aufhebbar  – absolut gelten. Vielmehr dient Vertrauensschutz als relative Schranke zur Begrenzung der Möglichkeit der Aufhebung von Beschlüssen.1432 Dieser Befund wird auch durch die Entscheidungen zur Aufhebung von deklaratorischen Beschlüssen nicht erschüttert. Wenn der EuGH dort konstatiert, dass kein Vertrauensschutz berücksichtigt werden kann, liegt dies nicht daran, dass dieses Prinzip grundsätzlich keine Rolle spielt, sondern lediglich daran, dass bei der Aufhebung von deklaratorischen Beschlüssen ex nunc nach Meinung des EuGH erst gar kein schutzwürdiges Vertrauen entsteht.1433 Besteht aber schutzwürdiges Vertrauen, muss es im Rahmen der Rücknahme in irgendeiner Form berücksichtigt werden.1434 Betrachtet man unter dieser Prämisse die bisherige Rechtsprechung, wird man davon ausgehen können, dass in diesem Verhältnis auch für die Zukunft keine grundlegende Verschiebung für den Fall einer Rücknahme ex nunc eintritt. Nach wie vor wird ein Ausgleich zu suchen sein zwischen den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit. Als prinzipiell taugliche Mittel auf Tatbestandsseite hat der EuGH bislang die Festsetzung einer Frist sowie eine Interessenabwägung anerkannt und entweder für sich alleine stehend oder kumulativ als Anforderungen formuliert. Auf dieser Basis ergeben sich drei mögliche Lösungen, welche Tatbestandsmerkmale die ECHA für die Rücknahme eines allgemein rechtswidrigen Registrierungsbeschlusses erfüllen muss: –– Zum einen wäre möglich, dass die Rechtsprechung die Differenzierung nach Art des aufzuhebenden Beschlusses im Bereich der Rücknahme ex nunc beibehält. Dann hätte Alpha Steel1435 keine Auswirkungen auf die Voraussetzungen für eine Rücknahme ex nunc von allgemein rechtswidrigen Beschlüssen. Nach wie vor müsste zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüs 1431

Borchardt (Fn. 559), S. 60; Michels (Fn. 239), S. 7. EuGH, Urteil vom 4.5.2006 – Rs. C-508/03 – Slg. 2006, I-3969 (Rn. 68) – Kommission/ Vereinigtes Königreich; Borchardt (Fn. 559), S. 65 f. Damit nimmt das Prinzip des Vertrauensschutzes einen sehr hohen Standpunkt ein, denn unabhängig von der Frage, ob konkret schutzwürdiges Vertrauen im Einzelfall vorliegt, ist eine Aufhebung nach Ablauf einer starren Frist ausgeschlossen. 1433 EuGH, Urteil vom 1.6.1961 – Rs. 15/60 – Slg. 1961, 241 – Gabriel Simon/Gerichtshof, eingeordnet durch die Entscheidung EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 (543) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1434 EuGH, Urteil vom 24.6.1976 – Rs. 56/75 – Slg. 1976, 1097 (Rn. 18/20) – Raymond Elz/ Kommission. 1435 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1432

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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sen differenziert werden  – Erstere könnten nur im Rahmen einer angemessenen Frist, Letztere immer zurückgenommen werden [F. III. 3. b) aa) (2) (b)]1436. –– Zum anderen könnte die Rechtsprechung die in der Entscheidung Alpha Steel aufgestellten Kriterien1437 unterschiedslos anwenden – nicht nur für die Rücknahme ex tunc, sondern auch für die Rücknahme ex nunc. Dann würde sie nicht nur die Differenzierung nach Art des Beschlusses, sondern auch nach der zeitlichen Wirkung der Rücknahme aufgeben. Eine Rücknahme eines allgemein rechtswidrigen Beschlusses ex nunc dürfte dann lediglich im Rahmen einer angemessenen Frist und zusätzlich nur nach einer Abwägung mit dem schutz­ würdigen Vertrauen erfolgen [F. III. 3. b) aa) (2) (c)]1438. –– Als letzte denkbare Möglichkeit könnten – wie im Rahmen der Entscheidung Alpha Steel1439 für die Aufhebung mit Wirkung ex tunc – für die Rücknahme ex nunc die Voraussetzungen für die Rücknahme von rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen zusammengezogen werden; dann könnte eine Rücknahme ex nunc eines allgemein rechtswidrigen Beschlusses unterschiedslos nach Art des Beschlusses lediglich im Rahmen einer angemessenen Frist erfolgen [F. III. 3. b) aa) (2) (d)]1440. Diese drei Lösungen sollen nun daraufhin untersucht werden, inwiefern sie sich in das bisherige System des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts, mithin in erster Linie in die Rechtsprechung, einfügen und dabei dieses dogmatisch stringent weiterentwickeln. (b) Lösung 1: Beibehaltung der Differenzierung nach Art des Beschlusses für die Rücknahme ex nunc Zum einen besteht die Möglichkeit, dass die Rechtsprechung nun zwischen den Anforderungen für die Rücknahme ex nunc und ex tunc grundlegend differenziert und die Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel1441 zwar die Voraus­ setzungen für die Rücknahme ex tunc geändert, den ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz für die Rücknahme ex nunc aber nicht angetastet hat. Die Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel1442 könnte keine Auswirkung für die Rücknahme ex nunc gehabt haben und die Rechtsprechung könnte weiterhin im

1436

Siehe S. 323 ff. EuGH, Urteil vom 3.3.1982  – Rs.  14/81  – Slg. 1982, 749 (Rn.  10 ff.)  – Alpha Steel/ Kommission. 1438 Siehe S. 326 ff. 1439 EuGH, Urteil vom 3.3.1982  – Rs.  14/81  – Slg. 1982, 749 (Rn.  10 ff.)  – Alpha Steel/ Kommission. 1440 Siehe S. 330 ff. 1441 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1442 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1437

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Rahmen einer Rücknahme ex nunc zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen unterscheiden. Es wäre also nach wie vor in einem ersten Schritt der aufzuhebende allgemein rechtswidrige Beschluss entsprechend einzuordnen; wenn er subjektive Rechte begründet, ist eine Rücknahme lediglich im Rahmen einer angemessenen Frist möglich, ist er rein deklaratorisch, kann er stets zurückgenommen werden. Schematisch kann man diese Lösung folgendermaßen darstellen:

Abbildung 5: Lösung 1: Alpha Steel hat lediglich Einfluss auf die Rücknahme ex tunc

Diese Lösung gründet auf der Hypothese, dass die Rechtsprechung die grundlegende Differenzierung auf Basis der zeitlichen Wirkung der Aufhebung beibehalten wird – so auch in der Grafik angedeutet. Denn dann würde nicht zwangsläufig eine Änderung der Entscheidungspraxis für die Rücknahme ex tunc auch Auswirkungen für die Rücknahme ex nunc nach sich ziehen. Letztlich würden EuG und EuGH somit weiter der französischen Rechtstradition folgen, die grundlegend nach der zeitlichen Wirkung der Rücknahme ex tunc, le retrait, und ex nunc, l’abrogation, differenziert.1443 Für diese Lösung spricht primär, dass der EuGH seine aus dem französischen Recht stammende Terminologie beibehält. Sowohl in der Rechtssache Alpha Steel1444 als auch im darauf folgenden Urteil in der Sache Consorzio Cooperative d’Abbruzzo1445 benennt er in der französischen Urteilsfassung die Rücknahme nach französischem Ansatz dogmatisch korrekt als „le retrait“.1446 Die Verwendung der korrekten Terminologie in diesen Urteilen legt somit den Schluss nahe, dass der EuGH auch weiterhin dem diesen Begrifflichkeiten zugrunde liegenden System folgt. Allerdings lässt sich aus einer dogmatisch richtigen Bezeichnung – in einer Übersetzung – nicht zwangsläufig schließen, dass auch das gesamte dahinter stehende Rechtsinstitut entsprechend angewendet wird; so hat der EuGH die Lehre des französischen „créateur du droit“ modifiziert, aber die französischen Bezeich 1443

Vgl. etwa auch die Darstellungsweise bei Gourdou, Précisions sur l’abrogation des actes administratifs non réglementaires, in: Labetoulle (Hrsg.), Juger l’administration, administrer la justice, 2007, S. 459 (464 ff.). 1444 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1445 EuGH, Urteil vom 26.2.1985  – Rs.  15/85  – Slg. 1987, 1005  – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. 1446 So etwa EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10, 12) – Alpha Steel/Kommission; EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission, jeweils in der französischen Fassung.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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nungen beibehalten. Außerdem hat der EuGH in der früheren Rechtsprechung eben diese korrekten Bezeichnungen vermieden, er sprach in der Entscheidung in der Rechtssache Elz von einem „retrait ex nunc“.1447 Insofern kann eine Analyse der verwendeten Terminologie an diesem Punkt nur begrenzt Indizien liefern. Gegen diese Lösung streitet zum einen das Argument der Rechtsklarheit: Der EuGH hat in der Rechtssache Alpha Steel1448 die Differenzierung nach der Art des aufzuhebenden Beschlusses aufgegeben1449. Warum sollte der EuGH aber lediglich für die Rücknahme ex tunc die Differenzierung zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen aufgeben, diese Differenzierung aber für den Fall der Rücknahme ex nunc beibehalten? So würde es nicht unbedingt zur Rechtssicherheit im Sinne der Vorhersehbarkeit, Klarheit und Durchschaubarkeit der Rechtsprechung beitragen, wenn in einem Bereich der Rücknahme eine solche Differenzierung stattfindet, im anderen Bereich aber aufgegeben wäre – ohne jegliche Begründung durch den Gerichtshof.1450 Zum anderen ist die These von der strikten Trennung zwischen Rücknahme ex tunc und Rücknahme ex nunc, welche die Voraussetzung für eine solche Differenzierung bildet, im Lichte der Entscheidung Alpha Steel1451 angreifbar geworden. Diese strikte Trennung stammt aus der französischen Rechtstradition, wie auch dem Grunde nach die Differenzierung nach dem Rechtscharakter des aufzuhebenden Beschlusses.1452 Letzere Differenzierung hat der EuGH aber in der Entscheidung Alpha Steel1453 aufgegeben. Dies legt die Annahme nahe, dass er möglicherweise auch bereit ist, ein anderes aus dem französischen Recht stammendes Rechtsinstitut, die strikte Trennung zwischen Rücknahme ex tunc und Rücknahme ex nunc, aufzugeben oder zumindest aufzuweichen. Betrachtet man die Voraussetzungen für eine Rücknahme ex tunc nach Alpha Steel – Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen des Betroffenen und Einhaltung einer Frist, innerhalb derer die Rücknahme erfolgen muss  – finden bei der Abwägung von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit sowie des Prinzips der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns diesselben Instrumente in den un­ geschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Eigenverwaltungsrechts wie in § 48 (L)VwVfG ihre Anwendung: Hier wie dort wird – allerdings in unterschiedlicher Ausprägung – eine Interessenabwägung sowie eine Frist als Ausgleich eingesetzt. Die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze für eine Rücknahme 1447 EuGH, Urteil vom 24.6.1976  – Rs.  56/75  – Slg. 1976, 1097 (Rn.  18)  – Raymond Elz/ Kommission. 1448 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1449 Siehe S. 317 ff. 1450 Bereits in der Vergangenheit wurde dem EuGH mehrfach der Verzicht auf diese Differenzierung aus dem franzöischen Recht vorgeschlagen, vgl. Schwarze (Fn. 233), S. 973 m. w. N. in Fn. 98. 1451 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1452 Siehe Fn. 1398. 1453 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

im Eigenverwaltungsrecht und § 48 (L)VwVfG im deutschen allgemeinen Verwaltungsrecht entsprechen sich in dieser Hinsicht strukturell. Im deutschen Recht aber wird nicht grundlegend zwischen der zeitlichen Dimension in Bezug auf eine Rücknahme ex tunc und eine Rücknahme ex nunc unterschieden. Insofern könnte man – auch vor dem Hintergrund, dass die Übernahme des Prinzips des Vertrauensschutzes in das europäische Recht maßgeblich auf Impulse aus dem deutschen Recht zurückgeht –1454 von einem Prozess der Hinwendung und Ausgestaltung des einfachen ungeschriebenen allgemeinen Eigenverwaltungsrechts an diesem Punkt nach deutschem Vorbild ausgehen.1455 Dann streitet vieles dafür, dass die Rechtsprechung auch in Bezug auf die Rücknahme ex tunc und die Rücknahme ex nunc an sich nicht mehr zwei verschiedene Rechtsinstitute (wie dem französischen Recht zu eigen) zur Anwendung bringt, sondern die französische Rechtstradition verlässt und sich dem deutschen Recht zuwendet. Dann aber wäre die dogmatische Trennlinie zwischen Rücknahme ex tunc und Rücknahme ex nunc brüchig geworden, sogar gefallen. Aus diesen Punkten lässt sich schlussfolgern, dass der Möglichkeit, dass die Rechtsprechung die (eigene) Entwicklung für den Bereich der Rücknahme ex tunc im Fall einer Rücknahme ex nunc unbeachtet lässt, eine Absage zu erteilen ist. Vielmehr streitet einiges dafür, dass sich durch die Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel1456 auch Veränderungen an die Anforderungen für eine Rücknahme ex nunc ergeben; somit kann die erste denkbare Lösung nicht überzeugen. (c) Lösung 2: Anwendung der Alpha-Steel-Formel sowohl im Fall der Rücknahme ex tunc als auch der Rücknahme ex nunc Die zweite Lösung sieht in der Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel1457 nicht nur die Aufgabe der Differenzierung zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen, sondern auch die der Unterscheidung zwischen den Anforderungen einer Rücknahme ex nunc und ex tunc. Dies würde zum Ergebnis führen, dass fortan eine Rücknahme ex nunc nur möglich wäre nach einer vorherigen Interessenabwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen des Betroffenen sowie nur innerhalb einer angemessenen Frist.

1454

Blanke (Fn. 1345), S. 487; Schwarze (Fn. 233), S. 690 ff., 830 ff., 1380 Fn. 4. Siehe auch oben S. 129 ff. 1455 Nachdem bereits herausgearbeitet wurde, dass die Verwendung von termini technici nicht automatisch auch die entsprechende Übernahme der jeweiligen Rechtsinstitute bedeutet, lässt sich nur noch als schwaches Indiz anführen, dass der EuGH zumindest seit der Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel in den deutschen Übersetzungen seiner Urteile die Begriffe „Rücknahme“ und „Widerruf“ terminologisch richtig anwendet. 1456 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1457 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Abbildung 6: Lösung 2: Alpha Steel findet sowohl auf Fälle der Rücknahme ex tunc als auch der Rücknahme ex nunc Anwendung

Diese Lösung bedeutet eine noch stärkere Annäherung an die Systematik der Aufhebung von Verwaltungsakten im deutschen Recht als die oben skizzierte1458 erste Lösung. Nicht nur die grundlegende Differenzierung zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen, sondern auch zwischen der Rücknahme ex tunc und der Rücknahme ex nunc würde aufgegeben. Nach diesem Modell misst die Rechtsprechung nun unterschiedslos die Rücknahme sowohl ex tunc als auch ex nunc an den Anforderungen einer Abwägung mit schutzwürdigem Vertrauen des Betroffenen sowie der Rücknahme innerhalb einer angemessenen Rücknahmefrist.1459 Damit entspricht die grundlegende Struktur für die Rücknahme von Beschlüssen im Eigenverwaltungsrecht insofern vollständig dem deutschen § 48 (L)VwVfG, als dass eine grundsätzliche Differenzierung in Bezug auf die zeitliche Dimension der Rücknahme fehlt. Gleichzeitig wird sowohl eine Abwägung als auch eine Frist verwendet, um Vertrauensschutz sicherzustellen.1460 1458

Siehe S. 323 ff. Diese doppelte Anforderung scheint Schroeder (Fn.  378), S.  161, abzulehnen. Sie geht davon aus, dass die Anforderung einer angemessenen Frist nicht gilt. Dies geschieht allerdings vor dem Hintergrund einer rein deskriptiven Darstellung der bisherigen Rechtsprechung, ohne den Paradigmenwechsel in der Entscheidung Alpha Steel, EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission, zu berücksichtigen. 1460 Zwar ist diese im Rahmen des § 48 Abs. 4 S. 1 (L)VwVfG anders gelagert als im Rahmen der hier dargestellten Lösung. Allerdings vermag im deutschen wie im europäischen Recht ein gemeinsames Prinzip des Vertrauensschutzes mit ähnlichem Inhalt bestehen, das bedeutet 1459

328

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Einen Anhaltspunkt dafür, dass der EuGH diese Lösung in seiner weiteren Rechtsprechung verfolgen wird, liefern die Urteile, auf die er in der Rechtssache Alpha Steel entsprechend Bezug nimmt: Dies sind sowohl Urteile, in denen eine Rücknahme ex tunc erfolgen soll, Hoogovens1461 und Lemmerz1462, als auch die Entscheidung in der Rechtssache Algera1463, in der – wie oben dargestellt – eine Rücknahme ex nunc in Rede stand.1464 Nennt der EuGH aber unterschiedslos diese Urteile zum Beleg, dass eine Rücknahme lediglich innerhalb einer angemessenen Frist und in Abwägung mit dem berechtigten Vertrauen des Betroffenen erfolgen darf, könnte dies dafür sprechen, dass er auch zwischen der Rücknahme ex tunc und der Rücknahme ex nunc keinen Unterschied mehr sieht. Dennoch steht dieses Argument auf wackeligen Füßen. Denn möglicherweise hat der EuGH die Entscheidung in der Rechtssache Algera1465 lediglich zitiert, weil diese den Beginn der Rechtsprechung zur Aufhebung von Beschlüssen im Eigenverwaltungsrecht eingeläutet hat. Im Übrigen handelte es sich zwar der Sache nach in diesem Fall um eine Rücknahme ex nunc, doch das in Algera1466 aufgestellte Erfordernis der Einhaltung einer angemessenen Frist findet sich auch als Anforderung für die Rücknahme von deklaratorischen Beschlüssen ex tunc. Damit lässt sich die Nennung der Entscheidung in der Rechtssache Algera1467 nicht eindeutig als Beleg einstufen im Sinne eines Urteils, das sich lediglich mit den Voraussetzungen einer Rücknahme ex tunc beschäftigt. Insofern kann man die in dieser Entscheidung zitierten Urteile nicht als eindeutiges Argument für oder gegen diese Lösung bewerteten. Schließlich lässt sich vortragen, dass der EuGH weder in der Rechtssache Alpha Steel1468, noch im folgenden Urteil Consorzio Cooperative d’Abbruzzo1469 und auch nicht in einem weiteren Urteil aus dem Bereich des Unionsverwaltungsrechts1470

jedoch noch nicht, dass in beiden Fällen dieses Rechtsinstitut sich auch gleichförmig im einfachgesetzlichen Recht entfaltet hat, Blanke (Fn. 1345), S. 487. 1461 EuGH, Urteil vom 12.7.1961 – Rs. 14/61 – Slg. 1962, 511 – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1462 EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893 (911)  – Lemmerz-Werke/ Hohe Behörde. 1463 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1464 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10 ff.) – Alpha Steel/Kommission. 1465 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1466 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1467 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1468 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1469 EuGH, Urteil vom 26.2.1985  – Rs.  15/85  – Slg. 1987, 1005  – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. 1470 EuGH, Urteil vom 4.5.2006 – Rs. C-508/03 – Slg. 2006, I-3969 (Rn. 68) – Kommission/ Vereinigtes Königreich.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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die in der Rechtssache Alpha Steel gebildeten Anforderungen1471 ausdrücklich auf Fälle der Rücknahme ex tunc beschränkt. In all diesen Fällen spricht der EuGH jeweils nur von Voraussetzungen einer Rücknahme, ohne diese von der zeitlichen Wirkung her zu bestimmen. Schwach ist dem gegenüber zwar der Hinweis, dass der EuGH in der französischen Übersetzung der beiden Urteile jeweils von „le retrait“1472 spricht. Dies lässt sich grundsätzlich als Anhaltspunkt dafür darstellen, dass er die neuen An­ forderungen, die er in der Rechtssache Alpha Steel1473 darstellt, tatsächlich nur für Fälle der Rücknahme ex tunc für einschlägig hält. Allerdings geht der EuGH in der Bezeichnung wenig einheitlich vor – bei der Rücknahme ex nunc spricht er nicht von der korrekten „l’abrogation“, sondern von „le retrait ex nunc“ – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Anlehnung an die französische Rechtstradition noch nicht in Abrede stand.1474 Im Übrigen musste der EuGH in beiden Fällen nicht ausdrücklich darauf hinweisen, dass hier Voraussetzungen für eine Rücknahme ex tunc statuiert werden. Ein solcher Hinweis wäre im Rahmen der Urteile in den Rechtssachen Alpha Steel1475 und Consorzio Cooperative d’Abbruzzo1476 schlicht überflüssig gewesen, ging es doch in beiden Fällen um die Rückforderung von Subventionen, für die unter Hinweis auf den Zweck der Rücknahme nur eine Rückforderung ex tunc in Betracht kommen konnte. In der Rechtssache Vereinigtes Königreich wiederum nutzte der EuGH den Verweis auf die Möglichkeit der Rücknahme von Beschlüssen lediglich um zu belegen, dass die Prinzipien von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz nicht absolut gelten. Der konkrete Fall einer Rücknahme stand nicht in Rede.1477 Weder der EuGH noch die Streitparteien mussten daher bislang in ihren Überlegungen die Frage nach einer Rücknahme ex nunc berücksichtigen. Gegen diese Lösung spricht außerdem, dass sie nicht mit der Recht­sprechung – zumindest nicht mit der des EuG  – kompatibel ist. Denn dieser bringt in der Rechtssache Lagardère1478 zum Ausdruck, dass „nach ständiger Rechtsprechung

1471

EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. So etwa EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10, 12) – Alpha Steel/Kommission; EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 (Rn. 12) – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission, jeweils in der französischen Fassung. 1473 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1474 EuGH, Urteil vom 24.6.1976  – Rs.  56/75  – Slg. 1976, 1097 (Rn.  18)  – Raymond Elz/ Kommission. 1475 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1476 EuGH, Urteil vom 26.2.1985  – Rs.  15/85  – Slg. 1987, 1005  – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. 1477 EuGH, Urteil vom 4.5.2006 – Rs. C-508/03 – Slg. 2006, I-3969 (Rn. 68) – Kommission/ Vereinigtes Königreich. 1478 EuG, Urteil vom 20.11.2002 – Rs. T-251/00 – Slg. 2002, II-4825 – Lagardère SCA u. a./ Kommission. 1472

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

die rückwirkende Rücknahme“1479 dann zulässig ist, „wenn sie innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt und das Organ, das diesen Verwaltungsakt erlassen hat, das berechtigte Vertrauen des Adressaten des Verwaltungsakts in dessen Rechtmäßigkeit ausreichend berücksichtigt“1480. Unter anderem werden in diesem Zusammenhang die Entscheidungen Alpha Steel1481 und Consorzio d’Abruzzo1482 zitiert.1483 Durch die Formulierung „rückwirkende Rücknahme“ stellt das EuG klar, dass diese Voraussetzungen  – zumindest für das Gericht Erster Instanz  – lediglich für die Rücknahme ex tunc Anwendung finden, dies belegt das Attribut „rückwirkend“, das eine allgemeine Anwendung auch auf die Rücknahme ex nunc ausschließt. Die Rechtsprechung differenziert somit nach wie vor zwischen den Voraussetzungen für die Rücknahme ex tunc und der Rücknahme ex nunc. Eine Zusammenführung der Voraussetzungen für die Rücknahme ex tunc wie für die Rücknahme ex nunc, wie sie in § 48 (L)VwVfG erfolgt ist, sieht sie offensichtlich als nicht gangbar. (d) Lösung 3: Zusammenführung der Voraussetzungen für die Rücknahme ex nunc Die letzte oben skizzierte Lösung beruht darauf, dass der EuGH in der Entscheidung Alpha Steel1484 die Voraussetzungen für die Rücknahme ex tunc von rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen zusammengezogen hat. Die Voraussetzungen für die Rücknahme müssen jetzt kumulativ vorliegen, damit eine Rücknahme rechtmäßig ist. Es muss also sowohl eine Interessenabwägung (ursprünglich Rücknahmevoraussetzung für rechtswidrige deklaratorische Be­ schlüsse) als auch eine Rücknahme innerhalb einer angemessenen Frist (ursprünglich Rücknahmevoraussetzung für rechtswidrige rechtsbegründende Beschlüsse) stattfinden. Finden nun beide Voraussetzungen bei der Rücknahme ex tunc kumulativ Anwendung, kann für die Rücknahme ex nunc auch nichts anderes gelten. Auch hier wird die Differenzierung zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen aufgegeben und die jeweiligen Voraussetzungen für eine Rücknahme zusammengezogen. Vor dem Hintergrund, dass eine Rücknahme ex nunc von deklaratorischen Beschlüssen stets, insofern also voraussetzungslos, mög-

1479 EuG, Urteil vom 20.11.2002 – Rs. T-251/00 – Slg. 2002, II-4825 (Rn. 140) – Lagardère SCA u. a./Kommission. 1480 EuG, Urteil vom 20.11.2002 – Rs. T-251/00 – Slg. 2002, II-4825 (Rn. 140) – Lagardère SCA u. a./Kommission. 1481 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1482 EuGH, Urteil vom 26.2.1985  – Rs.  15/85  – Slg. 1987, 1005  – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission. 1483 EuG, Urteil vom 20.11.2002 – Rs. T-251/00 – Slg. 2002, II-4825 (Rn. 140) – Lagardère SCA u. a./Kommission. 1484 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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lich ist, bleibt als einzige, nun gemeinsame Voraussetzung stehen, dass eine Rücknahme ex nunc lediglich im Rahmen einer angemessenen Frist erfolgen darf. Im Vergleich zur ersten skizzierten möglichen Lösung bedeutet dies auf den ersten Blick für die Rücknahme von rechtswidrigen rechtsbegründenden Beschlüssen keinen Unterschied. Nach beiden Lösungen kann eine Rücknahme nur im Rahmen einer angemessenen Frist erfolgen. Der Unterschied liegt aber in der Aufgabe der Differenzierung nach Art des aufzuhebenden Beschlusses. Daraus folgt dann auch, dass ein Beschluss, der nach der ersten Lösung als deklaratorisch einzuordnen wäre, mithin voraussetzungslos zurückgenommen werden könnte, nun ebenfalls nur im Rahmen einer angemessenen Frist zurückgenommen werden darf. Schematisch ergibt sich dabei folgendes Bild:

Abbildung 7: Lösung 3: Mechanismus von Alpha Steel wird auch auf die Rücknahme ex nunc angewendet

Für diese Lösung streitet zunächst, dass sie die Folgen der Entscheidung Alpha Steel1485 für die Rücknahme ex tunc, die Verschmelzung beider Voraussetzungen, exakt auf die Anforderungen für die Rücknahme ex nunc spiegelt. Diese Lösung entspricht also am ehesten der Vorgehensweise des EuGH, als er in der Entscheidung Alpha Steel die Anforderungen an eine Rücknahme ex tunc neu geordnet

1485

EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

hat.1486 Sie ist also auf Basis der bisherigen Rechtsprechung des EuGH die Lösung, die diese am genauesten fortführt. Daneben hat sie zwei weitere Vorteile: Zum einen hebt auch sie die Differenzierung zwischen rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen auf, welche auch bei der Rücknahme ex tunc nicht mehr existiert, trägt somit zur Rechtssicherheit bei. Zum anderen misst sie auch dem Vertrauensschutz des Betroffenen gesteigerten Wert bei. An der ursprünglichen Lösung des EuGH – vor der Rechtsprechungsänderung durch Alpha Steel1487 – wurde kritisiert, dass der Betroffene bei einer Aufhebung eines deklaratorischen Beschlusses ex nunc keinerlei Schutz genießt.1488 So bliebe der Rechtsschutz des Betroffenen bei der Aufhebung eines Beschlusses hinter dem Rechtsschutz in Deutschland bei der Aufhebung eines Verwaltungsakts zurück. § 48 (L)VwVfG sieht auch bei einer Rücknahme ex nunc die Berücksichtigung etwaigen Vertrauens zwingend vor. Zusätzlich scheint diese Lösung – mit Blick auf die Voraussetzungen für die Rücknahme ex tunc – passend: Einerseits bleibt der Betroffene bei dieser Lösung nicht schutzlos, die Anforderung der angemessenen Frist, innerhalb derer die Aufhebung erfolgen muss, bietet vor dem Hintergrund, dass die Bestimmung der Frist nach der Recht­sprechung jeweils einzelfallbezogen, vor dem Hintergrund des konkreten Sachverhalts erfolgt1489, die Möglichkeit, die Besonderheiten des Falles mit in die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung mit einzubeziehen. Andererseits findet sich in dieser Lösung mit der etwas schwächeren Berücksichtigung von Vertrauensschutz im Gegensatz zur Rücknahme ex tunc auch die Ansicht des EuGH wieder, dass Vertrauensschutz bei einer Rücknahme ex nunc grundsätzlich nur schwächer zum Tragen kommt.1490 So spiegelt die Lösung nicht nur exakt die Vorgehensweise des EuGH in der Rechtssache Alpha Steel1491 für die Rücknahme ex tunc auf die Rücknahme ex nunc, sondern fügt sich damit auch in die Rechts(sprechungs)systematik auf diesem Gebiet ein.

1486 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 (Rn. 10 ff.) – Alpha Steel/Kommission. 1487 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission. 1488 Schwarze (Fn. 233), S. 972. 1489 Siehe S. 333 ff. 1490 Zum Ausdruck kommt diese grundsätzliche Abstufung des EuGH etwa im Urteil Simon, EuGH, Urteil vom 1.6.1961  – Rs.  15/60  – Slg. 1961, 241 (259)  – Gabriel Simon/Gerichtshof: „Ein Widerruf wegen Rechtswidrigkeit kann zwar in bestimmten Fällen mit Rücksicht auf wohlerworbene Rechte nicht ex tunc erfolgen, stets jedoch ex nunc.“ Für das deutsche Recht: „Der Vertrauensschutz steht einer Rücknahme ex nunc bei dauerndem regelmäßigen Bezug von Leistungen aus öffentlichen Mitteln id.R. nicht entgegen“, Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), § 48 VwVfG Rn. 107. 1491 EuGH, Urteil vom 3.3.1982 – Rs. 14/81 – Slg. 1982, 749 – Alpha Steel/Kommission.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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(3) Ergebnis Damit kann diese letzte Lösung überzeugen: Die ECHA kann einen allgemein rechtswidrigen Registrierungsbeschluss ex nunc zurücknehmen, wenn dies innerhalb einer angemessenen Frist geschieht, wenn der Zeitraum zwischen Erlass  – mithin: dem Registrierungsdatum  – und dem Zeitpunkt der Rücknahme nicht übermäßig lange geworden ist. Ist diese Frist abgelaufen, überwiegen Rechtssicherheit und Vertrauensschutz das Interesse der ECHA auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes. Eine eigenständige Interessenabwägung findet hingegen nicht statt, diese geht in der Bestimmung der konkreten Rücknahmefrist auf. Diese Lösung ergab sich auf der Basis des Eigenverwaltungsrechts und fügt sich in das System des Eigenverwaltungsrechts ein; so kann die identifizierte Lücke im System des Eigenverwaltungsrechtsgeschlossen werden. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Augenscheinlich bietet das Eigenverwaltungsrecht die Basis, vor dem Hintergrund konkreter Vollzugsprobleme weiterentwickelt zu werden. Daneben befruchten gerade die Anforderungen des im direkten Vollzug zu vollziehenden Rechtsgebiets, der REACH-VO, die Entwicklung in Eigenverwaltungsrecht, es wird weiter ausgeformt, Lücken werden geschlossen, eine (vollzugstaugliche) Systematik bildet sich heraus. Für die REACH-VO wiederum bedeutet dieses gefundene Ergebnis, dass ein rechtswidriger Registrierungsbeschluss, dessen Rechtswidrigkeit auf (sonstigen) formellen oder materiellen Fehlern beruht, ex nunc lediglich innerhalb einer angemessenen Frist zurückgenommen werden kann. bb) Versuch einer Fristbestimmung im konkreten Vollzug der REACH-VO Daher soll nun der Versuch der Bestimmung einer angemessenen Frist unternommen werden, wie sie im typischen Vollzug der REACH-VO gelten wird. In einem ersten Schritt ist dabei der Zeitpunkt zu bestimmen, an dem die Frist beginnt [F. III. 3. b) bb) (1)]1492, um dann die Dauer der Frist [F. III. 3. b) bb) (2)]1493 herzuleiten. (1) Beginn der Frist für die Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses Ein rechtswidriger Registrierungsbeschluss kann lediglich innerhalb einer an­ gemessenen Frist zurückgenommen werden. Die entsprechende Frist beginnt mit dem Erlass der Entscheidung, es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung 1492

Siehe S. 333 f. Siehe S. 334 ff.

1493

334

Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

oder Kenntnisnahme an.1494 Dies ist konsequent, denn zu diesem Zeitpunkt hat der behördliche Meinungsfindungsprozess seinen Abschluss gefunden, ab diesem Zeitpunkt hat die Behörde die Möglichkeit, den ihr vorliegenden  – endgültigen Beschluss – einer Überprüfung auf Fehler zu unterziehen. Für den Registrierungsbeschluss nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO beginnt somit die Frist, innerhalb derer eine Rücknahme möglich ist, mit dem Registrierungsdatum nach Art. 20 Abs. 3 S. 1 REACH-VO zu laufen. (2) Dauer der Frist für die Rücknahme eines Registrierungsbeschlusses Nachdem der Zeitpunkt für den Beginn der Frist definiert wurde, stellt sich nun als Folge die Frage, wie lange ein Zeitraum zwischen Erlass und Rücknahme des Registrierungsbeschlusses noch als „angemessen“ anzusehen ist, bis zum welchem Zeitpunkt der ECHA eine Rücknahme möglich ist. (3) Keine abstrakte Bestimmung durch den EuGH Zunächst lässt sich konstatieren, dass der EuGH nie eine starre Frist festgelegt hat. Orientiert sich etwa der Conseil d’Etat zunächst an der gesetzlichen Frist zur Erhebung einer Anfechtungsklage,1495 der EuGHÖD an der Frist des Art. 91 Abs. 3 Beamtenstatut,1496 lehnt sich der EuGH nicht an eine gesetzlich normierte Frist an, bestimmt den Zeitraum nicht starr. Dies mag zuvorderst aus der Histo­ rie zu erklären zu sein: Eine Verfahrensordnung für den EuGH, in dem eine Klagefrist normiert war, existierte zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Urteil in der Rechtssache Algera1497 nicht.1498 Dennoch hat der Gerichtshof – auch später, als im Zuge der Einführung einer Verfahrensordnung Klagefristen eingeführt wurden – eine Anlehnung an diese nicht weiter verfolgt; den Vorschlag von Generalanwalt Lagrange, eine Aufhebung nur innerhalb der Rechtsmittelfrist zuzulassen,1499 hat der EuGH nicht aufgenommen.

1494 EuG, Urteil vom 19.3.1997 – Rs. T-73/95 – Slg. 1997, II-381 (Rn. 42) – Estabelecimentos Isidoro M. Oliveira/Kommission; Arzoz (Fn. 709), 299 (305); von Danwitz (Fn. 24), S. 405; Müller (Fn. 239), S. 140; Schroeder (Fn. 378), S. 127. 1495 Conseil d’Etat, Urteil vom 3.11.1922 – 74010 – Rec. 790 ff. – Dame Cachet. 1496 Etwa EuGÖD, Urteil vom 11.9.2008 – Rs. F-51/07 – Slg. ÖD 2008, I-A-1289 und II-A1–1533 (Rn. 68) – Phillippe Bui Van/Kommission. 1497 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1498 Siehe S. 312 f. 1499 GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu Rs. 14/61 – Slg. 1965, 558 (570) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde.

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Die Bestimmung der Länge der Fristen erfolgt somit einzelfallbezogen, der EuGH stellt in einem ersten Schritt dahinter stehende Motive und Gründe, die Interessenlagen beider Seiten dar, um dann daraus zu rechtfertigen, ob die in diesem Fall vorliegende Frist eingehalten wurde. Dabei fehlen abstrakte Ausführungen, ob ein längerer – oder kürzerer – Zeitraum angemessen gewesen wäre. Diese Vorgehensweise ist in der Literatur auf starke Kritik gestoßen. Generalanwalt Lagrange appellierte in der Rechtssache Hoogovens an den EuGH, die „angemessene Frist“ abstrakt zu bestimmen, um so zu vermeiden, dass der unbestimmte Begriff der „Angemessenheit“ zu einer „Art Damoklesschwert“1500 führen werde, weil es nahezu zwangsläufig zu Streitigkeiten über die Angemessenheit der Frist und zu einer Entscheidung des Richters kommen müsse und werde. Dem springt die Literatur bei. Auch diese sieht die Fristbestimmung anhand des Einzelfalls vor dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der Rechtsprechung, mithin der Rechtssicherheit und der Vermeidung unnötiger – weil mit vorhersehbarem Ausgang versehener – Gerichtsprozesse, kritisch.1501 Allerdings bietet diese Vorgehensweise dem EuGH auch die Möglichkeit, mit einem höheren Maß an Einzelfallgerechtigkeit Recht zu sprechen. Denn gerade im Rahmen der Rücknahme ex nunc ist die Frage, ob innerhalb einer angemessenen Frist eine Rücknahme erfolgt ist, die einzige Anforderung, die an die Verwaltung gestellt wird. Ist diese Frist aber starr, ist es bei der Abwägung zwischen der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns und den Prinzipien von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit nicht möglich, die besonderen Eigenarten und Facetten des Sachverhalts und des Rechtsgebiets im Einzelfall zu berücksichtigen. Diese Umstände können, wenn eine starre Frist als Rücknahmegrenze normiert wurde, nicht hinreichend einbezogen werden.1502 Wird die Frist jedoch im Rahmen eines Einzelfalls bestimmt, könnten sich im Rahmen einer Vielzahl von Entscheidungen Fallgruppen bilden, die damit als Leitlinien für die Bestimmung einer angemessenen Frist im konkreten Einzelfall dienen können. Dies ist allerdings aufgrund der geringen Anzahl der Fälle und

1500 GA Lagrange, Schlussanträge vom 4.6.1962 zu Rs. 14/61 – Slg. 1965, 558 (570) – Koninklijke Nederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken/Hohe Behörde. 1501 Hegels (Fn. 234), S. 97; Schroeder (Fn. 378), S. 127; Schwarze (Fn. 233), S. 963; Vincent (Fn. 1405), 31 (46). 1502 Wird es doch getan, führt dies zu einer entsprechenden „Durchlöcherung“ der Fristbestimmung durch zahlreiche Einzelfallregelungen. Der Vorteil einer starren Fristbestimmung, die hohe Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, geht damit verloren – mit der Folge entsprechender Kritik. So wurde die starre Anfechtungsfrist, die der Conseil d’Etat in der Entscheidung Conseil d’Etat, Urteil vom 3.11.1922 – 74010 – Rec. 790 ff. – Dame Cachet, einführte, von ihm in der Folgezeit durch Verlängerungen der Zwei-Monatsfrist und Verschiebung des Zeitpunkts des Fristbeginns aufgeweicht. Die Kritik, eine solche Rechtsprechung zerstöre die Rechts­ sicherheit, folgte auf dem Fuß, vgl. Geurts (Fn. 1392), S. 134 m. w. N. aus der französischen Literatur.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

der Neigung der europäischen Rechtsprechung, jeden dieser Fälle als Einzelfall zu betrachten und keine grundlegenden abstrakten Ausführungen zu treffen, im Eigenverwaltungsrecht gerade nicht geschehen. Dies macht die eine grundlegende Fristbestimmung für die Rücknahme eines allgemein rechtswidrigen Registrierungsbeschlusses im Rahmen von REACH schwierig. (4) Eingrenzung durch bisherige Rechtsprechung Als erster Anhaltspunkt zur Bestimmung einer angemessenen Frist werden daher zunächst die bisherigen Entscheidungen, in denen der Zeitraum zwischen Erlass und Rücknahme thematisiert wurde, zusammengestellt, um so den Zeitraum sowie die dahinterstehenden Erwägungen fassbar zu machen.1503 Die Rechtsprechung stellt weniger auf einen konkreten Zeitraum als vielmehr auf dahinter stehende Erwägungen ab. Eine wesentliche Rolle spielt dabei, ob die Behörde von dem die Rechtswidrigkeit auslösenden Fehler frühzeitig Kenntnis erlangt und in welcher Zeitspanne sie darauf reagiert. Wird die ECHA den F ­ ehler frühzeitig bemerken und leitet sie Schritte zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände ein, kann auch ein relativ langer Zeitraum zwischen Erlass und end­ gültiger Aufhebung, in der Rechtssache Lemmerz von nahezu sechs Jahren1504, vom EuGH noch als angemessen angesehen werden. Denn die Schritte, welche die Hohe Behörde zur Aufhebung des Beschlusses unternahm, waren dem Betroffenen bekannt gemacht. Umgekehrt wird ein Zeitraum von 31 Monaten dann als unangemessen gelten müssen, wenn der ECHA unmittelbar nach Erlass der Registrierung klar werden konnte, dass dieser Beschluss allgemein rechtswidrig war, sie aber zunächst nicht reagiert.1505 Insofern stellt der EuGH nicht nur auf die abstrakte 1503 Zu beachten ist dabei, dass die Länge der Frist als selbstständige Voraussetzung für die Rücknahme von allgemein rechtswidrigen Beschlüssen im Eigenverwaltungsrecht bis zur Entscheidung in der Rechtssache Alpha Steel lediglich bei der Rücknahme von rechtsbegründenden Beschlüssen existierte. Im Rahmen der Rücknahme von deklaratorischen Beschlüssen war die Zeitdauer zwischen Erlass und Aufhebung dagegen stets in die Interessenabwägung einzubeziehen und bildete damit nur einen zu berücksichtigenden Faktor. Dies verkennt ein Großteil der Literatur, etwa von Danwitz (Fn.  24), S.  405, der in diesem Zusammenhang nochmals die eigentlich überholte Differenzierung von rechtsbegründenden und deklaratorischen Beschlüssen zugrunde legt sowie Müller (Fn. 239), S. 140, der die Frist in der Entscheidung EuGH, Urteil vom 13.7.1965 – Rs. 111/63 – Slg. 1965, 893 – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde, die vor der Rechsprechungsänderung ergangen ist, in direkten Vergleich zu der Frist in der Entscheidung EuGH, Urteil vom 26.2.1985 – Rs. 15/85 – Slg. 1987, 1005 – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission, die danach ergangen ist, bringt. Diese Gegenüberstellung nimmt auch Gornig/Trüe (Fn. 513), 884 (891) vor. Dennoch können die bisher genannten Zeiträume als Anhaltspunkte dienen. 1504 EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893  – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde. 1505 EuGH, Urteil vom 26.2.1985  – Rs.  15/85  – Slg. 1987, 1005 (Rn.  13 ff.)  – Consorzio Cooperative d’Abruzzo/Kommission.

Abbildung 8: Fristbestimmung für die Rücknahme im ungeschriebenen allgemeinen Eigenverwaltungsrecht

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Zeitspanne per se, sondern vielmehr auf den Zeitraum ab, in dem dem Betroffenen schutzwürdiges Vertrauen zusteht.1506 Dies bedeutet allerdings trotz jeden ­Versuchs, Begrenzungslinien zu ziehen, dass der Raum, der zwischen diesen verbleibt, sehr groß ist. Auch ein Vergleich mit der Rechtsprechung anderer Gerichte auf EU-Ebene wie auch mit dem geschriebenen Sekundärrecht kann kaum helfen, diese Weite zu verringern. So fährt der EuGHÖD eine restriktivere Linie. Dieser orientierte sich in einer beamtenrechtlichen Streitigkeit an der Klagefrist des Art. 91 Abs. 3 Beamtenstatut und hält bei allgemeiner Rechtswidrigkeit eine Frist von drei Monaten für an­ gemessen.1507 Der EuGHÖD lehnt sich somit – mit französischem Vorbild – stark an die Fristenregelungen des geschriebenen Rechts an. Bereits oben wurde jedoch die Ferne der Rechtsprechung des EuGH zu diesen Regelungen herausgearbeitet, an der sich seit der Entscheidung in der Rechtssache Algera1508 1957 nichts ge­ ändert hat: Art. 263 Abs. 6 AEUV sieht eine Klagefrist von zwei Monaten vor – der EuGH hingegen stuft auch längere Fristen als angemessen ein. Das Erfordernis einer angemessenen Frist findet sich ebenfalls im Schadensersatzrecht der Union. Auch in diesem Fall soll das Einhalten einer angemessenen Frist im Sinne von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz vor dem Handeln von Unionsorganen schützen.1509 Insofern könnte eine Parallele naheliegen. In diesem Bereich wendet die Rechtsprechung allerdings Art.  46 S.  1 Gerichtshof­satzung direkt oder entsprechend an und geht davon aus, dass eine Frist von fünf Jahren noch angemessen sei.1510 Aber auch dieser weiten Ausdehnung hat der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Rücknahme von allgemein rechts­widrigen Beschlüssen einen Riegel vorgeschoben, indem er regelmäßig von kürzeren Fristen ausgeht.

1506 EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893  – Lemmerz-Werke/Hohe Behörde. 1507 Vgl. etwa EuGÖD, Urteil vom 11.9.2008 – Rs. F-51/07 – Slg. ÖD 2008, I-A-1-289 und II-A-1-1533 (Rn. 68) – Phillippe Bui Van/Kommission. 1508 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (119)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1509 Etwa EuGH, Urteil vom 14.7.1972 – 52/69 – Slg. 1972, 787 (Rn. 20 f.) – Geigy/Kommission; EuG, Urteil vom 5.10.2004 – Rs. T-144/02 – Slg. 2004, II-3381 (Rn. 58) – Richard J. Eagle u. a./Kommission. 1510 Etwa EuG, Urteil vom 5.10.2004 – Rs. T-144/02 – Slg. 2004, II-3381 (Rn. 68 f.) – Richard J. Eagle u. a./Kommission.

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(5) Bestimmung einer angemessenen Frist im Rahmen der Rücknahme von Registrierungen Grundsätzlich fällt es damit schwer, die Frist, in der die Rücknahme einer Registrierung ex nunc zulässig ist, mit Anspruch auf eine gewisse Exaktheit festzulegen. Insgesamt bleibt außerdem bei der Frage, ob die Frist angemessen ist, zu beachten, dass die Beweislast regelmäßig bei der ECHA liegen wird.1511 Jedenfalls galt eine Rücknahme innerhalb von sieben Monaten regelmäßig als angemessen. Die Literatur will eine Grenze bei einem Jahr ziehen, nach dem Ablauf von zwölf Monaten sollen Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gegenüber dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns die Überhand gewonnen haben.1512 Dabei handelt es sich um die maximale Frist, innerhalb derer Vertrauens­schutz unbeachtlich sein kann. Insofern kann auch nach einem längeren Zeitraum eine Rücknahme möglich sein, wenn das berechtigte Vertrauen weniger als ein Jahr bestand.1513 Maßgeblich, ob solches entstanden ist, kann daneben etwa die Erkennbar­keit des Fehlers sowohl an sich als auch im Rahmen der konkreten Fallkonstellation sein; handelt es sich um einen offensichtlich erkennbaren Fehler oder sind längere Recherchen erforderlich, um ihn zu entdecken. Ebenfalls wird eine Rolle das Verhalten der ECHA nach Entdeckung des Fehlers spielen – handelt die ECHA sofort oder lässt sie ohne Not weitere Zeit verstreichen.1514 Insofern lassen sich an dieser Stelle nur diese groben Leitlinien formulieren, welche Anhaltspunkte zur Fristsetzung berücksichtigt werden können und wie lange diese maximal bestehen darf, um der ECHA noch die Rücknahme zu ermöglichen. Eine genauere Bestimmung muss dann im Einzelfall erfolgen und dann vor den europäischen Gerichten be­stehen. An dieser Stelle lässt sich somit eine gewisse Unbestimmtheit im allgemeinen Eigenverwaltungsrecht feststellen.

1511 EuG, Urteil vom 20.11.2002 – Rs. T-251/00 – Slg. 2002, II-4825 (Rn. 141) – Lagardère SCA u. a./Kommission. 1512 Vincent (Fn. 1405), 31 (48 ff.). 1513 Etwa EuGH, Urteil vom 13.7.1965  – Rs.  111/63  – Slg. 1965, 893 (911)  – LemmerzWerke/Hohe Behörde; EuGH, Urteil vom 16.6.1966 – Rs. 54/65 – Slg. 1966, 529 – Compagnie des forges de Châtillon, Commentry & Neuves-Maisons/Hohe Behörde; EuG, Urteil vom 26.1.1995 – verb. Rs. T-90/91 und T-62/92 – Slg. ÖD 1995, II-1 (Rn. 52 f.) – Henri de Compte/ Parlament. 1514 Ebenfalls das maßgebliche Kriterium für Schroeder (Fn. 378), S. 128; Müller (Fn. 239), S. 140.

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c) Rechtsfolge Während das Europäische Eigenverwaltungsrecht von der ECHA auf der Tatbestandsseite verlangt, dass die Rücknahme innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt, steht ihr auf der Rechtsfolgenseite Ermessen zu. Dabei besteht im Hinblick auf das „Ob“ der Rücknahme kein Unterschied zur Fallgruppe 1.1515 Die Rechtsprechung differenziert nicht, ob der Grund, der zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses führt, in defizitären Angaben liegt oder diese auf sonstigen formellen oder materiellen Fehlern beruht. d) Mögliche in die Ermessensentscheidung einzustellende Gesichtspunkte Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung wird die ECHA abwägen müssen zwischen dem öffentlichen Interesse auf Rücknahme, das sich aus dem Prinzip der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns speist, sowie dem Interesse des Betroffenen, das sich aus den Grundsätzen von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz ergibt. Dabei ist die bloße Tatsache für sich, dass der Beschluss allgemein rechtswidrig ist, noch kein Argument für eine entsprechende Ermessensentscheidung. Denn die bloße Rechtswidrigkeit des Beschlusses an sich begründet zwar die Rücknahmemöglichkeit, erzwingt sie aber nicht. Generell sind im Rahmen der Ermessensentscheidung alle Einzelumstände zu berücksichtigen, die dazu führen können, dass der Vertrauenstatbestand gestärkt oder das öffentliche Interesse aufgewertet wird.1516 Zu berücksichtigen ist dabei in erster Linie die Folge für den Betroffenen im Fall der Rücknahme des Beschlusses, das Ausmaß der Rechtswidrigkeit des Beschlusses, Art und Herkunft des Fehlers sowie das Verhalten der Beteiligten im Verlauf des Verfahrens. So wird bei einem Verfahrensfehler, der im vollen Umfang der ECHA zuzurechnen ist, eine Rücknahme kaum interessengerecht sein. Denn der Registrant muss dann erneut eine Registrierung durchführen – mit entsprechenden Kosten –, um erneut die Sperre des Art. 5 REACH-VO heben zu können; in der Zwischenzeit kann der Stoff nicht hergestellt oder in Verkehr gebracht werden. Würde in diesem Fall aber eine Rücknahme stattfinden, hat der Registrant letztlich die Folgen eines Fehlverhaltens der ECHA vollständig selbst zu tragen. Gleichzeitig sind aber die Anforderungen an die Sorgfalt des Registranten, der als Wirtschaftsunternehmen im Vollzug der REACH-VO steht und jederzeit Unterstützung bei der ECHA 1515

Siehe S. 280 ff. Dazu auch die Ausführungen zum Ermessen bei der Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen, die auf defizitären Angaben im Registrierungsdossier beruhen. Die dort genannten grundsätzlichen Erwägungen gelten auch hier, siehe S. 300 ff. 1516

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oder nationalen Helpdesks erhalten kann, eher als streng anzusehen.1517 Das kann dazu führen, dass auch der Registrant die zu beachtenden Verfahrens- und Formvorschriften mit in den Blick nehmen muss. Grundsätzlich wird die ECHA wohl den Registrierungsbeschluss regelmäßig zurücknehmen, gegebenenfalls könnte die Zahlung einer Entschädigung als Kompensationsleistung in Betracht kommen. e) Einzuhaltendes Verfahren Ein Blick soll des Weiteren auf das für die Rücknahme im Rahmen dieser Fallgruppe anzuwendende Verfahren geworfen werden. Wurde im Rahmen der Rücknahme von Registrierungen, die aufgrund von dauerhaft qualitativ defizitären Registrierungsdossiers zurückgenommen wurden, ein zweistufiges Korrektur- und Rücknahmeverfahren propagiert,1518 muss diese Vorgehensweise im Rahmen dieser Fallgruppe einer genaueren Prüfung unterzogen werden. Dies gilt in erster Linie in Bezug auf die Sinnhaftigkeit eines Korrekturverfahrens: Grundsätzlich lässt sich das Erfordernis eines solchen aus der Systematik der REACH-VO her­ leiten. Allerdings gehen die in der REACH-VO angelegten Korrekturmechanismen, etwa in Art. 20 Abs. 2 UAbs. 3, Art. 41 Abs. 3 REACH-VO fehl, da sie lediglich die Nachforderung von Informationen regeln, nicht aber Unregelmäßigkeiten im Verwaltungsverfahren heilen sollen. Generell lässt sich somit statuieren, dass der als Ausfluss aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in der REACH-VO angelegte Vorrang der Korrektur vor der Aufhebung hier seine Grenze findet  – die Maxime der Verfahrensrichtigkeit der EU-Rechtsordnung bildet eine wirksame Barriere, eine Ausnahme bilden die allgemeinen Heilungs- und Unbeachtlichkeitsvorschriften. Sollten diese aber nicht greifen, ist auch die sonstige Einbeziehung einer Korrekturmöglichkeit systemwidrig. Das Rücknahmeverfahren wird also einstufig auszugestalten sein. Dies beantwortet dennoch nicht die grundsätzliche Frage nach dem anzuwendenden Verfahren für die Rücknahme. Im Rahmen der Fallgruppe 1 für die Rücknahme wird eine Anwendung des Verfahrens aus Art. 41 Abs. 3, 50, 51 analog REACH-VO propagiert. Dieses Verfahren scheint auf den ersten Blick im Rahmen dieser Fallgruppe nicht sachgerecht zu sein. Denn es dient der Rücknahme von rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen, deren Rechtswidrigkeit auf einem dauerhaft quantitativen oder qualitativen Defizit beruht. Es löst somit einen auf einer anderen Interessensituation gelagerten Konflikt. Andererseits ist das (angestrebte)  Ziel in beiden Fallgruppen dasselbe. Das Verfahren soll dazu dienen, die Interessenlage aller Beteiligten zu berücksichtigen, die von der Rücknahme einer Registrierung, dem Eintritt der Sperre des Art.  5 REACH-VO, betroffen sind. Gerade bei Fällen, deren Rechtswidrigkeit 1517

Siehe S. 300 ff. Siehe S. 304 ff.

1518

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nicht auf qualitativ defizitären Angaben beruht, in Fällen, in denen gegebenenfalls sowohl Registrant als auch ECHA Anteil an der Ursache, die die Rechtswidrigkeit begründet, tragen, ist eine entsprechende Kommunikation zwischen allen Beteiligten erforderlich, um einen Ausgleich zwischen den Interessen aller Beteiligten zu bieten. Daher muss auch in diesem Fall das Verfahren des Art. 41 Abs. 3, Art. 50, 51 REACH-VO analog Anwendung finden – allerdings wird das Verfahren lediglich einstufig auszugestalten sein.

Abbildung 9: Schematische Darstellung des Rücknahmeverfahrens für die Rücknahme von Beschlüssen, die aufgrund von (sonstigen) formellen oder materiellen Fehlern rechtswidrig sind

Damit wird im Unterschied zu Fallgruppe 1 kein Korrektur-, kein Nachbesserungsmechanismus innerhalb der REACH-VO durchzuführen sein. Die ECHA kann analog Art.  41 Abs.  3 REACH-VO einen Beschlussentwurf erstellen und analog Art.  50, 51 REACH-VO dem Betroffenen und den Mitgliedstaaten zur Anhörung zuleiten, um nach deren Abschluss gegebenenfalls den Registrierungsbeschluss zurückzunehmen.

f) Ergebnis für Fallgruppe 2: Rücknahme einer rechtswidrigen Registrierung – Rücknahme aufgrund sonstiger Fehler Insgesamt ergeben sich für die Fallgruppe 2 – die Rücknahme von Registrierungsbeschlüssen, deren Rechtswidrigkeit auf (sonstigen) formellen oder materiellen Fehlern beruht – folgende Schlussfolgerungen: Auch für diese Konstellation sieht das Eigenverwaltungsrecht einen ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz vor, der eine Rücknahme möglich macht. Problematischer ist die Bestimmung der tatbestandlichen Anforderungen für eine rechtmäßige Rücknahme. Hier existiert im System des ungeschriebenen allgemeinen Eigenverwaltungsrechts de lege lata eine Lücke, allerdings bieten sich Anknüpfungspunkte, diese sachgerecht zu schließen: Die Rücknahme muss innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen. Die Bestimmung dieser Zeitspanne, innerhalb derer eine Rücknahme zulässig ist, ist stark einzelfallbezogen, wird aber wohl

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bei maximal einem Jahr liegen. Auf der Rechtsfolgenseite steht der ECHA Ermessen zu, dabei muss sie die Einzelheiten der konkreten Konstellation berücksichtigen. Die Rücknahme wird im Verfahren nach Art. 41 Abs. 3, Art. 50, 51 REACHVO analog erfolgen, wobei im Gegensatz zu Fallgruppe 1 ein Korrekturverfahren nach Art. 41 REACH-VO entbehrlich ist. Kann das Eigenverwaltungsrecht, wie es aktuell existiert, grundsätzlich eine brauchbare Basis für den Vollzug der REACH-VO bilden, findet sich hier eine Lücke. Die REACH-VO hat dazu beigetragen, diese Lücke zu identifizieren und bildet im Rahmen ihres Vollzugs die Möglichkeit, sie auch zu schließen. Das Bild der REACH-VO lediglich als „Aufsatz“ auf das Fundament des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts geht also fehl: Vielmehr korrespondieren beide Rechtsgebiete miteinander und befruchten sich auf diese Weise wechselseitig.

4. Fallgruppe 3: Widerruf von rechtmäßigen Registrierungsbeschlüssen Nachdem das Prinzip der Rücknahme rechtswidriger Beschlüsse im Eigenverwaltungsrecht dargestellt, Möglichkeit, Anforderungen und Verfahren der Rücknahme von rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen erörtert wurden, soll auch der gegenläufige Rechtsgrundsatz, das Prinzip der grundsätzlichen Unwiderrufbarkeit rechtmäßiger Beschlüsse im Eigenverwaltungsrecht, einer näheren Be­ trachtung im Rahmen des Vollzugs der Registrierung in der REACH-VO durch die ECHA unterzogen werden. So erscheint neben der Rücknahme von rechtswidrigen Registrierungsbeschlüssen durch die ECHA denkbar, dass sie eine rechtmäßige Registrierung widerrufen möchte. Damit begibt sie sich in einen Konflikt mit den betroffenen Unternehmen, die ein starkes Interesse am Bestand eines bereits erteilten rechtmäßigen Registrierungsbeschlusses und im (berechtigten) Vertrauen auf dessen Bestandskraft Mittel und Anstrengungen investiert haben. Diese wären dann mit dem Entzug der Registrierung verloren, das absolute Vollzugsverbot des Art. 5 REACH-VO würde dann die Produktion und das Inverkehrbringen des betroffenen Stoffes sperren. Zwar würden im Regelfall keine neuen Informationen benötigt werden, allerdings würde für eine neue Registrierung erneut eine Registrierungsgebühr anfallen. Es müssen finanzielle wie zeitliche Ressourcen aufgewendet werden. Auf Seite der Unternehmen besteht also ein hohes wirtschaftliches Interesse am Erhalt einer rechtmäßigen Registrierung. Grundsätzlich lässt sich bereits an dieser Stelle ein Paradigmenwechsel in Bezug auf die Rolle des Prinzips der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns feststellen, das diese Fallgruppe dominiert. Steht es nämlich im Rahmen der Rücknahme eines begünstigenden Beschlusses regelmäßig gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes für eine Aufhebung desselben, wechselt es bei dem Wider-

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ruf eines Beschlusses die Seite und streitet grundsätzlich für das Aufrechterhalten des Beschlusses.1519 Insofern überrascht es nicht, dass auch im Eigenverwaltungsrecht grundsätzlich rechtmäßige Beschlüsse nicht widerrufen werden können [F. III. 4. a)]1520. Damit wird aber auch bereits angedeutet, dass einige besondere Konstellationen auftauchen können, in denen dieser Grundsatz ausnahmsweise durchbrochen wird [F. III. 4. b)]1521. a) Grundsatz Grundlage und Basis für die Beantwortung der Frage, ob rechtmäßige Registrierungsbeschlüsse aufgehoben werden können, ist erneut die Entscheidung des EuGH  – wie im Rahmen der Rücknahme von rechtswidrigen Beschlüssen  – in der Rechtssache Algera1522:1523 Er nahm dabei, um zu klären, ob rechtmäßige Beschlüsse widerrufen werden können (ebenso wie für die Rücknahme von rechtswidrigen Beschlüssen) die Rechtsordnungen der sechs damaligen Mitgliedstaaten der EGKS als Bezugspunkt für eine rechtsvergleichende Auslegung. Es ergab sich, dass nach allen Rechtsordnungen ein rechtmäßiger, subjektive Rechte verleihender Verwaltungsakt grundsätzlich nicht mehr widerrufen werden kann. Denn in diesem Fall überwiege regelmäßig die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz gegenüber dem Interesse der Verwaltungsbehörde an der Rückgängigmachung des Beschlusses.1524 Der EuGH schließt sich damit den Ausführungen von Generalanwalt Lagrange an, der darauf hinweist, dass aus individuellen rechtmäßigen Beschlüssen wohlerworbene subjektive Rechte erwachsen, mithin Vertrauensschutz auf Seiten des Betroffenen entsteht.1525 Damit statuiert er, dass im Regelfall dem Vertrauensschutz Vorrang gebühre und schließt somit eine Abwägung im Einzelfall, wie sie bei der Rücknahme von rechtswidrigen Beschlüssen erfolgt, 1519

Bockey (Fn. 429), S. 136; Schroeder (Fn. 378), S. 124. Siehe S. 344 ff. 1521 Siehe S. 345 ff. 1522 EuGH, Urteil vom 10.7.1957 – verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 83 – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1523 Bereits einige Zeit vor der Entscheidung in der Rechtssache Algera, in der Rechtssache Kergall, hatte der EuGH über die Zulässigkeit eines Widerrufs eines rechtmäßigen Beschlusses, in diesem Fall der Bewilligung einer Entschädigung, zu entscheiden. Ohne auf unionsrechtliche oder mitgliedstaatliche Rechtsgrundsätze zu verweisen, stellte der Gerichtshof dort lediglich fest, dass der Widerruf eines rechtmäßigen Beschlusses nicht bereits deshalb gerechtfertigt sei, weil der Kläger die Absicht habe, den Gerichtshof anzurufen oder die Bewilligung möglicherweise nicht annehmen wolle, weil sie ihm in der Höhe zu niedrig sei, EuGH, Urteil vom 19.7.1955  – Rs.  1/55  – Slg. 1955/56, 9 (28)  – Antoine Kergall/Versammlung. Dogma­ tische Ausführungen zur allgemeinen Widerrufsfähigkeit von rechtmäßigen Beschlüssen blieben in dieser Entscheidung aus. 1524 EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (126)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1525 GA Lagrange, Schlussanträge vom 14.6.1957 zu verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 140 (162) – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1520

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grundsätzlich aus.1526 Insofern erklärte der EuGH den Widerruf eines rechtmäßigen Beschlusses ex nunc für rechtswidrig;1527 der Widerruf eines rechtmäßigen Beschlusses im Eigenverwaltungsrecht ex nunc ist grundsätzlich nicht möglich. Diese Aussage wird fortan in der Entscheidung in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II1528 wie auch in der Entscheidung Verli-Wallace1529 als allgemeiner Rechtsgrundsatz verstanden. Somit kann die ECHA rechtmäßige Registrierungsbeschlüsse grundsätzlich nicht widerrufen. b) Besondere Widerrufsgründe Dem stehen auch die Ausführungen von Generalanwalt Lenz in der Entscheidung Agricola Commerciale Olio nicht entgegen: Dieser stellte entsprechend der grundsätzlichen Linie des EuGH zunächst dar, dass der rückwirkende Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Beschlusses gegen Rechtssicherheit und Vertrauensschutz verstoße.1530 Gleichzeitig spekuliert er, dass damit ein Widerruf ex nunc jedenfalls dann zulässig sein müsse, wenn kein Vertrauensschutz bestehe. Er benennt als Beispiel die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lührs1531. Diese Entscheidung stellt aber insofern einen Sonderfall dar, als dass sich dort die Sach- und darauf folgend die Rechtslage änderte.1532 Damit sind aber auch seine Ausführungen entsprechend einzuordnen: Generalanwalt Lenz greift hier nicht den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verbots des Widerrufs einer begünstigenden Entscheidung an, sondern stellt dar, dass es daneben besondere Konstellationen geben kann, in denen gerade kein Vertrauensschutz des Betroffenen in den Bestand des rechtmäßigen Beschlusses besteht, somit besondere Widerrufsgründe 1526

EuGH, Urteil vom 10.7.1957  – verb. Rs.  7/56, 3/57 bis 7/57  – Slg. 1957, 83 (118)  – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1527 Vgl. auch Schwarze (Fn. 233), S. 958 Fn. 32. 1528 EuGH, Urteil vom 22.3.1961 – verb. Rs. 42/59 und 49/59 – Slg. 1961, 109 (162) – Société nouvelle des usines de Pontlieue – Aciéries du Temple (S. N. U. P. A. T.)/Hohe Behörde. Da die betroffenen Rechtsakte sich in dieser Entscheidung als rechtswidrig erwiesen, ging der EuGH dort aber auf Fragen des Widerrufs von rechtmäßigen Beschlüssen nicht weiter ein; lediglich im Nebensatz stellte er nochmals klar, dass auch der Widerruf eines rechtmäßigen Beschlusses nicht nur ex nunc, sondern auch ex tunc rechtswidrig sei. 1529 EuGH, Urteil vom 22.9.1983  – Rs.  159/82  – Slg. 1983, 2711 (Rn.  9,  11)  – Angélique Verli-Wallace/Kommission. Dort hatte der EuGH über die Klage einer Bewerberin, deren rechtmäßige Zulassung zum Auswahlverfahren aufgehoben wurde. Hier sollte ein Widerruf ex tunc stattfinden; der EuGH rekurrierte auf seine Aussage in der Rechtssache S. N. U. P. A. T. II und erklärte den Widerruf aufgrund eines Verstoßes gegen diesen allgemeinen Rechtsgrundsatz für rechtswidrig. 1530 GA Lenz, verb. Schlussanträge vom 25.9.1984 zu Rs.  232/81 und 264/81  – Slg. 1984, 3881 (3910) – Agricola Commerciale olio u. a./Kommission. 1531 EuGH, Urteil vom 1.2.1978 – Rs. 78/77 – Slg. 1978, 169 – Johann Lührs/Hauptzollamt Hamburg-Jonas. 1532 GA Lenz, verb. Schlussanträge vom 25.9.1984 zu Rs.  232/81 und 264/81  – Slg. 1984, 3881 (3910) – Agricola Commerciale olio u. a./Kommission.

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vorliegen, in denen ausnahmsweise der allgemeine Rechtsgrundsatz des Verbots des Widerrufs einer rechtmäßigen begünstigenden Entscheidung zurückweichen muss. Beruht nämlich die Argumentation, dass rechtmäßige Beschlüsse nicht mehr widerrufen werden können, auf der Tatsache, dass schützenswertes Vertrauen entstanden ist und somit die Unwiderrufbarkeit des Beschlusses begründet, kann es Fälle geben, in denen trotz der Rechtmäßigkeit des Beschlusses ein Widerruf möglich ist, bei denen der Betroffene ausnahmsweise kein schützenswertes Vertrauen auf Bestand und Erhalt des Beschlusses haben kann. Dies ergibt eine starke Parallele zu § 49 Abs. 2 S. 1 (L)VwVfG: Während die Rücknahme in beiden Rechtsgebieten der Fehlerkorrektur und der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes nützt, sollen die besonderen Widerrufsgründe im Eigenverwaltungsrechtwie auch § 49 Abs.  2 S.  1 (L)VwVfG vorrangig einer Anpassung an eine veränderte Sach- oder Rechtslage dienen oder den Spielraum und die Reaktionsmöglichkeiten der Verwaltung vergrößern.1533 In diesem Zusammenhang soll keine (erschöpfende) Darstellung aller von EuG und EuGH anerkannten besonderen Widerrufsgründe erfolgen,1534 es wird lediglich ein kurzer Blick auf die im Rahmen von REACH möglicherweise einschlägigen Konstellationen geworfen werden. aa) Vorliegen eines ausdrücklichen Widerrufsvorbehalts Ebenso wie der deutsche Gesetzgeber in § 49 Abs.  2 S.  1 Nr.  1 (LV)VwVfG die Möglichkeit für die Verwaltung statuiert, einen mit Widerrufsvorbehalt ausgestatteten Verwaltungsakt zu widerrufen, ist auch dem Eigenverwaltungsrecht dieser Widerrufsgrund nicht fremd. Dies ergibt sich etwa aus den Ausführungen des Generalanwalts Lagrange in der Rechtssache Algera, dass nämlich die Zulassung zum Beamtenstatut keinerlei Vorbehalte oder andere Bestimmungen enthalte, die darauf schließen lassen würden, dass sie nur vorläufiger Natur seien.1535 Eine Vorbehaltserklärung schränkt die Entstehung von schutzwürdigem Vertrauen in die Aufrechterhaltung der Registrierung ein. Dabei entsprechen die Ausprägungen der Nebenbestimmungen im Wesentlichen dem deutschen Recht.1536 Wenn die ECHA ihrer positiven Entscheidung nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO etwa einen Widerrufsvorbehalt beifügt, kann sich der Betroffene nicht mehr auf Bestand und Erhalt seiner Registrierung verlassen. Die Registrierungsentscheidung könnte etwa „unter dem Vorbehalt weiterer Prüfung des Registrierungsdossiers“ er­gehen. Ein solches Vorgehen der ECHA erscheint nicht ganz fernliegend, weil so die 1533

Blanke (Fn. 1345), S. 172. Einen Überblick bietet z. B. Schwarze (Fn. 233), S. 979 ff. 1535 GA Lagrange, Schlussanträge vom 14.6.1957 zu verb. Rs. 7/56, 3/57 bis 7/57 – Slg. 1957, 140 (160) – Dineke Algera u. a./Gemeinsame Versammlung. 1536 von Danwitz (Fn. 24), S. 384; Vogt (Fn. 377), S. 85. Vgl. auch Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Fn. 688), Art. 288 AEUV Rn. 18. 1534

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ECHA die Möglichkeit bekommen würde, auch nach dem Ablauf der Fristen des Art. 21 Abs. 1, Abs. 2 REACH-VO die Vollständigkeit des Registrierungsdossiers zu überprüfen, somit die Fristenregelung im Rahmen der Registrierung umgehen könnte. Auch wenn die ECHA bislang den Anforderungen von REACH, der Durchführung der Vollständigkeitsprüfung im Rahmen einer bestimmten Frist, genügen konnte,1537 kann es dennoch zu Situationen einer temporären Überlastung der mit der Vollständigkeitsprüfung beschäftigen Abteilung der ECHA kommen. Eine Registrierung unter Widerrufsvorbehalt wäre aus Sicht der ECHA ein taugliches Mittel, mit diesem Engpass umzugehen. Problematisch ist dieses Vorgehen jedoch vor folgendem Hintergrund: Zunächst handelt es sich bei dem Registrierungsbeschluss um eine begünstigende Entscheidung. Der Registrant hat bei Erfüllung der Voraussetzungen einen Anspruch auf Erlass des positiven Registrierungsbeschlusses nach Art. 20 Abs. 3 REACH-VO. Ermessen steht der ECHA dabei nicht zu. Das bedeutet aber auch, dass ein eventueller Widerrufsvorbehalt für den Fall einer Registrierung seine Grundlage im Normtext der REACH-VO finden muss. Ein solcher ist dort aber nicht vorgesehen.1538 Daher ist ein solcher Vorbehalt unzulässig, sofern er nicht gerade die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen garantieren soll.1539 Dann aber steht die generelle Sinnhaftigkeit eines Widerrufsvorbehalts im Rahmen der Registrierung infrage. Ein Widerrufsvorbehalt könnte entweder die Aussage enthalten, dass die Registrierung unter dem Vorbehalt der erfolgreichen Durchführung einer Vollständigkeitsprüfung erteilt wurde. Alternativ könnte normiert werden, dass die Registrierung unter dem Vorbehalt inhaltlicher Richtigkeit, mithin der Durchführung des compliance checks, erteilt wurde. In beiden Fällen aber handelt es sich um Aussagen, die Art. 20 REACH-VO in vollkommener Weise immanent sind: Ein Registrierungsdossier, das defizitär ist, entspricht nicht den Anforderungen des Art. 20 REACH-VO. Gleichzeitig ist es die Pflicht der ECHA nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 REACH-VO, innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen bzw. drei Monaten die Vollständigkeitsprüfung durchzuführen. Insofern darf sie sich nicht vorsätzlich durch die Verwendung eines Vorbehalts der Durchführung des completeness checks somit ihrer Pflicht entziehen. Auch die Konstellation, dass die ECHA ihren Pflichten nicht innerhalb der jeweiligen Frist nachkommen kann, regelt bereits der Normtext der REACH-VO selbst in Art. 21 Abs. 1, Abs. 2 REACH-VO. Für einen entsprechenden Vorbehalt bleibt kein Raum. 1537 ECHA, ECHA meets the three-month deadline for performing the completeness check on REACH registrations. 1538 Insofern sind nicht nur Widerrufsvorbehalte, sondern auch alle anderen Formen der Nebenbestimmung, insbesondere eine Befristung der Registrierung, unzulässig. 1539 Allgemein von Danwitz (Fn. 24), S. 384; Schwarze (Fn. 233), S. 981; Wiesner (Fn. 1240), S. 83 f.; zu Nebenbestimmungen in der Rechtsprechung EuG, Urteil vom 13.9.1995 – Rs. T-244 und T-486/93  – Slg. 1995, II-2265 (Rn.  55)  – Textilwerke Deggendorf/Kommission; EuG, Urteil vom 15.9.1998 – Rs. T-140/95 – Slg. 1998, II-3327 (Rn. 85 ff.) – Ryanair/Kommission.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Der Widerrufsvorbehalt der inhaltlichen Richtigkeit erschöpft sich wiederum in dem Nichtvorhandensein schutzwürdigen Vertrauens in Bezug auf das – rechtswidrige – Registrierungsdossier. Allerdings wurde bereits oben festgestellt, dass bei einem rechtswidrigen Registrierungsbeschluss auf Basis eines dauerhaft defizitären Registrierungsdossiers eine Rücknahme auf Tatbestandsseite in jedem Fall zulässig ist.1540 Schutzwürdiges Vertrauen, das die ECHA an einer Rücknahme hindern kann, konnte auch ohne die Nebenbestimmung nicht entstehen. Insofern geht vom Widerrufsvorbehalt keine darüber hinausreichende Rechtswirkung aus. Die ECHA wird somit nicht auf das Instrument eines Widerrufsvorbehalts in Verbindung mit einem Registrierungsbeschluss zurückgreifen (können), es ist im Rahmen des Registrierungsverfahrens weder rechtlich zulässig noch sinnvoll zu verwenden. bb) Widerruf aufgrund nachträglicher Änderung der Rechtslage Ferner stellt sich die Frage, inwiefern ein Widerruf eines Beschlusses zulässig ist, wenn sich hinsichtlich der zugrunde gelegten Norm die Rechtslage ge­ändert hat.1541 Dabei muss differenziert werden zwischen einer Änderung der Norm durch den Gesetzgeber einerseits [F.  III.  4.  b)  bb)  (1)]1542 und einer Aufhebung bzw. einer Erklärung über ihre Nichtanwendbarkeit durch den Gerichtshof andererseits [F. III. 4. b) bb) (2)]1543. (1) Änderung von Art. 10 REACH-VO durch den Normgeber So wäre es etwa denkbar, dass die REACH-VO geändert, der Katalog des Art.  10 REACH-VO nachträglich um weitere Angaben ergänzt wird, die in einem Registrierungsdossier enthalten sein müssen. Dies könnte dazu führen, dass ein Registrierungsdossier nachträglich die Vollständigkeit im Sinne des Art.  20 REACH-VO verliert. Ein Registrierungsdossier wird nachträglich incomplete und damit auch non-compliant. Damit könnte die ECHA die Möglichkeit besitzen, den dazugehörigen Registrierungsbeschluss nachträglich aufzuheben. Bei einer genauen Betrachtung der rechtlichen Wirkungen, die von dieser Fallkonstellation ausgehen, ist auf die Regelungstechnik abzustellen, die im Rahmen der Neuregelung angewendet wird:

1540

Siehe S. 273 ff. Eine  – zumindest in Grundzügen  – ähnliche Regelung enthält § 49 Abs.  2 S.  1 Nr.  4 VwVfG. 1542 Siehe S. 348. 1543 Siehe S. 348 ff. 1541

F. Die Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses durch die ECHA 

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Verhältnismäßig unproblematisch vor dem Hintergrund von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz ist eine Regelung, nach der lediglich Registrierungsdossiers ab einem bestimmten Stichtag den neuen Anforderungen des Art. 10 REACH-VO genügen müssen. Dann würden Registrierungsdossiers, die vorher eingereicht und bereits als complete im Sinne des Art. 20 REACH-VO bewertet waren, von der Neuregelung nicht betroffen. Die ECHA hat dann keine Möglichkeit, diese Registrierungsbeschlüsse zu widerrufen. Deutlich komplizierter gestaltet sich die Sachlage allerdings, wenn die Neu­ regelung der Anforderungen an ein Registrierungsdossier ab einem früheren Zeitpunkt Geltung beansprucht, somit rückwirkend in Kraft tritt, damit bereits bestehende Registrierungsdossiers in den Geltungsbereich der Neuregelung fallen. In dieser Konstellation liegt ein belastender Beschluss vor: Vor der Änderung von Art. 10 REACH-VO war das jeweilige Registrierungsdossier noch vollständig, nun ist es unvollständig. Denn die Informationen, die nach der Neuregelung im Registrierungsdossier enthalten sein sollen, fehlen in den bislang als vollständig einzustufenden Registrierungsdossiers. Wird nun ein solches Registrierungs­ dossier geprüft, wird es nach neuer Rechtslage als unvollständig und somit unrichtig erkannt, obwohl es nach alter Rechtslage vollständig und mutmaßlich auch richtig gewesen ist. Somit könnte dann eine Aufhebung des unvollständigen Registrierungsdossiers durch die ECHA erfolgen. Der Kern dieses Problems liegt allerdings weniger bei der Zulässigkeit der Aufhebung der Registrierung an sich als in der Zulässigkeit der Rückwirkung der Änderungsverordnung: Dieses Problem wird für die ECHA dann im Licht stehen, wenn sie nach einer oben skizzierten Änderung im Normtext in einem nächsten Schritt einen Registrierungsbeschluss widerrufen will.1544 Auch dem europäischen Recht ist die Vorstellung, dass ein Rechtsakt nicht erst vom Zeitpunkt des Erlasses ab in die Zukunft, sondern auch bereits in die Vergangenheit hinein Rechtsfolgen ausstrahlt, nicht fremd. Der EuGH unterscheidet dabei zwischen der echten bzw. eigentlichen1545 und der unechten Rückwirkung1546 von Normen. 1544 Daher sollen hier lediglich entsprechende Grundlinien aufgezeigt werden, ohne den Anspruch, die Rückwirkungsjudikatur des EuGH vollständig juristisch aufzuarbeiten und zu systematisieren. Dazu umfassend z. B. Heukels (Fn. 581). 1545 EuGH, Urteil vom 15.6.1974 – Rs. 74/74 – Slg. 1975, 533 (Rn. 29/32) – Comptoir national technique agricole (CNTA)/Kommission. 1546 Den Begriff selbst verwendet er nicht, vgl. Frenz (Fn. 463), Rn. 3072, allerdings findet er sich in den Anträgen der Generalanwälte, etwa GA Roemer, Schlussanträge vom 6.6.1973 zu Rs. 1/73 – Slg. 1973, 723 (740) – Westzucker/Einfuhr- und Vorratsstelle für Zucker; GA Warner, Schlussanträge vom 22.6.1976 zu Rs. 7/76 – Slg. 1976, 1213 (1236 f.) – Société IRCA (Industria romana carni  e affini)/Staatliche Finanzverwaltung; GA Reischl, verb. Schlusanträge vom 6.12.1978 zu Rs. 98/78 und 99/78 – Slg. 1979, 69 (97) – A. Racke u. a./Hauptzollamt Mainz u. a.; GA Reischl, verb. Schlussanträge vom 23.9.1982 zu Rs. 108/81, 110/81 und 114/81 – Slg. 1982, 3107 (3142) – G. R. Amylum u. a./Rat der Europäischen Gemeinschaften;

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

Dabei kommt es grundlegend darauf an, ob der zugrunde liegende Sachverhalt bereits abgeschlossen ist, entscheidend ist hierbei der zeitliche Bezugspunkt: Geht man davon aus, dass Anknüpfungspunkt das Herstellen oder Inverkehrbringen eines chemischen Stoffes nach erfolgter Registrierung ist, dauert dieser Vorgang noch an. Dann würde es sich um einen Fall der unechten Rückwirkung handeln. Allerdings steht hier gerade nicht das Herstellen oder Inverkehrbringen eines chemischen Stoffes im Mittelpunkt, sondern das Einreichen eines Registrierungsdossiers als für den Tatbestand entscheidende Handlung, an die als Rechtsfolge die Registrierung durch die ECHA geknüpft ist. Maßgeblicher Tatbestand ist Art. 10 REACH-VO, der die Anforderungen an ein vollständiges Registrierungsdossier formuliert. Dieser Tatbestand ist mit der Registrierung, der Genehmigung der Tätigkeit durch die ECHA, abgeschlossen. Das Herstellen und Inverkehrbringen des Stoffes ist ein davon zu trennender, im Übrigen zeitlich dazu nachrangiger Tatbestand. Die Registrierung als öffentlich-rechtliche Anspruchsnorm gilt aber zu dem Zeitpunkt als abgeschlossen, zu dem die Anspruchsvoraussetzungen für die Registrierung erfüllt sind. Dies geschah vor der Neuregelung von Art. 10 REACH-VO, der Tatbestand der Registrierung war bereits erfüllt. Daher liegt hier ein Fall der eigentlichen Rückwirkung vor. Diese wird nicht nur im deutschen, auch im europäischen Recht als grund­ sätzlich unzulässig eingestuft vor dem Hintergrund von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit;1547 sie ist nach der Rechtsprechung dann ausnahmsweise zulässig, wenn zwingende Unionsinteressen die Rückwirkung fordern und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen angemessen berücksichtigt wird.1548 GA Slynn, Schlussanträge vom 16.3.1982 zu Rs. 84/81 – Slg. 1982, 1763 (1783) – Staple Dairy Products Limited/Intervention Board for Agricultural Produce. 1547 Heukels (Fn. 581), S. 236 ff. m. w. N. aus der umfangreichen Rechtsprechung des EuGH. 1548 EuGH, Urteil vom 15.6.1974 – Rs. 74/74 – Slg. 1975, 533 (Rn. 29/32) – Comptoir National Technique Agricole (CNTA); EuGH, Urteil vom 25.1.1979  – Rs.  98/78  – Slg. 1979, 69 (Rn. 20) – A. Racke gegen Hauptzollamt Mainz; EuGH, Urteil vom 25.1.1979 – Rs. 99/78 – Slg. 1979, 1001 (Rn. 8) – Weingut Gustav Decker/Hauptzollamt Landau; EuGH, Urteil vom 30.9.1982  – Rs.  101/81  – Slg. 1982, 3107 (Rn.  4)  – G. R. Amylum/Rat der Europäischen Gemeinschaften; EuGH, Urteil vom 12.5.1989  – Rs.  246/87  – Slg. 1989, 1151 (Rn.  16)  – Continentale Produkten-Gesellschaft Erhardt-Renken/Hauptzollamt München-West; EuGH, Urteil vom 13.11.1990 – Rs. C-331/88 – Slg. 1990, I-4023 (Rn. 45 ff.) – The Queen/Minister of Agriculture, Fisheries and Food u. a.; EuGH, Urteil vom 11.7.1991 – Rs. C-368/89 – Slg. 1991, I-3695 (Rn. 18) – Antonio Crispoltoni/Fattoria autonoma tabacchi di Città di Castello; EuGH, Urteil vom 20.11.1997 – Rs. C-244/95 – Slg. 1997, I-6441 (Rn. 77) – P. Moskof/Ethnikos Organismos Kapnou; EuGH, Urteil vom 26.3.1998 – Rs. C-324/96 – Slg. 1998, I-1333 (Rn.  51)  – Odette Nikou Petridi Anonymos Kapnemporiki/Athanasia Simou u. a.; EuGH, Urteil vom 15.7.2004 – verb. Rs. C-37/02 und C-38/02 – Slg. 2004, I-6911 (Rn. 70) – Di Le­ nardo Adriano u. a./Ministero del Commercio con l’Estero; EuGH, Urteil vom 28.11.2006 – Rs. C-413/04 – Slg. 2006, I-11221 (Rn. 75) – Parlament/Rat der Europäischen Union; EuGH, Urteil vom 11.12.2008 – Rs. C-334/07 P – Slg. 2008, I-9482 (Rn. 43 f.) – Kommission/Freistaat Sachsen. In der Literatur wird dieser Satz teilweise als „Racke-Formel“ bezeichnet, Heukels (Fn. 581), S. 240, 245 ff. Ausführlich dazu auch Altmeyer (Fn. 569), S. 103 ff.; Frenz (Fn. 463), Rn. 3069 ff.

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Die Rechtsprechung prüft also bei der Zulässigkeit einer Rücknahme kumulativ beide Voraussetzungen im Einzelfall. Hinsichtlich der Frage, ob zwingende Unionsinteressen die Rückwirkung der Norm fordern, ist nur dann eine echte Rückwirkung zulässig, wenn sie vor dem Hintergrund des angestrebten Ziels notwendig ist. Dafür muss es sich um ein zwingendes Unionsziel handeln.1549 Ein solches stellt, prominent durch seine Aufnahme in Art. 3 Abs. 3 S. 2 EUV, der Umweltschutz dar. Damit kann eine Erweiterung des Katalogs des Art. 10 REACH-VO in Verbindung mit den entsprechenden Anhängen der REACH-VO aus Gründen des Umweltschutzes dessen rück­wirkende Erweiterung grundsätzlich rechtfertigen. Ist in der konkreten Konstellation die eigentliche Rückwirkung der Änderungsnorm zulässig, wird wohl auch regelmäßig die sich daran anschließende Aufhebung der Registrierung zulässig sein, denn fehlt schutzwürdiges Vertrauen im Hinblick auf die rückwirkende Änderung, fehlt im Regelfall auch schutzwürdiges Vertrauen, das der Aufhebung des Registrierungsbeschlusses entgegensteht. Dabei steht bei der Prüfung des berechtigten Vertrauens im Mittelpunkt, ob dieses überhaupt nach den Umständen des Einzelfalls entstehen konnte; dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn die Betroffenen mit einer entsprechenden Regelung rechnen mussten, die Rechtslage unklar oder verworren war oder sich eine neue Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und rückwirkend eine Korrektur erfolgt.1550 Im Rahmen einer derartigen Konstellation beim Vollzug der REACH-VO muss somit eine Prüfung des Einzelfalls stattfinden.1551 (2) Nichtigkeitserklärung der Norm aus Art. 264 Abs. 1 AEUV Eine andere Konstellation liegt vor, wenn eine der Informationsanforderungen in Bezug auf das Registrierungsdossier, die Art. 10 REACH-VO normiert, nach Art.  264 Abs.  1 AEUV für nichtig erklärt wird. Das Urteil ist rechtsgestaltend, die Norm wird ex tunc und erga omnes beseitigt.1552 Wird eine Norm für nichtig erklärt, ist der betreffende Rechtsakt rückwirkend ohne Geltungskraft, er ist als

1549 Frenz (Fn. 463), Rn. 3069. Anerkannt wurde etwa die Vermeidung von Marktstörung in Bezug auf das agrarmonetäre System, EuGH, Urteil vom 12.5.1989 – Rs. 246/87 – Slg. 1989, 1151 (Rn. 16) – Continentale Produkten-Gesellschaft Erhardt-Renken/Hauptzollamt MünchenWest; EuGH, Urteil vom 20.11.1997 – Rs. C-244/95 – Slg. 1997, I-6441 (Rn. 77) – P. Moskof/ Ethnikos Organismos Kapnou. 1550 Frenz (Fn.  463), Rn.  3069; Heukels (Fn.  581), S.  275 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S.  419  Fn. 53. Vgl. auch EuGH, Urteil vom 13.11.1990  – Rs. C-331/88 – Slg. 1990, I-4023 (Rn. 45 ff.) – The Queen/Minister of Agriculture, Fisheries and Food u. a. 1551 In Bezug auf das anzuwendende Verfahren dürfte dann das in Fallgruppe 2 skizzierte einstufige Rücknahmeverfahren Anwendung finden, siehe S. 341 ff. 1552 Oppermann/Classen/Nettesheim (Fn. 244), § 13 Rn. 53; Schwarze (Fn. 233), S. 986.

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

„ungeschrieben anzusehen“1553. Dies hat auch Folgen für die sich auf diesen Rechtsakt stützenden weiteren Beschlüsse, die Registrierungsbeschlüsse: Für eingereichte und als complete (und in compliance)  bewertete Registrierungsdossiers wären die Folgen wenig gravierend – nach wie vor erfüllen sie quantitativ wie qualitativ die von REACH gestellten Anforderungen. Beschlüsse zur Ablehnung von Registrierungsdossiers nach Art.  20 Abs.  2 UAbs.  4 S.  1 REACH-VO hingegen, die aufgrund des Fehlens dieser Information wegen Unvollständigkeit zurückgewiesen wurden, können damit grundsätzlich ex tunc aufgehoben werden. Denn diese Information ist nun nicht mehr Bestandteil des Forderungskataloges nach Art.  10 REACH-VO. Bei der Ablehnung einer Registrierung wegen Unvollständigkeit nach Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO handelt es sich um einen belastenden Beschluss. Nach Art. 266 Abs. 1 AEUV unterliegt die ECHA allerdings der Pflicht, diesen aufzuheben. Dies dürfte noch nicht automatisch bedeuten, dass auch gleichzeitig – ohne eine weitere Willenskundgebung seitens des Betroffenen  – eine Registrierung erfolgen kann, das ursprünglich rechtswidrig beendete Verfahren erneut begonnen und zu einem (erfolgreichen) Abschluss geführt werden kann; beim Registrierungsverfahren handelt es sich um ein an einen Antrag geknüpftes Verfahren.1554 Jedenfalls die einbehaltene Registrierungsgebühr ist allerdings dann zurück zu erstatten, da ihre Einbehaltung darauf beruhte, dass das Registrierungsdossier unvollständig gewesen war  – unvollständig aufgrund einer Norm, die ex tunc nicht mehr existiert. Damit wird man die Registrierung zwar nicht nachträglich als gegeben bewerten können, allerdings dürfen dem Betroffenen daraus auch keinerlei Nachteile erwachsen.1555 Im Fall der Rücknahme einer Registrierung, die als dauerhaft defizitär galt, wobei diese Qualifikation gerade auf den Anforderungen der aufgehobenen Norm beruhte, wird, um den Zustand wiederherzustellen, der vorliegen würde, wenn diese Norm nie existiert hätte, die Rücknahme aufgehoben werden müssen. Um den status quo ante wiederherzustellen, wird dann auch die Registrierung wieder Gültigkeit beanspruchen müssen.1556

1553 EuGH, Urteil vom 31.3.1971 – Rs. 22/70 – Slg. 1971, 263 (279) – Kommission/Rat der Europäischen Gemeinschaften. 1554 Siehe S. 76 f. 1555 Dies wird sich bei einer erneuten Registrierung ggf. durch eine Verrechnung der Registrierungsgebühr lösen lassen. Sollte dann keine Registrierung mehr erfolgen, muss eine Rückerstattung der Gebühr durch die ECHA erfolgen. 1556 In diesem Fall dürfte der Grundsatz, dass die ECHA ein Registrierungsverfahren nur einleiten kann, wenn entsprechender Antrag gestellt wurde, einzuschränken sein, siehe S. 76 f. Denn dieser Antrag wurde gestellt und die erfolgte Registrierung – mutmaßlich gegen den Willen des Registranten – zurückgenommen. Insofern lag mit dem Antrag auch eine entsprechende Willensbekundung vor – sollte sich nicht ein entgegenstehender Wille des Registranten manifestieren oder manifestiert haben, erfährt die Registrierung wieder Gültigkeit.

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cc) Widerruf aufgrund nachträglicher Änderung der Sachlage Weiterhin kann es an schutzwürdigem Vertrauen fehlen im Rahmen der Fall­ konstellation eines Widerrufs wegen einer nachträglichen Änderung der Sachlage.1557 So ist es dem Eigenverwaltungsrecht nicht fremd, den Widerruf eines ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsakts zu gestatten, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse eines für den Erlass des Ausgangsbescheides wichtigen Punkts verändert haben. In diesem Zusammenhang muss allerdings differenziert werden zwischen einer geänderten Sachlage oder einer geänderten Beurteilung der Fakten.1558 So könnte sich später herausstellen, dass ein Stoff einen Flammpunkt knapp unter 200 °C hat  – Registrant wie Behörde sind allerdings davon ausgegangen, dass der Flammpunkt höher liegt, mithin nach Anhang VII Nr. 7.9. Spalte 1 REACH-VO in Verbindung mit Spalte 2 3. Var. REACH-VO kein Flammpunkt angegeben werden muss. Dieser fehlt im Registrierungsdossier, es ist mithin unvollständig und der darauf basierende Registrierungsbeschluss kann Opfer eines Rücknahmebeschlusses werden. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Änderung der nachträglichen Sachlage. Die Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses der Registrierung ist dieselbe, der Stoff hat nach wie vor dieselben Eigenschaften. Vielmehr liegt eine geänderte wissenschaftliche Bewertung der Fakten vor. Damit handelt es sich in dieser Konstellation nicht um den Fall eines Widerrufes wegen nachträglicher Änderung der Sachlage. Es werden bereits entstandene Tatsachen neu beurteilt.1559 Vor dem Hintergrund, dass das Registrierungsdossier qualitativ defizitär war, liegt eine rechtswidrige Registrierung vor, die nach den oben dargestellten Grundsätzen1560 zurückgenommen werden kann.1561 Für die Fallkonstellation der Änderung der Sachlage hingegen hält die REACHVO bereits Normen vor, etwa Art.  22 Abs.  1 lit.  a)  bzw.  c)  REACH-VO, wenn sich die Identität des Registranten ändert oder die Menge des hergestellten oder importierten Stoffes. Damit soll in diesen Fällen gerade nicht eine Anpassung der Registrierung an die tatsächlichen Verhältnisse durch Widerruf (und gegebenenfalls neue Registrierung), sondern durch Ergänzung des Registrierungsdossiers er­ folgen.1562 Dies wird also kaum eine Aufhebung der Registrierung rechtfertigen. 1557

Dieser Fall ist vergleichbar mit § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 (L)VwVfG. Schwarze (Fn. 233), S. 991. 1559 Schwarze (Fn. 233), S. 991. 1560 Dazu Fallgruppe 1, siehe S. 267 ff. 1561 Vor diesem Hintergrund wohl auch die Regelung des Art.  61 Abs.  2 lit a), Abs.  3 S.  1 REACH-VO zur Überprüfung und zur Rücknahme von Zulassungen. 1562 So auch für den Bereich der Zulassung: Hier kann, wenn ein Ersatzstoff vorliegt, der zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht bekannt war, nach Art. 61 Abs. 2 lit b) REACH-VO, Abs. 3 S. 1 REACH-VO zwar auch die Zulassung widerrufen werden: Vorrangig wird der Zulassungsinhaber sich insoweit an die veränderten Verhältnisse anpassen müssen, dass er einen Substitutionsplan erstellen muss nach Art. 61 Abs. 3 S. 2 REACH-VO. Auch hier gilt im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (dieser ist ausdrücklich in Art. 61 Abs. 3 S. 1 REACH-VO erwähnt): „Anpassung vor Aufhebung“. 1558

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Kap. 4: Vorgaben des europäischen Verwaltungsrechts 

c) Ergebnisse und Schlussfolgerungen für den Widerruf einer rechtmäßigen Registrierung Betrachtet man nun diese Rechtsprechung insgesamt, lassen sich daraus folgende Ergebnisse ableiten: Ein rechtmäßiger Registrierungsbeschluss kann grundsätzlich nicht wider­rufen werden. Vertrauensschutz und Rechtssicherheit stehen mit der Rechtmäßigkeit des Beschlusses im Einklang und bilden eine wirksame Barriere gegenüber einem eventuellen Interesse der ECHA am Widerruf der Registrierung. Eine Ausnahme kann lediglich bei Vorliegen eines besonderen Widerrufs­ grundes gelten, mithin in Fällen, in denen trotz der Rechtmäßigkeit des Beschlusses ein Widerruf möglich ist, bei denen der Betroffene ausnahmsweise kein schützenswertes Vertrauen auf Bestand und Erhalt des Beschlusses haben kann. Dies kann bei Einfügung eines Widerrufsvorbehalts in den Registrierungsbeschluss oder bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage der Fall sein. Allerdings werden entsprechende Konstellationen wohl im Vollzug von REACH durch die ECHA die Ausnahme bleiben. Dennoch bietet auch hier das allgemeine Eigenverwaltungsrecht eine taugliche und sachgerechte Grundlage, um die Herausforderungen im Rahmen des direkten Vollzugs der REACH-VO zu meistern.

IV. Zusammenfassung Auf Ebene des konkreten Normvollzugs lässt sich festhalten, dass die Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen möglich ist. Diese Aufhebungsmöglichkeit ergibt sich aus einer Auslegung der REACH-VO, wobei umgekehrt auch zu konstatieren ist, dass diese selbst keine Aufhebungsbefugnis für die ECHA vorhält. Diese Lücke kann durch die Anwendung der ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts zur Aufhebung von Beschlüssen geschlossen werden. Dies gelingt insofern vollständig, als dass dort Regelungen für die Rücknahme von Beschlüssen, die auf defizitären Angaben beruhen, für die Rücknahme von Beschlüssen, die auf sonstigen formellen oder materiellen Fehlern beruhen, wie auch für den Widerruf von Beschlüssen vorgehalten werden. Diese normieren jeweils das „Ob“ sowie das „Wie“ einer Aufhebung, sie stellen konkrete Tatbestandsanforderungen und Rechtsfolgeregelungen wie auch Vorschriften zur Beweislast bereit. Das Aufhebungsverfahren lässt sich ebenfalls auf eine vollzugsfähige Grundlage stellen und in die Systematik der ­REACH-VO­ einpassen. Es bestätigt sich somit das Ergebnis, dass das Eigenverwaltungsrecht auch für den Bereich der Aufhebung Regelungen vorhält, die einen reibungslosen Vollzug der REACH-VO garantieren können. Doch auch eine umgekehrte Aussage bewahrheitet sich: Die REACH-VO weist für den Bereich der Aufhebung Lücken

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auf; auch in diesem Bereich ist sie – betrachtet man sie für sich alleine – nicht vollzugsfähig und bedarf der Ergänzung: Das Problem der Aufhebung einer Registrierung lässt sich nicht alleine mit dem Normbestand der REACH-VO lösen. Zieht man hingegen Eigenverwaltungsrecht, genauer: die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts, ergänzend heran, können diese Lücken geschlossen werden. Gleichzeitig wird die REACH-VO dafür sorgen, dass umgekehrt Lücken im Eigenverwaltungsrecht – im Bereich der Rücknahme ex nunc – identifiziert und geschlossen werden können. Das Zusammenspiel von REACH-VO und Eigenverwaltungsrecht ist in beide Richtungen befruchtend und kann und wird beiden Rechtsmaterien nützen.

Zusammenfassung und Ausblick auf eine mögliche Kodifizierung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts Im Fokus dieser Arbeit steht das Registrierungsverfahren nach Titel II der REACH-VO. Dieses wurde zunächst als Element einer europäischen Chemikalienregulierung1563 wie auch vor der Folie des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts betrachtet.1564 Es wurde herausgearbeitet, dass das Registrierungsverfahren eine Besonderheit darstellt, als es an ergänzenden Vorschriften über das Verfahren im Normtext der REACH-VO fehlt.1565 Insofern findet sich hier quasi ein „weißes Blatt“, auf dem sich die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Eigenverwaltungsrechts abgebildet finden. Welche zusätzlichen Anforderungen sich für alle Beteiligten im Registrierungsverfahren aus ihnen ergeben, wurde im Hinblick auf den grundsätzlichen Rechtsrahmen des Eigenverwaltungsrechts,1566 in Bezug auf den Anspruch auf rechtliches Gehör,1567 das Recht auf Akteneinsicht,1568 die Begründungspflicht,1569 die Wahl der richtigen Sprache1570 sowie die Problematik der Aufhebung eines Registrierungsbeschlusses1571 untersucht. Dabei erweisen sich insbesondere die Rechtsgrundsätze in Bezug auf den Anspruch auf rechtliches Gehör, das Recht auf Akteneinsicht und die Begründungspflicht als detailliert ausgestaltet. Sie formulieren zusätzliche Anforderungen, die sich leicht an die speziellen Gegebenheiten des Registrierungsverfahrens anpassen lassen und damit mit hoher Rechtssicherheit im konkreten Vollzug Anwendung finden und auch Anwendung finden müssen. Registrant und ECHA wird dabei ein sicherer Handlungsboden geboten. Die Furt – um das Bild aus der Einleitung nochmals aufzugreifen – ist deutlich erkenn- und durchschreitbar. Doch so scharf – und positiv – das Bild prima facie erscheint, im Detail konnten Schwächen aufgezeigt werden: Insbesondere fehlt es im Rahmen der rechtlichen Inexistenz von Registrierungsbeschlüssen an entsprechenden Vorgaben aus dem Eigenverwaltungsrecht. Die 1563

Siehe S. 29 ff. Siehe S. 150 ff. 1565 Siehe S. 113 ff. 1566 Siehe S. 152 ff. 1567 Siehe S. 175 ff. 1568 Siehe S. 195 ff. 1569 Siehe S. 213 ff. 1570 Siehe S. 229 ff. 1571 Siehe S. 238 ff. 1564

Zusammenfassung und Ausblick

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Formel, der Beschluss müsse an besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehlern leiden, erweist sich als kaum mit Inhalt gefüllt. Vor dem Hintergrund der durchschlagenden Wirkung der rechtlichen Inexistenz eines Registrierungsbeschlusses mangelt es hier an klaren Konturen, gerade in Bezug auf die Frage, wann ein Fehler „besonders schwerwiegend“ ist.1572 Im Hinblick auf die Wahl der richtigen Sprache verstößt die aktuelle Praxis der ECHA regelmäßig gegen die Vorgaben der Sprachenverordnung. Dies hat allerdings im Regelfall nicht die Rechtswidrigkeit des Beschlusses zur Folge, sondern wirkt sich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe aus. Die Zeitspanne zwischen Eintreffen des Beschlusses und Fiktion des Zugangs wird von der Rechtsprechung lediglich in einem groben Rahmen angegeben. Die entsprechende Fristbestimmung hat aber insofern auch Folgen, als dass mit der Fiktion des Zugangs nicht nur die Fristen des Art.  20, 21 REACH-VO bzw. die von der ECHA im Nachbesserungsverfahren gesetzten Fristen, sondern auch die Fristen für den Widerspruch nach Art. 92 Abs. 2 REACH-VO bzw. der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 6 AEUV zu laufen beginnen. Dem Adressaten eines solchen Registrierungsbeschlusses liegt also durchaus daran, die entsprechende Zeitspanne im Vorhinein genau und transparent bestimmen zu können, um so gegebenenfalls sein Recht zulässigerweise einklagen zu können.1573 Eine weitere – bislang kaum beachtete – Lücke im Eigenverwaltungsrecht hat sich im Bereich der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen aufgetan. Nach der Rechtsprechungsänderung des EuGH in der Rechtssache Alpha Steel bleiben die Anforderungen an die Rücknahme eines rechtswidrigen Beschlusses  – dessen Rechtswidrigkeit nicht auf defizitären Angaben im Registrierungsdossier, sondern auf (sonstigen) formellen oder materiellen Fehlern beruht – ex nunc unklar: In­wiefern diese Rechtsprechungsänderung, die sich auf die Rücknahme von Beschlüssen ex tunc bezieht, Folgen für die Rücknahme ex nunc hat, wurde bislang weder von Rechtsprechung noch Literatur diskutiert. Zwar kann diese Lücke im Eigenverwaltungsrecht auf dem Boden der bisherigen Regelungen  – diese weiterentwickelnd – geschlossen werden.1574 Allerdings bleibt dennoch hier ein gerütteltes Maß an Rechtsunsicherheit. Denn auch die in dieser Arbeit für dieses Problem entwickelte Lösung der Rücknahme innerhalb einer angemessenen Frist trägt gleichzeitig das Problem mit sich, dass auch im Rahmen einer Rücknahme ex tunc, wo diese regelmäßig Tatbestandsanforderung ist, die Fristlänge nie genauer bestimmt wurde.1575 Pointiert lässt sich dies folgendermaßen darstellen: Die ECHA kann entsprechende Beschlüsse zwar aufheben; welche Tatbestandsvoraussetzungen dafür vorliegen müssen, ist allerdings unklar, und wie diese Vor-

1572

Siehe S. 154 ff. Siehe S. 235 ff. 1574 Siehe S. 319 ff. 1575 Siehe S. 333 ff. 1573

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aussetzungen erfüllt werden müssen, ebenfalls. Einen vollzugstauglichen Rechtsrahmen stellt dies nicht dar. Sind nun die Defizite aufgezeigt und – im Rahmen dieser Arbeit – geschlossen worden, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, wie diese neu gewonnenen Erkenntnisse für den Vollzug der REACH-VO in der Praxis nutzbar gemacht werden können: Es hat sich gezeigt, dass das ungeschriebene allgemeine Eigenverwaltungsrecht durchaus eine taugliche Furt für den Rechtsverkehr zur Durchschreitung der „Flut der Rechtsunsicherheit“ bieten kann, wiewohl sie einige Untiefen aufweist. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es sich in der aktuellen Rechtslage lediglich um eine Furt handelt: Sie bedarf kundiger Führer, um durchschritten zu werden: So muss gegebenenfalls eine Vielzahl von Urteilen der europäischen Gerichte wie von Sekundärrechtsakten und wissenschaftlichen Abhandlungen bekannt sein, um vollzugstauglich mit den ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts durch die Furt führen zu können, den Anforderungen des europäischen allgemeinen Eigenverwaltungsrechts zu genügen. Ein rechtlich ungeschulter Wirtschaftsteilnehmer, der nicht auf entsprechende fachkundige Hilfe zurückgreifen kann, wird hingegen Gefahr laufen, selbst und mit seinem Unternehmen unterzugehen. Abhilfe lässt sich hier nach deutschem Verständnis primär durch eine Positivierung dieser Regelungen schaffen. Sie können eine Brücke darstellen, auf welcher auch der rechtliche Laie die Rechtsunsicherheit beim Vollzug der REACH-VO überwinden kann: In Rede steht hierbei die Möglichkeit einer Gesamtkodifikation des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts oder eine Einfügung eines entsprechenden Teils im Rahmen der ­REACH-VO, um auf diese Weise unmittelbar justiziable Regelungen zu schaffen. Schließlich könnte ein Guidance oder ein Kodex neu entstehen oder erweitert werden, der diese Regelungen aufnimmt: Die politisch wie wissenschaftlich weitreichendste der dargestellten Lösungen stellt mit Sicherheit die Schaffung einer Gesamtkodifikation des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts dar.1576 Generell zeigt sich dieses als stabile und vollzugstaugliche Plattform und hat in vielen Bereichen Kodifikationsreife erreicht.1577 Zwar bringt die Kodifizierung eines allgemeinen Eigenverwaltungsrechts einen Gewinn an Rechtssicherheit und Transparenz mit sich,1578 allerdings kann auf 1576 Dieser Entwicklungsgang ist dem europäischen Recht nicht fremd. So hat sich im Zollrecht ein Bestand von gesicherten Regelungen etabliert, die praktisch relevant und anerkannt waren. Die über 50 Rechtsakte wurden dann in einem Gesetz zusammengefasst, was die Handhabung stark erleichtert, Hatje (Fn. 242), S. 427. 1577 Etwa von Danwitz (Fn. 24), S. 447, 466; Glaser (Fn. 234), S. 629 ff. 1578 So z. B. Mader (Fn. 620), S. 437 m. w. N. und auch unter der Nennung von Argumenten gegen eine entsprechende Kodifizierung, S. 438 ff. (allerdings bezogen jeweils auf die Verteidigungsrechte, bei denen im Rahmen dieser Untersuchung kaum Lücken gesehen werden, welche durch eine Kodifizierung geschlossen werden könnten); Nehl (Fn. 820), S. 227 f., 485. Im Hinblick auf die Kompetenz zur Kodifizierung Kahl (Fn. 248), 865 (869); U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 306), EUR Rn. 157. Zum Vorhaben einer Kodifikation europäischen Ver-

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diese Weise kaum eine individuelle Anpassung für die Bedürfnisse des Registrierungsverfahrens nach Titel II der REACH-VO erfolgen. Denn es muss bei einem entsprechenden Rechtssetzungsverfahren zweistufig vorgegangen werden: Zunächst müssen die allgemeinen Rechtsgrundsätze herausgearbeitet werden. Ist damit das allgemeine Eigenverwaltungsrecht positiviert, muss jeweils geprüft werden, inwiefern es direkt auf den Vollzug des Registrierungsverfahrens nach der REACH-VO Anwendung finden kann oder gegebenenfalls an die Spezifika der REACH-VO angepasst werden. Insofern muss erst eine allgemeine Kodifizierung erfolgen – deren Fertigstellung wohl mit einem ähnlichen Zeitaufwand wie die Erstellung der REACH-VO behaftet und von ähnlich kontroversen Diskussionen begleitet sein wird.1579 Erst wenn diese beendet ist, kann darauf aufbauend eine Modifikation dieser Regelungen für die REACH-VO erfolgen. Insofern sollte das Projekt einer Kodifizierung des allgemeinen Eigenverwaltungsrechts nicht aus den Augen verloren werden, kann allerdings das unmittelbare Problem der Anwender der REACH-VO nicht auf absehbare Zeit lösen. Deutlich schneller könnte die Schaffung oder Erweiterung eines Guidance oder eines Kodex erfolgen. So könnte man etwa den Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA ergänzen, alternativ auch den „Guidance on Registration“ erweitern. Dies wäre jedenfalls ein deutlich schnelleres Vorgehen, ob es allerdings abseits der Geschwindigkeit zielführend ist, sei dahingestellt: Denn der Kodex für gute Verwaltungspraxis der ECHA soll nach der Anlage der Kodizes für gute Verwaltungspraxis gerade keine Rechtsverbindlichkeit und Außenwirkung entfalten, sondern als nicht rechtliches Steuerungsinstrument die Kultur der Verwaltung intern ändern.1580 Die Einführung von Elementen, die justiziabel sind und sein sollen, würde damit nicht der Anlage des Kodex entsprechen. Schließlich ist der Kodex nicht als Ganzes justiziabel, sondern lediglich einzelne Regelungen, die bereits vorher als justiziabel anerkannt wurden.1581 Dies bedeutet aber auch, dass gerade die oben skizzierten Weiterentwicklungen der geltenden Grundsätze nicht gerichtlich überprüft werden können.

fahrensrechts umfassend Chiti (Fn. 694), S. 472 f.; von Danwitz (Fn. 24), S. 447, 466; Koch (Fn. 545), S. 590 ff. Guckelberger/Geber (Fn. 251), S. 85 ff. Durch eine solche Kodifizierung ließen sich auch die durch Hegels (Fn. 234), S. 151, identifizierten Abstimmungsprobleme zwischen Rechtsetzung und Rechtsprechung klären. 1579 So bezeichnet dieses Vorhaben z. B. Kahl (Fn. 798), 602 (608), schlicht als unrealistisch. Allerdings lassen sich aktuell entsprechende Bestrebungen beobachten: So forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, ihm einen Vorschlag für eine Verordnung für ein Verwaltungsverfahrensrecht der Europäischen Union zu unterbreiten, Europäische Parlament (Fn. 796). Dabei sollen die Kernstücke des europäischen Verwaltungsrechts enthalten sein, das Recht auf Anhörung, Bearbeitungsfristen, Form, Begründung, Zustellung, Überprüfung und Berichtigung von Verwaltungsentscheidungen sowie die Angaben zu Rechtsbehelfen. Umfassend zu diesem Vorhaben Guckelberger/Geber (Fn. 251), S. 181 ff. 1580 Siehe S. 117 ff. 1581 Siehe S. 121 ff.

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Eine Anpassung des „Guidance on Registration“ oder die Schaffung eines neuen Guidance genießt zwar ebenfalls den Vorteil der Schnelligkeit. Allerdings lässt sich auch hier eine Außenwirkung nur indirekt erreichen, über die Selbstbindung der Verwaltung an den Guidance. Diese indirekte Rechtswirkung erscheint aber gerade im Bereich der für die Registranten besonders wichtigen Verteidigungsrechte unbefriedigend. Außerdem leidet bereits jetzt durch die Vielzahl von ergänzenden Regelwerken zur REACH-VO die (Rechts)Übersicht.1582 Insofern ist es kaum zielführend, diese Regelungen in ergänzenden Regelwerken zu normieren. Sie müssen prominent im Normtext der REACH-VO selbst verankert werden, mithin schnell und leicht auffindbar sein. Einen sinnvollen Weg stellt eine Änderung der REACH-VO, die Einfügung eines Kapitels 3 in „Titel I: Allgemeines“ dar.1583 Hier sollten Verfahrensregeln zusammengefasst aufgeführt werden. Auf diese Weise kann der Transparenz genüge getan werden, gleichzeitig aber bleibt die Schaffung der Kodifikation in zeitlicher Hinsicht überschaubar. In dieses Kapitel 3 „Allgemeine Verfahrensregelungen“ könnte dann auch z. B. Art.  130 REACH-VO, welcher die Begründung von Beschlüssen der ECHA normiert, eingefügt werden, der aktuell systematisch missglückt unter „Titel XV: Übergangs- und Schlussbestimmungen“ aufgeführt ist.1584 Im Rahmen dieses Abschnitts könnten dann auch Beispiele für die rechtliche Inexistenz von Beschlüssen, Fiktionsfristen im Hinblick auf die Bekanntgabe (wobei hier der ECHA zu wünschen ist, eher ihre aktuelle Veröffentlichungs­politik zu ändern als sie auf diese Weise noch zu unterstützen) sowie Regelungen zur Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen normiert werden. Diese Modifikation der REACH-VO bedeutet zwar nicht den ganz großen Wurf im allgemeinen Eigenverwaltungsrecht im Sinne einer umfassenden Kodifizierung, allerdings könnte bei einem systematischen Vorgehen dennoch eine entsprechende Vorlage geschaffen werden – und die REACH-VO würde ihre Bedeutung als Referenzgebiet im europäischen Verwaltungsrecht1585 weiter ausbauen. Sie kann als Vorbild für die Schaffung eines allgemeinen systematischen Eigenverwaltungsrechts dienen und somit das europäische Verwaltungsrechtssystem stringenter machen und näher zusammenwachsen lassen. Auf diese Weise kann der Bau des Europäischen Hauses weiter voranschreiten. Geschieht dies, ist das Zitat von 1582 Pawlik (Fn. 218), S. 86, identifiziert „234 Seiten, ohne die Anhänge mitzuzählen, und insgesamt etwa 5000 Seiten ‚offiziellem Text‘ zu dieser Verordnung“. 1583 Eine grundsätzlich vorstellbare Alternative zu der Einfügung eines neuen Kapitels in Titel I der REACH-VO wäre eine Auflistung von Verfahrensregelungen jeweils angefügt an das entsprechende Verwaltungsverfahren. Dies würde aber insofern zu einer Normaufblähung führen, als dass sich Regelungen immer wiederholen würden oder zumindest Verweisungsregelungen geschaffen werden müssten. 1584 Ähnliches gilt für Art. 104 REACH-VO zur Sprachenwahl der ECHA, der sich – immerhin grundsätzlich systematisch passend –, in „Titel X: Die Agentur“ befindet. 1585 So bereits jetzt die Charakterisierung etwa bei Weidemann (Fn. 23), 232 (232); ebenso Weidemann, in: Hendler/Marburger/Reiff u. a. (Fn. 23), 203 (204).

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Angela Merkel, „Europa ist viel mehr als Milchkühe und die Chemikalienrichtlinie“1586 überholt – die REACH-VO bildet nicht nur einen kleinen Teil des europäischen Rechts, einen kleinen Teil von Europa, sondern bedeutet dann auch das Fundament zu einem einigen, zusammengewachsenen europäischen Turm des Rechts der Europäischen Union.

1586

http://www.eu2007.de/de/News/Speeches_Interviews/March/0325BKBerliner.html (1.5.2014).

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Sachverzeichnis Abfall und REACH  44 Akteneinsichtsrecht 195–213 –– beschränktes 201–202 –– Fehlerheilung im Registrierungsverfahren 213 –– im Sekundärrecht  196 –– Notwendigkeit im Registrierungsverfahren 197–198 –– Registrierungsakte 198–199 –– Umfang im Antidumpingrecht  202 –– Umfang im Beamtenrecht  204 –– Umfang im Fusionskontrollrecht  204 –– Umfang im Kartellrecht  204 –– Umfang im Registrierungsverfahren  205–206 –– verfahrensakzessorisches Akteneinsichtsrecht 196 –– verfahrenskonstitutives Akteneinsichtsrecht  195 –– Verletzung im Antidumpingrecht  210 –– Verletzung im Beamtenrecht  211 –– Verletzung im Fusionskontrollrecht  210 –– Verletzung im Registrierungsverfahren  212 –– Verletzung im Wettbewerbsrecht  207–209 –– vollumfängliches 202–204 –– zeitlicher Umfang  200–202 allgemein rechtswidriger Registrierungsbeschluss –– Fristbeginn 333 –– Fristdauer 333–339 –– Rechtsfolge 340 –– Rechtsgrundsatz der Rücknahme  308–312 –– Rücknahmeermessen 339–341 –– Tatbestand der Rücknahme  304–339 –– Verfahren 341–342 –– zeitliche Dimension der Rücknahme  309 allgemeine Rechtsgrundsätze  144–147 –– Entwicklung 144 –– Inhalt 145 –– Normenhierarchie 146

allgemeines Eigenverwaltungsrecht –– Akteneinsichtsrecht 195–213 –– Anhörungsrecht 175 –– Aufhebung von Beschlüssen  238–355 –– Bestandskraft 166 –– Gesetzmäßigkeitsprinzip 139–140 –– Gleichheitssatz 142 –– im Sekundärrecht  143 –– Inexistenz 154–166 –– Kodifizierung 358–359 –– Normdichte 27 –– Primärrechtsgrundsätze 127–143 –– Recht auf gute Verwaltung  127–128 –– Rechtsinstitute 27 –– Rechtssicherheitsgrundsatz 134–138 –– Rücknahme von Beschlüssen  238–337 –– Unbeachtlichkeit von Fehlern  168–174 –– ungeschriebene Rechtsgrundsätze  144–147 –– Verhältnismäßigkeitsprinzip 129–134 –– Verhältnis zum besonderen Verwaltungsrecht 148 –– Vertrauensschutz 134–138 –– Wahl der richtigen Sprache  229–238 –– Wirksamkeit 152–154 Altstoffregulierung 32–33 Anhörungsrecht 175–195 –– Ausgestaltung 185–188 –– bei gebundenen Entscheidungen  185 –– Entstehung 178 –– Fehlerheilung im Gerichtsverfahren  191–193 –– Fehlerheilung im Verwaltungsverfahren  190 –– Fehlerheilung im Widerspruchsverfahren  190 –– im Eigenverwaltungsrecht  179 –– Informationsnachforderung 181 –– Nachteiligkeit 181 –– normative Betroffenheit  180 –– Notwendigkeit im Registrierungsverfahren  177–185

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Sachverzeichnis

–– Rechtsfolgen bei Fehlern  189–194 –– unwesentliche Belastung des Betroffenen  183 Anwendungsbereich der REACH-VO  42–45 –– persönlicher 45 –– sachlicher 43 –– zeitlicher 44 Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen  238–355 –– § 27b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ChemG als Rechtsgrundlage 246 –– Änderung der Rechtslage  348–352 –– Änderung der Sachlage  353 –– Anwendbarkeit allgemeiner Rechtsgrundsätze 251–265 –– Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO als Rechtsgrundlage  241 –– Art. 20 Abs. 2 UAbs. 4 S. 1 REACH-VO analog als Rechtsgrundlage  242–245 –– bei unzureichenen Angaben im Registrierungsdossier 267–308 –– Compliance Check als Aufhebungsnorm  241–242 –– Folgen der Rücknahme  287–300 –– Fristbeginn 333 –– Fristdauer 334–339 –– Kompetenz der ECHA  247–266 –– nationales Recht als Rechtsgrundlage  247–248 –– Nichtigkeitserklärung 351–352 –– Ökonomische Theorie der Kriminalität  263 –– Rechtsfolge  239, 340 –– Rechtsgrundlage aus ungeschriebenem allgemeinen Eigenverwaltungsrecht  248–266 –– Rechtsgrundlage bei unzureichenden Registrierungsdossiers 271–273 –– Rolle der ECHA  247–266 –– Rücknahme 238–342 –– Rücknahmeermessen  280–286, 300–303, 340–341 –– Rückwirkung 348–351 –– Sanktionierung nach § 27b Abs. 1 Nr. 1 ChemG 290–297 –– Sanktionierung nach § 27b Abs. 1 Nr. 2 ChemG 290 –– Schutzklausel als Rechtsgrundlage 246– 247 –– strafrechtliche Folgen  289–297

–– Tatbestand bei unzureichenden Registrierungsdossiers 274–280 –– Terminologie im europäischen Recht  250 –– Unwiderrufbarkeit 343–345 –– Verfahren  304–307, 341–342 –– Verschulden bei REACH  278–280 –– Verschulden im Sekundärrecht  277–278 –– Verschulden in der Rechtsprechung  275– 277 –– Verwaltungsaktsakzessorität 290–296 –– Widerruf 343–354 –– Widerrufsvorbehalt 346–348 –– zeitliche Dimension der Rücknahme  287–300, 309 –– zivilrechtliche Folgen  298–300 Begründungspflicht 213–229 –– der ECHA  220–222 –– Heilung einer fehlenden Begründung  225–226 –– Heilung einer fehlerhaften Begründung  224–228 –– Heilung einer unzureichenden Begründung 226–228 –– Hintergrund 213–216 –– im Kodex für gute Verwaltungspraxis  119, 213 –– im Primärrecht  213 –– Inhalt und Umfang  217–222 –– nachträgliche Änderung der Begründung  223–224 –– Recht auf gute Verwaltung  213 Beschränkung 54 Beweislast 46, 54, 98, 172, 207, 211, 339, 354 Bewertung 49–51 Chemikalien –– Auswirkungen 23 –– Wissensdefizit 23 Chemikalienrecht –– Altstoffregulierung vor Erlass der ­REACHVO 32–33 –– Beschränkungsregime vor Erlass der REACH-VO 33–34 –– Defizite 32–33 –– Neustoffregulierung vor Erlass der REACH-VO 33

Sachverzeichnis –– Referenzgebiet  27, 360 –– vor Erlass der REACH-VO  31–32 Completeness Check –– Inhalt 80 –– Prüfungsumfang 87 –– Rechtsfolgen 80 Compliance Check –– Abgrenzung zum completeness check  91–96 –– Qualitativer Umfang  89–91 –– Verfahren 91 dauerhaft qualitativ defizitäres Registrierungsdossier –– Aufhebung 270–308 –– Folgen der Rücknahme  287–300 –– Konstellation 267–269 –– Reichweite des allgemeinen Rücknahmegrundsatzes 270–280 –– Rücknahmeermessen  280–286, 300–303 –– Verfahren 304–307 –– zeitliche Dimension der Rücknahme  287–300 dauerhaft quantitativ defizitäres Registrierungsdossier –– Konstellation 267–269 ECHA –– Aufbau 59 –– Aufgaben 58 –– Ausschuss der Mitgliedstaaten  59–60, 66 –– Ausschuss für Risikobewertung  59 –– Ausschuss für sozioökonomische Fragen  59 –– Begründungspflicht 222 –– Komitologieverfahren 59–60 –– Meroni-Doktrin 60 –– Regulierungsagentur 57 –– Rolle bei Mehrheit von Registranten  87 –– Rolle im REACH-Verbund  66 –– Rolle im Registrierungsverfahren  67 –– Sprache im Registrierungsverfahren  233 Freier Warenverkehr  41–42 Gesetzmäßigkeitsprinzip –– bei Aufhebung von Beschlüssen  250

397

–– bei Widerruf von Beschlüssen  343 –– Inhalt 139–140 Gleichheitssatz  124, 140–142, 300 –– bei Guidances  117–118 Guidances der ECHA  118 –– Kodifizierung des Verfahrensrechts  359– 360 –– Rechtswirkung 117 Helpdesks  55, 245, 341 hohes Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt 39–40 –– Bedeutung im Registrierungsverfahren  258–259 Inexistenz eines Beschlusses  154–166 –– besondere Schwere des Fehlers  157–163 –– einzelner Verfahrens- oder Formfehler  160–161 –– Gültigkeitsvermutung 156 –– Kumulierung von Fehlern  161–162 –– Materielle Fehler  162–163 –– Offenkundigkeit des Fehlers  164 –– Regel-Ausnahmeverhältnis 155 –– Terminologie 154 –– Voraussetzungen  156, 157–163 –– Zuständigkeitsfehler 158–159 IUCLID  24, 72 Kodex für gute Verwaltungspraxis –– der ECHA  118–125 –– des Europäischen Bürgerbeauftragten  119–120 –– Kodifizierung des Verfahrensrechts  360– 361 –– Rechtsnatur 121–125 –– verfahrenskonstitutives Akteneinsichtsrecht  197 –– Vergleich 119 Komitologieverfahren  35, 59–60, 64, 66, 305 Lieferkette  46–48, 55, 107, 260, 299 Mehrheit von Registranten –– bei Nicht-Phase-in-Stoffen  85 –– bei Phase-in-Stoffen  85 –– gemeinsames Dateneinreichen  86

398

Sachverzeichnis

nachgeschaltete Anwender  42, 48, 302 nationale Behörden 48–49, 55–56, 58, 66, 70, 75–77, 85, 87, 90, 239–240, 245, 248, 264, 281, 289 –– Rolle bei der Aufhebung von Registrierungen 248 Öffentlichkeit  36–37, 55, 123, 245 ohne Daten kein Markt  25, 68 Phase-in-Stoffe  44, 70 –– Mehrheit von Registranten  84–85 REACH-VO –– Altstoffregulierung vor Erlass  32–33 –– Anwendungsbereich 45 –– Beschränkung 54 –– Beschränkungsregime vor Erlass  33–34 –– Beweislast  46, 54, 339 –– Bewertung 49–51 –– Datenschutz 54–55 –– Defizite vor Erlass  32–33 –– Genese 34–38 –– Hintergrund der Schaffung  24–25 –– hohes Schutzniveau  39–40 –– Informationsgewinnung 54–56 –– Instrumente 45–46 –– Kodifizierung des Verfahrensrechts  360– 361 –– Mechanismus 46 –– Neustoffregulierung vor Erlass  33 –– Normgebungsprozess 36–38 –– Pflichten nach der Registrierung  47–48 –– Rechtsgrundlage 41 –– Rechtslage vor Erlass  30–34 –– Referenzgebiet 27 –– Registrierungspflicht 47 –– Regulierungskonzept 39 –– Rolle der ECHA  57–60 –– Stärkung der Innovationsfähigkeit  40–41 –– Stoffbewertung 51 –– Stoffverantwortung 46 –– Verfahrensrecht 115–117 –– Versuchsvorschläge  50–51, 80, 87 –– Weißbuch 35–36 –– Ziele 38–41 –– Zulassung 51–53 Recht auf gute Verwaltung  128–129

–– Anhörungsrecht  178, 181 –– Begründungspflicht 213 rechtmäßiger Registrierungsbeschluss –– Änderung der Rechtslage  348–352 –– Änderung der Sachlage  353 –– Nichtigkeitserklärung 351–352 –– Rückwirkung 348–351 –– Unwiderrufbarkeit 344–345 –– Widerruf 343–355 –– Widerrufsvorbehalt 346–348 Rechtssicherheitsgrundsatz –– im Rahmen der Aufhebung von Be­ schlüssen 250 –– im Rahmen der Rücknahme von Beschlüssen 250 –– im Rahmen der Rückwirkung  350 –– Inhalt 134–138 Registrantenmehrheit 86–87 Registrierung –– als Anzeigevorbehalt  102–103 –– als Erlaubnisvorbehalt  102–109 –– Beginn  69, 77 –– Beginn durch Einreichen des Dossiers  75 –– Beginn von Amts wegen  76–77 –– Hintergrund 69 –– Mehrheit von Registranten  82–87 –– Mengenbasierter Ansatz  35, 37, 68 –– Regelungsabsicht 258–259 –– Registrierungsakte 198–199 –– Registrierungsbeschluss 81–82 –– Stoffsicherheitsbericht 72–73 –– technisches Dossier  71–72 –– Verfahren 103–109 –– Vollzug durch die ECHA  25 –– Zeitlicher Anwendungsbereich  44 Registrierungsakte 198–199 Registrierungsbeschluss –– als Handlungsinstrument  95–113 –– Aufhebung 238–355 –– Begründung 217–222 –– Bestandskraft 166 –– Erlass durch die ECHA  112 –– Inexistenz 154–166 –– Inexistenz durch falsche Angaben  165 –– Rechtswirkung 97–111 –– Rechtswirkung der Informationsnachforderung 110–111 –– Rechtswirkung des ablehnenden  110

Sachverzeichnis –– –– –– ––

Rechtswirkung des annehmenden  97–109 Rechtswirkung des aufhebenden  111 Rücknahme 238–355 Rücknahme bei allgemeiner Rechtswidrigkeit 308–342 –– Rücknahme bei unzureichenden Angaben  270–308 –– Widerruf 348–354 –– Wirksamkeit  142, 154 Registrierungsdossier  25, 27, 49, 51, 67 –– Anzahl 27 –– Rücknahme bei unzureichenden Angaben  270–308 –– Stoffsicherheitsbericht 72–73 –– taugliches 78–79 –– technisches Dossier  71–73 Registrierungsentscheidungen –– im Registrierungsverfahren  80–82 Registrierungsgebühr 67, 80–81, 94, 110, 165, 183, 256, 301–302, 343, 352 Registrierungsverfahren –– Akteneinsichtsrecht 199 –– Anreizsituation 259–262 –– Ausgestaltung der Anhörung  185–188 –– completeness check  80 –– Notwendigkeit der Anhörung  177–185 –– Registrierungsakte 198–199 –– sachlicher Anwendungsbereich  67 –– Sprache 229–233 –– taugliches Dossier  78–79 –– Zeitpunkt der Akteneinsicht  200–204 Regulierungsagentur 58 Regulierungskonzept der REACH-VO  39 Risikomanagementmaßnahmen 25, 39, 46– 47, 49–50, 74, 89 Sicherheitsdatenblatt  47, 55, 88, 107 Stärkung der Innovationsfähigkeit  40–41 –– Bedeutung im Registrierungsverfahren  258–259 Stoffbewertung 51 Stoffsicherheitsbericht 49–50, 67, 70, 72– 73, 86, 89, 93 Stoffverantwortung 46 Tierversuche  40, 51, 82, 89 Transparenzverordnung  55, 195–197, 261

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Unbeachtlichkeit von Fehlern  172–174 –– bei Ermessensentscheidungen  170 –– bei gebundenen Entscheidungen  170 Verhältnismäßigkeitsprinzip 131–134 –– Entwicklung 130–131 –– Inhalt 131–133 Versuchsvorschläge  51, 80, 87 Vertrauensschutz –– im Rahmen der Aufhebung von Beschlüssen 250 –– im Rahmen der Aufhebung von Registrierungsbeschlüssen 309 –– im Rahmen der Rückwirkung  350–351 –– im Rahmen des Widerrufs von Registrierungsbeschlüssen 343 –– Inhalt 134–137 Verwaltungsverbund  27, 30, 64, 66, 320 Wahl der richtigen Sprache  229–238 –– Anforderungen der Sprachenverordnung  229–230 –– Anwendbarkeit der Sprachenverordnung  230 –– Bekanntgabe, Folgen  235–237 –– Praxis bei Guidances  230–233 –– Praxis bei Registrierungsbeschlüssen  230 –– Praxis der ECHA  230–233 –– Rechtsfolgen bei Fehler  233–237 –– Rechtswidrigkeit bei Fehler  233–237 Weißbuch –– Diskussion 36–38 –– Inhalt 35–36 –– Registrierungsverfahren 35 –– Vollzug 36 –– Vorsorgegebot 35 –– Zulassungsverfahren 35 Wirksamkeit eines Registrierungsbeschlusses  154 Ziele der REACH-VO –– hohes Schutzniveau  39–40 –– Innovationsfähigkeit 40–41 Zulassung 51–53 –– Hintergrund 51 –– Verfahren 51–53 Zwischenprodukte  43, 49